Geologie der Schweiz

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Ära
Periode
Epoche
Quartär
Holozän
Alter
in Mio. Jahre
0.01
Pleistozän
2.6
Neogen
Pliozän
5
Miozän
Känozoikum
23
Paläogen
Oligozän
34
Dieser reich illustrierte Überblick zur geologischen Entstehung der
Schweiz richtet sich an Berggänger, Naturfreundinnen und Studierende. Für die vorliegende 9. Auflage wurde der Inhalt überarbeitet,
aktualisiert und neu strukturiert.
Eozän
56
Paläozän
66
Kreide
Späte
100
Frühe
145
Jura
Malm
164
Dogger
174
Lias
Mesozoikum
201
Trias
Späte
237
Mittlere
247
Frühe
252
359
Toni P. Labhart, geboren 1937, war bis 1998 Professor für Mineral- und Gesteinskunde
an der Universität Bern. In zahlreichen Publikationen, Kursen, Exkursionen und
Vorträgen hat er die schwierige Materie Geologie interessierten Nichtfachleuten nähergebracht. Er gilt als der Schweizer Geologe, der in den letzten Jahrzehnten am
meisten für die Popularisierung seines Fachgebiets getan hat.
419
www.ott-verlag.ch/geologie-schweiz
Perm
299
Karbon
Spätes
323
Frühes
Präkambrium
Päläozoikum
Devon
Silur
444
Ordovizium
485
Kambrium
Christian Gnägi, geboren 1961, studierte an der Universität Bern und der ETH Zürich
Geografie, Biologie, Geologie und Ökologie. In seiner Dissertation setzte er sich
mit der eiszeitlichen Landschaftsentwicklung am bernischen Alpenrand auseinander.
Er bearbeitet mit seinem Büro weg > punkt Aufträge in den Bereichen Geologie,
Ökologie und Exkursionen ( www.weg-punkt.ch ). Einige seiner Schwerpunkte sind
Eiszeitgeologie, Karst, Landschaftsentwicklung und Fossilien.
Geologie der Schweiz
Zeitstufen
Wollten Sie nicht schon immer mehr über die Geologie der Schweiz
wissen, ohne sich endlos mit Fachausdrücken herumschlagen zu
müssen? Dieses Buch setzt bei den Besonderheiten am Wegrand
an und erleuchtet deren Hintergründe. Die Landschaft birgt viele
Geschichten über ihr Werden und Vergehen – Sie müssen sie nur zu
lesen wissen. Dabei soll Ihnen dieses Buch helfen und nicht nur
die Besonderheiten am Wegrand aufzeigen, sondern Ihnen auch die
Sprache der Geologie nahebringen.
Christian Gnägi / Toni P. Labhart
Geologie
der Schweiz
Gnägi /Labhart
Geologische Zeitskala
541
Proterozoikum
2500
Archaikum
4550
Quelle: Geologic Time Scale Foundation (2012)
Ott_UG_Geologie_141128.indd 1
9., vollständig überarbeitete Auflage
Abkürzungen
A
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An
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Br
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Dr
EB
EL
Gu
FS
IL
KI
Kp
L
LL
M
Ma
Zone von Arosa
Adula-Decke
Antigorio-Decke
Axen-Decke
Berisal-Decke
Bergeller Intrusion
Bernhard-Deckenkomplex
Breccien-Decke
Doldenhorn-Decke
Dent-Blanche-Decke
Drusberg-Decke
Err-Bernina-Decke
Engadiner-Linie
Gurnigel-Decke
Falknis-Sulzfluh-Decke
Insubrische Linie
Klippen-Decke
Innerschweizer Klippen
Lebendun-Decke
Leventina-Lucomagno-Decke
Morcles-Decke
Maggia-Decke
ML Monte-Leone-Decke
Mo Malenco-Fenster
MR Monte-Rosa-Decke
MS Margna-Sella-Decke
Ni Niesen-Decke
NS Nappe-Supérieure
P Piatta-Decke
R Randkette der Drusberg-Decke
RSL Rhone-Simplon-Decke
S Simano-Decke
Sä Säntis-Decke
SC Sion-Courmayeur Zone
Si Silvretta-Decke
Su Suretta-Decke
Ta Tambo-Decke
Ts Tsaté-Decke
U Urseren-Zone
V Verampio-Decke
Ve Verrucano
Wi Wildhorn-Decke
ZS Zone Zermatt-Saas-Fee
28.11.14 13:18
Inhaltsverzeichnis
Vorwort7
1
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Grundwissen kompakt – Geologie der Schweiz im Überblick
