1 VII AKUSTIK UND STATIK I. AKUSTIK.................................................................................................................. 3 Fragen zu den Übungen.................................................................................................... 3 Vorbemerkung: Pegelmaß ................................................................................................ 5 1.1 Klassische Hörprüfungen .................................................................................... 6 1.1.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung.......................................................... 6 1.1.2 Ergebnisse ........................................................................................................... 7 1.2 Elektroakustische Hörprüfmethoden................................................................... 8 1.2.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung.......................................................... 8 1.2.2 Ergebnisse ........................................................................................................... 9 1.3 Adaptation des Gehörs ...................................................................................... 11 1.3.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung ......................................................... 12 1.4 Tonverdeckung.................................................................................................. 13 1.4.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung........................................................ 14 Audiogramme Hörschwelle und Tonverdeckung ............................................. 14 1.5 Schallabstrahlung .............................................................................................. 14 1.5.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung........................................................ 15 1.5.2 Ergebnisse ......................................................................................................... 15 1.6 Bedeutung der Zeitdifferenz für das Richtungshören ....................................... 15 1.6.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung........................................................ 16 1.6.2 Aufgaben ........................................................................................................... 17 1.7 Messung otoakustischer Emissionen (OAE)..................................................... 18 1.7.1 Einleitung .......................................................................................................... 18 1.7.2 Durchführung der Messung............................................................................... 19 1.7.3 Klinische Bedeutung der TEOAE..................................................................... 21 II. STATIK ................................................................................................................ 23 2 Funktionsprüfungen des Bogengangapparates ....................................................... 24 2.1 Vorversuch: Optokinetischer Nystagmus ......................................................... 24 2.2 Postrotatorischer Nystagmus............................................................................. 24 2.2.1 Versuchsdurchführung ...................................................................................... 24 2.2 BARANYscher Zeigeversuch ........................................................................... 25 VII 2 Literatur Die Kapitel GEHÖRSINN und GLEICHGEWICHTSSINN sind nachzulesen in den zu Beginn der Vorlesung empfohlenen Standardlehrbüchern. Die meisten Versuche sind ausführlich beschrieben in: "Arbeitsbuch Neurophysiologie" von HAASE (Verlag Urban & Schwarzenberg) und dem Taschenbuch "Die Sinne des Menschen" von C. von CAMPENHAUSEN (Thieme); außerdem in GAUERKRAMER-JUNG, Band 12: Hören, Stimme, Sprache (beide Urban & Schwarzenberg). Weiterführende Literatur für Interessierte: "Hals-Nasen-Ohrenheilkunde für Medizinstudenten" von H.G. BOENNINGHAUS (Springer); "Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Praxis und Klinik" von BERENDS et al (Thieme); "Biophysics & Physiology" von RUCH und PATTON (W.B. Saunders Comp.). Aus Vorlesung und Lehrbüchern zu erarbeitende theoretische Voraussetzungen zur Durchführung und zum Verständnis der Versuche I. Gehörsinn 1. Physikalische und physiologische Charakteristika von Schallereignissen, die zu Gehörempfindungen führen. 2. Morphologischer Aufbau des Gehörorganes und die nervöse Verschaltung mit der Hörrinde. 3. Schalleitungs- bzw. Übertragungssysteme. 4. Die durch Schallereignisse hervorgerufenen Vorgänge im Innenohr. 5. Physikalische und physiologische Grundlagen des Frequenzunterscheidungs- und Richtungshörvermögens. 6. Methoden der qualitativen und quantitativen Prüfung des Gehörsinnes. 7. Häufige Störungen des Gehörsinnes. II. Statische Sinne 1. Morphologischer Aufbau der Organe, die zur Regulation der Körperhaltung und -bewegung im Raum dienen. 2. Adäquate Reize der Rezeptorsysteme. 3. Reflexe, die vom Gleichgewichtsorgan ausgelöst werden. 4. Funktionsprüfungen 5. Ursachen und Folgen von Störungen der Gleichgewichtsfunktionen. VII 3 I. AKUSTIK Fragen zu den Übungen Physikalische Grundlagen 1. Wie sind Töne, Klänge bzw. Geräusche physikalisch definiert? 2. In welchen physikalischen Einheiten werden Schalldruck, Schallintensität und Schallausbreitungsgeschwindigkeit angegeben? 