Das Rätsel der Anden-Orogenese: Ist der Erdmantel für

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Aus: System Erde. GFZ-Journal (2016) 6, 2
Deutsches
GeoForschungsZentrum GFZ
„Südamerika – Ein dynamischer Kontinent“
Alle Artikel verfügbar im Internet: http://systemerde.gfz-potsdam.de
Das Rätsel der Anden-Orogenese: ­
Ist der Erdmantel für den Start
der Gebirgsbildung verantwortlich?
Onno Oncken
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Potsdam
To this date, the question of why and how a plateau-type orogen formed with massive crustal thickening at the leading edge of
western South America remains one of the hotly debated issues in geodynamics. During the Cenozoic, the Altiplano and Puna plateau of the Central Andes developed during continuous subduction of the oceanic Nazca plate in a convergent continental margin
setting – a situation that is unique along the 60 000 km of convergent margins around the globe. The key challenge is to understand why a first-order mechanical instability of the later plateau extent developed along the central portion of the leading edge
of South America only, as well as why and how this feature developed only during the Cenozoic, although the cycle of Andean
subduction had been ongoing since at least the Jurassic. Although the widespread presence of partial melts or metamorphic
fluids at mid-crustal level has been suggested to indicate upper plate weakening from heating and partial melting, it is recently
found that upper plate strain weakening at lithospheric scale plays a significantly larger role. This first order control is tuned by
factors affecting the strength balance between the upper plate lithosphere and the plate interface of the Nazca and South American plates such as variations in trenchward sediment flux affecting plate interface coupling and slab rollback or the role of inherited structures. Late initiation of orogeny in the Eocene, however, and its sustained action over tens of million years is now found
to be related to the penetration of the slab into the lower mantle around 50 Ma ago, producing a slowdown of the lateral slab
migration (‚slab anchoring’), and dragging the upper plate against the subduction zone by large-scale return flow. The combination of these parameters was highly uncommon during the Phanerozoic leading to very few plateau style orogens at convergent
margins like the Cenozoic Central Andes in South America or the Laramide North American Cordillera.
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Das Rätsel der Anden-Orogenese: ­Ist der Erdmantel für den Start der Gebirgsbildung verantwortlich?
Seit seiner Gründung war das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ in der Erforschung der Anden engagiert, zunächst
über den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG getragenen Sonderforschungsbereich „Deformationsprozesse in
den Anden“ gemeinsam mit der Freien Universität Berlin, der
Technischen Universität Berlin und der Universität Potsdam,
später, bis in die Gegenwart, über eine Vielzahl von z. T. noch
laufenden Verbundprojekten. Der Grund liegt auf der Hand: Für
die Erforschung von Subduktionsprozessen und ihren Folgen
bezüglich der Deformation ist der südamerikanische Plattenrand mit den Anden geradezu prädestiniert. Wie in einem natürlichen Labor ist der Plattenrand hier zugänglich. Mit 7500 km
Länge beherbergt er mit den Anden das längste durch aktive
Subduktionsvorgänge gebildete Gebirge. Als einzige subduktionsgesteuerte Kordillere quert es eine Vielzahl von Zonen, an
denen sowohl klimagesteuerte Randbedingungen als auch die
Geometrie der Subduktionszone und die Subduktionsgeschwindigkeit systematisch über einen großen Bereich variieren. Trotz einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte zeichnen sich die verschiedenen Segmente der andinen Gebirgs­
kette durch extreme Gegensätze in Bezug auf ihre Breite, Höhe
und Klimabedingungen aus. Dies wird besonders bei einer
Gegenüberstellung der ausladenden zentralen Anden – etwa 4
bis 6 km hoch und 800 km breit – und der sehr schmalen Patagonischen Anden – etwa 1 bis 3 km hoch und 300 km breit –
deutlich (Abb. 1). Damit sind die Anden als Hochgebirge an einer Subduktionszone weltweit einzigartig – sie sind ein Paradoxon der Plattentektonik.
