TÜRKISCHE REPUBLIK UNIVERSITÄT ÇUKUROVA INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN ABTEILUNG FÜR DEUTSCHDIDAKTIK ZUR BEZIEHUNG ZWISCHEN DER MOTIVATION UND DEM FREMDSPRACHENVERLUST NACH DER VORBEREITUNGSKLASSE BEI STUDIERENDEN IN DER ABTEILUNG FÜR DEUTSCHLEHRERAUSBILDUNG Bahar ALBAYRAK MAGISTERARBEIT ADANA, 2006 TÜRKISCHE REPUBLIK UNIVERSITÄT ÇUKUROVA INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN ABTEILUNG FÜR DEUTSCHDIDAKTIK ZUR BEZIEHUNG ZWISCHEN DER MOTIVATION UND DEM FREMDSPRACHENVERLUST NACH DER VORBEREITUNGSKLASSE BEI STUDIERENDEN IN DER ABTEILUNG FÜR DEUTSCHLEHRERAUSBILDUNG Bahar ALBAYRAK BETREUER Ass. Prof. Dr. Ergün SERİNDAĞ MAGISTERARBEIT ADANA, 2006 Çukurova Üniversitesi Sosyal Bilimler Enstitüsü Müdürlüğüne, Bu çalışma, jürimiz tarafından Alman Dili Egitimi Anabilim Dalında YÜKSEK LİSANS TEZİ olarak kabul edilmiştir. Başkan Yrd. Doç. Dr. Ergün SERİNDAĞ (Danışman) Üye Prof. Dr. Tahir BALCI Üye Yrd. Doç. Dr. Sabahattin ÇAM ONAY Yukarıdaki imzaların, adı geçen öğretim elemanlarına ait olduklarını onaylarım. ...../..../.... Prof. Dr. Nihat KÜÇÜKSAVAŞ (Enstitü Müdürü) Not: Bu tezde kullanılan özgün ve başka kaynaktan yapılan bildirişlerin, çizelge, şekil ve fotoğrafların kaynak gösterilmeden kullanımı, 5846 Sayılı Fikir ve Sanat Eserleri Kanunu’ndaki hükümlere tabidir. An die Leitung der Universität Çukurova Institut für Sozialwissenschaften, wir bestätigen, dass diese Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister zufrieden stellend ist. Vorsitzender Ass. Prof. Dr. Ergün SERİNDAĞ (Betreuer) Mitglied Prof. Dr. Tahir BALCI Mitglied Ass. Prof. Dr. Sabahattin ÇAM GENEHMIGUNG Die Unterschriften gehören den Lehrkräften, die oben angegeben sind. ...../..../.... Prof. Dr. Nihat KÜÇÜKSAVAŞ (Leiter des Instituts) Anmerkung: Der nicht zitierte Verbrauch der Reports, Diagramme, Abbildungen, Fotographien in dieser Arbeit, ob original oder veranschlagen von anderen Quellen, abhängig von dem Gesetz der Kunstwerke und Gedanke Nr. 5846. iv ÖZET ALMANCA ÖĞRETMENLİĞİ HAZIRLIK SINIFI ÖĞRENCİLERİNİN YABANCI DİL KAYIPLARI İLE MOTİVASYONLARI ARASINDAKİ İLİŞKİ Bahar ALBAYRAK Yüksek Lisans Tezi , Alman Dili ve Eğitimi Anabilim Dalı Danışman : Yrd.Doç. Dr. Ergün SERINDAĞ Aralk 2006, 116 sayfa Bu çalışmada yabancı dil kaybı ile motivasyon arasındaki ilişki teorik ve deneysel bağlamda kurulmuştur. Bir tartışılmaya çalışılmıştır. Çalışma iki ana konu üzerine taraftan yabancı dil kaybı alanındaki doğrultusunda geliştirilmiş olan unutma teorileri ve araştırmalar hipotezleri üzerinde durulurken, diğer taraftan motivasyon faktörünün yabancı dil kaybına etkisinin önemi üzerinde yoğunlaşılmıştır.Yabancı dil kaybı alanındaki araştırmaların gelişimi ve gelişiminde ulaşılan belli noktalar ile ilgili bu araştırmaların belli başlı özellikleri üzerinde durulmuştur. Motivasyon faktörünün ve ilgili kavramların tanımlanmasından sonra bu faktörün yabancı dil öğrenim sürecine etkisi vurgulanmıştır. Çalışmanın deneysel kısmında problem cümlelerine cevap aranması koşulluyla motivasyonun yabancı dil kaybına önemli ölçüde bir etkisi olduğu görülmüstür. Anahtar Kelimeler : Yabancı dil kaybı, motivasyon ,unutma , unutma teorileri, yabancı dil kaybı araştırmaları. v ZUSAMMENFASSUNG ZUR BEZIEHUNG ZWISCHEN DER MOTIVATION UND DEM FREMDSPRACHENVERLUST NACH DER VORBEREITUNGSKLASSE BEI STUDIERENDEN IN DER ABTEILUNG FÜR DEUTSCHLEHRERAUSBILDUNG Bahar ALBAYRAK Magisterarbeit , Abteilung für Deutschlehrerausbildung Betreuer : Ass. Prof. Dr. Ergün SERİNDAĞ Dezember 2006, 116 Seiten In dieser Arbeit wurde das Verhältnis zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem affektiven Faktor Motivation theoretisch und empirisch beleuchtet. Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit zwei Themenkomplexen. Zum einen wurde die Fremdsprachenverlustforschung und deren Theorien und Hypothesen mit dem Phänomen Vergessen bearbeitet. Zugleich stützte sich diese Arbeit auf den affektiven Faktor Motivation, deren Wichtigkeit für das Fremdsprachenerlernen und auch für den Verlust der Fremdsprachen eine Rolle spielte. Nach einem Überblick über die Entwicklung und dem Stand der Fremdsprachenverlustforschung Fremdsprachenverlustforschung in wurden die Merkmale der zwei Variablen (Kriteriumvariablen - Prädiktorvariablen) erläutert. Mit den Klärungen des affektiven Faktors Motivation und deren beteiligten Begriffe welche Bedeutung Fremdsprachenunterricht die Motivation hatte. wurde ganz spezifisch erläutert als ein Im empirischen Phänomen Teil für wurden den die zusammenhängenden Fragestellungen und deren Beantwortung anhand einer vi Datenerhebung offen dargelegt, dass die Motivation wirklich einen Einfluss beim Fremdsprachenverlust hatte. Schlüsselwörter: Fremdsprachenverlust , Motivation, Vergessen, Vergessenstheorien, Fremdsprachenverlustforschung. vii VORWORT Das Thema dieser Arbeit ist deshalb von Bedeutung, weil seit Jahren in unserer Abteilung die Lehrkräfte immer wieder andeuteten, dass es bei den Studierenden der Vorbereitungsklassen nach (Sommerferien) des Fremdsprachenunterrichts einer Unterbrechung zu einem wesentlichen Sprachverlust kam und dies für die Lehrkräfte aber auch für die Studierenden ein wichtiges Problem am Anfang des Semesters bereitete. Mein Dank gilt in erster Linie an Herrn Ass. Prof. Dr. Ergün SERİNDAĞ für die Überlassung des Themas und die Betreuung bei der Durchführung der Untersuchung. An allen Lehrkräften der Abteilung für Deutschlehrerausbildung und deren Studenten, die mit ihrer Teilnahme den empirischen Teil dieser Arbeit unterstützt haben. Dank an die Baden- Württemberg Landesstiftung, die mir in Deutschland die Gelegenheit gegeben hat, für meine Arbeit ein Forschungssemester zu verbringen. Besten Dank auch der Pädagogischen Hochschule Weingarten und der Universität Augsburg und deren Lehrkräfte Herrn Prof. Dr. Werner Knapp und Herrn Prof. Dr. Helmut Osterfeld, die immer bereit waren meine Fragen zu beantworten. Mein besonderer Dank gilt an meinen Vater Eyüp ALBAYRAK und meiner Schwester Eda ALBAYRAK die mich während dieser Zeit moralisch unterstützt haben. viii INHALTSVERZEICHNIS Zusammenfassung auf Türkisch.......……………………....…………………...iv Zusammenfassung auf Deutsch ..........…………………………………………..v Vorwort …………………………………………………………….....…...………...vii 1. EINLEITUNG 1.1. Problemstellung ....................................................................................... 1 1.2. Ziel der Arbeit........................................................................................... 3 1.3. Methode der Arbeit .................................................................................. 4 1.4. Aufbau der Arbeit ..................................................................................... 5 2. THEORETISCHER TEIL 2.1. Die Muttersprache und die Fremdsprachen ………………………............7 2.1.1. Sprachenlernen und Spracherwerb ............................................... 7 2.1.2. Die Muttersprache und das Erwerben........................................... 8 2.1.3. Die Fremdsprache und das Lernen................................................ 9 2.2. Fremdsprachenverlustforschung …………………………………………..12 2.2.1.Überblick über die Fremdsprachenverlustforschung .................... 12 2.2.2.Entstehung und Zielsetzung der Fremdsprachenverlustforschung 13 2.2.3. Das Vergessen ............................................................................ 14 2.2.4. Gedächtnispsychologische Vergessenstheorien........................... 16 2.2.4.1. Die Spurenzerfalltheorie ................................................... 17 2.2.4.2. Die Interferenztheorie ....................................................... 20 2.2.4.2.1. Die retroaktive Interferenz ................................ 22 2.2.4.2.2. Die proaktive Interferenz ................................. 22 2.2.4.2.3. Der Informationsverarbeitungsansatz ............... 24 2.2.4.3. Die Retrieval - Failure Theorie ……………………………....27 2.3. Die Merkmale der Fremdsprachenverlustforschung...……………...…..29 2.3.1. Kriteriumvariablen ......................................................................... 29 2.3.1.1. Die Hypothesen zum Fremdsprachvergessen.................. 30 2.3.1.2. Die Regressionshypothese ............................................... 30 2.3.1.3. Die Linguistic-Feature Hypothese ..................................... 35 2.3.2. Prädiktorvariablen ......................................................................... 43 2.3.2.1. Sprachliches Ausgangsniveau………...………………….44 ix 2.3.2.2. Art des Lernprozesses.................................................... 45 2.3.2.3. Dauer der Verlustphase - Rolle des Sprachkontakts....... 46 2.3.2.4.Die Hypothese der affektiven Variablen und die Lernercharakteristika ........................................................ 47 2.4. Der affektive Faktor Motivation…………………………………..……………50 2.4.1. Klärung der Begriffe ......................................................................... 51 2.4.2. Erklärungsversuche des Phänomens „Motivation“ im Fremdsprachenunterricht ................................................................. 56 2.4.3. Die Motivationsvariablen zur Fremdsprachenmotivationsforschung 58 2.4.3.1. Die integrative und instrumentelle Orientierung.................. 58 2.4.3.1.1. Friendship-orientation ......................................... 60 2.4.3.1.2. Knowledge-orientation ....................................... 60 2.4.3.2. Die intrinsische und extrinsische Motivation ...................... 61 2.4.3.2.1. Die Selbstwirksamkeitserwartung ..................... 64 2.4.3.2.2. Das Interesse ..................................................... 64 2.4.3.2.3. Die Relevanz....................................................... 65 2.4.4. Weitere wichtige Einflussfaktoren und ihre Wechselwirkung mit Motivation........................................................................................ 67 2.4.4.1. Lernerinterne Faktoren ........................................................ 67 2.4.4.2. Lernerexterne Faktoren ....................................................... 68 3.EMPIRISCHER TEIL 3.1. Empirische Daten………………………………………………………. ....…...71 3.1.1. Fragestellungen ............................................................................. 71 3.1.2. Forschungsgruppe ......................................................................... 72 3.1.3. Messinstrumente............................................................................. 73 3.2. Datenerhebung.......................................................................................... 75 3.2.1. Analyse der Prüfungen (abhängige Variablen)................................ 75 3.2.2. Motivation (unabhängige Variablen)................................................ 81 4. SCHLUSSFOLGERUNG Literaturverzeichnis ....................................................................................... 98 Lebenslauf .................................................................................................... 116 1 1. EINLEITUNG Das schnelle Vergessen Fremdsprachenkenntnissen von einmal erworbenen war schon immer ein wichtiges Thema für die Lehrenden und Lernenden einer Fremdsprache. Dieser negative Zustand ruft hervor, immer wieder zu der Klage warum das so ist, obwohl man viel gelernt und viel Zeit dafür verbraucht hat. Im allgemeinen ist man sich darüber einig, dass das “Wissen flüchtig [ist]. Wird es längere Zeit nicht aktiviert, verändert es seine Gestalt oder gerät in Vergessenheit. Dies gilt auch für Sprachkenntnisse“ (Müller 1995, 5). Jeder ehemalige Schüler hat während seiner Schulzeit eine oder mehrere Fremdsprachen gelernt und kennt das Phänomen des Vergessens aus eigener Erfahrung. „Almost everybody who has learned a foreign language shares the experience of forgetting the acquired language skills once the period of formal instruction is over” (Schöpper-Grabe 1998, 231). Je länger der Unterricht zurückliegt und je weniger die Fremdsprache angewendet wird, desto stärker ist der Eindruck des allmählichen Verfalls der Fremdsprachenkenntnisse. Weiß (1992) bezeichnet diese Situation ganz einfach nach seiner Devise: „Use it or lose it “ (Weiß 1992,119). 