Muttersprachliche Interferenzen des Kroatischen auf den schriftlichen Ausdruck und das Übersetzen von muttersprachlichen Texten ins Deutsche bei DaF-Studierenden Manuela Svoboda (Rijeka) Deutsch wird weltweit zunehmend häufiger als zweite und weniger als erste Fremdsprache unterrichtet. Den Platz der ersten Fremdsprache hat in vielen Fällen die englische Sprache eingenommen. Für die Fremdsprachenlehrer und –lehrerinnen bedeutet der Unterricht in der zweiten Fremdsprache häufig ein geringeres Stundenkontingent im Vergleich zur ersten Fremdsprache und dennoch eine sehr hohe curriculare Zielsetzung bei der Kompetenzentwicklung. Auf eine veränderte Situation treffen die Lehrkräfte aber auch hinsichtlich der Schüler, die sich jetzt parallel mit zwei Fremdsprachen beschäftigen müssen. (Koithan 2003, S.139) In Kroatien wird Deutsch ebenfalls hauptsächlich als L3 oder Wahlsprache in den Schulen gelehrt. Die Schüler haben ab der 7. Klasse (Wahlfach), bzw. ab der 9. Klasse (L3) die Möglichkeit Deutsch zu erlernen. An der Universität in Rijeka schreiben sich jährlich ca. 50 Studierenden ein, die Deutsch studieren. Aufgrund des Bürgerkrieges in Ex-Jugoslawien sind immer noch viele Studierende dabei, die längere Zeit in Deutschland gelebt haben und auch dort zur Schule gegangen sind, da ihre Familien vor dem Bürgerkrieg geflüchtet sind. Dadurch sind die Lerngruppen heterogen und die Studierenden, die in Deutschland gelebt haben, haben es in mancher Hinsicht leichter als diejenigen, die Deutsch nur als L3 oder Wahlsprache gelernt haben. Aufgrund meiner Erfahrungen im DaF-Unterricht am Gymnasium und nun auch an der Universität, kamen einigen Fragen auf, aber auch der Wunsch zu ergründen, wie man den Lernerfolg eventuell verbessern könnte. Die Leitfrage für meine Dissertationsvorhaben ließe sich wie folgt formulieren: Wie beeinflusst die Muttersprache den Zweit- und Drittsprachenerwerb, bzw. welche Sprachkompetenz sollte in der Fremdsprache erreicht werden und welche Spracherwerbsstufen werden dabei durchlaufen? 1 Betrachtet man die Studierenden, so lässt sich bei ihnen unschwer erkennen, dass bei dem Fremdsprachenerwerb unbewusst bestimmte Sprachstrukturen aus der Muttersprache übernommen und auf die zu erlernende Fremdsprache übertragen werden. Die Studierenden formulieren ihre Gedanken, die sie dann entweder mündlich äußern oder in schriftlicher Form festhalten, zunächst einmal in ihrem Geiste, und zwar in ihrer Muttersprache. Der nächste Schritt ist dann die zumeist wortwörtliche Übersetzung in die Zielsprache, woran man anhand der Grammatik- und Wortschatzfehler mühelos Rückschlüsse auf die Muttersprache ziehen kann. Den Hauptteil der empirischen Forschungen zu L3 bilden performanzund produktorientierte Arbeiten, meist auf der systematischen Ebene (Hufeisen 1998a, S. 173). Relativ wenig Beachtung finden aber die Probleme des intersprachlichen Transfers auf verschiedenen Ebenen, die Bestimmung dieser Ebenen, Probleme der Beachtung des intersprachlichen Transfers im Lehr- und Lernverfahren wie auch in Lehrmaterialien für die Fremdsprachenlehrerausbildung (Deutsch nach Englisch) unter Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrades der zu erlernenden Erscheinungen. (Kalaschnikowa 2003, S.75) In meiner Arbeit soll anhand von schriftlichen Arbeiten der kroatischen Deutschstudierenden untersucht werden, welche Faktoren aus der Muttersprache für immer wiederkehrende Fehler in der Fremdsprache verantwortlich sind, und ob sich diese Fehler im Laufe des Studiums ausmerzen, bzw. bis zu welchem Grade sie sich korrigieren lassen. Gründen wird sich die Untersuchung auf den schriftlichen Arbeiten der Studierenden, die während ihres Studiums sowohl Aufsätze und Hausarbeiten, als auch Übersetzungen aus der Muttersprache in die deutsche Sprache anfertigen müssen. Derzeit befindet sich das Vorhaben noch in den Anfangsschuhen