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Aus der Abteilung für Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen der
MEDIAN Klinik für Akut- und Rehabilitationsmedizin
Bad Krozingen, Klinik Lazariterhof
Chefarzt: Prof. Dr. med. C. Holubarsch
und
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Einfluss einer strukturierten, multimodalen,
stationären Rehabilitations-Intervention auf
NT-proBNP-Werte bei Patienten mit chronischer
Herzinsuffizienz NYHA II-III
Eine Multi-Center 6-Monats-Studie
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i.Br.
vorgelegt
von
geboren in
2009
Antonia Hodapp geb. Schandelmeyer
Freiburg i.Br.
Dekan:
1. Gutachter:
2. Gutachter:
Prof. Dr. med. Christoph Peters
Prof. Dr. med. Christian J. F. Holubarsch
Prof. Dr. med. Christoph Hehrlein
Jahr der Promotion:
2010
Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
1.1
Herzinsuffizienz
1
1.1.1
Definition der Herzinsuffizienz
1
1.1.2
Epidemiologie der Herzinsuffizienz
1
1.1.3
Ätiologie und Pathophysiologie der Herzinsuffizienz
2
1.1.4
Neurohumorale Veränderung bei chronischer Herzinsuffizienz
4
1.1.5
Einteilung und Klassifikation der Herzinsuffizienz
5
1.1.6
Therapie der Herzinsuffizienz
6
1.1.6.1 Die Bedeutung körperlichen Trainings bei der Therapie der
10
chronischen Herzinsuffizienz
1.1.7
Prognose der chronischen Herzinsuffizienz
12
1.2
N-terminal Pro-B-Type Natriuretic Peptide (NT-proBNP) 13
1.2.1
Entdeckung und Geschichte des Brain Natriuretic Peptide
13
1.2.2
Biochemie des Brain Natriuretic Peptide
14
1.2.3
Rezeptorbindung und Elimination
15
1.2.4
Vorteile der Verwendung von NT-proBNP
16
1.2.5
Funktion des N-terminalen Brain Natriuretic Peptide
17
(NT-proBNP)
1.2.6
Das NT-proBNP in der aktuellen Forschung
18
1.3
Kardiologische Rehabilitation in Deutschland
19
1.3.1
Definition von Rehabilitation
19
1.3.2
Sekundärprävention und Rehabilitation von Herz-
19
Kreislauferkrankungen
1.4
Fragestellung
21
1.4.1
Arbeitshypothese
21
Inhaltsverzeichnis
IV
2
Material und Methoden
22
2.1
Studienpopulation
22
2.1.1
Reha-Kollektiv
22
2.1.2
Kontroll-Kollektiv
24
2.2
Studiendesign
25
2.2.1
Reha-Kollektiv
25
2.2.2
Kontroll-Kollektiv
25
2.2.3
Strukturierte multimodale Intervention
26
2.3
Laboruntersuchungen
28
2.3.1
NT-proBNP-Test (Roche)
28
2.4
Klinische Untersuchungen
30
2.4.1
Patienten-Stammblatt
30
2.4.2
Patienten-Tagebuch
32
2.4.3
Patienten-Fragebögen
32
2.5
Statistische Auswertung
33
Inhaltsverzeichnis
V
3
Ergebnisse
35
3.1
Vergleich der Studiengruppen
35
3.1.1
Klinisch anamnestische Daten
35
3.1.2
Medikation bei Aufnahme
36
3.1.3
NT-proBNP-Messwerte
37
3.2
Ergebnisse im Reha-Kollektiv
39
3.2.1
NT-proBNP-Verläufe in der Rehabilitationsgruppe
39
3.2.2
NT-proBNP-Verläufe in den Untergruppen
40
3.3
Statistische Auswertung
43
3.3.1
Pearson’scher Korrelations-Koeffizient
43
3.3.2
Wilcoxon-Test
45
3.3.3
Prozedur für das allgemeine lineare Modell (GLM):
47
wiederholte Varianz-Messanalyse
3.3.4
Regressionsanalyse
49
3.4
Besondere Fragestellungen
50
3.4.1
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Hauptdiagnose
50
3.4.2
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Alter
51
3.4.3
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und LVEF
52
3.4.4
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und zum BMI
53
3.4.5
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Herzfrequenz
54
und Blutdruck
3.4.6
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und zum Kreatinin
56
Inhaltsverzeichnis
VI
4
Diskussion
57
4.1
NT-proBNP und chronische Herzinsuffizienz
58
4.1.1
Aktuelle Studienlage
58
4.2
Diskussion des Studiendesigns
59
4.3
Diskussion ausgewählter Einflussfaktoren
64
4.3.1
Auswirkungen der Hauptdiagnose auf die Peptidspiegel
64
4.3.2
Auswirkungen des Alters auf die Peptidspiegel
65
4.3.3
Auswirkungen der LVEF auf die Peptidspiegel
67
4.3.4
Auswirkungen des BMI auf die Peptidspiegel
68
4.3.5
Auswirkungen der Herzfrequenz und des Blutdrucks auf
69
die Peptidspiegel
4.3.6
Auswirkungen der Nierenfunktion auf die Peptidspiegel
70
4.3.7
Auswirkungen der Pharmakotherapie auf die Peptidspiegel
71
4.3.8
Auswirkungen anderer Störfaktoren
72
4.4.
Die Bedeutung des NT-proBNP in der Rehabilitation
73
4.4.1
Limitationen und Ausblick
74
5
Zusammenfassung
75
6
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
76
6.1
Abbildungsverzeichnis
76
6.2
Tabellenverzeichnis
76
7
Literaturverzeichnis
78
8
Lebenslauf
99
9
Danksagung
101
Abkürzungsverzeichnis
VII
Abkürzungsverzeichnis
ACE
Angiotension-Converting-Enzym
AHA
American Heart Association
ANP
atriales natriuretisches Peptid
AT-1
Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1
AV
atrioventrikulär
BMI
Body-Mass-Index
BNP
brain natriuretic peptide
cGMP
cyclo-Guanosinmonophosphat
CNP
C-type natriuretisches Peptid
CRP
C-reaktives Peptid
CVR
kardiovaskuläre Risikofaktoren
DBP
diastolischer Blutdruck, engl: diastolic blood pressure
DCM
dilatative Kardiomyopathie
dl
Deziliter
ECLIA
Elektrochemilumineszenz-Sandwich-Immunoassay
EDTA
Ethylendiamintetraacetat
EF
Ejektionsfraktion
eGFR
errechnete Glomeruläre Filtrationsrate,
engl: estimated GFR
EKG
Elektrokardiogramm
GFR
Glomeruläre Filtrationsrate
GLM
general linear model
GTP
Guanosintriphosphat
Hb
Hämoglobin
HF
Herzfrequenz
i.v.
intravenös
ICD
Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
ICD-10
internationale Klassifikation der Krankheiten
ICM
ischämische Kardiomyopthie
IDC
Idiopathische Dilatative Kardiomyopathie
IGF-1
insulin-like growth factor-1
IQR
Interquartiler Range
ISA
intrinsische sympathomimetische Aktivität
K1-2
Kontrollgruppe
Abkürzungsverzeichnis
kg
Kilogramm
KHK
Koronare Herzkrankheit
lBNP
logarithmiertes brain natriuretic peptide
LVEF
linksventrikuläre Ejektionsfraktion
m²
Quadratmeter
µl
Mikroliter
mg
Milligramm
ml
Milliliter
mmHg
Millimeter Quecksilbersäule
N
Anzahl, engl: number
NEP
neutrale Endopeptidase
NO
Stickstoffmonoxid
NPR
natriuretic peptide receptor
NR
Nonresponder
NT-proBNP
N-terminales brain natriuretic peptide
NYHA
New York Heart Association
O2
Sauerstoff
pg
Pikogramm
proBNP
pro brain natriuretic peptide
PTCA
Perkutane transluminale Koronarangioplastie
Q1, Q3
Quartile 1, 3
R1-5
Rehabilitationsgruppe
RAAS
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
Reha
Rehabilitation
RR
Blutdruck nach Riva-Rocci
SBP
systolischer Blutdruck, engl: systolic blood pressure
TV
Therapieversager
VO2
Sauerstoffaufnahme
z.B.
zum Beispiel
VIII
1 Einleitung
1
Einleitung
1.1
Herzinsuffizienz
1.1.1
Definition der Herzinsuffizienz
1
Der Begriff Herzinsuffizienz bezeichnet eine Situation, in der das Herz aufgrund einer
Störung der eigenen Funktion oder einer Störung seiner „Arbeitsbedingungen“
innerhalb des Herz-Kreislauf-Systems nicht in der Lage ist, Blut in der Menge oder der
Geschwindigkeit durch den Körper zirkulieren zu lassen, wie es die Stoffwechsellage
und Energiebedürfnisse der Organe und Körpergewebe erfordern [6]. Klinisch liegt
dann eine Herzinsuffizienz vor, wenn typische Symptome (Dyspnoe, Müdigkeit,
Flüssigkeitsretention) bestehen, denen ursächlich eine kardiale Funktionsstörung
zugrunde liegt [148].
1.1.2
Epidemiologie der Herzinsuffizienz
Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen mit geschätzt
mehr als 10 Millionen Betroffenen in Europa. Eine vergleichbar große Patientengruppe
weist
darüber
hinaus
eine
systolische
kardiale
Dysfunktion
ohne
Herzinsuffizienzsymptome auf [155]. Allein in Deutschland leiden circa 3 Millionen
Menschen an einer manifesten oder (noch) latenten Form einer chronischen
Herzinsuffizienz; alleine 10% der über 70-jährigen sind von dieser Krankheitsentität
betroffen.
Prävalenz und Inzidenz der Herzinsuffizienz sind deutlich altersabhängig. Die Anzahl
der jährlichen Neuerkrankungen in den westlichen Ländern liegt bei 2 bis 12/1000
[117]. Nach neueren US-Daten scheint sie aber in den vergangenen Jahrzehnten
relativ konstant geblieben zu sein [69, 117]. Im Alter von 45 bis 55 Jahren leiden
weniger als 1 Prozent der Bevölkerung an Herzinsuffizienz, 65- bis 75-Jährige bereits
zu 2–5 Prozent und über 80-Jährige zu fast 10 Prozent. Männer sind etwa 1,5-fach
häufiger betroffen als gleichaltrige Frauen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt der
Anteil der diastolischen Herzinsuffizienz auf mehr als 30 Prozent, bei Frauen auf mehr
als 40 Prozent [54, 87].
1 Einleitung
2
Veränderte Altersstrukturen unserer westlichen Bevölkerung, sowie ein gehobener
Lebensstandard und verbesserte Überlebenschancen durch medizinischen Fortschritt
in den letzten Jahrzehnten haben wesentlich zu einer erhöhten Inzidenz von Patienten
mit chronischer Herzinsuffizienz beigetragen [6]. Hieraus ergibt sich ein weit
reichendes medizinisches, soziales und wirtschaftliches Problem unserer Gesellschaft,
das die Notwendigkeit einer frühen, sicheren Erkennung derjenigen Patienten, die von
therapeutischen und/oder präventiven Maßnahmen profitieren können, nötig macht.
1.1.3
Die
Ätiologie und Pathophysiologie der Herzinsuffizienz
gebräuchliche
deutsche
Übersetzung
„Herzschwäche“
trifft
den
Begriff
Herzinsuffizienz nur ungenau, weil nicht nur eine krankhaft verminderte Pumpfunktion
(systolische Herzinsuffizienz oder Herzmuskelschwäche), sondern auch eine gestörte
Füllung des Herzens (diastolische Herzinsuffizienz bei normaler oder gar gesteigerter
systolischer
Funktion)
herzinsuffizienten
zur
Patienten
Herzinsuffizienz
beruhen
führen
Symptome
kann.
auf
Bei
einer
89-90%
der
ventrikulären
Funktionsstörung, wobei in etwa 60% der Fälle eine systolische Dysfunktion mit einer
Linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ≤ 40% vorliegt [124]. Bei Patienten mit
klinischen
Herzinsuffizienzzeichen
aber
überwiegend
erhaltener
systolischer
Pumpfunktion spricht man von einer diastolischen Herzinsuffizienz.
Der Herzinsuffizienz können also primär myokardial bedingte Funktionsstörungen,
Druck- oder Volumenbelastung des Herzens oder andere intra- oder extrakardial
organische oder funktionelle Veränderungen zugrunde liegen.
Die Herzinsuffizienz kann in zwei verschiedenen Verlaufsformen auftreten, der
chronischen und der akuten Form. Während die akute Herzinsuffizienz, z.B. durch
einen Herzinfarkt, plötzlich eintritt, entwickelt sich die chronische Herzinsuffizienz über
einen
längeren
Zeitraum.
Die
Herzinsuffizienz
kann
nur
das
linke
Herz
(Linksherzinsuffizienz), nur das rechte Herz (Rechtsherzinsuffizienz) oder beide
Herzhälften (globale Herzinsuffizienz) betreffen.
1 Einleitung
3
Zu den wichtigsten Ursachen einer chronischen Herzinsuffizienz gehören Koronare
Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Herzklappenfehler (im Spätstadium), Dilatative
Kardiomyopathie, Zustand nach Peri- oder Myokarditis und Herzrhythmusstörungen.
Die häufigste Ursache einer Herzinsuffizienz ist die koronare Herzerkrankung (5470%), die bei 35-52% dieser Patienten von einer arteriellen Hypertonie begleitet ist.
Eine isolierte arterielle Hypertonie wird bei 9-20% als Herzinsuffizienzursache
angenommen [87, 14, 53, 60]. Die Diagnose Herzinsuffizienz ist daher erst der
Ausgangspunkt
zur
differentialdiagnostischen
Klärung
zugrunde
liegender
Erkrankungen.
Nach
einer
initialen
myokardialen
Schädigung
(Druck-/Volumenüberlastung,
Gewebeverlust) kommt es - mit dem Ziel der Aufrechterhaltung eines bedarfsgerechten
Schlagvolumens - kompensatorisch zu einer ventrikulären Dilatation und einem
ventrikulären Remodeling mit Myozytenhypertrophie. Die ventrikuläre Dilatation führt
über einen dehnungsinduzierten programmierten Zelltod (Apoptose) zu einer weiteren
Dilatation und somit zu einer progredienten Myokardschädigung [20, 2]. Zur
Kompensation
der
reduzierten
kardialen
Pumpleistung
und
als
Folge
der
Minderperfusion lebenswichtiger Organe entsteht systemisch eine neuroendokrine
Aktivierung (Aktivierung des sympathischen Nervensystems und Renin-AngiotensinAldosteron-Systems, erhöhte Freisetzung von NO, Vasopressin, Zytokinen und ein
erhöhter Plasmaendothelinspiegel) [86, 92, 126]. Aus der neuroendokrinen Aktivierung
resultieren periphere Vasokonstriktion, Flüssigkeitsretention, Arrhythmieneigung und
Katecholaminrefraktärität des Herzens sowie klinisch eine Zunahme der Symptomatik
des
Patienten.
Darüber
hinaus
begünstigen
Angiotensin
II
und
eine
Adrenozeptorenstimulation weiterhin einen Zelltod durch Apoptose und Nekrose [119,
135]. Die chronische Herzinsuffizienz stellt somit einen dynamischen Prozeß dar, bei
dem Kompensationsmechanismen in einem Circulus vitiosus zu einer weiteren
kardialen Funktionsverschlechterung und damit Progression der Erkrankung führen.
1 Einleitung
1.1.4
4
Neurohumerale Veränderung bei chronischer Herzinsuffizienz
Auslösend für eine Herzinsuffizienz ist eine primäre Einschränkung der kardialen
Pumpfunktion; nachfolgend kommt es zu neurohumeralen Anpassungsvorgängen, wie
der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, des sympathischen
Nervensystems, verschiedener Zytokine und vasoaktiver Substanzen [1]. Daraus
resultieren periphere Vasokonstriktion, erhöhte myokardiale Inotropie und Chronotropie
sowie
ein
Zunahme
des
extrazellulären
Flüssigkeitsvolumens
mit
erhöhter
enddiastolischer Vordehnung des Herzens (Frank-Starling-Mechanismus) mit dem Ziel,
die Perfusion lebenswichtiger Organe zu sichern. Gleichfalls mögliche Folgen sind
ansteigende Kapillardrucke mit der Konsequenz pulmonaler Stauung, peripherer
Ödeme und zunehmende Herzbelastung (afterload) durch erhöhten peripheren
Widerstand und Arrythmieneigung.
BNP wird als akute Phase reaktives Peptid als Antwort auf akute Gewebszerstörung
angesehen. Hämodynamische Parameter sowie humorale Faktoren wie Interleukin-1b,
Endothelin-1 und Angiotensin II induzieren die Sekretion von BNP in der frühen Phase.
Aldosteron wird durch Angiotensin II stimuliert aber durch BNP unterdrückt [132].
Daher ergibt sich durch Volumenüberladung durch die Herzinsuffizienz ein Anstieg von
BNP und zusammen mit dem über ein durch das RAAS erniedrigtes Angiotensin II ein
erniedrigter Aldosteronspiegel, was der Natrium-Wasser-Retention über die Niere
entgegen wirkt.
Durch Katecholamineffekte auf Kontraktilität und Herzfrequenz ergeben sich eine
Verschlechterung der koronaren Ischämie, eine Förderung des Zelltodes von Myozyten
durch Angiotensin II und Katecholaminen sowie ein pathologischer Umbau
(Remodeling) des Myokards.
Zusammenfassend ist die chronische Herzinsuffizienz – in der Akutsituation charakterisiert durch einen Regelkreis hämodynamisch und neurohumoral sinnvoller
Kompensationsmechanismen,
die
jedoch
langfristig
zu
einer
weiteren
Verschlechterung struktureller wie funktioneller Eigenschaften des Herzens und damit
zur weiteren Progression der Erkrankung beitragen.
1 Einleitung
1.1.5
5
Einteilung und Klassifikation der Herzinsuffizienz
Die Einteilung der Herzinsuffizienz kann nach der New York Heart Association
(NYHA) Klassifikation entsprechend der Leistungsfähigkeit der Patienten erfolgen:
NYHA I
Keine körperliche Einschränkung. Alltägliche körperliche Belastung
verursacht keine inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot
oder Angina Pectoris.
NYHA II
Leichte
Einschränkung
der
körperlichen
Belastbarkeit.
Keine
Beschwerden in Ruhe. Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder
Angina pectoris bei alltäglicher körperlicher Belastung.
NYHA III
Höhergradige Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei
gewohnter
Tätigkeit.
Rhythmusstörungen,
Keine
Luftnot
Beschwerden
oder
Angina
in
Ruhe.
pectoris
Erschöpfung,
bei
geringer
körperlicher Belastung.
NYHA IV
Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe. Bettlägrigkeit.
Darüber hinaus können Patienten nach der Klassifikation der American Heart
Association (AHA), die mehr der Entstehung und Progredienz der Erkrankung
berücksichtigt, eingestuft werden [59].
Stadium A Hohes Herzinsuffizienzrisiko, da Faktoren vorliegen, die stark mit der
Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert sind; keine strukturelle
Herzerkrankung, noch nie Herzinsuffizienzsymptome.
Stadium B Strukturelle
Herzerkrankung,
die
eng
mit
der
Entstehung
einer
Herzinsuffizienz assoziiert ist, bisher keine Herzinsuffizienzsymptome.
Stadium C Frühere oder derzeitige Herzinsuffizienzsymptome bei struktureller
Herzerkrankung.
Stadium D Fortgeschrittene
strukturelle
Herzerkrankung
und
schwere
Herzinsuffizienzsymptome in Ruhe trotz maximaler medikamentöser
Therapie (spezielle Therapie erforderlich, z. B. Herztransplantation,
Katecholamine i. v., Kunstherz).
1 Einleitung
1.1.6
6
Therapie der Herzinsuffizienz
Jede symptomatische Herzinsuffizienz aber auch jede kardiale Pumpfunktionsstörung
mit einer Ejektionsfraktion < 40% ohne Beschwerden des Patienten stellt eine
Behandlungsindikation dar [59].
Im frühen und moderaten Stadium ist die
Herzinsuffizienz medikamentös sowie durch krankheitsorientertes Patientenverhalten
meist gut kontrollierbar.
Die Herzinsuffizienz-Therapie hat das Ziel, die Letalität zu senken, die Progression
einer bestehenden kardialen Funktionsstörung bereits im asymptomatischen Stadium
zu vermeiden bzw. zu verlangsamen, die Symptome und damit Lebensqualität der
Patienten zu verbessern, die Hospitalisationsrate zu vermindern und hämodynamische
Parameter zu verbessern. Hierzu stehen medikamentöse und nicht-medikamentöse
therapeutische
Maßnahmen
zur
Verfügung.
