ERDMAGNETISMUS Den DAS MAGNETFELD DER ERDE mathematisch am besten an das Erdmagnetfeld angepassten Dipol nennt man geomagnetischen Dipol. Eine wichtige Eigenschaft aller Magnetfelder ist ihr Dipolcharakter - für jeden positiven Magnetpol gibt es immer auch einen negativen und umgekehrt. Heute geht die Achse des geomagnetischen Dipols durch den Erdmittelpunkt, aber sie ist um etwa 11.4o gegenüber der geographischen Achse (Rotationsachse) geneigt. In einer ersten Näherung kann das interne Erdmagnetfeld der Erde durch einen einfachen magnetischen Dipol dargestellt werden (B1-B2). Das Erdmagnetfeld ist am stärksten an den beiden geomagnetischen Polen (60 000-70 000 nT) und ist am An allen Orten können zwischen 90 bis 95% des internen Erdmagnetfeldes durch den geomagnetischen Dipol beschrieben werden. 1 schwächsten am geomagnetischen Äquator (~30 000 nT). Die Pfeile charakterisieren die Feldstärken und Feldrichtungen an der Erdoberrfläche. 1 1 Tesla = 1 Newton/Ampere-meter; 1nT = 10-9T = 1 γ DIE ZEITLICHEN SCHWANKUNGEN DES ERDMAGNETFELDES Säkularvariation • Das Aus Messungen in Observatorien während den letzten paar Jahrhunderten wissen wir, dass das Erdmagnetfeld sich ständig ändert (Säkularvariation). Es gibt drei Komponenten: gesamte Erdmagnetfeld rotiert westwärts ("Westdrift" des Erdmagnetfeldes). Abbildung B4 zeigt die Variation der magnetischen Inklination und Deklination bei Observatorien in London und Paris während der letzten 400 Jahre. In London und Paris • Die Stärke des mathematischen "Best-Fit"-Dipol nimmt ständig ab (B3). beträgt die durchschnittliche Westdrift etwa 0,6o/Jahr. Die Westdrift lässt sich durch eine relative Bewegung zwischen dem selbst-induzierenden Dynamo (oder grösseren Konvektionszellen) im • Fast zufällige, relativ kleine Variationen, die bis zu 150 nT/Jahr (0.1 bis 0.2 % des Magnetfeldes) betragen. äusseren Erdkern und der festen, weiter aussen liegenden Schale des Erdmantels erklären. PALÄEOMAGNETISMUS Magnetische Polumkehrungen I Die Polarität des Erdmagnetfeldes hat sich in der Vergangenheit häufiger geändert. Die wichtigsten magnetischen Mineralien in Gesteinen sind Magnetit und verwandte verlieren ihre starken Tc > 580 oC, der Mineralien. magnetischen sogenannten Diese Mineralien Eigenschaften Curie-Temperatur. bei Diese Vor 30 000 Jahren war das Erdmagnetfeld genau umgekehrt Mineralien gewinnen ihre starken magnetischen Eigenschaften gepolt (rote Feldlinien) wie heute (blaue Feldlinien) (B5). bei TC< 580 oC. Tc wird in 20-30 km Tiefe erreicht, so dass nur die oberen Krustengesteine zum Magnetfeld beitragen. Das belegen unter anderem Steine von prähistorischen Feuerstellen, deren Magnetisierung der heutigen Feldrichtung entgegengerichtet ist (roter Pfeil). Die remanente oder permanente Magnetisierung eines Gesteines wird durch winzige feste Magnete erzeugt. Diese Magnete sind nur bei Kristallingesteinen oberhalb einer bestimmten Temperatur (Blockierungstemperatur TB; TB < TC) Als diese Steine nach dem letzten Feuer abkühlten, wurden und bei Sedimenten, die noch nicht verfestigt sind, frei drehbar sie in Richtung des damaligen Magnetfeldes magnetisiert und (B6-B7). bewahrten so eine paläomagnetische Aufzeichnung dieses Feldes. Remanente Magnetisierung von Gesteinen liefert eine Aufzeichnung der Richtung des Erdmagnetfeldes am Ort und zur Zeit der Gesteinsbildung. Langzeitliche Übereinstimmung der geomagnetischen und geographischen Achsen In Abbildung B9 sind Inklinationswerte der remanenten Die geomagnetische und geographische Achse der Erde stimmen zur Zeit nicht überein. Aufgrund von theoretischen Magnetisierung aus Tiefseesedimenten bis zu einem Alter von sogar 2 Millionen Jahren dargestellt. Überlegungen und beoachteten Daten sieht es aber so aus, dass über Zeiträume