Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 1 Ferienkurs Quantenmechanik Sommersemester 2014 Fabian Jerzembeck und Christian Kathan Fakultät für Physik Technische Universität München 08. September 2014 Grundlagen und Formalismus Der erste Tag des Ferienkurses ist dazu gedacht, die wichtigsten mathematischen Begrie und die Grundlagen der Quantenmechanik zu wiederholen. Um einer kompakten Darstellung gerecht zu werden, formulieren wir nach Einführung der notwendigsten mathematischen Begrie die Axiome der Quantenmechanik sehr abstrakt. Anschlieÿend motivieren wir diese Vorgehensweise durch Betrachtung konkreterer Räume. Die folgende Darstellung orientiert sich vor allem an die Vorlesung von Herrn Prof. Ratz (SS13), sowie von Herrn Prof. Zwerger (SS14) und dem Ferienkurs 2013. 1 Hilberträume & Dirac-Notation Zunächst einmal zwei wichtige Denitionen: Denition 1 Eine zweiwertige Verknüpfung h·, ·i auf einem Vektorraum V in die komplexen Zahlen C heiÿt inneres Produkt, falls sie folgende Eigenschaften für alle ψ, φ, χ ∈ V und c1 , c2 ∈ C erfüllt 1. Konjugationssymmetrie hψ, φi∗ = hφ, ψi 2. Linearität im zweiten Argument hψ, c1 φ + c2 χi = c1 hψ, φi + c2 hψ, χi 3. Positive Denitheit hψ, ψi ≥ 0 und 1 hψ, ψi = 0 ⇔ ψ = 0 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 2 Aus der Linearität im zweiten Argument und der Konjugationssymmetrie folgt die Antilinearität (oder besser Semilinearität ) in der ersten Komponente hc1 ψ + c2 φ, χi = c∗1 hψ, χi + c∗2 hφ, χi . Das innere Produkt wird oft auch als Skalarprodukt k · k= eine bezeichnet. Dieses induziert gemäÿ p h·, ·i (1) Norm. Konvergieren beliebige Cauchyfolgen bezüglich dieser Norm, so ist der zuvollständig : gehörige Vektorraum Denition 2 Ein vollständiger Vektorraum mit Innenprodukt h·, ·i wird als HilbertRaum H bezeichnet. Hilbert-Räume sind im Allgemeinen Mithilfe der komplex. Dirac-Notation lässt sich Quantenmechanik sehr elegant beschreiben. ein Zustand ) aus einem Hilbert-Raum H kann hierbei abstrakt beliebiger Vektor (später: als Ket |ψi ∈ H geschrieben werden. Der wesentliche Punkt hierbei ist, unabhängig von einer gewählten Basis des Vektorraums ist. dass diese Darstellung Per Denition können somit Kets addiert und auch mit Skalaren multipliziert werden. Auÿerdem können wir jedem Ket |αi einen (eindeutigen) dualen Bra, hα| zuordnen. Dabei ist gegebenenfalls auf eine komplexe Konjugation zu achten: c ∈ C, |ψi , |φi ∈ H : c |ψi + |φi ↔ c̄ hψ| + hφ| (2) Wir verzichten an dieser Stelle auf eine formal korrekte Einführung. Für uns genügt die Tatsache, dass ein Bra hψ| zusammen mit einem Ket |φi ein Braket hψ|φi, d.h. ein inneres Produkt, auf unserem komplexen Hilbert-Raum bilden. 1.1 Operatoren im Hilbert-Raum Im nächsten Schritt wollen wir nun die auf die Elemente von von Elementen aus H H Operatoren in einem Hilbert-Raum auf andere Elemente von H  also auf den Ket betrachten, |ψi, Abbildung gemäÿ  : |ψi 7→  |ψi ≡ |Âψi Wirkt H wirken. Diese beschreiben nichts weiter als eine ∈ H. (3) dann gilt für den dualen Bra  |ψi ↔ hψ| † . Insbesondere heiÿt ein Operator linear, falls dieser  (c |ψi + |φi) = c |ψi +  |φi 2 (4) Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 3 erfüllt. Die später betrachteten Operatoren werden allesamt linear sein. Analog zu Matrizen auf endlichdimensionalen Räumen können lineare