PROKOM DAS PRODUKT KULTUR MAGAZIN Q3·2013 www.informatica.com/pim PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN DAS PRODUKTKULTUR MAGAZIN 8. Jahrgang · 3. Quartal 2013 Deutschland 5,90 € AUTOMOBIL Tesla Motors erobert den Europäischen Markt CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY Die Klitschkos und ihre soziale Verantwortung als Super-Marke TRAVEL Abenteuer Kilimandscharo TREND Bally feiert 60 Jahre Erstbesteigung des Mount Everest TECHNIK ONE Carl Zeiss – Neuer Markenauftritt für faszinierende Momente MENSCHEN Horst Brandstätter und sein Lebenswerk Playmobil EDUCATION Airwriting Glove – durch Bewegung schreiben Tablet Publishing 34 · WISSENSWERT Enterprise Content Management MAM WISSENSWERT · 35 E-Procurement Search Technologies Eine (un)mögliche E-Commerce Mobile Commerce CRM ISCM Technical Guide Management MRM Multi Language Management Mission?! Customer specified Configuration PIM Print Publishing Vernetzung von Projekten im Informationsmanagement POS Interaction Brand Management Content & Media Onboarding von Thomas lucas-nülle D ie stetig steigende Vielzahl von Informationskanälen, die Konsumenten heute nutzen, führt auf Unternehmensseite zu einer neuen Herausforderung, die von vielen Managern immer noch stark unterschätzt wird. So werden auch heute noch neue Informationskanäle, wie beispielsweise E-Commerce, oft als losgelöst von den traditionellen Medienkanälen betrachtet und auf Fachabteilungsebene bearbeitet. Dies führt im Organisationsaufbau zu einer silohaften Denkstruktur, in der jeder nur auf den einen Kommunikationskanal fokussiert ist, den er selbst verantwortet. In der Vergangenheit funktionierte dies noch, weil auch die Konsumenten noch nicht „vernetzt“ waren. Aber heute befinden wir uns in einer Ära, in der die mediale Omnipräsenz zu einer totalen Vernetzung der Konsumenten geführt hat. Viele Unternehmen haben auf diese Veränderung des „Marktes“ bisher nur zaghaft reagiert, indem sie hier mal ein Web-Projekt für die eigene Internetrepräsentanz, da mal ein E-Shop-Projekt für mehr Online-Umsätze angestoßen haben, oder auch das eine oder andere Projekt für die Erstellung von Bedienungsanleitungen, die Ablage von Bildern und Medien oder für ein besseres Übersetzungsmanagement. Jeweils fachabteilungsbezogen und häufig unter dem Radar des Top-Managements! Die immer stärker steigenden Kosten im Informationsmanagement, verursacht durch zunehmende Probleme mit konsistenten Produktinformationen in verschiedenen Kanälen und durch explodierende Übersetzungs- und Personalkosten aufgrund vieler Sprachvarianten, führen aber vermehrt dazu, dass das Thema Informationsmanagement im Top-Management wahrgenommen wird. Das Information Supply Chain Management, kurz ISCM, beginnt sich zu emanzipieren! Was aber ist ISCM eigentlich und welche Themenfelder gehören dazu? Zunächst lassen sich die Themenfelder im ISCM in zwei wesentliche Bereiche gliedern: Zum einen gibt es den Themenbereich, der auch vom Top-Management wahrgenommen PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN und im Allgemeinen als Multichannel Commerce bezeichnet wird. Hierzu gehört im Handel und insbesondere im Versandhandel vor allem der Bereich E-Commerce (E-Shop), der eine umsatztragende Bedeutung hat. Vor 10 Jahren mit einstelligem Prozentanteil gestartet, liegt der E-Commerce-Anteil des B2C-Versandhandels heute häufig bei weit über 80 Prozent und ist damit als Kommunikationskanal unternehmenskritisch geworden. Ebenfalls zum Multichannel Commerce zählen der klassische Printbereich sowie ganz neue Kanäle wie Mobile Commerce oder das Tablet Publishing. Nachdem der Versandhandel die Bedeutung dieser neuen Kanäle nur allmählich erkannte, haben diese heute, nur knapp 5 Jahren seit ihrem Entstehen, teilweise bis zu 20 Prozent Umsatzrelevanz in den Unternehmen. Für Hersteller und Händler von komplexen Produkten ist es häufig erforderlich, die Produkte in den verschiedenen Kommunikationskanälen spezifisch an die Konsumentenbedürfnisse anzupassen. Dies wurde historisch oft durch den persönlichen Kontakt über Außendienst oder Vertrieb mit einem aufwändigen Angebotsverfahren über mehrere Iterationen erreicht. In heutiger Zeit fehlt für diesen Prozess meist einfach die Zeit, zudem ist ein solches Vorgehen zu teuer. Daher setzen Unternehmen vermehrt auf den Einsatz von Technologien, um