302 Kapitel 21 · Harnblasentumor 21.2.2 Vinflunin (Javlor®) 21 Patientenaufklärung Chemotherapie mit Vinflunin (Javlor®) Patientenaufkleber Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient, bei Ihnen wurde ein fortgeschrittener Harnblasentumor oder ein Harnblasentumor mit Absiedlung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) festgestellt. Eine vorhergehende Chemotherapie mit Cisplatin hat keine ausreichende antitumorale Wirkung mehr gezeigt. Aus diesem Grund empfehlen wir eine Therapie mit Vinflunin (Javlor®). Ein Behandlungszyklus dauert 21 Tage mit: ● Gabe von Vinflunin (320 mg/m2) intravenös jeweils an Tag 1 des Zyklus ● _______________________________________________________________________________________________ Wie wird die Chemotherapie mit Vinflunin verabreicht? Die Vinflunin-Chemotherapie bildet in Deutschland ein Therapiekonzept in Krankheitsstadien des fortgeschrittenen Blasentumors, in denen keine Heilung möglich ist, jedoch das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden kann. Im Rahmen eines ambulanten Aufenthalts werden am Tag 1 eines jeden Zyklus Infusionen verabreicht, die Medikamente zur besseren Verträglichkeit enthalten (Wirkstoffe: Granisetron und Dexamethason), jeweils im Anschluss daran erfolgt die Gabe von Vinflunin über 20 Minuten über die Vene. Nach der Gabe des Medikaments ist eine weitere Infusion notwendig, die zur besseren Verträglichkeit beitragen und weitere Flüssigkeitszufuhr zur Spülung gewährleisten soll. Bitte planen Sie insgesamt etwa 3 Stunden Aufenthalt ein. Zur Prophylaxe einer Obstipation (Verstopfung) sollten nach der Infusion von Tag 1 bis Tag 7 eines Behandlungszyklus abführend wirkende Medikamente eingenommen, diätetische Maßnahmen eingehalten sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr durchgeführt werden. Vor dem Beginn und während der Vinflunin-Therapie werden EKGUntersuchungen durchgeführt, um auf die mögliche Nebenwirkung einer Herzrhythmusstörung ggf. frühzeitig reagieren zu können. Ebenso werden regelmäßig Blutwerte durch Ihren betreuenden Arzt kontrolliert. Wann sollte eine Chemotherapie mit Vinflunin nicht gegeben werden? Unter bestimmten Voraussetzungen sollte Vinflunin nicht oder nur unter strenger Indikationsstellung angewandt werden. Dabei handelt es sich um Patienten, bei denen eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten <1000/μl) oder die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten <100.000/μl) deutlich erniedrigt ist. Desweiteren muss bei aktiven Infektionen auf eine Medikamentengabe verzichtet werden. Bei Patienten mit einer schweren Leberfunktionsstörung sowie einer stark eingeschränkten Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate <30 ml/min) sollte das Medikament nicht oder in reduzierter Dosis verabreicht werden. Ist eine Bestrahlungstherapie des Beckens vorausgegangen, wird Vinflunin in reduzierter Dosis gegeben. Vinflunin darf darüber hinaus nicht bei Patienten mit Überempfindlichkeit gegenüber dieser Substanz oder einem der Hilfsstoffe angewandt werden. Ihr betreuender Arzt wird daher regelmäßig Ihre aktuellen Blutwerte überprüfen. © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Retz_2te_Anhang.indd 302 26.07.2010 21:40:48 303 21.2 · Fortgeschrittener Harnblasentumor – Zweitlinientherapie 21 Welche Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen sind