Zum Gebrauch dieses Buches
Die Schweiz im geologischen Gesamtbild Europas
Die Grosslandschaften – Mittelland, Jura und Alpen
Die geologische Erforschung der Schweiz
Der aktuelle Kenntnisstand
Der Kreislauf der Gesteine
Entstehung des Landschaftsreliefs
2Mittelland
2.1 Grundgebirge bis Mesozoikum – der unsichtbare Untergrund
2.2 Molassebecken – was von den Alpen übrig geblieben ist
2.3 Deformation: Falten, Brüche und Schuppenbildung
2.4Das Quartär – der letzte Schliff
3Jura
3.1 Kristallines Grundgebirge und Oberrhein-Graben –
der geheimnisvolle Untergrund
3.2 Der Ablagerungsraum vom Karbon bis zum Quartär –
Saurier, Krokodile und Eiskappen
3.3 Deformation: Falten, Brüche und Überschiebungen
4Alpen
4.1 Der Aufbau der Alpen
4.2 Helvetikum – Höhlensysteme mit Anschluss ans Mittelmeer
4.3 Zentralmassive – so unverrückbar sind sie nicht
4.4 Penninikum – der Farbtupfer der Alpengesteine
4.5 Ostalpin – ein Gruss vom Südufer des Ozeans
4.6 Südalpin – Saurier, tiefe Seen und rote Pflastersteine
10
11
14
17
20
23
28
43
43
49
51
56
58
61
69
73
86
93
112
117
5 Geologische Entwicklung der Schweiz –
eine chronologische Zusammenfassung
5.1 Vom kristallinen Grundgebirge bis zum Perm130
5.2 Trias bis Mittlere Kreide: Zerbruch Pangäas und Öffnung von Ozeanen 131
5.3 Kreide bis Neogen: Vom Ozean zum Hochgebirge
134
5.4 Quartär bis heute: Kalt- und Warmzeiten
137
5.5Altersbestimmung
138
6Vertiefung
6.1Plattentektonik
142
6.2 Eiszeiten – die Vergletscherung der Schweiz im Quartär148
6.3Und sie bewegt sich immer noch – Neotektonik, Bergstürze
und Erdbeben
158
6.4 Karst und Höhlen
164
6.5 Metamorphose und metamorphe Gesteine
171
6.6 Strahler, Kristalle, Bodenschätze und Meteoriten
174
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 5
28.11.14 12:02
7Anhang
Weiterführende Literatur
Glossar – einige wichtige Fachausdrücke
Stichwortverzeichnis
186
188
196
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 6
28.11.14 12:02
Vorwort
Abb. 1.1
Calcit
Kleinode am Wegrand – Calcitkristalle begegnen
uns in einer grossen Vielfalt an Formen. Sie erreichen
nur selten die Grösse der bekannten Bergkristalle
(Quarz), sind aber viel häufiger zu finden und auch
schön.
Wie sind die Riesenbergkristalle vom Planggenstock entstanden? Warum findet man
auf der Scesaplana auf 3000 m ü.M. versteinerte Meerestiere? Woher kommen die farbenprächtigen Kiesel in der Emme? Sicher
haben Sie auch schon unterwegs über skurrile Felsen, verbogene Gesteinsschichten
oder auffällige Steine gestaunt. Da möchte
man doch wissen, wie diese Felsform entstanden ist, wie jene Versteinerung heisst,
wie alt die Berge sind – und vieles mehr. Bei
solch alltäglichen Beobachtungen setzt dieses Buch an: Hintergründe erleuchten, Verständnis vermitteln und «Gwunder» wecken nach mehr. Es möchte helfen, die in
der Landschaft verborgenen Geschichten
über ihr Werden und Vergehen zu entdecken – und dabei die Sprache der Geologie
nahebringen. Naturbegeisterten und Lernenden, die sich mit der Materie befassen
(müssen), wird hiermit ein knapp gehaltenes und gut illustriertes Werk zum Einstieg
angeboten. Wir haben uns auf die Darstellung der grossen, wesentlichen Zusammenhänge beschränkt. Angaben zu weiterführender Literatur finden sich im Anhang.
gen, das Überlassen von Illustrationen und
Fotos oder auch einfach für die wohlwollende Ermutigung bei dem nicht einfachen
Unterfangen, ein kurzes, leicht verständliches und zeitgemässes Buch über die Geologie der Schweiz zu verfassen.
