3. Vorlesung: Elementare Beweismethoden - KIT

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1
Mathematisches Institut II
Universität Karlsruhe
Priv.-Doz. Dr. N. Grinberg
22.06.2004
SS’05
Schnupperkurs: Ausgewählte Methoden zur Aufgabenlösung
Vorlesung 3: Elementare Beweismethoden: Direkter Beweis,
Widerspruchbeweis, die vollständige Induktion
• Benutzte Literatur:
1. I. S. Sominskij, L. I. Golovina, I. M. Jaglom, Die vollständige Induktion.
2. Arthur Engel, Problem-Solving Strategies
3. Verschiedene Mathematik-Wettbewerbe
Eine Behauptung X gilt in Mathematik als bewiesen, wenn eine endliche Kette von
logisch korrekten Implikationen
{A1 , ..., An } =⇒ B1 =⇒ ... =⇒ Bm =⇒ X,
(1)
vorhanden ist, an derem Anfang eine Menge {A1 , ..., An } von Axiomen steht, und am
Ende die Behauptung X. Bei jedem Schritt darf man natürlich auch weitere Axiome
anwenden.
Als eine Variante von (1) wird oft eine Kette
X ⇐⇒ C1 ⇐⇒ ... ⇐⇒ Cm ⇐⇒ {A1 , ..., An }
(2)
von logisch äquivalenten Behauptungen konstruiert, an derem Anfang die Behauptung
X und am Ende eine Menge {A1 , ..., An } von Axiomen steht. Für den Beweis von X ist
die Kette (2) zwar hinreichend, aber nicht notwendig, da man eigentlich nur Implikationen
in Richtung ”Axiome =⇒ Behauptung” braucht.
Achtung! Ist eine der Implikationen im Schema (2) keine Äquivalenz, so ist die Behauptung nicht bewisen (und womöglich auch falsch).
Beispiel 3.1. X = ”2 = −2”. ”Beweiskette”
2
”2
= (−2)2 ” ⇐⇒ ”4
= 4”}.
| {z
| ={z−2”} =⇒ ”2
|
{z
}
X
C
A
Die letzte Behauptung ”4 = 4” ist ein Axiom, daher richtig. Die Kette liefert aber keinen
Beweis dafür, dass 2 = −2 ist, da die erste Implikation keine Äquivalenz ist (aus a = b
folgt zwar a2 = b2 , aber aus a2 = b2 folgt nicht a = b).
2
1
Direkter Beweis
Man spricht von einem direkten Beweis, falls die Implikationenkette relativ kurz und
transparent ist und wenn keine speziellen Techniken verwendet werden.
Aufgabe 3.2. Zeigen Sie, dass (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 ist.
Lösung: Es gilt A1 : (a + b) x = ax + bx bzw. y (a + b) = ya + yb (Distributivgesetz),
sowie A2 : xy = yx (Kommutativgesetz). Man hat also
+ ba} + b2 = a2 + 2ab + b2 .
b (a + b) = a2 + ab
(a + b)2 = (a + b) (a + b) = |{z}
a (a + b) + |{z}
| {z
| {z }
x
y2
y1
Axiom A2
Aufgabe 3.3. Beweisen Sie für positive x, y die AM-GM-HM-Ungleichung
x+y √
≥ xy ≥
2
1
x
2
.
+ y1
Lösung: Für√jede reelle Zahl z ist z 2 ≥ 0 (folgt aus der Axiom (−u)2 = u2 ). Insbesondere
√
gilt für z = x − y :
¡√
x−
√ ¢2
√
y = x − 2 xy + y ≥ 0.
Daraus folgt
und
x+y
2
≥
√
√
x + y ≥ 2 xy
(3)
xy (AM-GM). Ferner folgt aus (3)
√
xy ≥
2xy
=
x+y
1
x
2
,
+ y1
was mit GM-HM-Ungleichung übereinstimmt.
2
Widerspruchbeweis (indirekter Beweis)
Ein indirekter Beweis (auch Widerspruchbeweis genannt) einer Behauptung X ist eine
endliche Kette von logisch korrekten Implikationen
X =⇒ B1 =⇒ ... =⇒ Bm =⇒ W = A,
an derem Anfang die Negation der Behauptung X steht, und am Ende ein Widerspruch
(d. h. die Negation A eines Axioms).
