Aus dem Institut für Pathologie der Universität zu Lübeck Direktor: Prof. Dr. A. Feller HER2/neu-Expression und -Genamplifikation in muskelinvasiven Urothelkarzinomen der Harnblase Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Universität zu Lübeck - aus der Medizinischen Fakultät - vorgelegt von Karl Georg Weitsch aus Halle/Saale Lübeck 2005 1. Berichterstatter: Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Krüger 2. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Dieter Jocham Tag der mündlichen Prüfung: 18.07.2005 Zum Druck genehmigt. Lübeck, d. 18.07.2005 2 INHALTSVERZEICHNIS Seite 1. Einführung 4 1.1. Epidemiologie des Harnblasenkarzinoms 4 1.2. Ätiologie 5 1.3. Pathogenese 6 1.4. Histologischer Malignitätsgrad und Tumorstadium 7 1.5. Therapie 9 1.6. Prognosefaktoren 9 1.6.1. Etablierte Prognosefaktoren 1.6.2. HER2/neu als potenzieller neuer Prognosefaktor 1.7. 2. Fragestellung 11 Material und Methodik 12 2.1. Material 12 2.2. Immunhistochemische Färbemethodik und Auswertung 12 2.3. FISH-Analyse 17 2.4. Statistische Auswertung 20 3. Ergebnisse 21 3.1. Immunhistochemische HER2/neu-Expression 21 3.2. HER2/neu-Genamplifikation 23 3.3. Analyse der Überlebensraten 23 3.4. Beantwortung der unter 1.7. gestellten Fragen 28 4. Diskussion 30 4.1. Immunhistochemischer HER2/neu-Status 30 4.2. FISH-Analyse und Genamplifikation 31 4.3. Therapeutische Möglichkeiten 32 5. Zusammenfassung 33 6. Literaturverzeichnis 35 7. Danksagung 43 8. Lebenslauf 45 9. Publikationen 46 3 1. Einführung 1.1. Epidemiologie des Harnblasenkarzinoms Das Harnblasenkarzinom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen überhaupt. Beim Mann macht das Harnblasenkarzinom in Deutschland derzeit etwa 8% aller bösartigen Neubildungen aus steht somit nach dem Prostata-, Lungen- und Dickdarmkarzinom an vierter Stelle aller Malignome (Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, 2002). Nachdem seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine weltweite Zunahme an Neuerkrankungen zu verzeichnen war, wurde in den 1990er Jahren ein leichter Rückgang sowohl in Deutschland (Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, 2002) als auch in den Vereinigten Staaten (Ries et al., 2000) registriert. Allgemein gilt, dass Männer von Krebserkrankungen der Harnblase drei- bis fünfmal häufiger betroffen sind als Frauen. Jährlich treten in der Bundesrepublik 12.500 Erkrankungsfälle bei Männern und 5.100 bei Frauen auf. In weniger als 20% der Fälle erkranken Männer vor dem Erreichen des 60. Lebensjahres. Bei Frauen liegt der Anteil bei 2 bis 3% aller bösartigen Neubildungen, wobei zwischen 10 und 15% dieser Fälle vor dem 60. Lebensjahr auftreten. Diese Schätzungen basieren auf Hochrechnungen, die auf der Grundlage von ländereigenen Krebsregistern durchgeführt wurden (Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, 2002). Der überwiegende Teil der neudiagnostizierten Harnblasenkarzinome befindet sich noch in einem nicht-invasiven Tumorstadium (pTa). Dies erklärt den Befund, dass die Mortalitätsrate weitaus niedriger als die Inzidenzrate ist. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass in Deutschland jährlich ungefähr 6,0 Männer und 1,6 Frauen/100.000 Einwohner an einem Harnblasenkarzinom versterben (Becker und Wahrendorf, 1998), wobei die Rate der Neuerkrankungen bei 28,4/100.000 Einwohnern liegt (Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, 2002). Für die Vereinigten Staaten liegen ganz ähnliche Werte vor: Die Rate der Neuerkrankungen beträgt dort 27,2/100.000 Einwohner, und es sterben jährlich 5,6 Männer und 1,7 Frauen/100.000 Einwohner an einem Karzinom der Harnblase (Ries et al., 2000). Untersuchungen aus den USA lassen auch eine häufigere Inzidenz bei Menschen weißer Hautfarbe im Gegensatz zu Menschen afro-amerikanischer 4 Herkunft erkennen (Harris et al., 1990). Interessant ist, dass in den Vereinigten Staaten nur jeder 5. Weisse, aber jeder 3. Farbige am Harnblasenkarzinom verstirbt (Ries et al., 2000). Warum dies so ist, ist derzeit ungeklärt. 1.2. Ätiologie Bei der Kanzerogenese wird von einem polyätiologischen Prozess ausgegangen (Malone et al., 1987; Brandau und Böhle, 2001). Es existiert eine beträchtliche Anzahl von Stoffen, die als Kanzerogene oder Kokanzerogene mit dem Harnblasenkarzinom in Verbindung gebracht werden. Als Karzinogene sind vor allem aromatische Amine, die oft als Bestandteil von Färbemitteln oder die wie Nitrosamine und 2-Naphthylamin im Tabakrauch vorkommen, entlarvt worden. Weiterhin muss bei den Stoffen Xenylamin, Benzidin und 4-AminoBiphenyl ebenfalls von einem karzinogenetischen Effekt ausgegangen werden (Schubert, 1997). Die Tatsache, dass ferner Steinkohleteer, Ruß- und Gasprodukte als Auslöser fungieren können, macht eine eindeutige Abgrenzung zwischen Lebens- und Arbeitsbedingungen beinahe unmöglich. Insbesondere die Lebensgewohnheiten scheinen eine bedeutsame Rolle bei der Entstehung des Harnblasenkrebses zu spielen. In diesem Zusammenhang gilt die Annahme, dass Kaffeekonsum an der Karzinogenese beteiligt ist, als umstritten (Rübben und Otto, 2001). Dagegen kommt dem Tabakrauchen eine unumstrittene ätiologische Rolle bei der Entstehung des Harnblasenkrebses zu: Raucher erkranken etwa 2,5mal häufiger an einem Harnblasenkarzinom als Nichtraucher (Castelao et al., 2001). Bei beruflicher Exposition ist die Erhebung präziser Daten dadurch erschwert, dass in der Regel eine mehrere Jahrzehnte umfassende Zeitspanne zwischen Karzinogenkontakt und Tumormanifestation liegt (Otto und Rübben, 2003). Eine 2003 veröffentlichte Metaanalyse gibt den Anteil der durch berufliche Exposition verursachten Karzinome bei Männern in den Risikoberufsgruppen Metallarbeiter, Maschinisten, Transportarbeiter und Bergleute für das westliche Europa mit 5-10 % an (Kogevinas et al., 2003). Dabei sind, wie bereits oben erwähnt, aromatische Amine (4-Amino-Biphenyl, Benzidine, 2-Naphthylamin), die beispielsweise bei der Farbenherstellung verwendet werden, als Karzinogene nachgewiesen (Schubert, 1997). Auch industrielle Prozesse, bei denen Mischexpositionen auftreten (wie beispielsweise die Magentaherstellung) werden als humankarzinogen eingestuft. Interessant ist in diesem 5 Zusammenhang, dass eine bakterielle Zersetzung von Azofarbstoffen diese nicht unschädlich macht: Die Inzidenz von Harnblasenkarzinomen ist erhöht bei japanischen Kimonomalern, die ihre Pinsel ablecken und auf diese Weise Azofarbstoffe über den Darm aufnehmen (Otto und Rübben, 2003). Weiterhin wird das regelmäßige Einatmen von Dieselruß mit der Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms in Zusammenhang gebracht, was vor allem das erhöhte Risiko bei Transportarbeitern erklären dürfte (Kogevinas et al., 2003). Ferner konnten Phenazetin beziehungsweise phenazetinhaltige Arzneimittel und Zyklophosphamid als urothelkanzerogene Stoffe identifiziert werden (Rübben und Otto, 2001) Die Infektion mit Schistosoma haematobium, dem Erreger der Bilharziose, gilt als bedeutendster ätiologischer Faktor für die Entstehung von Harnblasenkarzinomen in Entwicklungsländern, wobei insbesondere Plattenepithelkarzinome vorgefunden werden (Rübben und Otto, 2001). Da Plattenepithelkarzinome der Harnblase ohne vorausgegangene Bilharziose selten sind, ist ihr Anteil in Deutschland gering. 