zu beachten? Folgende Arznei- und Lebensmittel können die Konzentration von Vinflunin durch eine CYP3A4-Hemmung erhöhen: Ketokonazol, Itraconazol, Diltiazem, Verapamil, Erythromycin, Cimetidin, Aprepitant, Ritonavir, Grapefruitsaft. Folgende Arzneimittel können die Konzentration von Vinflunin durch eine CYP3A4-Aktivierung verringern: Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Rifampicin, Johanniskraut. Medikamente, die das QT-Intervall im EKG verlängern und damit Herzrhythmusstörungen auslösen können, sollten nur unter engmaschigen Kontrollen eingenommen werden. Vorsicht ist bei einer bestehenden Opiatbehandlung geboten, weil diese die Obstipationsgefahr erhöhen kann. Bitte vermeiden Sie die Einnahme dieser Medikamente und informieren Sie uns über Ihre derzeitige Medikamenteneinnahme. Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten? Sehr häufige Nebenwirkungen (>10 %): ▬ Veränderungen des Blutbilds – Leukopenie/Neutropenie (Erniedrigung der Gesamtzahl und/oder einer speziellen Untergruppe der weißen Blutkörperchen) – Anämie (Blutarmut) – Thrombozytopenie (Erniedrigung der Blutplättchen mit erhöhter Blutungsneigung) ▬ Magen-, Leber- und Darmprobleme: – Übelkeit und Erbrechen – Obstipation (Verstopfung) – Diarrhoe (Durchfall) – Bauchschmerzen – Stomatitis (Entzündungen im Bereich Mundschleimhaut) ▬ Haarausfall ▬ Muskelschmerzen ▬ Anorexie (Appetitlosigkeit), Gewichtsverlust, Asthenie (allgemeine Schwäche, Ermüdbarkeit) ▬ Periphere sensorische Neuropathie (Gefühls-/Empfindungsstörungen, Missempfindungen, Schmerz z. B. an Füßen, Händen) ▬ Fieber, Schüttelfrost ▬ Reaktionen am Infusionsort (Rötung, Schwellung, Schmerz) Häufige Nebenwirkungen (1–10 %): ▬ Fieberhafte Neutropenie (Erniedrigung einer speziellen Untergruppe der weißen Blutkörperchen mit Temperatur >38,5°C) ▬ Infektionen (viral, bakteriell, Pilze) ▬ Überempfindlichkeitsreaktion (Juckreiz, Hautausschlag), Hyperhydrosis (vermehrtes Schwitzen), Ödeme (Flüssigkeitseinlagerung) ▬ Flüssigkeitsverlust ▬ Insomnie (Schlafstörungen) ▬ Kopf-, Kiefer-, Brust-, Rücken-, Nerven-, Ohrenschmerzen, Benommenheit, Ohnmachtsanfälle, Geschmacksstörungen ▬ Tachykardie (erhöhte Pulsfrequenz, Herzrasen) ▬ Blutdruckstörungen (erhöhter/erniedrigter Blutdruck) ▬ Venenthrombosen (Blutgefäßverschluss durch Blutgerinnsel) ▬ Atemstörungen, Husten ▬ Beiß-, Schluck-, Verdauungsstörungen, Darmverschluss Zytostatika können prinzipiell die Bildung von Samenzellen verhindern oder stören. Damit keine Befruchtung von Eizellen mit fehlgebildeten Samenzellen erfolgt, empfehlen wir die Einhaltung von Verhütungsmaßnahmen bis 6 Monate nach Beendigung der Chemotherapie. © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Retz_2te_Anhang.indd 303 26.07.2010 21:40:48 304 Kapitel 21 · Harnblasentumor Auswirkung auf die Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen: 21 Vinflunin kann leichte bis mäßige Müdigkeit auslösen. Daher kann das Reaktionsvermögen soweit beeinträchtigt sein, dass die Fähigkeit zum Autofahren oder Bedienen von Maschinen eingeschränkt ist. Ärztliche Maßnahmen bzw. Medikamentengabe als Folge von Nebenwirkungen: In einigen Fällen können Nebenwirkungen wie z. B. verminderte Leberfunktion, Verschlechterung der Nierenfunktion, Abfall von weißen Blutkörperchen und Gefühlsstörungen auftreten, die zu einer Reduzierung der verabreichten Dosis führen. Bei ausgeprägten