pflicht zu erneuerbaren Energien – alles in Ordnung?

Werbung
4
SCHWERPUNKTTHEMA
kLimaschutZ
pflicht zu erneuerbaren Energien –
alles in Ordnung?
Die Politik hat das Ordnungsrecht in Bezug auf erneuerbare Energien entdeckt. Hamburg,
das Saarland und Nordrhein-Westfalen planen, einen Mindestanteil erneuerbarer Energien
bei der Wärmegewinnung auch im Gebäudebestand vorzuschreiben – in Baden-Württemberg
ist das bereits der Fall. Die Stadt Marburg hatte, bevor die neue Hessische Bauordnung die
Regelung nichtig machte, eine Satzung erlassen, die eine flächendeckende Solarpflicht
einführte. Die Politik möchte mit diesen Vorschriften den CO2-Ausstoß verringern – erreicht
aber genau das Gegenteil.
E
nergierecht liegt im Trend: Vom
Staat über die Bundesländer bis
hin zur kleinen Kommune, jeder
möchte seinen politischen Beitrag dazu
leisten, dass der Ausstoß an Kohlendioxid
sinkt. An sich ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung. Leider aber nutzen
viele politische Akteure dazu die falschen
Instrumente – etwa das ErneuerbareWärme-Gesetze (EWärmeG) –, die auch
im Gebäudebestand einen Mindestanteil
erneuerbarer Energien bei der Wärmegewinnung vorschreiben. Das macht die
Sanierung teurer, weniger wirtschaftlich
und hat deshalb fatale Folgen für das
Investitionsverhalten der Wohnungsunternehmen – die finanziellen Mittel müssen auf weniger Objekte verteilt werden.
Auch die Mieter müssen draufzahlen. Die
Politik erzielt mit einer solchen Regelung
also genau das Gegenteil dessen, was sie
erreichen will.
In ihrem Energiekonzept hat die Bundesregierung im vergangenen September
ihre klimapolitischen Ziele noch einmal
klar definiert: Im Vergleich zu 1990 sollen
die Treibhausgasemissionen bis 2020 um
40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent
sinken. Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll
2020 bei 18 Prozent liegen, 2050 gar bei
60 Prozent. Die Ziele sind gesteckt – jetzt
3/2011 • VerbandsMagazin
wird um den Weg dorthin gerungen; die
organisierte Immobilienwirtschaft ist
dagegen, dass auch dieser Weg vorgeschrieben wird.
Schon bei den Verhandlungen über ein
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) auf Bundesebene mussten sich
die Wirtschaftsverbände gegen Pläne wehren, den Einsatz erneuerbarer Energien im
Gebäudebestand zur Pflicht zu machen.
Die Bundesvereinigung Spitzenverbände
der Immobilienwirtschaft (BSI) schaffte
es mit überzeugenden Argumenten, den
Gebäudebestand von dieser Pflicht auszunehmen – für den Neubau sieht das
EEWärmeG einen Mindestanteil an erneuerbaren Energien allerdings vor. Demnach
muss der Wärmeenergiebedarf zu 15 Prozent aus Solarenergie, zu 30 Prozent aus
gasförmiger, zu 50 Prozent aus flüssiger
oder fester Biomasse oder ebenfalls zu 50
Prozent durch Geothermie und Umweltwärme gedeckt werden. Das Gesetz trat
zum 1. Januar 2009 in Kraft.
Im Grunde wäre mit diesem Gesetz eine
Pflicht für den Bestand abgewendet gewesen, fände sich im Gesetzestext unter
§ 3 Abs. 2 nicht eine verhängnisvolle Regelung: die Länderöffnungsklausel. Darin
heißt es: „Die Länder können eine Pflicht
zur Nutzung von Erneuerbaren Energien
bei bereits errichteten Gebäuden festlegen.“ Diese Klausel trug dem Umstand
Rechnung, dass der baden-württembergische Landtag bereits am 7. November
2007 ein solches Gesetz verabschiedet
hatte. Wird in Baden-Württemberg eine
Heizanlage ausgetauscht, muss seit dem
1. Januar 2010 eine Anlage installiert werden, die zehn Prozent des jährlichen Wärmebedarfs des Gebäudes aus erneuerbaren Energien speist. Inzwischen steht
die Evaluierung dieses Ländergesetzes
an – erste Erfahrungen liegen vor (siehe
Seite 8).
Die Landesregierung in NordrheinWestfalen hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie auf Basis des
baden-württembergischen Gesetzes eine
ähnliche Vorschrift durchsetzen möchte
(siehe Seite 10). Im Saarland ist ein solches
Gesetz ebenfalls in Planung, wie ein verabschiedeter Antrag Ende 2010 bekräftigte.
In beiden Ländern wehren sich die wohnungs- und immobilienwirtschaftlichen
Verbände gegen die Gesetzesvorhaben.
der staat als Vorbild
Gleichzeitig scheint sich in der Politik eine
neue Einsicht durchzusetzen: die, dass der
Staat beim Klimaschutz eine Vorbildrolle
einnehmen sollte. Bereits die EU-Gebäuderichtline vom Mai 2010 sieht vor, dass
SCHWERPUNKTTHEMA 5
zunächst öffentliche Gebäude die von
der Richtlinie gesetzten höheren energetischen Anforderungen erfüllen müssen.
Ab Januar 2019 müssen alle Neubauten
der öffentlichen Hand Niedrigstenergiegebäude sein, zwei Jahre später gilt diese
Pflicht auch für alle privaten Neubauten.
Nun macht die EU anscheinend aber
noch mehr Druck: Laut der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 2010
will die EU-Kommission im März einen
EU-Effizienzplan präsentieren, der den
Mitgliedsstaaten ab 2014 eine Sanierungsquote der öffentlichen Gebäude von zwei
Prozent vorschreibt.
das EEWärmeG ändert und ab 2012 gelten
soll. Saniert die öffentliche Hand demnach
eines ihrer Gebäude grundlegend, müssen
erneuerbare Energien 15 Prozent des Wärme- und Kälteenergiebedarfs decken. 176
Millionen Euro, schätzt der Bund, wird die
öffentliche Hand diese Regelung kosten.
Bisher handelt es sich allerdings noch um
einen Gesetzentwurf.
>>
Foto: KfW
Eine ähnliche Vorbildfunktion des Staats
ist beim deutschen Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien (Drs.
17/3629) vorgesehen, das eine EU-Richtlinie (2009/28/EG) umsetzt, unter anderem
3/2011 • VerbandsMagazin
6
SCHWERPUNKTTHEMA
(EnEV) 2009 um mindestens 15 Prozent
unterschritten werden. Laut rheinlandpfälzischem Finanz- und Bauminister Dr.
