Kniffliche Grenzfälle als Fallstrick in der pädiatrischen Hämatologie: Gratwanderung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung Prof. Stefan Eber Schwerpunktpraxis München und Vorsitzender d. Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger pädiatrischer Hämatologen/Onkologen www.kid-z.de; www.apoh.eu Fallstricke beim ITP Sydnrom • Hirnblutung bei akuter ITP • Pitfalls bei der Therapie der chronischen ITP • Fallstrick: wann muss ich – bei chronische Thrombozytopenie an eine andere Grunderkrankung denken Nachweisdiagnostik bei ITP • Die Diagnose ITP ist eine Ausschlussdiagnose. • Anamnese: vorher gesundes Kind, keine Grunderkrankung, die zu Thrombozytopenie führt. Blutungszeichen seit wenigen Tagen. Oft viraler Infekt (selten Lebendimpfung) 2-3 Wochen vorher. • Klinische Untersuchung: Fast immer Petechien und / oder Hämatome. Manche Kinder haben überwiegend Hämatome und wenige Petechien. Schleimhautblutungen: meist Epistaxis und Gingivablutung, selten Hämaturie, Menorrhagie, Darmblutung. • Labor: Isolierte Thrombopenie (in 70-80% <20 G/l) Zielsetzung einzelner diagnostischer apparativer Verfahren • Thrombozytenzählung für initiale Diagnosestellung. • Wichtig: Betrachtung des Ausstriches (Thrombozytengröße) und manuelle Zählung (elektronische Geräte im Bereich < 20 G/l unzuverlässig; große Thrombozyten nicht erfasst, • Häufige Thrombozytenkontrollen im weiteren Verlauf entbehrlich, eher zur Feststellung einer Remission • Blutbild: ein Hb Abfall kann auf eine Hirnblutung hinweisen: Die Prognose ist bei früher Erkennung gut • Knochenmarkspunktion bei atypischen Befunden: (Organvergrößerung, Lymphknotenschwellung, Gelenkschmerzen; erhöhtes MCV (Fanconi-Anämie? MDS?), Anämie, Neutropenie (Leukämie?) oder wenn Zweifel an der Diagnose ITP bestehen • Eine diagnostische KMP vor Prednisolontherapie ist nicht gerechtfertigt Einteilung der aITP nach Blutung • Leicht: Petechien, Hämatome, keine Schleimhautblutungen • Moderat: Blutung aus Nase bzw. Gingiva, intermittierend, sistiert spontan bzw. auf Druck (Nase) (ca 20 %) • Schwer:anhaltende Schleimhautblutung, NasenTamponade, Transfusion notwendig (3 • lebensbedrohlich: nachgewiesene intrakranielle oder sonstige innere Blutung Behandlungsvorschlag (angepasst nach Leitlinie) • Behandlung indiziert bei – Nasen- u.a. Schleimhautblutungen (auf vorbestehendes Nasenbluten achten) – Signifikante Kopfverletzung; Makrohämaturie (selten) – Bei Hb Abfall (kl. BB) an Hirnblutung denken und CT veranlassen – Vorsicht bei schwarze Blasen der Mundschleimhaut: Blutbild: Hb, Thrombozyten – Bei Fieber und/oder ausgeprägten Petechien kann bei <10.000/ul Prednisolon sinnvoll sein • Therapie (Thromboanstieg innerhalb 2-3 Tagen) – Erste Wahl: Prednisolon (z.B. 2- 4mg/kg/x4) – 2.! Immunglobulinen (0,8-1g/kg x1) Auswirkungen der beiden Therapie-Konzepte auf Patient bzw. Familie Therapie Nebenwirkungen Stat. Aufenthalt Besorgnis der Eltern, ITP wird als bedrohlich angesehen; Eltern, deren Kinder nicht behandelt werden, sind nicht besorgt, sind nicht in Selbsthilfegruppen zu finden Blutbildkontrollen Beeinflussung des natürlichen Verlaufes der ITP ++++ +++ ++++ Abwarten o o o ++++ selten o o Das ITP Syndrom • • • • < 3 Monate: neu diagnostizierte ITP 3-12 Monate: persistierend:80- 90 % Chron ITP: 10- 20 % Wet Purpura sollte behandelt werden • Expertin für chron ITP: Frau Dr. Holzhauer, Charite Therapie der chron. ITP First Line: Prednisolon 2 mg/kg für 4 Tage Second line: • Rituximab: Response: TC > 30.000 in 70 % der Kinder, komplett > 150.000 In 40 % – Erfolg von Rituximab: 26% der Kinder sprechen über 5 Jahre an – Schnell geben, damit keine CE 20+ Plasmazellen entstehen. B-Zell Toleranzverlust – Möglich: Kombination von 4 wtl IVIG und Rituximab • Thrombopoietin-Rezeptor-Analoga: – Romiplostim wöchentlich s.c. – Bei Kindern 50 % ansprechen (evtl. geringer) – Aber: venöse Thrombembolien, vermehrte KM-Fibrose, GIBeschwerden • Azathioprin (1-2 mg/kg; langsames Ansprechen) • Anti-D-IgG (75ug/kg x 1) nur bei Rh pos. Aber: Chronische ITP ist bei einem Teil eine