4 SCHWERPUNKTTHEMA kLimaschutZ pflicht zu erneuerbaren Energien – alles in Ordnung? Die Politik hat das Ordnungsrecht in Bezug auf erneuerbare Energien entdeckt. Hamburg, das Saarland und Nordrhein-Westfalen planen, einen Mindestanteil erneuerbarer Energien bei der Wärmegewinnung auch im Gebäudebestand vorzuschreiben – in Baden-Württemberg ist das bereits der Fall. Die Stadt Marburg hatte, bevor die neue Hessische Bauordnung die Regelung nichtig machte, eine Satzung erlassen, die eine flächendeckende Solarpflicht einführte. Die Politik möchte mit diesen Vorschriften den CO2-Ausstoß verringern – erreicht aber genau das Gegenteil. E nergierecht liegt im Trend: Vom Staat über die Bundesländer bis hin zur kleinen Kommune, jeder möchte seinen politischen Beitrag dazu leisten, dass der Ausstoß an Kohlendioxid sinkt. An sich ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung. Leider aber nutzen viele politische Akteure dazu die falschen Instrumente – etwa das ErneuerbareWärme-Gesetze (EWärmeG) –, die auch im Gebäudebestand einen Mindestanteil erneuerbarer Energien bei der Wärmegewinnung vorschreiben. Das macht die Sanierung teurer, weniger wirtschaftlich und hat deshalb fatale Folgen für das Investitionsverhalten der Wohnungsunternehmen – die finanziellen Mittel müssen auf weniger Objekte verteilt werden. Auch die Mieter müssen draufzahlen. Die Politik erzielt mit einer solchen Regelung also genau das Gegenteil dessen, was sie erreichen will. In ihrem Energiekonzept hat die Bundesregierung im vergangenen September ihre klimapolitischen Ziele noch einmal klar definiert: Im Vergleich zu 1990 sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent sinken. Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll 2020 bei 18 Prozent liegen, 2050 gar bei 60 Prozent. Die Ziele sind gesteckt – jetzt 3/2011 • VerbandsMagazin wird um den Weg dorthin gerungen; die organisierte Immobilienwirtschaft ist dagegen, dass auch dieser Weg vorgeschrieben wird. Schon bei den Verhandlungen über ein Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) auf Bundesebene mussten sich die Wirtschaftsverbände gegen Pläne wehren, den Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebestand zur Pflicht zu machen. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) schaffte es mit überzeugenden Argumenten, den Gebäudebestand von dieser Pflicht auszunehmen – für den Neubau sieht das EEWärmeG einen Mindestanteil an erneuerbaren Energien allerdings vor. Demnach muss der Wärmeenergiebedarf zu 15 Prozent aus Solarenergie, zu 30 Prozent aus gasförmiger, zu 50 Prozent aus flüssiger oder fester Biomasse oder ebenfalls zu 50 Prozent durch Geothermie und Umweltwärme gedeckt werden. Das Gesetz trat zum 1. Januar 2009 in Kraft. Im Grunde wäre mit diesem Gesetz eine Pflicht für den Bestand abgewendet gewesen, fände sich im Gesetzestext unter § 3 Abs. 2 nicht eine verhängnisvolle Regelung: die Länderöffnungsklausel. Darin heißt es: „Die Länder können eine Pflicht zur Nutzung von Erneuerbaren Energien bei bereits errichteten Gebäuden festlegen.“ Diese Klausel trug dem Umstand Rechnung, dass der baden-württembergische Landtag bereits am 7. November 2007 ein solches Gesetz verabschiedet hatte. Wird in Baden-Württemberg eine Heizanlage ausgetauscht, muss seit dem 1. Januar 2010 eine Anlage installiert werden, die zehn Prozent des jährlichen Wärmebedarfs des Gebäudes aus erneuerbaren Energien speist. Inzwischen steht die Evaluierung dieses Ländergesetzes an – erste Erfahrungen liegen vor (siehe Seite 8). Die Landesregierung in NordrheinWestfalen hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie auf Basis des baden-württembergischen Gesetzes eine ähnliche Vorschrift durchsetzen möchte (siehe Seite 10). Im Saarland ist ein solches Gesetz ebenfalls in Planung, wie ein verabschiedeter Antrag Ende 2010 bekräftigte. In beiden Ländern wehren sich die wohnungs- und immobilienwirtschaftlichen Verbände gegen die Gesetzesvorhaben. der staat als Vorbild Gleichzeitig scheint sich in der Politik eine neue Einsicht durchzusetzen: die, dass der Staat beim Klimaschutz eine Vorbildrolle einnehmen sollte. Bereits die EU-Gebäuderichtline vom Mai 2010 sieht vor, dass SCHWERPUNKTTHEMA 5 zunächst öffentliche Gebäude die von der Richtlinie gesetzten höheren energetischen Anforderungen erfüllen müssen. Ab Januar 2019 müssen alle Neubauten der öffentlichen Hand Niedrigstenergiegebäude sein, zwei Jahre später gilt diese Pflicht auch für alle privaten Neubauten. Nun macht die EU anscheinend aber noch mehr Druck: Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 2010 will die EU-Kommission im März einen EU-Effizienzplan präsentieren, der den Mitgliedsstaaten ab 2014 eine Sanierungsquote der öffentlichen Gebäude von zwei Prozent vorschreibt. das EEWärmeG ändert und ab 2012 gelten soll. Saniert die öffentliche Hand demnach eines ihrer Gebäude grundlegend, müssen erneuerbare Energien 15 Prozent des Wärme- und Kälteenergiebedarfs decken. 