Carsten Kühl sollen „vornehmlich regenerative Heizsysteme künftig eine CO2neutrale Wärmeversorgung ermöglichen“.
Auch in Rheinland-Pfalz und Hessen will
die Politik Vorbild sein. In RheinlandPfalz soll bei allen Neubauten der öffentlichen Verwaltung geprüft werden,
ob der „Energie-Gewinn-Standard“ auf
Passivhaus-Niveau realisiert werden kann.
Bei Sanierungen von Landesbauten soll
der maximal zulässige Primärenergiebedarf nach Energieeinsparverordnung
In Hessen werden seit August vergangenen Jahres alle neuen Gebäude des Landes
im Passvhausstandard errichtet. Der
Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien
steht die Hessische Landesregierung hingegen ablehnend gegenüber. Mit der
Novelle der Hessischen Bauordnung
negierte sie eine entsprechende Satzung
der Stadt Marburg, den Betrieb von Solaranlagen auch im Gebäudebestand vorschrieb (siehe Seite 9).
klimaschutz funktioniert auch ohne pflicht
wohnungen der Gdw-unternehmen, die seit 1990 bis 2005/2007/2009
teilweise oder vollständig energiesparend modernisiert wurden
vollständig energetisch modernisiert
80,4 %
teilweise energetisch modernisiert
82,6 %
72,8 %
51,4 %
2009
59,1 %
26,6 %
32,5 %
50,4 %
31,0 %
2009
56,9 %
25,9 %
2007
alte
bundesländer
26,2 %
2005
deutschland
24,2 %
23,6 %
19,9 %
22,8 %
18,4 %
31,1 %
2005
22,4 %
13,0 %
3/2011 • VerbandsMagazin
2007
43,5 %
35,4 %
Quelle: GdW Schrader
30,5 %
45,9 %
26,9 %
41,2 %
49,9 %
neue
bundesländer
Hinweis: Die Angaben beschreiben den
Anteil der Wohnungen, die seit dem
Jahr 1990 teilweise oder vollständig
energetisch modernisiert worden
sind. Also den Anteil des Wohnungsbestandes, den die Unternehmen im
Zeitraum 1990 – 2009 im Rahmen
energetisches Modernisierungen
angefasst haben.
2005
2007
2009
SCHWERPUNKTTHEMA 7
INTERVIEW >> Gerhard A. Burkhardt, Präsident des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Stuttgart:
Gerhard A. Burkhardt
VM: Als erstes Land hatte BadenWürttemberg mit einem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) den
Einsatz erneuerbarer Energien auch
im Bestand zur Pflicht gemacht.
Welche Erfahrungen haben die
Wohnungsunternehmen des vbw mit
dem Gesetz gemacht?
Erfahrungen mit
dem EWärmeG in
Baden-Württemberg
Austausch einer Heizanlage zu rechnen
haben. Die Verpflichtung gilt seit dem
1. Januar 2010, also seit über einem Jahr.
Der vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen hat daher die ersten Erfahrungen seiner Mitgliedsunternehmen mit
dem EWärmeG Baden-Württemberg zusammengetragen.
Burkhardt: Eins lässt sich klar sagen:
VM: Was bedeutet das im Detail?
Klimaschutz und CO2-Minderung haben ihren Preis. Bundesweit müssen ja
Burkhardt: Als ein zentrales Ergebnis
schon seit 1. April 2008 bei neu zu erder Umfrage lässt sich festhalten, dass
richtenden Wohngebäuden mindestens
das EWärmeG Baden-Württemberg die
20 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs
Investitionsplanungen der Wohnungsdurch erneuerbare Energien gedeckt
unternehmen entscheidend beeinflusst.
werden. Technisch ist das überhaupt
Insbesondere dann, wenn die Modernisiekein Problem. Es macht das Bauen lerungstätigkeiten
diglich etwas
jährlich ein sehr
teurer. Doch
hohes Niveau
Baden-WürtWohnungsunternehmen
aufweisen. Da
temberg geht
müssen mit deutlich
die zusätzlichen
in seinen Forhöheren Kosten rechnen.
Kosten, die sich
derungen noch
durch den Einsatz
viel weiter.
von erneuerbaren
Das badenEnergien ergeben, über eine höhere Miete
württembergische Wärmegesetz beam Markt in der Regel schwer durchsetzzieht auch Bestandsgebäude in die
bar sind, ist eine Refinanzierung über
Nutzung erneuerbarer Energien mit
Mietmehreinnahmen kaum möglich. Ergo
ein. Es zwingt alle Hausbesitzer dazu,
bleiben die Unternehmen in vielen Fällen
bei einem Austausch der Heizanlage
allein auf den zusätzlichen Kosten für ihre
mindestens zehn Prozent des jährliUmweltfreundlichkeit sitzen. Sie müssen
chen Wärmebedarfs durch erneuerbare
also für eine einzelne energetische ModerEnergien zu decken. Damit beeinflusst
nisierung deutlich mehr zahlen als bisher.
es direkt die InvestitionsentscheidunDaher werden sie in Summe pro Jahr nicht
gen der Wohnungsunternehmen, die
mehr die gleiche Anzahl an energetischen
nun mit deutlich höheren Kosten beim
„„
Modernisierungen durchführen können. Die energetische Erneuerung des
Wohnungsbestandes und der Einsatz
erneuerbarer Energien finden hier in der
Tiefe, nicht in der Breite statt. Wer dies
erkennt muss sich fragen: Ist dies wirklich der Wunsch der Landesregierung?
Letztlich dürfte auf diese Weise nur
langsam eine spürbare Verbesserung
der CO2-Minderung möglich sein.
VM: Was fordern Sie?
Burkhardt: Für eine größere Breitenwirkung fordern die Wohnungsunternehmen eine bessere und langfristig
ausgerichtete Förderung durch den
Staat. Kritik üben die Experten auch an
technischen Details des Gesetzes. So
ist beispielsweise die geforderte Größenordnung von thermischen Anlagen
mit 0,04 Quadratmeter/Quadratmeter
Wohnfläche zu hoch angesetzt und damit unwirtschaftlich. Diese Vorgaben
sollten nochmals überdacht und geändert werden.
INFO >> Gerhard A. Burkhardt
ist Präsident des vbw Verband
baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. Als Vorstandvorsitzender
leitet er das Familienheim RheinNeckar in Mannheim.
3/2011 • VerbandsMagazin
8 SCHWERPUNKTTHEMA
Auswirkungen in der Praxis
Rechnen mit dem EWärmeG –
Ein (einfaches) Beispiel
Foto: KfW
Welche Auswirkungen hat das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) BadenWürttemberg in der Praxis? Mit welchen
Mehrkosten müssen die Unternehmen
rechnen? Ein konkretes Beispiel.
