DAS PRODUKTKULTUR MAGAZIN Deutschland 5,90 € PROKOM DAS PRODUKT KULTUR MAGAZIN Q1·2013 REPUTATION Brands need Friends TREND Microsoft rockt in der Mittagspause THE SHARD Technische Innovationen beim Bau des Super-Wolkenkratzers PRINT Zeit für neue Wege im Online-Zeitalter und die Zukunft des Printkatalogs TECHNIK Kommt es auf die Größe an? Das Apple iPad mini im Test SPECIAL Uhren, die Geschichten erzählen: Weit mehr als nur simple Zeitmesser MENSCHEN Ingrid Rothe teNeues Digital Media: Werden digitale Reise-Apps den klassischen Reiseführer ersetzen? EDUCATION Social Learning: Bildung wird digital WISSENSWERT · 69 68 · WISSENSWERT MIT PRODUKTDATEN SPIELEN LERNEN „Warum soll ich mit Produktdaten spielen?“, werden Sie sich jetzt sicher fragen VON THOMAS LUCAS-NÜLLE A us Unternehmenssicht ist dies aber eine entscheidende Frage. Ab wann macht etwas Spaß, wenn man zum Beispiel einen neuen Sport beginnt oder das erste Mal mit dem Mountainbike ins Gelände fährt? Dann, wenn man die Hürde des Beherrschens und Lernens überwunden hat und anfangen kann, den Sport zu perfektionieren! Ähnlich verhält es sich in den Unternehmen. Auch hier wurden in den letzten 100 Jahren viele Dinge erlernt und perfektioniert: zum Bespiel die Serienfertigung. Zunächst mit der Automatisierung durch Industrieroboter und seit den 90erJahren durch immer mehr mögliche Individualisierungen der Produkte. Durch Produktion „on Demand“. Und das ist nur ein Beispiel für die Entwicklung im Fertigungsbereich. Auf der IT-Seite begann diese Entwicklung in den Unternehmen vor mehr als 20 Jahren, als ERP-Systeme ihren Siegeszug in der Fertigung antraten und die Warenlieferketten digital revolutionierten. Damals fanden Softwareanbieter und Beratungsunternehmen eine ähnliche Situation in den Unternehmen vor, wie sie sie heute vorfinden, wenn es um das Thema Informationsmanagement für Produkte, das Spielen mit Produktdaten geht. Die Unternehmen sind mitten in der Ausprobier- und Erstlernphase! Warum ist dies so? Die zentral geführte Informationstechnologie wurde in den Unternehmen jahrzehntelang auf das Thema Warenproduktion, Logistik und Finanzen, auf die ERP-Welt und auf den Bereich der unternehmensinternen Kommunikation und Dokumentenverwaltung beschränkt. Erst seit etwa Mitte des letzten Jahrzehnts wird den Unternehmen immer klarer, dass ein Ausklammern des Managements von Produktinformationen (Content und Medien), also das Handling aller Informationen, die zur Entwicklung, Produktion und anschließenden Vermarktung von Produkten dienen, nicht mehr möglich ist. Aber warum? Bisher reichte es doch, dass die Ent- PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN wicklungsabteilung ihre Daten in eigenen Systemen wie Excel-Datenbanken etc. verwaltete. Und dass das Produktmanagement entsprechend seinen Anforderungen ebenso eigene „Systeme“ vorhalten durfte. So wurden zum Beispiel für lange Zeit zur Erstellung von Bedienungsanleitungen, Inbetriebnahmeblättern etc. die notwendigen Informationen aus den entsprechenden Abteilungen gesammelt, zusammengefasst und dann in der Regel in einem neuen System nochmals erfasst. ISO 9000 sei Dank wurde inzwischen eine geprüfte Bedienungsanleitung zum Standard für den Verkauf eines Produktes erhoben. Erinnern wir uns nur an die ersten Bedienungsanleitungen von japanischen Videorecordern aus den 90er-Jahren. Heute sind zumindest diese Dokumente weitestgehend frei von Fehlern. Zu guter Letzt ist das Marketing dran. Alle Informationen werden aus den vorgelagerten Abteilungen per „Jagen und Sammeln“ zusammengetragen und möglichst aktuell gehalten. Es wird durch die immer kürzeren Produktlebenszyklen und die schnellstmögliche „Time to Market“ inzwischen parallel zu den Abteilungen Entwicklung und Produktmanagement gearbeitet, sodass Veränderungen am Produkt, die erst in letzter Minute vorgenommen werden, im Marketing auch ankommen sollten. Die Gefahr, eine Produktgeschichte mit falschen Eigenschaften zu erzählen, steigt deutlich. Erinnert Sie diese Schilderung an etwas? Diejenigen unter Ihnen, welche die Anfänge der Warenwirtschaftssysteme und ERP-Systeme erlebt haben, also vorher mit Listen, Karteikarten, im besten Fall mit dem damals schon existierenden Excel die Fertigung oder Logistik zu steuern versuchten, erinnern sich vielleicht noch genau an ähnliche Situationsbeschreibungen. Denn in ähnlicher Weise wurde vor Einführung von SAP und Co. gearbeitet. Von Spielen war auch damals in dieser Phase nicht die Rede. Heute existieren für den Supply-Chain-Bereich BestPractices und funktionierende Standards in Hülle und Fülle, und das Produzieren von funktionierenden Produkten wird zur Nebensache. Entscheidender ist, wie