Liegt
eine
behebbare
Herzinsuffizienzursache vor, ist die kausale Therapie vordringlich [57].
Tabelle 1.1: Mögliche kausale Therapieansätze der wichtigsten Ursachen von
chronischer Herzinsuffizienz
Ätiologie der Herzinsuffizienz
Kausale Therapie
Arterielle Hypertonie
Antihypertensive Therapie
Koronare Herzerkrankung mit
Myokardrevaskularisation
Myokardischämie („hibernating myocard)
(Bypassoperation, Angioplastie), Statine
Erworbene kongenitale Vitien
Operation, Ballonvalvuloplastie
Für die nicht- medikamentöse Therapie gilt, dass bei jedem Patienten das
Normalgewicht angestrebt werden sollte. Übergewicht führt besonders bei körperlicher
Aktivität zu einer zusätzlichen Belastung. Bei ausgezehrten Patienten sollte der
Ernährungszustand möglichst verbessert werden. Die Salzzufuhr sollte bei allen
Patienten, auch bereits bei der asymptomatischen linksventrikulären Dysfunktion,
begrenzt werden (kein Nachsalzen, < 3 Gramm Salz pro Tag), um eine
Flüssigkeitsretention herauszuzögern oder zu vermindern. Die Flüssigkeitszufuhr sollte
2 Liter pro Tag, bei schwerer Herzinsuffizienz 1-1,5 Liter pro Tag nicht überschreiten.
In besonderen Situationen (Wärme, Erbrechen, Diarrhoe, Fieber etc.) ist die
Flüssigkeitszufuhr bzw. ggf. die Diuretikadosis entsprechend anzupassen.
1 Einleitung
7
Bei koronarer Herzerkrankung sollten normale Cholesterinwerte diätetisch, wenn
erforderlich auch medikamentös erzielt werden, um eine Progression zu vermindern
[62]. Jeder Patient sollte angehalten werden, täglich sein Gewicht morgens nüchtern
zu kontrollieren und bei einer Gewichtszunahme >1 Kilogramm pro 24h oder >2
Kilogramm pro Woche einen Arzt zu konsultieren.
Alkohol
kann
das
Myokard
schädigen
und
Arrhythmien
begünstigen.
Der
Alkoholkonsum sollte daher vermieden oder auf maximal 30 Gramm pro Tag beim
Mann, 20 Gramm pro Tag bei der Frau (0,5 / 0.33 Liter Bier oder 0,25/0,2 Liter Wein)
beschränkt werden. Bei Verdacht auf eine alkoholinduzierte Kardiomyopathie ist jeder
Alkoholkonsum zu unterlassen. Auch Rauchen sollte von den Patienten eingestellt
werden [57].
Tabelle 1.2: nicht-medikamentöse Therapie bei chronischer Herzinsuffizienz
1.
Gewichtsnormalisierung
2.
Begrenzte Kochsalzzufuhr (≤ 3 Gramm/ Tag)
3.
Limitierung der Flüssigkeitszufuhr auf 2 Liter/ Tag, bei schwerer Herzinsuffizienz
1-1,5 Liter/ Tag
4.
Reduktion koronarvaskulärer Risikofaktoren
5.
Begrenzter Alkoholkonsum (maximal 30 Gramm/ Tag beim Mann und 20
Gramm/ Tag bei der Frau), bei alkoholtoxischer Kardiomyopathie Alkoholkarenz
6.
Regelmäßige körperliche Bewegung bei stabiler Herzinsuffizienz, Bettruhe bei
akuter/ dekompensierter Herzinsuffizienz
1 Einleitung
8
Bei der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz wird zwischen Medikamenten
mit
einer
gesicherten
prognostischen
Indikation
und
solchen
mit
einer
symptomatischen Indikation unterschieden.
Gesicherte prognostische Indikation heißt, dass die dauerhafte Gabe des
Medikaments in mehreren Untersuchungen einen eindeutig lebensverlängernden
Effekt bewiesen hat. Dazu gehören bei der Herzinsuffizienz
•
ACE-Hemmer
•
AT1-Antagonisten: Blocker des Angiotensin-II-Rezeptors (Subtyp 1)
•
Betablocker, v.a. Bisoprolol, Carvedilol, Metoprolol und Nebivolol
•
Aldosteronantagonisten ab NYHA-Stadium III
Symptomatische Indikation bedeutet, dass diese Medikamente nur eingesetzt
werden müssen, wenn bestimmte Symptome vorliegen und diese durch das
Medikament gebessert werden. Dazu zählen
•
Diuretika bei Anzeichen für eine Überwässerung des Körpers
•
Digitalisglykoside
bei
Patienten
mit
Vorhofflimmern,
einer
deutlichen
Leistungsschwäche oder häufigen Krankenhauseinweisungen wegen der
Herzinsuffizienz und
•
Antiarrhythmika bei symptomatischen Herzrhythmusstörungen
1 Einleitung
9
Tabelle 1.3: medikamentöse Stufentherapie bei systolischer linksventrikulärer
Dysfunktion (EF < 35%)
Medikament
NYHA I
ACE-Hemmer
indiziert
nach Infarkt
bei Hypertonie
β-Blocker
ohne ISA
Diuretika
Thiazide
bei Hypertonie
Schleifendiuretika
-
AldosteronAntagonisten
-
Herzglykoside
bei
tachysystolischem
Vorhofflimmern
AT1-Rezeptorblocker
-
NYHA II
NYHA III
NYHA IV
indiziert
indiziert
indiziert
Indiziert *
indiziert *
Indiziert *
bei Flüssigkeitsretention
indiziert und
zur
Potenzierung
der
Schleifendiuretikawirkung
indiziert und
zur
Potenzierung
der
Schleifendiuretikawirkung
indiziert
indiziert
indiziert
indiziert
indiziert
Indiziert
bei
Nebenwirkun
gen der ACEHemmer
bei
Nebenwirkun
gen der ACEHemmer
bei Flüssigkeitsretention
bei
persistierender
Hypokaliämie
Bei tachysystolischem
Vorhofflimmern,
bei
persistierenden
Symptomen
unter ACEHemmer und
Diuretika
bei Nebenwirkungen der
ACE-Hemmer
ISA = intrinsische sympathomimetische Aktivität
* nur bei stabilen Patienten, langsam einschleichend unter engmaschiger Kontrolle
1 Einleitung
1.1.6.1
10
Die Bedeutung körperlichen Trainings bei der Therapie der chronischen
Herzinsuffizienz
Die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit von Patienten mit Herzinsuffizienz ist
nicht nur durch die verminderte kardiale Auswurfleistung bedingt. Bei der Mehrzahl der
Patienten wird die Leistung zudem durch Störungen der Ventilation, der peripheren
Zirkulation und des Skelettmuskelmetabolismus limitiert [49, 150]. Zahlreiche
Untersuchungen zeigen den Nutzen eines individuell angepassten körperlichen
Trainings als therapeutische Maßnahme bei stabiler chronischer Herzinsuffizienz. Eine
regelmäßige moderate dynamische Betätigung (z.B. Gehen, Radfahren) verbessert bei
den meisten Patienten die maximale Belastungstoleranz und das subjektive
Wohlbefinden [17, 18, 44]. Darüber hinaus konnte eine Zunahme der maximalen
Sauerstoffaufnahme, der Mitochondriendichte und der oxidativen Kapazität der
Skelettmuskulatur, eine Verbesserung der endothelialen Funktion nachgewiesen
werden [18, 46].
Die inflammatorische Aktivierung wird reduziert [37] und die
antiapoptotischen Faktoren (z.B. IGF-I) werden vermehrt gebildet [45].
Auch die ausgeprägte neurohumorale Aktivierung bei chronischer Herzinsuffizienz wird
durch das Training positiv beeinflusst: Die Serumspiegel von Angiotensin II,
Aldosteron, Arginin-Vasopressin und atrialem natriuretischem Peptid (ANP) nehmen
nach einem aeroben Ausdauertraining zwischen 25 und 35% ab [11].
Entgegen
früheren
Meinungen
führt
aerobes
Ausdauertraining
zu
einer
Nachlastsenkung mit Reduktion des Systemwiderstandes in Ruhe und unter maximaler
Belastung sowie geringer Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion und
verbessert die periphere Durchblutung [43].
Die Effektivität und die Sicherheit eines aeroben Ausdauertrainings ist inzwischen für
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz in zahlreichen Trainingsstudien untersucht
worden. SMART und MARWICK [127] zeigten in einem systematischen Review, dass
in 60.000 Patienten-Trainingsstunden keine Todesfälle zu beobachten waren, die in
direktem Zusammenhang mit dem Trainings standen. REES et al. [113] fanden in
sieben von neun Studien eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität bei durch
das körperliche Training gesteigerter relativer Sauerstoffaufnahme um 2,16 ml/kg/min,
Steigerung der Leistungsfähigkeit im 15,1 Watt und Verlängerung der 6-MinutenGehstrecke um 40,9 Meter. In der ExTraMATCH-Studie [108] war die Teilnahme an
einem randomisiert kontrollierten Trainingsprogramm mit einer signifikanten Senkung
der Mortalität im Beobachtungszeitraum bis zu einem Jahr verbunden. Es gab keinen
Hinweis, dass ein adäquates Training negative Folgen hat.
1 Einleitung
11
Durch ein angepasstes aerobes Ausdauertraining können eine Steigerung der
körperlichen Leistungsfähigkeit (12-31%), eine Reduktion der Symptomatik, eine
Verbesserung der Lebensqualität und eine Verbesserung der Prognose erzielt werden
[109]. Die Empfehlungen zum körperlichen Training gelten insbesondere für Patienten
der NYHA-Klassen II und III, da die meisten Trainingsstudien mit diesen
Patientengruppen durchgeführt wurden. Strenge körperliche Schonung und Bettruhe
sind nur bei dekompensierter Herzinsuffizienz indiziert. Zur Dyspnoe führende
körperliche Anstrengungen und speziell isometrische Belastungen, die zu einer
peripheren
Widerstandserhöhung
führen,
sind
generell
zu
vermeiden.
[58].
Empfehlungen zu dynamischem Krafttraining, wie es seit einigen Jahren bei KHKPatienten in der Praxis Anwendung findet, wird momentan als Trainingsform für
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz noch kontrovers diskutiert.
Vor Beginn eines Trainingprogramms ist eine Risikostratefizierung zur Ermittlung von
Ausschlusskriterien, des individuellen Risikos und der Belastbarkeit erforderlich.
Standardverfahren
der
Belastungsuntersuchung
bei
Herzinsuffizienz
ist
die
Spiroergometrie. [109]. Der nach diesem Verfahren ermittelte VO2-Peak ist einer der
stärksten Prädiktoren der Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz [75].
Voraussetzungen für die Aufnahme eines aeroben Ausdauertrainings sind eine
optimale medikamentöse Einstellung und ein stabiler Zustand über einen Zeitraum von
mindestens 3 Wochen. Die ersten 1-2 Wochen des Trainingsprogramms sollten
bevorzugt unter stationärer Überwachung durchgeführt werden [151]. Die aktuellen
Trainingsempfehlungen sehen einen Aufbau in Vorbereitungsphase, Aufbauphase und
Stabilisationsphase des Trainings vor mit einer Frequenz von 3-5 Mal pro Woche und
einer jeweiligen Trainingsdauer von 30 bis 60 Minuten. Herzfrequenzbasierte
Trainingsempfehlungen sind bei Patienten mit Herzinsuffizienz aufgrund der häufig
vorliegenden chronotropen Inkompetenz nur bedingt geeignet [24]. Patienten mit
geringer Belastbarkeit beziehungsweise schlechter Trainingstoleranz können ein
Intervalltraining durchführen [151].
BJARNASON-WEHRENS et al. [9] postulieren, dass der langfristigen Fortführung des
körperlichen Trainings zur Stabilisierung und Erweiterung der in der Rehabilitation
erzielten Erfolge eine besondere Bedeutung zukommt. Leider gibt es derzeit in
Deutschland nur wenige spezielle integrierte Langzeitprogramme für Patienten mit
chronischer Herzinsuffizienz. Die Etablierung spezieller Herzgruppen für diese
Patienten
in
Einrichtungen
kardiologisch/internistische
(Rehabilitationszentren,
Arztpraxen)
würden
Versorgungslücke auf diesem Gebiet zu schließen.
helfen,
Krankenhäuser,
die
derzeitige
1 Einleitung
1.1.7
12
Prognose der chronischen Herzinsuffizienz
Das Statistische Bundesamt Deutschlands zählt aktuell (2007) die Herzinsuffizienz an
dritter Stelle der Todesursachen auf - nach der chronisch ischämischen Herzkrankheit
und dem akuten Myokardinfarkt:
ICD-10
Pos.-Nr.
Todesursache
Gestorbene
Anzahl
Anteil in %
Ohne Totgeborene und ohne gerichtliche Todeserklärungen.
I25
Chronische ischämische Herzkrankheit
76 915
9,3
I21
Akuter Myokardinfarkt
57 788
7,0
I50
Herzinsuffizienz
49 970
6,0
Die Herzinsuffizienz ist mit einer generell ungünstigen Prognose verbunden. Die Zahl
an Todesfälle durch eine Herzinsuffizienz hat sich seit 1968 mehr als vervierfacht.
Etwa 92% dieser Todesfälle treten bei Patienten im Alter über 65 Jahren auf
[53, 83]. Die Letalität nimmt deutlich mit dem Schweregrad der kardialen Dysfunktion
zu und wird zudem von der Therapie beeinflusst [92].
Somit wird die Prognose hauptsächlich durch den Grad der Pumpfunktionsstörung, die
Symptomatik, die Belastbarkeit und Begleiterkrankungen beeinflusst [10]. Patienten mit
systolischer Herzinsuffizienz haben eine schlechtere Prognose als die mit diastolischer
Dysfunktion bei jährlicher Sterblichkeit von 15 bis 19 Prozent versus 8 bis 9 Prozent
[38, 145]. Die Zahl der an einer Herzinsuffizienz versterbenden Patienten ist bei Frauen
wesentlich höher als bei Männern [12].
Todesursachen sind im Wesentlichen fortschreitendes Pumpversagen (Herztod mit
vorausgehend symptomatischer oder hämodynamischer Verschlechterung) und
plötzlicher Herztod (Herztod innerhalb einer Stunde nach kardiovaskulärem Kollaps bei
vorher stabilem Patienten) [100].
1 Einleitung
1.2
1.2.1
13
N-terminal Pro-B-Type Natriuretic Peptide (NT-proBNP)
Entdeckung und Geschichte des Brain Natriuretic Peptide
Eine Revolution in der Diagnostik der Herzinsuffizienz stellte 1981 die Möglichkeit der
laborchemischen Analyse des BNP („brain natriuretic peptide“, „B-type natriuretic
peptide“) beziehungsweise dessen Begleitprodukt NT-proBNP dar.
BNP wurde ursprünglich im Gehirngewebe entdeckt, bald aber in höheren
Konzentrationen im Myokardgewebe nachgewiesen [74]. Das B-type natriuretische
Peptid (BNP) gehört neben dem atrialen natriuretischen Peptid (ANP), dem C-type
natriuretischen Peptid (CNP) und dem Urodilatin zur Familie der natriuretischen
Peptide, die hinsichtlich ihrer Struktur und physiologischen Funktion verwandt sind.
Diese Neurohormone regulieren über verschiedene Mechanismen den Salz- und
Wasserhaushalt des Körpers [42].
Die im Blut zirkulierende Form des humanen BNP ist ein 32-Aminosäuren-haltiges
Peptid mit einem über eine Cysteinbrücke geschlossenen Ringsystem aus 17
Aminosäuren (Abb. 1.1). Die Cystein-Reste sind essentiell für die physiologische
Aktivität der Peptide. Die Aminosäuresequenz ist hoch spezifisch konserviert [129].
Abbildung 1.1:
chemische Strukturformel von BNP [42]
1 Einleitung
1.2.2
14
Biochemie des Brain Natriuretic Peptide
BNP ist ein Hormon, welches auf Chromosom 1 des menschlichen Genoms kodiert
liegt, und welches insbesondere vom linken Ventrikel des Herzens in seiner
niedrigmolekularen Form als BNP-32 mit einem geringeren Anteil an Vorläuferpeptid,
dem proBNP (1-108), gebildet und gespeichert wird.
Die Expression des Peptids
unterliegt der Regulation der Zink-Finger-Transkriptionsfaktoren GATA4 und GATA6
[78].
Im Falle von Stress-Situationen wie Myokard-Dehnung (erhöhte Wandspannung) [74,
142, 149], neuroendokriner Aktivierung durch Noradrenalin oder Angiotensin II [6, 40],
Tachykardie und Ischämie [55, 93] wird es kontrolliert exprimiert und in den Kreislauf
sezerniert.
Während der Sekretion aus den Kardiomyozyten wird das biologisch inaktive,
aminoterminale Signalpeptid NT-proBNP (1-76) durch die Serinprotease Corin
abgespalten und äquimolar mit dem biologisch aktiven BNP-32 (proBNP (77-108))
sezerniert [152] (Abb. 1.2). Die in-vivo-Halbzeit von NT-proBNP ist mit 120 Minuten
wesentlich höher als die von BNP mit 20 Minuten [128].
Abbildung 1.2:
Schematische Darstellung der enzymatischen Spaltung von
proBNP in BNP und NT-proBNP [42]
1 Einleitung
So
lässt
sich
heute
mit
diesem
hormonellen
Biomarker
15
eine
chronische
Herzinsuffizienz nicht nur diagnostizieren [7, 41, 133, 137], sondern auch der Verlauf
der Erkrankung prognostizieren [23, 51, 110]. Zudem ist in einigen Studien gezeigt
worden, dass eine erfolgreiche medikamentöse Therapie die BNP-Hormonspiegel zu
reduzieren vermag [139].
1.2.3
Rezeptorbindung und Elimination
Das aktive Peptid BNP gelangt über die Blutzirkulation zu den Rezeptorbindungstellen
NPR-A, NPR-B und NPR-C. NPR-A konnte im Endothel der großen Blutgefäße, NPR-B
vor allem im Gehirn und NPR-C in den Nieren sowie im Gewebe kleiner und großer
Gefäße lokalisiert werden. NPR-A und NPR-C binden mit der höchsten Affinität ANP,
weniger CNP und BNP, während NPR-B mehr CNP, weniger ANP und BNP bindet. Für
BNP konnte bis jetzt noch keine spezifische Bindungstelle lokalisiert werden. Die
einzelnen
Rezeptoren
werden
unabhängig
voneinander
reguliert.
Die
membrangebundenen Proteine NPR-A und NPR-B gehören strukturell zur Familie der
Guanylatcyklasen.
Diese
monomeren
Transmembranproteine
verbinden
eine
extrazelluläre, ligandenbindende und eine intrazelluläre Domäne. Intrazellulär kommt
es nach Aktivierung durch Bindung des BNP 10 natriuretischen Peptids zur Produktion
des
second
messengers
cyclo-Guanosinmonophosphat
(cGMP)
aus
Guanosintriphosphat (GTP).
Dieser Botenstoff reguliert dann über weitere cGMP-abhängige Proteinkinasen und
Phosphodiesterasen die Effekte der natriuretischen Peptide im Gewebe. In der Niere
erfolgen die biologischen Effekte zusätzlich durch die direkte Interaktion von cGMP an
Amiloridsensitiven Ionenkanälen.
Die Signallöschung erfolgt über Dephosphorylierung am jeweiligen Rezeptor noch
während der Ligand an den Rezeptor gebunden ist. Daraufhin wird der Ligand
Rezeptor-vermittelt endozytiert, von Lysosomen aufgenommen und enzymatisch
gespalten. Zusätzlich können die natriuretischen Peptide durch eine neutrale
membrangebundene Endopeptidase (NEP 24.11) eliminiert werden, dessen aktive
Seite auf der Zelloberfläche lokalisiert ist. Diese einen Zinkanteil enthaltende
Endopeptidase spaltet die Ringstruktur der Peptide und inaktiviert sie auf diese Weise.
Sie ist im ganzen Körper, vor allem aber in Nieren, Lunge, dem zentralen
Nervensystem und in neutrophilen Granulozyten vorhanden [42].
In besonders hoher Konzentration lässt sie sich in der Bürstensaummembran der
proximalen Nierentubuli nachweisen [125].
