Geringe Heritabilität – Enormer Einfluss Kurz und knapp: Heritabilität, also die Erblichkeit einzelner Merkmale, wird häufig missverstanden. Merkmale, welche in der Regel mit einer niedrigen Heritabilität in Verbindung gebracht werden, sind beispielsweise Gesundheitsmerkmale: Nutzungsdauer (PL), Töchterfruchtbarkeit (DPR) und Zellzahl (SCS). So wird häufig davon ausgegangen, dass auch wenn der Zuchtwert eines Merkmals hoch ist, der Effekt für die nächste Generation und über die Zeit gesehen durch die geringe Heritabilität minimal ist. Auch bei einigen Rinderzuchtunternehmen ist die Meinung gängig, dass Heritabilität die Wahrscheinlichkeit beschreibt mit der ein Merkmal an die nächste Generation weitergegeben wird. So ist es keine Überraschung, dass Milcherzeuger in Bezug auf die Selektion auf gering heritable Merkmale zurückhaltend sind. Gängige Begründungen gegen die Selektion auf betreffende Merkmale sind dann: “Man müsste auf Fortschritt verzichten”, “Wir würden keine greifbaren Ergebnisse erzielen” oder “Es braucht zu viele Generationen um die Merkmale zu verändern”. Diese Reaktionen sind Grund genug, um mit diesen Vorurteilen aufzuräumen. Dafür schauen wir uns die Bedeutung der Heritabilität an und zeigen, dass der ökonomische Einfluss entscheidender ist als aufgrund der Heritabilität erwartet wird. Was ist Heritabilität? Als Heritabilität wird der Anteil der genetisch bedingten Varianz an der Gesamtvarianz des betreffenden Merkmals bezeichnet. Zur Vereinfachung betrachten wir zwei Kühe in unterschiedlichen Herden. Welcher Anteil der Milchleistungsdifferenz ist genetisch bedingt und welchen Anteil hat das Management? Man kann sagen, dass 30% durch die Genetik verursacht werden, während 70% allein aufgrund des Managements zustande kommen. Somit hat die Heritabilität einen Wert von 0,30. Wie sieht es bei Unterschieden der Trächtigkeitsraten aus? Management und Umwelt beeinflussen diesen Wert bei den Töchtern zu 96%, somit hat die Genetik einen Einfluss von gerade einmal 4%. Die Heritabilität des Merkmals liegt also bei 0,04. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen dieses Merkmal als irrelevant zu deklarieren. Die Perspektive entscheidet Wenn wir uns Gedanken zur Genetik machen, müssen wir uns daran erinnern, dass die Datengenauigkeit immer entscheidend für die Sicherheit der Ergebnisse ist. Beginnt man mit einem Vergleich der Tiere einer Herde, geht dann weiter mit dem Vergleich einer Laktationsgruppe hin zum Vergleich einer Gruppe die in einem definierten Zeitraum abgekalbt hat, so werden die Umwelteinflüsse immer geringer bzw. Der Einfluss der Genetik kann besser abgegrenzt und isoliert werden. Auch wenn im allgemeinen die Heritabilität des Merkmals Töchterfruchtbarkeit gering ist, so kann bei einer fest definierten Gruppe, bei der Umwelteinflüsse und Management nahezu identisch sind, der genetische Unterschied deutlich genauer herausgearbeitet werden. Am Beispiel unseres Artikels “Der Wert der Zuchtwerte” lässt sich dieses Konzept gut erklären. 1 Zuchtwerte & Heritabilität Der genetische Wert eines Bullen, der mithilfe seiner berechneten Zuchtwerte dargestellt wird, beinhaltet bereits die Heritabilität der einzelnen Merkmale. Das bedeutet, dass diese Zuchtwerte, unabhängig davon, ob es sich um ein Merkmal mit hoher oder niedriger Heritabilität handelt, den zu erwartenden Fortschritt oder Rückschnitt in einer Generation darstellen. Denken Sie an eine Herde mir einer PregRate von 22% und einer Güstzeit von im Schnitt 130 Tagen. Setzt dieser Betrieb nun AltaSUPLEX aufgrund seiner Töchterfruchtbarkeit von +3.0 ein und erhält 100 Töchter dieses Bullen, so werden diese durchschnittlich eine PregRate von 25% und eine Güstzeit von 118 Tagen haben. Es handelt sich also nicht nur um reine Theorie. Bei einem Bullen wie AltaSUPLEX oder anderen Bullen mit gesicherten DPR Raten, erwarten