schnell, individualisiert und mit welchen neuen Features produziert werden kann. Das „Spielen“ ist in der Fertigung und Logistik mit kürzesten Lieferzeiten von unter 24 Stunden auch weltweit in vollem Gange. Die Supply Chain, die Warenlieferkette, funktioniert in vielen Fällen schon nahezu perfekt. Pünktlich gelieferte Autos und Amazon-Päckchen zeugen jeden Tag davon. Im Bereich der zugehörigen Informationslieferkette herrscht heute jedoch in den Unternehmen immer noch ein Zustand wie vor der Einführung von ERP-Systemen. Silo-Denken und Silo-Systeme prägen die Situation. Dazwischen menschliche Schnittstellen, die meistens digital über Mail die benötigten Informationen von System A zu System B transportieren und transformieren. Alles sehr aufwändig, fehleranfällig, damit anstrengend und stressig. Den Anforderungen einer immer schneller werdenden Produktionsund Logistikwelt zu entsprechen ist mit dieser Methode jetzt schon kaum noch gerecht zu werden. Auf der anderen Seite stehen die Kunden und Konsumenten, die sich über immer mehr Medienkanäle mit Informationen versorgen. Alleine die Entwicklung im mobilen Bereich sorgte mit dem Smartphone und vor allem mit dem iPad (Tablet) für Medienkanäle, die es vor 10 Jahren noch nicht einmal gab. Auf diese Weise entstehen immer neue „Touchpoints“, die aus Unternehmenssicht mit Informationen zu Produkten und Dienstleistungen versorgt werden möchten. Zeitgleich natürlich! An Spielen mit Produktinformation ist mit dieser Basis nicht zu denken. Der erste Schritt der Unternehmen, diese Welt an Dienstleister wie Werbe- und Web-Agenturen zu delegieren, scheiterte an explodierenden Kosten. Doch da gibt es doch mittlerweile einige Unternehmen, die heimlich geübt haben und anfangen, das Spiel zu beherr- » Foto: www.istockphoto.com Nur Unternehmen die Ihr Spiel mit Produktdaten perfekt beherrschen sind in der Lage Ihre Kunden und Marktkommunikation zu perfektionieren. PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN 70 · WISSENSWERT schen! Sie kommunizieren in PrintMedien ebenso schnell und konsistent wie in Online-Medien. Neue Kanäle, wie das vor wenigen Jahren noch nicht existente iPad, werden mit Leichtigkeit mit Produktinformationen in 20 und mehr Sprachen versorgt, die dem Kunden und Konsumenten stets aktuell zur Verfügung stehen. Durch diese „Mitspieler“ wird aus dem Spiel schnell überlebensnotwendiger Ernst, denn Konsumenten entscheiden und kaufen heute in nahezu allen Fällen auf Basis relevanter Produktinformationen und nicht mehr durch ausprobieren oder testen. Somit wird der Druck, das Spiel gut zu beherrschen, immer größer – und die Rufe nach einer schnellen, überlebenswichtigen Lösung insbesondere aus den Unternehmensführungen immer lauter. Information Supply Chain Management (ISCM) wird dadurch zwar in den Unternehmensführungen in den letzten Jahren immer mehr wahrgenommen, aber leider noch nicht verstanden. Eine funktionierende Mannschaft, die ein Spiel perfekt beherrscht und über die entsprechende Ausrüstung verfügt, ist nicht einfach mit Geld und Zukäufen kurzfristig aufzubauen. Jeder Trainer und fast jeder Vereinsvorstand weiß dies. Daher ist es ein noch weiter Weg, bis ISCM ebenso zu den Kernkompetenzen von Unternehmen gehört wie das heutzutage selbstverständliche SCM (Supply Chain Management) mittels SAP und Co. Also, meine Damen und Herren in den Unternehmensführungen. Machen Sie es wie vor 20 Jahren beim Start in die Welt der ERP-Systeme. Bilden Sie Teams aus den verschiedenen Disziplinen Einkauf, Produktmanagement, IT, Vertrieb und Marketing, und lassen sie die Teams das Spiel verstehen lernen. Eventuell mit externen „Trainern“ für den Anfang. Danach nehmen Sie sich als Unternehmen Zeit, die Spielausrüstung (Technologie) zusammenhängend, aber aus einzelnen TopKomponenten , zu wählen – und dann fangen Sie endlich an, systematisch zu trainieren. Damit nicht nur Ihre Produkte und Dienstleistungen zum Besten gehören, das Ihr Markt zu bieten hat, sondern auch Ihre Kommunikation zu den Produkten und Dienstleistungen. DENTITÄT e NDUSTRIE e e NTERNATIONAL Überraschend, relevant und einzigartig: Kommunikation im Netz und drumherum, die Marken stärkt und Marge macht. THOMAS LUCAS-NÜLLE Thomas Lucas-Nülle gehört zu den führenden Experten, wenn es um das Thema Produktkommunikation geht. Neben dem technischen Blick auf PIM, MAM, E-Commerce und PrintSysteme beschäftigt er sich intensiv mit den strategischen Herausforderungen für Unternehmen in einer medial vernetzten Zukunft und bringt diese Expertise bei Beratungsprojekten in Unternehmen ein. WEITERFÜHRENDE LINKS www.xtentio.com schindlerparent.de PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN