Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Fundamentale Sätze versuche folgendes: • gib eine Formelmenge Φ an, so dass Mod(Φ) = {(R, +, ∗)} • gib eine Formelmenge Φ an, so dass Mod(Φ) = {(N, +, ∗)} • formalisiere in FO ohne Gleichheit: “es gibt genau 3 Elemente im Universum” interessante Folgerungen aus Satz von Herbrand: • abzählbare Modelle (Satz von Löwenheim-Skolem) • Kompaktheit • Unbeschränktheit von Modellen (aufsteigender Satz von Löwenheim-Skolem) 171 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Abzählbarkeit Def.: Eine Menge M ist höchstens abzählbar unendlich groß, wenn es eine injektive Abbildung κ : M → N gibt. intuitiv: höchstens die Kardinalität von N Bsp.: was sind (über)abzählbare große Mengen? • höchstens abzählbar groß sind: (jede Teilmenge von) N, Z, Z × (N \ {0}), Q, Nk für jedes k ∈ N, N∗ , . . . • überabzählbar große Mengen sind: (jede Obermenge von) R, 2N , Σω mit |Σ| ≥ 2, . . . Theorem 26 Die Menge aller Grundterme über einer Signatur mit höchstens abzählbar unendlich vielen Funktionssymbolen ist höchstens abzählbar unendlich groß. 172 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Satz von Löwenheim-Skolem Theorem 27 Jeder erfüllbare FO[=, τ ]-Formel hat ein höchstens abzählbar unendlich großes Modell. Beweis: Sei ϕ erfüllbar. Nach Thm. 20 gibt es erfüllbares ψ in Skolem-NF. Sei A |= ψ. Nach Beweis von Thm. 25 gibt es erfüllbaren Herbrand-Abschluss Ψ von ψ. Sei IA |= Ψ. Nach dem anderen Teil dieses Beweises hat ψ dann auch ein Modell der Form HIA /∼. Nach Thm. 20 gilt auch HIA /∼ |= ϕ. Nach Thm. 26 ist HIA höchstens abzählbar unendlich groß, also insbesondere auch HIA /∼. � Kor.: Es gibt keine endliche Menge Φ von FO[=, τ ]-Formeln (für beliebiges τ ), so dass Mod(Φ) = {R} 173 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Kompaktheit der Prädikatenlogik Theorem 28 Menge Φ von FO∀ [=, τ ]-Formeln ist erfüllbar gdw. jede endliche Teilmenge von Φ erfüllbar ist. Beweis: “⇒” Trivial. “⇐” Sei Φ unerfüllbare Menge von FO∀ [=, τ ]-Sätzen. Nach Thm. 25 ist jeder Herbrand-Abschluss davon unerfüllbar. Sei ∆ ein solcher. (Beachte: Es gibt mind. einen!) Nach Kompaktheit der Aussagenlogik gibt es unerfüllbares Γ ⊆fin ∆. Betrachte Ψ := {∀x̄ ψ ∈ Φ | es gibt Grundterme t̄ mit ψ[t̄/x̄] ∈ Γ} Offensichtlich ist Ψ ⊆fin Φ. Sei Γ� := {ϕ[t̄ � /x̄] | es gibt ϕ[t̄/x̄] ∈ Γ, t̄ � beliebig } Da Γ� ⊇ Γ, ist Γ� auch unerfüllbar. Nach Thm. 25 ist Ψ unerfüllbar. 174 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze 175 Anwendung: Nicht-Standardmodelle der Arithmetik unter “Arithmetik” versteht man die Theorie der natürlichen Zahlen mit Addition und Multiplikation “Standardmodell” der Arithmetik ist (N, +, ∗) ebenso ein Standardmodell ist ({c, f (c), f (f (c)), f (f (f (c))), . . .}, +, ∗), wobei für alle x, y : • c + y := y und f (x) + y := f (x + y ) • c ∗ y := c und f (x) ∗ y := y + (x ∗ y ) “Nicht-Standardmodell” ist Struktur, die nicht isomorph zu (N, +, ∗) ist Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Existenz von Nicht-Standardmodellen Theorem 29 Sei Φ Menge von FO[=, +, ∗]-Formeln, so dass (N, +, ∗) ∈ Mod(Φ). Dann enthält Mod(Φ) Strukturen, die nicht isomorph zu (N, +, ∗) sind. Vorbereitung: . • 0 ist definierbar: schreibe ϕ(0) für ∃x.x + x = x ∧ ϕ(x) • jedes weitere k ist definierbar: schreibe ϕ(k + 1) für . ∃x ∀y .