dem Kunden durch eine Vorauswahl bis hin zum Self-Service die Möglichkeit zu eröffnen, auch bei komplexen Produkten selbstständig eine konkrete Anfrage oder Bestellung zu erstellen. Dieser Bereich wird als „Customer-Specified Configuration“ oder auch „Configure To Offer/Order“ (CTO) bezeichnet. Im Multichannel sicher eine der komplexesten Herausforderungen. Erweitert man diesen Bereich um weitere Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und ihren Kunden und Interessenten, so sind auch das Content Management, die Web-Präsenzen der Unternehmen ebenso wie die Vor-Ort-Präsenzen, wie Shops, Showrooms und Geschäfte, zu berücksichtigen. An allen diesen Punkten findet die sogenannte „Point of Sale Interaction“ statt. Bei weltweit agierenden Unternehmen kommt bei all der Steuerung von produktnahen Kommunikationskanälen aber noch eine Vielzahl von weiteren Kanälen hinzu. So werden Imageanzeigen oder Werbefilme erstellt und geschaltet oder Messen ausgerichtet, um nur drei markenrelevante weitere Kanäle zu nennen. Um dieses erweiterte Medienkanalspektrum unter „Markenkontrolle“ zu halten, wird dem Brand Management die Verantwortung für dieses Themenfeld übertragen. Greifen Unternehmen im Weiteren auch mithilfe des Customer Relationship Managements auf das Wissen von Kunden, Interessenten sowie Zielgruppen zu, so spricht man übergreifend von „Multi-Touchpoint Communication“. Multichannel Commerce und Multi-Touchpoint Communication funktionieren nur mit einem entsprechenden technologischen Unterbau! Zu diesem als ISCM Backbone bezeichneten Bereich gehören vor allem die produktdatenhaltenden Bereiche wie das Product Information und Media Asset Management. Aber auch Bedienungs-, Inbetriebnahme- und Reparaturanleitungen sind erweitere Produktinformationen, die für die Kommunikation im Multichannel erstellt und bereitgestellt werden müssen. Im Handelsumfeld sind die Bereiche des Content und Media Onboarding von besonderer Bedeutung, da kaum ein Unternehmen mit größeren Sortimenten » PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN WISSENSWERT · 37 36 · WISSENSWERT Search Technologies Point of Sale Interaction esource Man age ng R i t me ke r a nt M Technical Guide Managementt Custo Customer specif specified C onfigu Configuration Multi Channel Commerce ouchpoint Communica tion Multi T ISCM-Backbone Multi ti Language age Management ement Enterprise Customer Content Relationship Management Management E-Commerce E -C Company Mobile Commerce Co E-Procurement nt Content tent & Media edia Onboarding arding Table Tablet Publishing Publish Product Information Management Media Asset Management Print Publishing Brand Management Die vernetzte Einführung der einzelnen ISCM-Themenfelder stellt eine komplexe Herausforderung an das Projektmanagement dar. “ PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN (> 100.000 Artikeln) heute noch zeitlich beziehungsweise aufwandsmäßig in der Lage ist, Artikelbeschreibungen und Attribute mit den zugehörigen Bildern manuell zu erfassen. Im industriellen Umfeld bezieht sich dieses Aufnehmen von Artikeldaten häufig auf Komponenten oder Zukaufteile, wobei in diesem Prozess ebenfalls die kaufmännische Einkaufsleistung abgewickelt wird. Aus diesem Grund hat das E-Procurement im ISCM insbesondere für Industrieunternehmen eine wesentliche Bedeutung. Agieren Unternehmen international, was für das typische deutsche Unternehmen quasi Standard ist, gilt es nicht nur alle Medienkanäle zu versorgen, sondern diese auch noch in allen Sprachen zu bespielen. Weltweit vertretene Unternehmen benötigen für eine vollumfängliche weltweite Kommunikation zwischen 20 und 30 Sprachen. Somit zählt das Sprachenmanagement ebenfalls zu den wesentlichen Bereichen, die das Rückgrat im ISCM bilden. Zu guter Letzt fehlt noch die Problemlösung für das Suchen und vor allem das Finden von Informationen. Idealerweise über viele Systeme hinweg und für den Anwender übergreifend und einfach nutzbar. Der Bereich Search Technologies ist im ISCM Backbone sicher einer der „weichen“ Technologiebereiche, da hier häufig auch auf der individuell vorhandenen, historisch gewachsenen Systemarchitektur aufgebaut und integriert werden muss. All diese Themenfelder gehören „orchestriert“! Wer aber übernimmt diese Rolle? Bisher wurden in den Unternehmen alle Themenfelder überwiegend abteilungsbezogen