15.5 Stetige Zufallsvariablen

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15.5 Stetige Zufallsvariablen
Es gibt auch Zufallsvariable, bei denen jedes Elementarereignis die Wahrscheinlichkeit 0 hat.
Beispiel:
Lebensdauer eines radioaktiven Atoms
Die Lebensdauer eines radioaktiven Atoms kann als Zufallsexperiment mit Ergebnismenge R
>0
aufgefasst werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Atom nach exakt ( also auf unendlich viele Dezimale
genau ) 3,482345634859134572357145 . . . Tagen zerfällt, ist offenbar 0.
Wahrscheinlichkeiten größer als 0 gibt es in diesem Beispiel also nicht bei Elementarereignissen, sondern erst bei Intervallen: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Atom am
4. Tag zerfällt ( also eine Lebensdauer zwischen exakt 3 und exakt 4 Tagen hat ) , ist
beispielsweise nicht 0 , sondern positiv.
Eine solche Zufallsvariable heißt stetige Zufallsvariable.
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Prof. Dr. Ch. Bold
Analysis 15.5
Folie 1
Definition 8
1.) Eine Funktion f ( x ) heißt Dichtefunktion einer stetigen Zufallsvariablen über dem
a;b
Intervall
, wenn sie die beiden folgenden Eigenschaften hat:
b
a.)
für alle x ε a ; b
f(x) > 0
b.)
f ( x) d x
= 1
a
2.) Durch jede Dichtefunktion wird eine stetige Zufallsvariable festgelegt:
•
Die Ergebnismenge dieser Zufallsvariable ist das Intervall M =
•
Die Wahrscheinlichkeit eines Teilintervalls
α;β
a;b
von M wird mit Hilfe der
Dichtefunktion berechnet:
β
p
( α;β )
=
f ( x) d x
α
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Folie 2
Bemerkungen
1.) Durch die Eigenschaften einer Dichtefunktion ist gewährleistet, dass es sich bei
einer stetigen Zufallsvariablen tatsächlich um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung
handelt:
•
•
Wegen der Eigenschaft a) treten
keine negativen Wahrscheinlichkeiten auf.
a.)
für alle x ε a ; b
f(x) > 0
b
Wegen der Eigenschaft b) treten keine Wahrscheinlichkeiten auf, die größer als 1 sind.
b.)
f ( x) d x
= 1
a
2.) Aufgrund der Formel zur Berechnung der Wahrscheinlichkeiten hat jedes Elementarereignis xe die Wahrscheinlichkeit 0 :
xe
β
p ( xe ) = p
(x
e
; xe
)
=
f ( x) d x
=
0
p
( α;β ) =
f ( x) d x
α
xe
Bei stetigen Zufallsvariablen ist die Wahrscheinlichkeitsfunktion also sinnlos.
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Folie 3
Bemerkungen
3.) Bei stetigen Zufallsvariablen benutzt man also Dichtefunktion an Stelle von Wahrscheinlichkeitsfunktionen, um Wahrscheinlichkeiten anzugeben.
Dabei ist aber stets auf die unterschiedliche Bedeutung und die unterschiedlichen
Eigenschaften dieser beiden Funktionsarten zu achten:
•
Die betrachteten Wahrscheinlichkeiten werden bei Wahrscheinlichkeitsfunktionen durch die Funktionswerte selbst ausgedrückt, bei den Dichtefunktionen
durch die Fläche unter der Kurve der Dichtefunktion.
•
Die Funktionswerte einer Wahrscheinlichkeitsfunktion sind stets kleiner als 1,
während sie bei Dichtefunktionen auch größer als 1 sein können.
4.) Die Grenzen a und b der Ergebnismenge einer stetigen Zufallsvariablen können
und / oder
8
8
auch -
sein. Die Ergebnismenge ist dann unendlich breit.
5.) Es gibt auch diskrete Zufallsvariablen mit unendlicher Ergebnismenge.
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Analysis 15.5
Folie 4
Beispiel:
Lebensdauer eines radioaktiven Atoms
Ergebnismenge:
M = R
>0
Eine mögliche Dichtefunktion zu dieser Ergebnismenge ist
für alle x ε M
e -x > 0
a.)
f ( x ) = e - x , denn:

8
8
e -x d x
b.)
= - e -x
= 0 - (-1) =
1

0
0
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Atom am 4. Tag zerfällt, beträgt dann
4
4
e -x
p =
dx
= -
e -x
= - e - 4 + e - 3 = 0,0315 = 3,15 %
3
3
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Folie 5
Graphische Darstellung:
f(x)
1
f ( x ) = e -x
p = 1
p = 0,0315
1
2
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3
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5 x
4
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Folie 6
Definition 9 ( Erwartungswert, Varianz und Standardabweichung einer stetigen ZV )
Für eine diskrete Zufallsvariable mit Ergebnismenge M =
a;b
und Dichte-
funktion f ( x ) definiert man den Erwartungswert µ , die Varianz σ
2
sowie die
Standardabweichung σ als Quadratwurzel aus der Varianz wie folgt:
b
1.)
µ
Erwartungswert µ
einer stetigen
Zufallsvariablen
x . f ( x ) dx
=
a
b
2.)
σ
2
2
Varianz σ
einer stetigen
Zufallsvariablen
2
( x - µ ) . f ( x ) dx
=
a
b
3.)
σ
2
( x - µ ) . f ( x ) dx
=
a
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Standardabeichung σ
einer stetigen
Zufallsvariablen
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Analysis 15.5
Folie 7
Beispiel:
Lebensdauer eines radioaktiven Atoms
>0
Ergebnismenge:
M = R
Dichtefunktion:
f ( x ) = e -x
Erwartungswert:
µ
8
b
x . f ( x ) dx
=
a
x . e - x dx
=
0
σ
2
8
b
Varianz:
2
( x - µ ) . f ( x ) dx
=
a
Standardabweichung:
σ
=
= 1
Übg.
2
( x - 1 ) . e - x dx
=
= 1
Übg.
0
1
=
1
Bemerkung
Ist die Ergebnismenge ein unendliches Intervall, so muss bei der Bestimmung des Erwartungswerts ein uneigentliches Integral berechnet werden. Dabei ist zu beachten:
•
Falls dies nicht möglich ist, kann der Erwartungswert nicht bestimmt werden.
•
Falls das Integral nicht existiert, hat die Zufallsvariable keinen Erwartungswert.
Gleiches gilt auch für die Varianz und damit auch für die Standardabweichung.
Institut für Automatisierungstechnik Prof. Dr. Ch. Bold Analysis 15.5 Folie 8
Normalverteilung
Die stetige Zufallsvariable mit Ergebnismenge M = R und Dichtefunktion
1
f(x) =
2π . σ
x-µ
1
- .
σ
2
2
mit µ ε R und σ ε R+
.e
heißt Normalverteilung mit Erwartungswert µ und Standardabweichung σ .
Die Normalverteilung ist die wichtigste ( stetige ) Zufallsvariable.
y
f(x) =
1
2π . σ
2
x-µ
1
- .
σ
2
.e
Gauß‘ sche Glockenkurve
1
µ
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x
Analysis 15.5
Folie 9
y
1
f(x) =
2
x-µ
1
- .
σ
2
2π . σ
.e
Gauß‘ sche Glockenkurve
0,683
1
µ-σ
Für die Normalverteilung gilt:
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µ
µ+σ
x
p
( µ-σ;µ+σ )
p
( µ - 2σ ; µ + 2σ )
=
0,955
p
( µ - 3σ ; µ + 3σ )
=
0,997
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=
0,683
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Folie 10
Normalverteilungen mit verschiedener Standardabweichung
y
Gauß‘ sche Glockenkurve
σ < σ
0,683
Gauß‘ sche Glockenkurve
0,683
µ-σ
µ-σ
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µ
µ+σ
µ+σ
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Analysis 15.5
x
Folie 11
Bemerkung
Die Funktion
f(x) =
1
2π . σ
1 . x-µ
σ
2
2
.e
ist tatsächlich die Dichte-
funktion einer stetigen Zufallsvariablen über R , denn:
f ( x ) > 0ε
a.)