und die Materialsammlung an StudentInnenaufsätzen und –übersetzungen beläuft sich auf die Materialien aus dem ersten Studienjahr. Für das Gesamtvorhaben sollen Materialen aus den ersten drei Studienjahren, d.h. dem gesamten BA-Studium gesammelt, gesichtet und ausgewertet werden, um eine repräsentative Anzahl für die empirische Untersuchung zu erhalten, die dann auch aussagekräftig ist. Interessant wird es dabei sein die Entwicklung von einzelnen Studierenden vom Beginn des Studiums bis zur Beendigung ihres Vordiplomstudiums nach dem sechsten Semester zu beobachten und 2 zu analysieren, sowie ihren Ausdruckweise zu verfolgen. Fortschritt in der schriftlichen In meiner Ausarbeitung werde ich typische Fehler der Deutschstudierenden aus ihren Aufsätzen und Übersetzungen darstellen und versuchen zu erklären anhand welcher grammatischen Strukturen aus dem Kroatischen diese entstehen. 1. Vorüberlegungen Beobachtet man die kroatischen Deutschstudierenden, gelangt man zu der Feststellung, dass sie immer wieder die gleichen Fehler machen, bzw. dass alle Deutschstudierenden zu denselben Fehlern neigen. Ein Fehler, der sehr häufig auftritt ist das Auslassen von Artikeln, seien es bestimmte oder unbestimmte, dann folgen falsche Satzkonstruktionen, d.h. die Wortfolge im Deutschen stimmt einfach nicht. Daraus leitet sich die Frage ab, ob es im Kroatischen vielleicht Ähnlichkeiten gibt, auf die man in diesen Fällen hinweisen kann, bzw. darauf zurückgreifen, um es den Deutschstudierenden etwas einfacher zu machen? Ein weiteres Problem, das die Deutschstudierenden haben, ob im mündlichen oder im schriftlichen Bereich, ist die Tatsache, dass Sie auf Kroatisch denken und dann versuchen ihre Gedanken ins Deutsche zu übersetzen, was dann zwangsweise zu bestimmten Fehlern führt. Gibt es Möglichkeiten diese Hürde zu überwinden? Wenn es dann wirklich um das Thema Übersetzungen geht, kommt es durch die Nutzung von Wörterbüchern noch zu weiteren Fehlern, denn es fällt den Deutschstudierenden sehr schwer, aus den angebotenen Übersetzungen für ein kroatisches Wort das inhaltlich richtige deutsche Wort herauszusuchen. Dies setzt ein großes Sprach- und Sachverständnis voraus, das die Deutschstudierenden nicht immer haben, bzw. nur sehr selten aufweisen. Meist nur dann, wenn sie eine längeren Zeitraum in einem deutschsprachigen Land verbracht haben, dort in die Schule gegangen sind o.Ä. Es ist notwendig sich auch Gedanken darüber zu machen, welche Sprachkompetenz bei dem Erlernen der zweiten, bzw. dritten Fremdsprache erreicht werden soll, bzw. kann. Man kann hier die Messlatte nicht bei der Muttersprache anlegen, sondern sollte realistische Erwartungen an seine Deutschstudierenden stellen. Sicherlich ist es hierbei auch von Bedeutung sich damit 3 auseinanderzusetzen welche Spracherwerbsstufen bei dem Erlernen einer Fremdsprache durchlaufen werden und zu versuchen, diese möglichst zu optimieren. 2. Typische Fehler der kroatischen Deutsch-Studierenden bei dem Schreiben anhand von Beispielen: 2. 1. Der Artikel Wie schon erwähnt fällt es den Deutschstudierenden sehr schwer in ihren mündlichen, sowie schriftlichen Beiträgen Artikel zu benutzen. Hierbei erscheint zusätzlich das Problem den richtigen Artikel auszuwählen, d.h. das Genus des Substantivs zu bestimmen und dann noch zu entscheiden, ob ein bestimmter oder unbestimmter Artikel benutzt werden muss. Eine entscheidende Sache, auf die meiner Meinung nach alle Deutschlehrer schon in den Anfangsstunden des Deutschunterrichts achten sollten, ist, dass die Schüler/Studierenden immer den Artikel mitlernen, denn wenn sie sich nur das Substantiv, wie z.B. „Schule“ einprägen, kann man zwar anhand von grammatischen Regeln, wie z.B. dass die meisten Substantive, die auf „e“ enden weiblich sind, das Genus erkennen, jedoch gibt es viele Ausnahmen, die dann trotzdem Probleme bereiten. Lernt