3. Wie wird die Empfindungsstärke von Schallereignissen genannt, und in welcher Einheit wird sie angegeben? 4. Was versteht man unter Überlagerung, Schwebung und Obertönen? 5. Was versteht man unter Reflexion, Wellenwiderstand und welche Bedeutung haben sie für die Schallübertragung? Das Gehörorgan als Schallempfänger und Schallwandler 6. Welche Schallkenngrößen werden vom Gehörorgan aufgenommen und zentral zu Empfindungen verarbeitet? 7. Welche Empfindungsarten lösen die Amplitude bzw. die Frequenz eines Schallereignisses aus? 8. Welche Funktionsanteile können beim Gehörorgan unterschieden werden? 9. Was versteht man unter Luft- bzw. Knochenleitung? 10. Das Gehörorgan kann als Schallsender dienen. Wie macht sich das unter bestimmten Bedingungen für die Gehörempfindung bemerkbar? 11. Wie und wo wird ein Schallereignis in Aktionspotentiale umgewandelt? 12. Was versteht man unter dem Ortsprinzip (Tonotopie) des Innenohrs? 13. Wie ist das Erregungsmuster der Sinneszellen im Innenohr bei Beschallung des Ohres mit einem Ton bestimmter Frequenz? 14. Welcher Mechanismen kann sich das Corti-Organ bedienen, um einen Reizintensitätszuwachs an das ZNS zu melden? 15. Wodurch ist die Frequenzunterschiedsempfindung möglich? 16. Wie verändert sich die Hörschwellenkurve des adaptierten Gehörs und wie erklärt sich die veränderte Hörempfindung? 17. Was versteht man unter Adaptation und welche Auswirkungen hat sie? 18. Was versteht man unter Tonverdeckung und wie erklärt man die Tonverdeckungskurve? VII 4 19. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Adaptation und Tonverdeckung? 20. Welche Möglichkeiten zur Lokalisation einer Schallquelle bestehen mit dem Gehörorgan? Funktionsprüfungen und Funktionsstörungen des Gehörs 21. Wie können Schalleitungsstörungen qualitativ von sogen. Schallempfindungsstörungen unterschieden werden? 22. Wie können Intaktheit bzw. Störungen der Schallempfindungsstärke und der Hörfrequenzbereich geprüft werden? 23. Welches sind die häufigsten Ursachen von Schallempfindungsstörungen? 24. Wie sind die Empfindungsausfälle in bestimmten Frequenzbereichen zu erklären? 25. Was sind otoakustische Emissionen? 26. Mit welchen Messmethoden kann man eine cochleäre von einer retrocochleären Hörstörung unterscheiden? VII 5 VII Vorbemerkung: Pegelmaß Der Pegel ist definiert als der dekadische Logarithmus des Verhältnisses zweier Leistungen. Der Pegel (L) in "Bel" (B) ergibt sich aus L = lg Leistung 2 ( B) Leistung 1 (1) 1 Bel entspricht dem Leistungsverhältnis von 10. Das Dezibel (dB) ist der zehnte Teil eines Bels. L = 10 ⋅ lg Leistung 2 Leistung 1 (dB) (2) 10 dB entsprechen dem Leistungsverhältnis von 10. Intensität ist Leistung pro Fläche. Bei gleicher Fläche ist also das Verhältnis beider Leistungen in Gl. 2 gleich dem Verhältnis der entsprechenden Intensitäten. L = 10 ⋅ lg Intensität 2 (dB) Intensität 1 (3) Im homogenen Medium ist die Schallintensität proportional dem Quadrat des Schalldrucks. Das Verhältnis der beiden Intensitäten ist also gleich dem Verhältnis der Quadrate der entsprechenden Schalldrücke. L = 10 ⋅ lg oder, da (Schalldruck 2)2 dB ( ) (Schalldruck 1)2 (4) lg x2 = 2 ⋅ lg x , L = 20 ⋅ lg Schalldruck 2 Schalldruck 1 (dB) (5) 6 VII Nennt man nun den Schalldruck 1 "Bezugsschalldruck" p0 und definiert ihn mit p0 = 2·10-5 Pa, so kann man den Schalldruckpegel (SPL) eines beliebigen Schalls mit dem Schallduck px berechnen: SPL = 20 ⋅ lg px p0 (dB SPL) (6) Aus der relativen Skala ist eine absolute geworden. Messen wir einen Schalldruckpegel von 60 dB SPL, dann wissen wir nicht nur, dass der Schalldruck 1000 mal größer ist als der Bezugsschalldruck, sondern auch, dass er 1000 ⋅ 2 ⋅ 10 −5 Pa = 2 ⋅ 10 −2 Pa beträgt. Fragen a) b) c) d) Um das wievielfache steigt der Schalldruck, wenn der Schalldruckpegel um 20 dB zunimmt? Wievielfach steigt die Schallintensität, wenn der Schalldruckpegel um 30 dB zunimmt? Um wieviel dB steigt der Schalldruckpegel, wenn der Schalldruck sich verdoppelt? Wie ist die Einheit "phon" definiert? 1.1 Klassische Hörprüfungen Hierunter werden die Hörweitenprüfung und die sogenannten Stimmgabelprüfungen verstanden. Bei der Hörweitenprüfung (Sprachabstandsprüfung) wird das Verständnis für Flüstersprache (Zahlwörter) aus verschiedenen Entfernungen getestet. Die Versuchsperson verschließt jeweils das nicht zu prüfende Ohr mit dem Finger. Das Verfahren ist schlecht standardisierbar. Man kann aber davon ausgehen, dass der Gesunde Flüstersprache aus 6-8 m Entfernung versteht. Falls ein Hörverlust vorliegt, testet man auf die gleiche Weise das Verständnis für normal laute Sprache. Eine grobe Quantifizierung ist also möglich. Die Stimmgabelprüfungen sind qualitative Funktionsprüfungen. Sie erlauben die Differenzierung in Schalleitungs- und Schallempfindungsstörungen. 1.1.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Der Versuch nach WEBER Die angeschlagene Stimmgabel wird auf die Mitte des Kopfes aufgesetzt. Der Ton wird beim Gesunden auf beiden Ohren gleich laut empfunden. Liegt eine einseitige Schallei- 7 VII tungsstörung vor, so hört man den Ton auf dieser Seite lauter, man "lateralisiert" den Ton nach der erkrankten Seite. Führen Sie den Versuch aneinander durch. Simulieren Sie eine rechtsseitige Schalleitungsstörung wie zum Versuch nach RINNE beschrieben und wiederholen Sie den Versuch. Der Versuch nach RINNE Eine Stimmgabel, Frequenz zwischen ca. 250 und 440 Hz, wird am Ballen der anderen Hand oder am Knie, nicht jedoch an harten Gegenständen (wie z.B. Tisch) angeschla- gen und mit ihrem Fuß auf den Warzenfortsatz (Mastoid) aufgesetzt. Sobald der Ton nicht mehr gehört wird, hält man die Gabel vor den äußeren Gehörgang derselben Seite. Bei normaler Schalleitung wird sie dann wieder gehört: "Rinne posititv"; bei gestörter Schalleitung wird sie nicht wieder gehört: "Rinne negativ". Führen Sie den Versuch gegenseitig durch. Simulieren Sie eine rechtsseitige Schalleitungsstörung dadurch, dass Sie die Kuppe des kleinen Fingers in den äußeren Gehörgang stecken, und wiederholen Sie den Versuch. 