40 - Arznei

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a r z n e i - t e l e g r a m m® 2009; Jg. 40, Nr. 10
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
Exenatide:
BYETTA
(A, CH)
Natalizumab:
TYSABRI
(A, CH)
Sitagliptin:
JANUVIA
(A, CH)
Kurz und bündig
Vertebroplastie bei osteoporotischer Wirbelfraktur
nicht besser als Plazebo: Schmerzhafte osteoporotische Wirbelfrakturen werden traditionell analgetisch und durch Ruhigstellung behandelt. Seit einigen Jahren ist als Verfahren der
Schmerzlinderung die Vertebroplastie in Mode gekommen,
bei der über eine Hohlnadel Polymethylmethacrylat, so genannter Knochenzement, in den Wirbelkörper eingebracht
wird. Obwohl bislang keine validen Nutzenbelege aus randomisierten kontrollierten Studien dazu vorliegen,* wird das
Verfahren auf der Basis von Beobachtungsdaten breit angewendet und in Leitlinien empfohlen. Nun werden erstmals
zwei randomisierte kontrollierte Studien veröffentlicht – eine
australische und eine internationale (INVEST**) –, in denen
die Vertebroplastie verblindet mit Scheinbehandlung verglichen wird. An der australischen Studie nehmen insgesamt 78,
an der internationalen 131 Patienten teil. Die Mehrzahl (79%
bzw. 76%) sind Frauen, das Durchschnittsalter liegt in beiden
Studien bei über 70 Jahren. Schmerzhafte osteoporotische
Wirbelfrakturen dürfen nicht länger als ein Jahr bestehen. In
beiden Untersuchungen nehmen die Schmerzen jeweils sowohl in der Verum- als auch in der Plazebogruppe ab. Jedoch
werden in beiden Studien weder das primäre Zielkriterium
(Schmerzintensität und in INVEST zusätzlich Behinderung
nach einem bzw. drei Monaten***) noch sekundäre Endpunkte durch die Intervention signifikant positiv beeinflusst
(BUCHBINDER, R. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 557-68;
KALLMES, D.F. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 569-79, atid). Die Vertebroplastie ist nicht risikolos: Verletzung des Duralsackes, Osteomyelitis, Austritt des Knochenzements mit
Kompression von Nervenwurzeln oder systemische Embolisierung und Frakturen benachbarter Wirbelkörper aufgrund der
veränderten Statik sind beschrieben. Da ein kurzfristiger Nutzen im Vergleich zu Plazebobehandlung nicht belegt ist und
randomisierte Langzeituntersuchungen gänzlich fehlen, ist die
Vertebroplastie unseres Erachtens nur noch im Rahmen klinischer Studien vertretbar. Dies gilt auch für die Kyphoplastie,
ein verwandtes Verfahren, bei dem zur Aufrichtung des Wirbelkörpers ein Ballon verwendet wird und zu dem bislang nur
eine nichtverblindete randomisierte kontrollierte Kurzzeitstudie vorliegt (WARDLAW, D. et al.: Lancet 2009; 373: 101624), –Red.
Nebenwirkungen
LEUKOENZEPHALOPATHIE (PML) UNTER
WNATALIZUMAB (TYSABRI)
Der rekombinante humanisierte Antikörper WNatalizumab (TYSABRI) wird seit drei Jahren zur Therapie der schweren schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose (MS) angeboten. Da bereits während des Studienprogramms drei Patienten an progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie
(PML) erkrankt sind und alle drei gleichzeitig weitere immunsuppressiv wirkende Substanzen verwendeten, wurde die Zulassung zur Risikominderung auf die Monotherapie beschränkt (a-t 2006; 37: 69-71). Diese Maßnahme hat die oft
tödliche opportunistische Infektion jedoch nicht verhindert:
*
Veröffentlicht waren bisher lediglich eine randomisierte Negativstudie mit 50
Patienten (ROUSING, R. et al.: Spine 2009; 34: 1349-54) sowie eine randomisierte Studie mit 34 Patienten, die wegen eines hohen Cross over nach zwei
Wochen vorzeitig beendet wird (VOORMOLEN, M.H.J. et al.: Am. J. Neuroradiol. 2007; 28: 555-60). Beide sind unverblindet.