Der Kontakt mit den Lesenden ist uns wichtig. Schreiben Sie uns, wenn Sie Bemerkungen oder Änderungsvorschläge haben. Kontaktadresse:
Christian Gnägi, Länggasse 7
CH-3360 Herzogenbuchsee
E-Mail: [email protected]
Mit dieser Auflage erhält das Buch eine
neue Struktur, und die Inhalte wurden aktualisiert. Einige Kapitel sind gänzlich überarbeitet, da die Forschung immer tiefer vordringt. Nachdem Toni Labhart über bald
dreissig Jahre das Buch «Geologie der
Schweiz» geprägt und immer erweitert hat,
übergibt er bei dieser Ausgabe den Stab an
Christian Gnägi.
Vielen Kolleginnen und Kollegen sind wir
zu grossem Dank verpflichtet: für Anregun-
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 7
28.11.14 12:02
1
Grundwissen kompakt –
Geologie der Schweiz im Überblick
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 9
28.11.14 12:02
Geologie der Schweiz
Zum Gebrauch dieses Buches
Dieses Buch ist nicht chronologisch nach
der Entstehung der geologischen Baueinheiten gegliedert, denn das Alter sieht man
einem Berg oder Tal nicht an. Wir orientieren uns im Folgenden an dem, was alle sehen können, wenn sie mit offenen Augen
durch die Landschaft streifen, an den Phänomenen und den Besonderheiten, die unser Interesse wecken. Schroffe Felsen, Karrenfelder, Höhlen, farbige Gesteine,
Versteinerungen und Kristalle fallen auf,
wollen erklärt und verstanden werden. Die
Struktur dieses Buches geht deshalb zuerst
einmal von den drei auffälligen Grosslandschaften der Schweiz aus: Das flache bis
hügelige Mittelland liegt zwischen den zwei
Gebirgen des Juras und der Alpen ( Kap.
2–4). Vorausgehend wird in Kapitel 1 geologisches Fachwissen zusammengefasst, das
zum Grundverständnis nötig ist. Die Entstehungsgeschichte wird in Kapitel 5 als Gesamtschau präsentiert. In Kapitel 6 folgen
dann vertiefende und erweiternde Abschnitte zu übergreifenden Themen, für
diejenigen, die noch mehr wissen wollen.
10
Auch wenn die Struktur dieses Buches also
vom Räumlichen und seinen geologischen
Besonderheiten ausgeht, wird doch immer
wieder von bestimmten Zeitabschnitten
(z. B. Perm oder Mesozoikum) und ihrem Alter die Rede sein. Als Hilfe hierzu dient die
Übersichtstabelle im hinteren Einband.
Zeitliche Begriffe sind zur besseren Erkennung kursiv gesetzt. Etwas gewöhnungsbedürftig ist dabei, dass in der Geologie oft
Zeiteinheiten und die während dieser Zeit
entstandenen Gesteinseinheiten den gleichen Namen tragen. «Kreide» meint also
einerseits einen Zeitabschnitt im Späten
Mesozoikum, andererseits Ablagerungen
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 10
dieser Zeit, oder «Jura» den mittleren Abschnitt des Mesozoikums, aber gleichzeitig
auch das Juragebirge.
Wir haben uns um eine möglichst verständliche Sprache bemüht. Allerdings gehören
zum Eintauchen in ein Fachgebiet gewisse
Fachausdrücke dazu, nicht zuletzt, um
auch den Bezug zur übrigen Literatur herzustellen. Diese Fachbegriffe sind meist
beim erstmaligen Gebrauch im Text erklärt
oder Erklärungen in Klammern angefügt.
Die in Kapitel 1 eingeführten Fachbegriffe
werden später vorausgesetzt. Viele Begriffe
werden zudem im Glossar am Schluss des
Buches erklärt. Die Karte im vorderen Einband enthält die wichtigsten Namen der
geologischen Einheiten der Schweiz. Sie
werden im Glossar nicht nochmals aufgeführt. Im hinteren Einband sind drei Querprofile durch die Schweiz abgebildet. Diese
beiden Karten sollen helfen, eine dreidimensionale Vorstellung der Schweiz aufzubauen.
