Skript - Universitätsklinikum Ulm

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UNIVERSITÄTSKLINIKUM ULM
Abteilung Strahlentherapie
Studentenskript zur Vorlesung und zum Kurs Radioonkologie
1
2.2
Einleitung
Trotz großer Fortschritte in der modernen Medizin bleibt Krebs
eines der bedeutendsten Probleme im Gesundheitswesen. Ungefähr jeder Dritte wird im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken und jeder fünfte wird daran versterben. In Deutschland
werden jährlich ca. 300.000 neue Tumorerkrankungen diagnostiziert und behandelt.
45-50% aller Krebspatienten können heute geheilt werden.
Folgenden Anteil haben Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie:
12%
24%
Chrurgie (OP)
16%
Strahlenarten
Prinzipiell unterscheiden wir Korpuskularstrahlung (Teilchenstrahlung) und Quantenstrahlung (elektromagnetische Strahlung). Beide wirken auf biologische Systeme durch die Fähigkeit
zur Ionisation. Diese Strahlen können durch radioaktiven Zerfall
bestimmter instabiler Elemente (z.B. Cobalt-60, Iridium-192,
Strontium-90, etc.) entstehen oder künstlich erzeugt werden
(heute in der Regel durch Linearbeschleuniger). Beim Eindringen
der Strahlen in Gewebe geben diese ihre Energie teilweise oder
ganz ab. Die absorbierte Energie ist für die Strahlenwirkung verantwortlich. Die entscheidenden Effekte sind Anregung und Ionisierung von Molekülen, die sekundär zu Radikalbildung und im
weiteren Verlauf zu chemischen Prozessen führen.
Strahlentherapie (RT)
Strahlenarten
OP + RT
44%
RT + CT
Chemotherapie (CT)
Abb. 1
Seit Anfang des letzten Jahrhunderts stieg die krebsspezifische
relative 5-Jahres-Überlebensrate von 5% auf aktuell ca. 45% und
spiegelt den Fortschritt in der Krebstherapie wieder. Wie die Abb.
1 verdeutlicht, ist in ca. 90% der Fälle für die Heilung der Krebserkrankung ein lokales Therapieverfahren (Chirurgie und/oder
Strahlentherapie) verantwortlich.
Etwa zwei von drei Tumorpatienten werden im Laufe ihrer Erkrankung einer Strahlentherapie zugeführt. Bei ca. 50% aller mit
kurativer Zielsetzung behandelten Patienten ist die Strahlentherapie fester Bestandteil des Therapiekonzepts. Die Strahlentherapie erlaubt in bis zu 40% der kurativ behandelbaren Patienten
einen Organ- oder Funktionserhalt und ist damit ein wesentlicher
Faktor zur Verbesserung der Lebensqualität.
Die Haupttodesursache der meisten Tumorerkrankungen stellt
eine Metastasierung des Tumors mit zunehmender Zerstörung
lebenswichtiger Organfunktionen dar. Ein Teil der Patienten ist
bereits bei Diagnosestellung metastasiert, ohne dass dies nachweisbar wäre (okkulte Metastasierung). Nur bei ca. 30% der Patienten werden bereits bei Erstdiagnose Metastasen festgestellt.
Bei eingetretener Fernmetastasierung kann eine Lokaltherapie,
wie z.B. Chirurgie oder Strahlentherapie, zu keiner Heilung führen.
Neben den malignen Erkrankungen hat die Strahlentherapie eine
zunehmende Bedeutung in der Behandlung einiger gutartiger
Erkrankungen. Dazu gehören eine Vielzahl entzündlicher, degenerativer und proliferativer Erkrankungen. Die wichtigsten sind
entzündliche und degenerative Erkrankungen der Gelenke, Sehnen und des Bindegewebes.
2
2.1
Physikalisch-technische Grundlagen
• Gammastrahlen
(Photonenstrahlung durch
natürlichen radioaktiven
Zerfall)
2.3
• Neutronen
• Protonen
• Helium-Ionen (α-Strahlen)
• Kohlenstoff-Ionen
Dosisverteilung / Bestrahlungsplanung
Die Energieabgabe in Gewebe (Tiefendosiskurven) unterschiedlicher Strahlen zeigt die nebenstehende Abbildung. Mit zunehmender Anfangsenergie wird mehr Dosis in tiefere
Gewebeschichten transportiert. D.h. Quantenstrahlen (Röntgenstrahlen, Photonenstrahlen, Gammastrahlen) mit niedriger Energie werden zum großen Teil an der Oberfläche absorbiert und
eignen sich somit für die Bestrahlung von Hauttumoren oder oberflächennahen Prozessen. Mit zunehmender Energie penetrieren die Strahlen besser in tiefere Gewebeschichten und
ermöglichen die Bestrahlung tiefliegender Tumoren (
Abb. 2).
Tiefen d osi sk ur ven :
125
80-kV-Röntgenstrahlen
6-MeV-Photonen
16-MeV-Elektronen
100
75
50
25
DOSIS: Gemeint ist in der Regel die Energiedosis. Sie ist definiert
als absorbierte Energie einer ionisierenden Strahlung pro Masseneinheit. Die SI-Einheit der Energiedosis ist Gray (nach dem
englischen Strahlenphysiker und Strahlenbiologen)
1 Gray = 1 Gy =
• Elektronen (β-Strahlen)
Tab. 1
Wichtige Größen und Begriffe
SI-Dosiseinheit
Korpuskularstrahlen
• Röntgenstrahlen bzw. Photonenstrahlen
(15kV bis 20 MeV)
relative Dosis [%]
4%
Quantenstrahlen
J
1 -----kg
ZIELVOLUMEN: Es bezeichnet das vom Strahlentherapeuten vorgegebene Volumen, das bestrahlt werden soll. Es enthält in der
Regel alle tumortragenden Areale, z.B. den Haupttumor und alle
befallenen oder wahrscheinlich befallenen Lymphknoten.