1.1. Problemstellung Es fehlen weitgehend wissenschaftlich begründete Ergebnisse über die Entwicklung von Fremdsprachenkenntnissen, Fremdsprachenunterricht schon längst nachdem abgeschlossen ist. der Obwohl letzte der Fremdsprachenunterricht das Ziel hat, die Lernenden dazu zu bringen, dass sie nach der Beendigung des Lernprozesses mit einer Langzeitwirkung von Fremdsprachkenntnissen ihr leben führen können, wurde bislang diese „Langzeitwirkung“ kaum erforscht (vgl. Schöpper-Grabe 1998, 231). Beneke(1978) bezeichnet „die ungemein niedrige ‚Halbwertzeit’ des Verfalls fremdsprachlicher Fertigkeiten gleich welcher Art und die Schwierigkeit, einmal 2 erworbene Kenntnisse zu erhalten“, als ein „Kardinalproblem Fremdsprachenunterrichts“ (Beneke 1978,115). Auch Vielau (1991) des führt in seiner Aussage an, dass „nichts so schnell ‚vergessen’ wird wie eine Fremdsprache, die man nicht ständig braucht und anwendet“ (Vielau 1991, 24). Für das schulische bzw. formale Fremdsprachenlernen in der Klasse, ist eine der wichtigsten Fragen, was mit den erlernten Fremdsprachen wird, nachdem der aktive Lernprozess abgeschlossen ist. In den letzten Jahren wurde die Fremdsprachen- bzw. die Zweitsprachenerwerbsforschung zunehmend von Erkenntnissen der kognitiven Psychologie beeinflusst. Mit der Hinwendung zu den mentalen Vorgängen erhofft man es zu erschließen, wie das menschliche Gehirn funktioniert, wenn es fremdsprachliches Material verarbeitet, und wie man den sprachlichen Input so gestalten kann, dass möglichst viel davon „wieder verwendbar „ im Gedächtnis gespeichert wird (vgl. Rohmann 1996, 105). Aber in der realen Anwendung allerdings hat der Lehrer/die Lehrerin es mit Menschen zutun, deren Lerngeschichte, Einstellung und Stimmungslage völlig unterschiedlich sind, die auf Anforderungen kognitiv und emotional individuell reagieren. Emotionen, die die Aufmerksamkeit und damit die Wahrnehmung und die kognitive Verarbeitung beeinflussen, können z.B. Neugier, Interesse, Spaß, Angst, Langeweile usw. sein. Die Frage sollte hier sein, welche Bedeutung diesen affektiven Zuständen zuzumessen ist und welche Auswirkungen sie hinsichtlich der gleichzeitig ablaufenden kognitiven Prozesse haben. Natürlich gibt es sehr viele affektive Faktoren, die den Lernenden beeinflussen. Die Kognitionswissenschaften und die Psycholinguistik haben den Anspruch, ihre Modelle, mit denen sie eine interne Organisationsebene im Menschen beschreiben wollen, an der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns zu orientieren. Leider wird von emotionalen Einflüssen so gut wie immer abstrahiert. Dafür gibt es natürlich methodische Gründe, weil emotionale Vorgänge wesentlich schwieriger empirisch zu untersuchen sind als kognitive Prozesse (vgl. Klimesch 1988; Roth 1989). Bei dieser Untersuchung sahen wir auch diese Schwierigkeit, obwohl wir nur den einen, aber vielleicht der meist 3 wichtigste und affektivste Faktor die Motivation beim Erlernen und Verlust bzw. beim Vergessen der Fremdsprachen berücksichtigt hatten. Natürlich existieren zahlreiche Studien, an denen wir uns auch gestützt haben. Über die Auswirkungen der Motivationsvariablen, wie integrative und instrumentelle Motivation oder Selbstbewusstsein auf das Verhalten im Unterricht und den Lernerfolg; das komplizierte Zusammen wirken von emotionalen, motivationalen und kognitiven Faktoren in der konkreten Lernsituation und auch bei Unterbrechungen wie z.B. Ferien sollte noch mehr erforscht werden (vgl. Rohmann 1996,106). Obwohl die Emotion, die auch die Motivation der Fremdsprachen lernenden zustande bringt, sehr wichtig für die kognitiven Prozesse ist, vergisst man immer wieder, dass die Emotion mit dem Gedächtnis eng verknüpft ist. „Every emotion is associated with memory recall, and emotion is usually generated by memories“ (Heath 1986, 8). 1.2. Ziel der Arbeit Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem zentralen Thema der Gedächtnispsychologie, dem Fremdsprachenvergessen. Die Fähigkeit, Informationen über ein bestimmtes Zeitintervall im Gedächtnis zu behalten, d.h. nicht zu vergessen, ist eine grundlegende Voraussetzung für eine Reihe kognitiver Funktionen, wie etwa Lernen, Denken oder Erkennen. Die Erforschung der dem Vergessen zugrunde liegenden Prozesse ist aus diesem Grund nicht nur für eine Beschreibung der Funktionsweise des Gedächtnisses von grundlegendem Interesse, sondern mag darüber hinaus dabei helfen, die komplexen Zusammenhänge zwischen verschiedenen kognitiven Funktionen zu verstehen. Trotz intensiver experimenteller Forschung zu diesem Thema, die vor etwa 100 Jahren von Ebbinghaus begonnen worden ist, ist man noch weit entfernt zu diesem Phänomen. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, durch eine Untersuchung zu dieser Entfernung eine Nähe zu finden. 4 Ein weiteres Ziel dieser Arbeit besteht darin, den Effekt der Motivation auf das Fremdsprachenvergessen zu untersuchen. So entstehen bei dieser Arbeit zwei Themenkomplexe, an die man sich wendet. So befasst sich diese Arbeit mit zwei Themenkomplexen, die erst im theoretischen Teil bearbeitet werden: Zum einen soll die Fremdsprachenverlustforschung und deren Theorien und Hypothesen mit dem Phänomen Vergessen bearbeitet werden. Zugleich stützt sich diese Arbeit Fremdsprachenverlustshypothesen und zwar Variablen von Gardner- wobei der wichtiger auf - Anhand einer der die Hypothese der affektiven affektiven Faktor Motivation, als ein Faktor für das Fremdsprachenerlernen und auch den Verlust der Fremdsprachen eine Rolle spielt. 1.3. Methode der Arbeit Die Daten für die vorliegende Arbeit wurde mit einer Forschungsgruppe und zwar mit den Studierenden der Abteilung für Deutschlehrerausbildung der Universität Çukurova, die im WS und SS 2004-2005 die Vorbereitungsklasse besucht hatten und dann am Anfang des ersten WS 2005 für Deutschlehrerausbildung standen, erhoben. Für die Datenerhebung als Messinstrument erfolgten die gewohnten schriftlichen Prüfungen, die im Rahmen der curricularen Richtlinien der erziehungswissenschaftlichen Fakultät durchgeführt wurden. Der interdisziplinäre Charakter der Fremdsprachendidaktik macht es erforderlich, in dieser Arbeit einen methodenpluralistischen Weg zu folgen. Die grundlegenden Methoden der Arbeit beruhen auf den theoretischen und empirischen Verfahren der Fremdsprachendidaktik. Um den Zusammenhang zwischen dem Fremdsprachenverlust und der Motivation herauszufinden wurde ein Motivationsfragebogen erstellt und wurde 5 durch den 5-stufigen Skala bewertet, so dass wir sehen konnten, ob der Motivationszustand der Lernenden bei der Erwerbsphase und bei der Inkubationsphase beim Verlust entscheidend sein könnte. Auch die Finalprüfungen (Grammatik, Textarbeit, Textproduktion) wurden von den Probanden kurz vor dem Anfang des Semesters im Oktober für diese Untersuchung wieder geschrieben, so dass der Fremdsprachenverlust empirisch untersucht werden konnte. Es wurde auch eine Wortschatzprüfung hergestellt, deren Besonderheit im empirischen Teil als Messinstrument erklärt wird. 1.4. Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit wurde als erster Schritt vorgelegt, was die Muttersprache und die Fremdsprache ist und welche Faktoren beim erwerben und erlernen dieser Sprachen eine Rolle spielen. Der Unterschied zwischen Erwerben und Lernen wurde demnach auch erläutert. Dann kam ein Überblick über die Entwicklung und den Stand der Fremdsprachenverlustforschung (Foreign Language Attrition Research). Darauf folgen die Merkmale der Fremdsprachenverlustforschung in zwei Variablen (Kriteriumvariablen - Prädiktorvariablen). In einem weiteren Schritt kamen ganz allgemein die Klärungen des affektiven Faktors Motivation. Dann wurde erläutert, welche Bedeutung die Motivation als ein Phänomen für den Fremdsprachenunterricht danach wurden die Fremdsprachenmotivationsforschung Motivationsvariablen und die wichtigen hat. Gleich zur Einflussfaktoren (Lernerinterne- Lernerexterne Faktoren) bearbeitet. Im empirischen Fragestellungen, Teil wurde anhand zusammenhängender Finalprüfungen und eines Motivationsfragebogens offen dargelegt, ob die Motivation wirklich einen Einfluss beim Fremdsprachenverlust habe. Um diese Fragestellungen empirisch zu überprüfen, wurde wiederum 6 natürlich eine Forschungsgruppe herangezogen, deren Struktur auch mit den Fragestellungen im empirischen Teil dieser Arbeit erläutert wurde. Schließlich wurde diese Arbeit mit einer Schlussfolgerung beendet. 2. THEORETISCHER TEIL Zuallererst stellt sich die Frage, was eigentlich die Sprache ist. Dank der menschlichen Sprache ist es möglich, Wörter auf die unterschiedlichste Art und Weise ersetzen und dadurch dem Inhalt Ausdruck zu verleihen. Unsere Sprache besitzt eine Symbolkraft, durch die sowohl Gegenstände als auch abstrakte Vorstellungen in Worte gefasst und ausgedrückt werden können. Wir brauchen, um Sprache oder Sprachen zu verstehen, linguistisches Wissen. Dieses setzt sich aus verschiedenen Wissensgebieten zusammen. Diese sind: graphemisches Wissen, phonologisches Wissen, morphologisches Wissen, lexikalisches Wissen, Syntax und Semantik (vgl. Hartland 1995, 200ff). Diese spielen sie auch ganz natürlich für das Vergessen bzw. Verlust der Sprachen eine wichtige Rolle, in dem diese Wissensgebiete nicht mehr aktiv da sind. Insbesondere beim Fremdsprachenverlustprozess werden diese Wissensgebiete einer Fremdsprache ganz spezifisch untersucht an denen wir uns in dieser Arbeit stützen werden. Um etwas über die Beziehung zwischen dem affektiven Faktor Motivation und dem Fremdsprachenverlustprozess sagen zu können, muss man zuerst darlegen, mit welchen Bedingungen man beim Erwerben seiner Muttersprache und beim Erlernen der weiteren Fremdsprachen konfrontiert ist. 7 2.1. Die Muttersprache (L1) und die Fremdsprachen (L2, L3…..LX)1 Bei den Begriffen Erwerben und Erlernen (Lernen) kommt es immer wieder zu Diskussionen, deshalb ist es wichtig, diese Begriffe zu unterscheiden: 2.1.1. Sprachenlernen und Spracherwerb Bei der Erklärung dieser Begriffe der Sprachenetwicklung kommt es immer zu einem Problem. Einige Wissenschaftler haben die Unterscheidung dieser Begriffe wie folgt formuliert: Sprachenentwicklung Lernen („learning“) Erwerb („acquisition“) Gesteuertes Lernen natürliches Lernen Explizites Lernen implizites Lernen Bewusstes Lernen unbewusstes Lernen (Edmondson, House 2000,11) Edmondson & House (2000) oberflächlich zu dem kommen nach dieser Unterscheidung Entschluss, dass das Erwerben bei der Erstsprachenentwicklung stattfindet und die Sprache wird intuitiv, meistens unbewusst durch soziale Kontakte entwickelt. Das Erlernen bzw. Lernen ist dagegen ein bewusster Prozess, in dem Regeln gelernt und angewendet werden (vgl. Edmondson & House 2000,12). 1 L1: Muttersprache- L2: die erste Fremdsprache- L3: die zweite Fremdsprache- Lx: die weiteren Fremdsprachen, die gelernt werden. 8 Sobald man weiß, was nun bei der Sprachenentwicklung die Begriffe, Erwerben und Erlernen als Fachausdruck bedeuten, kann man nun auf die Erklärungen der Muttersprache und der Fremdsprache umfassend eingehen. 2.1.2. Die Muttersprache (L1) und das Erwerben Eine Muttersprache ist eine - meistens in der Kindheit- erworbene Sprache für jeden Menschen. Durch seine Muttersprache gewinnt der Mensch in seiner Kindheit eine Kontrolle über seine Umwelt, sie verleiht ihm auch eine Zugehörigkeit zu einer Sprachgemeinschaft(vgl. Wieczerkowski 1971, 95). Als Muttersprache bezeichnet man eine Sprache, die in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht erworben ist. Die Muttersprache ist so dominant, dass man es außer einer Hirnschädigung (einer Aphasie) oder einer Krankheit nie zu einem Vergessen oder zu einem Verlust kommt, weil der Mensch mit dieser Sprache oder diesen Sprachen2 seit seiner Geburt konfrontiert ist. Man spricht also von einem Erstspracherwerb oder einem Mutterspracherwerb, wenn der Mensch, -gewöhnlich ein Kind- noch keine Sprache erworben hat und die Sprache seines Volkes erwirbt. Er lernt sie als eine soziale Entwicklung in seiner Gesellschaft neben seiner physiologischen Entwicklung. Wenn der Mensch bereit ist, fängt er an zu sprechen wie das Laufen. In diesem Zusammenhang erwirbt das Kind eine Muttersprache, „weil es von Natur aus darauf ausgerichtet ist, auf eine Sprache zu achten und aus dem auf ihn einströmenden Sprachfluss die bedeutungshaltigen Aspekte der Muttersprache zu bemerken, zu erinnern und zu nutzen“ (Wieczerkowski 1971, 95). 2 Manche Menschen erwerben nicht nur eine Sprache z.B. Bilinguale. 9 Nach Neuner & Hufeisen (2001) beinhaltet der Erwerb einer Muttersprache (L1) die generelle Spracherwerbsfähigkeit und die Lernumwelt: Erwerb einer L1: • Generelle Spracherwerbsfähigkeit • Lernumwelt (Neuner & Hufeisen 2001, 32) In der physiologischen Entwicklung des Menschen gibt es eine bestimmte Phase in der ein Verhalten aktiviert werden muss, sonst kommt es zu Schwierigkeiten; z.B. das Laufen. Das nennt man die „kritische Spanne (critical period)“ (Klein 1984, 22). Der Erstspracherwerb hat eine kritische Spanne und diese ist die Kindheit, in der man die Muttersprache lernt. Nur in einer bestimmten Zeitspanne, die etwa vom zweiten Lebensjahr bis in die Pubertät reicht, verfügt das Gehirn, über eine gewisse Plastizität, die ihm eine besondere Form des Spracherwerbs, eben den ESE3 des Kindes gestattet“ (vgl. Klein 1984, 22). Beim Erwerb der Muttersprache spielt der Faktor Motivation keine Rolle. Das Kind erwirbt die Muttersprache von selbst. Dies ändert sich natürlich beim Erlernen einer Fremdsprache. 