Kernphysik I Kernmodelle: • Kollektive Anregungen - Rotationen - Vibrationen - Riesenresonanzen - Formschwingungen Wiederholung: Elektromagnetische Übergänge Für die Übergangswahrscheinlichkeit gilt damit: vv 2 e2 3 v 3 * v ik r dW fi = − 2 4 3 E γ ε ∫ d rψ f r e ψ i dΩ 8π ε 0 h c mit Eγ ~ MeV ist λγ >> RKern und man kann exp(ikr) nach Multipolen entwickeln: e vv ik r vv = 1 + ik r + Elektrische Dipolübergänge (E1) Aus eikr=1 folgt die Dipolübergangswahrscheinlichkeit für Einteilchen- und kollektive Übergänge: W fi( E1) e2 3 3 *v = = E γ ∫ d rψ f r ψ i 4 3 τ 3πε 0 h c 1 W fi( E1) ∝ E γ3 2 Auswahlregel: Photon hat Spin und Parität J = 1- ∆J ≤ 1 kein 0 → 0 Übergang ∆P ≠ 0 Von einer abgeschlossenen Schale aus kann nur ein Teilchen-LochZustand mit unterschiedlicher Parität angeregt werden. Wiederholung: Elektromagnetische Übergänge Auswahlregel für Dipolstrahlung: Photon hat Spin und Parität J = 1- ∆J ≤ 1 , kein 0 → 0 Übergang, ∆P ≠ 0 Von einer abgeschlossenen Schale aus kann nur ein Teilchen-Loch-Zustand Φ −j11Φ j 2 mit J π = 1− angeregt werden, das entsprechende E1-Matrixelement ist v v Φ −j11Φ j 2 er 0 = e ∫ d 3 rΦ *j 2 r Φ j1 Höhere Multipole Wenn die Quantenzahlen der Zustände Dipolübergänge verbieten, kann el.mag. Strahlung höherer Multipolarität emittiert werden. Der nächste Term ikr entspricht: - magnetischer Dipolstrahlung (M1) - elektrischer Quadrupolstrahlung (E2) Auswahlregeln: ∆J ≤ 1 , kein 0 → 0, ∆P = 0 ∆J ≤ 2 , kein 0 → 0, ∆P = 0 Rotationen Kerne mit vielen Nukleonen außerhalb geschlossener Schalen sind stark deformiert. Quantenmechanik: System mit sphärischer Symmetrie kann nicht rotieren! Der Kern kann als Ganzes rotieren. Der Hamiltonoperator der Rotation für gg-Kerne mit Jπ = 0+ im Grundzustand ist v2 J H Rot = 2Θ mit dem Drehimpulsoperator Eigenfunktionen: Kugelflächenfunktionen Eigenwerte: YJm (ϑ , ϕ ) h2 E J = J ( J + 1) 2Θ Im Experiment beobachtet man Rotationsbanden, äquidistante Linien im Spektrum. Rotationen Kopplung von Einteilchenspin und kollektivem Drehimpuls Bei Kernen mit ungerader Nukleonenzahl koppelt der Spin des Einteilchenzustandes mit dem Drehimpuls der kollektiven Rotation. Bei deformierten gg-Kernen beobachtet man reine Rotationszustände, da der Grundzustand Jπ = 0+ ist. Coulomb-Anregung in Schwerionen-Reaktionen Der Targetkern "sieht" ein schnell veränderliches Feld. Die Anregungswahrscheinlichkeit wächst mit abnehmendem Stoßparameter. Der Wirkungsquerschnitt ist proportional zu Z2 Projektil. In einem Stoß werden aufeinanderfolgende Niveaus sukzessiv bevölkert. Rotationen Coulombanregung von 232Th gemessenes γ-Spektrum Kopplung von Rotation und Vibration Neben der Grundzustandsbande gibt es Seitenbanden, die auf Vibrationszuständen aufbauen. Rotationen Die höchsten Drehimpulse werden jedoch in Fusionsreaktionen übertragen Beispiel: 48Ca + 108Pd → 156Dy → 152Dy + 4n Es werden Zustände bis zu Jπ=60+ bevölkert. Klass. Argument für Drehimpuls: l≤Rp Rotationen Die höchsten Drehimpulse werden jedoch in Fusionsreaktionen übertragen, z.B.: 48Ca + 108Pd → 156Dy → 152Dy + 4n Es werden Zustände bis zu Jπ=60+ bevölkert. l≤Rp Trägheitsmoment Die Größe des Trägkeitsmoments erhält man aus den Energieniveaus der Rotationsbanden. Den Deformantionsparameter δ erhält man aus der Übergangswahrscheinlichkeit: W fiE 2 ∝ Q = 4 2 Ze R δ 5 Grenzfälle: 2 Starre Kugel: ΘstarreKugel = MR02 5 45δ 2 reibungslose Flüssigkeit: Θ flüssig = 16π ΘstarreKugel Experiment liegt zwischen den Extremfällen Interpretation: Kernmaterie hat eine superfluide Komponente, die durch die Paarkraft entsteht. Analogie: Cooper-Paare in Supraleitern. Rotationen Superdeformation: Bei hohen Drehimpulsen (J=22 ... 