1 Einleitung
1.2.4
16
Vorteile der Verwendung von NT-proBNP
Aufgrund der geringeren Affinität von BNP zu den genannten Rezeptoren besitzt
dieses Peptid die längste biologische in-vivo Halbwertszeit. Sie beträgt 20 Minuten und
ist somit siebenmal höher als die von ANP. Die Halbwertszeit von NT-proBNP ist mit
60-120 Minuten vergleichsweise noch höher, da das Spaltungsprodukt nicht durch den
hormonellen Einsatz verbraucht wird [116].
NT-proBNP zeichnet im Vergleich zu BNP durch eine längere Plasma-Halbwertszeit
und -stabilität aus. Da es also sowohl im Kreislauf - in vivo - und unter
laborchemischen Bedingungen - in vitro – stabiler ist als BNP [26, 71, 96], eignet es
sich aus praktischen Gründen besonders für Langzeitstudien. Das inaktive Hormon
besitzt eine bessere Diskrimination der kardialen Stresssituation bei ventrikulärer
Dysfunktion, da sich ein kumulativer Effekt bei fehlendem Verbrauch einstellt, während
das aktive BNP eher die momentane Situation wiederspiegelt. Im Gegensatz zu NTproBNP zeigt BNP außerdem eine Beeinflussbarkeit durch Therapeutika wie z.B.
Neseritide, welches zu einer Erhöhung der BNP-Werte führt [116].
1 Einleitung
1.2.5
17
Funktion des N-terminalen Brain Natriuretic Peptide (NT-proBNP)
Bei NT-proBNP handelt es sich um ein hormonelles Peptid, das in der Homöostase
des Blutkreislaufs durch Inhibierung der Natrium-Rückresorption, der Renin- und
Aldosteron-Sekretion sowie des sympathischen Nervensystems Einfluss auf die
Nieren- und Herz-Kreislauffunktion ausübt. Dies führt zu einer verstärkten Diurese und
Natriumausscheidung
mit
Vasodilatation
und
Reduktion
des
intravaskulären
Flüssigkeitsvolumens mit Blutdrucksenkung. Dadurch kommt es zu einer Entlastung
des Herzens bei hypervolämischen Zuständen wie z.B. bei der Herzinsuffizienz [4]. Im
Hirnstamm und im peripheren Nervensystem senken die natriuretischen Peptide die
Aktivität des Sympathikus, im Hypothalamus vermindern sie die Sekretion von ArgininVasopressin und Corticotropin. Der systemische und pulmonale Gefäßwiderstand
sowie die Vor- und Nachlast des Herzens werden somit gesenkt. Im Gehirn haben die
natriuretischen Peptide außerdem Einfluss auf die Hemmung von Durst und
Salzappetit. BNP vermindert als antifibrotischer Faktor zusätzlich die Kollagensynthese
der Herz-Fibroblasten, was einer ventrikulären Hypertrophie entgegenwirkt [68].
Die Aktivierung von proBNP im linksventrikulären Myokard erfolgt schnell („kardiales
Notfallhormon“) und korreliert invers mit der linksventrikulären Pumpfunktion und somit
mit der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) [74, 99]. Die Plasmakonzentration
des Markers steigt mit zunehmendem Schweregrad der Herzinsuffizienz teilweise
überproportional stark an [79] und kann als ein reaktives Peptid bei akuter
Gewebszerstörung z.B. nach einem Myokardinfarkt angesehen werden [132]. NTproBNP ist so auch im Blut messbar, ohne dass dafür ein Zelluntergang stattfinden
muss - im Gegensatz zu den Herzinfarktmarkern wie beispielsweise dem Troponin T/I,
die nur im Blut nachweisbar sind, wenn sterbende Zellen sie freisetzen. BNP und NTproBNP bilden eine natürliche Notwehrfunktion des Herzens ab.
Verschiedene klinische Bedingungen und demographische Daten können die NTproBNP-Werte beeinflussen: Frauen und ältere Leute haben einen bis zu dreifach
höheren NT-proBNP-Spiegel als Männer oder jüngere Leute, Übergewicht ist mit
einem
geringeren
Spiegel
assoziiert
(Angiotensionrezeptor-Antagonisten,
Begleiterkrankungen
wie
[114],
Diuretika
und
verschiedene
und
Schilddrüsenerkrankungen,
Digoxin)
Medikamente
[153]
und
Niereninsuffizienz
[84],
Leberzirrhose [52], Vorhofflimmern [63] und Bluthochdruck [115] können die
Peptidlevel verändern.
1 Einleitung
1.2.6
18
Das NT-proBNP in der aktuellen Forschung
Einige Studien demonstrieren ebenso die Nützlichkeit wie auch die Limitierungen von
natriuretischen Peptiden [142]. Innerhalb der Laboruntersuchungen stellt die
Bestimmung der Peptide „Brain natriuretic peptide“
(BNP) und NT-proBNP eine
wichtige Neuerung in der Diagnostik der Herzinsuffizienz dar. Diese Marker können
hilfreich sein insbesondere zum Ausschluss einer linksventrikulären Pumpstörung bei
symptomatischen
Patienten
und
bieten
zusätzlich
Risikostratifizierung
und
Verlaufskontrollen bei gesicherter Herzinsuffizienz [74].
BAURIEDEL et al. sehen NT-proBNP besonders zur Diagnostik bei linksventrikulärer
Dysfunktion oder Hypertrophie, chronischer Herzinsuffizienz, essentieller Hypertonie,
zur Einschätzung der Prognose nach akutem Myokardinfarkt und generell des
kardialen Status als geeignet an [6].
Andere Studien belegen den Nutzen des Natriuretischen Peptids als Marker zur
Risikostratifizierung und Verlaufskontrolle; So können Patienten auch nach der
Entlassung überwacht und Dekompensationen vermieden werden [50]. Mittels des
Markers können sogar - laut Studienlage - Mortalitätsprognosen unabhängig von der
kardiovaskulären Erkrankung getroffen werden. Ebenso kann differentialdiagnostisch
eine hämodynamisch wirksame Nieren- oder Lebererkrankung durch diesen Marker
detektiert werden [6]. Eine chronische Niereninsuffizienz ist in der Lage über den
Wasserhaushalt eine bereits bestehende Herzinsuffizienz zu verschlechtern [76].
Gleiches gilt für eine hämodynamisch wirksame Leberzirrhose.
So fordern GROENNING et al. BNP als Screening-Instrument für systolische
Herzinsuffizienz in der allgemeinen Bevölkerung einzusetzen [40]. Bei der Suche nach
kostengünstigeren Screeningmethoden für Herzinsuffizienz könnten neurohumorale
Marker in einigen Jahren bereits einen großen Stellenwert einnehmen und vielleicht
schon bald zur ärztlichen Routine am Krankenbett gehören [7].
1 Einleitung
1.3
Kardiologische Rehabilitation in Deutschland
1.3.1
Definition von Rehabilitation
19
Rehabilitation ist eine ärztlich koordinierte, zeitlich begrenzte multiund
interdisziplinäre,
multimodale
Intervention
mit
verhaltensmedizinischer Orientierung. Diese zielt auf Prävention,
Kompensation, Linderung und Verzögerung der Folgen chronischer
Krankheitsprozesse für Aktivitäten und Teilhabe.
1.3.2
Sekundärprävention und Rehabilitation von HerzKreislauferkrankungen
Dekompensationen einer Herzinsuffizienz und ihre Folgeerkrankungen, welche mit
längerfristigen Krankenhaus-Aufenthalten und pflegerischen Maßnahmen verbunden
sind, bedeuten prognostisch ungünstige und zugleich kostspielige Entwicklungen.
Medizinische Strategien, welche solche Dekompensationen mit entsprechenden
Konsequenzen verhindern können, sind deshalb aus medizinischer Sicht nicht nur
sinnvoll, sondern erforderlich und dringend indiziert.
Bei akuter Dekompensation ist körperliche Schonung wichtig [17, 88, 143]. In den
letzten Jahren wurde gezeigt, dass Inaktivität ein eigenständiger kardiovaskulärer
Risikofaktor ist. Somit wurden Bewegungsübungen in die Therapie der chronischen
Herzinsuffizienz eingeführt. Mittlerweile wird auch körperliches Training als wichtiges
Therapieprinzip
anerkannt,
wobei
aerobes
Ausdauertraining,
Gymnastik,
Intervalltraining und auch Krafttraining im Hinblick auf Leistungsverbesserung und
Beeinflussung von Risikofaktoren untersucht wurden [29, 109, 130].
Trotzdem scheuen sich Akutkardiologen immer noch, sorgsam rekompensierte
Patienten einem Bewegungs- oder Trainingsprogramm zuzuweisen. Dabei ist die
Herzinsuffizienz nicht eine rein hämodynamische Erkrankung, sondern eine wie zu
eingangs erwähnte komplexe neurohormonale und metabolische Erkrankung [103].
1 Einleitung
20
Die Nutzen/Risiko-Relation von Bewegungs- und Trainingsprogrammen in der
Therapie und Rehabilitation von kardiovaskulären Erkrankungen wird wesentlich vom
Faktor Belastungsintensität beeinflusst. Man ist daher heute der Ansicht, dass in
NYHA-Stadien I-III ein Aufbautraining sinnvoll sein kann [89]. Hintergründe wurden
bereits im Kapitel 1.1.6.1 „Die Bedeutung körperlichen Trainings zur Therapie der
chronischen Herzinsuffizienz“ beschrieben.
Tabelle 1.4: aktuelle Trainingsempfehlungen für ein aerobes Ausdauertraining
für Herzinsuffizienz-Patienten (mod. nach [21, 151]).
Allgemeines, dynamisches, aerobes Ausdauertraining
Trainingsart: Ergometrie mit Monitoring
Phase
Intensität
Dauer
Beginnend ca. 5 Minuten,
Vorbereitung
40-50 % VO2-peak
allmähliche Steigerung
auf 10 Minuten
Belastungssteigerung abhängig
Aufbau
von Toleranz und klinischem
10-20 (30) Minuten
Status bis 80 % VO2-peak
Stabilisierung
Langfristige Stabilisierung auf
dem erreichten Niveau
15-45 Minuten
Häufigkeit
3-5
Tage/Woche
3-5
Tage/Woche
3-5
Tage/Woche
Bei der Herzinsuffizienz muss aber unter Umständen die Trainingsintensität und der
Umfang beim Ausdauertraining so weit reduziert werden, dass damit kein
Trainingseffekt erzielt werden kann. Je nach Schweregrad der Erkrankung bieten sich
dann verschiedene Modelle an; für Patienten mit mittel- bis hochgradig eingeschränkter
Funktion hat sich ein Intervallprogramm bewährt mit dem Ziel, die periphere Muskulatur
zu stärken ohne das Herz zu belasten [89, 90, 91].
Zusätzlich spielen weitere Therapiemodalitäten wie Gymnastik (Hockergymnastik),
Sportspiele, Geschicklichkeits- und Koordinationsübungen eine wichtige Rolle [28].
Nicht zu vergessen sind Therapiemaßnahmen wie
•
psychologische Betreuung
•
Ernährungsberatung und Gewichtskontrolle
•
Gesundheitstraining
•
Entspannungstherapie
Patientenschulungen können die Gefahr einer Fehlbelastung vermindern und die hohe
Quote stationärer Wiederaufnahmen möglicherweise reduzieren [8].
1 Einleitung
1.4
21
Fragestellung
In Deutschland stellt eine Verschlechterung der chronischen Herzinsuffizienz mit
Dekompensation und Klinikeinweisung eine Indikation für eine stationäre oder
ambulante Rehabilitationsmaßnahme dar [13]. Inwieweit eine strukturierte multimodale
Intervention im Sinne einer kardiologischen Rehabilitation jedoch einen Einfluss auf
den Verlauf der Herzinsuffizienz einerseits hat und welche Faktoren hierfür anderseits
eine
statistisch
signifikante
Bedeutung
haben
und
hierbei
maßgeblich
zur
Prognoseverbesserung beitragen, ist nicht im Sinne einer kontrollierten, Evidenzbasierten so genannten Endpunktstudie gesichert.
In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, inwiefern Patienten mit
chronischer Herzinsuffizienz NYHA II-III, welche sich nach einer klinischen
Dekompensation mit Aufenthalt im Akutkrankenhaus einer rehabilitativen Intervention
unterzogen von einer solchen Therapie im Vergleich zu einer ambulanten
Kontrollgruppe profitieren – unter Verwendung des Surrogat-Parameters NT-proBNP.
Diese Arbeit nutzt Daten der Quer- und Längsschnitt-Studie „NT-proBNP: eine MultiCenter-6-Monats-Studie“ und verarbeitet sie zur erstmaligen Erfassung von NTproBNP-Daten.
1.4.1
Arbeitshypothese
Hierbei wird ein positiver Effekt des Interventions-Programms auf die NT-proBNPSpiegel während des stationären Aufenthaltes, und entweder eine Konstanz dieser
Werte nach der Entlassung oder – aufgrund von mangelnder Compliance – sogar ein
Wiederanstieg der Werte bis zu sechs Monaten nach Entlassung erwartet.
2 Material und Methoden
2
Material und Methoden
2.1
Studienpopulation
22
Das Patientenkollektiv dieser multizentrischen Studie setzt sich aus zwei Gruppen
zusammen:
•
85 Patienten der Rehabilitationsgruppe (R)
•
43 Patienten der ambulanten Kontrollgruppe (K)
Aufgrund der sozialmedizinischen Situation in Deutschland war eine Randomisierung
der Patienten in Rehabilitations- und Kontrollgruppe nicht möglich. Daher konnte keine
Randomisierung erfolgen, sodass die Rehabilitationsgruppe nur mit einem historischen
Kontrollkollektiv von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz in ambulanter
Behandlung verglichen werden konnte.
2.1.1
Reha-Kollektiv
85 Patienten (74 Männer, 11 Frauen) mit chronischer Herzinsuffizienz wurden aus
verschiedenen medizinischen Zentren (Tabelle 2.1) für die vorliegende Studie
ausgesucht. Die Studie begann im März 2004 und wurde mit Erhebung der letzten
Patientendaten im September 2005 beendet.
Tabelle 2.1: Teilnehmende Rehazentren
Reha-Kliniken
Betreuende Ärzte
Anzahl
Median Kliniken, Bad Krozingen
Dr. R. Brantner, Prof. Dr. C. Holubarsch
21
Bad Wörrishofen
Dr. M. Serafin
20
Bliestal-Kliniken, Blieskastel
Dr. G. Berg
14
Dr. T. Witt
11
Bad Schönborn
PD Dr. Fries
11
Elbe-Saale-Klinik, Barby
Dr. Montanus
8
LVA Herz-Kreislaufklinik,
Fachklinik Sonnenhof,
Waldachtal
Gotthard-Schettler-Klinik,
Reihenfolge der teilnehmenden Reha-Zentren, in Abhängigkeit von der Anzahl der rekrutierten Patienten
2 Material und Methoden
23
Einschlusskriterien für die Patienten der Reha-Gruppe waren:
Chronische Herzinsuffizienz NYHA II-III zum Zeitpunkt des Eintritts in die Studie mit
stationärer
Aufnahme
in
eine
Rehabilitationsklinik
im
Sinne
einer
Anschlussheilbehandlung oder eines Heilverfahrens.
Die Ätiologie der linksventrikulären Dysfunktion durfte sein:
•
Koronare Herzerkrankung (KHK) oder ischämische Kardiomyopathie (ICM)
•
Idiopathische dilatative Kardiomyopathie (IDC)
•
Arterielle Hypertonie
Zudem mussten die Patienten zu Beginn der Studie eine linksventrikuläre
Ejektionsfraktion (LVEF) von ≤ 35% haben und älter als 18 Jahre sein.
Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Universität Freiburg geprüft. Die
schriftliche Einverständniserklärung des Patienten war Voraussetzung für die
Aufnahme in die Studie.
Als Ausschlusskriterien galten:
Eine chronische Herzinsuffizienz im Stadium NYHA I oder IV, ventrikuläre
Tachykardien - ohne Schutz durch Medikamente oder implantierbaren KardioverterDefibrillator, ein Sick-Sinus-Syndrom oder ein AV-Block II. oder III. Grades ohne
Schutz durch einen Schrittmacher, angeborene Herzfehler, hämodynamisch relevante
Herzklappenerkrankungen, eine hypertrophe oder restriktive Kardiomyopathie oder
eine linksventrikuläre Hypertrophie ohne Dilatation. Akute kardiale Ereignisse wie
Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris oder eine Herzoperation bzw. eine kardiale
Intervention wie PTCA und Stenting durfte nicht kürzer als 14 Tage vor Eintritt in die
Studie stattgefunden haben. Ebenso wurden keine Patienten hinzugenommen, bei
denen
ein
chirurgischer
oder
interventioneller
Eingriff
während
des
Beobachtungszeitraumes geplant war. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Patienten mit
einer malignen Grunderkrankung.
Da eine chronische Niereninsuffizienz die NT-proBNP-Werte beeinflusst, waren
ebenfalls Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz mit einem Kreatinin ≥ 2,5 mg/dl
von der Studie ausgeschlossen. Ebenfalls litt keiner der beteiligten Patienten an einer
hämodynamisch wirksamen Leberzirrhose.
Insgesamt brachen 13 Patienten vorzeitig die Studie ab: eine Patientin aufgrund eines
Tumorleidens, der restliche Patientenanteil aus mangelnder Compliance.
2 Material und Methoden
2.1.2
24
Kontroll-Kollektiv
Die historische Kontrollgruppe wurde nach Abschluss der Studie in den Reha-Kliniken
aus der Herzinsuffizienzambulanz des Universitätsklinikums Heidelberg rekrutiert. Sie
bestand aus n=43 Patienten, die sich in der dortigen Ambulanz regelmäßig medizinisch
kontrollieren ließen und bei welchen die NT-proBNP-Werte im Follow-up in einem
Intervall von 180 ± 10 Tagen analysiert wurden. Die Daten stammen aus der Zeit vom
Oktober 2000 bis März 2006 einschließlich der Nachbeobachtungszeit von sechs
Monaten und sind eben aus sozialmedizinischen genannten Gründen historisch
ausgewählt.
Die demographischen Daten unterscheiden sich – bis auf die unterschiedliche
Verteilung der Ätiologie der Herzinsuffizienz – nicht von denen der Reha-Gruppe
(Tabelle 2.2).
Alle Patienten wurden in der Herzinsuffizienz-Ambulanz betreut, weil sie zuvor (2 bis 4
Wochen) wegen einer Dekompensation ihrer Herzinsuffizienz stationär behandelt
worden waren.
Tabelle 2.2:
Alter, Geschlecht, Ätiologie und
linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) der Reha- und
Kontrollgruppe
Reha-Gruppe
Kontroll-Gruppe
85
43
Alter (Jahre)
59 ± 11
59 ± 10
Geschlecht
87% M./ 13% W.
84% M./ 16% W.
KHK/IDC
65% / 35%
40% / 60%
LVEF (%)
27 ± 7
22 ± 7
N
± angegeben sind jeweils die Mittelwerte mit ihren Standardabweichungen
LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion zu Beginn der Messungen (t1)
KHK: Koronare Herzkrankheit; IDC: Idiopathische Dilatative Kardiomyopathie
M: männlich; W: weiblich
2 Material und Methoden
2.2
25
Studiendesign
Ziel der Studie war die serielle Erfassung von NT-proBNP-Werten bei sowohl
Patienten,
die
sich
Trainingseinheiten
in
einem
befanden,
Rehabilitationsprogramm
als
auch
bei
mit
ambulanten
gezielt
kardialen
Patienten,
deren
Herzinsuffizienz rein medikamentös behandelt wurde.
2.2.1 Reha-Kollektiv
Als Surrogat-Parameter für Herzinsuffizienz wurde der NT-proBNP-Spiegel dreifach
während des stationären Aufenthaltes (R1, R2, R3) bestimmt. Um die Auswirkungen
einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bei diesen Patienten im Langzeitverlauf zu
evaluieren, wurden NT-proBNP-Werte in Zusammenarbeit mit den Hausärzten drei
Monate (R4) und sechs Monate (R5) nach Entlassung aus den Rehabilitationskliniken
bestimmt.
Ein kompletter Datensatz wurde bei n=61 Patienten erreicht. Parallel zu dieser
laborchemischen
Körpergewicht,
Erfassung
wurden
Ausdauertraining
vitale
und
Parameter
Symptome
wie
durch
Blutdruck,
das
Puls,
Führen
von
Patiententagebüchern erfasst. Patientenfragebögen nach dem Heart Failure-Minnesota
Score komplettieren die Studie; diese sollen jedoch nicht Inhalt dieser Auswertungen
sein. Zusätzlich stehen die ergometrischen und echokardiographischen Daten, die
während des stationären Aufenthaltes in der Reha-Klinik erhoben wurden, zur
Verfügung.
