11 2 Vektoren in der Mechanik Viele Größen der Mechanik, in der Statik insbesondere Kraft und Moment, haben die Eigenschaft von Vektoren im dreidimensionalen Raum. Die Mechanik nutzt daher die Methoden und Rechenregeln der Vektoralgebra und Vektoranalysis. Im Unterschied zur Mathematik sind hinsichtlich ihrer Wirkung jedoch drei verschiedene Klassen von Vektoren zu unterscheiden: D freier Vektor: gegeben durch Betrag und Richtung (Orientierung und Richtungssinn) ! beliebige Parallelverschiebung möglich D linienflüchtiger Vektor: gegeben durch Betrag, Richtung und Wirkungslinie ! Verschiebung nur entlang Wirkungslinie möglich D gebundener Vektor: gegeben durch Betrag, Richtung und Angriffspunkt ! keine Verschiebung möglich 12 2 Vektoren in der Mechanik 2.1 Notation Geometrische Darstellung von Vektoren 1) als Pfeil mit Vektorsymbol ³ a 2) als Pfeil mit vorzeichenbehaftetem Betrag a Koordinatendarstellung eines Vektors Zerlegung von ³ a in Komponenten z ³ ³ ³ a +³ ax ) a y ) az ³ a x ³ ³ ³ + a xe x ) a ye y ) a ze z y ȱ ax ȳ a +ȧ ȧayȧ ȧ, Ȳ az ȴ |a| + Ǹa Ta + Ǹa 2x ) a 2y ) a 2z ³ Bemerkungen: − Vektoren sind unabhängig vom Koordinatensystem − Koordinaten eines Vektors setzen eine eindeutige Festlegung des Koordinatensystems voraus und hängen von dieser ab 2 Vektoren in der Mechanik 13 2.2 Elementaroperationen der Vektoralgebra Operation Geometrische Darstellung Gleichheit ³ a a+b a x + b x, a y + b y, a z + b z ³ ³ a+b ³ b Addition Koordinatendarstellung c +a)b c x + a x ) b x, c y + a y ) b y, cz + az ) bz ³ ³ ³ c+a )b ³ a g ³ b ³ ³ ³ ³ ³ ³ c 2 + a 2 ) b 2 * 2ab cos g ³ a)b+ b)a ³ ³ ³ a ) b ) c + (a ) b) ) c ³ ³ ³ + a ) (b ) c) ³ Skalarprodukt a ³ s+³ a·b + ab cos a a ³ a Ta + a 2 + a 2x ) a 2y ) a 2z T cos a + a b ab b ³³ ³ ³ a·b + b·a ³ ³ ³³ ³ s + a Tb + a xb x ) a yb y ) a zb z ³ ³ (a ) b)·c + a ·c ) b·c ³³ ³ a·b + 0 à ³ aăb Vektorprodukt (Kreuzprodukt) ³ ³ ³ c+a b ³ b a ³ c + ab sin a a ³ a ³ ³ b+*b ³ ³ a ³ (a a ³ ³ (a ) b) ³ ³ ³ c+³ a ³ c)b ³ c ³ ³ b + 0 à ³ aøb ³ b) ³ ³ ³ ³³ ³ c + b(a ·c) * ³ a(b·c) ȱ ax ȳ c +ȧ ȧayȧ ȧ a Ȳ zȴ ȱ ³ex ȧax + detȧ ȧ Ȳ bx ȱ bx ȳ ȧ ȧbyȧ ȧ b Ȳ zȴ ³ ³ ȳ e y ez ȧ a y azȧ ȧ b y bz ȴ ȱ aybz * azby ȳ +ȧ ȧ* axbz ) azbxȧ ȧ a b * a b y y x Ȳ x ȴ 14 2 Vektoren in der Mechanik 2.3 Kraft und Moment Kraft D Kraftbegriff entstammt der täglichen Erfahrung der Muskelanspannung beim Verschieben oder Verformen eines Körpers. Die Kraft ist gekennzeichnet durch Betrag und Richtung, und damit eine Vektorgröße. D Kraft ist definiert als Wirkung eines Körpers auf einen anderen in direktem Kontakt oder über eine gewisse Entfernung hinweg (z.B. Gravitation) ³Kraft tritt jeweils als Paar kollinearer, entgegengesetzt gleichgroßer Vektoren auf (actio = reactio) D Kräfte bewirken Beschleunigung oder Verformung von Körpern D Im SI−Einheitensystem hat die Kraft die Einheit 1[N] + 1ƪkgƫ D ƪ ƫ ƪ ƫ kgm 1 m2 + 1 s2 s Eigenschaften der Kraft: Z Der Kraftvektor hat i. Allg. einen Angriffspunkt (gebundener Vektor) Z In der Starrkörpermechanik darf die Kraft entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden (linienflüchtiger Vektor) Z Für die Untersuchung globaler Effekte können auch verformbare Körper im verformten Zustand eingefroren und als Starrkörper betrachtet werden (Erstarrungsprinzip) 2 Vektoren in der Mechanik 15 Moment D Momente haben die Tendenz, Körper zu verdrehen. Sie sind gekennzeichnet durch Betrag und Richtung und damit Vektorgrößen. D Momente können durch Kräftepaare dargestellt werden, d.h. Paare entgegengesetzt gleich großer, nicht kollinearer, paralleler Kräfte. D M +³ r AB ³ A B ³ *F ³ F, y x d ³ ³ M Im SI−Einheitensystem leitet sich die Einheit des Moments aus M + Fd ab: 1[Nm] + 1[N] ö ³ r AB M + Fd + |F||r³AB| sin ö D M F Das Moment ist ein freier Vektor senkrecht zu ³ F und ³ r AB ³ ³ z Verdrehwirkung 1[m] D Die Richtung des Momentenvektors ergibt sich aus der Rechte−Hand−Regel D Darstellung in ebenen Problemen: F M + Fd d F 16 2 Vektoren in der Mechanik Invarianzoperationen in der Starrkörpermechanik (1) beliebige Verschiebung von Momentenvektoren (2) vektorielle Addition und Zerlegung von Momentenvektoren (3) Verschiebung von Kraftvektoren entlang ihrer Wirkungslinie (4) vektorielle Addition von Kraftvektoren mit gemeinsamem Angriffspunkt (5) Zerlegung von Kraftvektoren in Komponenten mit gemeinsamem Angriffspunkt (6) Einführung von Nullvektoren Beispiele: D Addition zweier Momente ³ M2 ³ M1 D Addition zweier Kräfte mit sich schneidenden Wirkungslinien ³ ³ F2 D Addition zweier paralleler Kräfte ³ F2 ³ F1 F1