1.1.2 Ergebnisse Tragen Sie die Ergebnisse in Protokoll 1 a) ein. Überlegen Sie sich Erklärungen. Protokoll 1: Qualitative Funktionsprüfungen a) Gehörgang verschlossen Rinne (+ ; -) links rechts Weber lateralisiert nach nach links nicht rechts nein ja, rechts Frage: Welche Ergebnisse würde man bei beiden Versuchen im Falle einer einseitigen Schallempfindungsstörung erwarten? Tragen Sie die Antworten in Protokoll 1 b) ein. Überlegen Sie sich Erklärungen. b) Diagnose Schallempfindungsstörung Rinne (+ ; -) links rechts re. li. Weber lateralisiert nach nach links nicht rechts 8 1.2 Elektroakustische Hörprüfmethoden Zur Feststellung des Umfanges, der Ursachen und der Möglichkeiten zur Therapie von Hörschäden muss der Facharzt Abweichungen vom normalen Hörvermögen quantitativ erfassen. Hierzu stehen ihm verschiedene Audiometrieverfahren zur Verfügung. Eine dieser Methoden ist die Tonschwellenaudiometrie. Sie bedient sich geeichter Messgerä- te (Audiometer), die eine Aufzeichnung von Hörschwellenkurven über den gesamten normalerweise hörbaren Frequenzbereich gestatten. Die charakteristischen Veränderungen dieser Schwellenkurven ermöglichen dem Arzt neben dem sinnvollen Einsatz von Hörhilfen auch Aussagen über berufsbedingte Schäden, Entzündungen im Mittelohr, Durchblutungsstörungen im Innenohr, usw. 1.2.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Bestimmung der Hörschwellenkurve für Luftleitung mit dem Audiometer Selektor 20 K . 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Gerät einschalten, hinten rechts 0 bzw. 1 und grüne Signaltaste 2x drücken bis rote Kontrolleuchte aufleuchtet, Audiogrammkarte für linkes und rechtes Ohr einlegen und in den Passstiften fixieren, dB-Teiler für Schalldruckpegel wird automatisch auf -10 dB eingestellt, Frequenzwähler (Hz - Taste) auf 1000 Hz einstellen. Vp den Untersuchungsgang erklären: Jede Frequenz wird zuerst überschwellig angeboten und die Minimalschwelle durch gleichmäßiges Vermindern des Lautstärkepegels (Betätigen der dB Taste) ermittelt. Durch Betätigung der Signaltaste wird diese Schwelle noch genauer gefunden: der Proband hört den Ton durch das plötzliche Auftauchen aus dem Umweltgeräusch. Kennzeichnen der Schwelle mit blauem Stift. In entsprechender Weise nähert man sich dann der Schwelle von der unterschwelligen Seite. Die Schwelle wird erneut markiert. Während des Versuchs soll nicht gesprochen werden. Die Vp hebt eine Hand, wenn sie den Messton hört, und senkt sie, wenn sie den Ton nicht hört. Vp Kopfhörer aufsetzen, rot = rechtes Ohr, blau = linkes Ohr. Brillenträger nehmen die Brille ab. Haare dürfen nicht zwischen Hörer und Ohrmuschel sein. Die Vp darf das Audiometer bei der Untersuchung nicht sehen. R für rechtes Ohr oder L anwählen und zusätzlich LH einstellen, entsprechende Kontrollampen leuchten, Mit 1000 Hz überschwellig bei ca. 40 dB beginnen, wie unter 5. beschrieben. Mit den höheren Frequenzen fortfahren und dann Frequenzen unter 1000 Hz prüfen. VII 9 9. Bei großen Unterschieden der beiden Schwellenwerte einer Frequenz Untersuchung bei dieser Frequenz wiederholen. Schwellenwertkurve blau einzeichnen, wobei Mittelwerte der beiden Schwellenwerte jeder Frequenz verwendet werden. Bestimmung der Hörschwellenkurve für Knochenleitung 1. Für die Luftleitungsprüfung verwendete Audiogrammkarte weiterverwenden. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Kopfhörer für Luftleitung absetzen Warum? dB-Teiler wird automatisch auf -10 dB eingestellt, Frequenzwähler auf 1000 Hz einstellen, R oder L anwählen und zusätzlich KL einstellen, entsprechende Kontrollampen leuchten, Die Versuchsperson drückt den Tongeber für Knochenleitung mit gleichmäßigem Auflagedruck auf das Mastoid und achtet darauf, dass möglichst wenig Haare zwischen Tongeber und Kopfhaut geraten. Vorsicht beim Umgang mit dem Tongeber, er ist sehr stoßempfindlich! Ansonsten Audiometrie wie bei Luftleitung beschrieben durchführen, jedoch Kurve rot einzeichnen. 1.2.2 Ergebnisse Übertragen Sie die Ergebnisse der Audiogrammkarte in das Diagramm in Protokoll 2.a Überlegen Sie sich Begründungen für eventuelle Abweichungen von der Norm und eventuelle Unterschiede zwischen Luft- und Knochenleitungskurven. Machen Sie sich klar, was die Linie "0 dB" bedeutet. Machen Sie sich die Definition der Ordinate auf der Audiogrammkarte klar. Fragen a) b) Welche Ergebnisse sind bei einer Mittelohrentzündung, bei der die Serosa der Gehörknöchelchen stark infiltriert ist, zu erwarten? Skizzieren Sie qualitativ den Verlauf der Luft- und der Knochenleitungskurve in dem dafür vorgesehenen Diagramm (Protokoll 2b). Es sei der Fall angenommen, dass die Rezeptorzellen vom Helicotrema an abwärts zunehmend geschädigt sind. Skizzieren Sie qualitativ den Verlauf der Luft- und der Knochenleitungskurve in dem dafür vorgesehenen Diagramm (Protokoll 2c). Welche häufige Hörstörung würde zu einem ähnlichen Befund führen? VII 10 Protokoll 2a: Quantitative Funktionsprüfung Gehörprüfung am Ohr (bitte vom gemessenem Audiogramm übernehmen) Protokoll 2b: Audiogramm für Schalleitungsstörung (z. B. Mittelohrentzündung). Bitte schematisch Kurven für Luft- und Knochenleitung eintragen. VII 11 Protokoll 2c: Audiogramm für Schallempfindungsstörung (z. B. Rezeptorschädigung). Bitte schematisch die Kurven für Luft- und Knochenleitung eintragen. 