Operatoren untereinander multipliziert, addiert und mit Skalaren multipliziert werden und ergeben so wieder neue Operatoren gemäÿ (cÂ) |ψi = c( |ψi) für c∈C \ A + B |ψi =  |ψi + B̂ |ψi d |ψi = Â(B̂ |ψi). AB 1.2 Hermitesche Operatoren  (gemäÿ unserer Forderung) wieder in H liegt, ist hψ, Aφi mit |ψi , |φi ∈ H wohldeniert und wir können Nachdem das Bild eines Operators das folgendes Skalarprodukt mittels hψ, Âφi =: h† ψ, φi einen (5) adjungierten Operator † zu  denieren. Dies zieht für Vielfache, Produkte und Summen von Operatoren Â, B̂ folgende Rechenregeln für ihre Adjungierte nach sich: (cÂ)† = c̄† für c∈C † \ A + B = † + B̂ † d † = B̂ † † AB Falls tesch.  = † 1 gilt, dann heiÿt  hermitesch. Gilt B̂ † = −B̂ , so heiÿt B̂ antihermi- In der Quantenmechanik tauchen hermitesche Operatoren in der Form von Observablen ständig auf. Den Grund liefert folgender Satz: Satz 1 Für einen hermiteschen Operator gilt: 1. alle Eigenwerte sind reell und 2. die zugehörigen Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal. Antihermitesche Operatoren haben dagegegen rein imaginäre Eigenwerte. genommen fordert die Quantenmechanik sogar selbstadjungierte Operatoren. Dies ist im unendlich-diemensionalen Fall relevant, wobei sich der Unterschied zu einem hermiteschen Operator in der Betrachtung der Denitionsbereiche nden lässt. Jedoch ist diese Diskussion bei einer Einführung überzogen, sodass wir im Folgendem stets beim Begri der Hermitizität bleiben. 1 Streng 3 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 4 1.3 Unitäre Operatoren Ein Operator Û heiÿt Exponentialfunktion unitär, falls dieser Û † Û = Û Û † = 1 erfüllt. Deniert man die eines Operators via  e := ∞ X Ân 0 so kann gezeigt werden, dass Û = ei n! , unitär ist, falls (6)  hermitesch ist. 1.4 Kommutator von Operatoren Der Kommutator von zwei Operatoren ist deniert als [A, B] := AB − BA und bildet wieder einen Operator. Er misst quasi wie gut A und B kommutieren. Für den Kommutator gelten folgende Eigenschaften 1. Antisymmetrie [Â, B̂] = −[B̂, Â] 2. Linearität [Â, c1 B̂ + c2 Ĉ] = c1 [Â, B̂] + c2 [Â, Ĉ] für c1 , c2 ∈ C 3. Jacobi-Identität [Â, [B̂, Ĉ]] + [B̂, [Ĉ, Â]] + [Ĉ, [Â, B̂]] = 0 4. Produktregel [Â, B̂ Ĉ] = B̂[Â, Ĉ] + [Â, B̂]Ĉ Für die Diskussion von guten Quantenzahlen ist folgender Satz von entscheidender Bedeutung: Satz 2 (Simultane Diagonalisierung) Zwei untereinander kommutierende hermitesche Operatoren (→ Observablen!) besitzen einen gemeinsamen Satz von Eigenfunktionen. Zur Erinnerung: Nach Satz 1 sind die Eigenvektoren zu jeweils verschiedenen Eigenwerten orthogonal. Auÿer dem Kommutator denieren wir noch den Antikommutator {Â, B̂} := ÂB̂ + B̂ Â. 4 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 5 Zum Schluss dieses Abschnittes bemerken wir noch, dass der Kommutator zweier hermitescher Operatoren antihermitesch ist, da [A, B]† = (AB − BA)† = B † A† − A† B † = BA − AB = −[A, B]. Der Antikommutator von A B und ist dagegen wieder hermitesch. 