Bei einem Mehrfamilienhaus mit 14
Wohnungen geht die zentrale Heizanlage
kaputt. Eine Reparatur lohnt sich nicht
mehr. Der Heizkessel muss ausgetauscht
werden. Hier greift das EWärmeG BadenWürttemberg. Der Hausbesitzer ist nun
verpflichtet, bei der Erneuerung der Heizanlage zehn Prozent erneuerbare Energien einzusetzen. Die Wahl der Energieart
bleibt ihm überlassen. Doch schränken
weitere Anforderungen die Möglichkeiten
schnell ein.
Foto: KfW
Der Einsatz von Wärmepumpen entfällt
bei einem Wohngebäude mit 14 Wohnungen, da dieser nur bei Wohngebäuden
mit nicht mehr als zwei Wohnungen zur
Deckung des gesamten Wärmebedarfs geregelt ist. Für eine Holzpellets- oder Holzhackschnitzelheizanlage fehlt häufig der
Zwei Installateure bei der Demontage
eines alten Heizkessels
3/2011 • VerbandsMagazin
Arbeiter installieren eine Solaranlage auf einem Hausdach.
Raum, um die notwendige Pellets- oder
Hackschnitzelmengen zu lagern. Damit
bleiben in diesem Fall nur der Einsatz
von Biogas oder Bioöl (mindestens zehn
Prozent) oder der Aufbau von Solarkollektoren übrig.
Entscheidet sich der Hausbesitzer für
eine Solaranlage, so muss er für die 1.000
Quadratmeter Wohnfläche des Hauses
mindestens 40 Quadratmeter Kollektorfläche anbringen (0,04 Quadratmeter Kollektorfläche x 1.000 Quadratmeter Wohnfläche). So will es das Gesetz. Da in dieser
Größenordnung Investitionskosten von
etwa 700 – 800 Euro pro Quadratmeter
Solarkollektor anzusetzen sind, muss er
mindestens 28.000 – 32.000 Euro allein in
die Solaranlage – und damit zusätzlich zur
Heizanlage – investieren.
Ersatzweise kann der Gebäudeeigentümer
auch durch spezielle Dämmmaßnahmen
die Vorgaben erfüllen, beispielsweise durch
die Dämmung des gesamten Daches, der
Fassade oder in Form einer Gesamtsanierung. In allen drei Fällen schreibt die Ver-
ordnung streng regulierte Dämmwerte vor,
die sich an der Energieeinsparverordnung
(EnEV) 2009 und teils auch am Alter der
Gebäude orientieren. Auch der Anschluss
an ein Fernwärmenetz oder an eine KraftWärme-Kopplungs-Heizanlage, die mit
einem Gesamtwirkungsgrad von mindestens 70 Prozent und einer Stromkennzahl
von 0,1 betrieben wird, zählen zu den
ersatzweisen Erfüllungsmöglichkeiten.
Allerdings muss das Wärmenetz mit KraftWärme-Kopplung oder mit erneuerbaren
Energien betrieben werden.
Dies macht deutlich: Hausbesitzer, in deren Gebäude Heizanlagen kaputtgehen,
stehen vor einem Dickicht komplizierter technischer und rechtlicher Normen.
Wer sich vor der Problematik drückt und
ordnungswidrig handelt, kann mit einem
Bußgeld von bis zu 100.000 Euro bestraft
werden.
––
Hinweis: Dieses Beispiel hat der
vbw Verband baden-württembergischer
Wohnungs- und Immobilienunternehmen
e.V. zur Verfügung gestellt.
SCHWERPUNKTTHEMA 9
Energie- und klimaschutzpolitische
Konzepte in Hessen
Hessische Klimaziele >> 20-20-20, so lautet die Zielvorgabe in einem durch die ehemalige hes-
© KlausMJan - Fotolia.com
sische Umweltministerin Silke Lautenschläger im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der
Hessischen Landesregierung vorgestellten Eckpunktepapier für ein Energiekonzept 2020.
Demnach soll so bis zum Jahr 2020 der Endenergieverbrauch – ohne Verkehr – in Hessen um
insgesamt 20 Prozent gesenkt und dabei 20 Prozent des Verbrauchs aus erneuerbaren Energien
gedeckt werden.
In Marburg sollte eine Satzung solarthermische Anlagen zur Pflicht machen. Die Satzung wurde durch Landesrecht gekippt.
Geschehen soll dies in erster Linie durch
die Steigerung der Energieeffizienz, beziehungsweise durch Verminderung des
Energieverbrauchs. Insbesondere der
Steigerung der Energieeffizienz im Wohnungsbau, beispielsweise durch die Sanierung des Gebäudebestands, kommt
dabei eine zentrale Rolle zu. Die Modernisierungsraten sollen mittelfristig von
derzeit etwa 0,75 auf 2,5 Prozent pro Jahr
steigen. Der Weg dorthin: gezielte Förderprogramme sowie die Veränderung
rechtlicher Rahmenbedingungen, gegebenenfalls aber auch ordnungsrechtliche
Maßnahmen. Der zusätzliche Ausbau
erneuerbarer Energien ist aus Sicht der
Hessischen Landesregierung erst dann
notwendig, wenn die Ziele im Bereich der
Energieeffizienz nicht erreicht werden.
Die zurückhaltende Position der Hessischen Landesregierung hinsichtlich erneuerbarer Energien zeigt sich auch im
Umgang mit der so genannten Marburger
Solarsatzung, welche auf Grundlage der
Hessischen Bauordnung (HBO) Bauherren verpflichtet hat, bei der Errichtung,
Erweiterung oder Änderung von beheizten
Gebäuden solarthermische Anlagen zu
errichten und zu betreiben. Die zugrunde
liegende HBO wurde im Dezember 2010
durch den Hessischen Landtag novelliert,
der § 81 Abs. 2 HBO gestrichen und so der
Solarsatzung die Grundlage entzogen.
Die Oppositionsfraktionen im Hessischen
Landtag haben ihre Klimaschutzziele und
energiepolitischen Positionen ebenfalls
und in diversen Gesetzentwürfen mehrfach dargelegt, zuletzt die SPD-Landtags-
fraktion in einem Gesetzentwurf für ein
Hessisches Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz, welcher allerdings Ende 2010
im Hessischen Landtag keine Mehrheit
fand. Sowohl die auf der Länderöffnungsklausel des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes des Bundes basierende Initiative
der SPD-Fraktion als auch entsprechende
Vorstöße der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen setzen beim Erreichen ihrer Zielvorgaben insbesondere darauf, den Ausbau und die Nutzung von erneuerbaren
Energien in Hessen voranzutreiben und zu
fördern. Umgesetzt werden sollen diese
Ziele unter anderem durch den verpflichtenden Einsatz regenerativer Energien
beim Neubau von (Wohn-)Gebäuden und
überdies bei der Modernisierung oder Sanierung von Bestandsgebäuden – ähnlich
der Marburger Solarsatzung.