8
b.)
2π . σ
.e
t =
x-µ
2 .σ
1
dx
dt =
1
2 .σ
. dx
π
-
b
a.)
f(x) > 0
für alle x ε a ; b
b.)
2
e (- t ) d t
.
8
8
-
2
8
1
x-µ
1
- .
σ
2
=
f ( x) d x
π ?
= 1
a
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Analysis 15.5
Folie 12
8
2
e (- t ) d t
Dieses Integral ist nicht in der üblichen Weise lösbar, da man
keine Stammfunktion angeben kann.
8
-
Mit den folgenden Umformungen lässt es sich aber doch bestimmen:
8
2
e (- y ) d y
8
8
8
2
e (- x ) d x .
2
2
e (- y ) d y . e (- x ) d
=
x
-
konstanter Faktor
8
-
8
8
-
8
-
konstanter Faktor
-
-
8
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2
2
e -(x + y ) d y d x
=
8
-
8
8
-
8
8
8
8
2
2
e (- x ) . e (- y ) d y d x
=
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Analysis 15.5
Folie 13
2
2
e -(x + y ) d y d x
=
0
2
-
2π
et . -
dt = - 2r d r
1
2
. dt dφ
-
et . -
=
1
2
dφ
0
0
0
0
8
2π
=
8
2π
0
8
t =-r
2
e (- r ) r d r d φ
=
8
-
8
-
8
8
8
2π
0+
1
2
dφ
=
2π .
1
2
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π , also
2
e (- t ) d t =
-
π

8
0
=
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Analysis 15.5
Folie 14
Übergang von einer stetigen ZV zu einer diskreten ZV durch Klassenbildung
Da es durch die Integrale recht aufwändig ist, mit stetigen Zufallsvariablen zu rechnen, geht man häufig von stetigen zu diskreten Zufallsvariablen über, indem man die
Ergebnismenge in Intervalle unterteilt.
Diese Intervalle heißen Klassen und werden mit einer reellen Zahl bezeichnet ( sonst
erhält man keine Zufallsvariable ) . Dabei wählt man meist die Mitte oder einen der
beiden Randpunkte des Intervalls als Namen für die Klasse.
Beispiel:
Lebensdauer eines radioaktiven Atoms
Die Ergebnismenge R
>0
kann z.B. in Intervalle der Breite 1 unterteilt werden.
Benennt man diese Intervalle jeweils mit ihren rechten Randpunkten, so erhält man
eine diskrete Zufallsvariable mit der Ergebnismenge N+ .
Das Elementarereignis „7“ bedeutet dann beispielsweise, dass das Atom am 7. Tag
zerfällt, also eine Lebensdauer zwischen exakt 6 und exakt 7 Tage hat.
Die exakte Lebenszeit des Atoms spielt für diese neue diskrete Zufallsvariable keine
Rolle.
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Analysis 15.5
Folie 15
Beispiel:
Lebensdauer eines radioaktiven Atoms
Die Wahrscheinlichkeitsfunktion dieser neuen diskreten Zufallsvariablen lautet dann
Klassen
Name der
Klassen
Wahrscheinlichkeit der
Klassen
0;1
1;2
2;3
3;4
4;5
...
1
2
3
4
5
...
1
2
3
4
5
e -x d x
e -x d x
e -x d x
e -x d x
e -x d x
0
1
= 0,632
2
= 0,233
3
= 0,086
...
4
= 0,031
= 0,012
...
Der Erwartungswert dieser neuen diskreten Zufallsvariablen beträgt damit
µ
= 1 . 0,632 + 2 . 0,233 + 3 . 0,086 + 4 . 0,031 + 5 . 0,012 + . . .
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Analysis 15.5
=
1,582 .
Folie 16
Bemerkungen
1.) Die Breite der Klassen kann beliebig gewählt werden.
In vielen Beispielen wird sie auch durch die Genauigkeit der Datenerhebung
schon vorab festgelegt.
2.) Durch die Bildung der Klassen und auch durch ihre Benennung wird die Rechnung ungenau, wie die folgende Tabelle zu den Erwartungswerten in obigem
Beispiel zeigt ( exakter Wert: µ = 1 , siehe Beispiel als stetige Zufallsvariable ) :
µ
Breite der
Klassen
1
2
0,5
Name der Klasse
Ähnliche Ungenauigkeiten ergeben sich
rechter Intervallrand
1,582
2,313
1,271
linker Intervallrand
0,582
0,313
1,021
bei der Varianz und
der Standardabweichung.
Intervallmitte
1,082
Institut für Automatisierungstechnik
1,313
0,771
Prof. Dr. Ch. Bold
Analysis 15.5
Folie 17
Bemerkung zu Übung 96 e)
„Würfeln mit Sechser - Regel“
Bemerkung zu Übung 96 g)
„Definieren Sie eine diskrete Zufallsvariable durch Klassenbildung ( 10 Klassen ) “
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Analysis 15.4
Folie 18
Herzlichen Glückwunsch !!
Sie haben es geschafft !!
Alles Gute und weiterhin
viel Erfolg !!
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Analysis 15.5
Folie 19
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