Obwohl die Subduktion mindestens seit dem Paläozoikum andauert und obwohl die Nazca-Platte seit längerem mit hohen
Geschwindigkeiten unter Südamerika – heute mit 65 bis
70 mm pro Jahr – subduziert wird, ist das Andengebirge in
seiner heutigen Form erst in den letzten rund 50 Mio. Jahren
Links: Das Foto entstand während einer Expedition des GFZ zu GPSMessungen im Rahmen des SAGA-Projekts. Die Messungen dienen
zur Beobachtung der Deformationen seit dem Antofagasta-Erd­
beben 1995 (Mw 8,0). Die GPS-Station liegt rund 60 km südöstlich
von Antofagasta in der Atacamawüste, 887 m über NN, etwa 5 km
von der nächsten Straße entfernt. (Foto: F. Alberg, GFZ)
Left: The picture was taken during a GFZ expedition for GPS
measure­ments of the SAGA project in Chile. They help to monitor
the deformations since the Antofagasta earthquake in 1995 ­
(Mw 8.0). The GPS-station is located ca. 60 km south-east of
­Antofagasta in the Atacama desert, 887 m above sea level, more
than 5 km from the next road.
Kontakt: O. Oncken
([email protected])
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Abb. 1: Die Topographie des südamerikanischen Plattenrands zeigt
deutlich den Tiefseegraben vor der Küste, an dem die Nazca-Platte in
den Erdmantel abtaucht und die hohen, ausladenden zentralen Anden
im Kontrast zu den schmalen und niedrigen Südanden. (Abb.: GFZ)
Fig. 1: The topography of the South American plate boundary clearly
shows the deep sea trench where the Nazca plate is subducted into
the mantle as well as the contrast between the wide Central Andes
and the narrow and much lower southern Andes.
entstanden (Oncken et al., 2006). In den zentralen Anden hat
sich östlich der Vulkankette seit dem Erdzeitalter des Eozäns
(vor rund 55 bis 38 Mio. Jahren) erst langsam und seit dem
Miozän (vor rund 23 bis 5 Mio. Jahren) deutlich beschleunigt
ein 3,8 bis 4,5 km hohes Hochplateau (Altiplano-Puna) herausgehoben, das nach dem Tibetplateau zweitgrößte Hochplateau
der Erde mit einer Krustendicke von über 70 km. Gesteuert
wurde diese Entwicklung durch eine Verkürzung der kontinentalen Erdkruste hinter dem Vulkanbogen um bis zu 300 km, ein
Bereich, der in den meisten anderen Subduktionszonen nicht
von stärkerer Deformation betroffen ist.
Im Süden, in den Patagonischen Anden, die selbst nur noch
eine mittlere Höhe von 1 bis 2 km erreichen, fehlt ein solches
Plateau. In den Zentralanden hat sich der Vulkanbogen in den
letzten 200 Mio. Jahren um rund 200 km nach Osten verlagert.
Er befindet sich heute auf dem Westrand des Hochplateaus. Im
Gegensatz hierzu ist der magmatische Bogen im Süden weitgehend ortsfest geblieben und befindet sich in der heutigen
Hauptkordillere. Insgesamt erfolgte aber auch hier die Entwicklung zu einer Kordillere erst seit dem Miozän, etwas später
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Abb. 2: Zusammengesetzte Sektion aus den seismischen Daten des ANCORP-Experiments (Oncken et al., 2003) mit
einem der ersten hochauflösenden Schnitte durch einen konvergenten Plattenrand und eine subduktionsbezogene
Kordillere in den zentralen Anden Nordchiles und Boliviens. Auffällig sind der Reflektor, der die abtauchende NazcaPlatte bis in rund 80 km Tiefe zeigt und die Gruppe von Reflexionsbündeln, die in der mittleren Kruste des Plateaus
(etwa 20 bis 35 km Tiefe) angeordnet sind. Das Blockbild fasst alle geophysikalischen Untersuchungsergebnisse ­
in interpretierter Form zusammen und unterstreicht damit die herausragende Rolle von Fluiden und Schmelzen im
Bereich des zentralandinen Plateaus. (Grafik: M. Dziggel, GFZ)
Fig. 2: Composite section of seismic data from the ANCORP experiment (Oncken et al., 2003) with one of the first
high-resolution sections across a complete convergent plate boundary and a subduction-related cordillera in the
Central Andes. Note the reflections that image the dipping Nazca plate to more than 80 km depth and the melt-­
related reflection bands in the middle crust beneath the plateau (20 to35 km depth). The 3D view summarizes all
­geophysical observations and their interpretation and underlines the dominant role of fluids and melts in the central
domain.
Abb. 4: 3D-Blockbilder des südameri­
kanischen Plattenrands von Nordchile
(oben) und Südchile (unten) zeigen
unterschiedliche Strukturen an der
Kontinentspitze mit Subduktionserosi­
on von der Plattenbasis im Norden und
der Bildung eines Akkretionskeils und
Unterplattung im Süden, gesteuert von
der Dicke der im Tiefseegraben liegen­
den Sedimente. (Grafik: M. Dziggel,
GFZ)
Fig. 4: 3D view of South American plate
boundary of Northern Chile (top) and
Southern Chile (bottom) shows con­
trasting deformation styles of the lead­
ing plate edge with subduction erosion
in the north and evolution of an accre­
tionary wedge in the South, which is
closely linked to the presence of thick
trench fill deposits.