1.5 Orthonormalbasen (ONB) eines Hilbert-Raums Orthonormalbasis (ONB) ist eine Menge von orthonormalen Vektoren eines HilbertH, d.h. {|ni} mit hn|mi = δn,m . Weiter garantiert die Forderung nach Vollständigkeit dieser Menge, dass ein beliebiger Vektor |ψi ∈ H durch eine geeignete Eine Raums Linearkombination mithilfe dieser ONB geschrieben werden kann X |ψi = cn |ni , wobei cn = hn|ψi , (7) n wobei wir eine abzählbare P dies entsprechend mit Menge vorausgesetzt haben. Im → ´ . Allgemein wird das als die nach einer ONB mit zugehörigen Koezienten cn die Eins, also 1= X |ni hn| , bzw. 1= über abzählbaren Fall gilt Enwicklung eines Vektors genannt. eine Kurzschreibweise ist ˆ dn |ni hn| . (8) n n Der eigentliche Witz besteht nun darin, dass wir in der Quantenmechanik als ONB die Menge der Eigenzustände bestimmter Operatoren (Observablen) wählen. Streng genommen muss stets die Vollständigkeit dieser Eigenvektoren nachgewiesen werden. Darauf verzichten wir jedoch im Rahmen dieser Einführungsveranstaltung. Bei festgelegter ONB lässt sich eine Matrixdarstellung eines Operators  mit Elementen Ân,m = hn|Â|mi (9) nden. Diese Feststellung werden wir insbesondere bei endlichdimensionalen Problemen benötigen. Als einprägendes Beispiel denke man an den Spin und die Pauli-Matrizen, denen wir uns unter anderem an Tag 3 widmen werden. Mit den Matrixelementen lässt sich ein Operator bei gegebener ONB zu  = X Ân,m |ni hm| n,m zerlegen. 5 (10) Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 6 2 Die Axiome der Quantenmechanik Nachdem wir nun mit dem notwendigen mathematischen Handwerkszeug und Hintergrundwissen gerüstet sind, wollen wir nun die Postulate der Quantenmechanik formulieren: normierten hψ, ψi = 1, vollständig I. Der quantenmechanische Zustand eines Systems wird durch einen Zustandsvektor in einem Hilbert-Raum, |ψi ∈ H mit beschrieben. II. Physikalische Messgröÿen ( Observablen ) werden durch hermitesche Operatoren dargestellt (Korrespondenzprinzip). III. Erwartungswerte von Operatoren  im Zustand |ψi sind bestimmt durch hÂi = hψ|Â|ψi . (11) Diese beschreiben die Mittelwerte über viele Messungen der zu Gröÿe, wobei das System jedes mal in den Zustand IV. Die Zeitentwicklung eines Zustandes die Schrödinger-Gleichung i~ mit dem assoziierten 2 gebracht werden muss. |ψi eines (abgeschlossenen) Systems ist durch ∂ |ψ(t)i = Ĥ |ψ(t)i ∂t (12) Hamilton -Operator Ĥ (→ Energie des Systems) bestimmt. V. Bei einer Messung der zu a |ai, |ψi   assoziierten Gröÿe mit dem Ergebnis a, wobei  |ai = |ai über. geht das System in den Eigenzustand In den nächsten Schritten werden wir wesentliche Konsequenzen aus diesen Postulaten diskutieren. 2.1 Quantenmechanischer Messprozess Zunächst werfen wir einen Blick auf den quantenmechanischen Messprozess. Der Einfachkeit halber beschränken wir uns auf den diskreten Fall. Dazu bezeichnen wir die Eigenwerte einer Observablen A mit a1 , a2 , a3 , .... Die dazugehörigen normierten Eigenvektoren bezeichnen wir mit |1i, |2i, |3i... und nehmen die Vollständigkeit dieser an. Es gilt also A|ni = an |ni und 2 Die hn|mi = δn,m explizite Abhängigkeit des Erwartungswertes vom physikalischen Zustand des Systems resultiert auch oft in der Schreibweise hÂi|ψi . 