Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

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FORTBILDUNG
Chronisch obstruktive
Lungenerkrankung
Teil 2: Inhalative Therapie
Die Behandlung der COPD stützt sich ganz
wesentlich auf die inhalative Therapie.
Verschiedene Substanzen stehen dabei zur
Verfügung. Eine Bewertung haben Autoren im
«British Medical Journal» vorgenommen – im
Rahmen einer Serie unter dem Titel: ABC der
chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.
Merksätze
■ Alle COPD-Patienten benötigen einen kurz
wirksamen Bronchodilatator für den Bedarfsfall.
■ Bei leichterer Atemwegsobstruktion (FEV1 50–80%)
sollten die Patienten regelmässig einen lang
wirksamen Bronchodilatator inhalieren. Ob Betaagonisten oder Anticholinergikum der Vorzug
gegeben werden sollte, ist in den Richtlinien bisher
nicht definiert.
■ Inhalative Steroide spielen bei der COPD eine
untergeordnete Rolle.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Kurz wirksame Bronchodilatatoren
Allen COPD-Patienten sollte man kurz wirksame Bronchodilatatoren zur Inhalation verschreiben, sei es einen Betaagonisten, sei es ein Anticholinergikum oder auch beide in Kombination.
Die kurz wirksamen Betaagonisten wie etwa Salbutamol
(z.B. Ecovent®, Ventolin-Dosieraerosol®) sind Akutmedikamente. Sie lindern die Atemnot und verbessern die Lungenfunktion. Die Bronchodilatation währt unter diesen Medikamenten bis zu sechs Stunden. Die kurz wirksamen Anticholinergika wie Ipatropiumbromid lindern nachweislich ebenfalls
die Atemnot, verbessern die Lungenfunktion und die
Lebensqualität. Auch sie wirken bis zu sechs Stunden. Bei
Kombination der beiden Substanzklassen ist die therapeutische
Ausbeute meist besser als in Monotherapie, es gibt also gewisse
additive Effekte.
Lang wirksame Bronchodilatatoren
Bei COPD-Patienten mit persistierenden Symptomen und
Exazerbationen werden lang wirksame Bronchodilatatoren verschrieben. Die derzeitigen Richtlinien fordern eine Monotherapie mit einem lang wirksamen Betaagonisten oder
Anticholinergikum bei symptomatischen Patienten mit leichter
Atemwegsobstruktion (FEV1 50–80%). Die Inhalation lang
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wirksamer Bronchodilatatoren hat einen Nutzen, der mit Veränderungen in der Lungenfunktion allein nicht messbar ist,
schreiben die BMJ-Autoren. So beeinflussen diese Substanzen
das «air trapping», das bei fortgeschrittener COPD oft vorkommt und klinisch als Lungenüberblähung in Erscheinung
tritt. Während Anstrengung ist es besonders ausgeprägt. Lang
wirksame Bronchodilatatoren verringern das Air-Trapping,
ohne dass sich dies in signifikanten Veränderungen im FEV1
widerspiegeln muss.
Betaagonisten
Die lang wirksamen Betaagonisten Formoterol (z.B. Foradil
Certihaler®) und Salmeterol (Serevent®) wirken mindestens
zwölf Stunden und werden zweimal täglich inhaliert. In-vitroStudien haben ergeben, dass Formoterol die glatte Muskulatur
stärker relaxiert als Salmeterol dies vermag, auch tritt die Wirkung schneller ein, ähnlich schnell wie unter dem kurz wirksamen Salbutamol. Im Allgemeinen führen aber beide zu einer
Besserung hinsichtlich Lungenfunktion, Symptomik und Lebensqualität. Ob die lang wirksamen Bronchodilatatoren auch
die Zahl der Exazerbationen reduzieren, darüber besteht noch
keine Klarheit. Nach einem Cochrane Review sind die Studienresultate diesbezüglich uneinheitlich.
Anticholinergika
Die Atemwegsobstruktion bei COPD ist multifaktoriell und
wenigstens teilweise durch einen prinzipiell reversiblen hohen
CHRONISCH OBSTRUKTIVE LUNGENERKRANKUNG
Kurz wirksame Bronchodilatatoren bei Bedarf
Lang wirksame Bonchodilatatoren als Monotherapie, wenn
Symptome fortbestehen
evtl. Gabe eines weiteren lang
wirksamen Bronchodilatators
evtl. inhalatives Steroid
zusätzlich ein
inhalatives Steroid
zusätzlich ein weiterer lang
wirksamer Bronchodilatator
die Tripletherapie, bei der der Kombination noch ein lang wirksames Anticholinergikum hinzugefügt wird.