Bei der Formulierung der Negation X zu X muss man stets die Formel X = ”X ist falsch”
benutzen, und nicht irgendeine Teilnegation. So ist zu X =”Alle Schafe sind schwarz”
die richtige Negation X =”Nicht alle Schafe sind schwarz”, und nicht etwa ”Alle Schafe
3
sind weiß” oder ”Alle Schafe sind nicht schwarz”. Weitere Beispiele:
Behauptung X
Jede
√ Zahl ist gerade
2 ist irrational
A>B
C.Schiffer ist blond
(x + y)2 = x2 + y 2
Herr A. hat einen Sohn
15|4
richtige Negation X
Nicht √
jede Zahl ist gerade
2 ist rational
A≤B
C.Schiffer ist nicht blond
(x + y)2 6= x2 + y 2
Herr A. hat keinen Sohn
15 - 4
falsche Negation
Jede
√ Zahl ist ungerade
3 ist irrational
A<B
C.Schiffer ist rothaarig
(x + y)2 = x2 + 2xy + y 2
Herr A. hat eine Tochter
15|3
Aufgabe 3.4. Beweisen Sie, dass es unendlich viele Primzahlen gibt.
Lösung: a)Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es gibt nur endlich
viele Primzahlen; sei J die Anzahl dieser Primzahlen. Wir listen alle Primzahlen aufsteigend auf: p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5, p4 = 7, ...., bis pJ , und bilden das Produkt
N=
J
Y
pk = p1 · p2 · ... · pJ−1 · pJ .
k=1
Offensichtlich ist dieses Produkt N durch jede Primzahl teilbar. Dann ist die Zahl N + 1
durch keine Primzahl teilbar, und daher selber eine Primzahl. Diese Primzahl ist in der
obigen Liste nicht aufgelistet, da N + 1 > pJ ist. Das ergibt einen Widerspruch, da wir
angenommen haben, dass unsere Liste alle Primzahlen enthält.
Aufgabe 3.5. Gegeben seien drei irrationale Zahlen. Zeigen Sie, daß es unter diesen
drei Zahlen zwei gibt, deren Summe auch irrational√
ist.
√
Beispiel: Unter den drei
irrationalen
Zahlen
2
+
π,
2
und
3
−
2 haben beispielsweise
√
2
die
√ Zahlen√2 + π und 2 eine irrationale Summe. Unter den drei irrationalen Zahlen π ,
2 und 7 3 haben je zwei eine irrationale Summe.
Lösung: a) Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Wir nehmen an, daß es unter
unseren drei irrationalen Zahlen keine zwei gibt, deren Summe irrational ist; das heißt,
je zwei von unseren drei Zahlen haben eine rationale Summe. Bezeichnen wir unsere drei
irrationalen Zahlen mit x, y und z, dann sind also die Summen a = y + z, b = z + x und
c = x + y alle rational. Nun ist
b+c−a
(z + x) + (x + y) − (y + z)
=
.
2
2
Da die Zahlen a, b und c rational sind, muß also auch die Zahl x rational sein; das steht
im Widerspruch zu unserer Voraussetzung, daß die Zahlen x, y und z alle irrational sind.
x=
Aufgabe 3.6. Wir betrachten auf der Ebene ein rechtwinkliges (kartesisches) Koordinatensystem. Ein Punkt heißt Gitterpunkt, wenn seine beiden Koordinaten in diesem
Koordinatensystem ganzzahlig sind.
Man zeige: Es gibt kein gleichseitiges Dreieck, dessen alle drei Ecken Gitterpunkte sind.
Lösung: Wir betrachten die Konfiguration auf dem Bild.
4
F
C
E
B
D
A
Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Wir nehmen an, dass A, B und C Gitterpunkte sind und das Dreieck ABC gleichseitig ist. O. B. d. A. seien die Punkte so
angeordnet wie im obigen Bild. Bei anderen Fällen verlaufen die Überlegungen analog.
Weil A, B und C Gitterpunkte sind, sind alle Längen |AD| = |F E| , |AF | = |DE| ,
|F C| , |CE| , |DB| und |EB| ganzzahlig, also auch rational. Wir bezeichnen die Länge
der Seite |AB| mit a. Es gilt:
a2 = |AD|2 + |DB|2 ∈ Q.
Die Fläche F des Dreiecks ABC wird durch
√
√ 2
3a
3a
1
F (ABC) = ·
·a=
2
2
4
gegeben und ist damit irrational. Jetzt aber haben wir:
F (ABC) = F (ADEF ) − F (ADB) − F (BEC) − F (ACF )
1
1
1
= |AD| · |EF | − |AD| · |DB| − |BE| · |EC| − |AF | · |F C| .