1.3. Pathogenese Nahezu 98 % aller Tumoren der ableitenden Harnwege gehen vom Epithel aus und sind in fast derselben Häufigkeit Karzinome. Etwa 90 % der Harnblasenkarzinome sind Urothelkarzinome (Murphy et al., 1994). In den westlichen Industrienationen sind andere Differenzierungsformen wie z.B. reine Plattenepithelkarzinome (mit einem Anteil von 3 %) oder Adenokarzinome (mit einem Anteil von 2 %) eher selten (Kantor et al., 1988). Andere Differenzierungsformen (z. B. kleinzellige Karzinome) sind als ausgesprochene Raritäten anzusehen. Mischdifferenzierungen zwischen verschiedenen histologischen Typen werden gelegentlich beobachtet (Murphy et al., 1994). Papilläre Urothelkarzinome entstehen in der Regel nicht aus gutartigen Vorläuferstufen (Papillomen), sondern meist aus primär unauffälliger urothelialer Schleimhaut. Bei der Entwicklung eines invasiven Karzinoms sind prinzipiell zwei Wege möglich: Einerseits das Entstehen aus einem Carcinoma in situ, zum anderen das Entstehen aus einem nicht-invasiven papillären Urothelkarzinom heraus. Wesentliche molekulare Mechanismen bei der Karzinogenese bis zum invasiven Urothelkarzinom sind ein Chromosom 9-Defekt und eine Mutation des p53-Tumorsupressorgens auf Chromosom 17 (Brandau und Böhle, 2001). Mit zunehmen- 6 der Aggressivität und Progression finden weitere chromosomale Veränderungen statt, zu denen Defekte des Retinoblastomgens, des H-ras Genes, des HER2/neu-Genes, sowie weitere chromosomale Veränderungen zählen (Lee und Droller, 2000). Im Zuge dieser weiteren Veränderungen nimmt der Tumor meist ein muskelinvasives Stadium (pT≥2) an und wird somit zu einer lebensbedrohlichen Krankheit, die entsprechend aggressiv zu therapieren ist. 1.4. Histologischer Malignitätsgrad und Tumorstadium Im Jahre 1998 wurde von der World Health Organization (WHO) und der Internationalen Gesellschaft für Urologische Pathologie (ISUP) eine Konsensusklassifikation zur Bestimmung des histologischen Malignitätsgrades (Gradings) vorgestellt (Epstein et al., 1998), die bisherige Unschärfen in der vorhergehenden WHO-Klassifikation von 1973 (Mostofi et al., 1973) beseitigen sollte. Nach dieser WHO/ISUP-Klassifikation werden urotheliale Tumoren der Harnblase in vier Gruppen eingeteilt: Hyperplasien, flache intraurotheliale Neoplasien, papilläre urotheliale Neoplasien und invasive Tumoren. Lediglich die drei letztgenannten Gruppen stellen echte Neoplasien dar. Bei den papillären urothelialen Neoplasien werden gemäß der WHO/ISUP-Klassifikation solche mit niedrigem Malignitätspotential („papillary urothelial neoplasia with low malignant potential“, abgekürzt PUNLMP) sowie sogenannte „low grade“ und „high grade“ Karzinome unterschieden. Zu den flachen intraurothelialen Neoplasien zählen die einfache Urotheldysplasie und das urotheliale Carcinoma in situ. Bei den invasiven Karzinomen werden lediglich „low grade“ und „high grade“ Karzinome unterschieden. Die morphologischen Kriterien von „low grade“- und „high grade“ Urothelkarzinomen werden im Folgenden näher geschildert: low grade: Histologie: geringe, geschmolzene, verzweigte Papillae; Vorherrschen leicht ungeordneter Architekturmuster; Verlust von Polarität und Kohäsion Zytologie: leichte bis mäßige Kernpleomorphie, viele Mitosen, große Nucleoli. high grade: Histologie: vollständiges Fehlen einer Regelmäßigkeit der Anordnung, Verlust der superfizialen Zellen, Verlust der zellulären Kohäsion Zytologie: starke Kernpleomorphie, zahlreiche irregulär verteilte Mitosen 7 Die Einteilung des Tumorstadiums (Stagings) erfolgt nach den Kriterien der „Union International Contre le Cancer“ (UICC) wie folgt (Hermanek et al., 1997): Tabelle 1: Stadieneinteilung des Harnblasenkarzinoms nach der UICC T1 Tumor infiltriert das subepitheliale Bindegewebe T2a Tumor infiltriert die Lamina muscularis propria mit einer maximalen Eindringtiefe von nicht mehr als 50% der Dicke dieser Schicht T2b Tumor infiltriert die Lamina muscularis propria mit einer maximalen Eindringtiefe von mehr als 50% der Dicke dieser Schicht T3a Tumor infiltriert mikroskopisch sichtbar in das perivesikale Fett T3b Tumor infiltriert makroskopisch sichtbar in das perivesikale Fett T4a Tumor infiltriert Prostata, Uterus, Vagina oder wächst frei ins Becken T4b Tumor durchbricht die Bauchwand oder die Beckenwand 8 1.5. Therapie Es werden blasenerhaltende und nicht-blasenerhaltende operative Therapieformen unterschieden. Unter einer nicht blasenerhaltenden Therapie versteht man die radikale Zystektomie, welche bei muskelinvasiven Tumoren (Stadium pT>2) mittlerweile als GoldstandardTherapie angesehen wird (Stein et al., 2001). Zu den blasenerhaltenden Therapien zählen in erster Linie die transurethrale Resektion (TUR), während partielle Zystektomien nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Unter den nichtoperativen Therapieformen sind die Radiotherapie, die Chemotherapie sowie die intravesikale Therapie mit Zytostatika (z.B. Mitomycin C, Doxorubicin) oder immunmodulatorisch wirksamen Substanzen (z.B. Bacillus Calmette-Guérin, BCG) von Bedeutung. Unter den genannten Therapieoptionen scheint die Erhaltungstherapie („maintenance therapy“) mit BCG besonders effektiv zur Progressionsprophylaxe von oberflächlichen Harnblasenkarzinomen geeignet zu sein (Böhle und Bock, 2004). Auch stellt die BCG-Therapie zur Rezidivprophylaxe des urothelialen Carcinoma in situ ein Mittel der Wahl dar. Weiterhin werden derzeit neuere Therapieansätze mit Interferonen und Interleukinen durchgeführt. 1.6. Prognosefaktoren 1.6.1. Etablierte Prognosefaktoren Beim Harnblasenkarzinom gelten derzeit das Tumorstadium, der Lymphknotenstatus und der histologische Malignitätsgrad (Grading) als allgemein anerkannte, etablierte Prognosefaktoren. Alleine mit Hilfe dieser drei Kriterien ist die Vorhersagbarkeit des biologischen Verlaufes der Tumoren allerdings meist nicht ausreichend (Stein et al., 1998). Daher werden weltweit intensive Anstrengungen bei der Identifizierung weiterer Prognosefaktoren unternommen, wobei insbesondere immunhistochemische Marker im Zentrum des Interesses liegen. In diesem Zusammenhang wurde bereits für einige Marker eine Assoziation mit dem klinischen Verlauf von Harnblasenkarzinomen beschrieben, so z.B. für das Ki-67 Antigen (Korkolopoulou et al., 1997; Oosterhuis et al., 2000), das „proliferating cell nuclear antigen“ (PCNA) (Korkolopoulou et al., 1997), das p53-Tumorsuppressorprotein (Raitanen et al., 1997; Bernardini et al., 2001), das p21-Tumorsuppressorprotein (Liukkonen et al., 2000) oder das Zyklus-regulierende Cyclin D1-Protein (Tut et al., 2001; Sgambato et al., 2002). 