RISIKOBEREICHE sind Körperbereiche, die bei einer Bestrahlung
des Zielvolumens aus technischen Gründen mitbestrahlt werden
müssen und strahlenempfindlich sind. Sie müssen besonders
beachtet werden, da sie durch eine Bestrahlung leicht geschädigt werden können.
0
0
5
10
15
20
Eindringtiefe [cm]
Abb. 2
Zusätzlich kommt bei hohen Energien der sogenannte „Aufbaueffekt“ zum tragen. Dieser besagt, dass die Dosis beim Durchtritt
ionisierender Strahlen durch Materie in den ersten Millimetern
zunächst ansteigt bevor sie langsam wieder abfällt. Diesem Effekt ist es zuzuschreiben, dass starke Hautreaktionen, wie sie
aus den Anfängen der Strahlentherapie bekannt sind, wo nur
nieder-energetische Röntgenstrahlen vorhanden waren, heute in
aller Regel vermieden werden können.
Ziel der Bestrahlung bösartiger Tumoren ist die Applikation einer
ausreichend hohen Dosis im Zielvolumen. Die Dosishomogenität
spielt dabei eine wichtige Rolle. Areale mit zu hoher Dosis (erhöhte Komplikationsrate) und zu niedriger Dosis (unzureichende
Tumorkontrolle) müssen vermieden werden. Eine homogene
Dosiskonzentration im Zielvolumen wird in der Regel durch die
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Bestrahlung über mehrere Bestrahlungsfelder (sog. MehrfelderTechnik) aus unterschiedlichen Richtungen erreicht. Dazu stehen heute moderne Techniken zur Bestrahlungsplanung zur Verfügung.
Die folgenden Abbildungen demonstrieren verschiedene Bestrahlungstechniken. In den jeweiligen Abbildungen ist das Zielvolumen, d.h. der Bereich der bestrahlt werden soll, ist grau
eingezeichnet. Die bezifferten Linien sind sogenannte Isodosen,
d.h. Linien gleicher Dosis, die anzeigen, welche Dosis in den
umschlossenen Bereichen appliziert wird.
das Zielvolumen herum zeigt die Abb. 5. Bei dieser 4-FelderTechnik kann die Dosis im umliegenden Gewebe auf ca. 50-60%
der Dosis im Zielvolumen gesenkt werden. Damit ist es möglich,
Tumoren in der Körpermitte mit einer hohen Dosis zu bestrahlen,
ohne das umliegende Gewebe zu zerstören.
Bei Abb. 3 handelt es sich um ein einfaches „Stehfeld“ von
ventral. Man sieht, dass beim Eindringen hochenergetischer
Röntgenstrahlen die Dosis in den ersten Millimetern zunächst
ansteigt (Aufbaueffekt) um dann mit zunehmender Eindringtiefe
abzunehmen. Diese Technik führt immer zu einer Inhomogenen
Dosisverteilung im Zielvolumen und wird daher nur selten angewendet.
Abb. 5 (4-Felder-Technik)
Eine weitere interessante Technik zeigt die nächste Abb. 6. Hier
wird das Bestrahlungsgerät während der Bestrahlung kontinuierlich um den Patienten gefahren. Mit dieser Technik wird die Dosis im Zielvolumen „brennpunktartig“ konzentriert und das
umliegende Gewebe sehr gut geschont. Diese sogenannte Rotations- oder Pendelbestrahlung eignet sich besonders für rotationssymetrische Zielvolumina.
Abb. 3 (Stehfeld)
Wenn ein entgegengesetztes Bestrahlungsfeld dazugefügt wird
(opponierende Gegenfelder), erhalten wir eine für viele Behandlungen ausreichende Dosishomogenität im Zielvolumen (Abb. 4).
Allerdings wird das Gewebe vor und hinter dem Zielvolumen ebenfalls mit der gleichen Dosis belastet.
Abb. 6 (Pendelbestrahlung)
Aufgabe der Bestrahlungsplanung ist nach Definition der zu
bestrahlenden Region (Zielvolumen), die Festlegung der Strahlenart, der Anordnung der Strahlenfelder sowie der notwendigen
Dosis. Ziel ist eine möglichst hohe und gleichmäßige (homogene) Dosis im Tumorgewebe bei möglichst geringer Belastung
des umliegenden gesunden Gewebes. Bei der Planung mehrerer
Bestrahlungsfelder, wie in den Beispielen gezeigt, verwendet
man heute in der Regel moderne Schnittbildverfahren (CT und
MRT) um Tumoren darzustellen und Größe und Form zu bestimmen. Mit Hilfe dieser Bildinformation lässt sich ein Modell
des Patienten erzeugen, in das der Tumor und Risikoorgane, die
im Bestrahlungsbereich liegen, eingezeichnet werden können.