176 Millionen Euro, schätzt der Bund, wird die öffentliche Hand diese Regelung kosten. Bisher handelt es sich allerdings noch um einen Gesetzentwurf. >> Foto: KfW Eine ähnliche Vorbildfunktion des Staats ist beim deutschen Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien (Drs. 17/3629) vorgesehen, das eine EU-Richtlinie (2009/28/EG) umsetzt, unter anderem 3/2011 • VerbandsMagazin 6 SCHWERPUNKTTHEMA (EnEV) 2009 um mindestens 15 Prozent unterschritten werden. Laut rheinlandpfälzischem Finanz- und Bauminister Dr. Carsten Kühl sollen „vornehmlich regenerative Heizsysteme künftig eine CO2neutrale Wärmeversorgung ermöglichen“. Auch in Rheinland-Pfalz und Hessen will die Politik Vorbild sein. In RheinlandPfalz soll bei allen Neubauten der öffentlichen Verwaltung geprüft werden, ob der „Energie-Gewinn-Standard“ auf Passivhaus-Niveau realisiert werden kann. Bei Sanierungen von Landesbauten soll der maximal zulässige Primärenergiebedarf nach Energieeinsparverordnung In Hessen werden seit August vergangenen Jahres alle neuen Gebäude des Landes im Passvhausstandard errichtet. Der Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien steht die Hessische Landesregierung hingegen ablehnend gegenüber. Mit der Novelle der Hessischen Bauordnung negierte sie eine entsprechende Satzung der Stadt Marburg, den Betrieb von Solaranlagen auch im Gebäudebestand vorschrieb (siehe Seite 9). klimaschutz funktioniert auch ohne pflicht wohnungen der Gdw-unternehmen, die seit 1990 bis 2005/2007/2009 teilweise oder vollständig energiesparend modernisiert wurden vollständig energetisch modernisiert 80,4 % teilweise energetisch modernisiert 82,6 % 72,8 % 51,4 % 2009 59,1 % 26,6 % 32,5 % 50,4 % 31,0 % 2009 56,9 % 25,9 % 2007 alte bundesländer 26,2 % 2005 deutschland 24,2 % 23,6 % 19,9 % 22,8 % 18,4 % 31,1 % 2005 22,4 % 13,0 % 3/2011 • VerbandsMagazin 2007 43,5 % 35,4 % Quelle: GdW Schrader 30,5 % 45,9 % 26,9 % 41,2 % 49,9 % neue bundesländer Hinweis: Die Angaben beschreiben den Anteil der Wohnungen, die seit dem Jahr 1990 teilweise oder vollständig energetisch modernisiert worden sind. Also den Anteil des Wohnungsbestandes, den die Unternehmen im Zeitraum 1990 – 2009 im Rahmen energetisches Modernisierungen angefasst haben. 2005 2007 2009 SCHWERPUNKTTHEMA 7 INTERVIEW >> Gerhard A. Burkhardt, Präsident des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Stuttgart: Gerhard A. Burkhardt VM: Als erstes Land hatte BadenWürttemberg mit einem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) den Einsatz erneuerbarer Energien auch im Bestand zur Pflicht gemacht. Welche Erfahrungen haben die Wohnungsunternehmen des vbw mit dem Gesetz gemacht? Erfahrungen mit dem EWärmeG in Baden-Württemberg Austausch einer Heizanlage zu rechnen haben. Die Verpflichtung gilt seit dem 1. Januar 2010, also seit über einem Jahr. Der vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen hat daher die ersten Erfahrungen seiner Mitgliedsunternehmen mit dem EWärmeG Baden-Württemberg zusammengetragen. Burkhardt: Eins lässt sich klar sagen: VM: Was bedeutet das im Detail? Klimaschutz und CO2-Minderung haben ihren Preis. Bundesweit müssen ja Burkhardt: Als ein zentrales Ergebnis schon seit 1. April 2008 bei neu zu erder Umfrage lässt sich festhalten, dass richtenden Wohngebäuden mindestens das EWärmeG Baden-Württemberg die 20 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs Investitionsplanungen der Wohnungsdurch erneuerbare Energien gedeckt unternehmen entscheidend beeinflusst. werden. Technisch ist das überhaupt Insbesondere dann, wenn die Modernisiekein Problem. Es macht das Bauen lerungstätigkeiten diglich etwas jährlich ein sehr teurer. Doch hohes Niveau Baden-WürtWohnungsunternehmen aufweisen. Da temberg geht müssen mit deutlich die zusätzlichen in seinen Forhöheren Kosten rechnen. Kosten, die sich derungen noch durch den Einsatz viel weiter. von erneuerbaren Das badenEnergien ergeben, über eine höhere Miete württembergische Wärmegesetz beam Markt in der Regel schwer durchsetzzieht auch Bestandsgebäude in die bar sind, ist eine Refinanzierung über Nutzung erneuerbarer Energien mit Mietmehreinnahmen kaum möglich. Ergo ein. Es zwingt alle Hausbesitzer dazu, bleiben die Unternehmen in vielen Fällen bei einem Austausch der Heizanlage allein auf den zusätzlichen Kosten für ihre mindestens zehn Prozent des jährliUmweltfreundlichkeit sitzen. Sie müssen chen Wärmebedarfs durch erneuerbare also für eine einzelne energetische ModerEnergien zu decken. Damit beeinflusst nisierung deutlich mehr zahlen als bisher. es direkt die InvestitionsentscheidunDaher werden sie in Summe pro Jahr nicht gen der Wohnungsunternehmen, die mehr die gleiche Anzahl an energetischen nun mit deutlich höheren Kosten beim „„ Modernisierungen durchführen können. Die energetische Erneuerung des Wohnungsbestandes und der Einsatz erneuerbarer Energien finden hier in der Tiefe, nicht in der Breite statt. Wer dies erkennt muss sich fragen: Ist dies wirklich der Wunsch der Landesregierung? Letztlich dürfte auf diese Weise nur langsam eine spürbare Verbesserung der CO2-Minderung möglich sein. VM: Was fordern Sie? Burkhardt: Für eine größere Breitenwirkung fordern die Wohnungsunternehmen eine bessere und langfristig ausgerichtete Förderung durch den Staat. Kritik üben die Experten auch an technischen Details des Gesetzes. So ist beispielsweise die geforderte Größenordnung von thermischen Anlagen mit 0,04 Quadratmeter/Quadratmeter Wohnfläche zu hoch angesetzt und damit unwirtschaftlich. Diese Vorgaben sollten nochmals überdacht und geändert werden. INFO >> Gerhard A. Burkhardt ist Präsident des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. Als Vorstandvorsitzender leitet er das Familienheim RheinNeckar in Mannheim. 