man den Artikel gleich mit, d.h. „die Schule“, würde das Problem der Bestimmung des Genus wegfallen. Anhand falscher Bestimmung des Genus kommt es zu weiteren grammatischen Fehlern, wie z.B. falscher Deklination, falschen Relativpronomen in Relativsätzen und falscher Kasuskonstruktionen in Sätzen. Beispiele aus StudentInnenaufsätzen - fehlende Artikel (Artikel in Klammern sind Korrekturen von Lehrerseite. Es sind hier nur die Artikelfehler korrigiert worden, andere grammatische Fehler wurden an dieser Stelle nicht beachtet.): “(Eine) Solche Entwicklung bringt aber auch einige negative Aspekte.” “Jede Sprache hat (einen) eigenen Wortschatz, (eine) eigene Grammatik und eigene Regeln.” “Die deutsche Sprache finde ich komplizierter als (die) englische Sprache.” 4 “Man kann nicht (die) Muttersprache, Fremdsprache im Ausland sprechen.” sondern nur (die) Die Sätze der Studierenden lassen sich wortwörtlich ins Kroatische zurückübersetzen und sind in der Muttersprache grammatisch völlig korrekte und vollständige Sätze. Das Problem für die kroatischen (ebenso wie für andere slawische) Muttersprachler besteht darin, dass die kroatische Sprache keine Artikel kennt. Die Deklinationen wickeln sich anders ab und es gibt außerdem insgesamt 7 Kasus. In der Morphologie der Nomina sind sechs syntaktische Kasus zu unterscheiden, nämlich ein Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental und ein Präpositiv; dazu gibt es einen Vokativ als Anredekasus. Bedeutung und syntaktische Verwendung der Kasus weichen aber von jenen in der Grammatik des Deutschen z. T. erheblich ab. (Auburger 2007, S.5) Bei den Deklinationen im Kroatischen werden an das Substantiv Endungen zur Bestimmung des Kasus angehängt. Die Suffixe werden dabei abhängig vom Genus des Substantivs an den Stamm des Substantivs angehängt. Deklinationen im Kroatischen Maskulinum Femininum Neutrum zub žena more (der Zahn) (die Frau) (das Meer) Genitiv zub –a žen –e mor -a Dativ zub –u žen -i mor –u Akkusativ zub žen -u mor –e Vokativ zub –e žen -o mor –e Lokativ zub -u žen -i mor -u Nominativ 5 Instrumental zub -om žen -om mor –em *-om Das SKB [Serbisch-Kroatisch-Bosnische] verfügt gegenüber dem Deutschen über die zusätzlichen Kasus Vokativ (ein Fall, der für die Anrede benutzt wird), Lokativ (referiert auf Richtungs- und Ortsangaben und steht nur nach bestimmten Präpositionen) und Instrumental (ein Kasus mit komplexer Funktion; tritt nach Präpositionen und auch eigenständig auf). (Roeske, S.28) Dadurch tendieren die Studierenden dazu an die Adjektive, Attribute und Substantive Endungen anzuhängen, wie sie es aus ihrer Muttersprache gewöhnt sind. Es fällt ihnen schwer mit Artikeln zu arbeiten und zu entscheiden, wann ein bestimmter Artikel gebraucht wird, aber auch, ob und wann sie einen unbestimmten Artikel gebrauchen müssen. Bestimmtheit und Unbestimmtheit von Substantiven ergeben sich im SKB ausschließlich aus dem Kontext – anders als im Deutschen, wo diese Funktion vom Artikel ausgedrückt wird. (→ Schwierigkeit für Lerner!) Falls einem Substantiv im SKB ein Adjektiv beigefügt wird, trägt dieses die Information über Bestimmtheit/Unbestimmtheit: (Fast) jedes Adjektiv besitzt zwei Formen, eine bestimmte und eine unbestimmte, die sich durch ihre Deklinationsendungen und z.T. durch ihren Akzent unterscheiden. (Roeske, S. 28) Da die meisten Studierenden als 1. Fremdsprache Englisch gelernt haben, kann man hier durch einen Verweis auf den englischen Gebrauch des unbestimmten Artikels „a/an“ eine Brücke schlagen und den Gebrauch des unbestimmten Artikels im Deutschen anhand dieses Vergleichs etwas klarer machen. Meist ist das für die Studenten eine kleine Hilfe, die sie in ihren schriftlichen Beiträgen auch umsetzen können. Allerdings hängt dies wiederum davon ab, wie gut sie die Zweitsprache (L2) erlernt haben: Wenn die entsprechenden L2-Kenntnisse- und Fertigkeiten nicht genügend gefestigt oder nicht bewusst erworben sind, sind die Transfermöglichkeiten begrenzt, und die Analogien werden in L1 gesucht. Und umgekehrt: Je mehr Erfahrungen die Lernenden in L2 haben, desto leichter können sie diese Sprache bei dem L3-Erwerb als Bezugssprache zu Hilfe nehmen. […] Aber dieser Transfer findet nur 6 statt, wenn entsprechende „Transfer-Fertigkeiten“ bewusst entwickelt worden sind. (Kalaschnikowa 2003, S.76) 7 2. 