Im Laufe der Zeit wurden durch die vielen
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
Namen für Gesteinseinheiten geprägt, die
zwar heute noch gebräuchlich, aber veraltet
oder nicht offiziell akzeptiert sind, weil sie
nicht den aktuellen Nomenklatur-Regeln
entsprechen. Da sie aber in der älteren Literatur vorkommen, ist es hilfreich, wenn
man sie kennt (z. B. «Würm» für die letzte
Kaltzeit). Wir weisen teilweise in Klammern auf solche Namen hin, oder setzen sie
in doppelte Anführungszeichen. Auch in
der neueren geologischen Fachliteratur
sind solche Begriffe in Anführungszeichen
gesetzt. Ebenfalls in Anführungszeichen
sind übertragene Begriffe.
28.11.14 12:02
1 Grundwissen kompakt – Geologie der Schweiz im Überblick
Abb. 1.2
Die schweizerischen Grosslandschaften als Teil Mitteleuropas
Der Alpenbogen (3) erstreckt sich über 1000 km und acht Staaten. Der schweizerische Anteil besteht aus den
Zentralalpen (im Unterschied zu den West- und Ostalpen). Der grössere Teil des Juras (1) und seine höchste
Erhebung liegen in Frankreich. Das Mittelland (2) reicht von Frankreich bis weit nach Süddeutschland und
Österreich. Die rote Linie zeigt die ungefähre Plattengrenze zwischen der Europäischen und der Adriatischen
Platte. In den Alpen heisst diese Grenze Periadriatisches Lineament und der schweizerische Abschnitt
Insubrische Linie. In der Vergrösserung des Satellitenbilds (die blaue Linie markiert die Schweizer Landesgrenze im Südtessin) wird deutlich, dass diese unterirdische Plattengrenze die Entstehung ganzer Talfolgen
bestimmte ( Kap. 4.6).
© http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alpenrelief_01.jpg
1.1
Die Schweiz im geologischen
Gesamtbild Europas
Die Staatsgrenzen der Schweiz beruhen
nicht auf geologischen, sondern auf geschichtlichen Gegebenheiten. Geologisch
gesehen, ist die Schweiz ein Ausschnitt aus
viel grösseren Einheiten. Für viele ist es
Teil des schweizerischen Identitätsbewusstseins, dass Jura, Alpen und Mittelland «uns»
gehören. Doch sie erstrecken sich weit über
die Schweizer Grenzen hinaus und sind
Teilgebiete Mitteleuropas ( Abb. 1.2). Es ist
daher für das Verständnis der Geologie der
Schweiz wichtig, aus einem grösseren
Blickwinkel auf die Schweizer Besonderheiten zu zoomen.
11
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 11
28.11.14 12:02
Geologie der Schweiz
Abb. 1.3
Die Bauelemente Europas
geändert nach O. Adrian Pfiffner (2009): Geologie der Alpen. Haupt, Bern
Der euroasiatische Kontinent, auf dem die
Schweiz liegt, hat schon eine lange Geschichte. In den Gesteinen der Schweizer
Alpen wurden Mineralkörner gefunden,
deren Alter auf über 3 Mrd. Jahre datiert
wurde. Der heutige Zeitpunkt zeigt nur eine
Momentaufnahme. Der Kontinent besteht
aus einem Mosaik verschieden alter Erdteile (= Platten), die aneinanderstiessen und
so «zusammengeschweisst» wurden ( Kap
und 6.1). Dadurch änderten sich Form
und Grösse unseres Kontinents immer wieder. Mindestens zweimal war er Teil eines
«Superkontinents», in dem alle Landblöcke
zusammengeschlossen waren, der aber
wieder auseinanderbrach. Der Baltische
Schild ist das älteste Teilstück Europas
(­ ­Abb. 1.3). Er enthält bis zu 3,5 Mrd. Jahre
alte Gesteine.