3/2011 • VerbandsMagazin 8 SCHWERPUNKTTHEMA Auswirkungen in der Praxis Rechnen mit dem EWärmeG – Ein (einfaches) Beispiel Foto: KfW Welche Auswirkungen hat das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) BadenWürttemberg in der Praxis? Mit welchen Mehrkosten müssen die Unternehmen rechnen? Ein konkretes Beispiel. Bei einem Mehrfamilienhaus mit 14 Wohnungen geht die zentrale Heizanlage kaputt. Eine Reparatur lohnt sich nicht mehr. Der Heizkessel muss ausgetauscht werden. Hier greift das EWärmeG BadenWürttemberg. Der Hausbesitzer ist nun verpflichtet, bei der Erneuerung der Heizanlage zehn Prozent erneuerbare Energien einzusetzen. Die Wahl der Energieart bleibt ihm überlassen. Doch schränken weitere Anforderungen die Möglichkeiten schnell ein. Foto: KfW Der Einsatz von Wärmepumpen entfällt bei einem Wohngebäude mit 14 Wohnungen, da dieser nur bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen zur Deckung des gesamten Wärmebedarfs geregelt ist. Für eine Holzpellets- oder Holzhackschnitzelheizanlage fehlt häufig der Zwei Installateure bei der Demontage eines alten Heizkessels 3/2011 • VerbandsMagazin Arbeiter installieren eine Solaranlage auf einem Hausdach. Raum, um die notwendige Pellets- oder Hackschnitzelmengen zu lagern. Damit bleiben in diesem Fall nur der Einsatz von Biogas oder Bioöl (mindestens zehn Prozent) oder der Aufbau von Solarkollektoren übrig. Entscheidet sich der Hausbesitzer für eine Solaranlage, so muss er für die 1.000 Quadratmeter Wohnfläche des Hauses mindestens 40 Quadratmeter Kollektorfläche anbringen (0,04 Quadratmeter Kollektorfläche x 1.000 Quadratmeter Wohnfläche). So will es das Gesetz. Da in dieser Größenordnung Investitionskosten von etwa 700 – 800 Euro pro Quadratmeter Solarkollektor anzusetzen sind, muss er mindestens 28.000 – 32.000 Euro allein in die Solaranlage – und damit zusätzlich zur Heizanlage – investieren. Ersatzweise kann der Gebäudeeigentümer auch durch spezielle Dämmmaßnahmen die Vorgaben erfüllen, beispielsweise durch die Dämmung des gesamten Daches, der Fassade oder in Form einer Gesamtsanierung. In allen drei Fällen schreibt die Ver- ordnung streng regulierte Dämmwerte vor, die sich an der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 und teils auch am Alter der Gebäude orientieren. Auch der Anschluss an ein Fernwärmenetz oder an eine KraftWärme-Kopplungs-Heizanlage, die mit einem Gesamtwirkungsgrad von mindestens 70 Prozent und einer Stromkennzahl von 0,1 betrieben wird, zählen zu den ersatzweisen Erfüllungsmöglichkeiten. Allerdings muss das Wärmenetz mit KraftWärme-Kopplung oder mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies macht deutlich: Hausbesitzer, in deren Gebäude Heizanlagen kaputtgehen, stehen vor einem Dickicht komplizierter technischer und rechtlicher Normen. Wer sich vor der Problematik drückt und ordnungswidrig handelt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro bestraft werden. –– Hinweis: Dieses Beispiel hat der vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. zur Verfügung gestellt. SCHWERPUNKTTHEMA 9 Energie- und klimaschutzpolitische Konzepte in Hessen Hessische Klimaziele >> 20-20-20, so lautet die Zielvorgabe in einem durch die ehemalige hes- © KlausMJan - Fotolia.com sische Umweltministerin Silke Lautenschläger im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Hessischen Landesregierung vorgestellten Eckpunktepapier für ein Energiekonzept 2020. Demnach soll so bis zum Jahr 2020 der Endenergieverbrauch – ohne Verkehr – in Hessen um insgesamt 20 Prozent gesenkt und dabei 20 Prozent des Verbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. In Marburg sollte eine Satzung solarthermische Anlagen zur Pflicht machen. Die Satzung wurde durch Landesrecht gekippt. Geschehen soll dies in erster Linie durch die Steigerung der Energieeffizienz, beziehungsweise durch Verminderung des Energieverbrauchs. Insbesondere der Steigerung der Energieeffizienz im Wohnungsbau, beispielsweise durch die Sanierung des Gebäudebestands, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Modernisierungsraten sollen mittelfristig von derzeit etwa 0,75 auf 2,5 Prozent pro Jahr steigen. Der Weg dorthin: gezielte Förderprogramme sowie die Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen, gegebenenfalls aber auch ordnungsrechtliche Maßnahmen. Der zusätzliche Ausbau erneuerbarer Energien ist aus Sicht der Hessischen Landesregierung erst dann notwendig, wenn die Ziele im Bereich der Energieeffizienz nicht erreicht werden. Die zurückhaltende Position der Hessischen Landesregierung hinsichtlich erneuerbarer Energien zeigt sich auch im Umgang mit der so genannten Marburger Solarsatzung, welche auf Grundlage der Hessischen Bauordnung (HBO) Bauherren verpflichtet hat, bei der Errichtung, Erweiterung oder Änderung von beheizten Gebäuden solarthermische Anlagen zu errichten und zu betreiben. Die zugrunde liegende HBO wurde im Dezember 2010 durch den Hessischen Landtag novelliert, der § 81 Abs. 2 HBO gestrichen und so der Solarsatzung die Grundlage entzogen. Die Oppositionsfraktionen im Hessischen Landtag haben ihre Klimaschutzziele und energiepolitischen Positionen ebenfalls und in diversen Gesetzentwürfen mehrfach dargelegt, zuletzt die SPD-Landtags- fraktion in einem Gesetzentwurf für ein Hessisches Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz, welcher allerdings Ende 2010 im Hessischen Landtag keine Mehrheit fand. Sowohl die auf der Länderöffnungsklausel des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes des Bundes basierende Initiative der SPD-Fraktion als auch entsprechende Vorstöße der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzen beim Erreichen ihrer Zielvorgaben insbesondere darauf, den Ausbau und die Nutzung von erneuerbaren Energien in Hessen voranzutreiben und zu fördern. Umgesetzt werden sollen diese Ziele unter anderem durch den verpflichtenden Einsatz regenerativer Energien beim Neubau von (Wohn-)Gebäuden und überdies bei der Modernisierung oder Sanierung von Bestandsgebäuden – ähnlich der Marburger Solarsatzung. 