9 1.6.2. HER2/neu als potenzieller neuer Prognosefaktor Beim Mammakarzinom wurde in den letzten 15 Jahren die Expression des HER2/neuWachstumsfaktorrezeptors intensiv erforscht und auch als prognostischer Indikator beschrieben. Das HER2/neu-Protein wird durch das auf dem Chromosom 17 lokaliserte HER2/neu-Onkogen (auch c-erbB2-Onkogen genannt) kodiert und stellt ein 185 kDa großes Glykoprotein dar, das als transmembranöser Tyrosinkinaserezeptor vom Typ des Epidermalgrowth-factor-Rezeptors (EGFR) fungiert (Wiethege et al., 2000). Eine durch LigandenRezeptor-Bindung aktivierte Tyrosinkinase setzt intrazelluläre Signalübertragungen in Gang, welche Einfluss auf das Wachstum, Differenzierung und Überleben der Zelle nehmen. Überexpression von HER2/neu ist assoziiert mit einer erhöhten Proliferationsrate der Zellen, einem erhöhten angiogenetischen Potential und verminderter Zelladhäsion. Beim Mammakarzinom konnt gezeigt werden, dass in ungefähr 30 % Prozent der Fälle eine Überexpression des HER2/neu-Gens vorliegt, welche auch mit einem schlechteren klinischen Verlauf korreliert (Tzahar et al., 1996). Daher wird die Überexpression von HER2/neu als wichtiger prognostischer Faktor insbesondere bei Patientinnen, die bereits Lymphknotenmetastasen entwickelt haben, angesehen (Toikkanen et al., 1992). Weiterhin konnte am Mammakarzinom die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie mit dem monoklonalen Antikörper Transtuzumab (Herceptin ) und einem Chemotherapeutikum bei HER2/neu überexprimierenden Tumoren gezeigt werden (Slamon et al., 2001; Ranson und Shiwkowski, 2002). Somit ist denkbar, dass auch beim Harnblasenkarzinom die Möglichkeit eines therapeutischen Nutzens besteht. Erste klinische Studien hierzu sind bereits angelaufen (Small et al., 2003). Die bisher publizierten Ergebnisse über die HER2/neu-Expression beim Harnblasenkarzinom (McCann et al., 1990; Zhau et al., 1990; Moriyama et al., 1991; Wood et al., 1991; Wright et al., 1991; Lipponen et al., 1991; Sato et al., 1992; Coombs et al., 1993; Fossa et al., 1993; Sauter et al., 1993; Gorgoulis et al., 1995; Underwood et al., 1995; Mellon et al., 1996; Ravery et al., 1997; Korkolopoulou et al., 1997; Vollmer et al., 1998; Ioachim et al., 2000; Jiminez et al., 2001; Latif et al., 2003; Latif et al., 2004; Pinieux et al., 2004; Krüger et al., 2004) sind recht uneinheitlich, was vor allem auf unterschiedliche Testmethoden zurückzuführen sein dürfte. Inzwischen sind für die HER2/neu-Analyse beim Mammakarzinom mehrere standardisierte Tests erhältlich, um reproduzierbare Ergebnisse liefern zu können. Der von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) 10 zugelassene HercepTest® (DAKO, Glostrup, Dänemark) ist in Mitteleuropa einer der am meisten verbreiteten Test. Ein standardisierter und ebenfalls von der FDA zugelassener Test zum Nachweis von Amplifikationen des HER2/neu-Gens (PathVysion®) wird von der Firma Abbott-Vysis (Wiesbaden) vertrieben. Sowohl der HercepTest® als auch der PathVysion® Test kamen in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung. 1.7. Fragestellung Dieser Arbeit liegt die folgende Fragestellung zugrunde: A. Wie hoch ist der Anteil muskelinvasiver Harnblasenkarzinome, bei denen sich mit dem HercepTest® eine Überexpression des HER2/neu-Proteins feststellen lässt? B. Wie hoch ist der Anteil muskelinvasiver Harnblasenkarzinome, bei denen sich mit dem PathVysion®-Färbekit eine Amplifikation des HER2/neu-Gens feststellen lässt? C. Ist die Überexpression des HER2/neu-Proteins mit einer Amplifikation des HER2/neuGens assoziiert? D. Besteht bei muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen ein Zusammenhang zwischen einer HER2/neu-Überexpression bzw. einer HER2/neu-Genamplifikation der Tumoren und dem krankheitsbezogenen Überleben der Patienten? Stellt die HER2/neu-Überexpression bzw. die HER2/neu-Genamplifikation möglicherweise einen Parameter mit prognostischer Aussagekraft dar? 11 2. Material und Methodik 2.1. Material Untersucht wurden Tumorexzisate von 203 Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase. Alle Patienten wurden zwischen 1990 und 1999 an der Klinik für Urologie der Universität zu Lübeck durch radikale Zystektomie behandelt, wobei jeweils eine vollständige Tumorexzision erfolgte (R0). Angaben zum Verlauf der Patienten wurden freundlicherweise aus dem Krankenblattarchiv der Klinik für Urologie (UK-SH, Campus Lübeck) zur Verfügung gestellt. Der Endpunkt der Verlaufsanalyse wurde mit dem 31.12.2000 terminiert. Die im Instiut für Pathologie (UK S-H, Campus Lübeck) gestellte histologische Diagnose lautete in allen Fällen „Urothelkarzinom der Harnblase“. Das Tumorstadium wurde nach den Richtlinien der „Union Internationale contre le Cancer“ (UICC) angegeben (Hermanek et al., 1997). In der überwiegenden Zahl der Patienten (54 %) wurde ein Tumor gefunden, dessen maximale Organinfiltration auf die Lamina muscularis propria der Harnblase beschränkt war, entsprechend dem Stadium „pT2“. Lymphknotenmetastasen waren in 31 Fällen (15 %) histologisch nachweisbar. Hinsichtlich des Gradings, das nach der Klassifikation der World Health Organisation/ International Society of Urological Pathology (WHO/ISUP) vorgenommen wurde (Epstein et al., 1998), entsprachen 190 der 203 Tumoren (= 93,6 %) einem „high grade“ und 13 Tumoren (= 6,4 %) einem „low grade“ Karzinom. Darüber hinaus wurden die Harnblasenkarzinome nach einer kürzlich von Jiminez et al. (2000) vorgestellten Einteilung der Tumoren nach ihrem Wachstumstyp (nodulär, trabekulär oder infiltrativ) klassifiziert. Etwas mehr als die Hälfte der Tumoren (103/203, = 50,7 %) war dem infiltrativen Typ zuzuordnen, während 49,3 % der Tumoren einen nodulären bzw. trabekulären Wachstumstyp aufwiesen. 2.2. Immunhistochemische Färbemethodik und Auswertung Von Paraffinblöcken mit repräsentativem Tumorgewebe wurden 5 µm dicke Schnitte angefertigt. Die immunhistochemische Färbung erfolgte mit dem HercepTest® der Firma DAKO (Glostrup, Dänemark). Die Färbung wurde unter genauer Beachtung der Färberichtlinien des Herstellers durchgeführt. Das membranständige HER2/neu-Protein 12 wurde dabei mit dem polyklonalen Kaninchen-Primärantikörper A0485 nachgewiesen. Der weitere immunhistochemische Prozess zum Nachweis des HER2/neu Proteins mittels HercepTest® erfolgte nach einem standardisierten Meerrettichperoxidase-Verfahrens unter Verwendung von Diaminobenzidin (DAB) als Farbstoff. Dabei war die Meerrettichperoxidase an einen sekundären Antikörper gekoppelt, welcher an den zuvor aufgebrachten primären Antikörper bindet. Das Enzym Meerettichperoxidase bildete im nächsten Schritt einen Komplex mit seinem Substrat Wasserstoffperoxid. Dieser Komplex reagierte mit DAB, welches durch Oxidation polymerisiert wurde. An der Stelle des Zielantigens, dem HER2/neu-Transmembranprotein, bildete sich ein unlösliches, braunes Polymer, welches schon makroskopisch sichtbar war. Die einzelnen Arbeitsschritte lauteten wie folgt: 1. Erwärmen der Schnitte auf 60 °C 2. Entparaffinieren und Rehydrieren der Schnitte durch Baden in 2 x Xylol (100 %), je 5 Minuten 2 x Ethanol (95 %), je 3 Minuten 2 x Ethanol (70 %), je 3 Minuten anschließendes Spülen in Aqua dest. für ca. 30 Sekunden 3. Antigendemaskierung 40 minütige Inkubation der Schnitte in Antigendemaskierungslösung („epitope retrieval solution“; im HercepTest®-Kit mitgeliefert) in einem 96 °C warmen Wasserbad, anschließendes Abkühlen und Waschen in Waschpuffer (im HercepTest®-Kit enthalten) 4. Blocken der Peroxidase Behandlung der Schnitte mit je 100 µl Peroxidase-Blockungsreagenz (im HercepTest®-Kit enthalten) für 5 Minuten bei Raumtemperatur, danach ca. 1 Minute in Aqua dest., danach 5 Minuten in frischem Waschpuffer spülen 13 5. Aufbringen des Primärantikörpers bzw. der Negativ-Kontrollreagenz (Kaninchen Anti-Human HER2 Primärantikörper bzw. Negativ-Kontrollreagenz des HercepTest®-Kits), je 100 µl pro Schnitt wurden aufgetragen, bei einer Inkubationszeit von 30 Minuten. Erneutes Spülen in frischem Waschpuffer für zunächst 1 Minute, danach in wiederum frischem Waschpuffer 5 Minuten baden. 