aufgebaut und gesteuert. Eine übergreifende Koordination und ein übergreifendes Controlling existieren nur in den wenigsten Unternehmen. Jedoch bildet sich in diesem Bereich seit einigen Jahren ein neues Themenfeld heraus: Das Marketing Resource Management. Als vernetzende Komponente führt es einzelne Projekte zu kanalübergreifenden Kampagnen zusammen und weist diesen Budgets zu, definiert Kampagnenziele und übernimmt die Werbeerfolgskontrolle und Kostenkontrolle. Diese Themenfelder wurden im Marketing auch bei Großkonzernen bisher häufig mit Excel als Schattenbuchhaltung neben SAP & Co. bearbeitet. Führt man nun all diese ISCM-relevanten Themengebiete zu einem einheitlichen Gebilde zusammen, so wird deutlich, wie hochkomplex das Zusammenspiel ist. Dies ist auf der einen Seite bedingt durch die schon vorhandenen Systeme, welche historisch nicht vernetzt, sondern fachabteilungsbezogen geführt wurden und somit nicht immer in eine übergreifende Zielarchitektur passen. Aber auch durch unkoordinierte Ansammlung von gleichartigen Systemen, wie zum Beispiel Media-Asset-Systemen, die in größeren Unternehmen mehrfach vorkommen können. Die Problematik ist vergleichbar mit der der weltweiten SAP-Rollouts, die dazu führten, dass SAP zwar weltweit installiert war, die Projekte und Systeme der Landesgesellschaften aber häufig nur sehr wenig mit dem Hauptsystem gemein hatten. Gründe dafür waren die fehlende vernetzte Projektführung und in früheren Zeiten auch fehlende technische Architekturen für eine weltweite zentrale Lösung. Die Rahmenbedingungen für weltweit zentrale Systeme sind da! Heute ist es unabdingbar, auch ISCM-Systeme weltweit koordiniert einzuführen und den Vorteil von zentralen Daten und Prozessen zu nutzen. In den meisten Unternehmen fehlt es aber zum jetzigen Zeitpunkt noch an Know-how für eine solche Umsetzung. Ähnlich wie zu Beginn der Rück-Zentralisierung im ERP-Umfeld, sind die entsprechenden Teams und Abteilungen für eine übergreifende Projektierung des ISCMGesamtgebäudes in den Unternehmen nicht vorhanden, da auf viele Fachabteilungen verteilt. Das Bewusstsein, dass nur ein zentrales Team übergreifend die ISCM-Themen orchestrieren kann, muss im TopManagement noch wachsen. Neben dem organisatorischen Aufbau eines entsprechend in der Organisation dauerhaft verankerten Teams, ist eine weitere nicht unerhebliche Hürde zu nehmen: Durch die Vielzahl der technologischen Themenfelder lassen sich ISCM-Projekte nicht separiert und in analoger Reihenfolge abarbeiten. Sie müssen vernetzt eingeführt werden! Dies führt aufgrund einer neuen Dimension der Projektkomplexität, insbesondere durch die große Anzahl von Aufgaben und Projektphasen aus unterschiedlichen Technologiethemen, zu einer ganz neuen Herausforderung an das moderne ISCM-Projektmanagement. Ebenso muss sich das Projektmanagement intensiv mit den unterschiedlichen „Mentalitäten“ der Projektbeteiligten auseinandersetzen. Denn erstmals trifft Marketing auf Prozessorganisation und IT. Dieses Spannungsfeld gilt es inhaltlich aufgrund der unterschiedlichen Denkweisen zu managen. Aber auch emotional ist der Wandel nicht ganz einfach, da bisher Marketing häufig als „kreativer“ Teil des Unternehmens betrachtet wurde und daher auch IT-technologisch weitestgehend freie Hand hatte und von der Zentral-IT häufig als „Black-Box“ betrachtet wurde. Auf diese Herausforderungen sind die wenigsten Projektleiter gut vorbereitet. Technisch gut ausgebildet, scheuen sie häufig den notwendigen Konflikt, um sich konsequent am ISCM-Gesamtziel auszurichten. Dies führt zu langwierigen und wenig erfolgreichen Projektumsetzungen. Auch im ISCM hängt alles Wesentliche vom Kopf der Unternehmung und des Projektes ab und sollte entsprechend mit Aufmerksamkeit, Know-how für hochkomplexes Projektmanagement und vor allem Erfahrung ausgestattet sein. Nur auf diese Weise gelingt es, die vielen Musikinstrumente zu einem Orchester zusammenzuführen. thomas lucas-nülle Thomas Lucas-Nülle gehört zu den führenden Experten, wenn es um das Thema Produktkommunikation und vernetztes ISCM-Projektmanagement geht. Neben dem technischen Blick auf PIM, MAM, E-Commerce und Print-Systeme beschäftigt er sich intensiv mit den strategischen Herausforderungen für Unternehmen in einer medial vernetzten Zukunft. weiterführende links www.xtentio.com PROKOM DAS PRODUKTKULTURMAGAZIN