Sichere Vorhersage

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Onkologie
Sichere
Vorhersage
Eine molekularbiologische
Untersuchung im DPD-Gen
kann das Ansprechen von
Patienten auf eine Chemotherapie mit 5-FU prognostizieren und schwere
Toxizitäten vermeiden helfen.
5-Fluorouracil (5-FU) ist auch vier Jahrzehnte nach seiner Entwicklung eine der wichtigsten Substanzen in der
palliativen und adjuvanten Chemotherapie kolorektaler
Karzinome. Darüber hinaus wird es bei der Behandlung
anderer gastrointestinaler Tumore (Magen, Ösophagus,
Pankreas) sowie des Mammakarzinoms und der KopfHals-Tumore eingesetzt. Jährlich werden in Deutschland
zirka 80 000 Patienten mit einem 5-FU-haltigen Chemotherapieregime behandelt. Trotz insgesamt guter Verträglichkeit kommt es auch unter 5-FU-Chemotherapie
bei zirka drei bis fünf Prozent der Patienten zu schweren
toxischen Nebenwirkungen.
Die Pharmakokinetik des 5-FU
Wirksamkeit und/oder toxische Nebenwirkungen einer
5-FU-Therapie werden wesentlich von der Pharmakokinetik des 5-FU bestimmt. Es ist bekannt, dass zirka 80 bis
85 Prozent des applizierten 5-FU innerhalb kurzer Zeit
katabolisch in der Leber inaktiviert werden.
Für den 5-FU-Katabolismus spielt dabei das Enzym Dehydropyrimidin-Dehydrogenase (EC 1.3.1.2., DPD) die
entscheidende Rolle, da es den ratenlimitierenden Schritt
des Pyrimidinabbaus katalysiert. Ein Mangel an DPD hat
eine verzögerte Inaktivierung von 5-FU zur Folge, so dass
bei solchen Patienten mit der veränderten 5-FU-Pharma-
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kokinetik deutlich höhere effektive 5-FU-Konzentrationen über längere Zeit wirksam bleiben.
Seit Mitte der 80er Jahre werden Fälle mit schweren
Toxizitäten, zum Teil mit Versterben der Patienten, nach
5-FU-haltiger Chemotherapie mit niedrigsten oder nicht
nachweisbaren DPD-Spiegeln in peripheren mononukleären Zellen des Blutes korreliert.
Gendefekt: Mitschuld an den Nebenwirkungen
Für einen nicht unerheblichen Teil der schwersten und
zum Teil tödlich verlaufenden Nebenwirkungen bei 5FU-Chemotherapien zeichnet sich ein genetischer Defekt
bei den behandelten Personen ursächlich verantwortlich.
Es handelt sich dabei um eine Mutation im DPD-Gen,
die einen Funktionsausfall und damit einen Mangel
dieses Enzyms zur Folge hat. Es ist eine Punktmutation
an einer besonderen Position im DPD-Gen: an der Grenze des Exons 14/Intron 15. Im Falle der Mutation wird
die Nukleinbase G (Wildtyp, normal) durch die Nukleinbase A (Mutation) ersetzt. Durch diese eigentlich nur
geringfügige genetische Änderung wird im Prozess des
Ablesens zur prä-mRNA (Transkription) und nachfolgend im Prozess des Splicens (Vorbereitung/Herstellung
der eigentlichen mRNA) das Exon 14 nicht erkannt und
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daher schlichtweg übersprungen (Exon-Skipping,
korrekte Mutationsangabe: DPYD IVS14+1G>A).
Aufgrund des Exon-14-Skippings entsteht dann eine
Deletion von 165 Basen im DPD-Gen beziehungsweise eine Deletion von 55 Aminosäuren im DPD-Enzym, die zu dessen Inaktivierung und in der Folge
zu den beobachteten schweren toxischen Nebenwirkungen von 5-FU-Chemotherapien führt.
Fotos: FikMik, photlook, Pawel Szczesny, ktsdesign (Fotolia)
DPD-Exon14-Skipping-Test
Die Exon-14-Skipping Mutation ist nach heutigen
Daten für zirka 30 bis 50 Prozent der schwersten Toxizitäten verantwortlich. Unsere eigenen Daten zeigen
nach nunmehr mehreren 10 000 gescreenten
Patienten sowie nach
einer kleineren prospektiven Studie mit
1500 Patienten eine
Prävalenz der Mutation im heterozygoten
Zustand von 1,28 Prozent in der kaukasischen
Bevölkerung.
Um die Sicherheit der
5-FU-Chemotherapie zu erhöhen, wird
heute der sogenannte
DPD-Exon14-Skipping-Test als ZweiStufen-Diagnostik angeboten. Im ersten Schritt
wird vor einer 5-FU-haltigen Chemotherapie (auch
bei Capecetabine) durch moderne PCR-Technologien auf die Exon-14-Skipping gescreent. Bei Vorliegen des heterozygoten Mutationszustandes wird
eine individuelle Dosisermittlung empfohlen, die
durch eine pharmakokinetische Untersuchung des
5-FU-Clearings nach Gabe einer verträglich niedrigen singulären Testdosis erfolgt. Damit wird verhindert, dass ein heterozygoter Mutationsträger auf eine
doch tolerable 5-FU-Therapie verzichten muss.
Wird jedoch der homozygote Mutationsstatus festgestellt, darf keine 5-FU-Chemotherapie durchgeführt werden, da diese einen äußerst schweren
oder sogar tödlichen Ausgang verursachen kann.
Der Test kann für Patienten der gesetzlichen
Krankenkassen als „O-III-Leistung“ angefordert
werden und belastet mit der Ziffer 32012 das Laborbudget bei Tumorpatienten nicht.
Meulengracht-Syndrom und
Irinotecan
Eine ähnliche pharmakogenetische Untersuchung wird bei Irinotecan-haltigen Chemotherapien angeboten. Hierbei wird die sogenannte
TATA-Box im Promotor-Bereich des UDP-Glukuronosyltransferase A1 (UGT1A1) Gens untersucht.
Die normale Anzahl der zu untersuchenden TADinukleotide in der Bevölkerung liegt bei 6xTA
= (TA)6. Jedoch wurden bei Patienten, die Nebenwirkungen nach einer Irinotecan-haltigen
Chemotherapie zeigten, im heterozygoten sowie im homozygoten Zustand die erhöhte TADinukleotid-Anzahl (TA)7 nachgewiesen. Die
Ursache für die aufgetretenen Nebenwirkungen
ist zum Teil in der Bedeutung der TATA-Box zu suchen: Durch die Verlängerung der TATA-Sequenz
im Promotor wird die Aktivität des UGT1A1Enzyms herabgesetzt und damit die Entgiftungswirkung des Enzyms vermindert.
Die erbliche Störung des Bilirubinstoffwechsels in der Leber ohne zugrundeliegende Leberkrankheit tritt meist als vorübergehender,
leichter Sklerenikterus in Erscheinung – bekannt
unter dem Namen Meulengrachts-Syndrom. Erst
vor wenigen Jahren hat man entdeckt, dass diesem
Syndrom in der Regel der oben beschriebene
Promotor-Polymorphismus im UGT1A1-Gen
zugrundeliegt.
Kontakt
Dr. Wolfgang Schwabe
synlab/Oncoscreen
Loebstedter Str. 93
07749 Jena
Telefon: 0 36 41 – 50 74 10
E-Mail: [email protected]
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