2.2.2
Die
Kontroll-Kollektiv
NT-proBNP-Bestimmungen
der
ambulanten
Herzinsuffizienzgruppe
erfolgten bei erstmaliger Vorstellung (K1) und nach ebenfalls 6
Wiedervorstellung.
(n=43)
Monaten (K2)
2 Material und Methoden
2.2.3
26
Strukturierte multimodale Intervention
Alle sechs Reha-Zentren (Tabelle 2.1) boten ihren Patienten eine Herz-KreislaufRehabilitation nach modernsten Kriterien an, welche aus folgenden Elementen
bestand:
(1) Optimierung der medikamentösen Therapie
(2) Einweisung in und Durchführung eines täglichen körperlichen Trainings
(3) Systematische Information und Ausbildung – die Krankheit, Ernähung
und das Patientenverhalten betreffend
(4) Erlernen und Ausführen von Entspannungs-Techniken.
(1)
Optimierung der medikamentösen Therapie:
Einsatz- oder Dosis-Optimierung von β-Blockern mit folgender Zieldosis: Carvedilol
2x25 mg, Bisoprolol 1x10 mg, Metoprolol in retardierter Form 1x200 mg oder Nebivolol
1x10 mg.
Einsatz– oder Dosisoptimierung von ACE-Hemmern mit folgender Zieldosis: Ramipril
1x10 mg, Enalapril 2x10 mg, Lisinopril 1x40 mg, Benazepril 2x10 mg.
Bei Unverträglichkeit von ACE-Hemmern (Husten) wurde ein Ersatz durch AT1-Blocker
gewählt.
Eine Kombination von ACE-Hemmern und AT1-Blockern wurde erlaubt, jedoch nicht
gezielt angestrebt.
Einsatz von Aldosteron-Antagonisten Spironolacton und Eplerenon mit jeweils 25 mg,
Eine bereits bestehende Therapie mit Digitalis (Digoxin, Digitoxin) wurde unverändert
belassen,
2 Material und Methoden
(2)
27
Einweisung und Durchführung eines täglichen kontrollierten körperlichen
Trainings:
Obligatorisches
EKG-kontrolliertes
Ergometertraining,
beginnend
auf
niedriger
Belastungsstufe für 20 Minuten pro Tag. Die Wattzahl wurde in Abhängigkeit vom
subjektiven
Wohlbefinden
und
objektiven
Kriterien
wie
linksventrikulärer
Ejektionsfraktion und maximaler Leistungsfähigkeit gesteigert. In einigen wenigen
Fällen mit sehr reduzierter Leistungsfähigkeit wurde ein individuelles Intervall-Training
absolviert.
Des Weiteren nahmen alle Patienten an der Koronarsportgruppe, der medizinischen
Trainings-Therapie und am Nordic Walking – je nach persönlicher Neigung und
Entscheidung – teil. Bezüglich des Laufens (Spazieren, Wandern, Walking, Jogging)
fand eine individuelle Beratung statt. Schwimmen war bei diesen Patienten mit
chronischer Herzinsuffizienz und einer LVEF ≤ 35% nicht erlaubt. Die Patienten
wurden
angehalten,
unter
häuslichen
Bedingungen
ein
ebensolches
Trainingsprogramm einzuhalten; eine ambulante Koronarsportgruppe wurde allen
Patienten empfohlen.
(3)
Systematische Information und Ausbildung – die Krankheit, Ernährung
und das Patientenverhalten betreffend:
Es
erfolgte
eine
individuell-orientierte
aber
wissenschaftlich
fundierte
Ernährungsberatung - die Belange eines herzinsuffizienten Patienten betreffend - mit
der Empfehlung für kochsalzarme
und kaliumreiche Kost, zuckerreduzierte Kost,
kalorienkontrollierte Ernährung sowie – bei KHK-Patienten – eine cholesterin- und
fettarme Ernährung.
(4)
Erlernen und Ausführen von Entspannungs-Techniken
Hierbei kamen Autogenes Training und progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
zum Einsatz.
2 Material und Methoden
2.3
Laboruntersuchungen
2.3.1
NT-proBNP-Test (Roche)
28
Seit ihrer Entdeckung im Jahre 1981 stehen die natriuretischen Peptide als
pharmakologische Wirkstoffe und labordiagnostische Parameter im Interesse der
klinischen
Forschung.
Als
Diagnosemarker
haben
Forschungsergebnisse das „Brain natriuretic peptide“
sich
aufgrund
der
(BNP) und NT-proBNP
gegenüber anderen biochemischen Markern wie Norepinephrin, Angiotensin II,
Adrenomedullin und Endothelin sowie den natriuretischen Peptiden ANP und NTproANP als überlegen erwiesen [132].
Für die Anwendung in der Labordiagnostik sind die hohe Probenstabilität und die
problemlose Präanalytik der NT-proBNP-Bestimmung von Bedeutung. Zur Bestimmung
des NT-proBNP können die gebräuchlichen Probenmaterialien Serum, Heparin- und
EDTA-Plasma
eingesetzt
werden.
Die
Lagerung
des
Probenmaterials
(Vollblut/Serum/Plasma) bei Raumtemperatur bis zu 72 Stunden und Serum/Plasma
bei Kühlschranktemperatur (+ 4° Celsius) über 26 Tage f ührt nicht zu einer Abnahme
der NT-proBNP-Konzentration in der Probe und erlaubt daher auch den problemlosen
Versand von Vollblutproben an das Labor. Darüber hinaus sind bei der Blutentnahme
keine besonderen Einschränkungen zu beachten. Eine zirkadiane Rhythmik,
diätetische Einflüsse oder Abhängigkeit von körperlicher Aktivität konnten nicht
nachgewiesen werden [138].
NT-proBNP wurde in der vorliegenden Studie mit der modernen Hochqualitätsanalytik
der Elektrochemilumineszenz „Elecsys® proBNP“ des Herstellers Roche Diagnostics
GmbH, Mannheim in Kooperation mit Lab Consult Freiburg bestimmt. Das Prinzip der
etwa 18 Minuten dauernden Messung basiert auf einem ElektrochemilumineszenzSandwich-Immunoassay (ECLIA), der als ein immunologisches Nachweisverfahren auf
einer enzymatischen Farbreaktion basiert. Dabei wird zunächst die Probe (20 µl) mit
zwei polyklonalen Antikörpern gegen Epitope in der N-terminalen und C-terminalen
Region des NT-proBNP (Epitop 1: 1-21, Epitop 2: 39-51) inkubiert, wobei es zur
Bildung eines Sandwichkomplexes kommt. Der Antikörper des Epitops 1 ist dabei
biotinyliert, der am Epitop 2 Ruthenium-markiert. Anschließend wird durch Zugabe von
Streptavidin-beschichteten
Mikropartikeln
der
Sandwich-Komplex
über
den
biotinylierten Antikörper an die Festphase der Mikropartikel gebunden. Nach
Abtrennung der nicht gebunden Anteile in einem Waschschritt wird der restliche
2 Material und Methoden
29
Komplex in eine Messzelle überführt, wo er magnetisch an die Oberfläche einer
Elektrode fixiert wird. Daraufhin kann die elektrisch induzierte ChemilumineszenzEmission durch einen Photomultiplier detektiert werden.
Der Messbereich des Verfahrens liegt zwischen 5 pg/ml und 53000 pg/ml, die untere
Nachweisgrenze wurde bei 3,4 pg/ml festgesetzt. Als Probenmaterial diente
Blutplasma in EDTA-Plastikröhrchen, das zur Aufbewahrung bei -20° Celsius gelagert
war.
Analytisch gibt es keine Kreuzreaktionen (< 0,001%) mit ANP, NT-proBNP und
proBNP, keine Interferenzen und keinen „High Dose Hook Effekt“ bis zu
Konzentrationen von 373000 pg/ml. Mit Medikamenten konnten keine Interferenzen
festgestellt werden [116].
Diverse Studien belegen die messtechnische Überlegenheit des Elecsys Teststreifen
gegenüber anderen Messverfahren [97, 138].
Dieses Testprinzip zeichnet sich durch hohe analytische Präzision sowie durch
Automatisierung aus. Damit sind die wichtigsten methodischen Voraussetzungen für
die medizinische Alltagsroutine gegeben:
•
schnelle Verfügbarkeit der Testergebnisse
•
keine Einschränkung bei Probengewinnung und Probenversand
•
Zuverlässigkeit der Analytik und sichere evidenzbasierte Interpretation
•
Klinisch gesicherte Referenzbereiche als Interpretationsbasis
2 Material und Methoden
2.4
30
Klinische Untersuchungen
Da eine gute Aufklärung des Patienten über seine Erkrankung und die damit
verbundene Durchführung einer Studie zur Evaluation einer möglichen Verbesserung
des Verlaufs seiner Erkrankung das Verständnis für die mit der Teilnahme an einer
solchen Studie verbundenen Compliance erhöht, erfolgte diese sowohl schriftlich als
auch mündlich durch den betreuenden Arzt.
Die Patienten erklärten hierbei ihr Einverständnis für eine fünfmalige Blutentnahme,
das viermalige Ausfüllen des Patienten-Fragebogens, das Führen des PatientenTagebuchs über sechs Monate sowie zwei Telefonkontakte durch den behandelnden
Arzt.
2.4.1 Patienten-Stammblatt
Zu Beginn des jeweiligen Rehabilitationsaufenthaltes des Patienten wurde für ihn ein
Patientenstammblatt durch den betreuenden Arzt angelegt.
Darin enthalten waren:
•
Personenbezogene Daten wie Geburtsdatum
•
Aufnahme-Parameter wie Datum, Herzfrequenz, Blutdruck, Körpergewicht, die
LVEF der Herz-Echokardiographie (Herz-ECHO) aus der zuweisenden Klinik
und einige wichtige Laborparameter wie Kreatinin, Kalium, C-reaktives Protein
(CRP) und der Hämoglobinwert (Hb) des Patienten
•
Es enthielt die Hauptdiagnosen
•
Sowie die medikamentöse Therapie bei Aufnahme und bei Entlassung
•
Ebenfalls machte es Angaben zur Trainings-Therapie des Patienten,
betreffend die Art, die Häufigkeit, die Dauer und die Intensität der Übung zu
Beginn und am Ende des Reha-Aufenthaltes
•
Zuletzt wurden die Entlass-Parameter ebenfalls in Datum, Herzfrequenz,
Blutdruck, Körpergewicht und LVEF der Herz-Echokardiographie – diesmal aus
der Reha-Klinik – festgehalten.
2 Material und Methoden
31
Zusätzlich zu diesen Patienten-Parametern aus dem Stammblatt wurden die
Entlassbriefe der Reha-Kliniken für die jeweiligen Patienten angefordert, um weiter
Parameter
wie
zum
Beispiel
den
Body-Mass-Index
(BMI)
zur
Auswertung
hinzuzunehmen. Außerdem waren so die Nebendiagnosen und das Vorliegen
sämtlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren (CVR) ersichtlich sowie eine Überwachung
der Trainingseinheiten möglich.
Somit konnten folgende Parameter erfasst werden:
•
Alter
•
Geschlecht
•
Hauptdiagnose: KHK oder IDC
•
Body-Mass-Index (BMI) in kg/m²
•
Herzfrequenz (HF) in Schlägen/min
•
Blutdruckwerte (RR) in mmHg
•
linksventrikuläre Ejektionsfraktion in % zu Beginn (LVEF)
•
Kreatinin
•
Medikation zu Beginn der Studie
2 Material und Methoden
2.4.2
32
Patienten-Tagebuch
Um die Patienten bezüglich ihrer Compliance bei der Medikamenteneinnahme, der
sportlichen Aktivität und der Ernährungs- und Verhaltensweise zu unterstützen, wurde
ein Patienten-Tagebuch erfasst, welches jeder Patient während des stationären
Aufenthaltes erhielt, im Sinne einer Compliance-Kontrolle über die sechs Monaten
Beobachtungszeitraum
führte,
und
anschließend
an
das
jeweilige
Zentrum
zurücksandte. In dieses Tagebuch wurden täglich das Körpergewicht, der Blutdruck
und die Herzfrequenz protokolliert. Ebenfalls dokumentiert wurden Veränderungen der
Medikation, Arztbesuche und Klinikaufenthalte. Komplettiert wurde das ComplianceTagebuch durch individuelle, telefonisch geführte Gespräche der betreuenden Ärzte
mit
den
Patienten.
So
erhielten
wir
als
Abschluss
der
sechsmonatigen
Nachbeobachtungszeit ein Bild von der jeweiligen Entwicklung der chronischen
Herzinsuffizienz eines jeden Patienten.
2.4.3
Patienten-Fragebögen
Patientenfragebögen nach dem Heart Failure-Minnesota Score komplettierten die
Studie. Sie erfragen die Lebensqualität bezüglich „Leben mit Herzinsuffizienz“.
Diese Bögen sollen jedoch nicht Inhalt dieser Auswertungen sein, sondern werden
durch einen Psychologen getrennt begutachtet.
2 Material und Methoden
2.5
33
Statistische Auswertung
Die statistischen Berechnungen erfolgten mit dem Softwareprogramm Excel für
Windows. Die beiden Studienkollektive sind nicht normal verteilt; daher werden in den
Berechnungen über die Entwicklung der NT-proBNP-Werte die kontinuierlichen
Variablen als Median und die Spannweite mit dem Interquartilen Range Test
angegeben. Statistische Analysen wurden durchgeführt für alle Patienten (n = 85); bei
den unvollständigen Datensätzen (n=61) wurde zur besseren Vergleichbarkeit der
Gruppen die Methode „last-value-carried-forward“ angewandt.
Für die Beobachtung der möglichen Einflussfaktoren setzten wir folgende statistische
Methoden ein [48, 120, 123]:
(1) Pearson’scher Korrelations-Koeffizient
(2) Wilcoxon-(Rangsummen-)Test
(3) Prozedur für das allgemeine lineare Modell: wiederholte Varianz-Messanalyse
(4) Regressionsanalyse
2 Material und Methoden
(1)
34
Der lineare Zusammenhang von Alter, BMI, Herzfrequenz, systolischem und
diastolischem Blutdruck, der Ejektionsfraktion sowie dem Kreatininwert einerseits und
den NT-proBNP-Werten andererseits wurde anhand des Korrelationskoeffizienten oder
der Produkt-Moment-Korrelation (von Bravais und Pearson, daher auch PearsonKorrelation genannt) errechnet.
(2)
Der Man-Whitney-Wilcoxon-Test ist ein Verfahren aus dem Bereich der
Varianzanalyse und gehört zu den Rangsummentests. Er wird eingesetzt, wenn eine
unbekannte Verteilung der Daten vorliegt und der Student-t-Test nicht eingesetzt
werden kann. Er ist der gebräuchlichste nichtparametrische Test für den Vergleich
zweier
unabhängiger
Gruppen
für
unverbundene
Stichproben.
Diese
paarigen/abhängigen Stichproben werden auf Signifikanz geprüft. Unterschiede
zwischen Medianen wurden mit der Hilfe des Chi-Quadrat-Tests geprüft. Als
Signifikanzniveau wurde p > 0,05 (5%) angenommen.
(3)
Mit der Prozedur für das allgemeine lineare Modell lassen sich wiederholte
Varianzanalysen und Kovarianzanalysen durchführen. Besonders geeignet ist sie
jedoch für Varianzanalysen, auch mit unbalancierten Designs, das heißt, wenn die
Gruppen verschieden groß sind wie im vorliegenden Fall.
(4)
Die Regressionsanalyse basiert ebenfalls auf einer Varianzanalyse.
Der Determinationskoeffizient R², der den beiden Prozeduren gleich ist, stellt die
„Variabilität“ als Summe der Quadrate dar. Er gibt an, wie gut eine Regressionslinie die
tatsächlichen Datenpunkte eines annähernd linearen Modells approximiert.
3 Ergebnis
3
35
Ergebnisse
Die Arbeit untersucht, ob und inwieweit eine stationär durchgeführte und multimodal
strukturierte Intervention bei chronischen Herzinsuffizienzpatienten einen Einfluss auf
den Verlauf der Herzinsuffizienz hat und welche Faktoren hierfür eine statistisch
signifikante Bedeutung haben und deshalb maßgeblich zur Prognoseverbesserung
beitragen.
Dabei werden Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz NYHA II-III, welche sich nach
einer
klinischen
rehabilitativen
Dekompensation
Intervention
mit
Aufenthalt
unterzogen,
im
im
Vergleich
Akutkrankenhaus
zu
einer
einer
ambulanten
Kontrollgruppe untersucht. Diese Arbeit nutzt Daten der Quer- und Längsschnitt-Studie
„NT-proBNP: eine Multi-Center-6-Monats-Studie“.
3.1
Vergleich der Studiengruppen
3.1.1
Klinisch anamnestische Daten
Die klinischen Daten des Gesamtstudienkollektivs zum Zeitpunkt der Aufnahme der
Patienten in die Studie sind in Tabelle 3.1 dargestellt.
Wesentlich unterscheiden sich die beiden Studiengruppen lediglich in der prozentualen
Verteilung der Hauptdiagnosen: während in der Reha-Gruppe die Koronare
Herzkrankheit 65% ursächlich für die chronische Herzinsuffizienz ist, sind in der
Kontrollgruppe 60% auf eine Dilatative Kardiomyopathie zurückzuführen.
Die Reha-Gruppe stellt mit n = 85 ein doppelt so großes Patientenkollektiv im Vergleich
zur Kontrollgruppe dar.
Ansonsten hat die Reha-Gruppe einen im Schnitt 13 mmHg höheren systolischen und
um 5 mmHg höheren diastolischen Ausgangs-Blutdruckswert. Auch ist die LVEF in der
Kontroll-Gruppe um 5% erniedrigt gegenüber dem Wert der Reha-Gruppe.
3 Ergebnis
36
Tabelle 3.1: klinische Daten des Gesamtstudienkollektivs bei Aufnahme
Reha-Gruppe
Kontroll-Gruppe
Patientenanzahl
n=85
n=43
Alter (in Jahren)
59,0 ± 11
59,4 ± 10
Geschlecht (männlich/weiblich)
87% / 13%
84% / 16%
KHK/DCM
65% / 35%
40% / 60%
NYHA-Klasse
2-3
2-3
Body-Mass-Index (kg/m²)
27,6 ± 5,4
28,3 ± 4,6
Herzfrequenz (/min)
80 ±13
73 ± 13
Systolischer Blutdruck (mmHg)
121 ± 22
108 ± 22
Diastolischer Blutdruck (mmHg)
76 ± 12
71 ± 12
LV-EF (%)
27 ± 7
22 ± 7
Kreatinin (mg/dl)
1,1 ± 0,29
1,3 ± 0,39
± angegeben sind jeweils die Mittelwerte mit ihren Standardabweichungen
3.1.2
Medikation bei Aufnahme
Tabelle 3.2 zeigt die Medikamentengruppen, die zur Unterstützung der Behandlung
der chronischen Herzinsuffizienz sowohl in der ambulant behandelten Kontroll-Gruppe
wie auch der Reha-Gruppe mit einem intensivierten Bewegungsprogramm verordnet
wurden. Angegeben sind jeweils die Anzahl der Patienten, die regelmäßig das
Medikament über den Studienzeitraum eingenommen haben.
Dabei zeigen sich in 3 Medikamentengruppen unterschiedlich häufige Gabe an
Patienten in Reha- und Kontroll-Gruppe:
Tabelle 3.2: Medikation des Gesamtstudienkollektivs bei Aufnahme
Reha-Gruppe
Kontroll-Gruppe
Schleifendiuretikum
44 (52%)
23 (54%)
Thiaziddiuretikum
39 (46%)
4 (9%)
Aldosteronantagonist
41 (48%)
22 (51%)
ACE-Hemmer
68 (80%)
36 (84%)
8 (9%)
20 (47%)
β-Rezeptorblocker
69 (81%)
42 (98%)
Herzglykosid
19 (22%)
18 (42%)
AT1-Rezeptor-Antagonist
3 Ergebnis
37
Ein Thiaziddiuretikum wurde fünfmal so häufig in der Reha-Gruppe im Vergleich zur
Kontrollgruppe verordnet und eingenommen. Außerdem fand eine fünfmal höhere
Verschreibung von Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten in der Kontroll-Gruppe aus
Heidelberg statt. Ebenso wurde die Herzfunktion dieser Gruppe doppelt so oft durch
ein Herzglykosid unterstützt.