2.1.3. Die Fremdsprache (L2......Lx) und das Lernen Beim Fremdsprachenerwerb handelt es sich um einen organisierten Spracherwerb. Der Lernende verfolgt die Anleitungen der Lehrkraft oder der Sprachbücher. Das Erlernen der Fremdsprache kann nur stattfinden, wenn der 3 ESE: Erstspracherwerb, also die Muttersprache. 10 Erstsprachenerwerb bereits fortgeschritten ist, denn das Erlernen der neuen Sprache stützt sich auf die Muttersprache. Nachdem also das Erwerben der Muttersprache abgeschlossen ist, nennt man jede danach gelernte Sprache als eine Fremdsprache. Mit der Fremdsprache ist auch eine Sprache gemeint, „die außerhalb ihres normalen Verwendungsbereiches-gewöhnlich im Unterricht- gelernt und dann nicht neben der Erstsprache zur alltäglichen Kommunikation verwendet wird.“ (Klein 1984, 31). Mit dem Erlernen einer Fremdsprache (L2) ändert sich nun die Vorgehensweise mit der Sprache. Nun ist sie eine fremde Sache. Weil es Fremd ist, müssen auch affektive Faktoren wie z.B. Motivation bzw. Emotionen mitspielen. „Das Individuum bringt allgemeine Lebens- und Lernerfahrungen und Strategien in den Lernprozess ein. L1 interagiert –positiv oder auch negativ- in individuell unterschiedlichem Ausmaß mit dem L2 –Lernprozess “ (Neuner &Hufeisen 2001, 33). Erlernen einer L2: • Generelle Spracherwerbsfähigkeit • Lernumwelt • Individuelle Lebens- und Lernerfahrungen und -strategien • Motivation • aptitude • L1 (Neuner und Hufeisen 2001, 33) 11 Nach dem Lernen der ersten Fremdsprache(L2) kommt die zweite Fremdsprache (L3) und der Mensch hat nun von der L1 und der L2 bestimmte Kenntnisse über Sprachlernen. Nach diesem Erlernen der L3 ändert sich nicht vieles bei der L4.......Lx. Nur die neu erlernte Sprache wird hinzugefügt. Erlernen einer L3: • Generelle Spracherwerbsfähigkeit • Lernumwelt • Individuelle Lebens- und Lernerfahrungen u. Lernstrategien • Motivation • aptitude • Individuelle Fremdsprachenlernererfahrungen und Strategien • Wissen um den eigenen Lerntyp • L1 • L2 (Neuner und Hufeisen 2001, 33) Nach diesen Äußerungen ist es Sichtbar wie sich der Mensch nach dem Erwerb der Muttersprache mit dem Erlernen anderer Fremdsprachen sich ganz positiv entwickelt. Er lernt nicht nur die Sprache einer anderen Gesellschaft, sondern auch deren Kultur. So erweitert der Mensch seinen Horizont und ist nicht mehr die Person mit einer einzigen Perspektive. Lernenden neben dem Fremdsprachenlernen Aber leider sind die auch mit dem Fremdsprachenvergessen konfrontiert, das für sie und auch die Lehrenden ein großes Problem darstellt. Die Fremdsprachenverlustforschung (Foreign Language Attrition Research) geht gerade auf den Wunsch zurück, diese Probleme zu analisieren und diese zu behandeln. 12 2.2. Fremdsprachenverlustforschung (Foreign Language Attrition Research) 2.2.1.Überblick über die Fremdsprachenverlustforschung Erst seit Anfang der 80er Jahre findet der Aspekt der nachschulischen Veränderung einmal erworbener Fremdsprachenkenntnisse in Amerika, in Kanada, in den Niederlanden und in Israel Berücksichtigung. In anderen Ländern wurde das Vergessen bzw. die Frage nach der Langzeitwirkung von Fremdsprachenunterricht bis jetzt kaum beachtet (vgl. Lambert & Freed 1982, 6). Zu diesem Problem sagt Schöpper- Grabe (1998): “however, the question of forgetting a foreign language has attracted serious scientific attention only since the early eighties, even though the study of the process of foreign language loss may contribute to the understanding of foreign language learning and teaching ” (Schöpper-Grabe 1998, 231). In Deutschland gab es nur einige Forschungen über das Vergessen und Behalten im Fremdsprachunterricht, die man bei den ‚Osnabrücker Beiträgen zur Sprachtheorie’ finden kann. Diese waren über das Vergessen und Behalten im Fremdsprachunterricht, aber nicht unter dem Aspekt der Langzeitwirkung (vgl. Wagner 1986). Zum Phänomen des Vergessens von Fremdsprachkenntnissen nach der Beendigung des aktiven Lernprozesses geht zunächst auf die Entstehung und Zielsetzung der Foreign Language Attrition Research sowie auf die relevanten Vergessenstheorien aus der Gedächtnispsychologie ein, bevor die charakteristischen Merkmale der Veränderungen sprachlicher Fertigkeiten und die Bedingungsfaktoren des Vergessensprozesses dargestellt werden. 13 2.2.2.Entstehung und Zielsetzung der Fremdsprachenverlustforschung Im Jahre 1982 fingen intensive Erforschungen über den Verlust einer gelernten Fremdsprache an, so z.B. die Konferenz „The Loss of Language Skills“ an der Universität Pennsylvania, Philadelphia/U.S.A. und seine Ergebnisse wurden von Lambert & Freed (1982) veröffentlicht. Bis zu dieser Konferenz existierten nur vereinzelte Untersuchungen, was aus Fremdsprachkenntnissen wird, wenn es keine Gelegenheit mehr gibt, die Erlernte Fremdsprache anzuwenden (vgl. Lambert & Freed 1982; Müller 1995). “Almost everybody has a great deal of anecdotal evidence on language skills that someone has lost or retained under a wide variety of circumstances, but very little systematic research has been done“ (Lambert & Freed 1982, 7). Bei genauer Betrachtung des Sprachverlusts muss zunächst der natürliche vom pathologischen Sprachverlust unterschieden werden. Während beim pathologischen Sprachverlust die Folge eine Hirnschädigung ist wie z.B. Aphasie4, Dementia (vgl. Obler 1982), sind mit dem natürlichen Sprachverlust die eher langsamen und häufiger auftretenden Sprachveränderungsprozesse gemeint, z.B. das Aussterben einer Sprache und ihre Ersetzung durch eine andere Sprache, die Veränderungen von Sprachkontaktsituationen, Zweitsprachenkontext, das die Vergessen Veränderung Sprachen durch verschiedene einer von Muttersprache im Zweitsprachen im Muttersprachenkontext oder von schulisch erlernten Fremdsprachen, nachdem der schulische Lernprozess abgeschlossen ist (vgl. Weltens 1987).5 Natürlicher Sprachverlust kann als „loss of any language or any portion of a language by an individual or speech community” definiert werden (Freed 1982, 1). Der Verlustprozess verläuft nicht isoliert sondern ordnet sich als „one point on a continuum which includes language acquisition,language use, language maintenance and language loss“ (Freed 1982, 5). 4 siehe: Abschnitt 2.3. Das Vergessen(Forgetting). Zu den verschiedenen Typen des Sprachverlusts vgl. z.B. Weltens (1987,1989) ; De Bot&Weltens (1985). 5 14 Ziel der Foreign Language Attrition Research ist es, die Veränderung von Fremdsprachenkenntnissen zu untersuchen, wenn der aktive Lernprozess abgeschlossen ist, d.h. wenn die Kenntnisse nicht mehr angewendet wurden (vgl. Berko Gleason 1982, Lambert 1982, Oxford 1982a). Ergebnisse der Foreign Language Attrition Research können zur Effektivierung des Fremdsprachenunterrichts in Schule, Weiterbildungsinstitutionen und Beruf und des individuellen Fremdsprachenlernens angewendet werden (vgl. Lambert 1982; Valdman 1982). Bevor es auf die gedächtnispsychologischen Vergessenstheorien eingegangen wird, ist es sinnvoll, erst die einschlägigen Begriffe zu erklären und zu unterscheiden: 2.2.3. Das Vergessen (Forgetting) Das Fremdsprachenlernen und das Fremdsprachenvergessen spielen sie an der gleichen Stelle ab und zwar im Gedächtnis. Nach Klix (1999) ist das menschliche Gedächtnis „kein passiver Informationsspeicher, sondern aktives Organ der Informationssuche, der Bildung von Erwartungen, der Verarbeitung und Nutzung von Informationen für Verhaltensentscheidungen“ (Klix 1999, 213). Ganz natürlich kann dass wir ein man sagen, dass „unser Lernen darauf [beruht], Gedächtnis haben. Gedächtnis kann daher allgemein als Fähigkeit zum Lernen beschrieben werden. Gedächtnis [wird] als die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und zu reproduzieren„ definiert (Schröder 1992, 52). Leistungen des Gedächtnisses sind hauptsächlich: Wiedererkennen, Abrufen von Wahrnehmungen in Form von Vorstellungen (vgl. Häcker; Stapf 2004, 342). Obwohl unser Gedächtnis ständig im Einsatz ist, kommt es dazu, dass bei den drei Stufen Enkodieren, Speichern und Abrufen6 von Informationen ein 6 Enkodieren: Die Information, die Aufgenommen soll, wird ins Gedächtnis überführt. Speichern: Die aufgenommenen Informationen bleiben im Gedächtnis gespeichert. 15 Fehler auftritt. Dieser Fehler ist also das Vergessen, so zu sagen ein natürlicher Sprachverlust. Das Vergessen bedeutet den Abbau bzw. den Ausfall von Gedächtnismaterial. Als empirischer Begriff ist diese Phänomen „nicht mehr erinnern, nicht reproduzieren können oder nicht wieder erkennen von früheren Bewusstinhalten (Häcker; Stapf 2004, 1001). Es manifestiert sich in der Unfähigkeit, einmal Gemerktes wieder zu erinnern. Vergessen ist oft nicht <absolut>, häufig ist es nur eine Unfähigkeit, das Gespeicherte wieder abzurufen, worauf schon die Tatsache hinweist, dass es ein <temporäres> Vergessen gibt, also ein solches, bei dem Erinnern zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich ist. (vgl. Städtler 2003, 1151). Fröhlich (1978) bezeichnet das Vergessen als eine „Tatsache, die eben oder vor längerer Zeit gelernten Inhalte bei einem Versuch des Widererinnerns fehlerhaft bzw. unvollständig zu reproduzieren (Fröhlich 1978, 355). Für das Vergessen erweisen sich ganz grob: Nichtgebrauchen, Interferenz, Konsolidierungsstörung und Verdrängung (Schröder 1992, 227). Wie schon oben angedeutet, ist es sinnvoll den Begriff Aphasie, die auch als pathologischer Sprachverlust gilt, zu unterscheiden, die immer wieder mit dem Vergessen, also dem natürlichen Sprachverlust verwechselt wird. „Unter Aphasie versteht man die aufgrund einer meist linkseitigen Hirnschädigung erworbene Beeinträchtigung der Fähigkeit, mündlich und /oder schriftlich zu kommunizieren“ (Stemmer & Allensbach 1997, 1). Auch Teuber (1996) „[versteht] unter Aphasie den Verlust bzw. die schwere Beeinträchtigung der Sprache, die durch hirnorganische Erkrankungen verursacht wird“ (Teuber 1996, 76). „[…] die Aphasie ist nicht nur eine Störung der Produktion der Sprache, sondern meist auch eine Störung des Versehens von Äußerungen“ (Friederici 1984, 37). Nach diesen Definitionen ist es sehr offen, dass das Vergessen von Abrufen: Vorgang des Wiedererlangens gespeicherter Information (Enkodierung) (Pethes; Ruchatz 2001, 22). 16 Fremdsprachen und die Aphasie ganz andere Themen sind. Die Aphasie ist ein seriöser Sprachverlust, das Vergessen hingegen „eine fehlende Reproduktionsfähigkeit, die nicht bedeutet, dass die Informationen nicht mehr im Gedächtnis vorhanden sind“ (Pethes & Ruchatz 2001, 623). Bezüglich der Ursachen des Vergessens werden in der Gedächtnispsychologie verschiedene Theorien diskutiert: 2.2.4. Gedächtnispsychologische Vergessenstheorien Um eine Antwort auf die Frage des Vergessens Fremdsprachenkenntnisse nach dem aktiven Lernprozess der zu finden, muss man einen Blick auf die Ergebnisse der Gedächtnispsychologie werfen. Seit ihrer Begründung durch Ebbinghaus Ende des 19.Jahrhunderts spielt die systematische Erforschung des verbalen Lernens eine entscheidende Rolle in der modernen Gedächtnispsychologie. Obwohl diese ungefähr 100 Jahre alte Forschungstradition eine fast überschaubare Anzahl von Experimenten zum verbalen Lernen bzw. Vergessen hervorgebracht hat, können die Ergebnisse allerdings nicht ohne weiteres auf das schulische Sprachlernen und –vergessen übertragen werden (vgl. Baddeley 1986, 25ff ; Lukesch 2001, 114ff ). Zum einen untersucht die Gedächtnispsychologie „lediglich die psychischen Prozesse, die mit der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Erinnerung von sprachlichem Material verbunden sind“ (Kruppa 1983, 76). Zum anderen handelt es sich bei den Tests zum verbalen Lernen überwiegend um kontrollierte Laborexperimente über das Behalten sinnloser Silben. Der Grund für die Wahl sinnloser Silben liegt darin, dass Worte Bedeutungen haben, auf etwas verweisen und Assoziationen hervorrufen, man kann deshalb die Gedächtnisleistung nicht eindeutig kontrollieren (vgl. die klassische Vergessenskurve von Ebbinghaus 1885). Die Ergebnisse einer so angelegten experimentellen Gedächtnisforschung treffen nur beim schulischen Fremdsprachenlernen z.B. nur auf die Worte zu, die einfach auswendiggelernt, aber nicht angewendet wurden (vgl. Weltens 1987, 23). 