2
2
2
Das ist eine rationale Zahl. Das ergibt einen Widerspruch.
3
Die vollständige Induktion
Sei Xn eine Behauptung, die einen abzählbaren Parameter n ≥ n0 enthält (z.B. X =
”n3 − 1 ist durch n − 1 teilbar). Das Induktionsprinzip oder Induktionsaxiom
besagt:
• Sei X für n0 richtig (der Induktionsanfang ). Ferner sei für jedes k ≥ n0 die
Implikation Xk =⇒ Xk+1 richtig (der Induktionsschritt). Dann ist Xn für jedes
n richtig.
• Als eine Variante des Induktionsschrittes kann man die Implikation {Xn0 , ..., Xk } =⇒
Xk+1 nehmen.
5
3.1
Vorlesungsbeispiele
Beispiel 3.7. Das Eulersche Polynom x2 + x + 41 liefert bei x = 1, 2, ..., 39 nur
Primzahlen; damit hat man mehr Möglichkeiten als nötig für den Induktionsanfang.
Bei x = 40 erhält man aber x2 + x + 41 = 412 , also keine Primzahl. Hier würde der
Induktionsschritt nicht klappen.
Beispiel 3.8. Man betrachte die Summe
Sn =
1
1
1
+
+ ... +
.
1·2 2·3
(n − 1) n
Die Behauptung Sn < 12 − n1 ist falsch. Zwar funktioniert der Induktionsschritt von
n = k auf n = k + 1 sehr wohl: aus Sk < 12 − k1 folgt
Sk+1 = Sk +
1
1 1
1
1 1 − (k + 1)
1
1
< − +
= +
= −
.
k (k + 1)
2 k k (k + 1)
2
k (k + 1)
2 k+1
Aber der Induktionsanfang S1 =
1
1·2
<
1
2
−
1
1
ist offensichtlich falsch.
Beispiel 3.9. Die Ungleichung x2 + 1 ≥ 2x für alle x ≥ 0 ist zwar richtig, kann aber mittels vollständiger Induktion nicht bewisen werden. Hier fehlt nämlich abzählbarer
Parameter, nach dem man Induktion führen könnte.
Aufgabe 3.10. Sei G ein konvexes n-Eck. Beweisen Sie folgende Behauptungen:
a). Jede Triangulierung von G hat genau n − 2 Dreiecke.
b). Die Summe der inneren Winkel von G beträgt (n − 2) π.
Bemerkung: Unter einer Triangulierung eines Vielecks verstehen wir eine Zerlegung des
Vielecks in Dreiecke, die sich nicht überlappen, zusammen lückenlos das Vieleck abdecken,
und deren Ecken gleichzeitig Ecken des Vielecks sind.
Lösung: Der Induktionsanfang n = 3 ist für beide Behauptungen offensichtlich.
a). Induktionsschritt: Angenommen, die Behauptung gilt für alle n ≤ k, d. h. für
jedes n ≤ k hat jede Triangulierung eines konvexen n-Ecks genau n − 2 Dreiecke. Wir
zeigen nun, daß dies auch für n = k + 1 gilt.
Wir betrachten eine Diagonale, die zur Triangulierung gehört. Diese Diagonale teilt G
in ein n1 -Eck und ein n2 -Eck. Dabei gilt: k + 1 = n = n1 + n2 − 2 und n1 ≤ k und
n2 ≤ k. Laut Induktionsannahme hat das triangulierte n1 -Eck n1 − 2 Dreiecke, und das
triangulierte n2 -Eck n2 − 2 Dreiecke. Somit hat die Triangulierung des gesamten n-Ecks
(n1 − 2) + (n2 − 2) = n1 + n2 − 4 = (n1 + n2 − 2) − 2 = n − 2
Dreiecke.
b). Induktionsschritt: Im Wesentlichen verläuft der Induktionsschritt wie im Teil
(a): Mit einer Diagonale teilen wir unser n-Eck G in ein n1 -Eck und ein n2 -Eck. Dabei
gilt: n = n1 + n2 − 2. Laut Induktionsvoraussetzung ist die Summe der Winkel des
n1 -Ecks gleich (n1 − 2) π, und die des n2 -Ecks gleich (n2 − 2) π. Die Summe der Winkel
6
des n-Ecks G erhält man nun, indem man diese beide Summen zusammenaddiert; sie ist
somit
(n1 − 2) π + (n2 − 2) π = (n1 + n2 − 4) π = (n − 2) π.