3.1.3
NT-proBNP-Messwerte
Der Hauptlaborparameter NT-proBNP, dem diese Studie zugrunde liegt und der hier
als Surrogatparameter für die Entwicklung der Herzinsuffizienz untersucht wird, ist
entsprechend der Blutabnahme in beiden Gruppen in Tabelle 3.3 verdeutlicht.
R1, R2 und R3 repräsentieren Blutabnahmen während des stationären Aufenthaltes,
R4 entspricht dem 3-Monats- und R5 dem 6-Monatswert. K1 bei Beginn und K2 sechs
Monate nach Beginn der ambulanten Betreuung.
Da in der Reha-Gruppe lediglich ein kompletter Datensatz der NT-proBNP-Werte für 61
Patienten vorlag, wurden bei den fehlenden R4- und R5-Abnahmen nach der
statischen Methode „last value carried forward“ die R3- und R4-Werte weitergezogen
und so von einer Konstanz dieser Werte ausgegangen.
Tabelle 3.3 : NT-proBNP-Messwerte des Gesamtstudienkollektivs
Reha-Gruppe
R1
R2
R3
R4
R5
Median (pg/ml)
1988
1731
1825
1016
858
Messwert in %
100
87
92
51
43
logNT-proBNP
1,30
1,21
1,20
1,05
0,98
Q1 (pg/ml)
1144
886
897
581
323
Q3 (pg/ml)
3433
3030
2576
1785
1703
K1
K2
Median (pg/ml)
1300
1128
Messwert in %
100
87
logNT-proBNP
1,20
1,13
Q1 (pg/ml)
748
575
Q3 (pg/ml)
3211
2617
N = 85
Kontroll-Gruppe
N = 43
3 Ergebnis
38
Aus der Auflistung geht deutlich hervor, dass die NT-proBNP-Werte in der RehaGruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe über den Beobachtungszeitraum stärker
absinken: In der Reha-Gruppe ergaben die Messungen im Median 1988 pg/ml (100%)
zum Zeitpunkt R1, 1731 pg/ml (87%) zu Mittel des Rehabilitationsaufenthaltes. Gegen
Ende der stationären Behandlung stiegen die Werte leicht auf 1825 pg/ml (92%) an.
Entgegen unserer Ausgangshypothese fielen die Werte dann aber noch nach dem
stationären Programm ab: zum Messzeitpunkt nach drei Monaten ergab sich ein
Median von 1016 pg/ml (51%) und nach sechs Monaten ein Median von 858 pg/ml
(43%), was einer prozentualen Abnahme zum R1-Wert von 57% auf macht.
Die Kontroll-Gruppe zeigt hingegen im Verlauf von sechs Monaten lediglich einen
Abfall von 1300 pg/ml (100%; K1) auf 1128 pg/ml (87%; K2). Hier liegen keine
Zwischenwerte vor, so dass Schwankungen in dem Beobachtungszeitraum in dieser
Gruppe nicht erfasst werden konnten.
Alle Werte sind mit dem IQR-Intervall (Interquartiler Rangtest) angegeben. Dieses zeigt
den Werteverlauf bis zur 1. (untere) bzw. 3. (obere) Perzentile d.h. bis zu dem Wert,
unter dem 25% bzw. 75% aller gemessener Werte liegen.
Der Ausgangswert liegt bei der Reha-Gruppe mit 1988 pg/ml zwar um fast 700 pg/ml
höher als in der Kontrollgruppe mit 1300 pg/ml, sinkt aber ebenfalls in der
logarithmierten
Form
(log10(100+x)-2),
die
hier
zur
besseren
statistischen
Vergleichbarkeit der beiden Gruppen berechnet und hinzugefügt wurde, ebenfalls
signifikant ab (Abbildung 3.1).
4.000
NT-proBNP (pg/ml)
3.500
3.000
2.500
2.000
1988
1.500
1.300
1.000
1.128
858*
500
0
R1
Abbildung 3.1:
R5
K1
K2
NT-proBNP-Werte am Anfang und nach 6 Monaten für die
Kontrollgruppe (n = 43, nicht signifikant, K1 und K2) sowie
für die Rehagruppe (n = 85, * p < 0.001 für R1 nach R5)
3 Ergebnis
3.2
39
Ergebnisse im Reha-Kollektiv
Um die genaueren Gründe für den klinisch positiven Verlauf der NT-proBNP-Werte zu
verstehen, werden nun die einzelnen Entwicklungen in der Reha-Gruppe und speziell
in den einzelnen, von uns zur Abklärung der Gründe für den starken Abfall des
Surrogatparameters eingeführten Untergruppen der Reha-Gruppe analysiert und mit
einer Graphik verdeutlicht.
3.2.1
NT-proBNP-Verläufe in der Rehabilitationsgruppe
Zur besseren Ansicht der Einzelwerte im Reha-Kollektiv zeigt Abbildung 3.2 den
graphischen Verlauf der Mediane mit dem IQR-Intervall. Die Kurve beschreibt einen
annähernd linearen Verlauf über die Zeit mit Ausnahme des R3-Wertes, den wir hier
als „Ausreißer“ festhalten wollen. Umso stärker stellt sich demnach der Abfall von R3
nach R4 dar.
4.000
NT-proBNP (pg/ml)
3.500
3.000
2.500
2.000
1.988
1.731
1825
1.500
1016*
1.000
858
500
0
R1
Abbildung 3.2:
R2
R3
R4
NT-proBNP-Werte der Rehabilitationsgruppe (n=85),
* signifikanter Abfall von R3 nach R4
R5
3 Ergebnis
3.2.2
40
NT-proBNP-Verläufe in den Untergruppen
Um einen genaueren Hinweis für die Gründe des signifikanten Abfalls der RehaGruppe zu finden, wurde diese Gruppe in Responder (R), Non-Responder (NR) und
Therapieversager (TV) eingeteilt:
Ansprechen der
statistische Definition
Rehabilitation
Responder (R)
Patient zu R5 mit NTproBNP-Wert < 75%
Non-Responder (NR)
Patient zu R5 mit NT-proBNP-Wert >75%, aber < 125%
Therapieversager (TV)
Patient zu R5 mit NT-proBNP-Wert > 125%
Die im folgenden den Verlauf der NT-proBNP-Spiegel graphisch darstellende
Übersichten zeigen jeweils die dick gedruckten Medianwerte. Dem IQR-Intervall sind
zur Übersicht über den Werteumfang ebenfalls die Werte für die 1. und 3. Perzentilen
in der Graphik angegeben.
62 der 85 Patienten (73%) können zur Responder-Gruppe gerechnet werden
(Abbildung 3.3). Die Gruppe zeigt den NT-proBNP-Abfall entsprechend der von uns
vorgenommen Einteilung sehr deutlich. Der Median sinkt von 1996 pg/ml (100%) auf
624 pg/ml, was einer Reduktion um 69% gleich kommt.
4.000
NT-proBNP (pg/ml)
3.500
3.000
2.500
2.000
1.996
1.619
1.500
1.529
1.000
844*
624*
500
0
R1
Abbildung 3.3:
R2
R3
NT-proBNP-Werte der 62 Responder.
* signifikant zum Ausgangswert R1
R4
R5
3 Ergebnis
41
Der graphische Verlauf der 16 Werte der Non-Responder-Gruppe (Abbildung 3.4)
zeigt hingegen – wiederum entsprechend den von uns gesetzten Vorgaben eines
ausbleibenden über 25%-Punkte hinausgehenden Abfall oder Anstieg der NT-proBNPWerte – einen kaum zum Ausgangswert veränderten R5-Spiegel. Der leichte Anstieg
um 6% von 2253 pg/ml auf 2379 pg/ml spiegelt den ausbleibenden therapeutischen
Erfolg in dieser Gruppe wieder.
4.000
NT-proBNP (pg/ml)
3.500
3.157
3.000
2.870
2.670
2.500
2.379
2.253
2.000
1.500
1.000
500
0
R1
Abbildung 3.4:
R2
R3
R4
NT-proBNP-Werte der 16 Non-Responder
R5
3 Ergebnis
42
7 Patienten wurden als Therapieversager ermittelt. Der ebenfalls in dieser Gruppe
ausbleibende Erfolg und unserer Definition entsprechende Anstieg um 58% von 1816
pg/ml auf 2875 pg/ml NT-proBNP zeit sich in Abbildung 3.5.
4.500
NT-proBNP (pg/ml)
4.000
3.500
3.000
2.875
2.500
2.000
1.816
1.500
2.015
2.015
1.731
1.000
500
0
R1
Abbildung 3.5:
R2
R3
R4
NT-proBNP-Werte der 7 Therapieversager.
R5
3 Ergebnis
3.3
Statistische Auswertung
3.3.1
Pearson’scher Korrelations-Koeffizient
43
Der lineare Zusammenhang von Alter, BMI, Herzfrequenz, systolischem und
diastolischem Blutdruck, der Ejektionsfraktion sowie dem Kreatininwert einerseits und
den NT-proBNP-Werten andererseits wurde anhand des Korrelationskoeffizienten,
auch Pearson-Korrelation genannt, errechnet.
Im vorliegenden Versuch eine Korrelation zwischen den klinischen Parameter und den
gemessenen NT-proBNP-Werten darzustellen, erkennt man aus Tabelle 3.4, dass in
der Reha-Gruppe das Patientenalter, der Body-Mass-Index und der ursprüngliche
Kreatininwert den NT-proBNP-Wert in seiner Höhe bestimmen.
Dabei schlägt sich das Alter der Patienten in der Reha-Gruppe zwischen 31 und 49%
in der Peptidhöhe nieder.
Ebenso steigt der Peptidlevel mit zunehmenden Serum-Kreatinin-Werten (29 bis 44%
Korrelation). Eine hohe negative Korrelation ergibt sich zwischen BMI und NT-proBNP.
Für die Kontrollgruppe ergeben sich ähnliche Zusammenhänge: 40-47% negative
Korrelation von BMI zu NT-proBNP (im Vergleich zu 26-39% in der Reha-Gruppe) und
41-53% positiv linearer Zusammenhang zwischen Kreatinin und NT-proBNP.
Lediglich beim Alter ergibt sich hier in den Berechnungen ein negativer und wenig
signifikanter Zusammenhang.
3 Ergebnis
44
Tabelle 3.4: Pearson Korrelations-Koeffizienten der NT-proBNP-Werte mit
allgemeinen klinischen Parametern zum Messzeitpunkt T1
Rehagruppe
lBNP1
lBNP2
lBNP3
lBNP4
lBNP5
KK
p
n
KK
p
n
KK
p
n
KK
p
n
KK
p
n
Kontrollgruppe
lBNP1
lBNP5
KK
p
n
KK
p
n
Alter
BMI
HF
SBP
DBP
LVEF
Kreatinin
0,49561
<0,0001
81
0,41523
0,0001
82
0,31523
0,0039
82
0,41228
0,0004
70
0,39762
0,0009
66
-0,3338
0,0039
73
-0,3823
0,0008
74
-0,3326
0,0038
74
-0,2648
0,0376
62
-0,3898
0,0021
60
0,0253
0,8229
81
-0,0331
0,7682
82
-0,0585
0,6014
82
-0,0471
0,6989
70
-0,0583
0,6418
66
-0,0898
0,4254
81
-0,1374
0,2183
82
-0,1611
0,1482
82
-0,2213
0,0656
70
-0,3170
0,0095
66
-0,1574
0,1604
81
-0,1487
0,1825
82
-0,1745
0,1169
82
-0,2675
0,0252
70
-0,3315
0,0066
66
-0,0446
0,6927
81
-0,0465
0,6784
82
-0,0763
0,4959
82
-0,0070
0,9539
70
-0,0102
0,9353
66
0,4371
<0,0001
80
0,1693
0,1332
80
0,1612
0,1531
80
0,3096
0,0102
68
0,2908
0,0218
62
Alter
BMI
HF
SBP
DBP
LVEF
Kreatinin
-0,0213
0,8923
43
-0,0511
0,7449
43
-0,4760
0,0019
40
-0,4099
0,0086
40
0,1856
0,2646
38
-0,1941
0,2430
38
-0,0741
0,6497
40
-0,1579
0,3305
40
-0,2324
0,1489
40
-0,0975
0,5496
40
-0,15953
0,4363
26
-0,0978
0,6344
26
0,4109
0,0217
31
0,5349
0,0019
31
lBNP = logarithmierter NT-proBNP-Wert zum jeweiligen Messzeitpunkt T1-T5;
KK = Korrelations-Koeffizient nach Pearson; p = p-Wert (<0,0001 = hochsignifikante Korrelation der
Werte); n = Anzahl der jeweils einfließenden Patienten für die Korrelation; BMI = Body-Mass-Index (kg/m²)
HF = Herzfrequenz, SBP = systolischer Blutdruck; DBP = diastolischer Blutdruck; LVEF = linksventrikuläre
Ejektionsfraktion.
3 Ergebnis
3.3.2
45
Wilcoxon-(Rangsummen-)Text
Der Wilcoxon-Test prüft die Stichproben aus der Reha- und Kontroll-Gruppe auf
Signifikanz und testet, ob die Mediane für die klinischen Parameter und die NTproBNP-Werte der Reha- und der Kontrollgruppe voneinander abhängig oder
unabhängig sind.
Hierbei
findet
auch
der
Chi-Quadrat-Test
Anwendung:
er
untersucht
die
Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit.
Es wird die Nullhypothese „Ho: Das Merkmal x ist vom Merkmal y stochastisch
unabhängig“ aufgestellt, was im vorliegenden Fall soviel heißt wie: Der Median des
jeweiligen Parameters in der Reha-Gruppe ist von dem der Kontrollgruppe unabhängig.
Da in der Kontrollgruppe lediglich 2 NT-proBNP-Messwerte vorliegen, wurden die
Mean Scores der NT-pro-BNP-Werte zum Zeitpunkt R1 und R5 auf stochastische
Unabhängigkeit in den beiden Gruppen geprüft. Da der Chi-Quadrat-Test eine kleine
Prüfgröße für beide Werte ergibt, kann man davon ausgehen, dass beide Werte in den
Gruppen
wahrscheinlich
unabhängig
voneinander
sind
und
Ho
kann
somit
angenommen werden. Die beiden Messwerte sind voneinander unabhängig.
Tabelle 3.5: Wilcoxon-Test der NT-proBNP-Werte bei beiden
Gruppen
Reha-Gruppe
Parameter
Kontroll-Gruppe
Chi-Quadrat-Test
n
Mean Score
n
Mean Score
BNP1
84
67,2679
43
57,6163
1,95574
BNP5
85
60,9588
43
71,5000
2,30592
Inklusive aller ergänzter Werte (last value carried forward)
n = Anzahl der jeweils einfließenden Patienten für den Vergleich der Parameter zwischen den beiden
Studiengruppen;
3 Ergebnis
46
Betrachtet man die Wahrscheinlichkeit für eine Unabhängigkeit der klinischen
Parameter, so ergibt die Analyse eine sichere Unabhängigkeit lediglich für das Alter,
den Body-Mass-Index und den diastolischen Blutdruck.
Unter den anderen Werten wie Herzfrequenz, systolischer Blutdruck, linksventrikulärer
Ejektionsfraktion und Kreatinin kann man beobachten, dass eine Abhängigkeit
zwischen den beiden Gruppen wahrscheinlicher wird. Am stärksten zeigt dies der
systolische Blutdruck mit einer Chi-Quadrat-Probenwahrscheinlichkeit von 10,6.
Alle Testgrößen sind aber kleiner als der in Tabelle IV nach HARMS
[1]
aufgeführte für
f > 40 Freiheitsgrade (Anzahl der Probanden), einem α-Fehler von 0,10 für zweiseitige
Fragestellung geltende Τ -Wert von 100. Deshalb kann Ho nicht verworfen werden und
die Messwerte sind untereinander unabhängig.
Tabelle 3.6: Wilcoxon-Test der allgemeinen klinischen
Parametern zum Messzeitpunkt T1 bei beiden Gruppen
n
Mean Score
n
Mean Score
ChiQuadratTest
Alter
82
62,1646
43
64,5930
0,1268
0,7218
BMI
74
55,3176
40
61,5375
0,9196
0,3376
Herzfrequenz
82
66,6829
38
47,1579
8,2000
0,0042
SBP
82
68,7622
40
46,6125
10,6441
0,0011
DBP
82
65,6829
40
52,9250
3,6492
0,0561
LVEF
82
58,8049
26
40,9231
6,6164
0,0101
Kreatinin
80
51, 0250
31
68,8387
6,8964
0,0086
Reha-Gruppe
Kontroll-Gruppe
Parameter
Τ
Tail
Probability
n = Anzahl der jeweils einfließenden Patienten für den Vergleich der Parameter zwischen den beiden
Studiengruppen; BMI = Body-Mass-Index (kg/m²); SBP = systolischer Blutdruck; DBP = diastolischer
Blutdruck; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion.
_____________________________________________________________________
[1]
Volker HARMS, Biomathematik, Statistik und Dokumentation, 7. Auflage,
tabellarischer Anhang: Tab. IV: Kritische Werte von Τ für den Test von Wilcoxon
3 Ergebnis
3.3.3
47
Prozedur für das allgemeine lineare Modell (GLM):
wiederholte Varianz-Messanalyse
Wiederholte Varianzanalysen wurden ausgeführt für alle Patienten (n = 85); bei den
unvollständigen
Datensätzen
wurde
die
Methode
„last-value-carried-forward“
angewandt. Mit dem F-Test werden Unterschiede zwischen zwei statistischen
Populationen aufgezeigt; je größer der F-Test-Wert, desto signifikanter (<0,0001) das
Ergebnis und desto wahrscheinlicher ist ein zeitlicher Effekt der Variablen.
Aus Abbildung 3.2 (NT-proBNP-Level der Reha-Gruppe, n=85) geht graphisch ein
annähernd linearer Kurvenverlauf für die fünf Messwerte der Peptidlevel hervor.
Lediglich der Messwert NT-proBNP zum Zeitpunkt R3 stellt einen Ausreißer nach oben
dar.
In der vorliegenden Prozedur, in der ein zeitlicher Effekt innerhalb den einzelnen NTproBNP-Werten gezeigt werden soll, wurden die höchsten F-Testwerte bei der
Varianzanalyse für alle 5 Messwerte (F-Test 35,55) bzw. für alle ohne den R2Messwert (F-Test 41,50) ermittelt. Das heißt, dass im Gesamtverlauf der Werte und
besonders ohne Berücksichtigung des 2. Messwertes ein zeitlicher Effekt innerhalb der
Einzelwerte besteht, die Messproben also durch einen Zeitfaktor über den gesamten
Beobachtungszeitraum beeinflusst werden.
Der
F-Test von 8,75 für eine Analyse zwischen BNP 1,2 und 3 beschreibt den
zeitlichen Unterschied zwischen diesen drei Messpunkten im Vergleich zum Zeitpunkt
R4 und R5, die in einem größeren Intervall gemessen wurden.
Tabelle 3.7: GLM Prozedur: wiederholte Varianz-Messanalyse
Eindimensionaler Test auf Hypothese für zeitliche Effekte innerhalb der
NT-proBNP-Messwerte
n
Abhängige Variable
F-Test
Pr > F
84
BNP1, BNP2, BNP3, BNP4, BNP5
35,55
<0,0001
84
BNP1, BNP2, BNP3, BNP4
23,07
<0,0001
84
BNP1, BNP2, BNP3
8,75
0,0002
85
BNP3, BNP4, BNP5
28,85
<0,0001
85
BNP3, BNP4
19,00
<0,0001
85
BNP4, BNP5
15,03
0,0002
84
BNP1, BNP3, BNP4, BNP5
41,50
<0,0001
3 Ergebnis
48
Betrachtet man nun noch einmal speziell die Effekte zwischen den einzelnen Werten
durch ein polynominales Testverfahren, geht aus Tabelle 3.8 hervor, dass sich hier
besonders in der Anfangszeit des Beobachtungszeitraums eine zeitliche Abhängigkeit
der einzelnen NT-proBNP-Werte voneinander ergibt.