2. Die Präpositionen Neben den Artikeln ist eine weitere große Fehlerquelle der Gebrauch/die Auswahl der richtigen Präposition. Große Probleme bereitet der Unterschied zwischen „an“ und „auf“, denn im Kroatischen gibt es den Unterschied in dieser Form nicht, alles heißt „na“. Weiterhin gibt es Probleme bei dem Gebrauch der Wechselpräpositionen und dem Gebrauch des Dativs, bzw. Akkusativs bei den Wechselpräpositionen. Ebenso problematisch ist der Gebrauch von „nach“ und „zu“, vor allem „nach Hause“ und „zu Hause“ wird häufig verwechselt. Als letztes sei die Fehlerquelle der direkt aus dem Kroatischen übernommenen Präpositionen, vor allem in Verbindung mit Verben erwähnt. Beispiele aus StudentInnenaufsätzen – falsch gewählte Präpositionen (Präpositionen in Klammern sind Korrekturen von Lehrerseite. Es sind hier nur die Präpositionsfehler korrigiert worden, andere grammatische Fehler wurden an dieser Stelle nicht beachtet.): “Das erste, was ich mache, wenn ich zu (nach) Hause komme...” “Unser Leben ist sehr schnell und wir brauchen alle Informationen auf (an) einer Stelle.” “Das Bild hängt auf (an) der Wand.” “Man kann Zeitungen lesen, die Informationen auf dem (im) Internet finden…” Wie vorhin schon erwähnt, gibt es im Kroatischen keinen Unterschied zwischen „an“ und „auf“. Daher fällt es den Studierenden sehr schwer zu entscheiden, welche der beiden Präpositionen sie verwenden sollen. Auch stetige Hinweise auf den Unterschied bringen oft nicht die erwünschten Resultate, denn bei dem Schreiben ihrer Aufsätze neigen die Studierenden dazu, die Präposition zu verwenden, die ihnen von der kroatischen Muttersprache her geeignet scheint. Bei den Wechselpräpositionen ist die Sachlage nicht ganz klar, denn es gibt sie auch im Kroatischen genau in der gleichen Form. Auch hier antworten sie auf die Frage „wo?“ und „wohin?“ und sie müssen mit dem richtigen Kasus verwendet werden. Das Problem hier ist dann meist die Verwendung des richtigen Kasus in Verbindung mit der Präposition. 8 Die Unterscheidung zwischen „nach“ und „zu“ lässt sich daraus ableiten, dass es im Kroatischen den Lokativ gibt anhand dessen sich die Verwendung der Präpositionen erübrigt, denn der Lokativ gibt durch sein Suffix die Richtung, bzw. den Ort an. Das Problem, das immer präsent ist, ist die schon erwähnte Tatsache, dass die Studierenden in ihrer Muttersprache denken, und das Gedachte einfach wortwörtlich in die Zielsprache übersetzen. Dabei werden die Präpositionen aus der Muttersprache in die Zielsprache übernommen, ohne sich an gelernte Regeln der deutschen Sprache zu erinnern, bzw. ohne diese überhaupt zu berücksichtigen. Dies abzustellen ist schwierig, bzw. unmöglich, denn ein Denken in der Zielsprache findet nur dann statt, wenn man täglich mit dieser Sprache konfrontiert wird und sie nutzen muss, d.h. wenn man geraume Zeit im Ausland lebt und die Möglichkeit, bzw. den Imperativ hat die Zielsprache ständig aktiv zu nutzen, d.h. wenn man nicht mehr die Möglichkeit hat sich in gewissen Lebenssituationen in seiner Muttersprache zu verständigen. Natürlich werden den Studierenden Aufenthalte in deutschsprachigen Ländern empfohlen und es gibt viele Austauschprogramme, an denen sie teilnehmen können. Meist merkt man schon an den Studierenden, die nur wenige Monate in einem deutschsprachigen Land verbracht haben, deutliche Unterschiede und Verbesserungen zu ihren früheren Leistungen. Sie fühlen sich außerdem wesentlich sicherer im Gebrauch der Fremdsprache und melden sich im Unterricht häufiger zu Wort. 2. 