Bemerkung: Ein anderer Beweis von (b) ergibt sich leicht aus einer Triangulierung
mithilfe von (a).
Aufgabe 3.11. Man berechne die Summe Sn der ersten n ungeraden Zahlen.
Lösung: Es ist S1 = 1, S2 = 1 + 3 = 4, S3 = 1 + 3 + 5 = 9. Wir beweisen, dass Sn = n2
für jedes natürliche n ist. Der Induktionsanfang n = 1 ist bewiesen.
Induktionsschritt: Es sei Sk = k 2 . Dann ist
Sk+1 = Sk + (2k + 1) = k 2 + 2k + 1 = (k + 1)2 .
Die Formel ist nun für n = k + 1 bewiesen.
Aufgabe 3.12. Bernoullische Ungleichung. Man beweise, dass
(1 + α)n > 1 + nα
gilt, wenn α > −1, α 6= 0 und n eine natürliche Zahl größer 1 ist.
Lösung: a). Induktionsanfang: Für n = 2 gilt (1 + α)2 = 1 + 2α + α2 > 1 + 2α.
Induktionsschritt: Angenommen, die Bernoullische Ungleichung gelte für ein n = k.
Es sei also (1 + α)k > 1 + kα. Dann ist
(1 + α)k+1 = (1 + α)k (1 + α) > (1 + kα) (1 + α)
= 1 + (k + 1) α + kα2 > 1 + (k + 1) α.
Somit ist die Ungleichung für n = k + 1 bewiesen.
Bemerkung: Die Bernoullische Ungleichung gilt auch für reellwertige n, aber in diesem
Fall kann man die Behauptung nicht mehr durch vollständige Induktionbeweisen.
3.2
Übungsaufgaben
Aufgabe 3.13.
Man beweise,³ dass ´die Summe der dritten Potenzen der ersten n
2
natürlichen Zahlen gleich Kn = n(n+1)
ist.
2
¡ ¢2
Lösung: Induktionsanfang: K1 = 1 = 1·2
.
³
´2 2
Induktionsschritt: Es sei Kk = k(k+1)
. Dann ist
2
µ
Kk+1
¶2
µ
k2
+ (k + 1) = (k + 1)
+k+1
= Kk + (k + 1) =
4
µ
¶2
2
(k + 1)2 (k + 2)2
(k + 1) (k + 2)
2 k + 4k + 4
= (k + 1)
=
=
.
4
4
2
3
k (k + 1)
2
3
2
¶
7
Die Formel ist nun für n = k + 1 bewiesen.
Aufgabe 3.14. Sei M eine endliche Menge mit m = |M | Elementen. Wir bezeichnen
mit P (M ) die Potenzmenge von M, d. h. die Menge, die aus allen Teilmengen von
M besteht (inklusive M selbst sowie die leere Menge). Berechnen Sie die Mächtigkeit
|P (M )| von der Menge P (M ) .
Lösung: Betrachten wir die leere Menge M = ∅, für die ja |M | = 0 ist. Die Potenzmenge P (M ) besteht dann aus einem einzigen Element: P (M ) = {∅} . Also ist |P (M )| =
1 = 2|M | .
Für M = {a} ist P (M ) = {∅, {a}} , also |P (M )| = 2 = 2|M | .
Wir behaupten, dass für jedes n ∈ N gilt:
|P (M )| = 2|M | .
(4)
Betrachten wir eine Menge M = {a1 , a2 , ..., am } . Jeder Teilmenge M 0 ⊂ M entspricht
eine Folge
½
0, wenn aj ∈
/ M 0,
0
f (M ) = (ε1 , ..., εm ) mit εj =
1, falls aj ∈ M 0 .
Umgekehrt entspricht jeder Folge ε = (ε1 , ..., εm ) mit εj ∈ {0, 1} eine Teilmenge M 0 mit
f (M 0 ) = ε. Wir bezeichnen die Menge aller solchen ε-Folgen mit Em . Die Abbildung
f : P (M ) → Em ist bijektiv. Daher gilt
|P (M )| = |Em | .
Wir können jetzt (4) in der Form
|Em | = 2m
(5)
umschreiben. Zum Beweis führen wir vollständige Induktion nach m.