Damit werden Tumor- und Risikobereiche im Modell sichtbar, die
sich im normalen Röntgenbild nicht darstellen. Spezielle Computerprogramme erlauben dann die Planung genau an das Tumorvolumen angepasste Strahlenfelder aus fast beliebiger Richtung.
Abb. 4 (opponierende Gegenfelder)
Mit aufwendigeren Techniken, d.h. durch Einfügen weiterer Bestrahlungsfelder kann dieser Nachteil reduziert werden. Eine typische Technik zur Reduktion der Dosis im Normalgewebe um
STICHWORTE: Dosis, Zielvolumen, Risikobereiche, Strahlenarten, Dosishomogenität, Mehrfeldertechnik, Schonung des
Normalgewebes, Schnittbildverfahren, Computerplanung
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3
Strahlenbiologische Grundlagen
Die Wirkung der in der Strahlentherapie genutzten Strahlen besteht im Wesentlichen in der Fähigkeit Materie zu ionisieren, zu
oxidieren und durch Radikalbildung die verschiedensten chemischen Reaktionen auszulösen. Besonders wichtig für den biologischen Effekt sind Schäden an der DNA, die zum Zelltod führen
können. Die meisten der durch eine einzelne Bestrahlung verursachten DNA-Schäden können von der Zelle repariert werden.
Das gilt für gesunde Zellen und für Tumorzellen. Ist der Schaden
zu groß und eine Reparatur unmöglich oder unvollständig, wird
die Zelle absterben. Häufig kann die Zelle jedoch noch einige
Teilungen durchführen bis sie ihre Regenerationsfähigkeit verliert
und abstirbt. Das ist der Grund, warum die klinisch sichtbare
Wirkung der Bestrahlung nicht zum Zeitpunkt der Bestrahlung
manifest werden, sondern erst nach Tagen bis Wochen. So wird
die Tumorschrumpfung erst einige Wochen nach Ende der
Strahlentherapie beurteilt. Auch Nebenwirkungen zeigen sich
verzögert und können je nach Gewebetyp kurz nach Beginn der
Strahlentherapieserie (akute Nebenwirkungen) oder erst lange
nach Ende der Bestrahlung (Spätfolgen oder chronische Nebenwirkungen) auftreten (Abb. 7).
3.1
Strahlenwirkung
Zeit
Ionisation / Anregung
10-5 s
Radikalreaktion
Späte Nebenwirkungen (Spätfolgen)
Die späten, chronischen Nebenwirkungen treten mit einer Häufigkeit von 5-11 % in den jeweils bestrahlten Organen auf. Es
kommt relativ einheitlich zu einer Bindegewebsvermehrung
(Fibrose), zu einem dauerhaften Verlust von funktionsfähigen
Organzellen (Atrophie), zu einer Verödung der versorgenden
kapillären Blutgefäße mit Erweiterung der vorangehenden kleinen Arterien und Venen (Teleangiektasien) sowie zu damit verbundenen Funktionseinbußen des Organs.
Typische chronische Nebenwirkungen sind die Strahlenfibrose
der Lunge, der strahleninduzierte Darmverschluß (Ileus), Verhärtungen des Unterhautfettgewebes (Verhärtung der Haut), des
Bindegewebes und der Muskulatur sowie die Mundtrockenheit
nach Strahlentherapie im Mund-Rachen-Bereich durch Funktionsverslust der Speicheldrüsen.
Toleranzdosis (TD)
Um Folgen einer Strahlentherapie abschätzen zu können, wird
der Begriff der Toleranzdosis verwendet. Toleranzdosen bezeichnen Dosisgrenzwerte, bei denen eine unerwünschte Strahlenfolge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt.
Besondere Bedeutung hat die sogenannte TD5/5, das ist diejenige Dosis bei dem eine bestimmte Nebenwirkung mit 5%-iger
Wahrscheinlichkeit in den nächsten 5 Jahren eintritt. Diese
Grenzwerte sollten in der Regel nicht überschritten werden.
In vielen Jahrzehnten Strahlentherapie wurden umfangreiche
Toleranzdosis-Tabellen entwickelt, die uns heute zur Abschätzung des Risikos einer Strahlentherapie dienen.
Phase 1: Physikalische Phase
Phase 2: PhysikalischChremische Phase
Modifikation der Strahlenempfindlichkeit - Sauerstoffeffekt
Sekunde
Minute
Phase 3: Biochemische Phase
klinische
Effekte
DNA-Schäden / Stoffwechselprozesse
Erholung vom
Zellschaden
Stunde
Tag
verzögerter Zelltod
Woche
Phase 4: biologische Phase
Akute Strahlennebenwirkungen
Typische akute Nebenwirkungen sind die Rötung und die trockene Schuppung der Haut und bei höheren Dosen die feuchte Epitheliolyse (Ablösung) des Epithels der Haut, die akute
Schleimhautentzündung (Mukositis), der meist temporäre Funktionsverlust von Speichel- und Schweißdrüsen, der Durchfall (Diarrhoe) durch Zellverlust in Dünn- und Dickdarm, Störungen der
Blutbildung im Knochenmark mit Mangel an weißen Blutkörperchen (Leukopenie), die akute Harnblasenentzündung (Zystitis)
sowie eine entzündliche Hirnschwellung (Hirnödem).