1.3 Adaptation des Gehörs Wie fast alle Sinne adaptiert auch das Gehör. Das bedeutet, dass mit zunehmender Dauer eines Schallreizes konstanter Amplitude die Lautheitsempfindung geringer wird. Ein nach Absetzen eines ersten Schallreizes dargebotener zweiter (normalerweise überschwelliger) Schallreiz geringerer Amplitude wird u.U. zunächst nicht gehört; die Hörschwelle ist angestiegen. Umgekehrt bewirkt die Adaptation, dass die Hörschwelle in ruhiger Umgebung wieder sinkt. Die Sofortadaptation geschieht so schnell, dass sie sich der Erfassung im Praktikumsversuch entzieht. Zum Beispiel steigt die Aktionspotentialfrequenz von Fasern des Nervus cochlearis bei Steigerung der Reizintensität zwar an, doch klingt die Aktionspotentialfrequenzsteigerung aufgrund der Sofortadaptation innerhalb von Millisekunden teilweise wieder ab (Differentialfühlereigenschaft des Hörorgans). Die Langsamadaptation an einen Dauerton von 20-80 dB oberhalb der normalen Hörschwelle ist erst nach ungefähr 1 min vollständig. Dabei verringert sich neben der Lautheitsempfindung auch die Intensitätsunterschiedsschwelle, das heißt, dass evtl. Schwankungen im Schalldruckpegel dieses Tones leichter zu einer Änderung der Lautheitsempfindung führen, als das beim nicht adaptierten Gehör in diesem Schallintensitätsbereich der Fall wäre. Bietet man direkt anschließend an den Dauerton (Stimu- VII 12 lationston) einen zweiten Ton derselben Frequenz an, so findet man die Hörschwelle für diesen Ton (abhängig von den Versuchsbedingungen) um bis zu 45 dB angestiegen. Unterscheidet sich die Frequenz des zweiten Tones von der des Stimulationstones, so ist der Adaptationseffekt um so geringer, je größer der Unterschied zwischen beiden Frequenzen ist: die Adaptation ist in den Anteilen des Hörnerven und der nachgeschalteten Hörbahn am größten, die mit dem Ort des Hüllkurvenmaximums der Basilarmembranauslenkung bei der Stimulation korrespondieren; benachbarte "Frequenzabbildungsorte" adaptieren mit zunehmendem Abstand vom Abbildungsort der Stimulationsfrequenz schwächer. Nach Absetzen des Stimulationstones ist die normale Schwellenempfindlichkeit innerhalb von 1-2 min wiederhergestellt. Von der Adaptation sollte man den reversiblen Hörverlust oder auch temporary threshold shift (TTS) abgrenzen. Es handelt sich um einen Anstieg der Hörschwelle aufgrund der Einwirkung einer potentiell schädigenden Schallintensität (entsprechend ca. 80 phon oder mehr). Anhand der Tonschwellenaudiometrie kann man den Schwellenanstieg ("Hörverlust in dB", TTS-Wert) bestimmen. Der TTS steigt bei gegebener Expositionsdauer mit der Intensität des Schallereignisses. Bei gegebener Schallintensität steigt er bis zu 12 Stunden lang mit der Expositionsdauer. Löst man den TTS durch Beschallung mit einem Ton aus, so liegt das Maximum des Schwellenanstiegs nicht bei der Frequenz des Stimulationstones, sondern 1/2 - 1 Oktave höher. Bei Applikation von Breitbandrauschen (oder Industrielärm) hat der TTS häufig ein Maximum bei 4000 Hz 5 ("c -Senke" im Audiogramm). Die Ursache für diese beiden Phänomene ist nicht klar. Die zur Erholung von einem TTS erforderliche Zeit in ruhiger Umgebung hängt vom Ausmaß des TTS ab; ein TTS von 20 dB benötigt etwa 10 Minuten, ein TTS von 40 dB etwa 16 Stunden bis zur Normalisierung der Hörschwelle. Um die Adaptation als Ursache eines Schwellenanstiegs auszuschließen, misst man den TTS 2 min nach dem Ende des auslösenden Schallereignisses. Ist bei häufiger Lärmexposition der TTS so groß, dass die Lärmpausen für eine vollständige Erholung zu kurz sind, kommt es zum irreversiblen Hörverlust (permanent threshold shift, PTS). Die berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich abhängig u.a. von der Lärmintensität und von individuellen Faktoren i.d.R. im Laufe von Monaten bis Jahren. Sehr hohe Schallintensitäten, die einer Lautstärke von mehr als 130 phon entsprechen, können schon bei einmaliger kurzer Exposition zum PTS führen. Im folgenden Versuch soll die Adaptation dargestellt werden. Angesichts der Intensität und der Dauer des Stimulationstones ist ein TTS nicht regelmäßig zu erwarten. 1.3.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Normal-Hörschwellenkurve für Luftleitung bestimmen (s. 1.2.1.), oder, falls für die Versuchsperson schon bestimmt, auf ein neues Audiogrammblatt übertragen und dieses VII 13 auf der Messplatte des Audiometers fixieren. Am Audiometer die Frequenz 2000 Hz einstellen und ein Ohr mit 85 dB 4 Min. beschallen. Nach der Beschallung sofort an diesem Ohr die Hörschwelle für 2000 Hz bestimmen. Hier ist schnelles Messen erforderlich! Übertragen Sie die Ergebnisse der Audiogrammkarte in das Diagramm von Protokoll 3. Protokoll 3: Adaptation des Ohres 1.4 Tonverdeckung Im parkenden Auto können Nachrichten mit einer bestimmten Lautstärke gehört werden. Während der Fahrt muß der Empfänger lauter gestellt werden. Die Nachrichten werden also vom lauten Motorengeräusch verdeckt. Beschallt man ein Ohr mit einem lauten Ton (Verdeckungston), so erhöht sich die Hörschwelle für einen zusätzlich angebotenen Ton (Messton), sofern die Frequenzen der beiden Töne nicht allzu weit auseinanderliegen. Am größten ist dieser Schwellenanstieg (Verdeckungseffekt), wenn beide Töne exakt dieselbe Frequenz haben. Man bemerkt dann den Messton dadurch, dass die Lautstärke des Verdeckungstones scheinbar zunimmt. Die Intensitätsunterschiedsschwelle bestimmt in diesem Falle, wie hoch der Schalldruckpegel sein muss, damit eine Lautheitszunahme empfunden wird. Hat der Messton eine andere Frequenz als der Verdeckungston, so wird mit zunehmendem Frequenzunterschied die Hörschwelle für den Messton weniger stark erhöht. VII 14 1.4.