3/2011 • VerbandsMagazin 10 SCHWERPUNKTTHEMA Klimaschutzpolitik in NRW Das geplante Erneuerbare-Wärme-Gesetz in NRW Im Koalitionsvertrag „Nordrhein-Westfalen 2010-2015: Gemeinsam neue Wege gehen“ haben NRW-SPD und Bündnis 90/ Die Grünen für die Landesregierung eine Reihe von Zielen unter der Überschrift „Klimaschutzgesetz NRW“ formuliert. Von wohnungs- und immobilienwirtschaftlichem Interesse ist unter anderem das Bestreben um einen deutlichen Ausbau der dezentralen, effizienten und klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Der Plan der Bundesregierung, bis 2020 deutschlandweit 25 Prozent des Stroms durch KWK zu erzeugen, soll in NRW mit gleicher Landesquote flankiert werden. Dazu will sich die neue Landesregierung für eine Verbesserung der Förderung und der Rahmenbedingungen für einen KWK-Ausbau einsetzen; unter anderem durch einen neuen Schwerpunkt im laufenden Ziel-2-Programm, um bestehende Investitionshemmnisse beim Ausbau der KWK aufzulösen. Das beinhaltet unter anderem eine Förderung von Hausanschlüssen und Hausübergabe-Stationen. Ferner soll es eine gezielte Förderung dezentraler KWK-Anlagen zur Wärme- und Stromversorgung von Einund Mehrfamilienhäusern geben. Ferner soll das Erneuerbare-Wärme-Gesetz von Baden Württemberg, das für den Gebäudebestand beschlossen worden ist, Basis für eine gesetzliche Regelung in NRW werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu unter dem Stichwort Erneuerbares-Wärme-Gesetz (EWärmeG NRW): „Bundesweit gilt das ErneuerbareWärme-Gesetz, das die verpflichtende Nutzung Erneuerbarer Wärme z.B. in Form von solarthermischen Anlagen, Biomasseheizungen und Wärmepumpen für Neubauten vorschreibt. Das Gesetz eröffnet den Ländern ausdrücklich die Möglichkeit, weitergehende Regelungen für den Gebäudebestand zu schaffen. Dort liegt das große ungenutzte Potenzial für die Erneuerbare Wärme und dort besteht entsprechender Handlungsbe- darf. Das CDU/FDP-regierte Land BadenWürttemberg hat ein EWärmeG auch für den Gebäudebestand beschlossen. Dieses Gesetz trägt dazu bei, dass ein Großteil der Bundesförderung bisher nach Baden-Württemberg geflossen ist. Wir wollen die Erfahrungen aus BadenWürttemberg auswerten, um dann auf dieser Basis eine gesetzliche Regelung für NRW einzuführen. Dies kann einen Beitrag liefern, um eine Million Solardächer zu ermöglichen.“ Ersten Verlautbarungen nach sollen entsprechende Regelungen als erste Stufe für öffentliche Gebäude im Bestand formuliert werden. Im Wohnraumförderungsprogramm 2011 hat die Landesregierung bereits mit einem mit 200 Millionen dotierten Teilprogramm die Bestandsförderung auf die energetische Sanierung im Bestand neu ausgerichtet und einen Schwerpunkt gesetzt. So wehrt sich die BSI NRW gegen das Klima-Gesetz Zu der BSI NRW zählen der BFW-Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nordrhein-Westfalen, der Immobilienverband Deutschland (IVD) West, der Verband der nordrhein-westfälischen Immobilienverwalter (VNWI) und der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland-Westfalen. Gemeinsam vertreten sie mehr als 2.000 3/2011 • VerbandsMagazin Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in NRW. „Die Politik möchte so augenscheinlich einen Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes Foto: A. Gröhbühl Gemeinschaftlich machen die Wohnungsund Immobilienverbände in Nordrhein-Westfalen gegen das von der Landesregierung geplante EWärmeG NRW mobil. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) macht pressewirksam auf die Folgen eines solchen Gesetzes aufmerksam. Zuletzt war er zu Gast bei der Landespressekonferenz in Düsseldorf, zu der zahlreiche Journalisten kamen. Das geplante EWärmeG in NRW war Thema in der Landespressekonferenz leisten. Tatsächlich aber würde ein solches Gesetz Modernisierungen verhindern“, sagt Alexander Rychter. Denn Gebäudemodernisierungen würden so noch teurer, das zur Verfügung stehende Geld käme weniger Objekten zugute – es würde weniger CO2 eingespart als ohne das Gesetz. „Mit diesem Gesetz lassen sich weder die schwarz-gelben Klimaziele aus Berlin, noch die rot-grünen aus Düsseldorf erreichen“, urteilt auch Ralph Pass, Vorsitzender des Immobilienverbands Deutschland (IVD) West. Außerdem sei zu kritisieren, dass die Branche mit dem Gesetz auf eine bestimmte Technologie festgelegt sei. Viel sinnvoller sei es doch, bestimmte Ziele, nicht aber den Weg dorthin festzulegen. Im Land Berlin, wo ein ähnliches Gesetz geplant war, habe man dies auch erkannt. „Dort ist dieses Gesetz gescheitert, in NRW sollte es gar nicht erst ausgefertigt werden“, sagt Pass. SCHWERPUNKTTHEMA 11 der plan in hamburg, das scheitern in berlin in andErEn LändErn >> Nachdem nun die Hamburger am 20. Februar 2011 ihre Stimme bei der Bürgerschaftswahl abgegeben haben, werden die Koalitionsverhandlungen entscheiden, ob auch in der Hansestadt der Einsatz erneuerbarer Energien im Bestand zur Pflicht wird. Einen entsprechenden Plan hatte die schwarz-grüne Koalition kurz vor ihrem Auseinanderbrechen vorangetrieben. In einem anderen Stadtstaat, Berlin nämlich, wurden derartige Bestrebungen vorerst ad acta gelegt. Vier Mal ist dort Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) mit einem Klimaschutzgesetz gescheitert. Die Berliner Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher Im November 2010, nachdem der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum bei ihrem vierten Entwurf immer noch Präzisierungsbedarf gesehen hatte, verkündete sie, dass in dieser Legislaturperiode (bis September 2011) kein weiterer Anlauf mehr folgen würde. Der Senator begründete seine Haltung laut Morgenpost Online mit den Worten: „Der Gesetzentwurf führt zur Belastung von Mietern und Vermietern und ist derzeit in seinen Auswirkungen nicht überschaubar.