3.3
10-15 s
molekulare Reaktion
sofort
früh
Erholung vom
Gewebeschaden
Monat
Akute Nebenwirkungen sind Ausdruck einer Schädigung rasch
proliferativer Gewebe, d.h. Gewebe mit hohem Zellumsatz, wie
z.B. Haut- und Schleimhautzellen sowie des blutbildenden Systems. Sie bestehen in der Regel zunächst in einer Hyperämie
(vermehrten Durchblutung) und einem Ödem (Schwellung) in
dem betroffenen Organ bzw. der Körperregion. Da während der
Strahlenbehandlung auch die Zellteilung in Normalgeweben behindert wird, kommt es durch den reduzierten Nachschub zu einem Mangel an funktionstüchtigen Zellen eines Organs. Dieses
wird daraufhin in seiner Funktion, je nach individueller Strahlenempfindlichkeit und verabreichter Strahlenmenge, mehr oder
weniger stark eingeschränkt.
3.2
Bestrahlung
0s
spät
Jahr
Karzinogenese
Nachkommen
genetische Mutation
Abb. 7
Die Toleranzdosis ist meist abhängig vom Volumen bzw. der
Fläche des bestrahlten Organs. So beträgt z.B. die TD5/5 der
Haut für die Entstehung einer Nekrose bei einer Bestrahlung von
10 cm2 70 Gy, von 30 cm2 60 Gy und bei 100 cm2 nur noch
55 Gy. Ebenso sinkt die Toleranzdosis des Rückenmarks mit
zunehmender bestrahlter Länge.
3.4
Dosierung und Fraktionierung
Für den Erfolg einer Tumorbestrahlung ist die Gesamtdosis von
entscheidender Bedeutung. Es gilt: Je höher die Gesamtdosis,
desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, den Tumor komplett abzutöten. Übliche Gesamtdosen für viele Tumoren sind 40 bis
70 Gy. Dabei muß natürlich die Toleranzdosis der umliegenden
teilweise oder ganz mitbestrahlten Risikobereiche berücksichtigt
werden.
Neben der Gesamtdosis ist die Fraktionierung ein wichtige Größe. Fraktionierung meint die Aufteilung der Gesamtdosis in viele
kleine Portionen. Somit besteht einen Strahlentherapie-Serie
besteht in der Regel aus 20-35 Sitzungen, bei denen jeweils nur
eine geringe Dosis (in der Regel 1,8 bis 2,0 Gy) an den fünf Wochentagen appliziert werden. Die Patienten sind also einige Wochen in Behandlung.
Grund für diese Fraktionierung ist die Beobachtung, dass so tumorwirksame Dosen appliziert werden können, ohne die Toleranzdosen des gesunden Normalgewebes zu überschreiten. Die
strahlenbiologischen Mechanismen hierfür sind vielfältig und
noch nicht gänzlich aufgeklärt. Ein wichtiger Mechanismus ist die
ausgezeichnete Fähigkeit vieler Normalgewebe, die für Spätschäden verantwortlich zeichnen, Schäden durch die Bestrahlung mit kleinen Einzeldosen rasch zu reparieren.
STICHWORTE: Ionisierung, Radikalbildung, DNA-Schädigung,
akute Nebenwirkungen - Entzündung, späte Nebenwirkungen
- Fibrose / Atrophie, Tolerazdosis, Dosierung, Fraktionierung
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4
Ablauf einer Strahlentherapie
Die Strahlentherapie ist als hoch-spezialisiertes onkologisches
Fach auf eine gute Kooperation mit fast allen operativen und vielen internistischen Fächern angewiesen. So wird die Diagnose in
der Regel in anderen Disziplinen gestellt und erste Therapieschritte in anderen Abteilungen eingeleitet.
4.1
Erstvorstellung
Bei der Erstvorstellung der Patienten ist also die Diagnose in der
Regel bekannt. Der Strahlentherapeut muss nun im Gespräch
mit dem Patienten und nach Überprüfen aller bisher gewonnenen diagnostischen Informationen (z.B. CT, MRT, RÖ-Bilder,
Ultraschall, etc., Abb. 8) die Entscheidung fällen, ob eine Strahlentherapie notwendig ist. Nach Aufklärung des Patienten über
Nutzen und Risiko dieser Therapie und Einverständnis des Patienten erfolgt die Bestrahlungsplanung.
Abb. 10: Therapie-Simulator zur Bestrahlungsplanung
4.3
Abb. 8: CT-Thorax und RÖ-Thorax bei Bronchialkarzinom
4.2
Bestrahlungsplanung
Vor Beginn der Strahlentherapie müssen oft umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. Da die Patienten viele Wochen
täglich exakt reproduzierbar bestrahlt werden müssen, ist eine
optimale stabile Lagerung der Patienten auf dem Bestrahlungstisch erforderlich. Dazu werden vielfältige Hilfen (Matten, Vakuumkissen, Armhalter, etc.) verwendet. Bei Bestrahlung im KopfHals-Bereich werden spezielle Masken angefertigt, die den Kopf
während der Bestrahlung fixieren (Abb. 9).
Bestrahlung
Die Bestrahlung erfolgt in der Regel an allen Arbeitstagen (Montag bis Freitag), also fünf mal pro Woche, und erstreckt sich über
einen Zeitraum von 4 bis 8 Wochen. Die einzelne Bestrahlungssitzung ist kurz und besteht aus der exakten Patientenpositionierung (ca. 3-5 Min.) und der Einstellung und Bestrahlung der
einzelnen Bestrahlungsfelder (pro Bestrahlungsfeld ca. 1-2 Min.),
sodass sich die Patienten pro Bestrahlungssitzung ca. 10-15 Minuten im Behandlungsraum befinden. Die Patienten werden
während der Bestrahlungsserie vom Arzt regelmäßig befragt und
untersucht, um akute Nebenwirkungen zu erkennen und zu behandeln.