3/2011 • VerbandsMagazin
10 SCHWERPUNKTTHEMA
Klimaschutzpolitik in NRW
Das geplante Erneuerbare-Wärme-Gesetz in NRW
Im Koalitionsvertrag „Nordrhein-Westfalen 2010-2015: Gemeinsam neue Wege
gehen“ haben NRW-SPD und Bündnis 90/
Die Grünen für die Landesregierung eine
Reihe von Zielen unter der Überschrift
„Klimaschutzgesetz NRW“ formuliert.
Von wohnungs- und immobilienwirtschaftlichem Interesse ist unter anderem
das Bestreben um einen deutlichen Ausbau der dezentralen, effizienten und klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung
(KWK). Der Plan der Bundesregierung,
bis 2020 deutschlandweit 25 Prozent des
Stroms durch KWK zu erzeugen, soll in
NRW mit gleicher Landesquote flankiert
werden. Dazu will sich die neue Landesregierung für eine Verbesserung der
Förderung und der Rahmenbedingungen
für einen KWK-Ausbau einsetzen; unter
anderem durch einen neuen Schwerpunkt im laufenden Ziel-2-Programm,
um bestehende Investitionshemmnisse
beim Ausbau der KWK aufzulösen. Das
beinhaltet unter anderem eine Förderung
von Hausanschlüssen und Hausübergabe-Stationen. Ferner soll es eine gezielte
Förderung dezentraler KWK-Anlagen zur
Wärme- und Stromversorgung von Einund Mehrfamilienhäusern geben.
Ferner soll das Erneuerbare-Wärme-Gesetz von Baden Württemberg, das für den
Gebäudebestand beschlossen worden
ist, Basis für eine gesetzliche Regelung
in NRW werden. Im Koalitionsvertrag
heißt es dazu unter dem Stichwort Erneuerbares-Wärme-Gesetz (EWärmeG
NRW): „Bundesweit gilt das ErneuerbareWärme-Gesetz, das die verpflichtende
Nutzung Erneuerbarer Wärme z.B. in
Form von solarthermischen Anlagen,
Biomasseheizungen und Wärmepumpen
für Neubauten vorschreibt. Das Gesetz
eröffnet den Ländern ausdrücklich die
Möglichkeit, weitergehende Regelungen
für den Gebäudebestand zu schaffen.
Dort liegt das große ungenutzte Potenzial für die Erneuerbare Wärme und dort
besteht entsprechender Handlungsbe-
darf. Das CDU/FDP-regierte Land BadenWürttemberg hat ein EWärmeG auch
für den Gebäudebestand beschlossen.
Dieses Gesetz trägt dazu bei, dass ein
Großteil der Bundesförderung bisher
nach Baden-Württemberg geflossen ist.
Wir wollen die Erfahrungen aus BadenWürttemberg auswerten, um dann auf
dieser Basis eine gesetzliche Regelung für
NRW einzuführen. Dies kann einen Beitrag liefern, um eine Million Solardächer
zu ermöglichen.“
Ersten Verlautbarungen nach sollen entsprechende Regelungen als erste Stufe für
öffentliche Gebäude im Bestand formuliert werden.
Im Wohnraumförderungsprogramm 2011
hat die Landesregierung bereits mit einem mit 200 Millionen dotierten Teilprogramm die Bestandsförderung auf die
energetische Sanierung im Bestand neu
ausgerichtet und einen Schwerpunkt gesetzt.
So wehrt sich die BSI NRW gegen das Klima-Gesetz
Zu der BSI NRW zählen der BFW-Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nordrhein-Westfalen, der
Immobilienverband Deutschland (IVD) West,
der Verband der nordrhein-westfälischen
Immobilienverwalter (VNWI) und der
Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland-Westfalen.
Gemeinsam vertreten sie mehr als 2.000
3/2011 • VerbandsMagazin
Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in NRW.
„Die Politik möchte so augenscheinlich einen
Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes
Foto: A. Gröhbühl
Gemeinschaftlich machen die Wohnungsund Immobilienverbände in Nordrhein-Westfalen gegen das von der Landesregierung
geplante EWärmeG NRW mobil. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) macht pressewirksam auf die
Folgen eines solchen Gesetzes aufmerksam.
Zuletzt war er zu Gast bei der Landespressekonferenz in Düsseldorf, zu der zahlreiche
Journalisten kamen.
Das geplante EWärmeG in NRW war
Thema in der Landespressekonferenz
leisten. Tatsächlich aber würde ein solches
Gesetz Modernisierungen verhindern“, sagt
Alexander Rychter. Denn Gebäudemodernisierungen würden so noch teurer, das zur
Verfügung stehende Geld käme weniger
Objekten zugute – es würde weniger CO2
eingespart als ohne das Gesetz. „Mit diesem
Gesetz lassen sich weder die schwarz-gelben
Klimaziele aus Berlin, noch die rot-grünen
aus Düsseldorf erreichen“, urteilt auch Ralph
Pass, Vorsitzender des Immobilienverbands
Deutschland (IVD) West. Außerdem sei zu
kritisieren, dass die Branche mit dem Gesetz
auf eine bestimmte Technologie festgelegt
sei. Viel sinnvoller sei es doch, bestimmte
Ziele, nicht aber den Weg dorthin festzulegen. Im Land Berlin, wo ein ähnliches Gesetz
geplant war, habe man dies auch erkannt.
„Dort ist dieses Gesetz gescheitert, in NRW
sollte es gar nicht erst ausgefertigt werden“,
sagt Pass.
SCHWERPUNKTTHEMA 11
der plan in hamburg,
das scheitern in berlin
in andErEn LändErn >> Nachdem nun die Hamburger am 20.
Februar 2011 ihre Stimme bei der Bürgerschaftswahl abgegeben haben, werden die Koalitionsverhandlungen entscheiden,
ob auch in der Hansestadt der Einsatz erneuerbarer Energien
im Bestand zur Pflicht wird. Einen entsprechenden Plan hatte
die schwarz-grüne Koalition kurz vor ihrem Auseinanderbrechen vorangetrieben. In einem anderen Stadtstaat, Berlin
nämlich, wurden derartige Bestrebungen vorerst ad acta
gelegt. Vier Mal ist dort Umweltsenatorin Katrin Lompscher
(Die Linke) mit einem Klimaschutzgesetz gescheitert.