von mehreren tausend Jahren die mittleren Richtungen der geomagnetischen und der geographischen Im Mittel liegen sie auf einer Linie, wie man es bei einer Achsen übereinstimmen (wenn z.B. die Einflüsse der Westdrift Übereinstimmung der geomagnetischen und geographischen berücksichtigt werden, dann stimmen die beiden Achsen fast Achsen erwartet. überein). Abbildung B8 zeigt Positionen des geomagnetischen Pols, oder besser der scheinbaren paläomagnetischen Pole, die aus der Inklination der remanenten Magnetisierung archäologischer Proben bestimmt wurden. Diese Proben stammen von Die Tatsache dass die geomagnetische und geographische Achse Fundorten weltweit (Grossbritannien, Griechenland, Italien - im Mittel - übereinstimmen, erlaubt uns, die scheinbaren und Japan) und repräsentieren einige tausend Jahre der paläomagnetischen Pole zur Bestimmung der Lage der Erdgeschichte. Die mittlere Lage dieser paläomagnetischen Kontinente in der Vergangenheit zu benutzen. Polpositionen stimmt nahezu mit dem geographischen Pol überein. Die scheinbaren paläomagnetischen Pole Die Inklination (I) ist der Winkel des erdmagnetischen Vektors Bei einem perfekten magnetischen Dipolfeld ist es möglich, aus F mit der Horizontalen (B10). einer einzigen Messung der Inklination die geographische Breite des geomagnetische Nord- bzw. Südpols zu berechnen: Wäre das Erdmagnetfeld ein idealer Dipol dann würde er zwischen 90o an den magnetischen Polen und 0o am 1. Messung von I bei einer geographischen Breite β; 2. Berechnung von β* nach der oben angegebenen magnetischen Äquator variieren. Gleichung; Für ein solches ideales magnetisches Dipolfeld gilt: 3. Berechnung der Inklination (β - β*) = Breite des magnetischen Nord- und Südpols. Tan I = 2 Tan β*, Durch wobei β* die magnetische Breite ist. die Messung des Inklinationswinkels von Gesteinsmagnetisierungen kann man die relative Lage der magnetischen Pole für die Zeit bestimmen, zur der das Gestein seine remanente (oder permanente) Magnetisierung erhalten hat (d.h. entweder zur Zeit der Abkühlung magmatischer Gesteine unter die Blockierungstemperatur TB oder zur Zeit der Verfestigung von Sedimenten). Scheinbare Polwanderungskurven und Kontinentalverschiebungen Kurven, die die Lage der scheinbaren paläomagnetischen Pole von immer älteren afrikanischen und südamerikanischen Die Lage der magnetischen Pole (bestimmt aus gesteinsmagnetischen Untersuchungen) relativ zum heutigen Referenzwert bezeichnet paläomagnetischen Pole (B10). man mit Gesteinen darstellen, sind in Abbildung B11 dargestellt. Solche Kurven nennt man scheinbare Polwanderungskurven. scheinbaren Anhand einer einzelnen scheinbaren Polwanderungskurve können wir nicht entscheiden, ob der Kontinent oder der geomagnetische Pol in dieser Zeit gewandert ist (B12). Falls die Kurven eines Zeitraums für alle Kontinente übereinstimmen, könnte man daraus schliessen, dass der geomagnetische Pol gewandert ist. In Abbildung B15 sind die Polwanderungskurven für Nordamerika und Europa dargestellt. Wir erkennen jedoch, Polwanderungskurven unwahrscheinlich, sich dass dass die unterscheiden jeder Kontinent scheinbaren und einen es ist Die linke Figur zeigt die Polwanderungskurven mit den Kontinenten in der heutigen Position. eigenen geomagnetischen Pol besitzt (B13). Die rechte Figur demonstriert, wie gut sie übereinstimmen, wenn man die Kontinente näher zusammenbringt. Wenn wir Afrika und Südamerika so zusammenschieben, dass die Umrisse der Kontinentalränder zusammenpassen, passen Ähnliche Kurven sind für alle Kontinente bestimmt worden. auch die Polwanderungskurven bis etwa vor 150 Millionen Jahren zusammen (B14). Diese Kurven können durch die Rekonstruktion von Pangaea zur Übereinstimmung gebracht werden (B16). Die Abweichungen für