Induktionsanfang: E1 = {(0) , (1)} und |E1 | = 2 = 21 .
Induktionsschritt: Sei (5) für m = k erfüllt. Betrachten wir nun Ek+1 . Wir teilen
Ek+1 ein in zwei disjunkte Teilmengen
X = {(ε1 , ..., εk+1 ) : εj = 0 oder εj = 1 für j = 1, ..., k, εk+1 = 0} und
Y = {(ε1 , ..., εk+1 ) : εj = 0 oder εj = 1 für j = 1, ..., k, εk+1 = 1} .
Dann gilt
I.V.
|X| = |Y | = |Ek | = 2k
und
|Ek+1 | = |X| + |Y | = 2 · 2k = 2k+1 .
Somit haben wir (5) für m = k + 1 bewiesen.
Aufgabe 3.15. Auf der Ebene sind n Geraden gezeichnet, die die Ebene in Gebiete
zerteilen. Beweisen Sie, dass man jedes Gebiet (ohne Rand) in einer der beiden Farben rot
und blau färben kann, so dass benachbarte Gebiete (d. h. Gebiete, die eine gemeinsame
Kante haben) stets unterschiedliche Farben haben.
8
Lösung: Wir führen den Beweis nach der vollständigen Induktion.
Induktionsanfang: Für n = 1 gibt es genau 2 Gebiete. Das erste färbt man rot, das
andere blau.
Induktionsschritt: Wir nehmen nun an, die Behauptung gelte für ein bestimmtes
n = k, mit k ≥ 1; nun werden wir zeigen, daß diese Behauptung auch für n = k + 1
gültig ist. Wir nennen eine Färbung richtig, falls Nachbargebiete stets unterschiedliche
Farben haben. Jetzt entfernen wir vorübergehend eine von den k + 1 Geraden, und
färben die Gebiete, die die restlichen k Geraden gebildet haben, richtig (dies ist nach
der Induktionsannahme möglich). Jetzt fügen wir die letzte Gerade l wieder hinzu. Sie
teilt die Ebene in zwei Halbebenen H1 und H2 ein. In der neuen Konfiguration gibt es
Gebiete A1 , ..., Ap , die sich nicht mit l schneiden und komplett in H1 liegen. Es gibt auch
Gebiete C1 , ..., Cq , die sich nicht mit l schneiden und komplett in H2 liegen. Es gibt nun
auch einige Gebiete, die von l in zwei Teile zerschnitten werden. Diese letzteren Gebiete
bezeichnen wir mit B1 , ..., Br . Für jedes solche Gebiet Bl nennen wir Bl,1 denjenigen Teil
von Bl , der in H1 liegt, und Bl,2 den Teil, der in H2 liegt. Jetzt definieren wir die neue
Färbung wie folgt:
· Die Gebiete A1 , ..., Ap ändern ihre Farbe nicht;
· Die Gebiete C1 , ..., Cq wechseln ihre Farbe;
· Die Gebiete Bl,1 bekommen die Farbe von Bl .
· Die Gebiete Bl,2 bekommen die Gegenfarbe von Bl .
Alte Konfiguration:
richtige Färbung
Neue Konfiguration: alte
Färbung
Neue Konfiguration:
richtige Färbung
Es ist leicht zu sehen, dass diese neue Färbung an den alten Grenzen richtig bleibt. Die
neuen Grenzstrecken sind nur die zwischen Bl,1 und Bl,2 . Diese Gebiete haben jeweils
verschiedene Farben; daher ist die Färbung richtig.
3.3
Schwieriegere Aufgaben
*Aufgabe 3.16. Der Satz von Moivre. Man zeige, dass für jede natürliche Zahl n
die Beziehung
(cos x + i sin x)n = cos nx + i sin nx
gilt.
Lösung: Induktionsanfang: Für n = 1 bekommt man eine Tautologie.
9
Induktionsschritt: Angenommen, der Satz von Moivre gelte für ein n = k. Es sei also
(cos x + i sin x)k = cos kx + i sin kx. Dann ist
(cos x + i sin x)k+1 = (cos x + i sin x)k (cos x + i sin x) = (cos kx + i sin kx) (cos x + i sin x)
= cos kx · cos x − sin kx · sin x + i sin kx · cos x + i cos kx · sin x
= cos (kx + x) + i sin (kx + x) = cos (k + 1) x + i sin (k + 1) x.
Die Formel ist nun für n = k + 1 bewiesen.