6 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) Jeder Zustand |αi kann nach 08. September 2014 Seite 7 dieser (!) Orthonormalbasis zu |αi = X cn |ni = n X n |ni hn|αi | {z } =cn entwickelt werden. Die Quantenmechanik postuliert nun, dass im Moment der Messung das System in einen der Eigenzustände kollabiert |αi −→ |ni, wobei wir den dazugehörigen Eigenwert an als Messwert erhalten. Die Wahrscheinlich- keit, welchen Messwert das System annimmt, ist über das Betragsquadrat des Koezienten pn = |cn |2 = | hn|αi |2 gegeben. Eine Summation über alle pn ergibt wegen der Normierungsbedingung genau eine Wahrscheinlichkeit von eins, d.h. die {pn } stellen wirklich eine Wahrscheinlichkeits- verteilung dar. Damit stimmt der oben denierte Erwartungswert mit dem der Wahrscheinlichkeitstheorie überein, da hAi = hα|A|αi = XX n hα|mihm|A|nihn|αi = X an |hn|αi|2 . n m 2.2 Allgemeine Unschärferelation hÂi = hψ|Â|ψi folgt sofort, dass dieser linear 2 ist. Falls wir auÿerdem hAi und hA i 2 kennen, denieren wir (wie allgemein üblich) die Varianz (∆A) von A als erwartete Aus quadratische Abweichung vom Erwartungswert (∆A)2 := h(A − hAi)2 i = hA2 − 2A hAi + hAi2 i q p 2 ∆A = (∆A) = hA2 i − hAi2 heiÿt Unschärfe oder = Linearität Standardabweichung Betrachten wir nun gleichzeitig zwei Observablen, so gibt die lation hA2 i − hAi2 . von A. allgemeine Unschärfere- eine quantitative Aussage für die untere Schranke der Gröÿe des Produkts der zugehörigen Standardabweichungen: Satz 3 (Allgemeine Unschärferelation) Sind  und B̂ hermitesche Operatoren, so gilt für einen beliebigen Zustand |ψi, dass 1 ∆ · ∆B̂ ≥ | h[Â, B̂]i |. 2 7 (13) Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) Gilt für zwei Observablen h[A, B]i = 6 0, 08. September 2014 Seite 8 dann ist das Produkt der Unschärfen von beiden immer gröÿer als Null. Man kann also keinen quantenmechanischen Zustand so präparieren, dass das Produkt kleiner als die gegebene Schranke ist. 2.3 Ehrenfesttheorem Aus den formulierten Axiomen der Quantenmechanik folgt sofort eine weitere bekannte Eigenschaft. Das Ehrenfesttheorem wertes der zu einem Operator Satz 4  beschreibt die zeitliche Änderung des Erwartungs- assoziierten Messgröÿe: Das Ehrenfesttheorem (im Schrödinger-Bild) lautet E d D E iD [Ĥ, Â] +  = dt ~ * ∂  ∂t + . (14) Mit Hilfe des Ehrenfesttheorems kann man zeigen, dass die klassischen Bewegungsgleichungen bereits in der Quantenmechanik (für die entsprechenden Erwartungswerte) enthalten sind (s. Übung). Eine zeitunabhängige Observable  beschreibt eine Erhaltungsgröÿe in der Zeit, wenn [Ĥ, Â]. diese mit dem Hamilton-Operator kommutiert, d.h. 3 Ort und Impuls Nachdem wir bisher die Quantenmechanik sehr abstrakt, aber dafür sehr allgemeingültig, eingeführt haben, werfen wir als nächstes einen Blick auf Ort und Impuls. Die Beschreibung erfolgt im Hilbert-Raum L2 (Rn ) für n = 1, 2, 3 besteht aus allen quadratintegrablen Funktionen, dh ˆ n n 2 L (R ) ≡ ψ : R −→ C; d x|ψ(x)| < ∞ 2 n Darauf ist ein Skalarprodukt durch ˆ hψ, φi ≡ deniert, dass die Norm ˆ k ψ k= dn x ψ ∗ (x)φ(x) n 2 d x|ψ(x)| 8 21 Dimensionen. Er Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 9 induziert. Nach deniertem Skalarprodukt schreibt sich der Erwartungswert zu ˆ dn x ψ ∗ (x, t)Aψ(x, t). hAi = L2 -Funktionen dienen uns zur Beschreibung von physikalischen Zuständen die entwe- der vom Ort oder dem Impuls abhängen. Als geeignete (überabzählbare) Orthonor- Ortseigenzustände {|xi} mit der Bestimmungsgleichung x̂ |xi = x |xi oder Impulseigenzustände {|pi}, analog mit p̂ |pi = p |pi. malbasen wählen wir zumeist Projizieren wir nun wir zur |ψi Wellenfunktion auf einen Orts- |xi, bzw. Impulseigenzustand bzw. im Impulsraum φ(p) = hp|ψi . Dabei vereinbaren wir, dass die Wellenfunktion in der Ortsbasis mit φ(p) so gelangen im