1 Logopädie, HPI Fribourg, Frühjahrssemester 2014 - Phoniatrie. (Prof. Dr. Seifert, Bern) Lektion 13-15: HNO-Onkologie: Chirurgie, Bestrahlung und Chemotherapie Rehabilitation nach HNO-Tumoren Themenübersicht: Therapieformen (kurativ vs. palliativ) Strahlentherapie Indikationen für die Strahlentherapie Bestrahlungsplanung Strahlentherapeutische Methoden Strahlenarten Wirkungsweise der Bestrahlung Kopf-Hals-Tumoren Oropharynx und Hypopharynkarzinome, Karzinome von Mundhöhle/Lippe Larynxkarzinome Rehabilitation nach Kopf-Hals-Tumoren: Siehe PPT-Präsentation Zum Nachschlagen: Techniken der Ösophagusstimme Therapieformen (kurativ vs. palliativ) Kurativtherapie: Palliativtherapie: Aber: auf Heilung ausgerichtet. Auf Linderung tumorbedingter Symptome ausgerichtet: - Schmerzreduktion, - Stabilisierung metastatisch durchsetzter Skelettbezirke, - Wiederherstellung von Funktionen (Bewegung, Schlucken...) etc., - Verbesserung der Lebensqualität, - Reduktion neurologischer Ausfälle, - Reduktion von Blutungen, Luftnot, Husten... - kein Einfluss auf die Überlebensrate. Strahlentherapie Radiochemotherapie: - simultan oder sequentiell - Chemotherapie als adjuvante (zusätzliche) Methode, insbes. bei rasch metastasierenden Tumoren - Chemotherapie als Wirkungsverstärkung der Strahlentherapie - Strahlensensibilisierung von Tumoren - Tumorverkleinerung auch Radiohyperthermie, Sauerstoffüberdruckbeatmung zur Wirkungsverstärkung. Indikationen für die Strahlentherapie alleinige Radiatio: wenn bei gleicher Heilungssaussicht ein besseres funktionelles oder kosmetisches Ergebnis zu erwarten ist. - Lymphome - Einige Hauttumoren - Larynx- (T1,T2), Nasopharynxkarzinome - einige Hirntumoren... 2 Bestrahlungsplanung 6 Schritte der Bestrahlung: Bestrahlungsplanung im engeren Sinne: - Erstellung von Patientenquer- und -längsschnitten mit Bildgebung (Ct, MRI, Sonographie) - Markierung des Tumorvolumens (GTV), Definieren des klinischen Zielvolumens (CTV), Planungszielvolumens (PTV), des bestrahlten Volumens einschliesslich der kritischen Organe - Lokalisation der Bestrahlungsfelder am Therapiesimulator - Festlegen der Dosis im Zielvolumen und der höchstzulässigen Dosis an den kritischen Organen - Erstellen des physikalisch-technischen Bestrahlungsplans - eigentliche Bestrahlung - supportive Massnahmen 3 Früher: Bestrahlungsfelder wurden eingezeichnet (vgl. auch Film: "Der Indianer") Heute: Maske und Fixierung der Patienten Strahlentherapeutische Methoden Teletherapie: perkutane Strahlentherapie - Röntgentherapie - Telegammatherapie (Cobalt 60), - Hochenergietherapie (Linearbeschleuniger) Brachytherapie: Kurzdistanztherapie, "Spickung". - Abstand zwischen Strahlungsquelle und Zielvolumen < 10 cm - Strahlungsquelle umschlossen: Kontakttherapie Intrakavitäre Therapie (z.B. Blase, Uterus...) Interstitielle Therapie (Quelle direkt ins Gewebe implantiert) 4 Strahlenarten Photonen- oder elektromagnetische Wellenstrahlung - Höhenstrahlung - Röntgenstrahlung - UV-Strahlung - sichtbares Licht - Wärmestrahlung - UKW, TV- und Radiowellen Telegamma (Kobalt 60): - Nutzt die Gammastrahlung, die beim Zerfall des Isotops Co 60 entsteht. - Hochenergie-Strahlentherapie (Megavolttherapie) - Dosismaximum in 0.5 cm Tiefe - Strahlenquelle = Zylinder 2-4 cm Länge, Durchmesser 1-2 cm. Enthält Co 60 Kügelchen. - einfache Technik: permanente Strahlung, zur Bestrahlung wird die Strahlungsquelle kurz geöffnet. - Halbwertszeit 5.3 Jahre - weitgehend störungsfrei Strahlerkopf eines Telekobaltgerätes: Korpuskularstrahlung - geladene oder ungeladene Teilchen aus Ruhemasse - Elektronen: Negatronen (-), Protonen (+) - Neutronen Linearbeschleuniger - Basis moderner Strahlentherapie - Beschleunigung von Elektronen - Strahlungsquelle wird jeweils hergestellt (Beschleunigung) - Aufbau: Hochfrequenzgenerator Energieversorgungseinheit Beschleunigungseinheit Strahlerkopf Bedienpult Aufbau