4. Die Wortfolge Wie im Englischen und Deutschen ist die übliche Reihenfolge im Kroatischen in einem einfachen Aussagesatz Subjekt – Verb – Objekt, allerdings ist die Wortfolge grammatisch freier. Wichtig ist im Kroatischen, dass das finite Verb immer nahe am Subjekt ist, es steht niemals am Ende des Satzes wie im Deutschen. Um einen Einblick in die Wortfolge des Kroatischen zu bekommen, ist es nötig zunächst einmal einen kurzen Überblick zu geben, wie die Syntax im Kroatischen, bzw. Serbischen, Kroatischen und Bosnischen aussieht: 9 • Die Grundwortstellung des SKB folgt dem Typ Subjekt-VerbObjekt: Beispiel: Djevojcica voli bonbone „das Mädchen mag Bonbons” Mädchen mag Bonbons Die Abfolge der Satzglieder ist im SKB jedoch freier als im Deutschen. Sie ist stärker an pragmatischen Prinzipien orientiert: Die Thema-Rhema-Struktur eines Satzes bestimmt seinen Aufbau entscheidender als im Deutschen (Thema in Mittel- oder Vorfeld, Rhema zum Satzende). Bei thematischem Subjekt ergibt sich die kanonische Reihenfolge SVO, bei rhematischem Subjekt tritt die Reihenfolge OVS auf. • Anders als im Deutschen ist es im SKB möglich, das Subjekt zu eliminieren. Dies kann beispielsweise dann geschehen, wenn es sich um unpersönliche Sätze handelt oder wenn ein nicht-rhematisches Subjekt vom Status eines Personalpronomens schon hinreichend durch das finite Verb spezifiziert ist: Beispiele: pada ”es regnet”, volim sport ”ich liebe Sport. • Innerhalb einer Nominalphrase stehen die Ergänzungen vor dem Kopf: Beispiel: nova skola ”die neue Schule” • Die Kategorien Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit (von Substantiven) werden im SKB syntaktisch ausgedrückt (nicht, wie im Deutschen, durch Artikel): Ein Substantiv des SKB ist dann bestimmt, wenn es in thematischer Position, also am Satzanfang steht, und unbestimmt, wenn es in rhematischer Position steht, also stärker zum Satzende hin.“ (Roeske, S.29) Im Vergleich dazu steht im Deutschen das finite Verb im Aussagesatz an zweiter Stelle (der infinite Teil des Verbs steht am Ende), und das finite Verb im Nebensatz steht an letzter Stelle. Die anderen 10 Prädikatsteile stehen direkt vor dem finiten Verb und das Subjekt steht im Allgemeinen direkt nach dem Wort, das den Nebensatz einleitet. Was die Stellung der Adverbialen Bestimmungen angeht, kann man dies vereinfacht wie folgt ausdrücken: 1. Zeit (wann?) 2. Grund (warum?) 3. Ort (wo? wohin? woher?) 4. Art und Weise (wie?) Bsp.: Der Lehrer hat heute Morgen aus gutem Grund in der Klasse laut geschimpft. Als eine häufige Fehlerquelle in den Aufsätzen kann man auch die Nutzung von “z.B.”, „also“, „aber“, „nämlich“ usw. ansehen. Im Kroatischen sind diese nicht in den Nebensatz integriert, sondern durch Komma abgetrennt und danach fängt quasi ein neuer Satz mit einem Subjekt an erster Stelle an. Daraus leiten die Studierenden auch in einem deutschen Satz die folgende Wortfolge ab: “Wenn man eine Fremdsprache kennt, hat man viele Vorteile, z.B. die Chancen sind höher bei Beschäftigungen.” Im Kroatischen ist der Satz rückübersetzt völlig korrekt: “Kad znamo strani jezik, imamo puno prednosti, npr., šanse su veće pri zapošljavanju.” Beispiele aus StudentInnenaufsätzen – weitere Wortfolgefehler (die richtige Reihenfolge ist in Zahlen ausgedrückt): “… wenn1 man2 im Ausland5 als3 (ein) kleines Kind4 lebt6.” “... dass kleine Kinder besser2 eine Fremdsprache1 erwerben können.” “Wenn man eine Fremdsprache kennt, hat man viele Vorteile, z.B. die Chancen2 sind1 höher4 bei Beschäftigungen3.” “Ich glaube, dass (es) leichter1 eine Fremdsprache schon als Kind (zu) lernen ist2.” 