Abb. 9: Maske zur Fixierung des Kopfes
Abb. 11: Linearbeschleuniger (modernes Bestrahlungsgerät)
An einem Therapie-Simulator (Durchleuchtungsgerät mit den
gleichen geometrischen Abmessungen und Möglichkeiten wie
ein Bestrahlungsgerät) werden die Bestrahlungsfelder eingestellt
und Hilfslinien zur täglichen Positionierung auf die Haut des Patienten oder die Maske aufgezeichnet. Da unter Durchleuchtung
die meisten Tumoren wie auch Risikobereiche nicht sicher zu
identifizieren sind, wird heute vielfach eine computergestützte
Planung durchgeführt. Dazu wird zusätzlich eine Computertomographie und manchmal eine Kernspintomographie angefertigt.
Diese Schnittbilder dienen dann als anatomisches Modell des
Patienten, in dem alle notwendigen Strukturen sichtbar gemacht
werden können. Damit ist eine optimale Planung des Zielvolumens und maximale Schonung des Normalgewebes möglich.
4.4
Nachsorge
Am Ende der Strahlentherapieserie bestehen häufig ausgeprägte
akute Nebenwirkungen, die eine regelmäßige Kontrolle durch
den Strahlentherapeuten erfordern. Nach ca. 6 Wochen sollten
die Akutreaktionen in der Regel abgeheilt sein. Im weiteren Verlauf richtet sich die strahlentherapeutische Nachsorge zum einen
zur Überwachung des Therapieerfolgs und zum anderen zur Erfassung und Dokumentation von Spätfolgen, um die Strahlentherapie weiter zu entwickeln und sicherer zu machen. Die
Abstände der Nachsorgeuntersuchungen sind in Abhängigkeit
der Erkrankung im ersten Jahr häufig vierteljährlich, später halbjährlich und jährlich.
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5
Therapiekonzepte - solide Tumoren
Zu den soliden Tumoren gehören im wesentlichen die „Karzinome“ (Tumoren, die von den Epithelien ausgehen) und die Sarkome (Tumoren des Binde- und Stützgewebes). Sie wachsen
meist solide, d.h. in festen Verbänden, streuen in die benachbarten Lymphknoten und metastasieren in unterschiedlicher Häufigkeit meist hämatogen. Ist die Erkrankung in metastasiertem
Stadium, ist eine Heilung in der Regel nicht mehr möglich.
In der Regel steht die Operation an erster Stelle, da große Tumormassen durch eine Strahlentherapie alleine selten kontrolliert
werden können.
Nach erfolgter Operation muß oft eine Strahlentherapie nachgeschaltet werden, da trotz radikaler chirurgischer Tumorresektion
oft ein erhebliches Risiko für ein erneutes Tumorwachstum durch
intraoperativ verbliebene Tumorzellen besteht (postoperativ
adjuvante Strahlentherapie = Rezidivprophylaxe).
Falls einen Operation nicht möglich ist, wird entweder versucht,
durch eine vorgeschaltete Strahlentherapie evtl. in Kombination
mit einer Chemotherapie den Tumor zu verkleinern und somit
operabel zu machen (neoadjuvante Therapie) oder eine alleinige Strahlentherapie evtl. in Kombination mit einer Chemotherapie (primäre oder definitive Therapie) durchzuführen.
STICHWORTE: primäre Operation, postoperative adjuvante
Strahlentherapie, primäre Strahlentherapie bei Inoperabilität,
kombinierte Radiochemotherapie, neoadjuvante Therapie
5.1
Das Mammakarzinom
Ca. ein Drittel aller malignen Tumoren bei Frauen, 50-70/100000
Ew. pro Jahr in Europa (steigend). Bei rechtzeitiger Erkennung
sind die Heilungschancen gut (Früherkennung). Metastasen finden sich häufig in Leber, Knochen, Lunge und Gehirn. Die meisten Tumoren sind hormonabhängig (Östrogen) und können
durch entsprechende Antihormone günstig beeinflusst werden
(Hormontherapie).
Therapie: Bei kleinen Tumoren: brusterhaltende Tumorexcision.
Bei großen Tumoren: Mastektomie. Bei inoperablen Tumoren
Chemotherapie oder/und Strahlentherapie (palliativ). Die Hormontherapie wird heute bei den meisten Frauen zusätzlich eingesetzt. Nach erfolgter Operation wird eine Strahlentherapie in
folgenden Situationen notwendig (adjuvante Strahlentherapie):
•
nach brusterhaltender OP
•
nach Mastektomie, wenn der Tumor sehr groß war oder nur
knapp oder unvollstädig entfernt werden konnte
Ziel der Bestrahlung: Vermeidung eines lokalen- oder lokoregionären (im Bereich der benachbarten Lymphknoten) Rezidivs
(sogenannte „Rezidivprophylaxe“)
Zielvolumen: die ganze betroffene Brust (Brustdrüsenkörper)
oder die Thoraxwand nach Mastektomie (Tumorbett). Die Lymphabflußwege (axillär, supraklavikulär und parasternal) werden
nur in bestimmten Hochrisikosituationen mitbestrahlt, z.B. wenn
viele Lymphknoten befallen waren oder eine ausreichende Entfernung der Lymphknoten nicht gewährleistet ist.