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Das Rätsel der Anden-Orogenese: ­Ist der Erdmantel für den Start der Gebirgsbildung verantwortlich?
Abb. 3: Die atmosphärische Zirkulation über
Südamerika und die Verteilung der Nieder­
schläge (braun: niedrige Niederschlagsraten;
blau: hohe Niederschläge). Die Bilder zeigen
jeweils die stark kontrastierenden Verhältnis­
se an der Andenwestflanke mit dem Vulkan­
bogen und die Andenostflanke. Die Sediment­
dicke im Tiefseegraben im Pazifik vor der Kü­
ste (gezeigt in km Sedimentdicke) korreliert
direkt mit der Niederschlagsverteilung. (Fotos:
O. Oncken, GFZ; Grafik: M. Dziggel, GFZ)
Fig. 3: Atmospheric circulation across South
America and the distribution of precipitation
(blue: high rates, brown: low rates). The imag­
es illustrate the stark contrasts between the
west flank of the Andes and their eastern flank
as well as the dramatic change across lati­
tudes. The sediment thickness in the deep sea
trench clearly correlates with the precipita­
tion-controlled erosion.
als in den zentralen Anden. Die Andersartigkeit im Aufbau der
Anden in den verschiedenen geographischen Breiten, die unterschiedliche Reaktion der kontinentalen Erdkruste auf die
laufende Subduktion ozeanischer Kruste und die verschiedenen
damit zusammenhängenden Phänomene enthalten den Schlüssel für das Verständnis von konvergenten Plattenrändern.
Die klassische Erklärung für diese Beobachtungen ist die Annahme, dass die stark verdickte Kruste unter den zentralen
Anden nur von einer dünnen Mantellithosphäre unterlagert
und daher sehr heiß, somit mechanisch schwach und leicht
verformbar ist. Diese Vorstellungen lassen sich am besten mit
geophysikalischen Verfahren überprüfen (Abb. 2), die ein Abbild vom Aufbau des tieferen Untergrunds liefern (Oncken et
al., 2003, 2012; Schurr et al., 2006). Allerdings sind geophysikalische Beobachtungen dieser Art zunächst nichts anderes
als Schnappschüsse des gegenwärtigen Zustands, die keine
eindeutigen Rückschlüsse auf die Vergangenheit liefern. Die
Untersuchung der zeitlichen Entwicklung der Deformation der
Anden und die Kopplung dieser Information mit der zeitlichen
Entwicklung anderer Größen – wie der Plattengeschwindigkeit,
der Änderungen im Vulkanismus usw., zeigen etwa, dass die
thermische Entwicklung zwar relevant ist, aber nicht die Hauptrolle spielt. Dasselbe gilt für die häufig als Auslöser für
Deformation vermutete Plattenkonvergenzgeschwindigkeit:
Die geologischen Daten über die Entwicklung der Geschwindigkeit, mit der der südamerikanische Rand zusammengestaucht wird, belegen, dass sich das Wachstum der Anden
ständig beschleunigt hat, obwohl die Konvergenzgeschwindigkeit zwischen beiden Platten immer langsamer wurde. Sehr
viel wichtiger für das Deformieren scheint dagegen die Schwächung der Kruste als Folge zunehmender Deformation und die
Geschwindigkeit, mit der sich Südamerika nach Westen bewegt, zu sein (Oncken et al., 2006, 2012; Sobolev et al., 2006).