Betrachtet man zuerst alle 5 Messpunkte als Kontrastvariablen (linke Spalte in
Abbildung 3.8) fällt hier auf, dass je später man die Effekte zwischen den Werten
betrachtet, desto kleiner wird der F-Testwert mit Ausnahme des letzten Intervalls (R4
nach R5) und somit weniger signifikant. Dieser Ausreißer zu Ende fällt allerdings in der
rechten Spalte weg, in der der zweite Messzeitpunkt, der ja zeitlich sehr eng zwischen
dem ersten und dritten gewählt wurde, von der Analyse ausgenommen wurde. Gerade
zu Beginn der Messungen (F-Test 74,73 bzw. 80,07 auf den Zeitpunkt R3 bezogen)
stellt die Zeit einen sehr großen Einflussfaktor auf die Höhe des Peptidlevels dar.
Betrachtet man nun sowohl in Abbildung 3.7 wie auch in 3.8 alle F-Testwerte, geht
daraus hervor, dass sich vor allem der dritte NT-proBNP-Wert zu Entlassung der
Patienten aus der Rehabilitation oder zumindest Messergebnisse um diesen und den
zweiten Messzeitpunkt herum durch einen anderen Einfluss als dem Therapieerfolg
erklären lassen, nämlich der Zeit, da die anteilig höchsten F-Werte aus der
Einbeziehung dieses Wertes hervorgehen.
Tabelle 3.8: GLM Prozedur: wiederholte Varianz-Messanalyse
Varianzanalyse der Kontrastvariablen: Polynominaler Test auf zeitlichen
Effekt zwischen den NT-proBNP-Werten der Reha-Gruppe
n
83
83
83
83
KontrastVariable
Zeit 1:
BNP1 BNP2
Zeit 2:
BNP2 BNP3
Zeit 3:
BNP3 BNP4
Zeit 4:
BNP4 BNP5
Für t1,t2,t3,t4,t5
F-Test
Pr > F
74,73
<0,0001
1,46
0,2301
0,00
0,9518
11,61
0,0010
KontrastVariable
Zeit 1:
BNP1 BNP3
Zeit 2:
BNP3 BNP4
Zeit 3:
BNP4 BNP5
F-Test
Pr > F
80,07
<0,0001
0,93
0,3378
1,39
0,2413
Für t1,t3,t4,t5
Die Zeit x bezeichnet den Zeitraum zwischen den jeweils darunter genannten NT-proBNP-Messungen.
Werte ebenfalls mit last value carried forward-Methode abgeglichen.
GLM = general linear model (allgemein lineares Modell).
3 Ergebnis
3.3.4
49
Regressionsanalyse
Die Regressionsanalyse untersucht als polynominaler Test den zeitlichen Effekt
zwischen den NT-proBNP-Werten der Reha-Gruppe, und versucht eine Erklärung für
die Variablität der Werte zu geben.
Als Erklärung für den NT-proBNP-1-Wert lieferte in dieser Analyse zu 0,2647 (26,5 %)
das Alter, zu 0,1952 (19,5 %) der Kreatininwert und zu 0,1172 (11,7 %) der BMI,
sodass man sagen kann, der anfängliche NT-proBNP-Wert zu R1 kann zu circa 48%
durch diese drei Parameter erklärt werden.
Für die Höhe des NT-proBNP-2-Wertes ist alleine mit 57% der NT-proBNP-1-Wert
ausschlaggebend. Die zweite Hauptkomponente stellt das Alter mit 0,20 (20%) dar.
Betrachtet man die klinischen Parameter zusammen mit dem ersten NT-proBNP-Wert
liefert dieser zusammen mit dem Geschlecht zu 0,61 (61%) die Erklärung für die Höhe
des zweiten Wertes.
Auch für die weiteren Peptidwerte spielt dessen Ausgangshöhe eine entscheidende
Rolle: 49% für den dritten, 52% für den vierten und 44% für den fünften NT-proBNPWert.
Die Entwicklung der R²-Werte zeigt, dass der jeweils vorausgehende NT-proBNP-Wert
die jeweils stärkste Determinante für den folgenden Wert ist (NT-proBNP-5 zu 83%
durch den vierten, zu 51% durch den dritten, zu 50% durch den zweiten und zu 44%
durch den ersten NT-proBNP-Wert erklärt). Allerdings spielt für die Entwicklung des
vierten NT-proBNP-Wertes die Ausgangshöhe wieder die entscheidende Rolle,
wahrscheinlich weil der dritte gemessene NT-proBNP-Mittelwert einen Ausreißwert im
insgesamt linearen Abfall darstellt.
Dabei verliert das Alter als Determinante an Bedeutung: für die Entwicklung des NTproBNP-3-Wertes ist es bereits nur noch zu 12,5% ausschlaggebend.
Auch für die NT-proBNP-Werte 4 und 5 ist das Alter mit 12% sowie das Kreatinin
wieder mit 10% beeinflussender Faktor.
3 Ergebnis
3.4
50
Besondere Fragestellungen
Hinsichtlich der oben dargstellten Ergebnisse des statistischen Teils geht der folgende
Ergebnisteil insbesondere der Frage nach, wie sich die fünfmalig erhobenen
Messwerte des NT-proBNPs in Absolutwerten entwickeln, wenn man sie bezüglich den
Untergruppen versucht einzuteilen.
Hierzu verwendeten wir die Mediane der NT-proBNP-Absolutwerte in pg/ml und das
dazugehörige Intervall, den Interquartilen Range (IQR).
3.4.1
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Hauptdiagnose
Zuerst wollten wir wissen, ob sich die NT-proBNP-Entwicklung bei den beiden von uns
zur Studie zugelassenen Hauptdiagnosen bemerkbar macht. Außerdem stellte sich die
Frage, ob es diese Unterschiede auch in den jeweiligen Studienkollektiven geben
würde.
Es wurden ungefähr die eine Hälfte der Patienten mit Koronarer Herzkrankheit und die
andere Hälfte mit Dilatativer Kardiomyopathie eingeschlossen, jedoch der etwas
größere Anteil mit KHK, was zu den Prävalenzdaten in der Bevölkerung passt.
Vergleicht man nun den Endpunkt nach 6 Monaten in der KHK- und in der IDC-Gruppe,
kommt man zu dem Ergebnis, dass die KHK-Gruppe hinsichtlich der prozentualen
Abnahme am Medianwert des NT-proBNP im Vergleich zu R1 (Beginn der Studie)
deutlich besser abschneidet (50% Reduktion) im Gegensatz zur IDC-Gruppe (lediglich
39% Reduktion).
Betrachtet man nun die NT-proBNP-Verläufe aufgeschlüsselt nach Hauptdiagnosen in
den beiden Kollektiven getrennt, so erkennt man keinen Unterschied im Abfall der
KHK-Gruppen (sowohl in der Reha- als auch in der Kontroll-Gruppe), jedoch einen
Unterschied von 10% in der IDC-Gruppe zwischen Reha-Gruppe, die mit 60%
Reduktion deutlich besser abschnitt, als die Kontroll-Gruppe, die hier nur eine
48prozentige Reduktion der Werte erzielen konnte.
3 Ergebnis
3.4.2
51
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Alter
Das mittlere Alter in beiden Gruppen lag bei 59 Jahren, wobei die Reha-Gruppe mit 57
Jahren medianes Alter nur wenig jünger war als die Kontroll-Gruppe mit einem
medianen Alter von 61 Jahren. Betrachtet man nun die Kollektive wieder gemeinsam
und betrachtet die NT-proBNP-Entwicklung in der Gruppe jünger und älter als 59
Jahren, erkennt man, dass die jüngere Gruppe mit 62% Reduktion ihres Endwertes
von 1452 pg/ml auf 694 pg/ml einen deutlicheren Vorteil gegenüber der älteren Gruppe
hat, die ihren NT-proBNP-Wert lediglich um 49% von 2415 pg/ml auf 1225 pg/ml
reduzieren kann.
Interessant ist auch, dass nun, wenn man die Reha- und Kontroll-Gruppe wieder
getrennt unter dem gleichen Aspekt untersucht, man einen deutlichen Vorteil der RehaGruppe sehen kann. Diese profitiert sowohl in der jüngeren (68% Reduktion) als auch
in der älteren Gruppe (56% Reduktion) deutlich und somit weit über dem Schnitt der
Kontroll-Gruppe. In der Kontroll-Gruppe ist sogar in der jüngeren Gruppe ein Zuwachs
der Werte um 5% zu verzeichnen. Die ältere Gruppe kann ihren Peptidlevel nur um
34% senken.
Ebenso auffällig sind die höheren Absolutwerte mit fortgeschrittenem Alter, wenn man
die NT-proBNP-Entwicklung in den einzelnen Altersklassen betrachtet (Tab. 3.9).
Tabelle 3.9: Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Alter
Reha-Gruppe
NT-proBNP [pg/ml]*
Alter [Jahre]
n
R1
R2
R3
R4
37 - 49 Jahre
20
1402
843
1549
859
50 - 59 Jahre
23
1491
1177
1050
671
60 - 69 Jahre
24
2939
2369
2039
1723
70 - 84 Jahre
15
3250
3782
2466
1667
* Mediane (mit prozentualer Reduktion zum Zeitpunkt R5)
R5
718
(-48,8%)
339
(-77,3%)
1157
(-60,6%)
1349
(-58,5%)
3 Ergebnis
3.4.3
52
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und LVEF
Betrachtet man die Abhängigkeit der NT-proBNP-Reduktion von der linksventrikulären
Ejektionsfraktion kann man bei einem Median von 25% LVEF in beiden Kollektiven
keinen wesentlichen Unterschied in dem Erfolg der NT-proBNP-Peptidlevel-Reduktion
erkennen. Die Gruppe mit der höheren LVEF zu Studienbeginn kann ihre Peptidlevel
um ca. 10% mehr reduzieren (56% Reduktion von 1892 pg/ml auf 825 pg/ml) im
Vergleich zu der Gruppe mit einer LVEF ≤25% (47% Reduktion von 1981 pg/ml auf
825 pg/ml).
Betrachtet man hier ebenfalls die Studienkollektive getrennt, kann man auch hier einen
deutlichen Vorteil in der Reha-Gruppe erkennen jedoch unabhängig von der Höhe der
LVEF. Sowohl die Gruppe mit einer LVEF > 25% als auch die Gruppe ≤25% kann ihre
Werte
um
>50%
reduzieren.
Dahingegen
können
beide
Untergruppen
der
Kontrollgruppe lediglich eine Reduktion von ca. 30% erzielen.
Auch eine Einteilung nach den üblichen Schweregraden einer Einschränkung in der
linksventrikulären Ejektionsfraktion in Intervallen erbringt keine Unterschiede in den
einzelnen Subgruppen bezüglich einer Reduktion des NT-proBNP, sowohl in der Rehaals auch in der Kontroll-Gruppe.
3 Ergebnis
3.4.4
53
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und BMI
Betrachtet man den BMI im Verhältnis zur NT-proBNP-Reduktion, kann man mehrere
Ereignisse feststellen:
1. der BMI beträgt in beiden Kollektiven etwa gleich viel (Median = 26,7 kg/m² (RehaGruppe) und 26,9 kg/m² (Kontrollgruppe)),
2. der NT-proBNP-Verlauf in den Gruppen jeweils über und unter dem Median des BMI
gestaltet sich ähnlich, was die prozentuale Abnahme des Peptidlevels angeht (44% bei
niedrigerem BMI und 40% bei BMI über dem Median), wobei
3. festzuhalten wäre, dass ein großer prozentualer Unterschied besteht zwischen der
Abnahme des Peptidlevels in der Reha- visus dem der Kontroll-Gruppe (47% und 38%
in der Reha-Gruppe (über bzw. unter dem Median) visus 8% und 3% (über bzw. unter
dem Median) in der Kontrollgruppe).
4. Ebenfalls zu bemerken ist, dass die Patientengruppe mit einem BMI über dem
Median, also rein klinisch alle Patienten ab einem Präadipositas-Stadium um einiges
niedrigere Absolutwerte des Peptidlevels zu Studienbeginn aufzeigen als die normaloder leicht untergewichtigen Probanden des Studienkollektivs. Dies zeigt sich noch
deutlicher in der Stadieneinteilung des BMI in Untergewicht < 19 kg/m², Normalgewicht
19-25 kg/m², Präadipositas 25-30 kg/m², Adipositas Grad I 30-35 kg/m², Adipositas
Grad II 35-40 kg/m²,. Einzig bei Adipositas Grad III (per magna) > 40 kg/m² lässt sich
ein sehr hoher Peptidlevel feststellen, der im Studienverlauf von 2680 pg/ml auf 3171
pg/ml ansteigt.
3 Ergebnis
3.4.5
54
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Herzfrequenz und
Blutdruck
Parameter wie die Herzfrequenz und der Blutdruck wurden zu Beginn der
Beobachtungszeit in Ruhe gemessen und ergeben sich unter der bereits durch das
Akutkrankenhaus begonnenen oder fortgeführten Medikation wie zum Beispiel einer
therapeutischen ß–Blockade.
Hinsichtlich einem herzfrequenzabhängigen Benefit kann man beim Gesamtkollektiv
bei einer medianen Herzfrequenz von 77/min zuerst keine Unterschiede erkennen.
Sowohl die Gruppe > 77/min als auch die Gruppe mit einer niedrigeren Herzfrequenz
profitieren mit einer Reduktion des NT-proBNP um jeweils 50% nach 6 Monaten.
Ebenso ergeben sich keine Unterschiede bei einer nach Studienkollektiv getrennt
aufgelisteten Übersicht der NT-proBNP-Verläufe.
Betrachtet man allerdings die NT-proBNP-Reduktion in Intervallen im Gesamtkollektiv
(Tab. 3.14), so fällt auf, dass besonders Patientin mit einer zu niedrigen Herzfrequenz
(≤ 60/min) und Patienten mit einer zu hohen Herzfrequenz (> 100/min) nicht von einer
Reduktion ihrer Peptidspiegel profitieren können. Allerdings trifft dies in einer separaten
Listung der Reha-Gruppe nur für die Gruppe mit einer HF > 100/min zu, die niedrigeren
Herzfrequenzen können ebenso ihre Peptidspiegel um ca. 60% senken.
Im Gesamtkollektiv zeigt sich ein nach Riva Rocci gemessener medianer Blutdruck von
115/75 mmHg. 64 Patienten unter dem Median konnten eine Reduktion ihrer
Peptidspiegel um nur 39% (systolischer Blutdruck) bzw. 32% (diastolischer Blutdruck)
erzielen. Dahingegen konnten 58 Patienten in der Gruppe > 115/75 mmHg
ihre
Peptide um 57% (systolischer Blutdruck) bzw. 55% (diastolischer Blutdruck) verringern.
In der Reha-Gruppe zeigte sich ein medianer Blutdruck von 120/80 mmHg. Die
Kontroll-Gruppe lag mit 105/70 mmHg deutlich darunter.
Betrachtet man den Einfluss des Blutdruckes über bzw. unter dem Median der
einzelnen Gruppen zeigt sich in der Reha-Gruppe ein vom Blutdruckbereich - sowohl
systolischer als auch diastolischer Blutdruckwert einschließend – unabhängiger
positiver Effekt auf die Reduktion der NT-proBNP-Werte, die hier im Schnitt 55% nach
6 Monaten ergibt. Lediglich bei erhöhten diastolischen Blutdruckwerten schneidet die
Gruppe mit 74% Reduktion noch besser ab.
3 Ergebnis
55
Die Kontroll-Gruppe schneidet bei schon hypotonen Medianen im unteren Bereich des
systolischen Blutdrucks (≤ 105 mmHg) mit einer Zunahme der Peptidlevel um 12% am
Schlechtesten ab. Kontroverserweise schneidet die ambulante Kontrollgruppe bei
höheren diastolischen Werten (> 70 mmHg) – was klinisch teilweise allerdings
durchaus noch im normotensiven Bereich liegt – deutlich schlechter ab als die RehaGruppe und hat hier sogar eine 4prozentige Zunahme zum Ausgangs-Peptidspiegel zu
verzeichnen, was sich sicher zusammen mit den Werten der Reha-Gruppe in dieser
Untergruppe in der Auflistung des Gesamtkollektivs ausgleicht und zu obigem Ergebnis
von 55% Reduktion führt..
Listet man nun wieder die Blutdruckwerte in Intervalle auf, so zeigt sich in der
Gesamtübersicht ein ungünstiger Einfluss besonders niederer (≤ 100 mmHg; 34%
Reduktion) und besonders hoher (> 160 mmHg; 17% Reduktion) systolischer
Blutdruckwerte und ebenso besonders niederer diastolischer Blutdruckwerte (≤ 60
mmHg; 22% Reduktion). In diesen Bereichen kann der Peptidlevel nicht annähernd so
gut
in
6
Monaten
gesenkt
werden
wie
im
Vergleich
in
normotensiven
Blutdruckbereichen. Am besten ist das Outcome im Bereich 100-140 mmHg
systolischen Blutdrucks und 60-80 mmHg diastolischen Blutdrucks. Ebenfalls
angemerkt werden muss die Höhe der Peptidlevel in der Gruppe mit einem
systolischen Blutdruck > 160 mmHg. Diese weißt mit einem Absolutwert von 3546
pg/ml nach 6 Monaten (R5) einen noch deutlich höheren Level auf als alle anderen
Gruppen zu Beginn der Studie (R1).
3 Ergebnis
56
3.4.6 Korrelation zwischen den NT-proBNP-Werten und Kreatinin
Der Kreatininwert wurde regelmäßig mit allen untersuchten NT-proBNP-Werten
abgenommen
und
war
innerhalb
eines
Studienkollektivs
über
die
gesamte
Beobachtungszeit konstant (Reha-Gruppe 1,1 ± 0,3 mg/dl, Kontroll-Gruppe 1,3 ± 0,4
mg/dl). Kein Patient überschritt zu irgendeinem Messzeitpunkt den zulässigen
Höchstspiegel von 2,5 mg/dl Kreatinin.
4 Diskussion
4
57
Diskussion
Mit der Erforschung des Herzens als endokrines Organ wurde vor etwa 50 Jahren
begonnen [42]. 1981 kam es zur Entdeckung des atrialen natriuretischen Peptides
(ANP) durch DE BOLD et al. Weitere Untersuchungen führten im Jahre 1988 zur
Entdeckung des B-type natriuretischen Peptids (BNP) und des C-type natriuretischen
Peptids (CNP) durch MATSUO et al. Beide Stoffe wurden aus dem Gehirn von
Schweinen isoliert [131]. In weiteren Studien konnte festgestellt werden, dass BNP wie
ANP unter anderem in den kardialen Myozyten produziert wird [42, 64].
Nachdem es in den letzten 10-15 Jahren zu einer zunehmenden Erforschung von BNP
kam, konnte dieses Peptid auch als nützliches Werkzeug bei der Evaluation der
Herzinsuffizienz identifiziert werden [15].
Gegenstand unserer Studien war das inaktive Spaltprodukt von proBNP, NT-proBNP.
Biochemische Untersuchungen zeigten [116], dass auch dieses Spaltprodukt, das sich
unter anderem durch eine höhere Stabilität auszeichnet, eine Aussagekraft hinsichtlich
kardiovaskulärer Erkrankungen hat [85].
Der kürzere Zeitraum der Erforschung von NT-proBNP im Gegensatz zu BNP bringt
allerdings ein weniger breites Spektrum an Literatur und Forschungsarbeiten mit sich.
Dies ist der Grund, warum in der vorliegenden Arbeit trotz der Untersuchung von NTproBNP auch Literatur über BNP zur Diskussion hinzugezogen wurde. Beide Stoffe
zeigen in fast gleichem Maße in mehreren Studien ein prognostisches Potential und
eine hohe Sensivität für eine Herzinsuffizienz [27, 30, 98]. PFISTER et al. verglichen
die Werte der beiden Peptide und konnten eine signifikante Korrelation zwischen ihnen
nachweisen, wobei NT-proBNP um einen Faktor von 7,9 höher war als BNP. In dieser
Studie konnte kein relevanter klinischer Unterschied hinsichtlich der Aussagekraft
zwischen BNP und NT-proBNP festgestellt werden [106].
Auch Hammerer-Lercher et al. konnten bei der Untersuchung der diagnostischen
Wertigkeit der beiden Stoffe im Vergleich keinen signifikanten Unterschied finden [47].
Es konnte keine Studie gefunden werden, die einen relevanten klinischen Unterschied
nachweisen würde. Damit können Erkenntnisse, die in Studien über BNP gewonnen
wurden, in die Diskussion einbezogen werden.
4 Diskussion
58
Die vorliegende Studie ist bislang die einzige, welche die Bedeutung eines
multimodalen Interventionsprogramms bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
im Stadium NYHA II und IIII nach einer akuten Dekompensation im Vergleich zu einer
ambulanten Kontrollgruppe anhand des Laborparameters NT-proBNP über 6 Monate in
einem größeren Kollektiv untersucht.