17 Mit dem Wechsel Forschungsparadigmen von wurde behavioristischen diese zu Orientierung kognitivistischen an kontrollierten Laborexperimenten von Vertretern der Gedächtnispsychologie, vor allem von Cofer (1984), Neisser (1978) und Bahrick (1979) kritisiert. Für das Phänomen Vergessen wird in der Foreign Language Attrition Research von verschiedenen gedächtnispsychologischen Vergessenstheorien gesprochen, die zu diesem Verlust im Gedächtnis führen können. Die Entwicklung dieser Theorien fing bereits Ende des Vergessenskurve an. 19. Jahrhunderts Aus Ebbinhaus mit Ebbinghaus Forschung und entwickelte seiner sich Spurenzerfalltheorie (auch Zerfalltheorie) (engl. decay theory) als die erste Vergessenstheorie. 2.2.4.1. Die Spurenzerfalltheorie (decay theory) Die Spurenszerfalltheorie erklärt das Vergessen als Spurenzerfall in der Erinnerung durch den Lauf der Zeit (vgl. Müller 1995, 26). Die seit dem Lernen vergangene Zeit gilt hier als der entscheidende Faktor für den Umfang des Vergessens. Die stärke der Gedächtnisspuren zerfällt kontinuierlich mit der Zeit, falls nicht versucht wird, das Gelernte z.B. durch Wiederholung zu festigen (vgl. Pethes & Ruchatz 2001, 624). Ebbinghaus (1971) führte in einem Selbstversuch die erste empirische Studie zur Funktion des Gedächtnisses in Bezug auf Speicherung und Vergessen von Informationen durch. Er bildete mehrere Listen von Nonsenssilben, die er auswendig lernte und dabei beobachtete, wie schnell er sie aufnehmen konnte bzw. wie viele Wiederholungen für ein fehlerfreies Ergebnis notwendig waren. Eine wichtige Erkenntnis, die Ebbinghaus bestätigt hat, war, dass die Menge des Gelernten von der Lernzeit abhängig ist. Im Kapitel Das Behalten und Vergessen als Funktion der Zeit stellte Ebbinghaus (1971) einen Zusammenhang zwischen der Menge des Vergessenen und den von ihm bestimmten Zeitabständen her (vgl. Baddeley 1986, 25ff ;Lukesch 2001:114ff). Seine Erkenntnis war: „Je mehr Zeit insgesamt verstreicht, desto 18 mehr Wiederholungen sind nötig“ (vgl. Ebbinghaus 1971, 53-69). Die Erinnerung nimmt also ab und es wird mit größerem Zeitabstand mehr vergessen. Diese Theorie definiert also das Vergessen als das völlige Zerfallen einer Information mit der Zeit (vgl. Reitman 1974; Watkins, Watkins, Craik & Mazuryk, 1974; Klimesch 1979, 1994). Also verblasst und verschwindet die Gedächtnisspur einfach mit der Zeit und die Informationen verschwinden. “Decay theory assumes that forgetting is caused by a time-dependent autonomous process that becomes increasingly effective the more time elapses and finally leads to the complete loss of stored information” (Klimesch 1994, 11). Gegen diese Theorie ist einzuwenden, dass die Nichtverwendung7 einer gelernten Information nicht unbedingt einen Zustand von kognitiver Untätigkeit bedeutet (vgl. Weltens 1989, 19). Sehr bald wurde die Theorie von Ebbinghaus kritisiert, weil die Tests lediglich auf sinnlosem Wortmaterial beruhten, Wörter aber im Allgemeinen eine Bedeutung besäßen (vgl. Baddeley 1986, 25ff; Lukesch 2001, 114ff ; Müller 1995, 24f). Aber die Forschung von Ebbinghaus entwickelte sich als die erste Vergessenstheorie und deshalb nennt man sie auch als die klassische Spurenzerfalltheorie. Ebbinghaus entwickelte innerhalb seiner Forschung eine Vergessenskurve zu seiner Spurenzerfalltheorie: 7 Nichtgebrauchen bzw. Nichtverwendung: Der Ausfall des Vergessensmaterials bei mangelnder Wiederholung und Anwendung richtet sich nach der Vergessenskurve. Hiernach fällt das gelernte Gedächtnismaterial bei Nichtwiederholung schon nach kurzer Zeit stark aus, gekennzeichnet durch den steilen Abfall der Vergessenskurve nach dem Lernen (Schröder 1992, 227). 19 • Die Vergessenskurve (curve of forgetting) (http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ ) „Bei dieser Kurve setzt sich der Vergessensprozess schnell ein und die Vergessensgeschwindigkeit nimmt in der folgenden Zeit kontinuierlich ab und pendelt sich auf einem bestimmten Niveau ein “ (Müller 1995, 28). Die Kurve des Vergessens fällt am Anfang steil ab und läuft flach aus, d.h. der Verlust des Gelernten ist in der Zeit am stärksten, während das nach einer einiger Zeit noch Behaltene im weiteren Verlauf nur geringfügig abnimmt (vgl. Schröder 1992, 228). Die Vergessenskurve zeigt den Grad des Vergessens innerhalb einer bestimmten Zeit. Diese Kurve zeigt, wie lange der Mensch neu Gelerntes behält und wie viel Prozent er vergessen hat. Nach den Ergebnissen von Ebbinghaus kommt heraus, dass wir 20 Minuten nach dem Lernen bereits etwa 40% des Gelernten vergessen. Nach einer Stunde sind nur noch 45%, nach einem Tag gar nur noch 34% des Gelernten im Gedächtnis und 66% vergessen. Sechs Tage nach dem Lernen wiederum schrumpft das Erinnerungsvermögen auf nur noch 23%; dauerhaft werden nur 15% 20 des Erlernten gespeichert ( vgl. Parkin 1996, 4ff ; Baddeley 1986, 51ff ). Brendenkamp (1977) erläutert die Wichtigkeit des Lehrstoffes beim Vergessen oder Behalten, indem er sagt, dass das Vergessen abhängig von der Art des zu lernenden Stoffes [ist], beispielsweise kann der Mensch sich meist besser an Wortpaare wie fremdsprachige Vokabeln als an zufällige, sinnlose Silben erinnern; Schüler haben nach drei bis sechs Tagen noch bis zu 90% der erlernten Vokabeln im Gedächtnis. Dieser Vorgang des Vergessens kann durch mehrfaches Wiederholen des Lernstoffes abgemindert werden, wobei jede Wiederholung das Intervall, nach dem eine erneute Wiederholung nötig ist, vergrößert (Brendenkamp 1977, 49). Diesem Modell von Ebbinghaus Interferenztheorie von Baddeley (1986) Zerfalltheorie schwer zu überprüfen steht die behavioristische gegenüber. Er meinte, dass die ist, weil es so etwas wie – Informationsleere- Zeit nicht gibt, und führt weiter in dem das Vergessen eher durch Interferenz als auch den Abbau der Gedächtnisspur verursacht wird (vgl. Baddeley 1986, 60). 2.2.4.2. Die Interferenztheorie Als Fachausdruck in der Lern- und Gedächtnispsychologie ist die Interferenz (lat. interferre: dazwischenkommen, unterbrechen) “[…] die störende Einwirkung einer gegebenen Sprache durch eine neu hinzukommende Sprache auf einer Ebene des Wortschatzes, der Grammatik oder Aussprache(z.B. Anglizismen). In der Lern- und Gedächtnispsychologie wird die Interferenztheorie als wichtigste Theorie des Vergessens[…] beschrieben. Vergessen heißt nicht Verschwinden oder Vernichten (Pethes ; Ruchatz 2001, 282). Die Interferenztheorie geht davon aus, dass das Vergessen als Folge von Überlagerung durch anderes, vergangenes oder zukünftiges Wissen entsteht (vgl. Baddeley 1986, 59). Auf die Abhängigkeit des Vergessens von bereits 21 vorhandenem und auch Interferenztheorie ihren zukünftigem Lernmaterial legt also die Schwerpunkt (vgl. Postman & Underwood 1973; Runquist 1983). Nach dieser behavioristischen Theorie wird die Fähigkeit, eine Information zu behalten, beeinflusst von Informationen, die bereits gespeichert sind, aber auch von Informationen, die noch gelernt werden. “People forget an event because something else they have learned prevents the event from being remembered” (Loftus & Loftus 1976, 74). Die Interferenztheorie wird nach Baddeley (1986, 66f) in zwei Kategorien zusammengefasst: Man lernt nicht im luftleeren Raum. Es strömen ständig Informationen ein, die das Gedächtnis stören. Nach der Interferenztheorie ist Vergessen ein Prozess, der durch Erfahrungen, die einer Lernaufgabe voraussehen oder ihr folgen, ausgelöst wird. Man unterscheidet zwischen proaktiver und retroaktiver Interferenz. Allgemein bedeutet proaktive Interferenz die Beeinträchtigung einer Gedächtnisspur durch vorher stattgefundenes Lernen. Retroaktive Interferenz bedeutet, dass später Erlerntes die Gedächtnisspur für früher Erlerntes stört. Je größer die Ähnlichkeit des Lernmaterials, desto größer ist die Interferenz. (vgl. Pethes; Ruchatz 2001, 624) Die Interferenztheorie sieht also und neuer hinzutretender Information die Wechselwirkungen zwischen alter in zwei Grundtendenzen, die die Wechselbeziehung ergeben, die auch für das Erlernen zweiter und dritter Sprachen sowie für das Vergessen von Sprachen gilt ( vgl. Müller 1995: 26; Baddeley 1986, 59f; Lukesch 2001, 178ff). Diese zwei Grundtendenzen sind: 22 2.2.4.2.1. Die retroaktive Interferenz (Hemmung) 8 Die retroaktive Interferenz kommt in dem Fall zustande, wenn neue Informationen das Vergessen von bereits gelernten Informationen bewirken. So kann man sagen, dass die retroaktive Interferenz rückwärtsgerichtet ist, d.h., später Erlerntes stört früher Erlerntes. Je größer die Ähnlichkeit zwischen zwei Arten von Gedächtnismaterial ist, umso größer ist die Interferenz zwischen ihnen beim Lernen bzw. bei der Erinnerung. In diesem Falle werden „durch die retroaktive Interferenz alte, bereits erworbene Informationen durch neu hinzukommende nachträglich beeinträchtigt und altes Material kann durch neues verdrängt“ (Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 2). Also „[reduziert] die neuere rückwärtsgewandt (retro-aktiv) die Wahrscheinlichkeit, dass man sich an die ältere genau wiedererinnert “ (Müller 1995, 27). Auch Lukesch (2001) meint dass „gelerntes Material nur dann Vergessen wird, wenn es durch anderes, neu gelerntes Material überlagert wird“ (Lukesch 2001, 178f). 2.2.4.2.2. Die proaktive Interferenz (Hemmung) Wenn alte Informationen spricht man verhindern, neue Informationen zu behalten, von einer proaktiven Hemmung. Oft gewinnt also auch altes Wissen die Oberhand über später hinzugetretenes Wissen und stört oder schwächt das zuletzt Gelernte. Die proaktive Interferenz ist vorwärts gerichtet, früher Gelerntes stört später zu Lernendes. Sie ist das Gegenteil der retroaktiven Interferenz. Also kommt die proaktive Hemmung zustande, indem die ältere Information sich durch die neuere Information gegenübersetzt (vgl. Baddeley 1986, 66f ; Lukesch 2001, 181 ; Lefrancois 1994, 174f). 8 In der Gedächtnispsychologie im engeren Sinn schließlich bedeutet Hemmung dasselbe wie Interferenz. So wird etwa statt von proaktiver oder retroaktiver Interferenz auch von proaktiver oder retroaktiver Hemmung gesprochen (Pethes ;Ruchatz 2001, 259). 23 Parkin (1996) schließt sich dieser Theorie an und meint, dass das Vergessen anscheinend weniger durch Informationsverlust wie in den anderen, kurzzeitigen Gedächtnisformen stattfindet, sondern durch Interferenz mit anderen, vorher oder später gelernten Inhalten (vgl. Parkin 1996, 12f). Diese Erkenntnisse der Interferenztheorie sind von Bedeutung, da sie nicht nur versuchen, eine Erklärung für das Vergessen im Allgemeinen zu liefern, sie erklären auch Fehler bzw. negative Interferenzen beim Fremdsprachenerwerb“ (vgl. Müller 1995, 27). Die meisten kognitiven Gedächtnismodelle seit Mitte der 60er Jahre basieren auf dem so genannten Informationsverarbeitungsansatz (information processing approach), dessen Entwicklung durch die Informations- und Computerwissenschaft beeinflusst wurde (vgl. Atkinson & Shiffrin 1968 ; Craik & Lockhart 1972 ; Craik & Tulving 1975). Danach ist das Gedächtnis keine strukturelle, durch Passivität gekennzeichnete Einheit, sondern ein in verschiedene Stadien oder Komponenten aufgegliedertes System“ (Kruppa 1983, 77). Dieses Informationsverarbeitungssystem umfasst verschiedene Stufen: von der ersten sensorischen Aufnahme und Registrierung einer Information über die Weiterverarbeitung im Kurzzeitgedächtnis bis hin zur langfristigen Speicherung im Langzeitgedächtnis. Die Gedächtnisleistung ist ein aktiver Prozess: Je aufmerksamer die Informationsverarbeitung erfolgt, je besser die Informationen innerhalb bestehender Kategorien analysiert und dort eingeordnet werden, desto besser ist die Gedächtnisleistung (vgl. Craik &Lockhart 1972). 9 Demnach ist es wichtig nun das Gedächtnis und die Stufen des approach) 9 Informationsverarbeitungsansatzes verschiedenen (information processing als ein Gedächtnismodell von Atkinson & Shiffrin (1968) zu Craik hat die Abhängigkeit der Behaltensleistung von der Verarbeitungstiefe (depth of processing) betont. Je oberflächlicher Elemente gelernt wurden, z.B. Wörter, die nur auswendig gelernt wurden, im Gegensatz zu Wörtern, die in verschiedenen semantischen und syntaktischen Zusammenhängen angewendet wurden, desto wahrscheinlicher ist ihr Vergessen(vgl. Craik & Lockhart 1972; Craik &Tulving 1975 ; Parkin 1993, 26ff). Zur Unterscheidung zwischen dem semantischen und episodischen Gedächtnis siehe Tulving (1972; 1984). 