6. Behandlung mit Detektionsreagenz Pro Schnitt werden 100 µl der im HercepTest®-Kit beigefügten Lösung aufgetragen, die den sekundären Brückenantikörper enthält. Man lässt diese dann für 30 Minuten bei Raumtemperatur inkubieren. Anschließend Schnitte in frischen Waschpuffer ca. 1 Minute, in nochmals frischen 5 Minuten stellen. 7. Aufbringen der DAB Substrat-Chromogenlösung Diese wird am Tage der Färbung aus 30 µl DAB-Chromogen und 1 ml gepuffertem Substrat (beide Reagenzien sind Bestandteile des HercepTest®-Kits) hergestellt. Pro Schnitt werden 100 µl der DAB Substrat-Chromogenlösung aufgebracht, und diese lässt man für 30 Minuten inkubieren. Danach wird die DAB SubstratChromogenlösung vom Schnitt entfernt. Die Schnitte werden durch zweimaliges Baden in Aqua dest. gereinigt. 8. 4 Minuten Gegenfärben mit Hämatoxylin 9. Eindecken der Schnitte in permanentem Eindeckmedium Bei jeder Färbung wurden Positivkontrollen, die dem HercepTest® beilagen, mitgeführt. Diese bestanden aus Objektträgern, auf die per Zytospin-Verfahren drei verschiedene humane Mammakarzinomzelllinien mit unterschiedlichem HER2/neu-Status (Scores 3+, 1+ und 0) aufgebracht worden waren. Ferner wurde bei jeder Färbung eine Negativkontrolle mitgeführt, indem auf einem Objektträger anstelle des HER2/neu-Antikörpers ein ebenfalls im HercepTest® enthaltenes „Negativkontroll-Reagens“ aufgebracht wurde. 14 Alle immunhistochemisch gefärbten Schnitte wurden an einem Lichtmikroskop bei 400facher Vergrößerung ausgewertet. Da Vorversuche gezeigt hatten, dass das HER2/neuFärbeverhalten innerhalb eines Tumors im invasiven und im nicht-invasiven Bereich meist unterschiedlich ausgeprägt war, wurde jeweils ausschließlich der invasive Anteil ausgewertet. Die Evaluation der HER2/neu-Proteinexpression erfolgte gemäß den Richtlinien des Herstellers des HercepTests®. Demnach war die Einteilung in die Scores 3+ bis 0 durch folgende Kriterien definiert (Tabelle 2): Tabelle 2: Kriterien der Scoreeinteilung bei der Auswertung der immunhistochemischen HER2/neu-Färbung Score Membranfärbung HER2/neu-Status 0 weniger als 10% der Tumorzellen zeigen eine Mem- negativ branfärbung 1+ unvollständige Färbung der Membran negativ bei mehr als 10% der Tumorzellen 2+ leichte bis mäßige, komplette Färbung der Membran bei mehr als 10% der Tumorzellen 3+ starke und komplette (ringförmige) Färbung bei mehr als 10% der Tumorzellen schwache HER2/neuÜberexpression starke HER2/neuÜberexpression Beispiele für den lichtmikroskopischen Aspekt der vier unterschiedlichen Färbescores sind in der nachstehenden Abb. 1 illustriert. 15 Abb. 1: Immunhistochemische HER2/neu-Färbeergebnisse bei vier verschiedenen muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen mit den Scores 0 (links oben), 1+ (rechts oben), 2+ (links unten) und 3+ (rechts unten; Originalvergrößerung: jeweils 600x) Laut Herstellerangaben sind die HER2/neu-Scores 2+ und 3+ als „positiv“ zu werten. In der vorliegenden Studie wurde den Harnblasenkarzinomen, die mit einem Score von 3+ bewertet wurden, besonderes Augenmerk geschenkt, da – nach den Erfahrungen am Mammakarzinom – diese Tumoren generell als für eine Herceptin®-Therapie geeignet gelten. Zur Vereinfachung des Sprachgebrauchs werden daher in dieser Studie Tumoren mit einem Score von 3+ als „HER2/neu überexprimierend“ anstelle von „stark HER2/neu überexprimierend“ bezeichnet. 16 2.3. FISH-Analyse Um quantitative Nachweise eines Gens in Zellkernen durchführen zu können, hat sich die Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) als geeignetes Verfahren erwiesen. Als in situHybridisierung bezeichnet man Verfahren, die den in situ-Nachweis von DNA-Sequenzen auf einem Chromosomenpräparat erlauben. Hierbei müssen die auf einem Objektträger fixierten Zellen zuerst denaturiert werden, um die doppelsträngige DNA in Einzelstrang-DNA zu überführen. Anschließend erfolgt die eigentliche Hybridisierung mit der komplementären DNA-Sequenz auf dem Metaphasepräparat. Diese Sonden können entweder durch weitere Antikörperbindungen in einem weiteren Schritt sichtbar gemacht werden oder, wie in diesem Fall, direkt eine Fluorochrommarkierung tragen. Die fluoreszenzmarkierten Sonden sind unter einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar, welches die Signale verstärkt. Um den Nachweis einer spezifischen Genamplifikation durchführen zu können, ist es wichtig, dass nicht nur eine Sonde für das nachzuweisende Gen, sondern auch eine Sonde für das zugehörige Chromosom enthalten ist. Hierbei hat sich als wirkungsvoll erwiesen, eine Sonde zu wählen, mit der die Zentromerregion des Chromosoms markiert wird. So wird es möglich, die Häufigkeit beider Signale zu bestimmen und den Quotienten zu ermitteln. Ein Quotient von > 2,0 entspricht definitionsgemäß einer Genamplifikation. In der vorliegenden Arbeit wurde nur an einem repräsentativen Teil der Tumoren (N = 42) eine FISH-Färbung durchgeführt, wobei das durch die amerikanische FDA zugelassene PathVysion-Färbekit (Abbott-Vysis, Wiesbaden) zur Anwendung kam. Die Färbung der Paraffinschnitte erfolgte unter genauer Beachtung der Färbeanleitung des Herstellers. Die einzelnen Arbeitsschritte des 1. Färbetages lauteten: 1. Erwärmen der Schnitte auf 60°C 2. Entparaffinieren der Schnitte durch Baden in 2 x Xylol (100 %), je 15 Minuten 2 x Ethanol (100 %), je 5 Minuten 17 Anschließend für ca. 3 Minuten im Ofen bei 50 °C lufttrocknen 3. Vorbehandlung der Schnitte in 0,2 N HCl für 20 Minuten, danach zuerst 3 Minuten in Aqua dest., dann 3 Minuten in Waschpuffer (im PathVysion Kit enthaltenen Lösung wird am Tage der Färbung auf pH 7,0 geeicht, ist dann gebrauchsfertig) spülen 4. Inkubation in Pretreatment-Lösung (im PathVysion Kit enthalten) über einen Zeitraum von 30 Minuten in einem 80 °C Wasserbad. Danach werden die Schnitte erst für 1 Minute in Aqua dest., dann für 5 Minuten im ersten Waschpuffer und schließlich für 5 Minuten im zweiten Waschpuffer gewaschen. 5. Behandlung im Proteasebad bei 37 °C (10 min). Die im PathVysionKit enthaltene Proteasepufferlösung wird mittels 1 N Salzsäure bzw. 1 N Natriumhydroxid auf einen pH-Wert von 2,0 eingestellt und auf 37 °C vorgewärmt; erst kurz vor Gebrauch werden 25 mg Protease (2500-3000 U/mg, im PathVysion Kit enthalten) hinzugegeben. Danach werden die Schnitte 5 Minuten lang im ersten Waschpuffer, dann 5 Minuten lang im zweiten Waschpuffer gereinigt. Die Schnitte werden anschließend für 3 Minuten in einem 50 °C warmen Ofen luftgetrocknet. 