“ Immer wieder hatte auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) auf die Kosten hingewiesen, die ein solches Gesetz mit sich bringe. So sagte die BBU-Vorsitzende Maren Kern: „Die Wohnungsunternehmen konnten bislang selbst entscheiden, welche Maßnahmen die jeweils besten Kosten-Nutzen-Relationen erbrachten.“ Klimaschutz werde für Mieter, Gebäude- Zunächst hatte die Berliner Umweltsenatorin vorgesehen, Gebäudeeigentümer mit Heizanlagen, die älter als 20 Jahre sind, zum Austausch der Heizungen und zum Einsatz von Solarmodulen zu verpflichten. Nach heftiger Kritik hat sie diesen Plan fallen gelassen. Schließlich sollte sich die Pflicht an dem Ausstoß von Kohlendioxid orientieren. Gebäude mit höheren Verbrauchskennziffern sollten sofort saniert werden müssen, andere zeitlich versetzt. Bereits nach Bekanntwerden des dritten Entwurfs und der Kritik daran titelte die Berliner Morgenpost am 8. März 2010: „Berliner Klimaschutzgesetz wird zum Fiasko“. Nun ist es also endgültig gescheitert. Zumindest bis zur nächsten Wahl im September 2011. Foto: Senatsverwaltung Foto: Senatsverwaltung eigentümer und Unternehmer nur dann nicht unbezahlbar, wenn dieser Grundsatz von einem Berliner Klimaschutzgesetz beherzigt werde. 10. Forum Wohnungswirtschaft Kongress am 21. und 22. Juni 2011 in Düsseldorf SECHS WORKSHOPS ZU DEN THEMEN – FINANZIERUNG – MARKETING – BESTANDSERSATZ – INSTANDHALTUNG – UNTERNEHMENSFüHRUNG – SOZIALES MANAGEMENT Einladung mit Anmeldemöglichkeit folgt. Finanzsenator Ulrich Nußbaum, Berlin 3/2011 • VerbandsMagazin 12 SCHWERPUNKTTHEMA Gastbeitrag >> von Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena): Doppelt effizient: Sanierung und erneuerbare Energien D ie ambitionierten Einsparziele des Energiekonzepts der Bundesregierung und die Herausforderungen bei der energetischen Modernisierung des Gebäudebestands dominieren auch die Diskussionen in der Immobilienwirtschaft. Nur ein energieeffizientes Haus kann langfristig zu vernünftigen Kosten beheizt werden, erzielt einen angemessenen Marktwert, bringt hohen Wohnkomfort und garantiert dauerhafte Vermietung. Auch erneuerbare Energien liefern dazu einen wichtigen Beitrag. Insbesondere bei einer anstehenden Gebäudesanierung bieten sich vielfache Chancen zur Energieeinsparung und zur kostengünstigen Nutzung erneuerbarer Energien. Um bis zu 80 Prozent kann der Energieverbrauch bei einer umfassenden energetischen Sanierung gesenkt werden. Trotzdem ist die Sanierungsrate in Deutschland immer noch sehr gering. Die Diskussion über die richtigen Wege und Mittel zur Erhöhung dieser Rate und des Anteils der erneuerbaren Energien an der Wärmeversorgung ist in vollem Gange. Politische Rahmenbedingungen Um die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien zu stärken, hat die Bundesregierung einen ordnungsrechtlichen und finanziellen Rahmen geschaffen: Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) hat sie Standards 3/2011 • VerbandsMagazin gesetzt für die energetische Qualität von Neubauten und umfassenden Sanierungen. Mit dem Erneuerbare-EnergienWärmegesetz (EEWärmeG) ist Wärme aus Erneuerbaren Pflicht für Neubauten. Die finanziellen Förderprogramme des Bundes, das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm sowie das Marktanreizprogramm für Wärme aus erneuerbaren Energien, unterstützen Investitionen in die energetische Sanierung. Das Energiekonzept 2010 hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland zu schaffen. Ohne den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien ist dies nicht möglich. Auch von Seiten der Europäischen Union werden mit der novellierten Gebäuderichtlinie die Anstrengungen in diese Richtung verstärkt. Den Markt für energetische Sanierung öffnen Doch so notwendig der ordnungsrechtliche Rahmen sowie verlässliche finanzielle Anreize sind: Für eine wirksame Effizienzstrategie sind Ordnungsrecht und Förderung allein nicht ausreichend. Wichtig ist, verlässliche und flächendeckende Märkte für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu schaffen. Dazu bedarf es eines zielgerichteten Abbaus von Markthemmnissen, die einer stärkeren Breitenakzeptanz des energieeffizienten Bauens und Sanierens im Wege stehen. Die Aktivitäten der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) zielen darauf ab, die Marktbedingungen für energieeffizientes Bauen und Sanieren so transparent und verlässlich wie möglich zu gestalten, die Entscheidungen für energetische Modernisierungen zu vereinfachen und eine hochwertige Umsetzung zu erleichtern. Planungshilfen für erneuerbare Energien und energieeffizientes Sanieren unterstützen Fachhandwerker und Planer, der dena-Energieausweis mit Gütesiegel baut gezielt Marktbarrieren ab und stärkt die Nachfrage. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit informiert durch zielgruppenspezifische Pressearbeit, Veranstaltungen und Publikationen. Sanieren unter Einbeziehen von Wärme aus erneuerbaren Energien Dass die energieeffiziente Modernisierung von Bestandsgebäuden technisch und wirtschaftlich funktioniert, hat die dena im Rahmen des Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ in den vergangenen Jahren an rund 350 Gebäuden gezeigt: Die Häuser wurden – mit marktgängigen Techniken – energetisch so modernisiert, dass sie zukünftig durchschnittlich 80 Prozent Energie einsparen. Ein Großteil der Häuser bezieht ihre Wärme ganz oder teilweise aus erneuerbaren Energien und beweist: Auch für erneuerbare Energien liegt in der Sanierung eine große Chance, denn sie sind vor allem in energieeffizienten Gebäuden wirtschaftlich. Und gerade bei den steigenden Rohstoffpreisen haben die erneuerbaren Energien einen unschätzbaren Vorteil: Sie machen unabhängiger von den Preisentwicklungen fossiler Energieträger. Eigentümer und Wohnungswirtschaft sind daher gut beraten ihren Gebäudebestand fit für die Zukunft zu machen und dabei bei der Ausschöpfung der vorhandenen Energieeffizienzpotenziale auch den Einsatz erneuerbarer Energien zu berücksichtigen. SCHWERPUNKTTHEMA 13 Gastbeitrag >> von Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Berlin: Gegen den isolierten Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebestand D as Erneuerbare-EnergienWärmegesetz (EEWärmeG) ermächtigt die Länder, auch bestehende Gebäude in die Nutzungspflicht für erneuerbare Energie einzubeziehen. Das EEWärmeG selbst regelt den Gebäudebestand jedoch nicht und findet dafür in der Begründung auch überzeugende Gründe: „Derartige umfassende Modernisierungsmaßnahmen des bestehenden alten Heizungssystems sind aber kostenintensiv und betreffen sowohl den Gebäudeeigentümer als auch den Mieter. Dieser hohe Sanierungsaufwand stellt ein Haupthemmnis des derzeitigen Modernisierungsstaus im Gebäudebestand dar.“ Hemmnis für Modernisierungsmaßnahmen Nutzungspflichten für erneuerbare Energien im Gebäudebestand würden daher genau durch diese hohen Kosten zum Hemmnis für Modernisierungsmaßnahmen. Zu sehen ist auch die Gefahr des Einsatzes suboptimaler Anlagen, weil die Investitionskosten bei einer Einsatzpflicht wahrscheinlich zum vorrangigen Entscheidungskriterium werden. Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass im Gebäudebestand der Einsatz erneuerbarer Energien erst auf Grundlage eines reduzierten Wärmebedarfs technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies sieht auch das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 so: „Auch im Gebäudebereich hat insbesondere der Einsatz von Effizienzmaßnahmen ein enormes Potential. Erst wenn das ausgeschöpft wird, kann der Einsatz erneuerbarer Energien für die Wärmeversorgung seine volle Wirkung entfalten.“ Technische Einschränkungen Es muss beachtet werden, dass im Gebäudebestand eine Reihe technischer Hemmnisse und Einschränkungen für den Einsatz erneuerbarer Energien bestehen, die die Einsatzmöglichkeiten sehr individuell machen. Dies betrifft zum Beispiel: • alle dezentralen Heizungen (zum Beispiel Gasetagenheizungen) • Solarenergie bei verschatteten, ungeeignet ausgerichteten oder nicht ausreichend tragfähigen Dächern, bei zu geringer Warmwassernachfrage (es sind Warmwasserverbräuche bis hinab zu 12 Liter pro Person und Tag bekannt) oder in Verbindung mit einer Wärmeerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (reduziert die Wirtschaftlichkeit der KWK wegen Verminderung der Vollbenutzungsstunden) • bei Biomasse die fehlende Lagerkapazität. Eine hohe Anzahl notwendiger Anlieferungen in der Heizperiode kann je nach Quartierssituation erhebliche Lärmbelästigungen verursachen. bei Wärmepumpen Anwendungsbeschränkungen aus dem Wasserrecht und wegen der notwendigen niedrigen Vorlauftemperarturen. Dies setzt eine energetisch modernisierte Gebäudehülle (niedriger Wärmebedarf) voraus und im Allgemeinen auch den Einsatz einer Flächenheizung. Begrenzter Beitrag zu Klimazielen Erneuerbare Energien allein können nur einen sehr begrenzten Beitrag zu den politischen Zielen der Energieeinsparung und des Klimaschutzes leisten. Notwendig ist eine umfassende Strategie, die sowohl den Wärmeschutz berücksichtigt als auch die Energieversorgung in ihrer Mischung aus dezentralen und zentralen Lösungen und die insbesondere den Bilanzrahmen vom Gebäude weg hin zur Quartierslösung und bis hin zur kommunalen Ebene erweitert. Der Einsatz erneuerbarer Energien sollte technologieoffen im Energieeinsparrecht, das heißt allein in der Energieeinsparverordnung, geregelt werden. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft hält Nutzungspflichten für erneuerbare Energien für den Gebäudebestand weder für sinnvoll noch für angemessen. Zur dena-Studie >> Der GdW hält die dena-Sanierungsstudie für ungeeignet. Eine ausführliche Reaktion auf die Studie ist im VM 2-11 zu finden. 3/2011 • VerbandsMagazin 14 SCHWERPUNKTTHEMA Standortvorteile für das Quartier Energetisches Konzept für ein Quartier >> Energieeffiziente Ansätze sollten sich nicht nur auf ein- zelne Gebäude fokussieren. In einem Gastbeitrag erläutert Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff von der TU Darmstadt anhand der Aubuckel-Siedlung in Mannheim, wie das gesamte Quartier in Energieeffizenzrechnungen einbezogen wird. Gerade im Umgang mit den Wohnungsbeständen der Nachkriegszeit sind die energetischen Standards der neuen Energiesparverordnung kaum in wirtschaftlich sinnvollem Rahmen zu erreichen. Die Grenze zwischen technologisch Machbarem und wirtschaftlich Möglichem werden nicht zuletzt vom zukünftigen Mieter bestimmt. Es lohnt sich daher genau hinzusehen und das Wissen auf Gebäudeebene und das Wissen über Stadttechnik und Stadtklima zu vernetzen. Viele Möglichkeiten eröffnen sich im energetischen Zusammenspiel von Gebäude und Quartier. Das Thema der Energieeffizienz ist nicht als technologischer Standard, sondern als intelligente Lösung vor Ort zu verstehen. Während die Zeilenbauten und ihre langjährigen Bewohner in die Jahre gekommen sind und einer grundsätzlichen Erneuerung bedürfen, haben dieses Siedlungsgebiet und seine parkähnlichen Außenanlagen mit altem Baumbestand an Attraktivität gewonnen. Der Stadtteil Feudenheim zählt zu den beliebtesten Vororten Mannheims und der hohe Altersdurchschnitt mit über 60 Jahren belegt die Zufriedenheit