Dosierung: Gesamtdosis: 50-60 Gy, Einzeldosis: 1,8-2,0 Gy,
Fraktionierung: 5 x pro Woche. Therapiedauer 5-6 Wochen
Nebenwirkungen: akut: Hautrötung, Hautulzerationen, Schmerzen und Schwellung der Brust. spät: Fibrose (Gewebeverhärtung und narbige Verziehungen), Hyperpigmentierung der Haut,
Teleangiektasien der Haut. Bei Bestrahlung der axillären Lymphabflußwege steigt das Risiko eines Lymphödems des betroffenen Arms. Bei über 80% der brusterhaltend operierten und
nachbestrahlten Patientinnen wird ein gutes kosmetisches Ergebnis erreicht
STICHWORTE: brusterhaltendes Therapiekonzept, gutes kosmetisches Ergebnis, Hormontherapie, Chemotherapie
5.2
HNO-Tumoren
Tumoren ausgehend von den Schleimhäuten der Mundhöhle,
des Rachens und des Kehlkopfes, häufig assoziiert mit Nikotinund Alkoholabusus. Sie stellen 5% aller Tumoren. Wenn frühzeitig behandelt, haben sie eine gute Prognose. Häufig stellen sich
Patienten jedoch in fortgeschrittene inoperablen Stadien vor.
Therapie: An erster Stelle steht die chirurgische Tumorentfernung meist in Kombination mit Ausräumung der zervikalen
Lymphknoten (Neck dissection). In der Regel ist im Anschluss an
eine Operation - mit Ausnahme sehr kleiner Karzinome – eine
postop. Nachbestrahlung (adjuvante Strahlentherapie) notwendig, um das meist sehr hohe Rezidivrisiko zu senken (Rezidivprophylaxe). Bei Inoperabilität ist auch mit einer alleinigen
Strahlentherapie (definitive Strahlentherapie) eine Heilung
möglich. Wenn der Allgemeinzustand gut ist, wird zur Wirkungsverstärkung parallel zur Strahlentherapie eine Chemotherapie
durchgeführt (definitive kombinierte Radiochemotherapie).
Ziel der RT: postoperativ: Senkung des Lokalrezidivrisikos.
primär: Lokale und lokoregionäre (= im Bereich der umliegenden
Lymphknoten) Tumorvernichtung (Bei großen Tumoren Heilung
häufig nicht möglich)
Ziel der Chemotherapie: Bei Inoperabilität kann die alleinige
Strahlentherapie die Tumoren häufig nicht alleine beherrschen
(zu großes Tumorvolumen !). Die Chemotherapie soll die lokale
Wirksamkeit verstärken.
Zielvolumen: Tumor oder Tumorbett inkl. Lymphabflußgebiet des
Halses (zervikale und supraklavikuläre Lymphknotenstationen)
Dosierung: Gesamtdosis: 60-70 Gy, Einzeldosis: 1,8-2,0 Gy,
Fraktionierung: 5 x pro Woche, Therapiedauer: 6-8 Wochen
Chemotherapie: 2 Zyklen Chemotherapie (Cisplatin, 5-FU, Mitomycin, u.a.) in der 1. und 5. Bestrahlungswoche
Nebenwirkungen: akut: Mukositis (Schleimhautentzündung),
Dermatitis (Entzündung der Haut mit Rötung, Schuppung und
manchmal Epitheliolysen und Ulzera), Schluckbeschwerden,
Schmerzen, Heiserkeit Bei Chemotherapie: Blutbildveränderungen, Übelkeit, Erbrechen, verstärkte Scheimhautentzündung.
spät: Mundtrockenheit = Xerostomie (durch Schädigung der
Speilcheldrüsen, meist irreversibel), Schluckbeschwerden, Hautfibrose (Vernarbung- und Verhärtung der Haut), Lymphödem am
Hals, Schädigung der Zähne (verstärkte Kariesbildung durch gestörtes Mundmilieu nach Schädigung der Speicheldrüsen)
STICHWORTE: Nikotin- und Alkoholabusus, OP + postop.
Strahlentherapie, komb. Radiochemotherapie, Xerostomie
5.3
Rektumkarzinom
Ca. 15% aller Karzinome, 50/100000 Ew. pro Jahr. Das Rektumkarzinom metastasiert früh. Wegen des portalvenösen Kreislaufs
erfolgt die Metastasierung primär in die Leber.
Therapie: Die Therapie des Rektumkarzinoms ist primär chirurgisch. Bei Tumoren die durch die Muskularis propria infiltriert
sind (Stadium II und III = Dukes B und C), ist eine adjuvante
Strahlentherapie indiziert. Bei initial inoperablen Tumoren kann
eine präoperative Strahlentherapie (neoadjuvante Therapie) zur
Tumorverkleinerung (Downstaging) durchgeführt werden, um
danach eine Operation zu versuchen. Wegen des hohen Metastasierungsrisikos wird zusätzlich eine Chemotherapie mit 5FU durchgeführt.
Ziel der Bestrahlung: Postoperativ: Senkung des lokalen Rezidivrisikos. Präoperativ: Tumorverkleinerung (Downstaging)und
dadurch Erreichen der Operabilität bzw. Erreichen einer kontinezerhaltenden Resektion.