4.1
4.1.1
NT-proBNP und chronische Herzinsuffizienz
Aktuelle Studienlage
Schon PASSINO et al. untersuchte 2006, ob eine NT-proBNP-gesteuerte Behandlung
bei chronischer Herzinsuffizienz die Morbidität und Mortalität im Vergleich zur bisher
standardisierten klinischen Therapie zu reduzieren vermag [105]. Giallauria et al.
bemerkten zum ersten Mal 2006 den signifikanten Unterschied in der Reduktion der
NT-proBNP-Level nach 3 Monaten in einem kleinen Kollektiv von Patienten, die an
einem übungsbasierten kardiologischen Rehabilitationsprogramm teilnahmen im
Vergleich zu einer Gruppe, die mit weniger Instruktionen für die körperliche Belastung
nachhause entlassen wurde [36]. ARAD et al. stellten im Mai 2008 ihre Studie zur
chronischen Herzinsuffizienz vor, in der sie in einem sehr kleinen Kollektiv wohl einen
physischen
Vorteil
in
moderatem
körperlichen
Training
für
fortgeschrittene
Herzinsuffizienzpatienten sahen, jedoch keine Veränderungen im NT-proBNPPeptidlevel detektieren konnten [3]. Giallauria et al. führten ihre Studie von 2006 fort
und konnten einen deutlichen Vorteil eines kleinen Kollektivs nach einem
sechsmonatigen Trainingsprogramm im Vergleich zu einem nichttrainierten Kollektiv
hinsichtlich der NT-proBNP-Reduktion beobachten. Die Peptidlevel sanken und
korrelierten signifikant mit dem linksventrikulären enddiastolischen Volumenindex und
der maximalen Sauerstoffaufnahme unter dem Training [35].
Natriuretische Peptide (BNP, NT-proBNP) sind nachweislich geeignet, eine chronische
Herzinsuffizienz zu diagnostizieren [7, 33, 41, 106, 133, 137, 154], die therapeutische
Intervention und den Krankheitsverlauf zu überwachen [23, 51, 66, 106, 110, 118, 139,
156] sowie die Prognose des Krankheitsstadiums abzuschätzen [23, 51, 110, 156].
Erstmalig haben wir diesen Laborparameter (Biomarker) in der kardiovaskulären
Rehabilitationsmedizin an einer größeren Zahl von Patienten multizentrisch getestet.
4 Diskussion
4.2
59
Diskussion des Studiendesigns
Die vorliegende
Studie wurde in Form einer Längsschnittstudie durchgeführt, mit
welcher es möglich ist, nach einer Selektion von vorher definierten Erkrankungen – hier
die Koronare Herzerkrankung und idiopathische Dilatative Kardiomyopathie, beides
Erkrankungen mit
systolischer
Pumpstörung
des
Herzens
–
das
Einwirken
verschiedener Faktoren auf die zeitliche Entwicklung eines Wertes – hier NT-proBNP –
zu untersuchen. Um den speziellen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der NTproBNP-Werte und dem Einfluss bestimmter vorher festgelegter Faktoren untersuchen
zu
können,
wurde
hier
eine
adäquat
gebildete
ambulante
„Kontrollgruppe“
gegenübergestellt.
Bei dieser Form des Studiendesigns, der Panelstudie, erfolgte die Erhebung zu
mehreren Zeitpunkten mit derselben Stichprobe. Auf diese Art lassen sich auch intraindividuelle Veränderungen erfassen (so genannte interne Fluktuation), z.B. Gründe für
mögliche Ausreißer lassen sich eruieren. Die aggregierten Werte ermöglichen
außerdem – wie beim Trenddesign – den Rückschluss auf interindividuelle, d. h. die
gesamte Stichprobe betreffende, Veränderungen (so genannte Nettoveränderungen)
z.B. die sich aus dem zeitlichen Zusammenhang heraus entwickelnden gegenseitigen
Beeinflussungen der klinischen Parametern und des Gesamtverlauf des NT-proBNP
bei herzinsuffizienten Patienten.
Nach Erhebung und Auswertung der Daten können die Fall- und die Kontrollgruppe
miteinander verglichen werden, indirekt können dann die einzelnen Einflussfaktoren
untersucht und deren Bedeutung für den klinischen Verlauf abgeschätzt werden.
Einzelne Einschränkungen bei der Aussagefähigkeit solcher Studien sind allerdings bei
der Analyse und der Auswertung zu beachten. Bei Datenerhebungen, bei denen
einmalig gemessene klinische Parameter wie Herzfrequenz und Blutdruck verwendet
werden, muss mit einer Störanfälligkeit gerechnet werden.
Weiterhin
können
mögliche
zusätzliche
nicht
im
Voraus
ausgeschlossene
Erkrankungen eine bisher noch nicht bekannte Einwirkung auf die zu untersuchenden
Variablen haben.
4 Diskussion
60
Einem Kollektiv von 85 Patienten (74 Männer und 11 Frauen) mit Koronarer
Herzkrankheit und Dilatativer Kardiomyopathie aus 6 Rehabilitationszentren in
Deutschland wurden 43 Patienten mit Koronarer Herzkrankheit und Dilatativer
Kardiomyopathie als adäquat gebildete Kontrollgruppe gegenübergestellt. Die
Multizentrizität der Studie bei für alle Zentren gleichen Studienbedingungen und
einheitlicher Therapieregimes soll hierbei helfen, Fehler zu eliminieren, die entstehen
würden, wenn die Studie nur an einem Zentrum durchgeführt werden würde.
Außerdem schafft sie ein deutschlandweites Patientenspektrum mit unterschiedlichem
soziokulturellem Hintergrund.
Aufgrund sozial-medizinischen Bestimmungen in Deutschland, die eine Zuteilung des
Patienten in ambulante oder stationäre Rehabilitation anhand fester Auswahlkriterien
vorsehen, war es nicht möglich die Studie mit einer randomisierten Kontrollgruppe
durchzuführen. Daher wurde ein historisches Kontrollkollektiv aus der Herzambulanz
der Universitätsklinik Heidelberg rekrutiert.
Die Hauptdiagnosen Koronare Herzkrankheit und Dilatative Kardiomyopathie wurden
vorher definiert. Die Diagnose einer primären Dilatativen Kardiomyopathie kann erst
nach Ausschluss eines relevanten Hypertonus, einer Koronaren Herzerkrankung, eines
Alkoholabusus und anderer Auslöser für eine sekundäre Dilatative Kadiomyopathie
erfolgen. Dies wurde hier berücksichtigt. Patienten mit KHK wurden nach
interventioneller Versorgung im Akutkrankenhaus bei allen Schweregraden bis hin zur
Hauptstammstenose eingeschlossen. Hier können Fehler bei der ungleichen Auswahl
der Hauptdiagnosen vorkommen.
Das eingeschlossene Patientenkollektiv dieser Studie unterliegt einer Selektion, daher
muss außerdem beachtet werden, dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf eine
Normalbevölkerung
übertragen
werden
können.
Allerdings
besteht
die
Patientenpopulation aus einem Kollektiv älterer Patienten, die Mehrzahl der Kranken
mit chronischer Herzinsuffizienz sind in Deutschland älter als 65 Jahre [117].
Durch die ungünstige Geschlechterverteilung von >84% zugunsten der männlichen
Population
in
beiden
Kollektiven
kann
geschlechterspezifische Resultate gegeben werden.
leider
keine
Aussage
über
4 Diskussion
61
Weiterhin wurden feste Kriterien aufgestellt, anhand dieser die Patienten auch von der
Studie ausgeschlossen werden konnten, wie z.B. Patienten mit ventrikulären
Tachykardien ohne medikamentösen Schutz oder Schutz durch einen ICD, da sie in
unabsehbarem Ausmaß das Studienergebnis verfälschen könnten. Allerdings können
sich gerade bei Patienten mit ICD nicht unwesentliche Änderungen im Peptidlevel
ergeben. Die wenigsten der Patienten mussten allerdings mit einem solchen Gerät
ausgestattet werden.
Die Sensitivität von BNP von mehr als 50 pg/ml BNP für die korrekte Diagnose beträgt
laut MORRISON et al. sogar 97%, allerdings bei einer niedrigen Spezifität von nur
62%. Bei höheren BNP-Werten sinkt die Sensitivität und die Spezifität nimmt
bedeutend zu [95].
Der NT-proBNP-Test von Roche Diagnostics ist bei hoher Probenstabilität, der
Verwendung gebräuchlicher Probenmaterialien, einer unkomplizierten Lagerung und
Logistik sehr sicher, außerdem unterliegt die Sekretion des NT-proBNP keiner
bekannten zirkadianen Rhythmik, bei der Fehlerquellen entstehen können.
4 Diskussion
62
Unsere Eingangshypothese war, dass das Rehabilitationsregime zuerst einen
positiven Effekt auf die NT-proBNP-Level während des stationären Programms zeigen
und es dann zu einem konstanten Peptidlevel kommen wird durch geringere
Compliance der Patienten.
Unsere Annahme basierte – allem voran – auf dem positiven kardiovaskulären Einfluss
der optimalen Pharmakotherapie, der Einstellung und der Schulung der Patienten in
einem kontrollierten körperlichen Training, der Unterweisung in ein spezifisches
Krankheitsmanagment und Ernährungsprogramm für jeden einzelnen Patienten und
der nach Entlassung aus dem Programm abnehmenden Mit- bzw. Weiterarbeit am
erfolgversprechenden Interventionsprogramm durch den Patienten.
Diese Hypothese ist widerlegt worden; es ergab sich zwar eine Tendenz für einen
Abfall des NT-proBNP-Levels während des Rehabilitationsaufenthaltes, dieser war
jedoch statistisch nicht signifikant auf lediglich 92% des Ausgangswertes nach
durchschnittlich 25±7 Tagen Rehabilitations-Aufenthalts.
Entgegen unserer Hypothese fielen die NT-proBNP-Werte jedoch nach der Entlassung,
zu den Messpunkten nach drei und sechs Monaten, signifikant auf jeweils 51% (1016
pg/ml) und 43% (858 pg/ml) des Ausgangswertes (1988 pg/ml) ab.
Für die Interpretation dieser NT-proBNP-Werte ist eine Kontrollgruppe erforderlich.
Diese Gruppe war der Reha-Gruppe sehr ähnlich, aus folgenden Gründen:
(1)
Die Patienten in der Kontrollgruppe hatten etwa zwei bis vier Wochen vor
Beginn der erstmaligen ambulanten Kontrolle eine klinisch relevante
Dekompensation erlitten.
(2)
Die Patienten hatten durchschnittlich dasselbe Alter (59 Jahre).
(3)
Die Geschlechtsverteilung in beiden Gruppen war identisch zugunsten der
männlichen Studienteilnehmer mit 87% (Reha) bzw. 84% (Kontrolle).
(4)
Die durchschnittliche LVEF lag mit 27% bei der Reha-Gruppe unwesentlich
über dem Schnitt der Kontrollgruppe (22%) bei Aufnahme.
4 Diskussion
63
Signifikante Unterschiede gab es jedoch bezüglich der Ursache der Herzinsuffizienz:
Deutlich mehr Patienten mit Koronarer Herzerkrankung fanden sich in der RehaGruppe und deutlich mehr Patienten mit idiopathischer Dilatativer Kardiomyopathie in
der Kontrollgruppe.
Dies könnte erklären, warum die Absolutwerte des NT-proBNPs unterschiedlich hoch
waren, 1988 pg/ml in der Reha-Gruppe versus 1300 pg/ml in der Kontrollgruppe.
Natürlich können hier auch Gründe, die für oder gegen eine Rehabilitation der
Patienten nach der akuten Dekompensation sprechen wie beispielsweise Mobilität,
Belastbarkeit und Motivation zum Tragen kommen und zu einem größeren Unterschied
in den Ausgangspeptidleveln beisteuern.
An dieser Stelle ist die Überlegung anzustellen - trotz des Gesamterfolgs in der RehaGruppe - welche Einflüsse bei den Non-Respondern und gar Therapieversagern eine
Rolle gespielt haben mögen.
Bei den 16 Non-Respondern wurde ein Patient mit Pulmonaler Hypertonie sowie ein
Patient mit Depression detektiert. Außerdem wurden bei ca. 80% dieser Gruppe im
Nachbeobachtungszeitraum
ein
ICD
implantiert,
zwei
Patienten
wurden
reanimationspflichtig, bei einem weiteren wurde eine prolongierte Reanimation bei
Long-QT-Syndrom durchgeführt. Dies sind sicherlich alles Gründe, die nicht förderlich
auf die Langzeitprognose einer chronischen Herzinsuffizienz einwirken [107].
Warum die 7 Therapieversager noch schlechter abschnitten, kann auch nur vermutet
werden:
bei
2
Patienten
können
aus
der
klinischen
Anamnese
und
der
Nachbeobachtung keine Gründe für ein Versagen der Rehabilitation gesehen werden.
1 Patient erlitt in der Folgezeit multiple Gefäßverschlüsse an beiden Beinen und der
Arteria carotis interna rechts, ein weiterer Patient litt an medikamentös schlecht
einstellbaren Tachyarrhythmien bei einer Polymyositis, ein weiterer wurde zweimal
elektrisch kardiovertiert im 4. Monat der Studie, die Herzfunktion eines Patient
verschlechterte sich so sehr, dass er im 3. Monat reanimiert werden musste, und ein
weiterer Patient erlitt kurz nach dem rehabilitativen Aufenthalt einen Apoplex, von dem
er sich allerdings schnell wieder erholte.
Diese Patienten konnten somit nicht intensiv in der Nachfolgezeit an einem
kardiologischen Training zuhause teilnehmen.
4 Diskussion
4.3
64
Diskussion ausgewählter Einflussfaktoren
Die zum Studieneintritt erhobenen klinischen Parameter wie Alter, Geschlecht, BMI,
LVEF,
Herzfrequenz,
Blutdruck
oder
gar
die
Hauptdiagnose
können
in
unterschiedlichster Weise auf die Höhe und den Verlauf des NT-proBNPs – besonders
im Vergleich der beiden Studiengruppen, die ja hier so unterschiedlich abschneiden Einfluss nehmen. Daher sollen diese Auswirkungen und Interaktionen an dieser Stelle
in Betracht gezogen und diskutiert werden.
4.3.1
Auswirkungen der Hauptdiagnose auf die Peptidspiegel
Bei der IDC spielt NT-proBNP als Marker zur Risikostratifizierung und prognostischen
Implikationen nachgewiesenermaßen eine große Rolle [61, 136].
Bei der Koronaren Herzerkrankung kann der erneute Anstieg – bei ohnehin schon
erhöhten NT-proBNP- Peptidleveln - nicht allein durch Myokardischämie erklärt werden
[80], sondern vor allem durch die postischämie linksventrikuläre Dysfunktion in
Anlehnung an die Pathophysiologie der NT-proBNP-Emission [144].
Im direkten Vergleich der zwei hier ausgewählten Ursachen für eine NT-proBNPErhöhung kann man innerhalb eines halben Jahres beobachten, dass die
Patientengruppe mit Koronarer Herzerkrankung etwas mehr von einer NTproBNPSenkung profitiert als die Gruppe der Dilatativen Kardiomyopathie. Hierbei können die
optimierte medikamentöse Anpassung und die vorangegangenen interventionellen
Möglichkeiten bei Koronarer Herzerkrankung im Vergleich zur IDC eine Rolle spielen.
Allerdings schneiden Patienten mit IDC in der Rehabilitation knapp besser ab als in der
rein medikamentös gesteuerten Kontrollgruppe, was allerdings bei dem positiven
Gesamtergebnis der Rehagruppe nicht verwundert.
4 Diskussion
65
4.3.2 Auswirkungen des Alters auf die Peptidspiegel
Sowohl im Gesamtkollektiv als auch in der Untergruppe der Rehabilitanten der Studie
kann die jüngere, d.h. unter dem Median von 57 Jahren liegende Gruppe, mit einer NTproBNP-Reduktion von 62% bzw. 68% aufwarten im Vergleich zu den älteren
Patienten, die nach 6 Monaten noch deutlich höhere Peptidlevel aufweisen. So konnte
im Reha-Kollektiv ein Anstieg des Wertes mit zunehmendem Alter nachgewiesen
werden. Ähnliche Ergebnisse finden sich in mehreren Veröffentlichungen [16, 111, 112,
121, 147].
REDFIELD et al. untersuchten die Beziehung zwischen Alter und BNP-Werten bei 767
gesunden Patienten über 44 Jahren, wobei BNP-Werte mit ansteigendem Alter
korrelierten. Hier wurde die Vermutung ausgesprochen, dass altersabhängige
Veränderungen der kardialen Struktur und Funktion diese Erhöhung verursachen
könnten. REDFIELD konnte außerdem bei einem kleineren Kollektiv mit 40 Patienten
(32 Männer, 8 Frauen) zeigen, dass es auch bei Personen mit systolischer Dysfunktion
(EF ≤ 40%) zu einem Anstieg von BNP mit zunehmenden Alter kommt. Dies unterstützt
das Ergebnis unserer Studie, in der bei der Betrachtung der Patienten mit systolischer
Insuffizienz ein signifikanter Unterschied von NTproBNP in den verschieden
Alterskategorien auffiel.
RAYMOND et al. konnten in einem Forschungsprojekt mit 672 Patienten das Alter als
eine wichtige unabhängige Variable darstellen. Ebenso SYADOWSKA et al 2008 [134].
Hierbei wurde festgestellt, dass sich der NT-proBNP-Wert der Teilnehmer je
Altersdekade fast verdoppelte. In einer Subpopulation der Framingham-Studie, die 911
kardiovaskulär gesunde Patienten umfasste, zeigte sich ein 1,4-facher Anstieg von
BNP pro Dekade. Als Erklärungsansatz wurde hierbei unter anderem die steigende
Prävalenz an subklinisch kardialen Erkrankungen im höheren Alter genannt [147].
Von ähnlichen Überlegungen berichteten auch CLERICO et. al., die sich den Anstieg
von BNP in ihrer Studienpopulation von 216 Personen zwischen 20 und 77 Jahren
unter
anderem
durch
die
Veränderung
des
kardiovaskulären
Systems
mit
zunehmendem Alter erklärten. In dieser Studie wurden nur Patienten eingeschlossen,
die keine fassbaren kardiovaskulären Erkrankungen hatten. Beim Prozess des
Älterwerdens treten Veränderungen im Herz-Kreislauf-System ein, die sich zwar in
dieser Gruppe klinisch nicht manifestierten, aber trotzdem zu einer in der
Echokardiographie kaum erkennbaren Dilatation oder Hypertrophie der Vorhöfe oder
Ventrikel führen können, was wiederum einen Anstieg von BNP erklären würde [16].
Zudem konnten mehrere klinische Studien belegen [101, 112, 121], dass der Abbau
von BNP im Körper durch die Niere mit steigendem Lebensalter reduziert ist. Zu
4 Diskussion
66
höheren Werten könnte es außerdem durch eine verminderte nicht-renale Eliminierung
kommen [147].
Auch können wir die Möglichkeit, dass Skelettmuskelgewebe im NTproBNP-Haushalt
eine Rolle spielt – und dies gerade bei älteren untrainierten Patienten – nicht
ausschließen.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Alter bei der Interpretation der NT-proBNP und
BNPWerte des einzelnen Patienten in der klinischen Praxis mit in die Beurteilung
eingeschlossen werden sollte. Die vorliegende Literatur konzentriert sich auf die
Untersuchung gesunder Kollektive, es lagen bis dato keine Studien vor, die sich explizit
mit der Beziehung zwischen NT-proBNP und dem Alter bei Patienten mit diastolischer
oder systolischer Herzinsuffizienz beschäftigten. Es ist jedoch stark zu vermuten, dass
sich dieses Verhältnis auch bei kardial insuffizienten Patienten beibehält, es also auch
zu einem Anstieg von BNP/NT-proBNP bei zunehmendem Alter kommt.
4 Diskussion
67
4.3.3 Auswirkungen der LVEF auf die Peptidspiegel
Schon BAY et al. postulieren eine Korrelation zwischen der linksventrikulären
Auswurffraktion des Herzens (LVEF) und dem NT-proBNP-Level [7]. Die ausgeprägte
Senkung der Peptidlevel bei Patienten mit höheren Auswurffraktionen des linken
Ventrikels (LVEF) zu Studienbeginn konnte schon in anderen Studien beobachtet
werden [5, 104]. Diese negative Korrelation tritt auch hier besonders im
Gesamtstudienkollektiv auf; bei den Rehabilitanten erheben sich allerdings in den
Untergruppen nach Schweregrad der eingeschränkten LVEF keine signifikanten
Unterschiede.