6. Fixieren des Materials in PBS-gepuffertem Formalin (enthält 4% Formaldehyd), wobei wichtig ist, die im PathVysion Kit enthaltene Lösung auf pH 7,0 zu kalibrieren. Nun werden die Schnitte wiederum 5 Minuten im ersten, dann 5 Minuten im zweiten Waschpuffer inkubiert, anschließend im 50 °C warmen Ofen luftgetrocknet. 7. Inkubation in Denaturierungslösung (5 min) in einer Küvette im Wasserbad bei 72 °C, wobei eine Küvette (entsprechend 70 ml Füllung) nicht mehr als 6 Schnitte beinhalten darf. Die Denaturierungslösung des PathVysion Kit enthält zu 70% Formamid, der pH-Wert hat zwischen 7,0 und 8,0 zu liegen. Nach diesem Vorgang werden die Schnitte bei Raumtemperatur gewaschen in: Ethanol, 70 %, 1 Minute Ethanol, 85 %, 1 Minute Ethanol, 100 %, 1 Minute; anschließendes Lufttrocknen in einem 50 °C warmen Ofen. 18 8. Hybridisieren: Aufbringen von jeweils 10 µl Hybridisierungslösung (im PathVysion Kit enthalten) auf ein 22 x 22 mm großes Areal der Schnitte. Die Hybridisierugslösung stellt eine Mixtur aus 2 Sonden dar: eine mit „Spectrum Orange“ Fluorochrommarkierte DNA-Sonde, die an die HER2/neu-Genregion (17q11.2-q12) bindet, und eine mit „Spectrum Green“ Flurochrom-markierte DNA-Sonde, die an die AlphaSatelliten-Region des Chromosoms 17 bindet. Anschließend luftblasenfreise Eindecken mit Fixogum und Lagern über Nacht (für 14 bis 18 Stunden) bei 37°C in einer feuchten Dunkelkammer. Die Arbeitsschritte des 2. Färbetages lauteten: 1. Objektträger bei 72 °C in Posthybridisierungspuffer (aus PathVysion Kit) für 30 Minuten inkubieren. Dies geschieht nach vorsichtigem Ablösen der Deckgläschen im Wasserbad. 2. Gegenfärben der Kerne mit 4,6-Diamidino-2-Phenylindol (DAPI): Pro Schnitt werden 10 µl DAPI-Lösung (im PathVysion Kit enthalten) aufgetragen, wobei Handschuhe getragen werden sollten, da DAPI toxisch ist. Die Schnitte werden nun mit einem 22 x 22 mm messenden Deckgläschen eingedeckt, mit Fixogum abgedichtet und danach bis zur Auswertung im Kühlschrank bei 8 oC dunkel gelagert. Bei allen Färbevorgängen wurden Positivkontrollen (Paraffinschnitte von Mammakarzinomen mit bekannter HER2/neu-Genamplifikation oder vom Hersteller mitgelieferte ProbeCheck®Kontrollschnitte) mitgeführt. Die Signalauswertung erfolgte ohne Kenntnis der Ergebnisse der immunohistochemischen Färbeergebnisse an einem Fluoreszenzmikroskop AXIOPLAN der Firma Zeiss (Göttingen), das mit einem geeigneten Rot- und Grün-Multi-Bandpass-Filterset ausgestattet war. Bei jedem Präparat wurden 60 Tumorzellkerne bei 1000-facher Vergrößerung (in Ölimmersion) evaluiert, indem in jedem Zellkern die Anzahl roter und grüner Signale gezählt wurde. Dabei entsprach jeweils ein rotes Signal einem HER2/neu-Genlokus, ein grünes Signal dagegen markierte jeweils die Zentromerregion des zugehörigen Chromosoms 17. Eine HER2/neu19 Genamplifikation lag definitionsgemäß dann vor, wenn der durchschnittliche Quotient von roten zu grünen Signalen (bezogen auf alle 60 ausgewerteten Zellen) größer als 2,0 war. Auf diese Weise wurden alle Fälle entweder als positiv oder als negativ hinsichtlich einer HER2/neu-Genamplifikation klassifiziert. Ein Beispiel für ein Harnblasenkarzinom mit positiver HER2/neu-Genamplifikation ist in der nachstehenden Abb. 2 illustriert. Abb. 2: Harnblasenkarzinomzellkern mit per FISH-Technik nachweisbarer HER2/neuGenamplifikation. Die HER2/neu-Genkopien sind durch rote, die Zentromerregionen des Chromosoms 17 durch grüne Signale dargestellt. Die zahlreichen, teilweise in Clustern gelegenen roten Signale deuten eine HER2/neu-Genamplifikation an (Originalvergößerung: 2000x). 2.4. Statistische Auswertung Alle statistischen Berechnungen erfolgten mit Hilfe des SPSS®-Statistikprogramms (SPSS, München). Das Signifikanzniveau (p) betrug jeweils <0,05. Die Zusammenhänge zwischen den immunhistochemischen Ergebnissen und anderen klinisch-pathologischen Parametern wurden in Kreuztabellen unter Verwendung des Pearson-χ2-Tests auf statistische Signifikanz geprüft. Nach Anfertigung von Kaplan-Meier-Überlebenskurven wurden Gruppenvergleiche unter Verwendung des log-rank Testes vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurden ferner univariate und multivariate Cox-Regresssionsanalysen durchgeführt, wobei für jeden Paremeter das Relative Risiko (RR) und das 95%-Konfizenzintervall (95% CI) berechnet 20 wurde. In die Multivariat-Analyse wurden nur diejenigen Parameter eingeschleust, die in der Univariat-Analyse einen p-Wert von <0,10 erzielt hatten. 3. Ergebnisse 3.1. Immunhistochemische HER2/neu-Expression Eine Score von 3+, entsprechend einer starken Überexpression des HER2/neu-Proteins, konnte in 76 der 203 Fälle nachgewiesen werden. Dies entsprach einem Anteil von 37%. Der Score 2+ wurde in 37 Fällen (18%), der Score 1+ in 46 Fällen (23%) und der Score 0 in 44 Fällen (22%) festgestellt. Ein Vergleich des immunhistochemischen HER2/neu-Status mit verschiedenen klinischpathologischen Parametern (Tabelle 3) zeigte, dass eine HER2/neu-Überexpression signifikant häufiger in der Gruppe der „high grade“ Karzinome (76/190 Fälle, = 40%) als in der Gruppe der „low grade“ Karzinome (0/13 Fälle, = 0%) vorzufinden ist (p = 0,004). Ebenfalls bestand ein signifikanter Zusammenhang mit dem Wachstumstyp: Eine HER2/neuÜberexpression konnte bei einem Großteil der Tumoren vom infiltrativen Wachstumstyp (81/103, = 79%) beobachtet werden, hingegen bei einem deutlich geringeren Teil (46/100, = 46%) der Tumoren vom nicht-infiltrativen (nodulären oder trabäkulären) Wachstumstyp (p = 0,0001). Eine entsprechende Analyse des Patientenalters, des Geschlechts, des Tumorstadiums und des Lymphknotenstatus zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied. Lediglich eine Tendenz bezüglich des Lymphknotenstatus war feststellbar: Fälle mit positivem Lymphknotenbefall zeigen eine häufigere HER2/neu-Überexpression (16/31 Fälle, = 52 %) als Fälle mit negativem Lymphknotenbefall (60/172 Fälle, =35%; p = 0,077). In der nachstehenden Tabelle werden die Ergebnisse des Vergleichs von immunhistochemischem HER2/neu-Status und verschiedenen klinisch-pathologischen Parametern wiedergegeben. 21 Tabelle 3: Vergleich zwischen immunhistochemischem HER2/neu-Status und klinischpathologischen Parametern HER2/neuMerkmal Gesamtheit (N = 203) Anzahl Überexpression (N = 76) Anzahl keine HER2/neu- Statistischer Ver- Überexpression gleich (Überexpres- (N = 127) (%) Anzahl sion versus keine (%) Überexpression) Alter (Jahre) Median 64 63 65 nicht signifikant Streuung 29-87 29-87 38-79 p = 0,531 Geschlecht männlich 127 31 (24,4) 96 (75,9) nicht signifikant weiblich 76 15 (19,7) 61 (80,3) p = 0,443 low grade 13 0 (0) 13 (100) signifikant high grade 190 76 (40,0) 114 (60,0) p = 0,004 109 40 (36,7) 69 (63,3) nicht signifikant 94 36 (38,3) 58 (61,7) p = 0,815 172 60 (34,9) 112 (65,1) nicht signifikant 31 16 (51,6) 15 (48,8) p = 0,077 103 54 (54,0) 46 (46,0) signifikant nichtinfiltrativ 100 22 (21,4) 81 (78,6) p = 0,0001 Grading Tumorstadium pT2 pT3/pT4 Lymphknotenstatus pN0 pN1/pN2 Wachstumstyp infiltrativ (nodulär/trabäkulär) 22 3.2. FISH-Ergebnisse Die FISH-Untersuchung wurde nur exemplarisch an 42 repräsentativen Tumoren durchgeführt. Dabei entsprachen 7 der Schnitte dem Score 0, 9 Schnitte einem Score 1+, 10 einem