Ziel der Chemotherapie: Senkung des Metastasierungsrisikos
Strahlentherapie: Bestrahlungsvolumen: Tumor oder Tumorbett
inkl. Lymphabflußgebiet im Becken.
Dosierung: Gesamtdosis: 50-60 Gy, Einzeldosis: 1,8 Gy, Fraktionierung: 5 x pro Woche, Therapiedauer: 5-6 Wochen
Chemotherapie: postoperativ adjuvant: 2 Zyklen 5-FU vor und 2
Zyklen 5-FU nach der Strahlentherapie (alle 4 Wochen jeweils 1
Woche). Während der Strahlentherapie kontinuierliche Dauerinfusionstherapie mit 5-FU während der gesamten Bestrahlung.
Nebenwirkungen: akut: Durchfall, Übelkeit, Proktitis, Blasenentzündung, Abdominalschmerzen. spät: Verdauungsstörungen
(Durchfall bis Obstipation), Darmstenosen, Darmfisteln und
-ulcerationen, Ileus, Blasenschrumpfung
STICHWORTE: Primär Operation, postop. Radiochemotherapie,
lokales Rezidivrisiko, Fernmetastasierungsrisiko, Leber, präoperative Radiochemotherapie – Downstaging
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5.4
Analkarzinom
Das Analkarzinom ist selten (2% aller Dickdarmkarzinome, Inzidenz: 1/100000 Ew. pro Jahr)
Therapie: In Abweichung zu den meisten gastrointestinalen Tumoren ist die Primärtherapie beim Analkarzinom nicht die Operation, da eine radikale Tumorresektion meist mit Verlust der
Kontinenz verbunden ist. Die primäre Therapie ist heute die definitive kombinierten Radiochemotherapie. Damit lassen sich
gleich gute Heilungsraten wie beim chirurgischen Vorgehen erreichen, jedoch mit deutlich besserem funktionellem Ergebnis.
Ziel der Radiochemotherapie: Heilung durch lokale Tumorvernichtung unter Erhalt der Sphinkterfunktion
Zielvolumen: Tumor inkl. Lymphabflußgebiet im Becken und in
der Leistenregion
Dosierung: Gesamtdosis: 45-55 Gy, Einzeldosis: 1,8 Gy, Fraktionierung: 5 x pro Woche, Therapiedauer: 5-6 Wochen
Chemotherapie: 2 Zyklen 5-FU + Mitomycin-C in der 1. und 5.
Bestrahlungswoche
Nebenwirkungen: akut: Proktitis, Entzündung der Perianalhaut,
Blasenentzündung, Abdominalschmerzen, Übelkeit, Blutbildveräderungen. spät: Analstenosen, Analfisteln, Darmstenosen,
Darmfisteln und -ulcerationen, Ileus, Blasenschrumpfung
STICHWORTE: Kombinierte Radiochemotherapie, Kontinezerhaltung, Operation möglich wenn Primärtherapie versagt
5.5
Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist der 2-häufigster Tumor des Mannes.
Die Inzidenz ist stark altersabhängig. Unter 40-J. tritt es kaum
auf, die Inzidenz beträgt im Alter 50-60J.: 20 / 100.000 Männer
pro Jahr und bei 70-jährigen bereits 500 / 100.000 Männer pro
Jahr. Es zeigt häufig einen langsamen Verlauf und ist oft klinisch
inapparent. Fortgeschrittene Tumoren metastasieren am häufigsten in das Skelettsystem.
Tumormarker: Einzigartig beim Prostatakarzinom ist der Tumormarker PSA (Prostataspezifisches Antigen), der im Blutserum
bestimmt werden kann und sehr gut mit der Tumoraktivität übereinstimmt. PSA ist ein guter Prognosefaktor und eignet sich zur
Vorsorge, Therapiekontrolle und Nachsorge.
Therapie: Für das Prostatakarzinom stehen verschiedene Therapien zur Verfügung. Neben Operation und Strahlentherapie
kann zusätzlich die Hormontherapie eingesetzt werden. In den
frühen Stadien des Prostatakarzinom kann die primäre Strahlentherapie alternativ zur radikalen Prostatovesikulektomie angeboten werden. Bei Tumoren, die die Prostatakapsel überschreiten
(fortgeschrittene Stadien), ist eine Heilung häufig nicht mehr
möglich. In dieser Situation wird die Hormontherapie und / oder
die Strahlentherapie bevorzugt. Nach einer erfolgten Operation
wird die Strahlentherapie zur Rezidivprophylaxe (postoperative
adjuvante Bestrahlung) bei kapselüberschreitenden Tumoren
oder bei Tumorrest nach Operation empfohlen.
Die Hormontherapie kann durch Orchiektomie (TestosteronEntzung) oder durch Medikamente (Antiandrogene, GnRHAnaloga – sehr teuer) erfolgen.
Ziel der Bestrahlung: Primär: Tumorvernichtung. Postoperativ:
Senkung des lokalen Rezidivrisikos.
Ziel der Hormontherapie: Hemmung des Tumorwachstums
Strahlentherapie: Bestrahlungsvolumen: Tumor oder Tumorbett,
in Hochrisikofällen evtl. inkl. Der Lymphknoten im Becken.