Die Berliner Senatorin für Gesundheit,
Umwelt und Verbraucherschutz,
Katrin Lompscher
Im November 2010, nachdem der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum
bei ihrem vierten Entwurf immer noch
Präzisierungsbedarf gesehen hatte, verkündete sie, dass in dieser Legislaturperiode (bis September 2011) kein weiterer
Anlauf mehr folgen würde. Der Senator
begründete seine Haltung laut Morgenpost Online mit den Worten: „Der Gesetzentwurf führt zur Belastung von Mietern
und Vermietern und ist derzeit in seinen Auswirkungen nicht überschaubar.“
Immer wieder hatte auch der Verband
Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) auf die Kosten hingewiesen, die ein solches Gesetz mit sich
bringe. So sagte die BBU-Vorsitzende
Maren Kern: „Die Wohnungsunternehmen konnten bislang selbst entscheiden,
welche Maßnahmen die jeweils besten
Kosten-Nutzen-Relationen erbrachten.“
Klimaschutz werde für Mieter, Gebäude-
Zunächst hatte die Berliner Umweltsenatorin vorgesehen, Gebäudeeigentümer
mit Heizanlagen, die älter als 20 Jahre sind,
zum Austausch der Heizungen und zum
Einsatz von Solarmodulen zu verpflichten.
Nach heftiger Kritik hat sie diesen Plan
fallen gelassen. Schließlich sollte sich die
Pflicht an dem Ausstoß von Kohlendioxid
orientieren. Gebäude mit höheren Verbrauchskennziffern sollten sofort saniert
werden müssen, andere zeitlich versetzt.
Bereits nach Bekanntwerden des dritten
Entwurfs und der Kritik daran titelte die
Berliner Morgenpost am 8. März 2010:
„Berliner Klimaschutzgesetz wird zum
Fiasko“. Nun ist es also endgültig gescheitert. Zumindest bis zur nächsten Wahl im
September 2011.
Foto: Senatsverwaltung
Foto: Senatsverwaltung
eigentümer und Unternehmer nur dann
nicht unbezahlbar, wenn dieser Grundsatz
von einem Berliner Klimaschutzgesetz
beherzigt werde.
10. Forum
Wohnungswirtschaft
Kongress am
21. und 22. Juni 2011
in Düsseldorf
SECHS WORKSHOPS
ZU DEN THEMEN
– FINANZIERUNG
– MARKETING
– BESTANDSERSATZ
– INSTANDHALTUNG
– UNTERNEHMENSFüHRUNG
– SOZIALES MANAGEMENT
Einladung mit Anmeldemöglichkeit folgt.
Finanzsenator Ulrich Nußbaum, Berlin
3/2011 • VerbandsMagazin
12 SCHWERPUNKTTHEMA
Gastbeitrag >> von Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der
Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena):
Doppelt effizient:
Sanierung und erneuerbare
Energien
D
ie ambitionierten Einsparziele des Energiekonzepts der
Bundesregierung und die Herausforderungen bei der energetischen
Modernisierung des Gebäudebestands
dominieren auch die Diskussionen in
der Immobilienwirtschaft. Nur ein energieeffizientes Haus kann langfristig zu
vernünftigen Kosten beheizt werden,
erzielt einen angemessenen Marktwert,
bringt hohen Wohnkomfort und garantiert dauerhafte Vermietung. Auch
erneuerbare Energien liefern dazu einen
wichtigen Beitrag. Insbesondere bei
einer anstehenden Gebäudesanierung
bieten sich vielfache Chancen zur Energieeinsparung und zur kostengünstigen Nutzung erneuerbarer Energien.
Um bis zu 80 Prozent kann der Energieverbrauch bei einer umfassenden
energetischen Sanierung gesenkt werden. Trotzdem ist die Sanierungsrate in
Deutschland immer noch sehr gering.
Die Diskussion über die richtigen Wege
und Mittel zur Erhöhung dieser Rate
und des Anteils der erneuerbaren Energien an der Wärmeversorgung ist in
vollem Gange.
Politische Rahmenbedingungen
Um die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien zu stärken, hat
die Bundesregierung einen ordnungsrechtlichen und finanziellen Rahmen
geschaffen: Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) hat sie Standards
3/2011 • VerbandsMagazin
gesetzt für die energetische Qualität von
Neubauten und umfassenden Sanierungen. Mit dem Erneuerbare-EnergienWärmegesetz (EEWärmeG) ist Wärme aus
Erneuerbaren Pflicht für Neubauten. Die
finanziellen Förderprogramme des Bundes, das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm sowie das Marktanreizprogramm
für Wärme aus erneuerbaren Energien,
unterstützen Investitionen in die energetische Sanierung. Das Energiekonzept
2010 hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050
einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland zu schaffen.
Ohne den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien ist dies nicht möglich.
Auch von Seiten der Europäischen Union
werden mit der novellierten Gebäuderichtlinie die Anstrengungen in diese
Richtung verstärkt.
Den Markt für energetische Sanierung
öffnen
Doch so notwendig der ordnungsrechtliche Rahmen sowie verlässliche finanzielle Anreize sind: Für eine wirksame
Effizienzstrategie sind Ordnungsrecht
und Förderung allein nicht ausreichend.
Wichtig ist, verlässliche und flächendeckende Märkte für Energieeffizienz
und erneuerbare Energien zu schaffen.
Dazu bedarf es eines zielgerichteten Abbaus von Markthemmnissen, die einer
stärkeren Breitenakzeptanz des energieeffizienten Bauens und Sanierens im
Wege stehen. Die Aktivitäten der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena)
zielen darauf ab, die Marktbedingungen
für energieeffizientes Bauen und Sanieren so transparent und verlässlich wie
möglich zu gestalten, die Entscheidungen für energetische Modernisierungen
zu vereinfachen und eine hochwertige
Umsetzung zu erleichtern. Planungshilfen für erneuerbare Energien und
energieeffizientes Sanieren unterstützen Fachhandwerker und Planer, der
dena-Energieausweis mit Gütesiegel
baut gezielt Marktbarrieren ab und
stärkt die Nachfrage. Eine intensive
Öffentlichkeitsarbeit informiert durch
zielgruppenspezifische Pressearbeit,
Veranstaltungen und Publikationen.
Sanieren unter Einbeziehen von Wärme
aus erneuerbaren Energien
Dass die energieeffiziente Modernisierung von Bestandsgebäuden technisch
und wirtschaftlich funktioniert, hat die
dena im Rahmen des Modellvorhabens
„Niedrigenergiehaus im Bestand“ in
den vergangenen Jahren an rund 350
Gebäuden gezeigt: Die Häuser wurden – mit marktgängigen Techniken
– energetisch so modernisiert, dass sie
zukünftig durchschnittlich 80 Prozent
Energie einsparen. Ein Großteil der
Häuser bezieht ihre Wärme ganz oder
teilweise aus erneuerbaren Energien
und beweist: Auch für erneuerbare
Energien liegt in der Sanierung eine
große Chance, denn sie sind vor allem in energieeffizienten Gebäuden
wirtschaftlich. Und gerade bei den
steigenden Rohstoffpreisen haben
die erneuerbaren Energien einen unschätzbaren Vorteil: Sie machen unabhängiger von den Preisentwicklungen
fossiler Energieträger. Eigentümer und
Wohnungswirtschaft sind daher gut
beraten ihren Gebäudebestand fit für
die Zukunft zu machen und dabei bei
der Ausschöpfung der vorhandenen
Energieeffizienzpotenziale auch den
Einsatz erneuerbarer Energien zu berücksichtigen.