eines Linearbeschleunigers 5 Wirkungsweise der Bestrahlung Aufbau der Zelle: 80% Wasser, 20% Trockensubstanz. Zytoplasma, Zellkern, Membranen, DNA-Molekül (30 000-33 000 Gene). Zellteilung: Mitosephase, Gap1- (=G1-)-Phase, Synthese (=S-)- Phase, G2-(=Teilungs)-Phase. G0-Phase = Ruhephase, die Zelle kommt ihrer eigentlichen Aufgabe nach. Direkte Strahlenwirkung: Direkte Interaktion der zugeführten Energie mit den Atomen/Molekülen (z.B. Aufnahme/Abgabe eines Elektrons.) Indirekte Strahlenwirkung: (Hauptsächliche Wirkungsweise der in der Klinik angewendeten Bestrahlungsarten). Radiochemische Vorgänge: freie Radikale = hochreaktive Elemente. Wasserradiolyse = Strahlung wird vom Wasser absorbiert. Bildung von Wasser-Radikalen. Sauerstoffeffekt = O2 verhindert die DNA-Reparatur, erhöht so die Strahlenempfindlichkeit. (Bioeffekt der Bestrahlung mit O2 zwei-dreimal höher als ohne O2.) Biochemische Reaktionen: Strahlenschäden an der DNA: Basenveränderungen, Strangbrüche, Veränderungen der Zuckermoleküle… Dadurch Störung der Synthese der DNA, fehlerhafte Replikation, Chromosomenaberrationen… Biologische Folgen: Kernödem in der Zelle, Lyse des Zellkerns und der ganzen Zelle. Bereits Strahlendosen von <1Gy führen zur Störung des normalen Zellzyklus: Inaktivierung der teilungsfähigen Zellen. Besonders empfindlich ist der Übergang von der G1-Phase in die S-Phase und die Mitosephase. Nur teilweise vorgeschädigte Zellen können sich wieder erholen. Zeitfaktor: Dosis 1x konzentriert oder über einen längeren Zeitraum in kleineren Dosen (fraktioniert). Strahlenwirkung auf bösartige Tumoren: Nach Bestrahlung verlangsamt sich das Tumorwachstum (Im Tumor Zellen mit Wachstum 3-30%). Bei genügend hoher Dosis sistiert es vollständig. Regression des Tumorvolumens. Kurative Wirkung hpts. durch direkte Inaktivierung der proliferationsfähigen Tumorzellen. Strahlenschädigung des Bindegewebes und der Blutgefässe: Nekrosen. Aber auch Abnahme der Strahlenempfindlichkeit (O2-Mangel im Gewebe). Bei fraktionierter Bestrahlung (=Gesamtdosis auf mehrere Bestrahlungen verteilt): Reoxigenierung. Toleranzdosis steigt stärker als die für die Tumorbehandlung notwendige Dosis. (Zeitfaktor, Fraktionierungseffekt) Folgen der Bestrahlung: Ödembildung, Gefässsklerose, Fibrose, Vernarbung, Teleangiektasien. Frühreaktionen (akute R.) bis 90d nach Beginn der Radiatio, Spätreaktionen (chronische R.) nach dem 90.d. Chronische Strahlenfolgen sind irreversibel. 6 Kopf-Hals-Tumoren Oropharynx und Hypopharynkarzinome, Karzinome von Mundhöhle/Lippe Therapieregime: kombiniert chirurgisch-radiotherapeutisch alternativ: alleinige Chirurgie oder alleinige Radiotherapie bei lokaler Inoperabilität: Radiochemotherapie mit Cisplatin/Carboplatin und 5 Fluoruracil (5-FU) meist mit Neckdissection auch Brachytherapie, v.a. bei Mundhöhlen/Lippenkarzinomen Dosis der Radiotherapie: 69-72 Gy, lokal, konventionell = 5x 1.8-2.0 Gy/Woche 60-65 Gy an beiden Halsseiten Nebenwirkungen: - akut: Mundtrockenheit, Geschmacksverlust, Exanthem, Mukositis, Appetitverlust. - chonisch: Xerostomie, behinderte Kieferöffnung (Kieferklemme) durch Fibrose der Kaumuskulatur, Dysphagie, Strahlenkaries, Osteoradionekrose. (Die Funktion der Speicheldrüsen liegt nach der Bestrahlung nur noch bei 5-15 %). Larynxkarzinome Therapieregime: kombiniert chirurgisch-radiotherapeutisch (bei grösseren Tumoren, T3, T4) alternativ: alleinige Chirurgie oder alleinige Radiotherapie (T1, T2) bei lokaler Inoperabilität: Radiochemotherapie mit Cisplatin/Carboplatin und 5 Fluoruracil (5-FU) meist mit Neck dissection kleinere Tumoren (T1, T2) gleich guter Therapieerfolg, 80-95% 5-Jahresüberlebensrate, oft mit besserer Funktion (Stimme). Dosis der Radiotherapie: kritisches Organ: 60-65 Gy bei T1, 70 Gy bei T2 lokal 60-65 Gy an beiden Halsseiten bei N1 oder N2, 50 Gy bei N0. zervikales Rückenmark (Schädigung >55Gy). Gute Übersicht und Einführung insbes. in die Bestrahlung beim HNO-Patienten: http://www.radioonkologie.ch/lindenhof/ NW-Strahlentherapie.ppt 7 Rehabilitation nach Kopf-Hals-Tumoren: Siehe PPT-Präsentation „Mit der Entlassung nach abgeschlossener klinischer Behandlung und einem Wiedereinbestelllen zur routinemässigen Nachuntersuchung ist unsere Tätigkeit keinesfalls beendet.