(y < x ∧ ¬∃z(y < z ∧ z < x) → x = k) ∧ ϕ(x) 176 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Existenz von Nicht-Standardmodellen Beweis von Thm. 29: Sei solch ein Φ gegeben. Sei c neues Konstantensymbol. Betrachte Ψ := Φ ∪ {0 < c, 1 < c, 2 < c, . . .} klar: jede endliche Teilmenge von Ψ ist erfüllbar (in welchem Modell z.B.?) nach Thm. 28 hat auch Ψ ein Modell A. Offensichtlich ist A nicht isomorph zu (N, +, ∗) sein, denn in A ist c echt größer als 0, 1, 2, . . .. 177 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Aufsteigender Satz von Löwenheim-Skolem Theorem 30 Sei ϕ FO[τ ]-Satz, A = (U, τ A ) |= ϕ und V so, dass es surjektives ι : V → U gibt. Dann gibt es B = (V , τ B ), so dass B |= ϕ. Beweisidee: Sei ι−1 : U → V , so dass ι(ι−1 (u)) = u für alle u ∈ U. Konstruiere B durch (b1 , . . . , bn ) ∈ R B gdw. (ι(b1 ), . . . , ι(bn )) ∈ R A f B (b1 , . . . , bn ) = ι−1 (f A (ι(b1 ), . . . , ι(bn ))) Per Induktion über ψ zeigt man, dass für alle ψ und alle ϑ gilt: B, ϑ |= ψ gdw. A, ι ◦ ϑ |= ψ. Daraus folgt die Behauptung. � 178 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Keine Einschränkung der Modellgrößen beachte: obiger Satz gilt nur für FO ohne Gleichheit Übung: wo scheitert der Beweis, wenn Gleichheit vorhanden ist? Kor.: Es gibt kein endliches Φ über beliebigem τ , so dass Mod(Φ) = {(A, τ ) | |A| = 3}. 179 Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze 180 Aufsteigender Löwenheim-Skolem-Satz mit Gleichheit Theorem 31 Sei ϕ FO[=, τ ]-Satz, der in einem unendlichen Modell erfüllt ist. Dann gibt es zu jeder Menge M eine Struktur AM mit einem Universum M � , so dass AM |= ϕ und |M � | ≥ |M|. Beweis: Sei M gegeben und sei {cm | m ∈ M} Menge von paarweise verschiedenen Konstantensymblen, die nicht in ϕ auftreten. Betrachte die Formelmenge . Φ := {ϕ} ∪ {¬(cn = cm ) | n, m ∈ M, m �= n} Beachte: Thm. 31 ist bewiesen, wenn gezeigt werden kann, dass Φ erfüllbar ist. Wegen Kompaktheit reicht es aus zu zeigen, dass jede endliche Teilmenge erfüllbar ist. Jede Teilmenge, die ϕ nicht enthält, ist offensichtlich erfüllbar. Theoretische Informatik: Logik, M. Lange, FB16, Uni Kassel: 4.7 Prädikatenlogik – Fundamentale Sätze Beweis des aufst. Löwenheim-Skolem-Satzes Es reicht aus, sich auf solche Teilmengen ΦN zu beschränken, die ϕ enthalten und für die es ein N ⊆fin M gibt, so dass ΦN . := {ϕ} ∪ {¬(cn = cm ) | n, m ∈ N, m �= n} Nach Voraussetzung hat ϕ ein unendliches Modell A. Wähle nun in diesem |N| paarweise verschiedene Elemente bm für jedes m ∈ N. Da |N| < ∞ ist dies möglich. Sei AN nun definiert wie A, wobei zusätzlich die Konstante cm durch das Element bm interpretiert wird. Offensichtlich ist AN Modell von ΦN . Also ist jedes solche ΦN erfüllbar und mit der Kompaktheit dann auch Φ. Sei nun B ein Modell von Φ. Beachte: B muss alle cm , m ∈ M verschieden interpretieren. Also hat das Universum mindestens die Kardinalität von M. 181