60) hat 152Dy eine Rotationsbande, die durch Rotation eines starren Ellipsoids mit dem Achsenverhältnis 2:1 erklärt werden kann. Wie zerfällt diese Bande? Einführung zu Vibrationen Harmonische Schwingungen Kernanregung mit Photonen Beispiel: Herstellung eines monoenergetischen Photonenstrahls mit Hilfe von Positronenvernichtung im Flug (~1960). Beim Beschuß des Targets mit e+ entsteht Untergrund durch Bremsstrahlung; dieser kann durch Beschuß mit e- getrennt ermittelt werden. Spektrum für Photonen die für (γ,n)-Reaktionen verwendet werden. Nuklearer Photoeffekt: AX(γ,n) A-1X - Hauptanteil des Wirkungsquerschnittes bei Beschuss mit Photonen - Photoproduktion von Protonen ist durch die Coulombbarriere unterdrückt Riesenresonanzen Riesenresonanz in deformierten Kernen Experimentelle Beobachtung γ induzierte Neutronen-Emission Beispiel: σ(γ,n) an 60 ANd NeodymIsotopen -Konzentration der Absorptionswahrscheinlichkeit in einer Resonanz - Anregungsenergie entspricht ca. doppeltem Schalenabstand - integrierter Wirkungsquerschnitt entspricht aufsummiertem Wirkungsquerschnitt für alle Einteilchenübergänge aus der letzten Schale - Bei 142Nd (N = 82: sphärisch) gibt es eine Resonanz, bei 150Nd (deformiert) spaltet die Resonanz in zwei Teile auf. Dipolriesenresonanz Teilchen-Loch Bild: Semiklassische Interpretation: Protonen und Neutronen schwingen kohärent gegeneinander. Bei deformierten Kernen gibt es zwei Moden: entlang bzw. senkrecht zur Symmetrieachse. Dipolriesenresonanz Interpretation im Schalenmodell: Die Dipolriesenresonanz kann als kohärente Anregung von Teilchen-Loch-Zuständen verstanden werden. Dabei hinterläßt das aus der letzten abgeschlossenen Schale angeregte Nukleon ein Loch im Kernrumpf, das mit dem Teilchen in der nächst höheren Schale wechselwirkt. Diese Wechselwirkung ist abstoßend (Vo>0, T=1). Teilchen-Loch Zustände müssen Spin und Parität Jπ = 1- haben. Drehimpulskopplung - j1 + j2 =1ħ - l1 + l2 ungerader Drehimpuls. Beispiel für 16O: Anregung aus der 1p3/2 oder 1p1/2 Schale in die 1d5/2, 1d3/2 oder 2s1/2 Schale: Nur Zustände tragen bei. φ1−p13 / 2φ1d 5 / 2 , φ1−p13 / 2φ2 s1 / 2 , φ1−p13 / 2φ1d 3 / 2 , φ1−p11 / 2φ2 s1 / 2 , φ1−p11 / 2φ1d 3 / 2 Dipolriesenresonanz Kollektive Anregungen im Einteilchen-Schalenmodell Teilchen-Loch-Zustände ψ i = φ j φ j In mittelschweren Elementen ungefähr 10-20 Zustände. −1 1 2 Hamiltonoperator eines Nukleone im Zentralpotential: Ho Beim Übergang eines Teilchens in die nächste Schale muß zusätzlich Teilchen-Loch-Wechselwirkung V0 berücksichtigt werden. Teilchen-Loch-Wechselwirkung V0 verursacht Mischung der Einteilchenzustände, es entstehen kollektive Anregungen. Einfaches Modell: ψ i = φ j−1φ j 1 2 mit i=1...N Diese sind Eigenzustände des ungestörten Hamiltonoperators H 0 ψ i = Ei ψ i Die Lösung Ψ erfüllt die Schrödingergleichung für den totalen Hamilton-Operator H Ψ = (H 0 + V0 ) Ψ = E Ψ Dipolriesenresonanz ‚Ausreißer‘ Ec ist kollektiver Zustand Die Wellenfunktion Ψ lässt sich darstellen: N Ψ = ∑ ci ψ i i =1 Koeffizienten ci werden bestimmt durch die Gleichung: E1 + V11 V21 V 31 M Näherung: V12 V13 E2 + V22 V23 V12 M E3 + V33 M L c1 c1 L c2 c2 E = ⋅ ⋅ c L c3 3 O M M ψ i V ψ j = Vij = V0 V0 Lösung der Gleichung: ci = E − E i N ∑cj j =1 N 1= ∑ i =1 V0 E − Ei N-1 Eigenwerte zwischen ungestörten Energien Dipolriesenresonanz Anregungsenergie: Der kollektive Zustand wird energetisch angehoben, da V0 > 0. Die Energie beträgt näherungsweise Ec = E0 + N V0 ~ 2 E0 N - Zahl der entarteten Zustände, E0 - Abstand zwischen zwei Schalen V0 - Teilchen-Loch-Wechselwirkungspotential. Bei Entartung der Teilchen-Loch-Zustände hat der kollektive Zustand die Konfiguration ψC = 1 N ∑φ ji jk φ −1 ji jk Die Amplituden aller Teilchen-Loch-Zustände addieren sich konstruktiv. Der kollektive Zustand hat eine Übergangswahrscheinlichkeit, die groß gegen die Einteilchenanregung ist. Übergangswahrscheinlichkeit Bezüglich des Schwerpunkts ist der Dipoloperator N v v 1 Z v v N Z v Z N v v v v D = e∑ (rp − R ) mit R = ∑ rp + ∑ rn ⇒ D = e ∑ rp − e ∑ rn A p =1 A p =1 A n =1 n =1 -Das Photon "sieht„: effektive Protonenladung ep= + eN/A, effektive Neutronenladung en= - eZ/A - Protonen und Neutronen schwingen gegenphasig - Schwerpunkt bleibt in Ruhe Dipolriesenresonanz Das Matrixelement der kollektiven Anregung aus dem Grundzustand ist MC0 1 = N N ∫ d r∑ φ 3 ji jk φ DZ 0 −1 ji jk Dz ist die z-Komponente des Dipoloperators. Wenn alle Einteilchenübergänge An gleich groß sind, wird MC0 2 1 = N N 2 ∑ An = N ⋅ M 1Teilchen 2 n =1 Die gesamte Übergangswahrscheinlichkeit konzentriert sich auf den kollektiven Zustand. Schwingungszustände und Schalenmodell •2+-Zustände können im Teilchen-Loch-Bild bei leichten Kernen durch die Anregung eines Teilchens in die übernächste Schale entstehen -> Quadrupolriesenresonanz • Spin und Parität verbieten (niedrige Schalen) oder behindern (höhere Schalen) Anregung in nächster Schale. • Die Quadrupolschwingung von Protonen und Neutronen kann gleichphasig und gegenphasig erfolgen. • Bei gleichphasiger Bewegung ist die Teilchen-Loch-Wechselwirkung anziehend. Formschwingungen Einfachsten Formschwingungen: - Quadrupolschwingungen - Oktupolschwingungen Beobachtung: Alle gg-Kerne haben im Grundzustand Spin und Parität Jπ=0+ und - bis auf die doppelt magischen Kerne - im ersten angeregten Zustand Jπ=2+ Die Übergangswahrscheinlichkeit für diese E2-Anregung zwischen 0+ und 2+ ist um bis zwei Größenordnungen höher als für Einteilchenübergänge. Formschwingungen β - Vibration γ - Vibration Vibrationsspektren deformierter Kerne Formschwingungen Oktupolschwingungen In doppelt magischen Kernen (16O, 40Ca, 208Pb) wird niedrig liegender 3--Zustand beobachtet. Zustände haben um bis zu zwei Größenordnungen höhere Übergangswahrscheinlichkeiten als Einteilchenübergänge. Die kollektiven 3--Zustände können als Oktupolschwingungen interpretiert werden. Können als kohärente Überlagerung von TeilchenLoch-Zuständen zwischen benachbarten Schalen erzeugt werden. Anders als bei der Dipolriesenresonanz ist hier die Schwingung von Protonen und Neutronen gleichphasig. Dadurch ist die Teilchen-LochWechselwirkung anziehend und die kollektive Oktupolanregung in der Energie nach unten verschoben.