49 arznei-telegramm 5/93 Ausgangspool häufiger hüllenlose Viren enthalten als eine Einzelspende. Die Übertragung von Parvovirus B19 oder Coxsackievirus auf diesem Wege kann „das Ende aller lebenserhaltenden Maßnahmen bedeuten”, wenn beim Empfänger dieses Plasmas eine aplastische Krise bzw. eine Myokarditis ausgelöst wird. Quarantäneplasma ist frisch gefrorenes Plasma, das erst verwendet wird, wenn der Spender Monate nach der Spende noch frei von relevanten Infektionserregern ist. In den USA beträgt diese Frist jetzt 6 Monate. Quarantäneplasma verengt das diagnostische Fenster bei Tests auf Virusinfektionen und verringert das Restrisiko einer Infektionsübertragung. Lipidumhüllte Viren werden durch Quarantäneplasma mit einer geringen Restwahrscheinlichkeit übertragen, deren Größenordnung der von „virusinaktiviertem” Plasma vergleichbar ist. Die Einzelspende eines Quarantäneplasmas hat jedoch den Vorteil, daß die Restwahrscheinlichkeit, hüllenlose Viren zu übertragen, bedeutend geringer ist als bei „virusinaktiviertem” Poolplasma (GÜRTLER, L., W. SCHRAMM: Dtsch. med. Wschr. 118 [1993], 520). Das Bundesgesundheitsamt beabsichtigt, das Ruhen der Zulassung für Blutprodukte anzuordnen, die unter Verwendung des Solvenz-Detergenz-Verfahrens hergestellt werden und bei denen nicht ausreichend belegt ist, daß das Herstellungsverfahren nicht-umhüllte Viren genügend inaktiviert bzw. eliminiert (Pharm. Ztg. 138 [1993], 1127). Erythropoetin (ERYPO u.a.) statt Bluttransfusion für Zeugen Jehovas: Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen aus Glaubensgründen ab. Tritt bei diesen Personen ein akuter Blutverlust ein, bietet die Behandlung mit Erythropoetin (ERYPO u.a.) einen Ausweg. Eine 35jährige Angehörige der Glaubensgemeinschaft, die nach Beckenthrombose und Lungenembolie im ersten Schwangerschaftsdrittel mit Heparin behandelt wurde, erlitt in der 38. Schwangerschaftswoche eine schwere intraabdominelle Blutung. Nach Kaiserschnittentbindung betrug der postoperative Hämoglobin-Wert lediglich 2,9 g/dl. Die Patientin hatte wiederholt Bluttransfusionen abgelehnt. Zwei Stunden nach der Operation wurde eine Behandlung mit 34.000 I.E. Erythropoetin i.v. begonnen und acht Tage lang mit 1.000 I.E./kg KG fortgesetzt. Gleichzeitig bekam die Patientin Eisen, zunächst intravenös, später per os. Zwei Wochen nach dem Blutungsereignis konnte sie mit einem Hämoglobin von 8,2 g/dl aus der Klinik entlassen werden (LARSON, B., N. CLYNE: Läkartidningen 90 [1993], 1662). Die extrem hoch dosierte Erythropoetin-Behandlung würde hierzulande etwa 17.000,- DM kosten. Scopolamin-Pflaster (SCOPODERM TTS) gegen Hypersalivation: Vermehrte Speichelbildung kann ein behandlungsbedürftiges Problem sein, etwa bei schwerkranken Patienten sowie bei Personen mit Erkrankungen im Mund-Rachen-Raum oder neurologischen Störungen. Schwedische Autoren berichten über die vergleichsweise einfache Anwendung von Scopolamin-Pflastern (SCOPODERM TTS) bei Hypersalivation. Dabei wird die häufigste Störwirkung des zur Vorbeugung von Reisekrankheit zugelassenen Membranpflasters genutzt: Mundtrockenheit. In einer israelischen Studie nimmt die störende Speichelmenge durch das Pflaster um 46% bis 100% ab. Die Wirkung scheint dosisabhängig zu sein. Die Hemmung des Speichelflusses läßt sich offenbar durch Zuschneiden des Pflasters oder Applikation eines weiteren Streifens gut dosieren. Um unerwünschte Wirkungen wie Akkomodationsstörungen, Herzklopfen und Harnverhaltung zu vermeiden, ist die geringste wirksame Dosis zu wählen. Klare Dosisrichtlinien fehlen jedoch für die nicht zugelassene Indikation (LJUNGGREN, M., J. HEDNER: Läkartidningen 90 [1993], 1635). Arzneimittel, die den Speichelfluß fördern können, sollten bei Hypersalivation gemieden wer- den. Hierzu gehören Neuroleptika, nichtsteroidale Entzündungshemmer, Clomethiazol (DISTRANEURIN u.a.) – vgl. das A.T.I.