11 3. Probleme und typische Fehler bei dem Übersetzen KroatischDeutsch anhand von Beispielen: Bei dem Übersetzen aus dem Kroatischen ins Deutsche kulminieren alle oben genannten Probleme und die Studierenden halten sich am liebsten an die Wort-zu-Wort Übersetzung, ohne Ausdrücke in ihrer Gesamtheit in die deutsche Sprache zu übertragen. Dabei kommt es dann ebenfalls zu den Fehlern, die schon bei den Aufsätzen auftauchen, allerdings kommen bei den Übersetzungen manchmal auch im Deutschen völlig unverständliche Sätze zustande, die man nur dechiffrieren kann, wenn man den Originaltext auf Kroatisch zu Hilfe nimmt. Hierbei habe ich die folgenden drei Hauptfehlerquellen identifiziert: 3. 1. Ausdrücke Beispiele aus Übersetzungen von StudentInnen: “Bloß 34% der Frauen gesteht offenherzig, dass sie auf einer Diät sind.” “… dass sogar 88% der Frauen ihren Freundinnen und dem Partner über ihre Konfektionsgröße lügen.” “Außer der Diät und Konfektionsgröße mögen die Frauen sehr auch über ihre Einkommen lügen.” “Wenn die Finanzen in Frage kommen…” Hier wurden die Ausdrücke wortwörtlich aus dem Kroatischen übernommen, und so kommen die oben angeführten Übersetzungen zustande: “biti na dijeti” = wörtl. “auf einer Diät sein” (eine Diät machen/halten) “lagati nekome (Dativ!!!)” = wörtl. “jemandem lügen” (jemanden (Akkusativ!!!) belügen) “vole lagati nekome” = wörtl. “mögen es jemandem zu lügen” (lügen gern) “nešto je u pitanju” = wörtl. “in Frage sein” (wenn es um … geht) Im Wörterbuch sind nur Übersetzungen einzelner Worte zu finden, Gesamtausdrücke findet man selten, so dass die Studierenden dann die 12 Ausdrücke und Phrasen aus einem Text auf die Weise übersetzen, dass sie sich die Übersetzungen einzelner Worte heraussuchen und diese dann aneinander reihen. 3. 2. Wort-zu-Wort Übersetzungen Als weiteres Problem stellen bei Übersetzungen vom Kroatischen ins Deutsche bestimmte Satzkonstruktionen dar, z.B. Partizipialkonstruktionen, die man nicht wortwörtlich ins Deutsche übersetzen kann, sondern bei denen man auf einen Nebensatz ausweichen muss, um einen verständlichen Satz zu produzieren. Beispiele aus Übersetzungen von StudentInnen: “Die dreitägige Konferenz über die Möglichkeiten der Hilfeanbietung für die armen Länder…” “Hervorhebend wie die Reform der Finanzinstitutionen…” “… aber die Welt ist über die Förderungsmethoden ihrer Arbeit geteilt, sagte der Primärsekretär der Vereinten Nationen, Ban Kimoon.” Die Studierenden haben hier einfach so übersetzt, wie es im kroatischen Text vorgegeben war. Da die deutsche Sprache gerne Wortzusammensetzungen nutzt, bietet es sich den Studierenden an, die Substantive aus dem Kroatischen einfach zusammenzusetzen. Hilfe anbieten wird dann zu Hilfeanbietung u.ä. “o načinima pružanja pomoći” = wörtl. über Möglichkeiten der Hilfeanbietung (besser: wie man den armen Ländern helfen kann) “ističući” = wörtl. hervorhebend (besser: wobei er hervorhob) “svijet je podijeljen” = wörtl. die Welt ist geteilt (besser: gespalten in ihrer Meinung) “glavni tajnik” = wörtl. Primärsekretär, bzw. Hauptsekretär (besser: Generalsekretär) Auch wenn es um Übersetzungen aus dem Deutschen ins Kroatische geht, tauchen häufig Probleme auf, denn Lexikologisch ist das kroatische Wortbildungssystem durch eine insgesamt sehr regelmäßige und produktive Wortableitung durch Präfigierung und/oder Suffigierung charakterisiert. Dadurch kann dem Bedarf an 13 lexikalischer Differenzierung und an kroatischen Neologismen problemlos Rechnung getragen werden. In ausgezeichneter Weise zeigt sich dies im wohlausgebauten Fachwortschatz der verschiedenen Fach- und Berufsbereiche. Hier hat das Deutsche mit seiner alten Tradition einer intensiven Pflege der Fachsprachen lange Zeit eine wesentliche Vorbildfunktion erfüllt. Im Unterschied zum Deutschen ist aber das Verfahren der Wortkomposition im Kroatischen kaum üblich, was bei Übersetzungen aus dem Deutschen ins Kroatische gelegentlich zu sprachlich aufwendigeren Syntagmen mit Adjektiven, abhängigen Substantiven, oder