Ortsraum ψ(x) = hx|ψi , Impulsbasis mit |pi, (15) ψ(x) und in der bezeichnet wird. Die konkrete Darstellung eines Operators hängt wesentlich von der gewählten Basis ab. Nachstehende Kästen fassen einige fundamentale Dinge zusammen. Beispiel 1 Im Ortsraum ( 1D, analog in 3D) gilt, dass der Ortsoperator x̂ eine Wellenfunktion mit x multipliziert, d.h. x̂ψ(x) −→ xψ(x), Potentiale der Form V (x) eine Abbildung V̂ ψ(x) −→ V (x)ψ(x) darstellen, der Impulsoperator ein Dierentiationsoperator der Form −i~ d : ψ(x) −→ −i~ψ 0 (x) dx ist. Man schreibt p̂x = −i~ dxd . der Hamilton-Operator Ĥ eines Teilchens mit Masse m in einem Potential V̂ mittels Korrespondenzprinzip zu Ĥ = p̂2 −~2 d + V̂ = + V (x) 2m 2m dx geschrieben werden kann. 9 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 10 Beispiel 2 Der Impulsoperator ist (wirklich) ein hermitescher Operator, denn es gilt für alle normierbaren ψ, χ ˆ d hψ, px χi = dx ψ (x) −i~ χ(x) = partielle Integration dx ∞ ˆ d ∗ ∗ + dx i~ ψ (x) χ(x) = −i~ψ (x)χ(x) dx −∞ {z } | verschw. im Unendlichen ∗ ˆ d dx −i~ ψ(x) χ(x) = hpx ψ, χi dx ∗ Er besitzt also reelle Eigenwerte und seine Eigenfunktionen sind orthogonal, so wie es sein muss! Beispiel 3 Der Kommutator des Ortsoperators der xi -Koordinate (d.h. Multiplikation mit xi , also ψ(x) −→ xi ψ(x)) und dem Impulsoperator pj = −i~ ∂x∂ j lautet ∂ ∂ ∂ = −i~ xi + i~ xi [xi , pj ] = xi , −i~ ∂xj ∂xj ∂xj |{z} P rod. ∂ ∂ ∂ + i~ xi + xi = i~δij = −i~ xi ∂xj ∂xj ∂xj Dies ist als kanonische Vertauschungsrelation bekannt. Mithilfe der allgemeinen Unschärferelation erhält man mit obigem Resultat sofort ∆xi · ∆pi ≥ was in der Literatur als die ~ , 2 Heisenbergsche Unschärferelation bezeichnet wird. In Wornicht möglich ist, ein Teilchen der Masse m der- ten formuliert bedeutet dies, dass es maÿen zu präparieren, dass es gleichzeitig eine beliebig kleine Unschärfe im Ort-, und Impulsraum aufweist. Wir wollen den Dirac-Formalismus noch dazu benutzen um herauszunden, wie ei0 ne Wellenfunktion φα (p ), welche einen Zustand |αi im Impulsraum beschreibt, im Ortsraum aussieht. Dafür schieben wir geschickt einen Identitätsoperator, ausgedrückt durch Impulseigenzuständen, ein ψα (x ) = hx |αi = hx |1|αi = 0 0 0 ˆ ˆ 0 0 0 0 dp hx |p i hp |αi = 10 dp0 hx0 |p0 i φα (p0 ). Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 11 0 0 Wir müssen also wissen wie hx |p i aussieht. Das ist eine Eigenfunktion des Impulsoped rators p = −i~ in Ortsdarstellung. Die zugehörige Dierentialgleichung ist somit dx −i~ d hx0 |p0 i = p0 hx0 |p0 i dx0 Die Lösung lautet (mit richtiger Normierung) 1 exp hx |p i = √ 2π~ 0 und ist eine 0 ip0 x0 ~ ebene Welle. M.a.W. sind also ebene Wellen die Impulseigenfunktionen im Ortsraum! Einsetzen liefert uns ˆ 0 ψα (x ) = Wir kommen also durch eine 1 dp √ exp 2π~ 0 ip0 x0 ~ Fouriertransformation φα (p0 ) von einer Wellenfunktion im Im- pulsraum zur entsprechenden Wellenfunktion im Ortsraum (→ Basiswechsel!), man kann also ψ = FT[φ] schreiben. Analog kommen wir mit einer Rücktransformation (d.h. diesmal mit einem Minus) von einer Wellenfunktion im Ortsraum zur Wellenfunktion im Impulsraum ˆ 0 φα (p ) = ip0 x0 1 exp − ψα (x0 ). dx √ ~ 2π~ 0 Das lässt sich auf drei Dimensionen verallgemeinern: Satz 5 Haben wir eine Wellenfunktion ψ(~x) im Ortsraum gegeben, dann lautet die Wellenfunktion im Impulsraum: ˆ 1 i~p · ~x d x exp − ψ(~x) ~ 3 φ(~p) = √ 3 2π~ Andersrum haben wir 1 ψ(~x) = √ 3 2π~ ˆ 3 d p exp i~p · ~x ~ φ(~p) Es sei noch angefügt, dass obige Diskussion für einen beliebigen Zeitpunkt t in der Evolution eines Teilchens galt. Beziehen wir nun die Entwicklung in der Zeit und die Diskussion des quantenmechanischen Messprozesses mit ein, so können wir folgende Interpretation (hier ein 1D) für die Wellenfunktion im Ortsraum ψ(x) festhalten: Hypothese 1 Das Betragsquadrat der Wellenfunktion Ψ(~r, t) eines Teilchens liefert die Aufenthaltswahrscheinlichkeits dichte des Teilchens ρ(~r, t) am Ort ~r zur Zeit t. ρ(~r, t) = | h~r|ψt i |2 = |Ψ(~r, t)|2 11 (16) Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) Wichtig hierbei ist, dass 08. September 2014 Seite 12 ρ(~r, t) lediglich die Wahrscheinlichkeitsdichte ist. Will man das Teilchen in einem bestimmten Volumen detektieren, muss man daher die Wahrscheinlichkeitsdichte über das betrachtete Volumen integrieren. Im eindimensionalen Fall ist deshalb die Wahrscheinlichkeit [a, b] w(x, t), das Teilchen zur Zeit t im Volumenintervall zu nden, über ein Integral zu berechnen ˆb w(x, t) = ˆb dx |Ψ(x, t)|2 . dx ρ(x, t) = a a Beispiel 4 Ebene Welle Betrachtet man ein Teilchen, das keine Wechselwirkung erfährt, so erscheint es sinnvoll, dieses Teilchen durch eine ebene Welle zu beschreiben. Bei einer ebenen Welle ist die Ausbreitungsrichtung und -geschwindigkeit der Welle räumlich konstant, was man von einem freien Teilchen erwarten würde. Der Ansatz für den eindimensionalen Fall ist daher Ψ(x, t) = Cei(kx−ωt) , was auch wirklich eine Lösung der Schrödinger-Gleichung darstellt. Hierbei ist k die Wellenzahl und ω die Frequenz der Welle. Diese beiden Gröÿen können bei einem Photon direkt mit dessen Energie und Impuls in Beziehung gesetzt werden. Es ist E = ~ω und p = ~k Diese Beziehungen werden nun auf allgemeine Teilchen erweitert, indem man deren Wellenzahl und Frequenz durch Energie und Impuls deniert. Daher ist i (px − Et) Ψ(x, t) = C exp ~ und ρ(x, t) = |C|2 , (17) Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung liefert dann gerade die nicht-relativistische p2 Energie-Impulsbeziehung E = 2m (wie es auch sein sollte). Die im Allgemeinen komplexe Normierungskonstante C hängt damit stets vom betrachteten Volumen ab. Dabei sollte die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen irgendwo innerhalb dieses Volumens zu detektieren, gerade 1 ergeben. Aus dieser Bedingung kann man das Betragsquadrat der Normierungskonstante berechnen. Gleichzeitig sieht man, dass man zu jeder Wellenfunktion stets eine komplexe Phase dazu multiplizieren kann, ohne die Wahrscheinlichkeitsdichte zu verändern. 4 Endlichdimensionale Hilbert-Räume Auÿer dem unendlichdimensionalen L2 spielen auch endlichdimensionale Hilbert-Räume eine wichtige Rolle. Sobald zum Beispiel der Spin eines Teilchens betrachtet wird, für 12 Grundlagen und Formalismus Tag 1 (Theoretische Physik III) 08. September 2014 Seite 13 den es nur eine endliche Anzahl von möglichen Spineinstellungen gibt, benutzen wir zu n einer adäquaten Beschreibung den C mit seinem Standardskalarprodukt. Insbesondere wird der Spinorraum C2 wichtig sein, der das Verhalten von Spin 1/2 Teilchen abbildet, da es dort genau zwei mögliche Projektionen Spin-up und Spin-down gibt (s. Tag 3). 13