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Obwohl in den Patagonischen Anden voraussichtlich dieselben
Prozesse an und in der Subduktionszone stattfinden wie in den
zentralen Anden, verhält sich dieser südliche Bereich völlig
anders. Das trockene Klima in den zentralen Anden führt nämlich dazu, dass die Tiefseerinne vor diesem Abschnitt der Anden
nahezu sedimentfrei ist (Abb. 3). Im Bereich des westlichen
Altiplano und in der von seinem Rand bis zur Küste reichenden
Atacamawüste (Niederschläge < 50 mm/Jahr) wird spätestens
seit dem mittleren Tertiär kaum noch Material durch Niederschläge erodiert und in die Tiefsee transportiert. An der Westflanke der Südanden dagegen, bei Niederschlägen von
> 3000 mm/Jahr, wird sehr viel Material erodiert und in den
Tiefseegraben verfrachtet. Dieses wird direkt im Anschluss an
die Ablagerung von der vorrückenden Südamerikanischen
Platte gewissermaßen abgeschert und zum Aufbau eines akkretionären Keils verwendet (Abb. 4). Dieser Vorgang der Materialanlagerung durch Abschürfen der ozeanischen Sedimente
ist nur dort möglich, wo genügend Sedimentmaterial bereit
steht. Ganz anders stellt sich das Muster auf der landwärtigen
Seite der Anden dar. Subtropischen Niederschlägen mit erheblicher Erosion in den Nordanden steht im zentralen Bereich und
im Süden eine semiaride Ostseite mit nur sehr begrenzter
Erosion gegenüber. Am stärksten ist die Herausbildung des
Plateaus im ariden Breitenbereich zwischen etwa 16° und 28°
südlicher Breite, dem Passatwindgürtel der Südhemisphäre.
Diese Zusammenhänge verweisen auf einen Mechanismus, der
in den letzten Jahren zunehmend in die Diskussion gerät. Es ist
lange bekannt, dass Niederschläge, ihre räumliche und zeit­
liche Verteilung die erosive Zerstörung von Gebirgen vorantreiben. Gleichzeitig erzeugt jedoch die Bildung einer topographischen Barriere ein Hindernis, das erheblich auf die atmos­
phärische Zirkulation rückwirkt und damit auch Niederschlag
bindet und einen Regenschatten erzeugt. Zusätzlich zeigen
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Abb. 5: Westdrift­Komponente der Bewe­
gung Südamerikas und des Tiefsee­
grabens auf der Nazca­Platte, sowie die
Zeiten von Deformation. Die rote Kurve
zeigt die Entwicklung der Verkürzungs­
geschwindigkeit in den zentralen Anden.
(Grafik: M. Dziggel, GFZ)
Fig. 5: Westdrift rate of South American
plate and of trench retreat. Red line
shows evolution of shortening rate at
Central Andes latitude.
Abb. 6: a) Karte von Südamerika in 1000 km Tiefe mit Daten von
Li et al. (2008) und b) Nord­Süd­Schnitt mit unterschiedlichem Tief­
gang der abtauchenden Nazca­Platte; c) Beginn der Verkürzung
entlang der Anden ((Faccenna
Faccenna et al., 2016; Oncken et al., 2012
2012))
(Grafik: M. Dziggel, GFZ)
Fig. 6: a) Map of South America at 1000 km depth (Data from Li et
al., 2008) and b) North­South section showing depth extent of Naz­
ca slab; c) of the onset of shortening along the Andes (Faccenna et
al., 2016; Oncken et al., 2012)
theoretische Betrachtungen (Willett et al., 1993; Vietor et al.,
2005), dass aktive Gebirge dazu neigen, einem stationären
Gleichgewicht zuzustreben. Dabei werden die klimagesteuerte
Erosion und der Massenverlust an der Oberfläche wieder ausgeglichen durch Deformation der Erdkruste, durch die wieder
neues Material tektonisch nach oben befördert wird. Damit
wird nicht nur der erosiven Zerstörung entgegengewirkt, sondern ein rückgekoppelter Regelkreis zwischen Topographieentwicklung, atmosphärischer Zirkulation und Niederschlagsverteilung, klimagesteuerter Erosion sowie tektonischer Deformation hergestellt. Dies erklärt, warum Deformation und Erosion an der Oberfläche stets zusammenzuhängen scheinen.
Ein solches Gebirge funktioniert etwa wie ein laufendes Förderband, solange die äußeren Bedingungen gleich gehalten
werden. Das recht junge Alter des Akkretionskeils vor den Patagonischen Anden weist darauf hin, dass dies nicht immer
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der Fall war. Die großen Sedimentmengen, die gegenwärtig
zum Aufbau des Akkretionskeils vor Südchile dienen, werden
erst seit Beginn der Vergletscherung der Patagonischen Anden
vor etwa 6 Mio. Jahren produziert. Erst die sehr effiziente glaziale Erosion hat die Menge Sedimente in den Tiefseegraben
geliefert – hier liegen seither über 2 km mächtige Sedimente
–, die den Aufbau eines Akkretionskeils ermöglicht haben. Am
südamerikanischen Rand lässt sich exemplarisch zeigen, dass
sich mehrere Bereiche von tektonischer Akkretion bis zu tektonischer Erosion von Norden nach Süden ablösen (Kukowski
und Oncken, 2006). Der Plattenrand vor den zentralen Anden
gilt inzwischen als Typvertreter, an dem tektonische Erosion
dominiert. Bei diesem Vorgang ist hier seit dem Jura (vor 140
bis 200 Mio. Jahren) ein über 200 km breiter Streifen kontinentaler Kruste vernichtet worden und der vulkanische Bogen ist
seit dem Jura um 200 km nach Osten in seine heutige Position
gewandert. Die Südanden besitzen dagegen einen kleinen Keil
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aus tektonisch angelagerten Sedimenten an der untermeerischen Spitze des Kontinentalrands. Ein weiterer Teil wird subduziert und lässt sich mit geophysikalischen Methoden als
Auflage auf der ozeanischen Platte bis in große Tiefen nachweisen. Diese Auflage aus mächtigen, unverfestigten, wasserreichen Sedimenten reduziert die Reibungskräfte an der Plattengrenzfläche – und damit die Möglichkeit, die Oberplatte zu
deformieren.