“ (Kirchhoff 1954) Sprachliche Rehabilitation - Atmung - Artikulation - Stimmgebung Nichtsprachliche Rehabilitation: - Früherkennung von Rezidiven - Behandlungen der Folgen des Tumors und der Therapie Schluckstörung (Logopädie, Physiotherapie) Bewegungseinschränkung (Physiotherapie; auch: Lymphdrainage) - Psychosoziale Betreuung - Soziale Reintegration Sport- und Bewegungstherapie in der Gruppe: - Wiedererlangung von Handlungs- und Leistungsfähigkeit - Vermittlung von Kompensationstechniken bei funktionellen Einschränkungen nach Operationen - Gesundheitspädagogik - Anleitung zur Selbsthilfe (Schüle und Deimel 1984) Sport und Bewegungstherapie: Zusätzlich: Selbsthilfegruppen: www.kehlkopfoperiert.ch Verbesserung der eingeschränkten Beweglichkeit Koordination Ausdauer Kraft Schnelligkeit Soziale, pädagogische, psychologische Elemente 8 Zum Nachschlagen: Techniken der Ösophagusstimme - Schluckmethode o Tiefe Inspiration, Luft anhalten. o Luft wird geschluckt. o Luft wird nach dem Schlucken sofort wieder hervorgebracht, damit sie nicht im Magen verschwindet. o Nachteil: unökonomisches Sprechen kein fliessendes Sprechen möglich (Luft muss sofort nach dem Schlucken wieder abgegeben werden) Stakkato- oder Silbensprechen - Injektionsmethode o Kleine Luftmengen werden durch Bewegungen des Zungengrundes in die Speiseröhre gedrückt. o Für die Injektion können Plosive während des Sprechens verwendet werden: /pa/; /ta/; /ka/... o Luftfüllung unabhängig von der Atemphase. o Überdruck im Mund: Lippen, Wangen, Zunge erhöhen den Druck und schieben/drücken Luft in den Ösophagus. o Vorübung: Wangen aufblasen und Flamme auspusten, Gefühl für den „Luftball“. o Der „Luftball“ wird über den Rachenraum in die Speiseröhre geschoben: die Zunge schiebt ihn mit einer wellenförmigen Kolbenbewegung nach hinten. o Der „Luftball“ soll im oberen Teil des Ösophagus bleiben und sofort zur Tonerzeugung herausgelassen werden. o Präoperativ: M. cricopharyngeus hat sich bislang nur reflexartig beim Schlucken geöffnet. o Postoperativ: Willkürliches Öffnen erforderlich. - Aspirations-/Inhalationsmethode o Tiefe Inspiration = negativer Druck im intrathorakalen Ösophagusanteil. o Vorschieben des Unterkiefers > Entspannung des Ösophagusmundes o Anheben des Schultergürtels o Luft wird in des Ösophaus gesaugt (ca. 80 ml) o Durch die abdominale Druckerhöhung und Kontraktion der Ösophagusmuskulatur wird die Luft durch den Ösophagusmund herausgepresst. o Vorteil: mühelose Luftfüllung der Speiseröhre, ruhiger Sprechablauf, auch längere Passagen möglich. o Nachteil: oberflächliche, kurze Atmung beim Sprechen. Optimal: Kombination der Aspirations- und der Injektionsmethode. 9 Vor- und Nachteile der jeweiligen Stimm-Ersatzmethoden: Pseudoflüstern Verständigungsmöglichkeit (Vokale und Nasale fehlen) Verspannungen, Grimassieren elektronischen Sprechhilfe Anbahnung der Ösophagusstimme Elektronische Sprechhilfe Computer) möglich Ermüdungserscheinungen en Nebenwirkungen zur Bedienung erforderlich Ösophagusstimme oft langwierig individueller Klang) l Reflux, Luftschlucken: dadurch unwillkürl. Aufstossen und Blähungen) erschweren die Verständlichkeit Shunt - Ventile wenig Motivation nötig Tracheostomas benötigt volumen steht zur Phonation zur Verfügung stimmliche Dauerbelastungsfähigkeit ohne wesentliche physische Ermüdung Einengung der Sprechakzente (Lautstärke, Tonhöhe, Tempo) Verstopfung oder Undichtigkeit der Prothese: dadurch Aspirationsgefahr verschlossen werden Wechseln der Prothese - bzw. arztgebunden Fremdkörpergefühl