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Normal-Hörschwellenkurve für Luftleitung bestimmen (s. I.2.1.), oder, falls schon be- stimmt, auf ein neues Audiogrammblatt übertragen und dieses auf der Messplatte des Audiometers fixieren. Als Generator für den Verdeckungston wird ein zweites Audiometer verwendet. Dieses Gerät einschalten,. Frequenzteiler auf 2000 Hz (bzw 2048 Hz) und bei Knochenleitung (=K links oben) dB-Teiler auf 70 dB einstellen. Knochenleitungstongeber auf das Mastoid des Ohres setzen, für das zuvor die Hörschwellenkurve ermittelt wurde. Auf dem gleichen Blatt wie zuvor wird erneut ein Audiogramm für Luftleitung erstellt, während der Verdeckungston auf das Ohr einwirkt. Übertragen Sie die Ergebnisse der Audiogrammkarte in das Diagramm in Protokoll 4. Erklären Sie sich den gemessenen Kurvenverlauf. Protokoll 4: Tonverdeckung Audiogramme Hörschwelle und Tonverdeckung 1.5 Schallabstrahlung Schallwellen, die durch den äußeren Gehörgang an das Trommelfell gelangen, werden zum Teil reflektiert. Ein anderer Teil regt den Schall-Leitungsapparat zu Schwingungen an, wodurch der Schall zum Innenohr transportiert wird. Schallwellen, die über die Knochenleitung direkt zur Hörschnecke gelangen, werden im Inneren des knöchernen Labyrinths zum Teil am Knochen und an den Fenstern reflektiert. Ein anderer Teil der Schallwellen (Perilymphschwingungen) im Labyrinth regt ovales Fenster, Gehörknö- VII 15 chelchen und Trommelfell zu Schwingungen an. Das Trommelfell schwingt dann ähnlich einer Lautsprechermebran. Es kommt zur Schallabstrahlung aus dem äußeren Gehörgang. 1.5.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Als Tongenerator wird das Audiometer verwendet. Audiogrammkarte (falls nicht be- reits vorhanden) einlegen und in den Passstiften fixieren. Wählschalter auf "K links" oder "K rechts" stellen. Frequenzwähler auf 250 oder 500 Hz, dB-Teiler auf 40 dB einstellen. Zwei Stethoskop-Ohrhalterungen sind über einen Schlauch miteinander verbunden. 2 Versuchspersonen legen je eine Ohrhalterung an. Die Schlauchverbindung kann durch einen Hahn unterbrochen werden. Bei einer Versuchsperson ("Sender") wird der Knochenleitungsschallgeber auf das Mastoid gesetzt. Der Hahn wird abwechselnd geöffnet und geschlossen. Die zweite Versuchsperson ("Empfänger") merkt sich die Eindrücke bei offenem und geschlossenem Hahn. Der Versuch wird mit vertauschten Rollen wiederholt. 1.5.2 Ergebnisse Beschreiben Sie in Protokoll 5 kurz die Eindrücke des Empfängers und ggf. auch des Senders bei offenem bzw. geschlossenem Hahn. Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem WEBERschen und diesem Ver- such? Protokoll 5: Nachweis der Schallabstrahlung Eindrücke des Empfängers: Eindrücke des Senders: 1.6 Bedeutung der Zeitdifferenz für das Richtungshören Aus der gemessenen Zeit zwischen der Wahrnehmung des Blitzes und der Wahrnehmung des Donners kann die Entfernung eines Gewitters berechnet werden, wenn man die Schallausbreitungsgeschwindigkeit in Luft mit ca. 330 m/s ansetzt. Aus der zeitlichen Verzögerung beim Eintreffen eines Schallereignisses an einem Ohr gegenüber dem anderen kann das Gehör zusätzlich die Richtung der Schallquelle erkennen. Die VII 16 räumliche Schwelle des Richtungshörens wird durch die kleinste wahrnehmbare Zeitdifferenz bestimmt. Mit Hilfe des Ohrabstandes ist die Angabe des kleinsten Winkels einer wahrnehmbaren Richtungsänderung der Schallquelle möglich. 1.6.1 Versuchsbeschreibung und Durchführung Eine Versuchsperson (Vp) setzt sich ein Stethoskop auf, dessen beide Bügel mit einer Schlauchleitung verbunden sind. Die Versuchsperson schließt die Augen und ein zweiter Praktikumsteilnehmer klopft mit einem leichten Stab (Strohhalm) in verschiedenen Abständen links oder rechts der gekennzeichneten Mitte auf den Schlauch. Die Vp gibt an, ob sie das Klopfen gerade noch links oder rechts oder in der Mitte empfindet. Mit größerem Abstand von der Mitte beginnen und so weit wie möglich verringern. Die Entfernung zwischen der Schlauchmitte und dem Punkt, an dem gerade noch korrekt angegeben wurde, dass der Schalleindruck z.B. von links kam (Plinks), entspricht der Hälfte der kleinsten wahrgenommenen Laufstreckendifferenz. Der Hälfte deshalb, weil sich der Strohhalm stets vom einen Ohr um die gleiche Strecke entfernt, um die er sich dem anderen Ohr nähert. Die kleinste wahrgenommene Laufstreckendifferenz ist demnach gleich der Entfernung zwischen Prechts und Plinks (= Δs). Diese Entfernung soll im Versuch bestimmt und daraus mit Hilfe von Abb. 1 die kleinste wahrnehmbare Winkeländerung berechnet werden. Abb. 1 VII 17 VII 1.6.2 Aufgaben a) Messen Sie die kleinste wahrgenommene Laufstreckendifferenz aus. b) c) d) Berechnen Sie aus der kleinsten Laufstreckendifferenz Δs die kleinste wahrnehmbare Laufzeitdifferenz Δt = Δs/v (v = Schallgeschwindigkeit in Luft). Aus der kleinsten Laufstreckendifferenz soll die kleinste wahrnehmbare Winkeländerung α einer Schallquelle berechnet werden. Welches örtliche Auflösungsvermögen ergibt sich bei einem Abstand der Schallquelle von 1000 m? (Oder: Wie lang ist die Strecke g in nachfolgender Skizze?) Schallquelle 1 und 2 erklingen abwechselnd. 