1.5
12
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 12
28.11.14 12:02
1 Grundwissen kompakt – Geologie der Schweiz im Überblick
Riesige Areale davon liegen aber nicht an
der Oberfläche, sondern unter jüngeren Ablagerungen. Wenn wir zu den Alpen aufschauen, so erscheinen sie wie für die Ewigkeit geschaffen. Es ist schwer vorstellbar,
dass da vorher schon mehrere andere Gebirge standen, die alle wieder abgetragen
(eingeebnet) wurden. In seiner «jüngeren»
Vergangenheit ist Europa etwa alle 100 bis
200 Mio. Jahre wieder mit einer anderen
Platte zusammengestossen und erlebte dadurch eine neue Gebirgsbildung (vereinfacht kann man sich dies vorstellen wie die
Knautschzone, wenn zwei Autos frontal zusammenstossen).
Die drei jüngsten Gebirgsbildungen sind:
• Die kaledonische (Ordovizium bis Silur):
Sie prägte die Gebirge Nordwesteuropas
(Norwegen, Schottland, Irland), erfasste
aber auch andere Regionen und kann
ebenfalls im Grundgebirgssockel der
Schweiz nachgewiesen werden.
• Die variszische (Karbon und Frühes
Perm): Es entstanden u. a. Ural, Ardennen, Rheinisches Schiefergebirge, Harz,
Erzgebirge, Fichtelgebirge, Odenwald,
Spessart, Vogesen, Schwarzwald, Böhmische Masse, Massif central sowie Teile
Spaniens und Portugals, Sardiniens und
Korsikas. An vielen Orten stieg Magma
(= flüssiges Gestein aus dem Erdinnern)
auf, das zu ausgedehnten Gesteinskörpern aus Granit erstarrte oder in Vulkanen ausbrach. Diese Granite bilden den
Kern der Zentralmassive in den Schweizer Alpen ( Kap. 4.3) und sind auch in
den penninischen Decken ( Kap. 4.4)
vorhanden. Fast alle Granite der
Schweiz entstanden in dieser Phase. Im
Südalpin und Penninikum liegen grössere vulkanische Gesteinseinheiten aus
dieser Zeit (Perm).
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 13
• Die alpine (Ende Kreide bis heute): Sie
umfasste nicht nur die Alpen, wie man
denken könnte, sondern auch die
Karpaten, den Apennin, die Dinariden,
die Pyrenäen und den Atlas. Als noch
wenig abgetragene Ketten entsprechen
sie in Form und Höhenlage am besten
unserer Vorstellung von Gebirgen.
Teilweise umschliessen sie Beckenlandschaften, die mit Abtragungsschutt
gefüllt sind, oder werden durch solche
begrenzt (z. B. das nordalpine Mittelland
und die Poebene).
Grundlegend für den geologischen Aufbau
der Schweiz – und damit für das Verständnis der Geologie der Schweiz – ist, dass nach
der variszischen Gebirgsbildung bis zur
Trias der grosse Superkontinent Pangäa bestand, in dem die heutigen Kontinente alle
vereinigt waren. Seine Gesteine waren aus
Resten früherer Gebirgsbildungen, sogenanntem Altkristallin, aufgebaut. Denn bei
jeder neuen Gebirgsbildung wurden Reste
älterer Gebirge und ihr Abtragungsschutt
wieder eingefaltet. Altkristallin ist somit
keine einheitliche Bildung, sondern für die
Alpen ein Sammelbegriff, der alle metamorphen Gesteine (zur Metamorphose siehe Kap. 6.5) mit einem Altersspektrum bis
und mit der variszischen Gebirgsbildung
umfasst. Die Entzifferung ihrer Geschichte
ist spannend wie ein Krimi. Während der
variszischen Gebirgsbildung stieg an vielen
Orten Magma ins Altkristallin auf, das zum
Teil in Vulkanen ausbrach. Damals war hier
Festland, und die Gebirge unterlagen starker Abtragung. Die daraus entstandenen
Sedimente des Karbons und Perms bestehen denn auch aus erodiertem Altkristallin
und Vulkaniten (sowie untergeordnet
Kohlelagen, daher der Name «Karbon»).
Wenn sich die Erdkruste durch Bewegun-
13
28.11.14 12:02
Geologie der Schweiz
gen im Erdinneren dehnt, sinkt der ausgedünnte Teil ein. Es entsteht ein Graben, wie
z. B. der Oberrhein-Graben zwischen
Schwarzwald und Vogesen ( Kap. 3.1). In solchen eingesenkten Mulden (Permokarbon-Tröge, Kap. 5.1) sind die Sedimente des
Perms und Karbons erhalten geblieben. Dieser alte kontinentale Sockel ist als Grundgebirge unter der ganzen Schweiz zu finden.