der Bewohner. Damit deutet sich aber auch ein Generationswechsel an, der neue Anforderungen an die Siedlungsstruktur und an die einzelnen Wohnungen stellen wird. Projektziele Die Ziele des Projektes waren klar umrissen. Es geht zum einen um die Verbesserung des Stadtklimas (Belüftung/ Wärmebelastung/Wasserrückhaltung) und zum anderen um eine Energieeffizienzsteigerung durch: • Kybernetische Gebäudemodelle (Low Tech statt High Tech), die an passive Lösungen traditioneller Gebäudetypologien anschließen, • Vernetzung bestehender Anlagen, • Erschließung bisher ungenutzter Potenziale, • Kopplung von Energie gewinnenden und verbrauchenden Gebäuden, • Netzausbau mit regenerativen Elementen. Aus den Erfahrungen autochtoner Gebäudetypen zu lernen, heißt nicht, auf frühere Gebäudetypologien zurückzugreifen. Es gilt, deren Wissen über Speichermassen, Pufferzonen, Kühlungseffekte und solare Wärmegewinne auf heutige Anforderungen zu übertragen. Dieser Schritt ist keine einfache Übersetzung passiver Gebäudemodelle, da sich Funktionen, Baupraxis und Technologien grundlegend geändert haben. Doch ist dieser Schritt lohnend, denn er eröffnet den Weg aus der Sackgasse hoch technisierter Lösungen. >> Foto: TU Darmstadt Energetische Betrachtungen konzentrieren sich in den meisten Fällen auf das Gebäude und seine Anlagentechnik. Der Schritt vom energieeffizienten Haus zum energieeffizienten Quartier ist noch nicht selbstverständlich, auch wenn integrative Betrachtung von Gebäude und städtischem Kontext naheliegen mag. Die Aubuckel-Siedlung Im Rahmen der Projektarbeit „Typologische und energetische Sanierung der Aubuckel-Siedlung“ bekamen wir von der GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH und der Stadt Mannheim die große Chance, die Planungsgrundlagen für eine Siedlung fachbereichsübergreifend an der TU Darmstadt ausarbeiten zu können. Zu Beginn der 1960er-Jahre wurde „Am Aubuckel“ von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG als Siedlung mit großzügigen Grünbereichen und beispielhaften Gemeinschaftseinrichtungen errichtet, die lange Zeit als städtebauliches Vorzeigeobjekt galt und stolz vom Bundesbauministerium im Ausland als Modellsiedlung präsentiert wurde. 3/2011 • VerbandsMagazin So soll die Aubuckel-Siedlung in Zukunft aussehen. Foto: TU Darmstadt SCHWERPUNKTTHEMA 15 Historisches Luftbild der Aubuckel-Siedlung Energetische Potenziale – Mikroklimatische Potenziale Eine energieeffiziente Planung setzt eine genaue Analyse der Gegebenheiten wie zum Beispiel den klimatischen Randbedingungen und dem Nutzerprofil voraus. Die passive Leistungsfähigkeit von neuen energetischen Gebäudehüllen bildet das Fundament zukunftsfähiger Energiekonzepte. Schon seit Mitte der 1980erJahre werden Software-Programme entwickelt, um Planungsaufgaben von einfachen Energiebilanzen bis hin zu komplexen Energie- und Strömungssimulationen moderieren und steuern zu können. Nur in einem Zusammenspiel von aktiven und passiven Maßnahmen auf allen Ebenen kann es gelingen, den Energiebedarf zu minimieren und zugleich die Energieversorgung zu optimieren. Jede einzelne Komponente verdient die genaue Betrachtung und muss innerhalb des Gesamtsystems integriert werden. Die Freiflächen nehmen dabei eine große Bedeutung ein: durch Kühlungseffekte, durch integrierte Regenwasser- und Grauwasserkonzepte und als Flächen für Geothermie, Erdkollektoren oder Erdspeicher. Die Aubuckel-Siedlung steht nicht unter Denkmalschutz und der Katalog der baulichen Defizite ist entsprechend ihrer Bauzeit lang. Da auch bei einer aufwendigen Sanierung nicht die Qualität eines Neubaus gegeben werden kann, haben wir Varianten untersucht, die Neubauten auf dem Fußabdruck des Altbestandes erlauben. Ein zukunftsweisendes Programm ergab sich nach Prüfung aller Alternativen: Der Neubau von vier Zeilenbauten kann es ermöglichen, mit minimalen Eingriffen im Altbaubestand zu arbeiten und für die drei Bestandsgebäude die charakteristischen Elemente der 1960er-Jahre zu erhalten. Großer Bruder – Kleiner Bruder Unter dem augenzwinkernden Arbeitstitel „Großer Bruder – kleiner Bruder“ werden paarweise Alt – und Neubauten mit ihrem gemeinsamen Außenraum gekoppelt. Ihr energetischer Zusammenschluss über die Einspeisung von Solarenergie in gemeinsam genutzte saisonale Speicher, die gemeinsam genutzten Solarthermie-Paneele und die gemeinsame Regenwasser- und Grauwasseranlage binden die Freiraumflächen aktiv ein. Der Energie verbrauchende Altbau wird dabei vom Energie gewinnenden Neubau unterstützt. Das Prinzip der „geteilten Energie“ setzt sich bis in die Interaktion der Gesamtsiedlung fort. Das Einzelgebäude wird nicht nur als Verbraucher, sondern auch als „Produzent“ gesehen. Das energetische Konzept beruht auf einer Verbundstruktur, in welchem Systeme verschiedener Maßstabsebenen ineinandergreifen und zugleich im Gesamtcluster agieren. Die gesamte Siedlung ist in einem energetischen Verbund vernetzt, bietet aber die Möglichkeit, in einer zeitlich gestuften Planung die Zeilen schrittweise zu erneuern und nach und nach in den Gesamtverbund zu integrieren. Die Werte für Heizenergie liegen in der Summe aus Alt- und Neubau bei rund 43,81 kWh/m 2a, für die Primärenergie ergeben sich in den Simulationen rund 20,97 kWh/m2a. Der Anteil an Solarenergie ist mit 20 Prozent angesetzt. Das energetische Konzept integriert sich in die städtebaulichen Überlegungen: Neue Elemente im Freiraum bilden die Sonnenhäuser und ihre Aktionsflächen. Neben ihrer energetischen Nutzung eröffnen diese quartiersbezogene Angebote zu den Themen Wasser, Spiel, Sport und Sinnesgarten. Das Sonnenhaus mit dem Thema