1 g α/2 2 sin (α / 2) = α Versuchsperson: Tragen Sie Ihre Ergebnisse in Protokoll 6 ein. Protokoll 6: Bedeutung der Zeitdifferenz für das Richtungshören zu 1.6.2. a) Kleinste wahrnehmbare Wegdifferenz: b) Bestimmung der kleinsten Zeitdifferenz: c) Kleinste wahrnehmbare Winkeländerung: d) Geben Sie das Auflösungsvermögen in m an: g/2 1000 m 18 1.7 Messung otoakustischer Emissionen (OAE) 1.7.1 Einleitung Otoakustische Emissionen sind Schallaussendungen des Innenohres, die mit einem empfindlichen Mikrofon im äußeren Gehörgang gemessen werden können. OAE können spontan vorhanden sein oder durch akustische Reize ausgelöst werden. Sie sind Ausdruck des aktiven Verstärkungsprozesses durch die äußeren Haarzellen der Cochlea und eröffnen damit die Möglichkeit, nicht invasiv Informationen über Störungen der Schallverarbeitung auf der Ebene der äußeren Haarzellen zu gewinnen. Bei einer Dysfunktion dieser Zellen fällt der aktive Verstärkungsprozess aus, und das Verhalten des Innenohrs wird nur noch durch die passiven Eigenschaften der Basilarmembran bestimmt. Das Gehör wird dadurch nicht nur unempfindlicher, sondern es geht auch die hohe Frequenz-Trennschärfe verloren. Er gibt verschiedene Typen der OAE, die alle ihren Ursprung im Innenohr haben. Sie entstehen als Folge der periodischen Kontraktionen äußerer Haarzellen und ihrer assoziierten mechanischen Strukturen. Man unterscheidet spontane und evozierte akustische Emissionen: 1. Spontane akustische Emission (SOAE), die in der Form tonaler Schallsignale ohne Einwirkung eines akustischen Reizes emittiert werden. 2. Evozierte akustische Emissionen, die durch Einwirkung eines äußeren Schallereignisses entstehen. Die evozierten akustischen Emissionen werden je nach der Art der Schallreizung unterteilt in transitorisch evozierte akustische Emissionen (TEOAE), simultan evozierte akustische Emissionen (SEOAE) und Distorsionsprodukte akustischer Emissionen (DPOAE). Transitorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) Im Praktikum werden nur TEOAE gemessen. Sie werden mit kurzen Schallimpulsen (Klicks) ausgelöst (PS(t) in Abb. I.7.1., die ein breitbandiges Spektrum von Schallfre- quenzen enthalten. Bei Anregung des Ohres mit einem solchen Schallreiz breiten sich Wanderwellen auf der Basilarmembran aus, die vom Stapes in Richtung Helicotrema laufen. Auf ihrem Weg zur Schneckenspitze stoßen sie die äußeren Haarzellen hintereinander an, die je nach ihrem Standort in der Cochlea auf unterschiedliche Frequenzen abgestimmt sind. Die Haarzellen erzeugen dabei Schwingungen mit unterschiedlicher Frequenz und Dauer (s(x,t) in Abb. I.7.1). Die TEOAE (PM(t) in Abb. I.7.1) sind die Summe der Antworten aller dieser Haarzellen. Die TEOAE-Komponenten mit hohen Frequenzen können dem basalen, die mit den mittleren Frequenzen dem medialen und die mit den tiefen Frequenzen dem apikalen Cochleabereich zugeordnet werden. Wegen der Laufzeiteffekte (vom ovalen Fenster bis zu den jeweils angeregten Haarzellen und VII 19 VII zurück) treten die hochfrequenten Komponenten am Mikrofon früher auf als die tieffrequenten. Der Vorteil der TEOAE ist, dass mit einem Klick-Reiz nahezu alle Haarzellen in der Cochlea angestoßen werden und ihre Fähigkeit zur Kontraktion in einem Messvorgang erfasst werden kann. Sind die äußeren Haarzellen schwingungsfähig, so emittieren sie Schall mit einer ihrem Standort entsprechenden Frequenz. Ist ihre Funktion in bestimm ten Cochleaabschnitten gestört, so senden sie keinen Schall aus, und es fehlt in der Summe der emittierten Schallsignale die Signalkomponente mit der jeweiligen Frequenz und Latenz. Ohrsonde S M Gehörgang Stapes x PS(t) Schallreiz t Trommelfell rundes Fenster PM(t) TEOAE 8 kHz s(x,t) Basilarmembranauslenkung Cochlea 4 kHz 2 kHz Basilarmembran 1 kHz 500 Hz t Helicotrema Abb. 1.7.1: Schema der Entstehung von TEOAE 1.7.2 Durchführung der Messung Die Emissionen haben sehr kleine Schallpegel. Sie liegen im Bereich zwischen etwa 20 dB und -30 dB. Ihre Registrierung macht den Einsatz hochempfindlicher und rauscharmer Mikrofone und die Anwendung von mathematischen Mittelungs-Verfahren zur Verbesserung des Verhältnisses von Nutzsignalen zu Störsignalen notwendig. Das mit dem Mikrofon registrierte Schallsignal enthält nämlich neben den Emissionen, dem Nutzsignal, andere unerwünschte Störsignale. Dazu gehören der die Emission auslösende Schallreiz selbst sowie seine Reflexionen vom Trommelfell und von der Gehör- 20 VII gangswand, ferner Störgeräusche physiologischen Ursprungs, wie Atemgeräusche und Geräusche, die durch die Blutzirkulation entstehen. Der Untersucher muss dafür Sorge tragen, dass die auftretenden Störfaktoren, wie Umgebungs- und Atemgeräusche oder Geräusche, die bei Berühren der Sonde oder Bewegung des Kopfes durch Übertragung auf das Kabel des Messmikrofons entstehen, möglichst gering gehalten werden. Die Messung der OAE muss in ungestörter Umgebung (Kabine) in bequemer Sitzlage oder liegend erfolgen. Ein Querschnitt durch die zur Messung der TEOAE verwendeten Sonde ist in Abb. 1.7.2. wiedergegeben. Subminiaturmikrophon 1843 Knowles 1712 SubminiaturSchallsender Abb. 1.7.2: Querschnitt durch die im Praktikum verwendete Sonde Die Sonde wird mit einem jeweils der individuellen Weite des Gehörgangs angepassten Adapter