6
Therapiekonzepte - Hämoblastosen
Hämoblastosen sind bösartige Neubildungen, die ihren Ursprung
in den Zellen der Blutbildung und des Immunsystems haben. Die
wichtigsten Vertreter sind Leukämien sowie die malignen Lymphome. Die malignen Lymphome stellt eine heterogene Gruppe
von sehr vielen Erkrankungen dar. Am häufigsten ist der Morbus
Hodgkin, der eine eigene Gruppe repräsentiert. Die übrigen Erkrankungen werden unter den „Non-Hodgkin“-Lymphomen (NHL)
zusammengefasst.
Im Gegensatz zu den soliden Tumoren ist die Ausbreitung dieser
Erkrankungen meist diffus z.B. im Knochenmark, im Blut oder in
multiplen Lymphknoten oder anderen lymphatischen Organen.
Eine lokal operative Maßnahme ist daher nicht indiziert. Auch
eine lokale Strahlentherapie kann die Erkrankung in der Regel
nicht heilen.
Die meisten Erkrankungen aus dieser Gruppe sprechen sehr gut
sowohl auf Chemotherapie als auch auf Strahlentherapie an. Im
Vergleich zu den soliden Tumoren sind zur Tumorvernichtung
nur 50% - 70% der Dosis notwendig. Dieser Umstand erlaubt es
auch sehr große Körperbereiche zu bestrahlten. So ist heute bei
manchen Erkrankungen eine „total-nodale“, d.h. die Bestrahlung
aller Lymphknotenstationen oder die „total-lymphatische“, d.h.
die Bestrahlung aller Körperregionen, die lymphatisches Gewebe
tagen, eine mögliche Therapiealternative, die zu einer Heilung
führen kann.
Wegen des diffusen Ausbreitungscharakter steht meist die Polychemotherapie (Chemotherapie mit mehreren Zytostatika) an
erster Stelle. Nur in frühen Stadien der malignen Lymphome
kann eine alternativ eine alleinige Strahlentherapie durchgeführt
werden, wenn eine Chemotherapie aus Altersgründen oder wegen anderer Erkrankungen nicht durchgeführt werden kann.
Dann müssen alle befallenen Regionen und die benachbarten
Lymphknotenregionen bestrahlt werden. Diese in der Regel sehr
großen Bestrahlungsfelder können nur bestrahlt werden, da für
die Lymphomerkrankungen relativ niedrige Strahlendosen nötig
sind.
STICHWORTE: Hämoblastosen: Leukämien, maligne Lymphome, strahlen- und chemotherapiesensibel, Operation nicht indiziert, tumorizide Dosis 30-50 Gy,
6.1
Morbus Hodgkin
Der Morbus Hodgkin oder Lymphogranulomatose ist das häufigste maligne Lymphom (Inzidenz 7-8/100000 pro Jahr) und tritt
häufig im jungen Erwachsenenalter auf (Morbus Hodgkin : NonHodgkin-Lymphome = 1,7 : 1).
Therapie: Der M. Hodgkin und die meisten malignen Lymphome
werden in primär chemotherapiert. Die Strahlentherapie als alleinige Maßnahme ist bei sicheren Frühstadien und bei Kontraindikationen gegen eine Chemotherapie als kurative Therapie
indiziert. In der Regel wird die Strahlentherapie zur “Konsolidierung” nach Polychemotherapie eingesetzt, wenn Restlymphknoten bestehen oder die primäre Tumormasse sehr groß war.
Ziel der RT: als primäre Therapie: komplette Tumorvernichtung,
nach erfolgter Chemotherapie: Beseitigung sicherer oder wahrscheinliche Reste (adjuvante Therapie, sog. Konsolidierung).
Strahlentherapie: Bestrahlungsvolumina (wichtige Begriffe):
involved field (= eingeschränktes Feld): nur befallene lymphatische oder extralymphatische Areale. extended field (= ausgedehntes Feld): befallene lymphatische oder extralymphatische
Areale inkl. aller benachbarten Areale.
Dosierung: Gesamtdosis: 60 - 70 Gy, Einzeldosis: 1,8 Gy, Fraktionierung: 5 x pro Woche, Therapiedauer: 6-8 Wochen
Nebenwirkungen: akut: Proktitis, Blasenentzündung, Durchfall,
Übelkeit,, Abdominalschmerzen. spät: Verdauungsstörungen
(Durchfall bis Obstipation), Darmstenosen, Darmfisteln und ulcerationen, Ileus, Blasenschrumpfung, Impotenz, Urethrastrikuren.
Nebenwirkungen: je nach bestrahlter Lokalisation: Häufig sind
große Anteile der Schluckstraße (Schluckschmerzen, Mundtrockenheit), der Lunge (strahlenbedingte Lungenentzündung =
Pneumonitis) und des Gastrointestinaltrakts (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) im Bestrahlungsfeld.
STICHWORTE: häufig, oft langsamer Verlauf und klinisch inapparent, PSA, OP, Strahlentherapie, Hormontherapie, Knochenmetastasen
STICHWORTE: häufigstes Malignes Lymphom, meist jüngere
Patienten, gute Heilungschance, Polychemotherapie, konsolidierende Strahlentherapie, „involved-field“-Strahlentherapie,
„extended-field“-Strahlentherapie.
Dosierung: Gesamtdosis: 30 - 50 Gy, Einzeldosis: 1,8 - 2,0 Gy,
Fraktionierung: 5 x pro Woche, Therapiedauer: 3-5 Wochen
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