24 definieren, weil die letzte und meist anerkannte Vergessenstheorie, also die Retrieval- Failure-Theorie nach diesem Modell zustande gekommen ist. 2.2.4.2.3. Der Informationsverarbeitungsansatz (information processing approach) Zentral bei der Speicherung ist, dass eine Information so eingeordnet werden muss, dass sie auf jeden Fall wieder aufgefunden wird, falls dies nötig sein sollte. Das kann dadurch erleichtert werden, dass die Information in verschiedene Zusammenhänge eingeordnet wird. Es ist zumindest immer sinnvoll, neue Informationen an bereits vorhandenes Wissen anzuknüpfen, um dieses neu zukommende Wissen wieder abrufen zu können (vgl. Metzig ; Schuster 1998, 21ff). Zu diesem Gedächtnismodell kehren wir zurück zu der Definition des Gedächtnisses. Unter Gedächtnis versteht man die Fähigkeit des Gehirns von Lebewesen, Informationen aufzunehmen, zu behalten, zu ordnen und wieder aufzurufen (vgl. Parkin1993, 9). Nach diesem Modell enthält unser Gedächtnis drei Speicherarten, sozusagen drei Gedächtnisse: • Sensorisches Gedächtnis (Ultrakurzzeitspeicher) Neue Informationen erreichen das Gehirn grundsätzlich über die Sinnesorgane. Die ankommenden Datenmengen sind beträchtlich und übersteigern die Kapazität des Bewusstseins. Sie werden daher in einem sensorischen Gedächtnis (auch sensorischer Register) gespeichert, das über eine große Kapazität verfügt, die Informationen aber nur sehr kurz – weniger hundert Millisekunden- speichern kann. Vergessen beginnt sofort nach der Aufnahme, Informationen können auch aktiv gelöscht und durch nachfolgende Informationen überschrieben werden. Nach Mietzels Erläuterung “werden die Inhalte des sensorischen Gedächtnisses in keiner Weise verarbeitet, dennoch 25 erfüllt die Ultrakurzzeitspeicherung eine wichtige Funktion: Durch sie werden Informationen aus den Sinnesorganen solange <festgehalten>, bis in der Regel sehr kleiner Teil zur weiteren Verarbeitung ausgewählt worden ist (Mietzel 1998, 184f). Die Daten aus dem sensorischen Gedächtnis müssen enkodiert werden, um ins Arbeitsgedächtnis überführt zu werden(vgl. Kullmann; Seidel 2000, 29; Parkin 1996, 10). • Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis) Kognitives System zur temporären Speicherung, Analyse und Manipulation von Informationen. Das Arbeitsgedächtnis wird zur Bewältigung sehr vieler Kognitiver Aktivitäten (Einprägen, Bewerten, Verstehen, Sprechen usw.) permanent benötigt (vgl. Pethes & Ruchatz 2001, 46). „Die Funktion des Kurzeitgedächtnisses ist vorwiegend synthetischer Natur. Die Dauer der Informationsfixierung beträgt hier zwischen 20 und 30 sec., sie kann in der Länge aber auch darüber hinaus wirken“ (Klix 1999, 213). Im Zentrum der bewussten Informationsverarbeitung steht das Arbeitsgedächtnis. Es ist durch eine außerordentlich begrenzte Kapazität von nur 7±2 Informationseinheiten (Chunks) gekennzeichnet. Die Informationen sind zeitlich geordnet, Vergessen erfolgt durch Überschreiben und kann durch Wiederholen vermieden werden. Die Informationen können weiterverarbeitet werden, Ergebnisse müssen zur längerfristigen Speicherung in das Langzeitgedächtnis überführt werden (vgl. Brendenkamp 1977, 47f ; Parkin 1996, 11). „Die Arbeitsweise des Kurzzeitgedächtnisses kann von der des Langzeitgedächtnisses nicht isoliert werden“ (Klix 1999, 214). • Langzeitgedächtnis als Wissensspeicher Das Langzeitgedächtnis ist das dauerhafte Speichersystem des Gehirns und hat eine sehr große Speicherkapazität. Es handelt sich nicht um ein einheitliches Gebilde, sondern um mehrere Speicherleistungen für 26 verschiedene Arten von Information. Zwei Formen des Langzeitspeichers werden unterschieden: das deklarative Gedächtnis (auch explizites Gedächtnis genannt) speichert Lernvorgänge, die Orte, Menschen, Dinge betreffen. Es ist entweder semantisch (faktenbezogen) oder episodisch (ereignisbezogen). Das semantische Gedächtnis speichert unser Wissen über die Welt. Das episodische Gedächtnis hält die Ereignisse unserer Vergangenheit fest. Im prozeduralen Gedächtnis (auch implizites Gedächtnis) werden motorische Fertigkeiten wie Radfahren und Schwimmen oder Erlernen von bestimmten Regeln gespeichert (vgl. Kullmann ; Seidel 2000, 31f ; Baddeley 1986, 15f). Man kann also folgende vier Prozesse des Langzeitgedächtnisses unterscheiden: - Lernen/Enkodierung: Neues Einspeichern von Informationen. - Konsolidierung/Behalten: Bewahren von wichtigen Informationen durch regelmäßigen Abruf. - Erinnern/Abruf: Reproduktion oder Rekonstruktion von Gedächtnisinhalten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um in Gedächtnis gespeicherte Informationen abzurufen. Diese Möglichkeiten des Abrufens von Informationen sind: Rekognition (Wiedererkennen), Freie Wiedergabe, Wiedererlernen, Redintegration (früher: Reintegration), Rekonstruktion, Konfabulation, Zustands- oder Kontextabhängige Wiedergabe. - Vergessen: Zerfall von Gedächtnisspuren oder Interferenzen durch konkurrierende Informationen (vgl. Hartland 1995, 163). Für die Überführung von neuen Gedächtnisinhalten in das Langzeitgedächtnis und das Bewahren von Informationen ist Üben unerlässlich, das bewusste Abrufen und Zirkulieren von Informationen im Arbeitsgedächtnis. Die Verankerung im Gedächtnis nimmt einerseits mit der Relevanz und der Anzahl der Assoziationen zu, andererseits Bedeutung (vgl. Rohrer 1978, 16). auch mit der emotionalen 27 Im Zusammenhang mit dem information processing approach ist die am weitesten verbreitete und ist in unserer Zeit sie akzeptierteste Vergessenstheorie, die Retrieval-Failure-Theorie entstanden. 2.2.4.3. Die Retrieval-Failure-Theorie Nach dieser Theorie speichert das Gedächtnis die Informationen auf verschiedenen Kategorieebenen. Wenn das Prinzip, nach dem eine Information in bereits bestehende Kategorien eingeordnet wurde, nicht mehr zugänglich ist, ist der Weg zu einer Information verbaut. Vergessen ist demnach die Unfähigkeit, eine einmal abgespeicherte Information wiederaufzufinden (vgl. Ashcraft 1994, 234ff ; Kintsch 1977, 268f. ; Loftus&Loftus 1976, 78 ; Lutz 1994, 221ff. ; Spear&Ricco 1994, 85f.). Die Informationen sind nicht ausgelöscht, sondern der Zugang zu diesen Informationen ist versperrt oder blockiert“(vgl. Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 3 ). Für die Retrieval-Failure-Theorie sprechen u.a. Hypnoseergebnisse. Unter Hypnose sind Erinnerungen wiederabrufbar, die unter normalen Bedingungen vergessen zu sein scheinen. Außerdem kann als Indikator für diese Theorie gelten, dass das Widerlernen eines einmal gelernten Stoffes deutlich kürzer ist als das Lernen eines unbekannten Stoffes (vgl. Müller 1995:40). Weis (1986) verstärkt die Retrieval-Failure-Theorie „Untersuchungen zur langfristigen Verfügbarkeit von mit seinem Wortschatz im Leistungsfach Englisch, in dem das Wiederlernen von lexikalischen Elementen nach einem Jahr die produktive Widerabrufleistung um ca. 100% steigern kann. Nach einem Jahr waren in der Untersuchung von Weis noch 23,68% der lexikalischen Elemente produktiv vorhanden. Das Ergebnis des Tests wurde eine Stunde lang im Unterricht besprochen, ohne die Absicht explizit mitzuteilen. Ungefähr nach einem Monat nach dieser kurzen Reaktivierung ergab ein erneuter Test einen Anstieg der Behaltensleistung auf 48,81% (vgl. Weis 1986:178). Die Informationen waren also nicht ausgelöscht, sondern die Zugangswege waren gesperrt. Durch die Reaktivierung des einmal erlernten 28 Stoffes wurde der alte Zugangsweg geöffnet, so dass die Informationen wieder aufgefunden werden konnten. Die angeführten Erklärungsansätze basieren überwiegend auf der Grundlage von methodisch sehr unterschiedlichen Experimenten und Forschungsparadigmen. Je nach den spezifischen Testverfahren (freie Reproduktion, Wiedererkennen oder Wiedererlernen) und nach der Art des Lernmaterials (ob sinnlose Silben, Wörter, kurze Sätze oder Geschichten o.ä.) variiert die Gedächtnisleistung bzw. die Vergessenskurve. Entsprechend finden sich in der Gedächtnispsychologie neben der Spurenzerfalltheorie, der Interferenztheorie und der Theorien und Modellen, Retrieval-Failure-Theorie von denen sich keine eine Vielzahl von als umfassender Erklärungsansatz herauskristallisiert hat (vgl. Schöpper-Grabe 1998, 238). Dies gilt auch für neuere Tendenzen der Gedächtnisforschung wie die konnektionistischen Modelle (vgl. Fodor & Pylyshyn 1988 ; Hinton & Anderson 1989 ; Klimesch 1994 ; Rumelhart & Mc Clelland 1986), die die kognitiven Informationsverarbeitungsprozesse des Gedächtnisses in Analogie zu computerbasierter Theorieentwicklung und –evaluierung betrachten. Der Anspruch dieser Modelle besteht darin, den abstrakt-theoretischen Rahmen zu bilden für dynamische, lernfähige, prozessorientierte Gedächtnismodelle und deren empirische Evaluierung sowie verschiedene, bislang eher separate neurophysiologische und kognitiv-funktionale Theorien zu integrieren (Collins & Hay 1994, 200). Aufgrund ihres insgesamt nur eingeschränkten Erklärungswertes für das Phänomen des Fremdsprachenvergessens werden die gedächtnispsychologischen Vergessenstheorien in der Forschungsliteratur zur Foreign Language Attrition kaum herangezogen (vgl. Weltens 1989, 20). 29 2.3. Die Merkmale der Fremdsprachenverlustforschung (foreign language attrition research) Obwohl seit den 80er Fremdsprachenvergessen Jahren zunehmen die haben, Forschungsaktivitäten sind bislang nur zum wenige empirische Untersuchungen durchgeführt worden : “Very little hypothesis testing has taken place […] ; we are in fact still in the stage of generating hypotheses, rather Untersuchungen than testing them“ (Weltens 1989, 5). Diese kann man in zwei Variablen unterteilen: Kriteriumvariablen und Prädiktorvariablen. Die Kriteritumvariablen fragen, „was und wieviel sich die sprachlichen Fertigkeiten verändern“. Diejenigen, die die Prädiktorvariablen in den Mittelpunkt stellen, fragen, „Warum sich die Fremdsprachenkenntnisse ändern? \ Welche Faktoren bei der Veränderung eine Rolle spielen? (vgl. Lambert 1982, 8f). 2.3.1. Kriteriumvariablen Untersuchungen, die sich mit den Kriteriumvariablen beschäftigen, werden drei Fragestellungen zugeordnet: • Gibt es eine spezifische Abfolge des Attrition - Prozesses? • Welche sprachlichen Elemente verändern sich? • Wie viel geht verloren? Anhand dieser Fragestellungen werden die Forschungsergebnisse dargestellt (vgl. Lambert 1982, 8f). verschiedenen 30 2.3.1.1. Die Hypothesen zum Fremdsprachvergessen Drei große Hypothesen zum Sprachvergessen stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Konkurrenz miteinander (vgl. Müller 1995, 19). Diese sind: Die Regressionshypothese von Jakobson, R. (1941), die Linguistic-Feature Hypothese von Andersen (1982) und die Hypothese der affektiven Variablen von Gardner (1972). Diese Hypothesen werden folgendermaßen unterteilt und je nach deren Ziel und Absicht so präzisiert: 2.3.1.2. Die Regressionshypothese Ebenso wie in den Studien zum Zweitspracherwerb ist auch in der Vergessensforschung die Frage nach der spezifischen Reihenfolge des Lernbzw. Verlustprozesses zentral. Weit verbreitet ist in der Verlust (Attriton)- Forschung die so genannte Regressionshypothese, die auf Jakobsons10 Studien zur Aphasie zurückgeht. Diese Hypothese versucht es wirklich eine spezifische Abfolge (bestimmte zu entlarven, ob Reihenfolge) beim Fremdsprachenverlustprozess gibt (vgl. Müller 1995, 19). Die Regressionshypothese geht auf psychopathologische Untersuchungen im 19. Jahrhundert zurück. Sie besagt ganz grob: Was früh erworben wird, bleibt lange erhalten. Oder umgekehrt: Spät erworbene Fertigkeiten sind vom Verlust am ehesten bedroht (vgl. Jakobson 1969). Nach Jakobsons Regressionshypothese ist „[…] attrition the mirror image of acquisition or learning; a reversal of the order of acquisition“ (Vechter, Lapkin & Argue 1990, 302). In dieser Hypothese wird also der Sprachverlust 10 Die bekannteste Schrift Jakobsons „Kindersprache,Aphasie und allgemeine Lautgesetze(1941), deutsche Ausgabe (1969). 31 als spiegelbildliches Lernen betrachtet und der spiegelbildlich umgekehrt wie die Sprachverlust erfolgt Erwerbsreihenfolge des kindlichen Erstspracherwerbes, „d.h. grammatisch schwierigere/komplexere Strukturen, welche während des kindlichen Erstspracherwerbes später gelernt werden, gehen während des Sprachverlustes zuerst verloren, wohingegen grammatisch einfachere/weniger komplexe grammatische Strukturen, welche während des kindlichen Erstspracherwerbes zuerst gelernt werden, während des Sprachverlustes später verloren gehen (vgl. Lukesch 2001, 82f ; Kullmann ; Seidel 2000, 33). Jakobsons Hypothese, dass der kindliche Spracherwerb sich spiegelbildlich im aphasischen Sprachverlust reproduziert, fand in der pathologischen Forschung wenig Bestätigung und war in ihrem Erklärungswert von Anfang an eingeschränkt, da weitere empirische Belege fehlten. In der Attrition- Forschung wird die Theorie in verschiedenen Varianten interpretiert, die sich zwei Richtungen zuordnen lassen: die Last learned- first forgottenHypothese und die Best learned- last forgotten- Hypothese (vgl. Caramazza & Zurif 1978, 109f). • Last learned- first forgotten- Hypothese Die Last learned- first forgotten- Hypothese der Regressionstheorie besagt, dass die sprachlichen Elemente, die zuerst gelernt wurden, zuletzt vergessen werden bzw. am längsten erhalten bleiben. Cohens (1975) drei Fallstudien zum Vergessen von Spanischkenntnissen bestätigen diese Hypothese zum Teil (vgl. Cohen 1975, 127-138). Allerdings reicht die Regressionshypothese nicht als einzige Erklärung für das Vergessen aus. Zum einen wurden nach drei Monaten der Nichtverwendung auch neue inkorrekte Elemente gebildet, die im Lernprozess nicht aufgetreten waren, und zum anderen waren Lernfortschritte bei Strukturen, die im Lernprozess noch falsch gebildet waren, festzustellen. Cohen erklärt diese Lernfortschritte dadurch, dass eine Pause im Lernprozess einen positiven Effekt haben kann und „some sort of unlearning of incorrect patterns“ (Cohen 1975, 137) bewirkt. 