SCHWERPUNKTTHEMA 13
Gastbeitrag >> von Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Berlin:
Gegen den isolierten Einsatz
erneuerbarer Energien im
Gebäudebestand
D
as Erneuerbare-EnergienWärmegesetz (EEWärmeG)
ermächtigt die Länder, auch
bestehende Gebäude in die Nutzungspflicht für erneuerbare Energie einzubeziehen. Das EEWärmeG selbst regelt
den Gebäudebestand jedoch nicht und
findet dafür in der Begründung auch
überzeugende Gründe:
„Derartige umfassende Modernisierungsmaßnahmen des bestehenden
alten Heizungssystems sind aber kostenintensiv und betreffen sowohl den
Gebäudeeigentümer als auch den Mieter. Dieser hohe Sanierungsaufwand
stellt ein Haupthemmnis des derzeitigen Modernisierungsstaus im Gebäudebestand dar.“
Hemmnis für
Modernisierungsmaßnahmen
Nutzungspflichten für erneuerbare
Energien im Gebäudebestand würden
daher genau durch diese hohen Kosten
zum Hemmnis für Modernisierungsmaßnahmen. Zu sehen ist auch die
Gefahr des Einsatzes suboptimaler Anlagen, weil die Investitionskosten bei
einer Einsatzpflicht wahrscheinlich zum
vorrangigen Entscheidungskriterium
werden.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass
im Gebäudebestand der Einsatz erneuerbarer Energien erst auf Grundlage
eines reduzierten Wärmebedarfs technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist.
Dies sieht auch das Energiekonzept der
Bundesregierung vom 28. September
2010 so:
„Auch im Gebäudebereich hat insbesondere der Einsatz von Effizienzmaßnahmen ein enormes Potential. Erst wenn
das ausgeschöpft wird, kann der Einsatz
erneuerbarer Energien für die Wärmeversorgung seine volle Wirkung entfalten.“
Technische Einschränkungen
Es muss beachtet werden, dass im Gebäudebestand eine Reihe technischer
Hemmnisse und Einschränkungen für
den Einsatz erneuerbarer Energien bestehen, die die Einsatzmöglichkeiten
sehr individuell machen. Dies betrifft
zum Beispiel:
• alle dezentralen Heizungen (zum Beispiel Gasetagenheizungen)
• Solarenergie bei verschatteten, ungeeignet ausgerichteten oder nicht ausreichend tragfähigen Dächern, bei zu
geringer Warmwassernachfrage (es
sind Warmwasserverbräuche bis hinab
zu 12 Liter pro Person und Tag bekannt)
oder in Verbindung mit einer Wärmeerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung
(reduziert die Wirtschaftlichkeit der
KWK wegen Verminderung der Vollbenutzungsstunden)
• bei Biomasse die fehlende Lagerkapazität. Eine hohe Anzahl notwendiger
Anlieferungen in der Heizperiode kann
je nach Quartierssituation erhebliche
Lärmbelästigungen verursachen.
bei Wärmepumpen Anwendungsbeschränkungen aus dem Wasserrecht und
wegen der notwendigen niedrigen Vorlauftemperarturen. Dies setzt eine energetisch
modernisierte Gebäudehülle (niedriger
Wärmebedarf) voraus und im Allgemeinen
auch den Einsatz einer Flächenheizung.
Begrenzter Beitrag zu Klimazielen
Erneuerbare Energien allein können
nur einen sehr begrenzten Beitrag zu
den politischen Zielen der Energieeinsparung und des Klimaschutzes leisten.
Notwendig ist eine umfassende Strategie, die sowohl den Wärmeschutz
berücksichtigt als auch die Energieversorgung in ihrer Mischung aus dezentralen und zentralen Lösungen und die
insbesondere den Bilanzrahmen vom
Gebäude weg hin zur Quartierslösung
und bis hin zur kommunalen Ebene
erweitert. Der Einsatz erneuerbarer
Energien sollte technologieoffen im
Energieeinsparrecht, das heißt allein in
der Energieeinsparverordnung, geregelt
werden.
Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft hält Nutzungspflichten für erneuerbare Energien für den Gebäudebestand weder für sinnvoll noch für
angemessen.
Zur dena-Studie >>
Der GdW hält die dena-Sanierungsstudie für ungeeignet. Eine ausführliche Reaktion auf die Studie
ist im VM 2-11 zu finden.
3/2011 • VerbandsMagazin
14 SCHWERPUNKTTHEMA
Standortvorteile für das Quartier
Energetisches Konzept für ein Quartier >> Energieeffiziente Ansätze sollten sich nicht nur auf ein-
zelne Gebäude fokussieren. In einem Gastbeitrag erläutert Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff
von der TU Darmstadt anhand der Aubuckel-Siedlung in Mannheim, wie das gesamte Quartier
in Energieeffizenzrechnungen einbezogen wird.
Gerade im Umgang mit den Wohnungsbeständen der Nachkriegszeit sind die
energetischen Standards der neuen Energiesparverordnung kaum in wirtschaftlich
sinnvollem Rahmen zu erreichen. Die
Grenze zwischen technologisch Machbarem und wirtschaftlich Möglichem werden nicht zuletzt vom zukünftigen Mieter
bestimmt.
Es lohnt sich daher genau hinzusehen
und das Wissen auf Gebäudeebene und
das Wissen über Stadttechnik und Stadtklima zu vernetzen. Viele Möglichkeiten
eröffnen sich im energetischen Zusammenspiel von Gebäude und Quartier.
Das Thema der Energieeffizienz ist
nicht als technologischer Standard, sondern als intelligente Lösung vor Ort zu
verstehen.
Während die Zeilenbauten und ihre
langjährigen Bewohner in die Jahre gekommen sind und einer grundsätzlichen
Erneuerung bedürfen, haben dieses Siedlungsgebiet und seine parkähnlichen
Außenanlagen mit altem Baumbestand
an Attraktivität gewonnen. Der Stadtteil Feudenheim zählt zu den beliebtesten Vororten Mannheims und der hohe
Altersdurchschnitt mit über 60 Jahren
belegt die Zufriedenheit der Bewohner.
Damit deutet sich aber auch ein Generationswechsel an, der neue Anforderungen
an die Siedlungsstruktur und an die einzelnen Wohnungen stellen wird.