versehen, in den Gehörgang eingeführt und das Anschlusskabel über den Kopf gelegt. Die korrekte Platzierung der Sonde zur Auslösung der TEOAE lässt sich anhand des zeitlichen Verlaufes sowie des Frequenzspektrums des Schallreizes kontrollieren. Dazu werden nach Einsetzen der Sonde einige Testklicks auf das Ohr gegeben. Wenn Einbrüche oder Überhöhungen einzelner Frequenzbereiche statt einer über den gesamten Frequenzbereich ungefähr konstanten Amplitude im Schallreizspektrum auftreten, ist der Sitz der Sonde zu korrigieren. Danach werden die in einer Testphase registrierten Schallemissionen vom Empfangsgerät ausgewertet und es wird durch einen entsprechenden Programm-Befehl die Amplitude des Schallreizes optimiert. Da Störgeräusche bei den aufgezeichneten TEOAE unvermeidlich sind, wird zur Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses nicht nur ein einziger Klick sondern viele aufeinanderfolgende Klicks und deren Antworten registriert. Durch Korrelation von Schallreiz und Schallemission sowie die Mittelung über viele Schallemissionsereignisse wird die eigentliche OAE vom Rauschsignal getrennt. In der Anzeige des Gerätes erscheinen auf dem Bildschirm die Nutzsignale als blaue Säulen und die Störsignale als 21 rote Säulen. Sobald Nutzsignale zu beobachten sind, die den Störsignalpegel überschreiten, ist davon auszugehen, dass bei diesen Frequenzen Schallemissionen erfolgen und damit die Funktion der zugehörigen Haarzellen intakt ist. Nach Beendigung der Messung wird der Adapter von der Sonde abgezogen und mit einer Desinfektionslösung gesäubert. 1.7.3 Klinische Bedeutung der TEOAE Die TEOAE sind an fast allen normalhörenden jungen Probanden messbar. Die Prävalenz nimmt jedoch mit zunehmenden Alter ab. Das Spektrum der auswertbaren durch Klicks evozierten TEOAE umfasst bei Normalhörenden nur Frequenzen zwischen ca. 600 Hz und 5 kHz. Die Registrierung der Signalkomponenten im tieferen Frequenzbereich wird durch das in diesem Bereich höherpegelige Rauschen erschwert. Im Hochtonbereich sind neben physiologischen Faktoren die Übertragungseigenschaften der elektroakustischen Wandler ein zusätzlicher limitierender Faktor. Das registrierbare TEOAE-Spektrum weist in der Regel (im Gegensatz zum Anregungssignal) tiefe Einkerbungen auf, da in Folge einer "Filterwirkung" der Cochlea einzelne Signalkomponenten auf ihrem Weg nach Außen ausgelöscht werden können. Eine direkte frequenzspezifische Aussage über einen Hörverlust lässt sich deshalb aus dem TEOAE-Spektrum nicht treffen. Das Nichtvorhandensein einer TEOAEKomponente korreliert daher nicht unbedingt mit einer Funktionsstörung des entsprechenden Cochleaabschnittes, allerdings liefert das Ausbleiben von Emissionen in einem größeren Frequenzbereich Anhaltspunkte über eine Dysfunktion bestimmter Anteile der äußeren Haarzellen. Bei Hörverlusten größer als 30 dB können in der Regel gar keine TEOAE mehr gemessen werden. Da auch Schall-Leitungsstörungen hierfür verantwortlich sein können, müssen diese differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Das Ausmaß eines Hörverlustes oder der Verlauf der Hörschwellenkurve kann mit dem TEOAE-Spektrum nicht bestimmt werden kann. Die klinische Anwendung der TEOAEMessung beschränkt sich daher im Wesentlichen auf folgende Indikationen: • Das Verfahren kann zur Differentialdiagnostik cochleärer und retrocochleärer Funktionsstörungen herangezogen werden. Liegt eine Hörstörung vor und ist ein Mittelohrschaden ausgeschlossen, so kann bei Vorhandensein von TEOAE auf eine retrocochleäre Störung geschlossen werden. • Die TEOAE sind ein zuverlässiges Testverfahren für ein Hörscreening bei Neugeborenen. Bei Neugeborenen und Säuglingen aufgenommene TEOAE weisen im Vergleich zu denen der Erwachsenen in der Regel größere Emissionspegel auf. Der Grund hierfür ist das kleinere Gehörgangsvolumen, denn der Schalldruck nimmt bei konstanter Energie in abgeschlossenen Volumina mit abneh- VII 22 • • mendem Volumen zu. Treten keine TEOAE auf, ist von einem Hörverlust größer 30 dB auszugehen. In der Erwachsenenaudiometrie erweisen sich die TEOAE als einfache Hörprüfmethode bei Simulanten und Aggravanten (zur Übertreibung neigende Patienten). Geben die Patienten subjektiv eine Schwerhörigkeit oder Taubheit an, ist beim Vorhandensein der akustischen Emissionen ein Hörverlust von mehr als ca. 30 dB unwahrscheinlich. Nach Ausschluss einer retrocochleären Hörstörung und unter Berücksichtigung einer möglichen psychogenen Hörstörung besteht dann ein Verdacht auf Aggravation bzw. Simulation. Die TEOAE können auch zur therapiebegleitenden Verlaufskontrolle eingesetzt werden, z.B. um die Erholung der äußeren Haarzellen nach einem Hörsturz oder Lärmtrauma zu beobachten oder um bei der Verabreichung ototoxischer Medikamente eine mögliche Schädigung der äußeren Haarzellen rechtzeitig zu bemerken. VII 23 II. STATIK Fragen zu den Übungen 1. Welche Rezeptoren befinden sich im Vestibularapparat? 2. Welchen biologischen Funktionen dienen sie? 3. Welchen anatomischen Aufbau hat der Vestibularapparat und wie ist seine Lage im Kopf bei aufrechter Körperhaltung in Bezug zum Schwerefeld der Erde? 4. Welche physikalischen Reize können die Rezeptoren des Vestibularapparates erregen? 5. Welche Beziehung besteht zwischen Richtung der Reizeinwirkung und der Aktionspotentialfrequenz? 6. Ist der Vestibularapparat auch im Weltraum funktionsfähig? 7. Welche Reflexe werden vom Vestibularapparat ausgelöst und wie sind sie der jeweiligen Rezeptorreizung zuzuordnen? 