Das kann bedeuten, dass der Unterschied in der Kontrollgruppe liegt und bei den nur
pharmakologisch unterstützen Patienten eher diejenigen profitieren, die ohnehin schon
eine bessere LVEF und damit Herzfunktion haben. Zudem kann das bessere
Abschneiden der Rehagruppe außer in dem positiven Gesamtergebnis der NTproBNP-Reduktion auch noch an der etwas besseren Ausgangslage der LVEF
bestehen. Mit einem Durchschnitt von 27±7% bzw. 22±7% liegen sowohl die Reha- als
auch die Kontrollgruppe im sehr reduzierten Herzfunktionsbereich.
4 Diskussion
4.3.4
68
Auswirkungen des BMI auf die Peptidspiegel
Hier profitieren sowohl übergewichtige als auch normal- bzw. leicht untergewichtige
Patienten annähernd gleich von einer optimierten Therapie, allerdings schneiden die
Patienten der Rehabilitationsgruppe sechs bis dreizehnfach besser ab, was die
Peptidreduktion anbelangt.
Zudem konnten wir feststellen, dass Patienten mit einem höheren bzw. hohen BMI
geringere Absolutwerte der NT-probrain natriuretischen Peptide aufwiesen. Auch
anderen fiel dieser negativ korrelierte Zusammenhang auf [31, 56].
Einzig die Patienten mit Adipositas per magna (BMI > 40 kg/m²) fielen hier aus dem
Gesamtergebnis heraus und lassen mit einer Zunahme der Peptidspiegel nach 6
Monaten einen Nachteil erkennen. Dieser ist vermutlich durch das extreme
Übergewicht und den damit verbundenen Bewegungsmangel bzw. dem Unvermögen,
dem täglichen Übungsprogramm vollständig nachzukommen, verbunden.
Es lässt sich ebenfalls vermuten, dass die Rehabilitationsgruppe durch ihr
intensiviertes
sportliches
Übungsprogramm
eine
moderate
Gewichtsreduktion
innerhalb der 6 Monate erzielte – was in etlichen Tagebüchern protokolliert wurde.
Auch andere Studien konnten den Zusammenhang zwischen Gewichtsverlust,
Bewegungstraining und Verbesserung der Herzfunktion herstellen [82].
4 Diskussion
4.3.5
69
Auswirkungen der Herzfrequenz und des Blutdruck auf die
Peptidspiegel
Keinerlei Benefit konnte im Gesamtstudienkollektiv bei Patienten mit niedrigeren
Herzfrequenzen im Vergleich zu denjenigen Patienten mit höheren Herzfrequenzen
zum Ausgangszeitpunkt gesehen werden. Allerdings wirkten sich eine besonders
niedrige Herzfrequenz (<60/min) und eine besonders hohe (>100/min) negativ auf das
Ergebnis der Peptide aus. Dies kann trotz ausreichender pharmakologischer
Unterstützung pathophysiologischen Mechanismen der Herzfunktion zugrunde liegen,
die besonders bei Tachykardie mit einer erhöhten Exkretion der Herzpeptide
einhergehen. Außerdem können Störfaktoren wie z.B. Fieber und Tachykardie erhöhte
NT-proBNP-Level hervorrufen [146].
Ebenso wurden schon Zusammenhänge
zwischen Bradykardie und erhöhten Herzpeptidspiegeln beobachtet [65]. Auch
Störfaktoren durch implantierte Kardioverter(-Defibrillatoren) können zu einem Anstieg
der Peptide führen, was vor allem mit dem Mechanismus der interventrikulären
Kontraktionen zu erklären versucht wird [70].
In der Rehagruppe lag der mediane Blutdruck mit 120/80 mmHg im optimalen
therapeutischen Bereich. Dahingegen lagen die Mehrzahl der Kontrollgruppe im
hypotensiven Blutdruckbereich mit einem Median von 105/70 mmHg.
Es zeigte sich ein ungünstiges Outcome bei Patienten mit hypotensiven (<100/60
mmHg) und systolisch hypertensiven (>160 mmHg) Werten.
Ein Zuviel an natriuretischen Peptiden kann über die physiologische Interaktion mit
dem RAAS zu Hypotension führen [42]. Dieser Mechanismus kann ebenfalls zum
schlechteren Outcome der Kontrollgruppe geführt haben. Wobei hier noch genaue
Ursachenforschungen für die Gründe der hypotensiven Einstellung in dieser Gruppe
notwendig wären.
Da in Deutschland die arterielle Hypertonie eine der wichtigsten Ursachen für die
linksventrikuläre Hypertrophie darstellt, wurde diese echokardiographisch bei unseren
Patienten ausgeschlossen.
NT-proBNP-Werte korrelieren mit der Dicke der
Ventrikelwand [94] und verdoppeln sich in etwa bei linksventrikulärer Hypertrophie [72],
was zu einem großen Störfaktor in der Studie geführt hätte.
4 Diskussion
4.3.6
70
Auswirkungen der Nierenfunktion auf die Peptidspiegel
NT-proBNP-Werte werden nachweislich von der Nierenfunktion beeinflusst [73, 84,
104]. Im Normbereich der normierten Glomerulären Filtrationsrate (GFR) spielt dies
keine Rolle. Ab einer GFR < 90 ml/min/1.73m² sind aber sowohl BNP als auch NTproBNP invers und unabhängig mit der Nierenfunktion korreliert [22]. Dies ist bei NTproBNP sogar in noch stärkerem Ausmaß vorhanden als bei BNP [140]. Daher wurde
in unserer Studie zeitgleich mit dem NT-proBNP der Kreatininwert mitbestimmt.
SCHOU et al. postulieren für die Genauigkeit der Abschätzung der Nierenfunktion die
Verwendung der eGFR (geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate), da diese bei noch
normalen Kreatininwerten bereits erniedrigt sein kann [122]. Da wir uns lediglich an
normwertigen Kreatininbereichen orientierten, können hier einzelne Fehlerquellen
entstanden sein. Ebenso kann das Zusammenspiel von Altern und erniedrigter eGFR
sowohl bei Herzgesunden wie auch bei Herzkranken zu fehlerhaften Messwerten
beitragen [19]. Eine renale Ursache für die Entwicklung der NT-proBNP-Werte können
wir aber anamnestisch und laborchemisch nahezu ausschließen, da der Kreatinin-Wert
während der Sechsmonatsphase bei einem Mittelwert von 1.1±0,3 mg/dl in der
Gesamtpopulation nahezu konstant blieb.
4 Diskussion
4.3.7
71
Auswirkungen der Pharmakotherapie auf die Peptidspiegel
Beide Patientengruppen waren bereits bei Studieneintritt optimal medikamentös aus
dem
Akutkrankenhaus
eingestellt.
Beobachtungszeitraums
keine
Es
schweren
wurden
während
Veränderungen
an
des
der
folgenden
individuellen
Medikation vorgenommen. Wesentliche Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der
Verordnungen im Bereich der Diuretika; Thazide wurden fünfmal häufiger in der RehaGruppe eingesetzt. Dahingegen profitierte die Kontrollgruppe häufiger von AT1Rezeptor-Antagonisten
und
doppelt
so
viele
Patienten
bekamen
hier
auch
Herzglykoside verabreicht. Trotz der Tatsache, dass Herzglykoside die 1-JahresMortalität und Hospialisierung bei mit ACE-Hemmern und Diuretika eingestellten
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nachweislich senken können [25] konnte
hier die Kontrollgruppe keine wesentlich Verbesserung in den Peptidleveln im
Vergleich
zur
Kontrollgruppe
erkennen
lassen.
Ebenfalls
konnten 46%
der
Kontrollgruppe, die eine Kombination aus ACE-Hemmern und AT1-RezeptorAntagnositen verordnet bekamen, offensichtlich von dieser Kombination nicht
wesentlich profitieren [39].
In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, dass rein pharmakologische
Interventionen (medikamentöse Therapie) nicht kurzfristig zu Veränderungen der NTproBNP-Werte führen, sondern einen längerfristigen zeitlichen Zusammenhang
aufweisen: So steigen NT-proBNP-Werte nach Einleitung einer β-Blockertherapie
sogar zunächst geringfügig an, um erst nach sechs Monaten eine 30prozentige
Reduktion aufzuweisen [50, 156].
4 Diskussion
4.3.8.
72
Auswirkungen anderer Störfaktoren
Akute Verschlechterungen der Herzfunktion können mit BNP schnell und sicher erfasst
werden [77]. Da aber alle NT-proBNP-Messwerte unter ärztlicher Kontrolle entnommen
wurden und die Patienten klinisch überwacht wurden, dürfte dies keine große
Fehlerquelle darstellen.
Schwangerschaften konnten bei allen weiblichen Patientinnen ausgeschlossen werden
[32].
Ausgiebige Wasserbäder steigern den zentralvenösen Druck durch eine Verschiebung
des extrazellulären Volumens in das intrathorakale Gefäßbett. Dadurch kommt es zu
einer
gesteigerten
Diurese
und
Natriurese,
was
wiederum
eine
vermehrte
Ausschüttung von natriuretischen Peptiden aus dem Herzen hervorruft [34]. Aus
diesem Grund kann es bei Herzinsuffizienzpatienten zu erneuten massiven Anstiegen
dieser Peptide nach Wassersport oder –gymnastik kommen.
4 Diskussion
4.4.
Es
73
Die Bedeutung des NT-proBNP in der Rehabilitation
kann
nur
spekuliert
werden,
welche
der
vier
Interventionsmodalitäten
(Pharmakotherapie, kontrolliertes Fitnessprogramm, Ernährungsschulung, Autogenes
Training) am stärksten den günstigen Abfall der NT-proBNP-Werte beeinflusst hat.
Man
könnte
beispielsweise
postulieren,
dass
allein
die
Optimierung
der
pharmakologischen Therapie (β-Blocker, ACE-Hemmer, Aldosteron-Antagonisten)
dafür verantwortlich war. Dagegen sprechen aber folgende Gründe:
(1)
Die Einleitung einer bekanntermaßen hocheffektiven β-Blockertherapie
reduziert die NT-proBNP-Werte um lediglich 20-30% [102], während in
unserer Studie diese um 60% und mehr reduziert waren.
(2)
Eine Großzahl unserer Patienten profitierte bereits bei Aufnahme von einer
optimierten medikamentösen Therapie.
(3)
Es gibt bereits Studien, die belegen, dass sportliche Aktivität die NTproBNP-Werte zu vermindern vermag [108]. Für den Beitrag des täglichen
Ausdauertrainings
Rückgang
der
sprechen
auch
Hospitalisierungen
neuere Metaanalysen,
und
der
die
einen
Mortalitätsrate
sehr
wahrscheinlich machen [127], Ergebnisse, welche eine Abnahme der NTproBNP-Werte voraussetzten.
(4)
Gewichtsreduktion und salzarme Ernährung stellen hämodynamisch
entlastende Wirkprinzipien bei der Therapie der Herzinsuffizienz dar [81]
und haben deshalb sicherlich einen Beitrag zu den günstigen Ergebnissen
geleistet.
Daher spricht diese Studie dafür, dass alle genannten Modalitäten etwa zu gleichen
Teilen für den zu diesem Zeitpunkt und in diesem Ausmaß nicht erwarteter Abfall der
NT-proBNP-Werte verantwortlich zu machen sind.
KUBLER et al. entdeckten den Zusammenhang zwischen fehlendem signifikantem
Abfall der NT-proBNP-Konzentrationen und erhöhten Raten an Rehospitalisierung und
Mortalität
[67].
Da
die
NT-proBNP-Werte
während
der
sechsmonatigen
Beobachtungsphase in der Kontrollgruppe annähernd konstant blieben (13%
Reduktion der Ausgangslevel nach 6 Monaten), interpretieren wir den signifikanten und
klinisch relevanten Abfall in der Reha-Gruppe als unmittelbare Folge der stationären
multimodalen Intervention.
4 Diskussion
74
Da die NT-proBNP-Werte mit dem Stadium und der Prognose der chronischen
Herzinsuffizienz korrelieren und NT-proBNP aus bereits genannten Gründen deutliche
Vorteile gegenüber der Bestimmung des BNP erbringt [141], kann geschlossen
werden, dass eine stationäre, multimodale Rehabilitationsintervention die NT-proBNPWerte um ca. 50-60% signifikant und klinisch relevant langfristig reduziert und damit
auch Hospitalisierungs- und Überlebensrate günstig beeinflusst.
4.4.1 Limitationen und Ausblick
Aufgrund äußerer Umstände, wie der familiären und hausärztlichen Situation, konnten
vereinbarte Gespräche nicht immer gehalten werden und somit ging leider ein Teil an
zusätzlichen Informationen über den klinisch-symptomatischen Status der Patienten in
der Nachbeobachtungszeit von 6 Monaten verloren.
Außerdem stellt das Studienkollektiv trotz Steigerung der Fallzahl gegenüber
vorhergehenden Studien immer noch relativ kleine Fallzahlen dar.
Diese Probleme sollten in weiteren Studien bedacht und ausgearbeitet werden.
Die Auswertung der Tagebücher der Patienten und die psychologische Aufarbeitung
der Fragebögen stehen noch aus; könnten aber weiteren Aufschluss über mögliche
Gründe für das Scheitern der Therapieversager geben.
5 Zusammenfassung
5
75
Zusammenfassung
BNP und NT-proBNP sind molekulare Biomarker, welche ebenso für die Diagnostik
und Prognose der chronischen Herzinsuffizienz genutzt werden können wie für die
Optimierung einer medikamentösen Therapie und das Langzeit-Management dieser
Erkrankung.
Erstmalig
untersuchten
wir
den
Einfluss
eines
strukturierten,
multimodalen, stationären Interventionsprogramms auf den zeitlichen Verlauf der NTproBNP-Werte während und sechs Monate nach einer solchen Intervention.
Die Studie wurde in sechs deutschen kardiovaskulären Rehabilitationszentren
durchgeführt
mit
medikamentösen
folgenden
Therapie,
Interventionsmodalitäten:
Durchführung
eines
Optimierung
der
Krankheits-bezogenen
Ausdauertraining-Programms, intensive Information über Art und Verlauf der
Erkrankung und Teilnahme an physischen und psychischen Entspannungsübungen.
Wir erwarteten einen positiven Effekt unseres Interventions-Programms auf die NTproBNP-Spiegel während des stationären Aufenthaltes und entweder eine Konstanz
der Werte nach der Entlassung oder – aufgrund von mangelnder Compliance – sogar
ein Wiederanstieg der Werte bis zu sechs Monate nach Entlassung.
Komplette NT-proBNP-Werte lagen für 60 Patienten vor, welche an einer chronischen
Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II-III litten, eine klinisch relevante Dekompensation
erlitten hatten und eine LVEF < 35% aufwiesen. Der Medianwert der NT-proBNPSpiegel betrug 1985 pg/ml am Anfang, war geringfügig aber nicht signifikant reduziert
worden auf 1664 und 1755 pg/ml während des stationären Aufenthaltes, fiel jedoch
statistisch und klinisch relevant auf 978 pg/ml nach drei Monaten (p<0.01) und auf 719
pg/ml nach sechs Monaten (p<0.01). Der Median der Kontrollgruppe änderte sich nicht
während der sechsmonatigen Beobachtungsperiode (1164 pg/ml und 1107 pg/ml).
Im Gegensatz zu unserer Hypothese hat ein modernes, strukturiertes, stationäres
Rehabilitationsprogramm keinen Kurzzeit-Effekt auf die NT-proBNP-Spiegel innerhalb
von Wochen, sondern vielmehr einen signifikanten und größenordnungsmäßig klinisch
relevanten Langzeit-Effekt innerhalb von Monaten. Dies könnte in der Tatsache
begründet liegen, dass die molekularen und strukturellen Umbauprozesse des linken
Ventrikels im Sinne eines umgekehrten „left ventricular remodelling“ entsprechend Zeit
benötigen. Da die NT-proBNP-Spiegel mit der Prognose der Erkrankung assoziiert
sind,
kann
indirekt
geschlossen
werden,
dass
unsere
stationäre
Rehabilitationsstrategie langfristig positive Effekte auf Hospitalisierungsrate und
Überlebensprognose hat.
6 Abb.- und Tabellenverzeichnis 76
6
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
6.1
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1:
chemische Strukturformel von BNP
Abbildung 1.2:
Schematische Darstellung der enzymatischen Spaltung von
proBNP in BNP und NT-proBNP
Abbildung 3.1:
NT-proBNP-Werte am Anfang und nach 6 Monaten für die
Kontrollgruppe (n=43, nicht signifikant, K1 und K2) sowie für die
Rehagruppe (n=85, p<0.001 für R1 nach R5)
Abbildung 3.2:
NT-proBNP-Werte der Rehabilitationsgruppe (n=85), signifikanter
Abfall von R3 nach R4
Abbildung 3.3:
NT-proBNP-Werte der 62 Responder
Abbildung 3.4:
NT-proBNP-Werte der 16 Non-Responder
Abbildung 3.5:
NT-proBNP-Werte der 7 Therapieversager
6.2
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1.1:
mögliche kausale Therapieansätze der wichtigsten Ursachen der
chronischen Herzinsuffizienz
Tabelle 1.2:
nicht-medikamentöse Therapie bei chronischer Herzinsuffizienz
Tabelle 1.3:
medikamentöse Stufentherapie bei systolischer linksventrikulärer
Dysfunktion (EF < 35%)
Tabelle 1.4:
aktuelle Trainingsempfehlungen für ein aerobes Ausdauertraining
für Herzinsuffizienz-Patienten (modifiziert)
Tabelle 2.1:
Teilnehmende Rehazentren
Tabelle 2.2:
Alter, Geschlecht, Ätiologie und linksventrikuläre
Ejektionsfraktion (LVEF) der Reha- und Kontrollgruppe
Tabelle 3.1:
klinische Daten des Gesamtstudienkollektivs bei Aufnahme
Tabelle 3.2:
Medikation des Gesamtstudienkollektivs bei Aufnahme
Tabelle 3.3:
NT-proBNP-Messwerte des Gesamtstudienkollektivs
Tabelle 3.4:
Pearson Korrelations-Koeffizienten der NT-proBNP-Werte mit
allgemeinen klinischen Parametern zum Messzeitpunkt T1
6 Abb.- und Tabellenverzeichnis 77
Tabelle 3.5:
Man-Whitney-Wilcoxon-Test der NT-proBNP-Werte bei beiden
Gruppen
Tabelle 3.6:
Man-Whitney-Wilcoxon-Test der allgemeinen klinischen
Parameter zum Messzeitpunkt T1 bei beiden Gruppen
Tabelle 3.7:
GLM Prozedur: wiederholte Varianz-Messanalyse
Eindimensionaler Test auf Hypothese für zeitliche Effekte
innerhalb der NT-proBNP-Messwerte
Tabelle 3.8:
GLM Prozedur: wiederholte Varianz-Messanalyse
Varianzanalyse der Kontrastvariablen: Polynominaler Test auf
zeitlichen Effekt zwischen den NT-proBNP-Werten der RehaGruppe
Tabelle 3.9:
Korrelation zwischen NT-proBNP-Werten und Alter
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8 Lebenslauf
8
99
Lebenslauf
Die Seiten 99-100 (Lebenslauf) enthalten persönliche Daten. Sie sind deshalb nicht
Bestandteil der Online-Veröffentlichung.
8 Lebenslauf
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9 Danksagung
9
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Danksagung
Herrn Prof. Dr. med. Ch. J. F. Holubarsch danke ich ganz besonders für die
Überlassung des Themas, die fachliche Unterstützung und stets freundliche Betreuung
sowie Frau Dr. med. R. Brantner, die mir in den Anfängen der Arbeit tatkräftig zur Seite
stand.
Ebenso möchte ich an dieser Stelle Frau S. Fischer Dank sagen für die überaus
großzügige und stetige Hilfsbereitschaft und ein offenes Ohr bei allen Problemen.
Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. med. Zugck und Herrn Dr. med. L. Frankenstein für
die Bereitstellung der Kontroll-Gruppe aus dem Heidelberger Herzambulanz-Zentrum.
Ganz besonders dankbar bin ich meinen Eltern und allen, die mir während der
gesamten Arbeit stets beratend, unterstützend, aufbauend und hilfsbereit zur Seite
standen und jederzeit für mich da waren.
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