Zugleich bildet er den kristallinen Anteil
vieler Decken in den Alpen. Das Grundgebirge beinhaltet also drei Elemente:
• Altkristallin: metamorphes Kristallin
von abgetragenen Gebirgen,
• Erstarrungsgesteine (= Magmatite) aus
der variszischen Gebirgsbildung,
• Sedimente des Perms und Karbons.
Der Gastern-Granit –
Gruss aus dem Perm
Einen Hinweis auf die permische Verwitterung erhalten wir im Gasterntal.
Im Schutt fallen unter hellen bis grünlichen auch rotgesprenkelte Granitgerölle auf ( Abb. 4.24, S. 90). Der
Gastern-Granit ist einer der variszischen Granitkörper im Aar-Massiv. Er
war bereits beim ersten Mal der Verwitterung ausgesetzt, weil das ihn einhüllende Altkristallin abgetragen worden war. Das heisse und trockene
Klima dieser Zeit führte zur Verwitterung und damit Rotfärbung von Feldspäten. Im Mesozoikum sank der
Gastern-Granit durch die Dehnungsbewegungen in Pangäa wieder unter
den Meeresspiegel und wurde erneut
von Sedimenten überdeckt. Das helle
Band der Trias unterhalb des Kanderfirns markiert die Grenze Sediment/
Kristallin deutlich.
14
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 14
Als Pangäa im Mesozoikum auseinanderbrach, wurden in den zwischen den Kontinenten entstandenen Meeren erneut Sedimente abgelagert. Der Unterbau des
Gebiets, aus dem während der alpinen Gebirgsbildung dann die Schweiz zusammengeschweisst wurde, war also ein alter, abgetragener Grundgebirgssockel mit einer
jüngeren Sedimentbedeckung. Diese Zweiteilung in Grundgebirge und mesozoische
Sedimentbedeckung findet man überall im
Aufbau der Schweiz wieder, vom Jura bis
ins Tessin.
1.2
Die Grosslandschaften –
Mittelland, Jura und Alpen
Unsere umgangssprachliche Einteilung in
die drei Grosslandschaften beruht auf den
Landschaftsformen. Während Mittelland
die anschauliche Bezeichnung für das flache und hügelige Gebiet zwischen Jura und
Alpen ist, gelten die steilen Kalkwände der
Voralpen als nördlicher Alpenrand ( Abb.
1.4). Geologisch betrachtet, sieht dies etwas
anders aus. Die Entstehung aller drei Landschaften ist mit der Faltung und Abtragung
der Alpen verknüpft – überprägt durch die
Eisvorstösse der letzten 2,5 Mio. Jahre. Ob
etwas markant in Erscheinung tritt, hat vor
allem mit der Härte und damit der Erosionsresistenz der Gesteine zu tun. Landschaftskörper aus weicheren Gesteinen
neigen zu runderen Formen und flacheren
Hangwinkeln.
Das Mittelland
Das Mittelland ( Abb. 1.5, S. 16) ist die fruchtbarste und am dichtesten besiedelte Landschaft der Schweiz. Es weist ein engmaschiges Strassen- und Eisenbahnnetz sowie viel
Platz für Industrie und Landwirtschaft auf.
Zum Mittelland gehören nicht nur die Flus-
28.11.14 12:02
1 Grundwissen kompakt – Geologie der Schweiz im Überblick
Abb. 1.4
Hohgant-Nordwand – der morphologische Alpenrand
Die Nordwand des Hohgant im hintersten Emmental tritt prominent in Erscheinung, weil sie vor allem durch
harte, erosionsresistente Kalke aufgebaut wird (z. B. Schrattenkalk vom damaligen europäischen Kontinentalrand = Helvetikum). Die Niederhorn-Hohgant-Kette wird deshalb oft als «Helvetische Randkette» der Alpen
bezeichnet. Die darunterliegenden Schichten des Flyschs und der Subalpinen Molasse sind weicher und
deshalb nicht als Fels sichtbar, wurden aber durch die Alpenfaltung ebenfalls abgeschert und aufs Vorland
überschoben. Die Lage des Alpenrands hängt somit von der Definition ab, was als Alpen bezeichnet wird.