8. Welchen Aufgaben dienen diese Reflexe? 9. Wie wird der Nystagmus definiert, wie unterscheiden sich ursächlich der labyrinthäre und der optokinetische Nystagmus? 10. Welche Funktionsprüfungen des labyrinthären Systems werden im Kurs durchgeführt und wie sind die jeweiligen Normalreaktionen? 11. Wie unterscheiden sich kalorische und rotatorische Bogengangsreizung und wie sind sie durchzuführen, wenn jeweils der horizontale Bogengang gereizt werden soll? 12. Welche Reaktionen sind bei einseitiger/beidseitiger Vestibularapparatschädigung zu erwarten? 13. Gibt es Möglichkeiten, Vestibularapparatschädigungen beim Menschen zu beseitigen? 14. Welche Folgen kann ein Tauchversuch beim Baden haben, wenn der Badende eine Trommelfellperforation hat? VII 24 2 Funktionsprüfungen des Bogengangapparates 2.1 Vorversuch: Optokinetischer Nystagmus Eine Vp setzt sich so mitten unter die innen mit schwarzen Balken auf weißem Papier versehene Trommel, dass die Umstehenden ihre Augen sehen können. Die Vp blickt etwa 30° nach oben, der untere Rand der Trommel wird je nach Größe der Vp so eingestellt, dass er etwa parallel zu deren Stirnhöhe verläuft. Die Trommel wird im Uhrzeigersinn, später entgegen, so gedreht, dass eine Umdrehung ca. 3-5 Sekunden erfordert, die übrigen Teilnehmer beobachten den Nystagmus und bestimmen seine Richtung (schnelle Rückstellkomponente). 2.2 Postrotatorischer Nystagmus Die Versuche sollen den Zusammenhang zwischen der Reizung von Rezeptoren und dem dadurch ausgelösten Reflex zeigen und seine Funktionsfähigkeit überprüfen. Die Reizung wird durch Drehung auf einem Drehstuhl erzeugt. Die Reflexe werden beobachtet und teilweise zeitlich gemessen. Geräte: Drehstuhl, Uhr, Metermaß, Frenzelbrille. 5 Teilnehmer werden benötigt: Versuchsperson (Vp), Versuchsleiter (Vl), Person zum Drehen des Stuhles (Dp), Person zur Hilfestellung (Hp), Zeitnehmer und Protokollführer. Versuchsleiter und die übrigen Teilnehmer beobachten die Reflexe. 2.2.1 Versuchsdurchführung Einer Vp wird die Frenzelbrille (+ 20 dpt) aufgesetzt, damit sie die Umwelt nicht mehr fixieren kann. Die Brille ist beleuchtet, so dass die Augenbewegungen gut beobachtet werden können. Die Vp setzt sich dann mit 30° nach vorne geneigtem Kopf in den Drehstuhl, so dass möglichst nur die horizontalen Bogengänge gereizt werden. Ein anderer Praktikumsteilnehmer (Dp) beschleunigt den Stuhl nach dem Startzeichen des Zeitnehmers auf eine Geschwindigkeit von ca. 1 Umdrehung pro Sekunde. Danach Ge- schwindigkeit konstant halten! Nach einer Drehdauer von ca. 10 s wird der Stuhl auf ein Stoppzeichen hin plötzlich angehalten, ohne dass eine Drehung in Gegenrichtung erfolgt. Der Nystagmus wird beobachtet und seine Dauer und Richtung werden gemessen. Versuch mit ca. 20 s und ca. 30 s Drehdauer wiederholen. Versuch bei einer anderen Vp bei umgekehrter Drehrichtung mit ca. 10 s oder ca. 20 s wiederholen. Versuchsergebnisse protokollieren. VII 25 VII Fragen 1. Welcher Unterschied besteht zwischen optokinetischem und rotatorischem Nystagmus? 2. Woran würden Sie erkennen, wenn im oben durchgeführten Versuch nicht nur der horizontale Bogengang gereizt wurde? 3. In welche Richtung geht der Nystagmus während des Drehens bei Reizung ausschließlich der horizontalen Bogengänge? 4. in welche Richtung nach dem Drehen in Bezug zur Drehrichtung? 5. Welche Abhängigkeit besteht zwischen Nystagmusdauer und Drehdauer? 6. In welche Richtung geht der Nystagmus bei einseitigem Ausfall des Vestibularorgans? Protokoll 1: Postrotatorischer Nystagmus a) Drehrichtung rechts Drehdauer (s) Nystagmus Richtung Dauer ca. 10 s s ca. 20 s s ca. 30 s s b) Drehrichtung links Drehdauer (s) Nystagmus Richtung Dauer ca. 10 s s ca. 20 s s ca. 30 s s 2.2 BARANYscher Zeigeversuch a) Eine Person hält den Drehstuhl fest; die Vp sitzt im Drehstuhl und zeigt mit waagerecht nach vorn ausgestrecktem Arm mit ihrem Zeigefinger auf den Zeigefinger, den ihr eine Hilfsperson vorhält. Die Vp schließt die Augen, senkt ihren Arm bis aufs Knie und versucht danach durch rasches Heben bei geschlossenen Augen und ausge- strecktem Arm erneut auf den Zeigefinger zu zeigen. Der weiterhin vorgehaltene Finger der Hilfsperson wird dabei nicht berührt. Die waagerechte Abweichung des Fingers der Vp von der Senkrechten durch den Finger der Hilfsperson wird gemessen und bei einer konstanten Abweichung in die gleiche Richtung notiert. 26 VII b) Die Vp setzt sich wieder so in den Drehstuhl, dass nur der horizontale Bogengang gereizt wird, dann wird, wie unter II.1.2. beschrieben, gedreht. Sofort nach dem Anhalten des Stuhles wird der Versuch, wie unter II.1.3.a beschrieben, ausgeführt. Versuch für eine Drehrichtung mit 10 s Drehdauer beginnen. Drehdauer steigern bis deutliche Abweichung gemessen wird. Versuche bei anderer Vp in anderer Drehrichtung wiederholen. Schnell arbeiten! Die Abweichungen werden gemessen und protokolliert. Fragen: 1. Welche Abweichung wurde im Mittel bei Versuch II.1.3.b beobachtet? (Richtung in Bezug zur Drehrichtung und Größe). 2. In welcher Richtung muss nach Linksdrehung die Abweichung erwartet werden und weshalb? Protokoll 2: BARANYscher Zeigeversuch a) Größe der Abweichung vor dem Drehen (cm) Richtung Abweichung (cm) Augen offen geschlossen Mittel b) Drehrichtung rechts Drehdauer Abweichung Richtung Augen offen geschlossen ca. 10 s cm cm ca. 20 s cm cm ca. 30 s cm cm c) Drehrichtung links Drehdauer Abweichung Richtung Augen offen geschlossen ca. 10 s cm cm ca. 20 s cm cm ca. 30 s cm cm