auch Nebensätzen führt. Diese sind aber im Gegensatz zu den oft syntaktisch nicht eindeutigen oder unbestimmten deutschen Komposita häufig eindeutig. (Auburger 2007, S. 6) 3.3. Auswahl des richtigen Ausdrucks im Wörterbuch Bei dem Übersetzen sind die DaF-Studierenden mit dem Problem konfrontiert, dass Sie für ein kroatisches Wort mehrere Übersetzungsmöglichkeiten im Wörterbuch finden, die natürlich vom Kontext und der Textart abhängen. Wenn sie sich vorher nicht mit authentischen deutschen Texten beschäftigt haben, können sie nur schwer den richtigen Ausdruck auswählen. Hinzu kommt, dass sie ein hohes Sprachbewusstsein haben müssen, um wirklich den richtigen Ausdruck für einen bestimmten Text aus einem bestimmten Fachbereich auszuwählen. Beispiele aus Übersetzungen von StudentInnen: “… indem der Bedarf aller Mitglieder berücksichtigt wird.” “… was nicht nur die Arbeit eines Menschen, eines Landes oder einer Ländermenge ist.” “Bloß 34% der Frauen gesteht offenherzig, dass sie auf einer Diät sind.” “Die Fachleute aus der Universität Oxford offenbarten in seiner letzten Forschung…” Hier haben die Studierenden aus einer Fülle von Angeboten im Wörterbuch treffsicher das falsche Wort gewählt (der richtige/bessere Ausdruck ist unterstrichen): “potreba” = Bedürfnis, Bedarf, Not, Notfall, Notwendigkeit, Erfordernis… 14 “skupina” = Gruppe, Haufen, Anhäufung, Menge “otvoren(o)” = offen, geöffnet, unerledigt, ungeklärt, offenherzig, aufrichtig, unbefangen, klaffend, öffentlich, frei… “otkriti” = entdecken, abdecken, aufdecken, enthüllen, offenbaren “istraživanje” = Forschung, Untersuchung, Forschen, Untersuchen, Nachforschung, Erkundung… Schlusswort Schaut man sich die Aufsätze und die Übersetzungen der Studierenden an, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass ähnliche, bzw. gleiche Fehler sowohl in den Aufsätzen, als auch in den Übersetzungen vorkommen. Dies gründet sich in der Annahme, dass auch die Aufsätze eine Übersetzung, zwar nicht eines vorgegebenen Textes, aber eben eines im Kopf vorformulierten Gedankens darstellen. Außerdem stößt man bei der Korrektur der Aufsätze und Übersetzungen auf immer wiederkehrende Fehler bei der Mehrzahl der deutschstudierenden Kroaten. Werden dann Übungen zu gewissen grammatischen und syntaktischen Strukturen gemacht, können die Studierenden die Übungen meist gut und fast fehlerfrei lösen, allerdings können sie das Geübte schlecht übertragen, wenn sie frei einen Text schreiben sollen oder einen vorgegebenen Text übersetzen sollen. Festgestellt habe ich bei Befragung der Studierenden im Bezug auf ihre Übersetzungen auch, dass die meisten Studierenden Angst haben, die Texte frei zu übersetzen, da sie meinen dadurch vielleicht den Sinn, bzw. die Bedeutung des Originaltextes zu verfälschen. Daher halten sie sich lieber an Wort-zu-Wort Übersetzungen, da sie der Überzeugung sind, damit weniger Fehler vom Sinngehalt her zu machen. Wenige sind in der Lage den Originaltext zu lesen und dann den Text sinngemäß in die Zielsprache zu übersetzen. Eine Hilfe, die man Studierenden anbieten kann ist z.B. die Anfertigung von Glossaren zu bestimmten Themen- und Fachbereichen, in denen ganze Phrasen und Ausdrücke mit den adäquaten deutschen Übersetzungen zu finden sind. Von Vorteil ist es auch, die Studierende solche Glossare selbst erstellen zu lassen, wobei es dann allerdings von Nöten ist diese zu kontrollieren und ggf. zu 15 korrigieren. Mit einer solchen Hilfe fällt es den Studierenden leichter Fehler zu vermeiden, Fachausdrücke wiederzuerkennen und korrekt in die Zielsprache zu übersetzen. Das Übersetzen ist eine Wissenschaft für sich, die sehr viel Sprachgefühl voraussetzt und eine sehr gute Beherrschung beider Sprachen, sowohl der Ausgangssprache, als auch der Zielsprache, in die übersetzt wird verlangt. Übersetzen bedeutet nicht einfach die einzelnen Worte aus der