Projektziele
Die Ziele des Projektes waren klar umrissen. Es geht zum einen um die Verbesserung des Stadtklimas (Belüftung/
Wärmebelastung/Wasserrückhaltung)
und zum anderen um eine Energieeffizienzsteigerung durch:
• Kybernetische Gebäudemodelle (Low
Tech statt High Tech), die an passive
Lösungen traditioneller Gebäudetypologien anschließen,
• Vernetzung bestehender Anlagen,
• Erschließung bisher ungenutzter
Potenziale,
• Kopplung von Energie gewinnenden
und verbrauchenden Gebäuden,
• Netzausbau mit regenerativen
Elementen.
Aus den Erfahrungen autochtoner Gebäudetypen zu lernen, heißt nicht, auf frühere
Gebäudetypologien zurückzugreifen. Es
gilt, deren Wissen über Speichermassen,
Pufferzonen, Kühlungseffekte und solare
Wärmegewinne auf heutige Anforderungen zu übertragen. Dieser Schritt ist keine
einfache Übersetzung passiver Gebäudemodelle, da sich Funktionen, Baupraxis
und Technologien grundlegend geändert
haben. Doch ist dieser Schritt lohnend,
denn er eröffnet den Weg aus der Sackgasse hoch technisierter Lösungen. >>
Foto: TU Darmstadt
Energetische Betrachtungen konzentrieren sich in den meisten Fällen auf das
Gebäude und seine Anlagentechnik. Der
Schritt vom energieeffizienten Haus zum
energieeffizienten Quartier ist noch nicht
selbstverständlich, auch wenn integrative Betrachtung von Gebäude und städtischem Kontext naheliegen mag.
Die Aubuckel-Siedlung
Im Rahmen der Projektarbeit „Typologische und energetische Sanierung der
Aubuckel-Siedlung“ bekamen wir von der
GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH und der Stadt Mannheim die
große Chance, die Planungsgrundlagen
für eine Siedlung fachbereichsübergreifend an der TU Darmstadt ausarbeiten
zu können. Zu Beginn der 1960er-Jahre
wurde „Am Aubuckel“ von der städtischen
Wohnungsbaugesellschaft GBG als Siedlung mit großzügigen Grünbereichen und
beispielhaften Gemeinschaftseinrichtungen errichtet, die lange Zeit als städtebauliches Vorzeigeobjekt galt und stolz vom
Bundesbauministerium im Ausland als
Modellsiedlung präsentiert wurde.
3/2011 • VerbandsMagazin
So soll die Aubuckel-Siedlung in Zukunft aussehen.
Foto: TU Darmstadt
SCHWERPUNKTTHEMA 15
Historisches Luftbild der Aubuckel-Siedlung
Energetische Potenziale –
Mikroklimatische Potenziale
Eine energieeffiziente Planung setzt eine
genaue Analyse der Gegebenheiten wie
zum Beispiel den klimatischen Randbedingungen und dem Nutzerprofil voraus.
Die passive Leistungsfähigkeit von neuen energetischen Gebäudehüllen bildet
das Fundament zukunftsfähiger Energiekonzepte. Schon seit Mitte der 1980erJahre werden Software-Programme
entwickelt, um Planungsaufgaben von
einfachen Energiebilanzen bis hin zu
komplexen Energie- und Strömungssimulationen moderieren und steuern zu
können.
Nur in einem Zusammenspiel von aktiven
und passiven Maßnahmen auf allen Ebenen kann es gelingen, den Energiebedarf
zu minimieren und zugleich die Energieversorgung zu optimieren. Jede einzelne
Komponente verdient die genaue Betrachtung und muss innerhalb des Gesamtsystems integriert werden. Die Freiflächen
nehmen dabei eine große Bedeutung ein:
durch Kühlungseffekte, durch integrierte
Regenwasser- und Grauwasserkonzepte
und als Flächen für Geothermie, Erdkollektoren oder Erdspeicher.
Die Aubuckel-Siedlung steht nicht unter Denkmalschutz und der Katalog der
baulichen Defizite ist entsprechend ihrer
Bauzeit lang. Da auch bei einer aufwendigen Sanierung nicht die Qualität eines
Neubaus gegeben werden kann, haben
wir Varianten untersucht, die Neubauten
auf dem Fußabdruck des Altbestandes erlauben. Ein zukunftsweisendes Programm
ergab sich nach Prüfung aller Alternativen:
Der Neubau von vier Zeilenbauten kann es
ermöglichen, mit minimalen Eingriffen im
Altbaubestand zu arbeiten und für die drei
Bestandsgebäude die charakteristischen
Elemente der 1960er-Jahre zu erhalten.
Großer Bruder – Kleiner Bruder
Unter dem augenzwinkernden Arbeitstitel
„Großer Bruder – kleiner Bruder“ werden
paarweise Alt – und Neubauten mit ihrem
gemeinsamen Außenraum gekoppelt. Ihr
energetischer Zusammenschluss über die
Einspeisung von Solarenergie in gemeinsam genutzte saisonale Speicher, die gemeinsam genutzten Solarthermie-Paneele
und die gemeinsame Regenwasser- und
Grauwasseranlage binden die Freiraumflächen aktiv ein. Der Energie verbrauchende Altbau wird dabei vom Energie
gewinnenden Neubau unterstützt. Das
Prinzip der „geteilten Energie“ setzt sich
bis in die Interaktion der Gesamtsiedlung
fort. Das Einzelgebäude wird nicht nur als
Verbraucher, sondern auch als „Produzent“ gesehen.
Das energetische Konzept beruht auf einer
Verbundstruktur, in welchem Systeme
verschiedener Maßstabsebenen ineinandergreifen und zugleich im Gesamtcluster
agieren. Die gesamte Siedlung ist in einem
energetischen Verbund vernetzt, bietet
aber die Möglichkeit, in einer zeitlich
gestuften Planung die Zeilen schrittweise
zu erneuern und nach und nach in den
Gesamtverbund zu integrieren.
Die Werte für Heizenergie liegen in der
Summe aus Alt- und Neubau bei rund
43,81 kWh/m 2a, für die Primärenergie
ergeben sich in den Simulationen rund
20,97 kWh/m2a. Der Anteil an Solarenergie
ist mit 20 Prozent angesetzt.
Das energetische Konzept integriert sich
in die städtebaulichen Überlegungen:
Neue Elemente im Freiraum bilden die
Sonnenhäuser und ihre Aktionsflächen.
Neben ihrer energetischen Nutzung eröffnen diese quartiersbezogene Angebote zu den Themen Wasser, Spiel, Sport
und Sinnesgarten. Das Sonnenhaus mit
dem Thema Wasser lädt nicht nur zum
Verweilen und Spielen am Wasser ein,
sondern gibt auch Einblick in das Regenund Grauwasserkonzept der Siedlung. Das
Aktionsfeld mit dem Thema Spiel öffnet
sein Sonnenhaus in Übergangszeiten als
Indoor-Spielplatz und die Nutzung durch
den benachbarten Kindergarten. Jedes
Sonnenhaus erfährt eine Doppelcodierung
als neues Nutzungsangebot und als Teil
eines integrierten energetischen Konzepts.