** INVEST = Investigational Vertebroplasty Safety and Efficacy Trial
*** Australische Studie: Abnahme eines Schmerzscores (insgesamt 0-10 Punkte)
nach drei Monaten um 2,6 vs. 1,9 Punkte, Differenz 0,6 (95% Konfidenzintervall [CI] -0,7 bis 1,8); INVEST: Punktwert nach einem Monat für Behinderung (modified Roland-Morris Disability Questionaire, insgesamt 0-23 Punkte) 12,0 vs. 13,0 Punkte, Effekt 0,7 (95% CI -1,3 bis 2,8) sowie für Schmerzen
(insgesamt 0-10 Punkte) 3,9 vs. 4,6 Punkte, Effekt 0,7 (95% CI -0,3 bis 1,7)
Seit der Zulassung sind 13 weitere Anwender des Integrinhemmers an Leukoenzephalopathie erkrankt. Die Betroffenen haben zwischen 12 und 35 Infusionen erhalten.2 Aktuelle Auswertungen der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA ergeben nach mindestens 24 Infusionen eine Erkrankungsrate
von 0,4-1,3 pro 1.000 Patienten.1 Dafür, dass das Erkrankungsrisiko mit der Anwendungsdauer zunimmt, spricht auch
der Zeitverlauf: Alle Erkrankungen sind erst ab Juli 2008 und
somit mehr als zwei Jahre nach der Zulassung bekannt geworden.3,4
Die Symptomatik der PML, „die noch nie bei einem MSPatienten vor Natalizumab-Anwendung beschrieben wurde”,2
kann anfänglich MS-Symptomen ähneln. Daher ist es auch
nach Bekanntwerden der schweren Schadwirkung zu Fehldeutungen der neurologischen Krankheitszeichen gekommen mit
der Folge, dass die Behandlung mit Natalizumab nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt wurde.5
Welche Anwender gefährdet sind, lässt sich nicht erkennen: JC-Viren, die Erreger der PML, können unter Natalizumab auch bei asymptomatischen Patienten reaktiviert sein. Sie
sind zudem auch bei einem großen Teil der Bevölkerung
nachweisbar. Geeignete Urin- oder Bluttests fehlen, die eine
Vorhersage über ein erhöhtes PML-Risiko erlauben.6
Vor Melanomen und Leberschäden in Verbindung mit
Natalizumab haben wir in a-t 2008; 39: 24 und 80 gewarnt. Da
der Nutzen in der derzeit zugelassenen Indikation zudem
nicht ausreichend geprüft ist, raten wir von der Therapie mit
dem Antikörper ab, –Red.
1
2
3
4
5
6
FDA: Information on Natalizumab (marketed as TYSABRY), 9/2009;
http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/PostmarketDrugSafetyInformationforPatient
sandProviders/ucm107198.htm
CHEN, Y. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1067-74
Biogen idec, elan: Pressemitteilung vom 22. Juli 2008
http://www.biogenidec.com/news/BiogenIDECPR_2008_26.pdf
Biogen idec, Report vom 31. Juli 2008; http://www.sec.gov/Archives/edgar/
data/875045/000095013508005223/b714958ke8vk.htm
WENNING, W. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1075-80
MAJOR, E.O.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1041-3
PANKREATITIS UND VASKULITIS
UNTER WSITAGLIPTIN (JANUVIA, XELEVIA)
In die europäischen und amerikanischen Fachinformationen zum Antidiabetikum WSitagliptin (JANUVIA, XELEVIA,
a-t 2007; 38: 56-7) müssen jetzt Hinweise auf Pankreatitis aufgenommen werden.1,2 Der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA sind zwischen Oktober 2006 und Februar 2009
88 Berichte über akute Pankreatitis unter dem Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4)-Hemmer zugegangen. 58 mal (66%) wird
über Krankenhausaufnahme berichtet, vier Patienten müssen
intensiv behandelt werden. Zweimal handelt es sich um eine
hämorrhagische oder nekrotisierende Pankreatitis. Bei 19 der
Betroffenen (21%) entwickelt sich die Schädigung innerhalb
der ersten 30 Einnahmetage, bei 53% ist Besserung nach Absetzen beschrieben. Aufgrund der zeitlichen Abfolge ist nach
Einschätzung der FDA ein Zusammenhang mit Sitagliptin
möglich.1 Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMEA
schließt einen kausalen Zusammenhang nicht aus. Sie überblickt 108 Berichte, darunter zwei Todesfälle.2 Sitagliptin
hemmt den Abbau von Inkretinhormonen, die ihrerseits die
Synthese und Ausschüttung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse fördern. Im Zusammenhang mit dem Inkretinmimetikum WExenatide (BYETTA) ist Pankreatitis schon länger beschrieben (a-t 2007; 38: 106; blitz-a-t vom 21. August 2008),
ebenso unter dem neuen Inkretinmimetikum WLiraglutid
(VICTOZA; a-t 2009; 40: 80-2).
Nachdem seit Markteinführung über schwerwiegende
Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Anaphylaxie,
Angioödem (vgl. a-t 2009; 40: 84) und exfoliative Hautschädigung wie STEVENS-JOHNSON-Syndrom berichtet wurde,
muss die Fachinformation auf Anordnung der EMEA jetzt
auch auf kutane Vaskulitis unter Sitagliptin hinweisen. Die
EMEA erfasst 15 Meldungen, von denen eine gut dokumenvor
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