*Aufgabe3.17. Man beweise für jedes natürliche n > 1
√
1
1
1
√ + √ + ... + √ > n.
n
1
2
Lösung: Induktionsanfang: Für n = 2 gilt
√
√
√
1
1
2
2
2 √
√ + √ =1+
>
+
= 2.
2
2
2
1
2
Induktionsschritt: Es sei die Ungleichung für n = k erfüllt. Dann ist
µ
¶
1
1
1
1
1
1
1
√ + √ + ... + √
= √ + √ + ... + √
+√
k+1
k+1
1
2
1
2
k
√
I.V. √
1
> k+√
> k + 1,
k+1
weil
√
k+1−
√
³√
k=
√ ´ ³√
√ ´
k+1− k
k+1+ k
1
1
√
√ <√
=√
√
k+1
k+1+ k
k+1+ k
ist. Somit ist die Ungleichung für n = k + 1 bewiesen.
*Aufgabe 3.18. Man betrachte 2n + 1 Punkte A1 , A2 , ..., A2n+1 auf dem Einheitskreis,
die alle zu der oberen Halbebene gehören. Beweisen Sie, dass die Länge der Vektor−→ −−→
−−−−−→
summe OS = OA1 + ... + OA2n+1 größer oder gleich 1 ist. Dabei sei O das Zentrum des
Einheitskreises.
Lösung: Induktionsanfang: Für einen einzigen Einheitsvektor (n = 0) ist die Aussage offensichtlich.
Induktionsschritt: Angenommen, diese Behauptung stimmt für n = k − 1. Betrachten
wir nun 2k + 1 Punkte. O. B. d. A. seien A1 und A2k+1 der erste bzw. der letzte Punkt,
durch den wir hindurchgehen, wenn wir den oberen Halbkreis des Einheitskreises gegen
−−→
−−→ −−−−→
den Uhrzeigersinn durchlaufen. Die Vektorsumme OS 0 = OA1 + OA2k+1 halbiert den
Winkel ]A1 OA2k+1 . Die restlichen 2 (k − 1) + 1 Punkte A2 , ..., A2k haben die Summe
−−→00
−−→
−−−→
−−→
−−−−→
OS = OA2 + ... + OA2k , die in dem Winkelfeld zwischen OA1 und OA2k+1 liegt, und
10
−−→
−−→
deren Länge größer gleich 1 ist. Daher ist der Winkel zwischen OS 0 und OS 00 spitz.
Dementsprechend gilt
¯−−→ −−→¯ ¯−−→¯ I.V.
¯ 0
¯ ¯
¯
¯OS + OS 00 ¯ ≥ ¯OS 00 ¯ ≥ 1.
Die Behauptung ist somit für n = k bewiesen.
*Aufgabe 3.19. Man vereinfache das Polynom
pn (x) = 1 −
x
x (x − 1)
x (x − 1) ... (x − n + 1)
+
− ... + (−1)n
1!
2!
n!
Lösung: Wir berechnen die ersten drei Polynome:
p1 (x) = 1 − x;
³
x (x − 1)
x ´ (x − 1) (x − 2)
=
= (x − 1) −1 +
,
2
2
2 µ
¶
3 x
(x − 1) (x − 2) x (x − 1) (x − 2)
p3 (x) =
−
= (x − 1) (x − 2)
−
2
6
6 6
(x − 1) (x − 2) (x − 3)
=−
.
6
p2 (x) = 1 − x +
Man entwickelt die Vermutung, dass
pn (x) = (−1)n
(x − 1) (x − 2) ... (x − n)
n!
ist. Wir beweisen diese Formel induktiv. Den Induktionsanfang haben wir schon
durchgeführt (n = 1, 2, 3). Angenommen, die Formel gilt für n = k. Dann ist
x (x − 1) ... (x − k)
(k + 1)!
(x − 1) (x − 2) ... (x − k)
x (x − 1) ... (x − k)
I.V.
= (−1)k
+ (−1)k+1
k!
(k + 1)!
µ
¶
(x − 1) (x − 2) ... (x − k)
x
= (−1)k
1−
k!
k+1
(x − 1) (x − 2) ... (x − k) k + 1 − x
= (−1)k
k!
k+1
(x
−
1)
(x
−
2)
...
(x
−
k)
(x
− k − 1)
= (−1)k+1
,
(k + 1)!
pk+1 (x) = pk (x) + (−1)k+1
womit die Formel für n = k + 1 gezeigt ist.
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