-Nachschlagewerk „Vom Verdacht zur Diagnose”, Seite 371. Ticlopidin (TIKLYD) – zur Sekundärprophylaxe von Insulten jetzt mit BGA-Zulassung: Im a-t 4 (1993), 37 schrieben wir, der behandelnde Arzt setze sich einem Haftungsrisiko aus, wenn er der Prophylaxe mit Ticlopidin den Vorzug gibt. Der rechtliche Vorbehalt, nicht aber die medizinischen Bedenken entfallen, nachdem die Firma Sanofi Mitte April 1993 die Zulassung für die Indikationserweiterung mitteilte (ati d). Nachwirkungen Indikationen und Risiken der Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME-IMMUN, ENCEPUR): Die Arzneimittelkommission in Köln weist darauf hin, daß die Übertragung von FSME-Viren durch Zeckenbiß ein seltenes Ereignis ist. Im deutschsprachigen Raum finden sich Naturherde in begrenzten Gebieten von Baden-Württemberg, Bayern und Österreich. Mit 60 bis 120 FSME-Erkrankungen soll in Deutschland pro Jahr zu rechnen sein. „In den neuen Bundesländern herrscht seit Mitte der 70er Jahre eine ruhige epidemiologische Situation (endemische Latenz)” (vgl. a-t 11 [1991], 105). Da der Arzneimittelkommission eine Reihe von Verdachtsmeldungen über Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems bis hin zu Krampfanfällen, Enzephalomeningitis und postvakzinaler Schwerpunktneuritis nach FSMEIMMUN zugingen und die Diskussion „über den Grad der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen aktiver Impfung und Verdachtsfällen” unerwünschter Wirkungen noch nicht abgeschlossen ist (vgl. a-t 8 [1992], 82), empfiehlt die Kommission, „die Indikation sorgfältig zu stellen und die Patienten ausführlich über Nutzen und Risiko der Impfung aufzuklären” (Dtsch. Ärzteblatt 90 [1993], C-680). Über Störwirkungen der Impfung berichteten wir zuletzt in a-t 6 (1991), 50; 9 (1991), 83; 5 (1992), 48 und 8 (1992), 81. #13 Netzwerk aktuell Psychische und zentralnervöse Störungen nach Cetirizin (ZYRTEC): „Aufgrund Ihres letzten a-t habe ich gestern die Medikation geändert”, kommentiert eine Hautärztin aus dem Ruhrgebiet unseren Warnhinweis in a-t 4 (1993), 40 über Aggressivität und andere psychische Störwirkungen des noch vergleichsweise wenig erprobten Antihistaminikums Cetirizin (ZYRTEC). Der Grund: Ein als „gelassener Mensch” geltender 37jähriger Mann bemerkte zunehmende Aggressivität seit Einnahme des Antiallergikums (NETZWERK-Bericht 6405). Die Frau eines Kollegen aus Norddeutschland beschreibt Unruhe und Unkonzentriertheit tagsüber bei ihrem 8jährigen Sohn. Das Kind kann selten während einer Mahlzeit am Tisch sitzenbleiben. Gegen eine Wärmeallergie nimmt er abends Cetirizin-Tropfen ein (Bericht 6395). Ein 29jähriger Mann verspürt 2 Tage nach Einnahmebeginn Atemnot mit dem Gefühl, nicht ausreichend durchatmen zu können, sowie Agitiertheit. Innerhalb einer Woche nach Absetzen klingen die Symptome ab (Bericht 6428). Eine 39jährige Frau reagiert am dritten Tag der Cetirizin-Einnahme mit heftigen Kopfschmerzen bis zur Arbeitsunfähigkeit (Bericht 6389). In zwei weiteren aktuellen Berichten an unser NETZWERK wird über starke Müdigkeit nach Cetirizin berichtet,