Mag. Simone Pfandl-Pichler LKH-Univ. Klinikum Graz Auenbruggerplatz 19, 8036 Graz [email protected] Tel. Nr.: + 43 (316) 385-87791 Brauchen Kinder und Jugendliche die Plastische Chirurgie? Graz, am 25.09.2013 Weltweit werden 3% aller Kinder mit einer sichtbaren organischen Störung (Fehlbildung) geboren. Die Bandbreite reicht von minimalen Fehlbildungen, die „nur“ eine optische Beeinträchtigung sind, bis hin zu massiven Ausprägungen mit großen funktionellen Einschränkungen. Am LKH-Univ. Klinikum Graz, dem Referenzzentrum für kindliche Fehlbildungen in Österreich, werden alle kindlichen Fehlbildungen interdisziplinär behandelt, so auch die bekanntesten Fehlbildungen wie Blutschwämme (Hämangiome), Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und abstehende Ohren. Gerade bei Kindern ist eine frühe Korrektur dieser Fehlbildungen notwendig, um die körperliche und psychische Entwicklung nicht zu beeinträchtigen. Unter einer angeborenen Fehlbildung wird eine strukturelle oder irreversible funktionelle Veränderung verstanden. Etwa 2 bis 3% der Kinder werden mit einer sichtbaren Fehlbildung geboren, die während der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Lebens oder nach dem Tod diagnostiziert werden kann. Fehlbildungen bei Neugeborenen können vielfältige Ursachen haben: Umwelteinflüsse, erbliche Faktoren, Erkrankungen der Schwangeren, Drogenmissbrauch während der Schwangerschaft usw. Viele Anomalien sind zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht erkennbar. Man nimmt an, dass bis zu 10% der Neugeborenen eine angeborene Anomalie haben. Die Ausprägung der Fehlbildung ist unterschiedlich, von kleinsten, im Wesentlichen nicht störenden Veränderungen bis zu schwerwiegenden Entstellungen mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen und psychischen Belastungen. Die Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie kann in diesen Fällen die Form, Funktion und das Erscheinungsbild optimieren. Das Ziel ist, eingeschränkte Körperfunktionen oder verloren gegangene Körperformen wiederherzustellen oder zu verbessern. Fehlbildungen treten am ganzen Körper auf Die Plastische Chirurgie umfasst ein breites Spektrum an chirurgischen Verfahren. Gerade bei komplexen Fehlbildungen ist es wichtig, auf interdisziplinärer Ebene Behandlungskonzepte zu erstellen und gemeinsam auszuführen. Da angeborene Fehlbildungen am ganzen Körper bzw. an allen Körperregionen auftreten können, sind – je nach Schweregrad der Fehlbildung – nicht nur alle chirurgisch tätigen Fächer, sondern auch nicht-chirurgische Fachdisziplinen bis hin zur klinischen Psychologie involviert. Die meisten Fehlbildungen können durch chirurgische Eingriffe korrigiert werden. Bei allen Eingriffen sind rekonstruktive und ästhetische Aspekte untrennbar miteinander verbunden und Basis für den Erfolg der Operation. Einige Fehlbildungen im Überblick Zu den häufigsten Fehlbildungen zählen die verschiedenen Spaltformen (Gaumenspalte mit Lippenspalte), die sich im Mund-, Kiefer- und Rachenbereich bilden können. Die Spalte kann zahlreiche Auswirkungen auf wichtige Körperfunktionen haben. Atmung und das Sprechen sind häufig erschwert. Säuglinge, die unter dieser Fehlbildung leiden, haben Probleme bei der Nahrungsaufnahme. Bei unbehandelten Fehlbildungen sind oft psychische Beeinträchtigungen durch Hänseleien die Folgen. Darunter leiden die betroffenen Kinder stark, weshalb eine Therapie in jedem Fall notwendig ist. Eine weitere angeborene Fehlbildung ist die Kraniosynostose (vorzeitiger Verschluss der Schädelnähte). Bei diesem Phänomen verschließen sich eine oder mehrere Schädelnähte des Kindes zu früh. Dem Gehirn fehlt der Platz zum Wachsen, der Schädel deformiert sich, auch der Gesichtsknochen kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Angeborene Hand- oder Fingerfehlbildungen sind hingegen selten, jedoch sehr unterschiedlich in der Ausprägung. Sie sind vor der Geburt meist nicht diagnostizierbar und sind für die Eltern daher oft überraschend. Verschiedenste operative Maßnahmen stehen zur Verfügung: von der Entfernung eines überschüssigen