32 Zu einem vergleichbaren Ergebnis wie Cohen kommen Hansen (1980) und Godsall-Myers (1981) in ihren Dissertationen. Godsall-Myers Ergebnisse zum Vergessen von Deutschkenntnissen amerikanischer Schüler basieren allerdings hauptsächlich auf einer Unterscheidung von leichten und schwierigen, komplexen Strukturen: Einfache, früh gelernte Grundstrukturen werden besser behalten als schwere, später gelernte Strukturen. Da sie den Schwierigkeitsgrad der zu erlernenden sprachlichen Elemente, die Strukturierung im Lehrprozess und den tatsächlichen Lernprozess gleichsetzt, schließt sie folgerichtig aus dem mit dem Schwierigkeitsgrad zunehmenden Vergessensgrad auf einen Regressionsprozess (vgl. Hansen 1980, 193-A ; Godsall-Myers: 1981, 157-A). Moorcroft & Gardner (1987, 339) bestätigen die Last learned- first forgotten- Hypothese in ihrer Untersuchung des Vergessens von mündlichen Französischkenntnissen in Bezug auf die Grammatik. Jordens, De Bot & Trapman (1989) untersuchten die linguistischen Aspekte der Regression von Kasusmarkierung deutscher Immigranten in den Niederlanden im Vergleich zu niederländischen Probanden mit Deutsch als Zweitsprache. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Regressionshypothese in Bezug auf die Kasusmarkierung bei Deutsch als Muttersprache nicht zutrifft, bei Deutsch als Zweitsprache jedoch ein angemessener Erklärungsrahmen ist Trapman 1989, 202). Auch Kuhbergs (vgl. Jordens, De Bot & Langzeituntersuchung über die Deutschkenntnisse von türkischen Kindern bestätigt im wesentlichen die Last learned- first forgotten- Hypothese, wobei einschränkend der Einfluss der Muttersprache Türkisch als Faktor berücksichtigt werden muss (vgl. Kuhberg 1992). In ihren Studien hebräischsprechender zum Probanden Vergessen stellt von Olshtain Englischkenntnissen (1989) einen Vergessensprozess lediglich für die jüngere Probandengruppe (5-8-jährige Kinder) fest „with respect to the irregular plural formation of nouns and the irregular past tense forms of verbs“ (Olshtain 1989, 162).11 Bei den älteren 11 Auf die Rolle des Alters beim Vergessensprozess wird im Zusammenhang mit den Bedingungsfaktoren näher eingegangen. 33 Kindern ließ sich die Umkehrung der Abfolge des Lernprozesses nicht beweisen. Zu einem der Regressionshypothese völlig entgegengesetzten Ergebnis kommt Brewer-Bomar (1981) in ihrer Dissertation, die das Vergessen einer Erstsprache unter Einfluss der Zweitsprache untersucht. Während sie erwartete, dass die zuletzt gelernten Strukturen am schnellsten für Interferenzen anfällig waren, trat das Gegenteil ein: „Some of the most basic syntactic patterns were the most interfered with, while semantically and grammatically more complicated models were not only left untouched in the L1,they were still being perfected“ ( vgl. Brewer-Bomar 1981, 5105-A). Die Last learned- first forgotten-Hypothese findet also teilweise Bestätigung, hat aber nur einen eingeschränkten Erklärungswert, da ihre Prämisse problematisch ist. Wenn Verlernen spiegelbildliches Lernen sein soll, muss die Abfolge im Lernprozess ausreichend dokumentiert sein, um auch Aussagen über den Regressionsverlauf des Vergessensprozess machen zu können. Es sind zunächst mehr detaillierte Daten über den Lernprozess einer bestimmten Probandengruppe erforderlich, um Schlussfolgerungen über deren Vergessensprozess ziehen zu können. Vor allem ist es methodisch nicht möglich, im nachhinein zuverlässige Aussagen darüber zu machen, wie der Lernprozess sich im einzelnen vollzogen hat. Zudem trifft die Last learned- first forgotten-Hypothese nur zu, wenn sie sich auf den zweitsprachlichen Erwerbsprozess bezieht. Die Annahme eines Vergessensprozesses invers zum kindlichen Erstsprachenlernen wird als nicht sinnvoll angesehen (vgl. Berko Gleason 1982, 16-18 ; Van Els 1986, 11). Weiterhin sind zumindest im schulischen Lernprozess die Elemente, die zuerst gelernt wurden, einerseits die einfacheren Elemente und andererseits die Elemente, die am häufigsten angewendet und wiederholt wurden. Damit hatten diese Elemente eine größere Möglichkeit, einen permanenten Status im Gedächtnis zu erlangen. In diesem Punkt überschneidet sich die Last learnedfirst forgotten-Hypothese mit der anderen Variante der Regressionstheorie, der Best learned- last forgotten- Hypothese. 34 • Best learned- last forgotten- Hypothese Die Best learned- last forgotten- Hypothese betont die Intensität, die Qualität des Gelernten, nicht die Abfolge. Was am besten erlernt wurde, ist eher immun gegen das Vergessen. Das sprachliche Material, das so häufig wiederholt wurde, dass es automatisiert ist, wird mit größter Wahrscheinlichkeit länger behalten. Diese Interpretation Informationsverarbeitungstheorie stimmt mit der innerhalb der herausgebildeten depth of processing- Theorie nach Craik & Lockhart (1972) überein, die auch die Behaltungsleistung in Abhängigkeit von der Qualität des Lernens sieht (vgl. auch Craik&Tulving 1975). Danach werden diejenigen sprachlichen Elemente am besten behalten, die nicht nur auswendiggelernt, sondern die in vielen semantischen und syntaktischen Kontexten verwendet wurden. Für diese These spricht auch De Bot&Clynes Ergebnis über das Verhältnis von Erstsprachen -und Zweitsprachenveränderungen bei älteren niederländischen Immigranten in Australien (De Bot&Clyne 1989, 167-177): Je besser die Zweitsprache Englisch von Anfang an beherrscht wurde, desto weniger muttersprachliche Elemente tauchen in der Zweitsprache der älteren Immigranten auf. Diejenigen, die beim Lernen des Englischen eine „kritische Stufe“ nicht erreicht hatten, tendieren dazu, mehr als in ihrem mittleren Alter ihre Muttersprache zu benutzen. De Bot & Clyne beziehen sich bei ihrer Interpretation der Ergebnisse auf Neissers critical threshold (kritische Schwelle) (vgl. Neisser 1984, 33), nach der diejenigen Informationen, die eine so genannte kritische Stufe überschritten haben, immun gegen das Vergessen sind. Um diesen Verarbeitungsstatus im Gedächtnis zu erlangen, spielt auch die Bedeutung des zu lernenden sprachlichen Materials für den Lerner eine Rolle. Je bedeutungsvoller das sprachliche Element, je außergewöhnlicher die Situation, desto größer ist die Aufmerksamkeit und desto eher werden die Elemente behalten (vgl. Berko& Gleason 1982, 21). Die zweite Hypothese, die ihre Untersuchungen auch mit einer der Fragestellungen der Kriteriumvariable vertraut macht, ist die Linguistic-Feature 35 Hypothese von Andersen (1982), in der sie versucht offen darzulegen, welche sprachlichen Elemente sich beim Fremdsprachenverlustprozess verändern. 2.3.1.3. Die Linguistic-Feature Hypothese „Eine der wichtigsten Fragen der Fremdsprachenverlustforschung besteht darin, ob und welche fremdsprachlichen Elemente und Fertigkeiten unterschiedlich verfallen“ (Schöpper- Grabe 1998, 243) oder „welche Teile oder Ebenen einer Fremdsprache [sind] vergessensanfälliger als die andere“(vgl. Müller 1995: 31). In diesem Zusammenhang sind vor allem Andersens (1982) Hypothesen über die linguistischen Charakteristika des Vergessensprozesses zu nennen(vgl. Andersen 1982). Seine vielen Einzelhypothesen nehmen hauptsächlich Bezug auf zwei Faktoren: • der Kontrast zwischen Mutter- und Fremdsprache, • die Häufigkeit, Markiertheit und funktionale Wertigkeit eines Elements der Fremdsprache(vgl. Müller 1995, 21). Diese von Andersen 1982 formulierte Hypothese ist differenzierter und vielschichtiger als die Regressionshypothese. Sie berücksichtigt viele Erkenntnisse der Erst- und Zweitsprachenerforschung, der Aphasie- und Sprachkontaktforschung, der Untersuchung von Pidgin- und Kreolsprachen sowie der Beschreibung von Prozessen und Kommunikationsstrategien Interimsprachen. Andersen stellt in eine Reihe von Hypothesen über den erwartbaren Verlauf des Vergessens fremdsprachlicher Kenntnisse auf (vgl. Müller 1995, 21). Andersen fordert vielmehr die Berücksichtigung der Sprachverwendungsperspektive: Verstehen und Produktion, mündlicher und schriftlicher Gebrauch der Sprache, die traditionellen linguistischen Bereiche der Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexik(vgl. Andersen 1982, 84). Durch die Einbeziehung der Sprachverwendungsperspektive ist es nach Andersen 36 notwendig, zwischen einem funktionalem und einem kosmetischen Verlust zu unterscheiden. Den funktionalen Verlust definiert er als: (a) loss of linguistic competence that causes a reduction in communication and transfer of information and (b) loss of linguistic competence that is either stigmatized and thus promotes negative evaluation and attitudes on the part of LCs (linguistically-competent individual) of the language community or of some other reason promotes feelings of insecurity, inadequacy, alienation or rejection on the part of the LA (language ´attriter´) (vgl. Andersen 1982, 85). Mit dem kosmetischen Verlust bezeichnet er alle anderen Sprachverlustformen, die weder der Kommunikationsabsicht entgegenstehen noch eine negative sozio- affektive Wirkung haben. Anhand dieser Hypothese wird versucht herauszuarbeiten, welche Bereiche einer Fremdsprache vergessensanfälliger sind als die anderen: In den meisten Studien werden Grammatik (Mischung von Syntax und Morphologie), Lexik und Phonologie untersucht. Auch die berühmten vier Fertigkeiten abgetestet, also die rezeptiven (Hören und Lesen) und die produktiven (Sprechen und Schreiben) Fertigkeiten. untersuchten auch außersprachliche Variablen Manche Studien (wie Alter der Lerner, die Unterrichtsdauer und -methode usw.) und intersprachliche Variablen (Größe des Kontrasts zwischen Mutter und Fremdsprache) (vgl. Müller 1995, 31). Zahlreiche Studien bestätigen auch, dass z.B. Phonologie, Grammatik und Lexikon in unterschiedlicher Geschwindigkeit durch den Vergessensprozess beeinträchtigt sind: Nach Weltens (1989) fanden sich im Bereich der Phonologie niederländischer Französischlerner nach 4 Jahren Verschleifungen im Bereich der Nasale (z.B. en, on). Dies kann möglicherweise auf das Fehlen entsprechender Laute in der Muttersprache (Kontrastivhypothese) ( Weltens 1989, 95f). zurückgeführt werden 37 Bachrick (1984) verzeichnete im Bereich Vokabeln oder Grammatikstrukturen eine deutliche Abnahme des fremdsprachlichen Wissens. Dabei war der Abruf (produktive Grammatikkenntnisse) stärker beeinträchtigt als das Wiedererkennen (rezeptive Kenntnisse). Moorcroft &Gardner (1987) untersuchten das Vergessen (mündlicher Leistungen) von beobachteten Französisch bei englischsprachigen Schülern. Dabei sie eine starke Abnahme der Kenntnisse im Bereich der zusammengesetzten Vergangenheitsformen und bei der Negation. Die Autoren schließen als Erklärung an der Regressionshypothese (Jakobson) an, indem sie betonen: „While grammatical structures in general are more likely to be affected by language loss than vocabulary, it seem to be most recently acquired structures that are most vulnerable to language loss” (Moorcroft & Gardner 1987, 337). Sie meinten auch, dass Grammatik bei der letzten Lernphase gelernt wird und noch nicht hinreichend eingeübt ist (Moorcroft & Gardner 1987, 338). Bahricks Studie über das Vergessen von Spanischkenntnissen ergab, dass das Wiedererkennen (recognition) von Vokabeln z.B. oder Grammatikstrukturen erfolgreicher war als der aktive Wiederabruf (recall) (vgl. Bahrick 1984a ; 1984b; Müller 1995, 31). Auch Cohen (1989) und Schumans, Van Os & Weltens (1985) kommen zum gleichen Ergebnis in Bezug auf das Vergessen von Vokabelkenntnissen. Olshtain (1986) sah einen hohen Verlust bei der Wortschatzproduktion (Olshtain 1986, 163). In der Studie von Weltens (1989) kommt bezüglich des Verlust von Vokabel- und Grammatikkenntnissen in seiner Vierjährigenlangzeitstudie zu einem ähnlichen Ergebnis wie Moorcroft&Gardner (1987) nach einer Spanne der Nichtverwendung von lediglich drei Monaten: „[…] general receptive proficiency in French is clearly not subject to attrition after four years of nonuse, whereas grammar-and to some degree also vocabulary-clearly is“ (Weltens 1989, 95 ; vgl. auch Weltens,Van Els& Schils 1989). Also kommt es schon nach 3 Monaten der Nichtverwendung zu einem 38 Wortfindungsschwierigkeiten und nach 4 Jahren sind deutliche