Wasser lädt nicht nur zum Verweilen und Spielen am Wasser ein, sondern gibt auch Einblick in das Regenund Grauwasserkonzept der Siedlung. Das Aktionsfeld mit dem Thema Spiel öffnet sein Sonnenhaus in Übergangszeiten als Indoor-Spielplatz und die Nutzung durch den benachbarten Kindergarten. Jedes Sonnenhaus erfährt eine Doppelcodierung als neues Nutzungsangebot und als Teil eines integrierten energetischen Konzepts. Ziele anstelle von Standards Wenn Ziele nicht für das Einzelgebäude, sondern für die Siedlung beziehungsweise das Quartier vorgegeben werden, können Freiräume für neue Konzepte entstehen und damit auch Möglichkeiten, lokale Identitäten zu stärken. Gerade die Siedlungen der Nachkriegszeit bieten große Chancen für nachhaltige Entwicklung auf Quartiersebene. Der Weg vom energieeffizienten Haus zum energieeffizienten Stadtquartier ist hier durch den Gebäudebestand, die Eigentümerstruktur und die Quartiersgröße geebnet: für den Einsatz lokaler Energienetze und die Umsetzung von abgestimmten Maßnahmen in einem ganzheitlichen Konzept. Energieeffizienz und Infrastruktur sind natürlich nur Teilaufgaben einer integrierten Stadtentwicklung. Ein lebendiges Stadtquartier muss, wie wir alle wissen, sehr viel mehr bieten als ein nachhaltiges energetisches Konzept. ANsPRECHPARTNER >> TU Darmstadt Fachbereich Architektur Entwerfen und Stadtentwicklung Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff El-Lissitzky-Strasse 1, 64287 Darmstadt Tel.: 06151 16-6686 Fax: 06151 16-4859 E-Mail: [email protected] 3/2011 • VerbandsMagazin 16 SCHWERPUNKTTHEMA wohnungsunternehmen „de woonplaats“ baut Energiesparwohnungen EnErGiEEinsparunG in dEn niEdErLandEn >> Auch in den Niederlanden müssen energetische Vorgaben erfüllt werden. Dort muss jedes neue Bauprojekt einen Wärmedämmwert von unter 0,8 erfüllen. Wie die niederländischen Unternehmen diese Vorgaben erfüllen, zeigt ein Beispiel aus Enschede. nungen. Sie werden auch sehr komfortabel, mit Bodenheizungen für gleichmäßige Beheizung im ganzen Haus, gebaut. Sogar die Mauertemperaturen sind überall gleich, sodass sich keine Mauer kalt anfühlt. Auch im Winter betragen die Mauertemperaturen nicht weniger als 15 Grad Celsius“, sagt Projektleiter Krommendijk. Das Pilotprojekt von „De Woonplaats“ am Kneedweg in Enschede erreicht einen Wärmedämmwert von unter 0,4. Ende 2008 wurde das Projekt abgenommen. Der Wärmedämmwert der niederländischen Energieeinsparverordnung, der damals bei 0,8 lag, ist inzwischen auf 0,6 angehoben worden. Auf der Grundlage dieses Pilotprojektes geht das Unternehmen noch einen Schritt weiter, nämlich zum Passivhaus: energieneutrale Wohnungen für den neuen Velve-Lindenhof. Maßnahme ist dabei eine extrem gute Isolierschicht. Bei den Wohnungen am Kneedweg werden beispielsweise feuerbeständige Resol-Dämmplatten eingebaut. Solche Platten werden immer öfter im Wohnungsbau verwendet. Nicht nur wegen der guten Isolierwerte und der Feuerbeständigkeit, sondern auch wegen der geringen Dicke. Das Material ist nämlich letztendlich ungefähr zehn Zentimeter dünner als beispielsweise Steinwolle. So wird eine Doppelwand insgesamt nur 42 Zentimeter dick. Projektleiter Jaap Krommendijk: „Die Bezeichnung Energiesparwohnung bedeutet bei uns, dass wir auf dem freien Markt nach energiesparenden Möglichkeiten suchen und die dann beim sozialen Wohnungsbau verwenden. Für die Bewohner entstehen dadurch bald schon deutlich geringere Energiekosten für die Wohnung. Der Mietpreis steigt zwar ein bisschen, aber dafür haben wir Wohnungen mit niedrigen Energiekosten gebaut. Meistens werden solche Energiesparwohnungen als Eigentumswohnungen konzipiert, aber wir bieten auch Mietwohnungen an, sodass unser Hausbestand zukunftssicher ist.“ Eine zweite Maßnahme ist die LuftWasser-Wärmepumpe; ein System, das einer Klimaanlage ähnelt und wie ein Kühlschrank arbeitet. Die Pumpe transportiert Wärme der Außenluft über das Wasser der Zentralheizung ins Innere. Im Sommer entzieht die Pumpe umgekehrt der Innenluft im Haus die Wärme. Diese Maßnahmen haben bereits eine große Wirkung, aber der Passivhausstandard verlangt zusätzlich auch nach ein paar Detaillösungen. Es müssen auch die Doppelwandanker (als Verbindung der inneren und äußeren Mauer) isoliert werden. Der Energieverlust über einen solchen Maueranker könnte vernachlässigt werden, ist aber trotzdem zu beachten. Wie wird so viel Energie wie möglich eingespart? Eine entscheidende „Die niedrige Energierechnung ist nicht der einzige Vorteil der Energiesparwoh- 3/2011 • VerbandsMagazin Er weist ferner darauf hin, dass durch alle diese Maßnahmen aber auch die Bewohner relativ schnell ihre Wohngewohnheiten werden anpassen müssen. Sie können zwar immer noch im Winter schnell mal ein Fenster öffnen, um zu lüften, aber danach dauert es ziemlich lange, bis es wieder warm wird. Nach Übergabe des Hauses wird dem jeweiligen Bewohner daher auch extra erklärt, wie das Passivhaus arbeitet. „Wenn der Wohnblock am Kneedweg fertig ist, werden wir eventuelle Energiebrücken messtechnisch aufspüren. Damit ist auch ein neues Abnahmekriterium definiert: Kann irgendwo noch Energie nach außen dringen? Nach der Fertigstellung bestimmen Studenten der FH Saxion die tatsächliche Energieeinsparung für uns. Wiederholte Messungen finden noch einmal von März 2011 bis einschließlich März 2012 statt, wenn das Projekthaus keine Baufeuchtigkeit mehr enthält. Energie wird in Zukunft immer teurer werden, aber mit dem Passivhausstandard sind wir ausreichend darauf vorbereitet“, erläutert der Projektleiter. De Woonplaats bewirtschaftet rund 20.000 Wohnungen in Enschede und der Region Achterhoek.