sebenen, sondern auch das vor­alpine Hügelgebiet vom Appenzellerland bis zum
Genfersee. Es beginnt im SW nördlich von
Chambéry in Frankreich, dort, wo sich Jura
und Alpen auftrennen. Die Breite nimmt
nach NE bis ins süddeutsche und österreichische Alpenvorland auf 140 km zu
(­ Karte im vorderen Einband). Das Mittelland
war ursprünglich ein Becken längs der Alpen, das auch das Gebiet des heutigen Juras
umfasste (der damals noch nicht aufgefaltet
war). Darin lagerten die Alpenflüsse seit
dem Paläogen die Molasse ab (Abtragungsschutt der Alpen). Es wurde gleichzeitig
laufend umgestaltet und sogar in die Alpenfaltung einbezogen (Subalpine Molasse).
Ein später Schub aus SE formte aus dem
Nordrand des Beckens den Jura. Die Gletschervorstösse im Quartär schürften in der
Molasse tiefe Täler und Becken aus. In diesen Übertiefungen liegen die Alpenrandseen, oder sie wurden mit glazialen Sedimenten aufgefüllt und enthalten grosse
Grundwasservorkommen.
15
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 15
28.11.14 12:02
Geologie der Schweiz
Abb. 1.5
Das westliche Mittelland
Gewitterstimmung über dem blinkenden Seeland. Im Vordergrund die spätglaziale Schwemmebene zwischen
Biel und Solothurn mit der Aare, im Hintergrund die drei Jurarandseen: Murtensee (links), Neuenburgersee
(rechts hinten) und davor der Bielersee mit der St. Petersinsel (Blickrichtung von der ersten Jurakette nach
SW). Schwach erkennbar sind auch die talparallelen, längsgeschliffenen, bewaldeten Hügelzüge, die die
Gletscherflussrichtung anzeigen.
Der Jura
Der Jura ist neben den Alpen das zweite
Gebirge der Schweiz und macht etwa 10
Prozent der Landesfläche aus ( Abb. 1.6). Er
beginnt in Frankreich südlich des Genfersees und verläuft dann über 300 km in einem lang gezogenen Bogen beidseits der
französisch- schweizerischen Grenze bis
über Schaffhausen hinaus nach Deutschland. In Frankreich liegen Alpen- und Jurakette zuerst noch nebeneinander. Dann löst
sich der Jura gegen NE ab und wird ein eigenes Gebirge. Der höchste Punkt liegt
westlich des Genfersees (Crêt de la Neige,
1718 m ü. M.). Bedeutende Gipfel in der
Schweiz sind La Dôle (1677 m ü. M.), Mont
Tendre (1679 m ü. M.) und der Chasseral
(1607 m ü. M.). Nach dem Juragebirge wurde die mittlere Periode des Mesozoikums
benannt (Trias – Jura – Kreide). Die Hauptfaltung des Juras fand vor 10 bis 3 Mio. Jahren statt. Im W wurden die mesozoischen
Sedimente durch den Druck aus SE abgeschert und mit dem Mittelland auf der
schiefen Ebene der Europäischen Platte
gegen NW geschoben. Dies führte zur Entstehung eines Faltengürtels (Faltenjura).
Der nördliche Teil des betroffenen Gebiets
zerbrach in Blöcke. Durch den Druck aus S
wurden einige davon im Vergleich zu den
andern etwas herausgepresst (Tafeljura).
Die Alpen
Die Alpen ( Abb. 1.7, S. 18) erstrecken sich
über nahezu 1000 km von Nizza bis Wien.
Der schweizerische Teil wird als Zentral­
alpen bezeichnet. Die Schweizer Alpen bilden von den Hauptkämmen her stark vereinfacht ein lang gestrecktes «X» mit dem
Kreuzungspunkt im Gotthardgebiet. Dadurch gibt es eine Alpennordseite, eine Alpensüdseite und einige inneralpine Längs-­
täler (Rhonetal, Rheintal, Engadin). Die
Alpen weisen ein ausgesprochenes Hochgebirgsrelief auf, mit tief eingeschnittenen
Tälern, markanten Bergketten und Gipfeln.
Dies unterscheidet sie deutlich von den
16
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 16
28.11.14 12:02
1 Grundwissen kompakt – Geologie der Schweiz im Überblick
Abb. 1.6
Juralandschaft
Schroffe Kalkfelsen, weiche Hügelzüge und Fichtenwälder mit Weiden: Ausblick auf den typischen Faltenjura
(vom Chasseron Richtung N nach Frankreich).