Verluste zu sehen. Rezeptive Fertigkeiten bleiben in der Regel länger erhalten als produktive Fertigkeiten, wobei zu berücksichtigen ist, dass schon beim Sprachenlernen rezeptive Kenntnisse größer sind als produktive (vgl. Müller 1995, 31). Bei manchen Studien kam heraus, dass das Sprechen als erstes Indiz des Vergessens ist (vgl. Kuhberg 1992 ; Moorcroft &Gardner 1987). Edwards (1976) fand eine 8%ige Steigerung der Lesefertigkeit nach 12 Monaten der Nichtverwendung, aber eine 13%ige Verschlechterung der Sprechfertigkeit(vgl. Edwards 1976 : 305-308). Smythe, Jutras, Bramwell & Gardner (1973) z. B. stellten in ihrer ersten Untersuchung des Vergessens von Französischkenntnissen kanadischer Studenten nach den Sommerferien eine Verbesserung des Hörverstehens, aber einen Verlust beim Leseverstehen fest (Smythe, Jutras, Bramwell & Gardner 1973, 400-405). Der Kontrast zwischen Erst- und Zweit-/Fremdsprache als intersprachliche Variable, z.B. die Nähe der zwei konkurrierenden Sprachen (Deutsch-Englisch) spielt beim Verlust der verschiedenen fremdsprachlichen Fertigkeiten eine große Rolle. Entsprechend der von Andersen (1982) aufgestellten Hypothesen muss auf allen linguistischen Ebenen der Kontrast zwischen der Erst- und Zweit-/Fremdsprache berücksichtigt werden (vgl. Andersen 1982). Weltens (1989) stellte in seiner Langzeitstudie fest, dass fremdsprachliche Strukturen des Französischen, die eine große Ähnlichkeit zu denen der Muttersprache Niederländisch aufweisen, besser behalten werden. Interferenz kam vor allem bei der Grammatik, aber auch in der Lexik und Phonologie. Der Grad des Kontrastes zwischen den beiden Sprachen spielte allerdings keine Rolle: „ […] although ´contrast´ in general played its expected role, ´degree of contrast´ did not, at least not as might have been expected on the basis of the interference theory: attrition did not increase with the subtlety of contrast” (Weltens 1989, 95). In Anlehnung an Bermann & Olshtain (1983) muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass Interferenz zwar eine wichtige Rolle im Vergessensprozess spielt, jedoch nicht als der entscheidende Erklärungsfaktor für die Veränderungen in der Lernersprache gelten kann. Berman & Olshtain (1983) untersuchten in diesem Zusammenhang das Vergessen bilingualer 39 Kinder in Hinblick auf den Transfer von der Muttersprache Hebräisch in die Zielsprache Englisch. Transfer muttersprachlicher Muster in die Fremdsprache scheint ein deutliches Zeichen für den beginnenden Vergessensprozess zu sein. Die Kinder entwickelten eine besondere Lernersprache, die aus einer Mischung von hebräischen und englischen Strukturen bestand. So wie die Interferenztheorie nicht sämtliche lernersprachlichen fehlerhaften Strukturen im Erwerbsprozess erklären kann, reicht sie auch als Erklärung für die Fehler im Vergessensprozess nicht aus (vgl. Bermann & Olshtain 1983, 233). Es wird nun auch anschliessend in die Situation ganz fachspezifisch eingegangen, wie es aussieht, wenn jemand erst Englisch, als eine erste Fremdsprache gelernt hat und dann an die zweite Fremdsprache Deutsch sich wendet (DaFnE).12 Dieses ist von Bedeutung, weil die englische Sprache weiterhin auf der Welt als die erste Fremdsprache gesehen wird und gelehrt wird. Die deutsche Sprache ist eine typische zweite Fremdsprache (L3), die meistens nach Englisch als erster Fremdsprache (L2) gelernt wird, und die Fehler im Deutschen gehen oft auf die Tatsache zurück, dass als erste Fremdsprache Englisch gelernt wurde (vgl. Hufeisen 1996, 191; Hufeisen 2000, 550 ). Wie es schon oben angedeutet ist, ist es ganz klar, dass es „zwischen dem Lernen einer ersten (L2) und dem Lernen einer zweiten (L3) oder weiteren Fremdsprachen (Lx) ein Unterschied besteht“ (Neuner und Hufeisen 2001, 29). „Die vorher gelernten Sprachen weisen Parallelen oder deutliche Unterschiede zu der neuen Sprache auf und können als Vergleich oder als Kontrast dienen“ (Hufeisen 2000, 551). Aber leider können diese Vergleiche zwischen Deutsch und Englisch manchmal nicht als eine Hilfe für den Lerner sondern zu Barriere führen. Dies wird jedoch dann klar als es nach einer Unterbrechung z.B. wie Sommerferien zu Interferenzen bzw. negativen Transfers zwischen den Fremdsprachen kommt (z.B. ear- das Ohr, das Haus- house). Man sollte auch bei manchen Wörter im Englischen und im Deutschen vorsichtig sein, weil sie ganz ähnlich aussehen: die so genannten „falschen Freunde“ z. B. (das Gift12 DaFnE: Deutsch als Fremdsprache nach Englisch (Neuner, Hufeisen 2001, 28ff). 40 gift; die Mappe- map) (vgl. Neuner; Hufeisen 2001, 24f). Es sind aber nur Sonderfälle, weil bei dem Erlernen der deutschen Sprache die englische Sprache eine wichtige Hilfe wird13. Zu der letzten Kriteriumvariablen Fragestellung betrachtet man „Wie viel den Grad geht des verloren?“ Verlustes der der Fremdsprachenkenntnisse. In diesem Sinn lassen sich sehr unterschiedliche Ergebnisse anführen, die auch anhand von möglichen Vergessenskurven schematisiert werden und versuchen den Ablauf des Fremdsprachenverlustes zu erklären. Bevor diese möglichen Vergessenskurven erläutert werden, ist es sinnvoll, die Phasen des Fremdsprachverlustes zu definieren und zu schematisieren: • Die Erwerbsphase und die Inkubationsphase Zum Ablauf des Fremdsprachverlustes gehören zwei Phasen: die Erwerbsphase und die Inkubationsphase, die auch eine mögliche Vergessenskurve einer Fremdsprache bestimmen: Language Acquisition Period Time 1 Incubation Period Time 2 ► Time 3 (vgl. Gardner 1982, 25) 13 siehe dazu: Neuner, Hufeisen (2001), Mehrsprachigkeit und Tertiärsprachenlernen, München: (Eigendruck)Goethe Institut. 41 Die Erwerbsphase ( Language Acquisition Period) bezeichnet das Erlernen einer Fremdsprache von Anfang bis zum letzten Unterricht, also das aktive Erlernen. Die Erwerbsphase ist die Zeit zwischen Time 1 und Time 2. Als Inkubationsphase (Incubation Period) bezeichnet man die Zeit Time 3 und diese Zeit ist nun die Zeit, in der die Vergessenskurve stattfindet. Das Sprachlernen ist nicht mehr aktiv. Nun ist Time 3 die Zeit, wo eine Studie über den Sprachverlust durchgeführt werden kann (vgl. Gardner 1982, 25). Wie schon erwähnt14 geht die klassische Ebbinghaus (1885) davon aus, dass der Verlust Vergessenskurve von am Anfang sehr schnell einsetzt, aber danach nimmt die Vergessensgeschwindigkeit kontinuierlich ab und pendelt sich auf einem bestimmten Niveau. Verschiedene Studien zum Fremdsprachenvergessen wie z. B. Kennedy 1932 ; Godsall-Myers 1981; Bahrick 1984 bestätigen diese Voraussage. Sie beobachteten verstärktes Vergessen in der Anfangsperiode, in der die Fremdsprache nicht mehr angewendet wurde. Später verlief die Vergessenskurve flacher (vgl. Lukesch 2001, 175f). Bahrick z.B. erfasste in seiner Untersuchung des Vergessens von Spanischkenntnissen die längste Zeitspanne. Bei einer Gruppe von 773 Probanden mit unterschiedlich langen Lernzeiten und unterschiedlich langer Zeit der Nichtverwendung bis zu 50 Jahren stellte er einen rapiden Verlust in den ersten 5 Jahren der Nichtverwendung fest, danach allerdings blieben die Kenntnisse ungefähr bis zu einer Zeitspanne von 30 Jahren gleich erhalten, bevor sich noch einmal geringfügige Verluste einstellten(vgl. Bahrick 1984a, 1984b). Bahrick erklärte also, dass in der Vergessenskurve von Ebbinghaus das Vergessen nach kurzer Zeit schon zu sehen ist, aber nach Bahricks Untersuchungsergebnis entsteht der Verlust der Sprachkenntnisse in den ersten fünf Jahren sehr schnell und bleibt in den folgenden 30 Jahren konstant. In diesen 30 Jahren kommt es zu wenigen Verlusten. Hier wird das Wissen in einem Speicher festgehalten dies nennt Bahrick permastore die eine Art von Dauerspeicher. Neisser (1984) benutzt dafür den Begriff critical threshold also 14 Siehe: Abschnitt 2.2.4.1. Spurenzerfalltheorie 42 die kritische Stufe, die beim Fremdsprachlernen erreicht werden muss, damit Informationen länger gegen das Vergessen bzw. dem Verlust halten können (vgl. Bahrick 1984a, 1984b ; Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 5; Neisser 1984, 33). Andere Studien lieferten jedoch gegensätzliche Ergebnisse. Danach setzt der Vergessensprozess nicht sofort ein, sondern es existiert eine Art von Lernplateau (Plateaukurve), das sich eine Zeit hält, bevor der Vergessensprozess bemerkbar wird (vgl. Edwards 1977; Snow, Padilla& Campell 1984). In Edwards Untersuchungen z.B. ergaben sich erst nach 12-18 Monaten Verluste, nicht schon nach 6 Monaten. Auch Weltens stellte in seiner Langzeitstudie keinen schnellen Verlust der rezeptiven Französischkenntnisse nach zwei bzw. vier Jahren der Nichtverwendung fest (vgl. Weltens 1989, 96ff; Müller 1995, 28f; Weltens & Cohen 1989, 130). Graphisch lassen sich neben der klassischen Vergessenskurve von Ebbinghaus, die diese zwei möglichen Varianten der fremdsprachlichen Vergessenskurven (die Plateaukurve und die critical threshold ), also die kritische Stufe von Neisser folgendermaßen veranschaulichen (Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 4 ; vgl. Weltens 1989, 12 ; Neisser 1984, 33): 43 2.3.2. Prädiktorvariablen Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchungen die sich mit den 15 Prädiktorvariablen (Warum ändern dargestellt, sich die Fremdsprachkenntnisse? \ Welche Faktoren spielen bei der Veränderung eine Rolle?) beschäftigt haben. Als Bedingungsfaktoren des Fremdsprachenvergessens können das erreichte sprachliche Ausgangsniveau, die Dauer und die Art des Lernprozesses, die Dauer der Verlustphase sowie die Lernercharakteristika genannt werden. Im Zusammenhang mit der Lernercharakteristika wird auch die letzte Hypothese der Fremdsprachenverlustforschung von Gardner (1972), die Hypothese der affektiven Variablen veranschaulicht. 15 auch: Bedingungsfaktoren des Verlustprozesses. 44 2.3.2.1. Sprachliches Ausgangsniveau- Dauer des Lernprozesses Wie im Zusammenhang mit der Frage nach dem Grad des Fremdsprachenverlustes angeführt, ist das Vergessen von dem im aktiven Lernprozess erreichten fremdsprachlich-und kommunikativen Niveau abhängig, wobei die Art der Abhängigkeit nicht eindeutig geklärt werden kann. Weltens (1989) gibt bezüglich der Rolle der sprachlichen Ausgangskompetenz beim Vergessensprozess drei theoretische Möglichkeiten an: „[…] a positive relationship (´the more you know, the more you lost´),a neural one (´You lose a fixed amount irrespective of your total knowledge´), or a negative one (´The more you know, the less you lose´)” (Weltens 1989, 13f). Die erste Möglichkeitje mehr absolut vorhanden ist, desto mehr geht verloren- bedeutet relativ, dass der anteilige Verlust für eine bestimmte Zeitspanne für alle Sprachniveaus gleich ist (vgl. Müller 1995, 29f). Zu diesem Ergebnis kommen z. B. Kennedy (1932) und Scherer (1957), der schließt, dass gute Schüler mehr vergessen, weil sie mehr zu vergessen haben. Bei der zweiten Möglichkeit ist die absolute Menge der vergessenen Elemente, d.h. die Menge des Verlusts, nicht abhängig von der Ausgangskompetenz. Relativ betrachtet bedeutet das aber: Je höher die sprachliche Ausgangskompetenz, desto geringer die Rate des Vergessens. Wie schon vorher erwähnt, kommt auch Bahrick für die Zeitspanne von bis zu 50 Jahren der Nichtverwendung zu diesem Schluss. Bestätigt wird dieses Verhältnis zwischen Verlust und Ausgangslevel zudem von Weltens (1984a) Ergebnissen zum Vergessen von Französischkenntnissen (vgl. Weltens 1984a, 116). Die dritte Möglichkeit – je mehr man weiß, desto weniger verliert man- wurde lediglich von Pratella (1969) und Robinson (1985) bestätigt. Pratella z.B. verglich Schüler, die Spanisch bereits in der Elemantary School (grade 5) begonnen hatten, mit anderen, die in grade 9,10 oder 11 begonnen hatten. Zwar war bei beiden Gruppen der Verlust erheblich in drei Monaten der Nichtverwendung, bei der Gruppe mit geringem sprachlichem Ausgangsniveau war aber der Verlust noch größer (vgl. Pratella 1969, 235-A). 45 In Bezug auf die Rolle des sprachlichen Ausgangsniveaus, das von der Dauer und Intensität des Lernprozesses abhängt, sind besonders die Ergebnisse der Langzeitstudie von Weltens von Interesse. Für die Langzeitwirkung des Fremdsprachenunterrichts ist es besonders wichtig, ein möglichst hohes Niveau zu erreichen (vgl. Müller 1995, zusammenfassend zu diesem Fremdsprachenverlustforschung sagen: 30). So kann man Bedingungsfaktor Je höher der der erreichte fremdsprachliche Ausgangslevel ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Behaltens auch noch nach einer langen Zeit der Nichtverwendung. 