die Zeit danach liegt in der Trennung und dem Auseinanderdriften der beiden Kontinente begründet. Magnetische Polumkehrungen II Mit Untersuchungen magnetischer Eigenschaften jüngerer Eine Mehrdeutigkeit Durch die Messung der Differenz des Inklinationswinkels der remanenten Magnetisierung des Gesteins (scheinbarer paläomagnetischer Pol) und des Erdmagnetfeldes kann die vulkanischer Lavastöme zeigten Geophysiker in den 60er Jahren, dass sich die Polarität des Erdmagnetfeldes in der Vergangenheit häufiger umgekehrt hat (B18). Breitenänderung des Gesteins abgeschätzt werden. In den Abbildungen B11 bis B15 sind die Effekte dieser Es ist jedoch klar, dass die Messung der remanenten magnetischen Inklination nur die Bestimmung der Breite des scheinbaren paläomagnetischen Pols erlaubt (B17). Da die Kontinentalblöcke sich jedoch auch drehen oder lateral driften können, haben wir keine Möglichkeit, mit Hilfe von paläomagnetischen Methoden eine klare Abschätzung der Länge zu machen. Polumkehrungen dadurch berücksichtigt worden, dass die magnetischen Pole einfach nur auf einer Hemisphäre eingezeichnet wurden. Das heisst, ich habe alle magnetischen Pole für Untersuchungen der Kontinente in der südlichen Hemisphäre in die südlichen Hemisphäre (bzw. für Untersuchungen der Kontinente in der nördlichen Hemisphäre in die nördlichen Hemisphäre) verlegt. Die Abfolge der Perioden mit normaler und inverser Magnetisierung während der letzten 5.0 bzw. 170 Millionen Jahre zeigen Abbildungen B19 and B20. MAGNETISCHE STREIFENMUSTER AUF TIEFSEEBÖDEN Beobachtungen Etwa zur gleichen Zeit als Geophysiker ihre Untersuchungen Dominierende Perioden mit einer vorherrschenden Polarität der Polaritätswechsel des Erdmagnetfeldes an vulkanischen (entweder normal oder invers) werden magnetische Epochen Laven durchführten, machte man eine bemerkenswerte genannt. Entdeckung in den Ozeanen. Die Länge jeder Magnetisierungsperiode wurde anhand weltweiter Untersuchungen an vielen Lavagesteinen bestimmt. Man stellte fest, dass magnetische Muster, hervorgerufen von der Magnetisierung ozeanischer Krustengesteine, ein Jede Gesteinsprobe wurde mit der Kalium-Argon-Methode einfaches lineares Aussehen zeigten, das sich parallel zu den datiert und die Richtung seiner remanenten Magnetisierung mittelozeanischen Rücken über Tausende von Kilometern gemessen. erstreckt. (B21-B22) Wir kennen zwar den Mechanismus der Polaritätswechsel des Erdmagnetfeldes nicht genau, auf einer geologischen Zeitskala aber kann man die Umkehrungen als spontan ansehen. Für Kontinente sind weit kompliziertere magnetische Muster typisch. Der markante Unterschied der magnetischen Muster in dem Ozeanen und auf Kontinenten ist in den Abbildungen B22 dargestellt. Beachten Sie: • dass sich die linearen magnetischen Anomalien südlich von Island ohne Unterbrechung über mindestens 1000 km Ein etwas komplizierteres Muster der Anomalien am hinziehen; Meeresboden beobachtet man über dem nordöstlichen Teil des • die Symmetrie zur Mittelachse, die hier der Kamm des sogenannten Reykjanen-Rückens ist (Teil des ostpazifischen Rückens und über dem Juan de Fuca Rücken im Pazifischen Ozean. mittelatlantischen Rückens); Dies wird durch die Transform-störungen hervorgerufen, an • das Fehlen von lateralen Versetzungen der Magnetanomalien - dies ist eine der wenigen Stellen ohne grössere Transformstörungen; • Die linearen magnetischen Muster in den Ozeanen bezeichnet man als: die magnetische Streifung des Meeresbodens, das magnetische Streifenmuster des Meeresbodens, "seafloor magnetic anomalies" oder "seafloor magnetic stripes". denen die magnetischen Anomalien gegeneinander versetzt sind. (B23) Erklärung - Vine-Matthews-Morley Modelle Mit einem grossen Forschungsprogramm wurde das Alter der unterschiedlichen