■
Graeme P. Currie: Pharmacological management – inhalesd treatment. ABC of chronic
obstructive pulmonary disease. BMJ 2006: 332: 439–441.
Inhalative Steroide
Viele Patienten mit COPD, auch die mit geringen Symptomen
und geringer Atemwegsobstruktion werden traditionell einzig
mit einem inhalativen Steroid, etwa Beclometason, Budesonid
oder Fluticason, behandelt. Und dies, obwohl Steroide nicht auf
die für die COPD typische neutrophile Entzündung einwirken
und es überdies keine sicheren Belege für einen kurz- und
langfristigen Effekt dieser Behandlung gibt. Diese «Fehltherapie» hängt nach Auffassung der Autoren damit zusammen, dass
man ursprünglich die Therapie des Asthmas einfach auf die
COPD übertrug. Erschwerend kam früher hinzu, dass es kaum
Alternativen gab. Die genaue Bedeutung der Streoide ist bei
COPD aber bis heute unsicher. Es hat sich gezeigt, dass weder
FEV1 noch das Überleben unter Steroiden verbessert wird. In
einer Studie (ISOLDE) konnte immerhin ein Rückgang der Exazerbationen um 25 Prozent gezeigt werden, wobei der grösste
Effekt bei Patienten mit einem FEV1< 50 Prozent vorhanden
war. Andere Studien haben inkonsistente Ergebnisse gebracht,
etwa hinsichtlich der Symptomatik und der Lebensqualität. Unklar ist auch die Dosierung, mit der noch ein maximaler Effekt
bei minimalen Nebenwirkungen erzielt werden kann. Die BMJAutoren empfehlen, Steroide allenfalls in Betracht zu ziehen bei
Patienten mit einem FEV1< 50 Prozent, die mehr als zwei Exazerbationen im Jahr erleiden.
Uwe Beise
Interessenlage: Die Autoren haben Honorare von zahlreichen Firmen
erhalten, die auf diesem Gebiet Medikamente auf dem Markt haben.
Hinweis: In ARS MEDICI 18/06 haben wir über orale
Medikamente in der COPD-Behandlung berichtet.
Steroide plus lang wirksame Betaagonisten
Der Einsatz fixer Kombinationen aus lang wirksamen Betaagonisten und Steroiden, wie etwa Symbicort® (Budesonid plus
Formoterol) oder Seretide® (Fluticason plus Salmeterol),
erleichtert die Therapie deutlich und erhöht die Compliance bei
Patienten mit schwerer Atemwegsobstruktion (FEV1 <50%)
und häufigen Exazerbationen. Bei Patienten mit FEV1>50 Prozent ist die genaue Rolle der Kombinationspräparate, nach Auffassung der Autoren, noch zu ermitteln. Dasselbe gilt auch für
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zunehmende Atemwegsobstruktion
und persistierende Symptome
cholinergen Tonus bedingt. Zudem spielt der Vagus eine Rolle
bei der erhöhten Schleimproduktion der submukösen Drüsen,
wie sie typisch ist für die COPD. Deshalb scheint es vielversprechend, diesen pathophysiologischen Veränderungen mit
einem lang wirksamen Anticholinergikum zu begegnen. Die
einzige derzeit bei uns zugelassene Substanz ist Tiotropium
(Speriva®). Über einen Pulverinhalator kann die Substanz bei
geringem inspiratorischen Flow eingeatmet werden. Zahlreiche
Studien haben gezeigt, dass Tiotropium wirksamer ist als
Ipatropium (und natürlich als Plazebo) – sowohl hinsichtlich
der Lungenfunktion als auch der Symptome, der Lebensqualität
und der Exazerbationsrate. Direkte Vergleiche zu lang wirksamen Betaagonisten sind bislang kaum vorhanden, zumindest
in einer Untersuchung, die die BMJ-Autoren erwähnen, schnitt
Tiotropium besser ab als Salmeterol. Nach Auffassung der Autoren sind weitere Forschungen nötig, um den genauen Stellenwert von Tiotropium bei COPD-Patienten unterschiedlicher
Schweregrade zu definieren und den Vergleich mit anderen
inhalativen Substanzen auf eine solide Basis zu stellen.
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