Haut-Anhängsel an der Hand bis hin zur vollständigen Wiederherstellung eines fehlenden Daumens. Gefäßanomalien sind häufig und werden meist als „Blutschwämme“ bezeichnet. Der Blutschwamm (Hämangiom) ist der häufigste angeborene gutartige Tumor im Säuglingsalter. Bis zu 10% aller Kinder entwickeln einen Blutschwamm bis zum Ende des 1. Lebensjahres. Darüber hinaus gibt es aber auch eine Vielzahl von anderen Gefäßfehlentwicklungen, die zu massiven Entstellungen (z.B. übergroße Zunge) und funktionellen Beeinträchtigungen führen können. Eine frühzeitige Therapie, die sowohl chirurgisch als auch medikamentös sein kann, ist wesentlich, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Gefäßfehlbildungen kommen hingegen seltener vor. Von 100 Kindern bis zum 18. Lebensjahr leiden ein bis zwei Kinder an dieser Anomalie. Kleinere angeborene Muttermale sind häufig, Riesenmuttermale (über 10 cm) sind eine angeborene, aber sehr seltene Fehlbildung. Je nach Ausmaß können mehrere Operationen notwendig sein. Patienten mit einem großen Muttermal haben ein erhöhtes Hautkrebsrisiko. Bei angeborenen Brustfehlbildungen ist die Anlage der Brust gestört, sodass es zu verschiedensten Brustveränderungen kommen kann: überzählige Brustwarzen, auffallende unterschiedlich große Brüste, zusätzliche Brüste, fehlende Brüste, Rüsselbrüste oder fehlende Brustwarzen. Angeborene Brustdeformitäten werden oft spät erkannt, da die Entwicklung der weiblichen Brust erst in der Pubertät stattfindet. Je nach Art der Ausprägung können Brustfehlbildungen zu massiven seelischen Schäden führen. Zeitpunkt und Art der plastisch-chirurgischen Korrektur hängt von mehreren Faktoren ab und muss individuell festgelegt werden. Auch Fehlbildungen des Brustkorbes selbst sind möglich, wie etwa die Trichterbrust, von der pro 1000 Menschen ein bis zwei Personen betroffen sind. Aber auch Kielbrust oder noch seltenere Mischformen sind verbreitet. Die anzuwendenden Korrekturmöglichkeiten sind einerseits von der Art der Deformierung abhängig, andererseits auch vom Alter der Patienten. Eine Trichterbrust wird beispielsweise durch einen extra angepassten Metallbügel korrigiert, der nach drei Jahren entfernt wird. Über 300 Mal wurde dieser Eingriff bereits am Klinikum durchgeführt. Unter Spina bifida (Spaltwirbel), im Volksmund offener Rücken genannt, versteht man eine Fehlbildung des Neuralrohrs während einer frühen Phase der Embryonalentwicklung. Bei der offenen Form müssen die betroffenen Teile des Rückenmarks innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt neurochirurgisch versorgt werden, die Haut über den offen liegenden Stellen wird durch spezielle plastisch-chirurgische Techniken verschlossen. Zahlen, Fakten, Daten: Am LKH-Univ. Klinikum Graz arbeiten Spezialisten aus chirurgischen und nichtchirurgischen Fachdisziplinen – wie z.B. der Klin. Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, der Univ.-Klinik für Dermatologie, der Hals-Nasen-Ohren Universitätsklinik, der Univ.-Klinik f. Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Univ.-Klinik für Neurochirurgie – interdisziplinär bei der Behandlung von kindlichen Fehlbildungen zusammen. 2 bis 3% der Neugeborenen haben eine sichtbare Fehlbildung bei der Geburt. Bis zu 10% der Neugeborenen haben eine angeborene Anomalie. Kraniosynostose (vorzeitiger Verschluss der Schädelnähte): 1- 2 Patienten pro Jahr Brustfehlbildungen: 10 Patienten pro Jahr Handfehlbildungen: 30 Patienten pro Jahr Trichterbrust: 10 Patienten pro Jahr Offener Rücken: im Schnitt 1 Patient pro Jahr Angeborene Muttermale: 25 Patienten pro Jahr Riesenmuttermal: 1 Patient pro Jahr Hämangiom (Blutschwamm): 150 Patienten pro Jahr Gefäßfehlentwicklungen: 25 Patienten pro Jahr Fotonachweis: LKH-Univ. Klinikum Graz/Plastische Chirurgie Segelohren Riesenmuttermal Angeborener gutartiger Lymphgefäßtumor Bildunterschrift: PD OA Dr. Emir Haxhija (Univ.-Klinik f. Kinder- und Jugendchirurgie) und Univ.-Prof. Dr. Stephan Spendel (Klin. Abteilung f. Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie) Fotonachweis: W. Stieber/LKH-Univ. Klinikum Graz