Ziele anstelle von Standards
Wenn Ziele nicht für das Einzelgebäude,
sondern für die Siedlung beziehungsweise
das Quartier vorgegeben werden, können
Freiräume für neue Konzepte entstehen
und damit auch Möglichkeiten, lokale
Identitäten zu stärken.
Gerade die Siedlungen der Nachkriegszeit
bieten große Chancen für nachhaltige
Entwicklung auf Quartiersebene. Der Weg
vom energieeffizienten Haus zum energieeffizienten Stadtquartier ist hier durch den
Gebäudebestand, die Eigentümerstruktur
und die Quartiersgröße geebnet: für den
Einsatz lokaler Energienetze und die Umsetzung von abgestimmten Maßnahmen
in einem ganzheitlichen Konzept.
Energieeffizienz und Infrastruktur sind
natürlich nur Teilaufgaben einer integrierten Stadtentwicklung. Ein lebendiges
Stadtquartier muss, wie wir alle wissen,
sehr viel mehr bieten als ein nachhaltiges
energetisches Konzept.
ANsPRECHPARTNER >>
TU Darmstadt
Fachbereich Architektur
Entwerfen und Stadtentwicklung
Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff
El-Lissitzky-Strasse 1, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151 16-6686
Fax: 06151 16-4859
E-Mail: [email protected]
3/2011 • VerbandsMagazin
16 SCHWERPUNKTTHEMA
wohnungsunternehmen „de woonplaats“
baut Energiesparwohnungen
EnErGiEEinsparunG in dEn niEdErLandEn >> Auch in den Niederlanden müssen energetische
Vorgaben erfüllt werden. Dort muss jedes neue Bauprojekt einen Wärmedämmwert von
unter 0,8 erfüllen. Wie die niederländischen Unternehmen diese Vorgaben erfüllen, zeigt
ein Beispiel aus Enschede.
nungen. Sie werden auch sehr komfortabel, mit Bodenheizungen für gleichmäßige Beheizung im ganzen Haus,
gebaut. Sogar die Mauertemperaturen
sind überall gleich, sodass sich keine
Mauer kalt anfühlt. Auch im Winter
betragen die Mauertemperaturen nicht
weniger als 15 Grad Celsius“, sagt Projektleiter Krommendijk.
Das Pilotprojekt von „De Woonplaats“
am Kneedweg in Enschede erreicht
einen Wärmedämmwert von unter 0,4.
Ende 2008 wurde das Projekt abgenommen. Der Wärmedämmwert der
niederländischen Energieeinsparverordnung, der damals bei 0,8 lag, ist
inzwischen auf 0,6 angehoben worden.
Auf der Grundlage dieses Pilotprojektes
geht das Unternehmen noch einen
Schritt weiter, nämlich zum Passivhaus: energieneutrale Wohnungen für
den neuen Velve-Lindenhof.
Maßnahme ist dabei eine extrem gute
Isolierschicht. Bei den Wohnungen am
Kneedweg werden beispielsweise feuerbeständige Resol-Dämmplatten eingebaut. Solche Platten werden immer öfter
im Wohnungsbau verwendet. Nicht nur
wegen der guten Isolierwerte und der
Feuerbeständigkeit, sondern auch wegen
der geringen Dicke. Das Material ist nämlich letztendlich ungefähr zehn Zentimeter dünner als beispielsweise Steinwolle.
So wird eine Doppelwand insgesamt nur
42 Zentimeter dick.
Projektleiter Jaap Krommendijk: „Die
Bezeichnung Energiesparwohnung bedeutet bei uns, dass wir auf dem freien
Markt nach energiesparenden Möglichkeiten suchen und die dann beim
sozialen Wohnungsbau verwenden.
Für die Bewohner entstehen dadurch
bald schon deutlich geringere Energiekosten für die Wohnung. Der Mietpreis
steigt zwar ein bisschen, aber dafür
haben wir Wohnungen mit niedrigen
Energiekosten gebaut. Meistens werden solche Energiesparwohnungen als
Eigentumswohnungen konzipiert, aber
wir bieten auch Mietwohnungen an,
sodass unser Hausbestand zukunftssicher ist.“
Eine zweite Maßnahme ist die LuftWasser-Wärmepumpe; ein System, das
einer Klimaanlage ähnelt und wie ein
Kühlschrank arbeitet. Die Pumpe transportiert Wärme der Außenluft über das
Wasser der Zentralheizung ins Innere. Im
Sommer entzieht die Pumpe umgekehrt
der Innenluft im Haus die Wärme. Diese
Maßnahmen haben bereits eine große
Wirkung, aber der Passivhausstandard
verlangt zusätzlich auch nach ein paar
Detaillösungen. Es müssen auch die Doppelwandanker (als Verbindung der inneren und äußeren Mauer) isoliert werden.
Der Energieverlust über einen solchen
Maueranker könnte vernachlässigt werden, ist aber trotzdem zu beachten.
Wie wird so viel Energie wie möglich eingespart? Eine entscheidende
„Die niedrige Energierechnung ist nicht
der einzige Vorteil der Energiesparwoh-
3/2011 • VerbandsMagazin
Er weist ferner darauf hin, dass durch
alle diese Maßnahmen aber auch die
Bewohner relativ schnell ihre Wohngewohnheiten werden anpassen müssen.
Sie können zwar immer noch im Winter
schnell mal ein Fenster öffnen, um zu
lüften, aber danach dauert es ziemlich
lange, bis es wieder warm wird. Nach
Übergabe des Hauses wird dem jeweiligen Bewohner daher auch extra erklärt,
wie das Passivhaus arbeitet.
„Wenn der Wohnblock am Kneedweg
fertig ist, werden wir eventuelle Energiebrücken messtechnisch aufspüren.
Damit ist auch ein neues Abnahmekriterium definiert: Kann irgendwo noch
Energie nach außen dringen? Nach der
Fertigstellung bestimmen Studenten
der FH Saxion die tatsächliche Energieeinsparung für uns. Wiederholte
Messungen finden noch einmal von
März 2011 bis einschließlich März 2012
statt, wenn das Projekthaus keine Baufeuchtigkeit mehr enthält. Energie wird
in Zukunft immer teurer werden, aber
mit dem Passivhausstandard sind wir
ausreichend darauf vorbereitet“, erläutert der Projektleiter.
De Woonplaats bewirtschaftet rund
20.000 Wohnungen in Enschede und
der Region Achterhoek.
Herunterladen