Score 2+ und 16 einem Score von 3+ in der immunhistochemischen Färbung. Eine HER2/neu-Genamplifikation konnte nur bei zwei Harnblasenkarzinomen (= 5 %) nachgewiesen werden. Beide Tumoren entstammten der Gruppe der immunhistochemisch mit einer Score 3+ eingestuften Tumoren. Eine detaillierte Auflistung der Ergebnisse findet sich in der nachstehenden Tabelle 4. Tabelle 4: Häufigkeit einer HER2/neu-Genamplifikation (mittels FISH-Technik evaluiert) bei 42 muskelinvasiven Urothelkarzinomen der Harnblase Keine HER2/neu- Score 0 Score 1+ Score 2+ Score 3+ (N = 7) (N = 9) (N = 10) (N = 16) 7 9 10 14 (100%) (100%) (100%) (87,5%) 0 0 0 2 (0%) (12,5%) Genamplifikation (%) HER2/neuGenamplifikation (%) (0%) (0%) 3.3. Analyse der Überlebensraten In 147 der insgesamt 203 Fälle (72 %) ließen sich Daten zum krankheitsbezogenen Überleben der Patienten ermitteln. Im Durchschnitt betrug die Dauer der Verlaufskontrolle 50 Monate (Median 41 Monate, Spannweite: 6 - 134 Monate). Im Verlauf starben nach einem Zeitraum von durchschnittlich 21 Monaten (Median 14 Monate, Spannweite: 5 - 67 Monate) 35 23 Patienten (24 %) mit oder an ihrem Tumorleiden. 72 Patienten (49 %) starben entweder an Ursachen, die nicht in Verbindung mit dem Harnblasenkrebs standen oder waren zum Endpunkt der Studie noch am Leben. 40 Patienten (27 %) waren nach einer Zeitspanne von durchschnittlich 37 Monaten (Median 30 Monate; Spannweite: 6 - 111 Monate) dem Followup aus unbekannten Gründen nicht mehr zugänglich. Diese Fälle wurden als „zensierte“ Daten betrachtet und bei den Kaplan-Meier-Überlebenskurven mit kleinen vertikalen Strichen im Kurvenverlauf gekennzeichnet. Insgesamt ließ sich feststellen, dass das krankheitsbezogene Überleben bei HER2/neuüberexprimierenden Tumoren im Vergleich zu Tumoren ohne Überexpression signifikant schlechter war (p = 0,0346; Abb. 3). Eine univariate Cox-Regressionsanalyse bestätigt diese Beobachtung (p = 0,039; Tabelle 5). Erwartungsgemäß sind auch das Tumorstadium (log-rank Test: p = 0,0038; univariate CoxAnalyse: p = 0,006; Abb. 4) und der Lymphknotenstatus (log-rank Test: p = 0,00001; univariate Cox-Analyse: p = 0,0001; Abb. 5) für das krankheitsbezogene Überleben Prädiktoren von hoher statistischer Signifikanz. Auch das Geschlecht hat bei univariabler Analyse einen statistisch signifikanten Einfluss (log-rank Test: p = 0,0379; univariate CoxAnalyse: p = 0,043; Abb. 6) insofern, als Frauen einen schlechteren klinischen Verlauf als Männer aufweisen. Weiterhin ist der Wachstumstyp des Karzinoms von Belang bezüglich des krankheitsbezogenen Überlebens, denn Tumoren von einem infiltrativen Wachstumstyp zeigten einen signifikant schlechteren Verlauf als nicht-infiltrativ wachsende Tumoren (logrank Test: p = 0,404; univariate Cox-Analyse: p = 0,046; Abb. 7). Bei Durchführung einer multivariaten Cox-Regressionsanalyse erwiesen sich der Lymphknotenstatus (p = 0,0001), das Tumorstadium (p = 0,028) und der immunhistochemische HER2/neu-Status (p = 0,030) als Faktoren mit unabhängiger prognostischer Bedeutung (Tabelle 5). 24 Tabelle 5: Univariate und multivariate Cox-Regressionsanalyse zum krankheitsbezogenen Überleben von 147 Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom Univariate Analyse Multivariate Analyse Parameter RR 0.95 KI p RR 0.95 KI p Alter 1,28 0,66-2,50 0,464 1,34 0,71-2,77 0,334 2,09 1,02-4,26 0,043 1,55 0,74-3,27 0,247 1,59 0,22-11,65 0,646 0,73 0,09-5,85 0,768 1,44 1,01-2,06 0,046 1,15 0,76-1,72 0,510 2,68 1,33-5,39 0,006 2,21 1,09-4,48 0,028 2,39 1,69-3,38 0,0001 2,35 1,65-3,36 0,0001 2,02 1,04-3,95 0,039 2,12 1,08-4,48 0,030 ( ≤ 64 vs. > 64 Jahre) Geschlecht (männlich vs. weiblich) Grade (low grade vs. high grade) Wachstumstyp (infiltrativ vs. nicht-infiltrativ) pT Status (pT2 vs. pT3/4) pN Status (pN0 vs. pN1/2) HER2/neu-Status (Überexprimierend vs. nicht-überexprimierend) In den nachstehenden Abbildungen 3 bis 7 sind die Kaplan-Meier-Überlebenskurven für diejenigen Parameter, die in der univariaten Cox-Analyse einen signifikanten p-Wert erzielt hatten, wiedergegeben. 25 krankheitsbezogenes Überleben (%) 100 Stadium pT2 (n=83) 80 Stadium pT3/4 (n=64) 60 40 p = 0,0038 (log-rank Test) 20 20 40 60 80 100 120 Zeitspanne Zystektomie / tumorbedingtes Ableben (Monate) krankheitsbezogenes Überleben (%) 100 keine HER2/neu Überexpression (n=86) 80 HER2/neu Überexpression (n=61) 60 40 p = 0,0346 (log-rank Test) 20 20 40 60 80 100 120 Zeitspanne Zystektomie / tumorbedingtes Ableben (Monate) Abb. 3 (oben) und Abb. 4 (unten): Kaplan-Meier-Überlebenskurven zum krankheitsbezogenen Überleben von Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom, aufgeschlüsselt nach dem immunhistochemischen HER2/neu-Status (Abb. 3) und dem Tumorstadium (Abb. 4) 26 krankheitsbezogenes Überleben (%) 100 ohne LymphknotenMetastasen (n=124) 80 p = 0,00001 (log-rank Test) 60 mit LymphknotenMetastasen (n=23) 40 20 20 40 60 80 100 120 Zeitspanne Zystektomie / tumorbedingtes Ableben (Monate) krankheitsbezogenes Überleben (%) 100 Männer (n=118) 80 60 Frauen (n=29) 40 p = 0,0379 (log-rank Test) 20 20 40 60 80 100 120 Zeitspanne Zystektomie / tumorbedingtes Ableben (Monate) Abb. 5 (oben) und Abb. 6 (unten): Kaplan-Meier-Überlebenskurven zum krankheitsbezogenen Überleben von Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom, aufgeschlüsselt nach dem Lymphknotenstatus (Abb. 5) und dem Geschlecht (Abb. 6) 27 krankheitsbezogenes Überleben (%) 100 80 nicht-infiltrativer Typ (n=67) 60 infiltrativer Typ (n=80) 40 p = 0,0404 (log-rank Test) 20 20 40 60 80 100 120 Zeitspanne Zystektomie / tumorbedingtes Ableben (Monate) Abb. 7: Kaplan-Meier-Überlebenskurve zum krankheitsbezogenen Überleben von Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom, aufgeschlüsselt nach dem histologischen Wachstumsmuster 3.4. Beantwortung der unter 1.7. genannten Fragen Die unter 1.7. gestellten Fragen lassen sich wie folgt beantworten: A. Der Anteil muskelinvasiver Harnblasenkarzinome, bei denen eine mit dem HercepTest® ermittelte HER2/neu-Proteinüberexpression (entsprechend dem immunhistologischen Score 3+) vorliegt, beträgt 37 %. Dies ist ein relativ hoher Anteil, der in der gleichen Größenordnung liegt wie beispielsweise beim Mammakarzinom. B. Der Anteil muskelinvasiver Harnblasenkarzinome, bei denen eine mit dem PathVysion®Test ermittelte HER2/neu-Genamplifikation vorliegt, beträgt 5 % innerhalb des Gesamtkollektivs. Dieser Prozentsatz liegt deutlich niedriger als vergleichsweise beim Mammakarzinom. 