wir in kürzerer Zeit mehr trächtige Tiere. Nehmen wir ein reales Beispiel einer Milchviehherde mit 1500 Kühen mit einer sehr guten Reproduktionsleistung. Nun unterteilen wir die erstlaktierenden Kühe dieser Herde anhand der Töchterfruchtbarkeitsrate der Väter. Es wird deutlich, dass die Spitze der Tiere, deren Väter Top Werte in diesem Merkmal mit sich brachten, deutlich schneller trächtig wird als die Tiere am unteren Ende der Gruppe. # der Kühe Ø DPR des Bullen Aktuelle PregRate Top 25% für DPR 174 2.3 27 Niedrigste 25% für DPR 137 -1.1 20 3.4 7 Differenz Das Gleiche gilt für das Merkmal Nutzungsdauer. Trotz der geringen Heritabilität von 9% gibt es innerhalb einer Herde einen messbaren Effekt. Anteil der im Bestand verbleibenden Tiere Die folgende Grafik zeigt, wie lange Töchter der 10 besten Bullen (High PL) für dieses Merkmal im Bestand bleiben im Vergleich zu den Schlechtesten 10Low PL). Sie sehen, dass der Anteil der Top Tiere die länger im Bestand bleiben deutlich höher ist als der der schlechteren Tiere. Die Selektion auf dieses Merkmal führt, trotz geringer Heritabiliät, zu gesünderen und langlebigeren Kühen in der Herde. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Der reale Effekt des Merkmals Nutzungsdauer 100% 100% 83% 78% 74% 64% High PL 54% Low PL 46% 39% 28% 28% 12% 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 Anzahl Laktationen 2 2,5 23% 9% 3,0 12% 3% 3,5 9% 2% 4,0 Fokus Ökonomie Als fortschrittlicher Milcherzeuger sollten Sie sich nicht durch Unklarheiten bezüglich der Heritabilität davon abhalten lassen, alle genetischen Möglichkeiten zu nutzen um Ihre Herde voranzubringen. Gesundheitsmerkmale sind ökonomisch relevant und wenn Sie diese in Ihrer Herde verbessern, wird es sich bezahlt machen. Umgekehrt gibt es viele Merkmal mit einer hohen Heritabilität und einer geringen ökonomischen Bedeutung. Die Zucht auf diese Merkmale fällt uns zwar leicht, bringt Sie und Ihren Betrieb jedoch nicht voran. Zwei Beispiele sind Fellfarbe und Statur. Die Fellfarbe hat eine Heritabilität 1,0 da sie zu 100% durch die Genetik gesteuert wird. Die Statur hat eine Heritabilität von nahezu 0,5. Wir können Kühe innerhalb einer Generation deutlich größer oder kleiner züchten, rotes oder braunes Fell herbeiführen, doch welchen ökonomischen Effekt erzielen wir daraus? Im Vergleich ist der ökonomische Wert fruchtbarerer Tiere die länger im Betrieb bleiben, da sie weniger Stoffwechsel- und Mastitisprobleme haben oder leichter Kalben, deutlich sichtbar. Die genetischen Möglichkeiten stellen sowohl für das einzelne Tier als auch für den Betrieb ein enormes Potential dar. Management Tipps zur Selektion Wenn Sie einen genetischen Plan erstellen oder den vorhandenen justieren, nutzen Sie die folgenden Schritte um den Effekt zu maximieren und ihre Ziele zu erreichen. 1. Zieldefinition Anhand der Auswertung der Remontierungsursachen können Sie die wichtigsten Gesundheitsprobleme auf ihrem Betrieb identifizieren. Sind es Fruchtbarkeitsprobleme, geringe Leistungen oder Mastitis Erkrankungen? Diese Informationen sind die Basis für fundierte und sinnvolle Selektionsentscheidungen bzw. für die Bullenauswahl. 2. Wählen Sie Ihre Werkzeuge Gesundheitsmerkmale sind gute Werkzeuge um Fruchtbarkeitsleistungen, Stoffwechselprobleme und weitere Erkrankungen langfristig zu reduzieren. Entscheiden Sie welche Priorität die einzelnen Merkmale erhalten sollen und wählen Sie dann dementsprechend eine Gruppe Bullen aus, die Sie einsetzen wollen. 3. Passen Sie Ihre Lösungen an Da bei Standard-Indizes regelmäßig Veränderungen bei den Merkmalsgewichtungen vorgenommen werden, müssen Sie bedenken, dass diese nicht zwangsläufig ihre Ziele und Ansprüche widerspiegeln. Mithilfe unseres Teams können Sie einen individuellen genetischen Plan aufstellen und somit auf die passenden Bullen für Ihre Ziele setzen. 3