Dennoch beantworten diese Ergebnisse nicht, warum sich die
Anden erst in den vergangenen 50 Mio. Jahren entwickelten,
und das auch nur im zentralen und nördlichen Teil; die Südanden sind mit ihrer Entstehung seit etwa 20 Mio. Jahren deutlich
jünger. Die oben beschriebenen Zusammenhänge vermögen
die Entwicklung seit ihrer Bildung, vor allem die Beschleunigung in der Gebirgsbildung in den zentralen Anden und die
lateralen Unterschiede in der Ausprägung und ihrem Aufbau
zu erklären, nicht jedoch die Initiierung. Hier zeigen jüngste
Forschungen des GFZ gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern aus Italien und den USA, dass diese wesentlich durch etwas anderes gesteuert wurden: Das Zurückweichen der ozeanischen Nazca-Platte vor der westwärts wandernden südamerikanischen Platte nahm vor etwa 50 Mio.
Jahren schlagartig ab (Faccenna et al., 2016). Die am GFZ erarbeiteten Ergebnisse zur zeitlichen Entwicklung der Westdrift
Südamerikas, angetrieben durch den sich öffnenden Südatlantik, zeigen, dass der westwärts treibende südamerikanische
Kontinent offensichtlich lange auf keinen Widerstand traf
(Abb. 5), der ihn zur Ausbildung einer Deformationsfront – eines
Gebirges – gezwungen hätte. Neue tomographische Studien
und ihre Modellierung (Abb. 6) durch die Partner sowie unsere
zeitliche Rekonstruktion zeigen nun, dass vor etwa 50 Mio.
Jahren die abtauchende Nazca-Platte unter dem nördlichen
und zentralen Teil Südamerikas die Grenze zum unteren Erdmantel erreichte und begann, in diesen einzutauchen. In diesem Teil des Erdmantels, der eine höhere Viskosität besitzt als
der obere Erdmantel, wurde sie dabei quasi verankert und ein
weiteres Zurückweichen vor der herandriftenden südamerikanischen Platte unterbunden – das Aufstauchen des Plattenrands wurde buchstäblich erzwungen. Anders ist dies im süd­
lichen Südamerika, wo die Nazca-Platte erst vor 20 Mio. Jahren
diese wichtige Grenze erreichte – und wo die Anden entsprechend später ihr Wachstum begannen, aber noch längst kein
Hochgebirge erreicht ist. Die Modellierungsstudie zeigt zudem, dass sich die gesamte Kräftebilanz und der Materialfluss
im Erdmantel bei diesem Vorgang ändern: Die Oberplatte wird
nach dem Eindringen der ozeanischen Platte in den unteren
Mantel geradezu zur ozeanischen Platte hin „gesaugt“, der
Deformationsprozess an der Front der Oberplatte durch derartige Rückkopplung noch verstärkt.
Damit ist die lange offen gebliebene Frage, warum Hochgebirge
an konvergenten, von Subduktion bestimmten Plattenrändern
so selten sind, und warum die Anden trotz lang andauernder
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Subduktion erst vor 50 Mio. Jahren begannen zu wachsen, neu
beantwortet. Der Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge an
konvergenten Plattenrändern liegt damit nicht nur im Verständnis der Mechanik der Plattengrenze selbst, sondern weit
darüber hinaus in der Kenntnis der positiv und negativ rückgekoppelten Wechselwirkungen zwischen Erdmantel und Erdkruste sowie bei der Festigkeitsentwicklung und der klima­
gesteuerten Umlagerung durch Massen an der Erdoberfläche.
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