Abschnitte des Meeresbodens mittels Tiefseebohrungen bestimmt (B24-B26). An den mittelozeanischen Rücken (B31) steigt kontinuierlich neues vulkanisches Material auf und bildet neuen Meeresboden - Seafloor Spreading (Auseinanderdriften des Meeresbodens). Die Proben aus allen mittelozeanischen Rücken (insgesamt Die Polarität des Erdmagnetfeldes kehrt sich oft um (B32). >60 000 km) sind sehr jung (~0 Millionen Jahre). Die Proben aus einem bestimmten magnetischen Streifen haben auf der gesamten Länge ein einheitliches Alter (B27-B28). Wenn das Erdmagnetfeld normale Polarität hat, dann wird dies bei der Abkühlung der magmatischen Gesteine in der remanenten Magnetisierung konserviert (B33a und B33b) und das magnetische Feld über diesem Gestein ist dann positiv. Die erstaunliche Symmetrie der magnetischen Anomalien des Meeresbodens wird auch in den Abbildungen B29 und B30 deutlich, die ein 850 km langes SE-NW Profil über den ostpazifischen Rücken zeigen. Bei umgekehrter Polarität ist auch die remanente Magnetisierung umgekehrt (B33c) und entsprechend die Anomalie negativ. Durch mehrfache Wiederholung dieses Prozesses entstehen dann die magnetischen Streifen am Meeresboden. Streifen magnetisierter Kruste bilden sich dann, wenn neuer Die vulkanischen Gesteine am Meeresboden zeichnen also die Meeresboden entsteht: Aufsteigendes geschmolzenes Material unterschiedlichen Richtungen des Erdmagnetfeldes auf - die kühlt ab und wird dabei in Richtung des gerade herrschenden ozeanische Kruste ist in diesem Sinne ein Magnetbandgerät. Magnetfeldes magnetisiert. Aus der Symmetrie der magnetischen Anomalien lässt sich Da die Trennung der Platten fortdauert, wird die frisch folgern, dass ungefähr die gleiche Menge ozeanischer Kruste magnetisierte an der linken und an der rechten Lithosphärenplatte auseinandergeschoben und bewegt sich allmählich mit den entstanden ist. sich trennenden Platten nach aussen. Kruste nach beiden Seiten Das Muster von normal (+) und invers (-) magnetisierten Streifen auf dem Meeresboden entspricht der zeitlichen Abfolge der magnetischen Umpolungen, die durch Altersbestimmungen an Gesteinen auf dem Festland einer paläomagnetischen Zeitskala zugeordnet werden können (B34). Mit der Zeitskala für die Polumkehrungen, die aus Tatsächlich Landmessungen man paläomagnetischen Zeitskala, sowohl das Alter wie auch die Modellrechnungen für die magnetischen Anomalien des Spreading-Rate der meisten Tiefseeböden zu bestimmen Meeresbodens erstellen. (B37). Abbildung B35 zeigt solch eine Simulation für eine konstante Das weltweite Seafloor-Spreading wird durch die Isochronen Rate der Meeresbodenverbreiterung. erkennbar, die Stellen des Meeresboden verbinden, deren (Lavagesteinen) stammt, kann ist es möglich, mit der unabhängigen Alter übereinstimmt. Bei diesen Berechnungen wurde angenommen, dass die Blöcke von magnetischem Material ungefähr gleich dick (~1km) sind. Die farbigen Streifen spiegeln die geologischen Zeitalter wieder, in denen der Meeresboden gebildet wurde. Abbildung B36 zeigt eine Modellrechnung für den mittelpazifischen Rücken, berechnet mit einer durchschnittlichen Ausbreitungsrate von 4,6 cm/Jahr. Dabei ist das Alter des Meeresbodens – die Zeit seit seiner Entstehung an den verschiedenen mittelozeanischen Rücken – in Millionen Jahren angegeben. Mittelozeanische Rücken, an denen neuer Ozeanboden gebildet wird, fallen mit den jüngsten Meeresböden (rot) zusammen. Der Atlantik ist, bezogen auf den Mittelatlantischen Rücken, symmetrisch aufgebaut. Die Asymmetrie des Streifenmusters im Pazifik ist teilweise durch Subduktion an der Aleuten-Tiefseerinne südlich von Alaska, an der Atacama-Tiefseerinne vor der Westküste Südamerikas und an den zahlreichen Tiefseerinnen des westlichen Pazifiks bedingt.