28 C. Zwischen der HER2/neu-Proteinüberexpression und der -Genamplifikation besteht insofern ein Zusammenhang, als die wenigen Tumoren, die eine HER2/neu-Genamplifikation aufweisen (in der vorliegenden Studie: N = 2), gleichzeitig auch eine HER2/neu-Proteinüberexpression zeigen. Umgekehrt besteht allerdings nur bei 12 % der Tumoren mit HER2/neuProteinüberexpression auch eine Amplifikation des entsprechenden Gens. Dies bedeutet, dass bei HER2/neu-überexprimierenden Tumoren die HER2/neu-Überexpression in einem großen Teil der Fälle nicht auf eine HER2/neu-Genamplifikation zurückzuführen ist. D. Die HER2/neu-Proteinüberexpression eines Harnblasenkarzinoms ist mit einem signifikant schlechteren krankheitsbezogenen Überleben des betroffenen Patienten assoziiert. Insofern stellt die immunhistochemische Evaluation des HER2/neu-Status eine potenziell geeignete Methode dar, um nähere Informationen über den biologischen Verlauf eines muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms zu gewinnen. Die exakte Rolle des HER2/neu-Status als Prognosefaktor ist allerdings noch in weiteren prospektiven Studien näher zu validieren. In der vorliegenden Studie ließ sich eine Korrelation zwischen HER2/neu-Genamplifikation und klinischem Verlauf nicht bestimmen, da die Amplifikation nur bei insgesamt zwei Tumoren nachweisbar war und diese kleine Fallzahl eine statistische Analyse nicht erlaubte. Aufgrund des geringen Anteils an Harnblasentumoren mit HER2/neu-Genamplifikation scheint dieser Parameter als prognostischer Faktor nicht geeignet zu sein. 29 4. Diskussion 4.1. Immunhistochemischer HER2/neu-Status Seit Mitte der 1990er Jahre ist bekannt, dass die Expression von HER2/neu beim Mammakarzinom ein unabhängiges prognostisches Kriterium darstellt (Slamon et al., 1989; Fisher et al., 1990; Lonn et al., 1995). Dies konnte inzwischen auch für andere maligne Tumoren wie beispielsweise Karzinome der Zervix uteri (Niibe et al., 2003), des Corpus uteri (Rolitsky et al., 1999), des Ovars (Slamon et al., 1989), der Prostata (Ross et al., 1997; Fossa et al., 2002), der Lunge (Micke et al., 2001; Cox et al., 2001), der Speicheldrüsen (Muller et al., 1994; Press et al., 1994), des Magens (Yonemura et al., 1998) oder des Kolons (Osako et al., 1998) gezeigt werden. Auch am Harnblasenkarzinom wurde in zahlreichen Studien der immunhistochemische HER2/neu-Status untersucht. Die dabei publizierten Ergebnisse sind recht uneinheitlich: So schwankt der Anteil der als HER2/neu-überexprimierend beschriebenen Harnblasentumoren zwischen 2 % (McCann et al., 1990) und 74 % (Zhau et al., 1990). Diese großen Schwankungen sind in erster Linie durch Unterschiede im Studiendesign, in der immunhistochemischen Färbetechnik und in der Auswertungsmethodik zu erklären. Bezüglich der prognostischen Bedeutung des HER2/neu-Status wird in einzelnen Studien ein Zusammenhang zwischen einer HER2/neu-Überexpression und einer schlechteren Prognose berichtet (Korkolopoulou et al., 1997; Miyamoto et al., 2000; Chow et al., 2001; Krüger et al., 2004). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die HER2/neu-Überexpression beim Harnblasenkrebs mit einem höheren Grading und Staging korreliert (Lipponen et al., 1991; Ohta et al., 2001). Die Ergebnisse der genannten Studien werden allerdings durch die Tatsache beeinträchtigt, dass in ihnen meist keine standardisierten immunhistochemischen Färbetests wie z.B. der HercepTest® verwendet wurden. Mit Hilfe eines derartigen Tests sind die immunhistochemischen Färbeergebnisse unabhängig vom medizinisch-technischen Labor deutlich besser reproduzierbar. 30 Die vorliegenden, mit dem HercepTest® gewonnenen Ergebnisse deuten an, dass der immunhistochemische HER2/neu-Status beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom einen unabhängigen prognostischen Parameter darstellt. Vor diesem Hintergrund erscheint es in Zukunft sinnvoll, muskelinvasive Harnblasenkarzinome generell hinsichtlich ihres HER2/neu-Status mittels eines standardisierten Verfahrens zu untersuchen, um dem behandelnden Kliniker zusätzliche Informationen zum biologischen Verhalten des Tumors aufzuzeigen. 4.2. HER2/neu-Genamplifikation Die häufigsten Mechanismen, die einer Überexpression eines Onkogens auf molekularer Ebene zugrunde liegen, sind Genamplifikation, Punktmutation, Translokation oder transkriptionelle Hochregulation. Beim Mammakarzinom liegt der Grund für eine Überexpression des HER2/neu-Proteins fast immer in einer Amplifikation des HER2/neu-Gens (Slamon et al., 1989). Beim Harnblasenkarzinom ist allerdings in verschiedenen Studien berichtet worden, dass eine HER2/neu-Genamplifikation im Vergleich zur HER2/neu-Überexpression eher selten ist. So fanden Mellon und Mitarbeiter (1996) mittels Southern Blot-Technik eine HER2/neu-Genamplifikation nur in 4 % der Tumoren. Sowohl Miyamoto et al. (2000) als auch Underwood et al. (1996) beobachteten mittels semiquantitativer Polymerase-KettenReaktion (PCR) eine HER2/neu-Genamplifikation in 32 % bzw. in 9 % der untersuchten Tumoren. Der letztgenannte Wert liegt in derselben Größenordnung wie die von Sauter et al. (1993) und Latif et al. (2003) genannten, mittels FISH-Technik ermittelten Werte (13 % bzw. 7 %). Auch der in der vorliegenden Arbeit gefundene Anteil von 5 % passt in diesen Größenbereich. Angesichts eines derartig niedrigen Anteils von Harnblasenkarzinomen, die eine HER2/neu-Genamplifikation aufweisen, erscheint der durch FISH-Technik ermittelte HER2/neu-Genstatus bei dieser Tumorart als prognostischer Faktor ungeeignet. Darüber hinaus ist auch zu erwähnen, dass die FISH-Analyse der HER2/neu-Genkopienzahl im Vergleich zur immunhistochemischen Analyse der HER2/neu-Proteinexpression um ein Mehrfaches teurer ist und somit alleine aus Kostengründen in der Routinediagnostik nur in sehr eingeschränktem Umfang einsetzbar ist. 31 In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass nur bei einem kleinem Anteil der Harnblasentumoren, die eine HER2/neu-Überexpression aufweisen, der Grund für die Überexpression in einer HER2/neu-Genamplifikation zu suchen ist. Als Ursache für die Überexpression des HER2/neu-Proteins werden andere Mechanismen, die sich sowohl auf der Transkriptionsebene als auch auf der Posttranskriptionsebene abspielen, verantwortlich gemacht (Latif et al., 2003). Der in der vorliegenden Studie ermittelte Befund eines fehlenden Zusammenhanges zwischen HER2/neu-Überexpression und HER2/neu-Genamplifikation deckt sich mit den Ergebnissen anderer Autoren (Zhau et al., 1990; Sauter et al., 1993; Underwood et al., 1995; Latif et al., 2003) und steht im Widerspruch zu der beim Mammakarzinom vorgefundenen Situation, die durch eine sehr enge Korrelation zwischen HER2/neu-Überexpression und HER2/neuGenamplifikation gekennzeichnet ist (Slamon et al., 1989). Somit scheinen beim Harnblasenkarzinom offenbar andere Mechanismen eine Rolle bei der Tumorprogression zu spielen als beim Mammakarzinom. 4.3. Therapeutische Möglichkeiten Seit einigen Jahren ist beim Mammakarzinom bekannt, dass im fortgeschrittenen (metastasierten) Status die Kombinationsbehandlung von Trastuzumab (Herceptin®) und einem Chemotherapeutikum den betroffenen Patientinnen einen Überlebensvorteil verschafft (Slamon et al., 2001; Ranson und Sliwkowski, 2002). Die Therapie mit Herceptin® ist an verschiedene Voraussetzungen gebunden. In den aktuellen Behandlungsrichtlinien (Piccart et al., 2001) wird eine solche Behandlung nur dann empfohlen, wenn immunhistochemisch ein HER2/neu-Score von 3+ oder mittels FISH-Technik bei Fällen mit einem immunhistochemischen Score 2+ eine HER2/neu-Genamplifikation nachgewiesen werden kann. Wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt wurde, bestehen hinsichtlich der Frequenz der HER2/neuGenamplifikation zwischen Mamma- und Harnblasenkarzinom erhebliche Unterschiede. Daher erscheint es zweifelhaft, ob die für das Mammakarzinom geltenden Herceptin®Behandlungsrichtlinien ohne weiteres auch auf das Harnblasenkarzinom übertragbar sind. In dieser Hinsicht ist noch einige Forschungsarbeit zu leisten. Nichtsdestoweniger wird der therapeutische Einsatz von Herceptin® bereits bei Patienten mit metastasiertem Harnblasenkarzinom bereits klinisch untersucht (Small et al., 2003). 