einen in die andere Sprache zu übertragen. Übersetzen stellt einen viel komplexeren Transfer dar, denn alle inhaltlichen, informativen und stilistischen Werte des Originals müssen in der Zielsprache möglichst adäquat wieder hergestellt werden. Schaut man sich die Übersetzungstheorie von Reiß und Vermeer in Grundlagen einer allgemeinen Translationstheorie an, so wird dort betont, dass Translation nicht nur ein sprachlicher, sondern immer auch ein kultureller Transfer ist. (Reiß/Vermeer 1991, S.4) Somit müsste man auch die Kultur der Zielsprache gut kennen, um eine gelungene Übersetzung anfertigen zu können. Womit man dann schon auf die nächste Schwierigkeit stößt, denn schwer lässt sich beurteilen, ob eine Übersetzung gelungen oder misslungen ist, denn man muss auch immer das Zielpublikum beachten, für das die Übersetzung angefertigt wurde. Bei der Korrektur der StudentInnen-Übersetzungen kann man klar unterscheiden, ob eine Übersetzung gut oder schlecht ist, wenn man die Kriterien klar definiert hat. Die Übersetzungen der Studierenden kann man natürlich nicht mit professionellen Übersetzungen vergleichen, wichtig ist, dass der deutsche Text „lesbar“ ist, d.h. dass er grammatikalisch und syntaktisch keine gravierenden Fehler aufweist, dass Fachausdrücke aus bestimmten Themenbereichen, die im Unterricht behandelt wurden und für die ein Glossar angefertigt wurde, erkannt und richtig übersetzt wurde, und dass es keine Sinnveränderungen in der Übersetzung gibt, d.h. dass Sätze ins Gegenteil verdreht wurden, oder das Teile oder der ganze Text in der deutschen Übersetzung eine andere Bedeutung aufweisen. Was das Schreiben von Aufsätzen angeht, erweist es sich als hilfreich zunächst nur Teile von Aufsätzen schreiben zu lassen, d.h. nur eine Einleitung oder einen Schlussteil, wobei man Tipps zu gängigen Ausdrücken und Schreibstilen geben sollte. Ebenso ist es hilfreich Ausdrücke zur Verfügung zu stellen mit denen man seine Meinung ausdrücken kann usw. Diese Ausdrücke werden von den Studierenden 16 dann auch in dieser Weise verwendet und Fehler werden vermieden, denn es wird nicht mehr aus der Muttersprache übersetzt, sondern die feststehenden Ausdrücke werden benutzt. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sollen die Fortschritte der einzelnen Studierenden untersucht werden, um herauszufinden, wie sich die Studierenden vom ersten Studienjahr bis zum Ende des Bachelorstudiums entwickeln. Durch einen Vergleich ihrer Aufsätze im zweiten und im dritten Studienjahr soll überprüft werden, ob sie weiterhin dieselben Fehler machen, oder ob gewisse Fehler, die sie am Anfang gemacht haben, nun nicht mehr auftreten und bis zu welchem Grade die Studierenden in der Lage sind, solche Fehler zu erkennen und zu vermeiden. 17 Literaturverzeichnis 1.) Leopold Auburger: Einführende Darstellung von Bau und Geschichte der kroatischen Literatursprache sowie der sprachpolitischen Episode des Serbokroatismus. In: Warum Kroatisch? – Stand und Perspektiven der kroatischen Sprache in NRW, Tagung der Volkshochschule Duisburg, Hg. von: Internationales Zentrum in Zusammenarbeit mit dem Bund der Kroaten Duisburg e.V., S. 1-23, hier S. 5,6 2.) Christina Roeske: Typisch serbisch – kroatisch – bosnisch! In: Typisch ...! Studentische Beiträge des Seminars Maik Walter. http://[email protected] (Stand 29.09.2009) 3.) Lilija Kalaschnikowa: Probleme der Interferenzerscheinungen im Tertiärsprachenunterricht. In: Schriftenreihe Deutsch als Fremdsprache II Tagungsdokumentation 2, Hg. von: Gerhard Neuner und Ute Koithan, S. 75-86, hier S.76 4.) Ute Koithan: Eine Fernstudieneinheit entsteht. In: Schriftenreihe Deutsch als Fremdsprache II Tagungsdokumentation 2, Hg. von: Gerhard Neuner und Ute Koithan, S. 75-86, hier S.139 5.) Katharina Reiß, Hans J. Vermeer: Grundlagen einer allgemeinen Translationstheorie, 2. Auflage, Tübingen 1991, S.4 18