Fehldiagnose (DD) (1) • Bei einer typischen „akuten“ ITP die länger als ein Jahr dauert und keine sekundären Veränderungen des Blutbildes oder Begleitsymptome hat, muss ich keine Sorge vor einer Fehldiagnose haben • Aber: Bei Kindern, die mit einer mässiggradigen, ggf schon seit längerem bestehender Thrombozytopenie kommen, an eine andere Grunderkrankung denken!! • Eine ITP hat niemals ein hohes MCV, es ist eine isolierte Thrombozytopenie Aber: Chronische ITP ist bei einem Teil eine Fehldiagnose (DD) (2) • 1. Giganten- Thrombozyten passen zu Bernard Soulier • 2. Autoimmunes Lymphoproliferatives Syndrom (ALPS) sehr seltene DD – In 20 % keine Lymphoproliferation • 3. common variable Immundeficiency: möglich, bei chronischen Patienten daran denken! – Vorsicht: Rituximabgabe führt bei Immundefekt (Fehldiagnose chron ITP!) zu langanhaltender Hypogammaglobulinämie! • 4. ITP + SLE: Ana , Antiphospholipid AK • 5. Milde chron Tc Penie (50.000- 100.000/mml) bei Myh9 Gendefekten: May-Hegglin-Anomalie; Sebastian-Syndrom; Fechtner-Syndrom; Epstein-Syndrom Vorschlag einer ergänzenden Diagnostik bei chronischer ITP • Vollständiges Blutbild; cave Makrozytose, Bizytopenie • Ausschluss common variable Immundeficiency: – Immunglobuline Subklassen, TZellenuntergruppen • ANA, evtl SLE Doppelstrang Antikörper • ausstrichbasierte Abklärung bei Prof. Greinacher: Immunfluoreszenz auf Myh9 Defekte • Tips unter: [email protected] Ausschluss Leukämie/MDS (1) • Bei allen Blutbildveränderungen in mehr als einer Zellreihe • Bei hämatopoetischen Vorläuferstufen mit ausgeprägten Dysmorphien im Blutbild • Bei akuter ITP und Erythroblastophthise (v.a. mit Retikulozytenanstieg) i.d.R. Knochenmarkspunktion nicht erforderlich • Cave: jede normozytäre Anämie bis zum Beweis des Gegenteils eine Leukämie Ausschluss Leukämie/MDS (2) • Vorrangige Morphologie (zB unreife Lymphos) • Bedeutung der Immunzytologie: Schon 1 % monoklonaler pathologischer Zellen werden im FACS Sorter erkannt. • Bedeutung abnormaler Koexpression für maligne klonale Expression (zB. Reife BZelle und CD 10) • Benigne Polyklonalität zB bei viralen Infekten Die häufigsten Malignome im Kindesalter • Leukämien/Lymphome • Hirntumoren • Blastome (embryonale Tumoren; z.B. Neuroblastom) • Sarkome (Tumoren des Bewegungsapparates; z.B. RhabdomyoS.; Osteo- S.; Ewing S. Die häufigsten Frühsymptome bei Malignomen im Kindesalter • • • • • Blässe, Hauteffloreszenzen Erbrechen, Kopfschmerzen Lymphknoten-Vergrösserung Abdominelle Raumforderung Schmerzen und unklare Schwellungen Frühsymptome bei Malignomen im Kindesalter: Regeln für die Praxis • Bei normozytärer Anämie ohne Hämolyse Leukämie ausschliessen • Bei Kopfschmerzen und Nüchternerbrechen Hirntumor ausschliessen • Immer an Malignom denken bei – 4 Wochen konstante isolierte Konchenschmerzen (diffus bei Leukämie/NB, lokal bei Knochen- TU – 6 Wochen unklare Schwellung (bes. Kopf Hals Orbita) – 6 Wochen unklare Symtpomatik, die sich nicht einem bekannten Krankheitsbild zuordnen lassen ( Nach Prof. S.Burdach. Interessantes zur EBV Infektion • Primärer EBV Infektion erfolgt meist innerhalb der ersten 3 Lebensjahre nach oraler ElternKind-Übertragung, meist asymptomatisch • Asymptomatischer Primärinfekt ist schwer nachzuweisen, daher sind virale, immunologische und biochemische Eigenschaften weitestgehend unbekannt • Verspätete Primärinfektion kann eine Infektiöse Mononukleose (IM) mit einem breiten Spektrum an klinischen Charakteristika und auffälligen Laborbefunden verursachen Interessantes zur EBV Infektion • Die IM ist normalerweise selbstlimitierend mit Fieber, Tonsillopharyngitis und Lymphadenopathie • Sie kann aber auch mit akuten, lebensbedrohlichen Komplikationen, verzögerten Symptomen und/oder im Verlauf mit malignen und/oder AutoimmunErkrankungen assoziiert sein • In einigen Fällen von schwerem IM-Verlauf konnten spezifische primäre Immundefekte (PID) als verursachende Faktoren identifiziert werden, jedoch bleibt in den meisten Fällen der pathogenetische Mechanismus unklar • Expertin: Prof. Dr. Uta Behrends, TUM