ä­ lteren europäischen Gebirgen, die bereits
zu hügeligen Mittelgebirgen abgetragen
wurden ( Abb. 1.3, S. 12). Wegen der grossen
Höhendifferenzen ist die Abtragung in den
Alpen intensiv. Sie wird aber durch die
noch andauernde Hebung des Gebirgskörpers nahezu ausgeglichen ( Abb. 6.19, S. 164).
Die Vergletscherung ist trotz erwärmungsbedingtem Gletscherschwund immer noch
beträchtlich – doch dies ist nur eine klimatische Momentaufnahme. Die lang andauernden Gletschervorstösse im Quartär trugen durch ihren Geländeabtrag entscheidend zum heutigen Landschaftsrelief bei.
Die Zentralalpen entstanden durch die Kollision von Europa mit dem Kleinkontinent
Adria-Apulia. Dabei wurden Krustenteile
beider Kontinente abgeschert und als Decken übereinandergeschoben. Die Südgrenze der Schweiz liegt noch ganz in den Al-
pen. Erst in Italien schliesst das Pobecken
an ( Abb. 1.2, S. 11). Der nördliche Alpenrand ist nur der heutige Erosionsrand von
alpinen Decken aus etwas härteren Gesteinen ( Abb. 1.4, S. 15).
1.3
Die geologische Erforschung der
Schweiz
Die geologische Forschung geht von dem
aus, was heute beobachtbar ist, und schliesst
daraus auf die Vergangenheit. Das nennt
man Aktualismus. Ob die geologischen Prozesse in der Vergangenheit wirklich gleich
abliefen wie heute, wissen wir kaum. Geologische Erkenntnisse sind also stets mit
einer gewissen Unsicherheit behaftet. Auch
wenn wir dies hier nicht mit jeder Formu-
17
GnaegiLabhart_GeologiederSchweiz_9A_14.indb 17
28.11.14 12:02
Geologie der Schweiz
Abb. 1.7
Die Alpen: berühmte Gipfel, Gletscher und Bergseen
Der Lac de Fully, ein blauer Edelstein unterhalb der Dent de Morcles in den Walliser Alpen, im Hintergrund der
vergletscherte Grand Combin (4314 m ü. M.), dazwischen unsichtbar das Rhonetal.
lierung andeuten, sondern den aktuellen
Wissensstand als heute gültige Fakten präsentieren, sollte dies im Hinterkopf bewahrt werden. Es ist sogar so, dass sich die
Wissenschaft über verschiedene Fragen
nicht einig ist. Der Mensch hat ein Bedürfnis nach absoluten Wahrheiten, nach Beweisen. Doch der geologische Erkenntnisprozess ist im Fluss, und der Stand des
Wissens wird immer wieder durch Entdeckungen überholt. Dies macht Geologie erst
so richtig spannend. Es kann noch Neues
aufgespürt werden – vielleicht durch Ihre
Beobachtungen?
tat von über zweihundert Jahren Forschung
ist. Es ist das Gemeinschaftswerk vieler
Hunderter von Geologinnen und Geologen,
die in mühsamer Kleinarbeit unter oft viel
schwierigeren Bedingungen als heute die
Bausteine der aktuell gültigen Theorien zusammentrugen. Um diese Entwicklung
transparent zu machen, folgt hier ein kurzer wissenschaftsgeschichtlicher Abriss davon – zur Würdigung der Pioniere, auf deren Erkenntnissen wir aufbauen.
Der heutige Wissensstand scheint so selbstverständlich. Wissen ist jederzeit im Internet abrufbar, in Zeitschriften publizierte
neueste Forschungsergebnisse sind online
einzusehen. Die Forschung profitiert durch
die weltweite Vernetzung. Es ist uns kaum
bewusst, dass das heutige Wissen das Resul-
Es waren Gelehrte, die aus Wissensdurst
ihre Angst vor dem Gebirge überwanden.
Sie entdeckten Mineralien, Gesteine und
Versteinerungen, machten viele oft richtige
und wichtige Beobachtungen, waren aber
begreiflicherweise ausserstande, sie in einen grösseren Zusammenhang zu stellen.
Die Pioniere
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28.11.14 12:02
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