32 5. Zusammenfassung In der vorliegenden Studie wurde der Frage nachgegangen, in welchem quantitativen Ausmaß bei muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen eine HER2/neu-Überexpression und eine HER2/neu-Genamplifikation vorkommt. Darüber hinaus sollte der Zusammenhang zwischen HER2/neu-Überexpression und HER2/neu-Genamplifikation untersucht werden. Weiterhin sollte überprüft werden, ob die HER2/neu-Überexpression bzw. -Genamplifikation einen Einfluss auf die Prognose der betroffenen Patienten besitzt. Die immunhistochemische Analyse wurde mittels eines standardisierten Färbetests (HercepTest®) an einem großen Kollektiv von insgesamt 203 muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen durchgeführt, welche jeweils durch radikale Zystektomie behandelt worden waren. In 147 Fällen standen Angaben zum klinischem Verlauf der Patienten zur Verfügung (mittleres Follow-up: 50 Monate). Die FISH-Analyse wurde an einem kleineren, repräsentativen Kollektiv von 42 Tumoren ebenfalls mittels eines standardisierten Tests (PathVysion®-Test) vorgenommen. Es zeigte sich, dass ein beträchtlicher Anteil von 37 % der Tumoren eine Überexpression des HER2/neu-Proteins aufwies. Dagegen konnte eine HER2/neu-Genamplifikation nur bei 2 der 42 untersuchten Tumoren (= 5 %) gefunden werden. Beide Tumoren mit HER2/neu-Genamplifikation waren auch mit einer Überexpression des HER2/neu-Proteins assoziiert. Umgekehrt zeigte unter den HER2/neu-überexprimierenden Tumoren nur ein Anteil von 12 % eine HER2/neu-Genamplifikation, sodass schlussgefolgert werden konnte, dass in der Mehrzahl der Tumoren andere molekulare Mechanismen als die Genamplifikation für die HER2/neuProteinüberexpression verantwortlich sein mussten. Aufgrund der kleinen Fallzahl der Tumoren mit HER2/neu-Genamplifikation war eine statistische Analyse der Korrelation dieses Parameters mit dem klinischen Verlauf nicht möglich. Bei Tumoren, die immunhistochemisch eine HER2/neu-Überexpression aufwiesen, war eine signifikante Korrelation mit einem höheren Grading, einem „infiltrativen“ histologischen Wachstumsmuster sowie einem schlechteren krankheitsbezogenen Überleben zu beobachten. In der univariaten Cox-Regressionsanalyse erwiesen sich außer dem immunhistochemischen HER2/neu-Status auch das Geschlecht, der histologische Wachstumstyp, der Lymphknotenstatus und das Tumorstadium als Faktoren mit signifikanter prognostischer Relevanz. 33 In der multivariaten Cox-Analyse konnten dagegen lediglich der Lymphknotenstatus und das Tumorstadium sowie der immunhistochemische HER2/neu-Status als Faktoren mit unabhängiger prognostischer Aussagekraft identifiziert werden. Die beiden erstgenannten Parameter sind schon lange als prognostische Faktoren des Harnblasenkarzinoms bekannt. Dagegen wurde eine unabhängige prognostische Relevanz des immunhistochemischen HER2/neuStatus in der Literatur bislang noch nicht beschrieben. Sollte sich dieser Befund auch in prospektiven Validierungsstudien bestätigen, so könnte sich der HER2/neu-Status als Prognosefaktor beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom etablieren. Darüber hinaus besitzt die immunhistochemische Evaluation des HER2/neu-Status auch einen therapeutischen Aspekt. In Analogie zum Mammakarzinom, wo Patientinnen im metastasierten Status bereits seit einigen Jahren erfolgreich mit dem gegen den HER2/neu-Rezeptor gerichteten Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) behandelt werden, könnte diese Therapie auch bei Harnblasenkarzinompatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium einen lebensverlängernden Effekt haben. Angesichts der hier beschriebenen Tatsache, dass beim muskelinvasiven Harnblasenkrebs ein relativ hoher Anteil von 37 % eine HER2/neu-Überexpression aufweist, erscheint diese Krebsart für eine Herceptin®-Behandlung besonders geeignet. Weltweit sind bereits mehrere Studien, in denen die Effektivität dieser neuen Therapieform bei Harnblasentumoren getestet wird, angelaufen. 34 6. Literaturverzeichnis Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland (2002) Krebs in Deutschland - Häufigkeits und Trends. 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Feller, Direktor des Instituts für Pathologie für die Bereitschaft, die Experimente in seinem Labor durchführen zu lassen, sowie für die Bereitstellung der zum Teil recht kostenintensiven Materialien. Ich danke ebenfalls den MTAs im Ecklabor des Instituts für Pathologie, insbesondere Ilona Schliephake, Katharina Vogel und Christoph Kroll, für die Hilfestellung bei der Einarbeitung in immunhistologischen Färbetechniken. Prof. Dr. med. Andreas Böhle danke ich für die Bereitstellung von Daten über den klinischen Verlauf aus den Krankenakten der Klinik für Urologie. Mein besonderer Dank gilt PD Dr. med. Stefan Krüger, für die Überlassung des Themas, die Koordinierung der Arbeit, die Veröffentlichungen und seine Ratschläge und Hilfestellungen, wann immer ich sie brauchte. 44 8. Lebenslauf Personalia Name: Karl Georg Weitsch Geboren: 7.5.1978 in Halle an der Saale Staatsangehörigkeit: deutsch Anschrift: Luisenstraße 14, 06618 Naumburg Familie: Vater Facharzt für Allgemeinmedizin; Mutter diakonische Heilpädagogin, als Arzthelferin tätig 1 Schwester Schulbildung 01.09.1984 Juri-Gagarin-OS in Naumburg 01.09.1991 Dom-Gymnasium, Naumburg 01.09.1996 Abitur Medizinische Ausbildung seit 01.08.1996 bis Zivildienst abgeleistet am Malteser-Krankenhaus in Bonn 31.08.1997 als Pflegekraft in der Hand- und plastischen Chirurgie 15.10.1997 Studium der Medizin an der Universität zu Lübeck 05.2001 50 Stunden Kurs Traditionelle Chinesische Medizin am Johanniter-Krankenhaus Bramsche 03.09.2001 bis Studium der Medizin an der Rijksuniversiteit Groningen 28.03.2002 als Teilnehmer des Erasmus-Programms der EU und Famulaturen in Groningen 03.2003 II. Staatsexamen abgelegt 05.2003 bis am Sint-Elisabeth-Hospital in Willemstad, Curaçao, 08.2003 N.A. einen Abschnitt des praktischen Jahres abgeleistet 05.10.2004 III. Staatsexamen abgelegt 07.11.2004 als Arzt approbiert 45 9. Publikationen Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden im Jahre 2002 in den beiden nachstehenden Publikationen veröffentlicht: Krüger S, Weitsch G, Büttner H, Matthiensen A, Böhmer T, Marquardt T, Sayk F, Feller AC, Böhle A (2002) HER2 overexpression in muscle-invasive urothelial carcinoma of the bladder: prognostic implications. Int J Cancer 102: 514-518. Krüger S, Weitsch G, Büttner H, Matthiensen A, Böhmer T, Marquardt T, Sayk F, Feller AC, Böhle A (2002) Overexpression of c-erbB-2 oncoprotein in muscle-invasive bladder carcinoma: relationship with gene amplification, clinicopathological parameters and prognostic outcome. Int J Oncol 21: 981-987. 46