Nebenwirkungen muss die Substanz Vinflunin eventuell abgesetzt werden. Daher ist es wichtig, dass Sie uns alle Nebenwirkungen mitteilen, damit wir entsprechende Dosisanpassungen durchführen können. Beim Auftreten anderer Nebenwirkungen, wie z. B. Übelkeit, Obstipation, Überempfindlichkeitsreaktionen, Flüssigkeitseinlagerungen, Schwäche oder Blutarmut, können wir mit einer Gabe von Medikamenten oder durch Verabreichung einer Bluttransfusion entgegenwirken. Bitte teilen Sie uns daher alle beobachteten Nebenwirkungen mit. Sehr selten kann das Medikament ins umliegende Gewebe austreten (Paravasat) und unerwünschte Reaktionen hervorrufen, die durch Ihren betreuenden Arzt gezielt behandelt werden müssen. Sollten eine dieser oder andere Nebenwirkungen auftreten, können Sie sich selbstverständlich jederzeit an uns wenden. (Tel.: ………… oder Notfalldienst nachts: …………). Beim Auftreten schwerer Nebenwirkungen kann ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig werden. Anmerkungen zum Ablauf: Um Ihnen den Aufenthalt in unserer Klinik so angenehm und kurz wie möglich zu gestalten, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung: Bitte faxen Sie uns einen Tag vor jeder neuen Chemotherapie folgende aktuelle Blutwerte zu, die in aller Regel bei Ihrem Hausarzt oder Urologen abgenommen werden: Kreatinin, Natrium, Kalium, GOT, GPT, alkalische Phosphathase, Bilirubin, Differenzialblutbild Faxnummer: ………… Vor Therapiebeginn und in regelmäßigen Abständen während der Therapie sollte zusätzlich ein EKG durchgeführt werden. Bei Rückfragen stehen wir Ihnen unter ………….... zur Verfügung. Vielen Dank für Ihre Mithilfe und mit den besten Wünschen für eine gute Zusammenarbeit und eine erfolgreiche Behandlung, Ihr Klinik-Team © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Retz_2te_Anhang.indd 304 26.07.2010 21:40:48 305 21.2 · Fortgeschrittener Harnblasentumor – Zweitlinientherapie 21 Patientenaufklärung Chemotherapie mit Vinflunin (Javlor®) Patientenaufkleber Chemotherapieschema: ● Gabe von Vinflunin (320 mg/m2) intravenös an Tag 1 ● _______________________________________________________________________________________________ Ärztliche Anmerkungen zum Aufklärungsgespräch: _______________________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________________________________________ (Ort, Datum, Uhrzeit) (Unterschrift der Ärztin / des Arztes) ● Über die geplante Chemotherapie sowie evtl. auftretende Nebenwirkungen wurde ich in einem Aufklärungsgespräch mit Frau/Herrn Dr. _______________________ ausführlich informiert. Dabei konnte ich alle mir wichtig erscheinenden Fragen über Art und Bedeutung der Behandlung, über Risiken und mögliche Komplikationen sowie über Neben- und Folgeeingriffe und deren Risiken stellen. ● Ich habe die Patienteninformation (Seiten 1 bis 3) erhalten und den Inhalt verstanden. ● Ich habe keine weiteren Fragen, fühle mich genügend informiert und willige hiermit nach ausreichender Bedenkzeit in die geplante Chemotherapie ein. Mit erforderlichen, auch unvorhersehbaren Erweiterungen der Behandlung bin ich ebenfalls einverstanden. _______________________________________________________________________________________________________________ (Ort, Datum, Uhrzeit) (Unterschrift des Patienten) © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Retz_2te_Anhang.indd 305 26.07.2010 21:40:48