2.3.2.2. Art des Lernprozesses Nicht nur die Dauer, auch die Art des Lernprozesses ist ein entscheidender Bedingungsfaktor für die Fremdsprachenverlustforschung. Für die verschiedenen Lehr- und Lernmethoden und Materialien für den Fremdsprachenunterricht gibt es bislang noch keine langzeitigen Forschungen oder deren Ergebnisse (Mayer Wamos 1994: 22). Neuere, die auf die Fremdsprachendidaktik übertragene gedächtnispsychologische Erkenntnisse liegen z.B. der Suggestopädie und dem Superlearning sowie dem neurolinguistischen Programmieren (NLP) zugrunde (vgl. Baur 1990; Mayer Wamos 1994; Schiffler 1989)16.So basiert z.B. der in der Fremdsprachendidaktik diskutierte suggestopädische Ansatz auf gedächtnispsychologischen Ergebnissen, nach denen die Aufnahmefähigkeit des Gedächtnisses im entspannten Bewusstseinszustand am größten ist (vgl. Dhority 1986, 15ff). Die Langzeitwirkung dieser neuen alternativen Lehr und Lernmethoden wurde bislang nicht untersucht, genauso wenig wie die traditionellen Lehr- und Lernmethoden (vgl. Ortner1998, 37f). 16 In Bezug auf die verschiedenen alternativen Lehr- und Lernmethoden vgl. auch Thomas(1987); Hinkelmann,Hinkelmann&Ferreboeuf (1988). 46 2.3.2.3. Dauer der Verlustphase - Rolle des Sprachkontakts Ein weiterer Bedingungsfaktor ist die Besonderheit der Verlustphase. Vor allem die Dauer der Phase und die Rolle des Sprachkontakts sind hier zu nennen. Die vorliegenden Studien umfassen überwiegend drei Monate der Nichtverwendung und schließen den Sprachkontakt als Variable aus. Zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen die Untersuchungen trotz derselben Länge der Verlustphase nicht (vgl. Cohen 1975; Kennedy 1932). Wie schon erläutert, erfasst Bahrick (1984a;1984b) Nichtverwendung und zwar mit 50 Jahren. meisten vorliegenden Untersuchungen die längste Phase der Der Sprachkontakt wurde in den ausgeschlossen, um die Kontrollierbarkeit der Faktoren zu gewährleisten (vgl. Schöpper-Grabe 1998, 250). Im Zusammenhang mit der Rolle des Sprachkontakts muss auf das überraschende Phänomen des Lernzuwachses eingegangen werden. Ohne weiterhin Sprachkontakt zu haben, nahm das sprachliche Wissen zu. Wie schon oben im Abschnitt der Regressionshypothese erwähnt worden ist, kann nach Cohens Ergebnissen Lernfortschritte zustande kommen, dass er als „residual learning“ nennt und meint, dass eine Pause im Lernprozess einen positiven Effekt haben kann und „some sort of unlearning of incorrect patterns“ (vgl. Cohen 1975, 137) bewirkt. Auch in Scherers (1957) Erklärung ist der sprachliche Verarbeitungsprozess während des aktiven Lernens noch nicht abgeschlossen: Also arbeitet das Unbewusste während der Phase der Nichtverwendung weiter (vgl. Scherer 1957, 277). Smythe et al. (1973) wie schon oben bei der Linguistic- Feature Hypothese angedeutet, erklären einen signifikanten Hörverstehensanstieg nach drei Monaten mit Motivationsfaktoren (vgl. Smythe et al. 1973, 405). 47 2.3.2.4. Die Hypothese der affektiven Variablen und die Lernercharakteristika Als bedeutsame Bedingungsfaktoren des Fremdsprachenvergessens sind schließlich die Lernercharakteristika (z. B. Alter, Einstellung und Motivation, Geschlecht, Intelligenz, Sprachbegabung und Lernertyp) zu nennen. Hier ist vor allem die Rolle des Alters untersucht worden, z.B. Berman & Olshtain (1983) stellten fest, dass fünf- bis achtjährige Kinder schneller vergaßen als die älteren oder Jugendlichen. Als Begründung geben sie an, dass die jüngeren Kinder noch nicht lesen und schreiben können und die Trennung der zwei Sprachsysteme bei ihnen noch nicht in demselben Grad ist wie die Jugendlichen (vgl. Berman&Olshtain 1983, 232). Auch Allendorffs (1980) Studie des Lernens, Vergessens und Wiedererwerbs einer Zweitsprache zeigt, wie kurz die Halbwertzeit der Zweitsprachenkenntnisse von Kindern ist. Innerhalb von 18 Monaten nach der Rückkehr von einem sechsmonatigen Aufenthalt in dem Zielsprachenland hatten die drei Kinder im Alter von 4-8 Jahren ihre Zweitsprachenkenntnisse völlig verlernt (vgl. Allendorff 1980, 35ff). Weltens (1983) meint, dass der Fremdsprachenvergessen eine vergleichsweise Faktor Alter für das geringere Bedeutung trägt, weil die meisten Fremdsprachen- „Vergesser“ Jugendliche oder Erwachsene sind (vgl. Weltens 1989, 10). Eine entscheidende Rolle spielt die Einstellung und die Motivation beim Fremdsprachenverlust. Gardner und seine Kollegen (1982) stützten sich auf ihre Untersuchungen zum Einfluss dieser Faktoren beim Fremdsprachenerlernen (vgl. Gardner& Lambert 1972). Gardner (1982) geht davon aus, dass die Einstellung und Motivation eine ähnlich bedeutende Wirkung auf den Vergessensprozess haben, und stellt folgende Hypothesen auf: „Hypothesis 1 states that, since attitudinal\ motivational characteristics are related to the level of second language proficiency, they will relate to second language retention(as would language aptitude)” (Gardner 1982, 31). 48 “Hypothesis 2 states that, since attitudinal\ motivational characteristics are related to indices of participation in language-related situations, they will relate to attempts to maintain second language skills once training has terminated” (Gardner 1982, 34). Die empirischen Arbeiten, die eine Abhängigkeit des Vergessens von diesen Faktoren feststellen und damit Gardners Hypothesen in Bezug auf die Motivation und Einstellung zum Teil bestätigen, sind in der Mehrzahl. Snow, Padilla&Cambell (1988) kamen zu dem Ergebnis, dass die Einstellung zur Sprache das Bewahren der produktiven Fertigkeiten des Schreibens und Sprechens sowie die Häufigkeit des Gebrauchs beeinflusst, nicht aber das Bewahren von rezeptiven Fertigkeiten. Gardner, Lalonde & Mac Pherson (1985, 538) bestätigten ihre Hypothese in einer Untersuchung des Einflusses von Einstellungen, Motivation und Sprachgebrauch auf den Vergessensprozess des Französischen bei Kanadiern mit Englisch als Erstsprache mit Hilfe eines Selbstbestimmungsfragebogens. Sie ziehen die Schlussfolgerung, dass positive Einstellungen den Lernprozess so beeinflussen, dass sie dann einen scheinbaren Effekt auch auf den Vergessensprozess haben. In einer Studie über den Verlust der Französischkenntnisse Kanadiern mit Englisch als Erstsprache von während einer dreimonatigen Sommerpause bestätigen Gardner, Lalonde, Moorcroft & Evers (1987) ihre im Jahre 1985 aufgestellten Hypothesen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Einstellung die Motivation bewirkt und dass die Motivation ein Faktor ist, der das erreichte fremdsprachliche Niveau sowie die Häufigkeit der Anwendung bestimmt(vgl. Gardner, Lalonde, Moorcroft & Evers 1987, 42). Auch Smythe et al. (1973) führen eine leichte Verbesserung der Sprachkompetenz nach drei Monaten der Nichtverwendung auf Motivationsfaktoren zurück. Nach der Sommerpause seien die Studenten „frischer“ und motivierter, die Tests gut zu bestehen, als am Ende des Semesters ( vgl. Smythe et al. 1973, 400-405). 49 Also kam Gardner in den 80er Jahren zu einem neuen Aspekt der Sprachverlustforschung durch die Motivationsforschung und zwar mit seiner Hypothese der affektiven Variablen bzw. die affektive Variablenhypothese. Nun wurden die sozio-affektive Faktoren wie Einstellung, Orientierung, Motivation berücksichtigt. Eine hohe Motivation fördert eine höhere Lernbereitschaft und eine noch intensive Anwendung der Fremdsprache (vgl. Gardner, Lalonde, Moorcroft & Evers 1987, 42).Also führt eine positive Einstellung zu einem garantierten Fremdspracherlernen und die negative Einstellung dagegen zu einem Fremdsprachverlust. Was ist nun dieser wichtige affektive Faktor Motivation? Aber bevor die Erklärungen über die Motivation und die weiteren Erläuterungen über der Hypothese der affektiven Variablen bearbeitet werden, ist es wichtig zu definieren, was eigentlich Affekt ist , dessen Faktoren so wichtig sind, und welche Beziehungen er mit der Kognition hat: • Der Affekt In der sprach - und fremdsprachenbezogenen Forschung tritt der Begriff Affekt entweder eigenständig im Sinne von Gefühl, Stimmung, Emotion auf oder er umfasst, ebenso wie die alternativ gebrauchten Termini Affektion und affektiv- Persönlichkeitsmerkmale, emotionale Zustände, soziale Faktoren, Bedürfnisse, Einstellungen, Interessen, Motive, Motivation (vgl. Boosch 1983, 21-40; Solmecke 1983, 41-56; Vogel 1990, 143-146). „Der Affekt oder die Emotion bilden die Ergebnisse motivationaler Dynamik, deren Einfluss auf die Informationsspeicherung bedeutsam ist […] Gedächtnisbildung und Gedächtnisfunktion sind nur aus dem Zusammenwirken von Kognition und Motivation zu verstehen“ (Klix 1988, 213). Mandl&Huber (1983,1) betonen,„dass menschliche Informationsverarbeitung kognitive Daten im engeren Sinn, d.h. Wissen um Objekte, Zustände, Ereignisse und emotionale Daten einschließt“. Bei diesem Prozess handelt es sich immer um ein Zusammenwirken kognitiver und emotionaler Prozesse. 50 Zusammenfassend lässt sich sagen: „So wie es keinen emotionalen Zustand frei von kognitiven Elementen gibt, so gibt es auch keine Informationsverarbeitung ohne emotionale Aspekte“ (Edelmann 1988, 99). Die Hypothese der affektiven Variablen von Gardner betont also die Rolle von Einstellungen und Motivationen beim Fremdsprachenlernen (vgl. Gardner& Lambert 1972). „Es wird dabei berücksichtigt, dass zwischen sozio-affektiven Faktoren (wie z.B. Einstellung und Motivation) und sprachlich-kognitiven Variablen (wie Sprachtalent und erreichtes Kompetenzniveau in der Fremdsprache) eine Wechselbeziehung besteht“ (Müller 1995, 23). Laut Gardner (1982) beeinflussen und verbessern diese Einstellungsvariablen auch die Spracherhaltung, und zwar dadurch, dass motivierte Sprachlerner auch nach der formalen Unterricht jede Möglichkeit suchen und nutzen, ihre fremdsprachlichen Fähigkeiten zu trainieren und zu verbessern (vgl. Müller 1995, 24). Kennedy beobachtete beispielsweise, dass die Behaltensleistungen von Lateinschülern im ersten und im zweiten Jahr in großem Maße davon abhingen, ob diese mit dem Lateinunterricht fortfahren wollten oder nicht. Die Schüler, die den Unterricht abgewählt hatten, konnten nach den Sommerferien nur noch 65% des Jahresstoffes reproduzieren, die Fortsetzer 85% (vgl. Kennedy 1932, 146). Im Zusammenhang dieser Hypothese wird nun der Faktor Motivation und deren verbundenen Begriffe Motive, Einstellungen und Interessen der Lernenden bearbeitet, um die Rolle dieses affektiven Faktors für das Erlernen einer Fremdsprache besser zu entlarven: 2.4. Der affektive Faktor Motivation Motivation wird in der Fachliteratur lehren zum Fremdsprachenlernen und - für vieles verantwortlich gemacht. Sie beeinflusst die Wahl eine bestimmte Fremdsprache zu lernen, den Lernprozess, das Verhalten im und 51 nach dem Unterricht, den Lernerfolg, die Benutzung geeigneter Lernstrategien oder auch die Behaltensleistung (vgl. Dörnyei 1994a; Gardner & Trembley 1994a; McIntyre& Charos 1996; Oxford& Shearin 1994). Die Kritik ist also nicht neu, dass mangelnde Motivation im Fremdsprachenunterricht schon immer zur Unzufriedenheit bei Lernern und Lehrern geführt hat. So wird nun in diesem Zusammenhang versucht die wichtigen Begriffe zu diesem Phänomen zu definieren und zu bearbeiten: 2.4.1. Klärung der Begriffe • Das Motiv Umgangssprachlich lässt sich der Motivbegriff wiedergeben: „Aggression, Angst, Durst, Ehrgeiz, Geltungsdrang, Hunger, Liebe, Machtstreben,Mitleid, Trotz, Unzufriedenheit, Vertrauen, Zorn“(Graumann 1974:4). Motiv „bedeutet im pädagogischen Zusammenhang Beweggrund, Antriebselement, Leitgedanke für ein Wollen oder Handeln“ (Köck; Ott 2002:488). Motive, durch die sich verschiedene Menschen in der gleichen Situation in ihrem Verhalten voneinander unterscheiden, können jedoch nicht unmittelbar beobachtet werden; vielmehr ist der Motivbegriff als ein hypothetisches Konstrukt zu verstehen. Nach Schiefele (1974) lässt sich der wissenschaftliche Motivbegriff wie folgt definieren: Wie Motivation ist das Motiv ein hypothetischer Begriff. Er bezeichnet relativ dauerhafte psychische Dispositionen. Motive werden durch soziale Interaktion im Bezugssystem der Person entwickelt und bilden darin kognitive, affektive und wertgerichtete Teilsysteme. Im Prozess der Motivation werden Motive aktiviert. Sie sind die Beweggründe (Ursachen) einer Handlung und bestimmen, was diese für die Person bedeutet (Schiefele 1974, 31). 52 Motiv ist also ein Faktor, „der die Aktivierung und Steuerung von Verhaltensweisen bestimmt“(Schröder 1992, 149). Motive sind folglich keine kurzfristigen, sondern „relativ dauerhafte psychische Dispositionen, die durch jeweiligen Situationsumstände aktiviert werden“(Graumann 1974,113). Der bei Schiefele (1974) bereits angesprochener Zusammenhang zwischen Motiv und Motivation führt zu einer Klärung des wissenschaftlichen Motivationsbegriffs, den man mit Graumann als„Interaktion von motivierender Situation und motiviertem Subjekt“ bezeichnen kann (Graumann 1974, 125). In diesem Sinne erklärt Heckhausen (1980) dass Motive hier zusammenfassend als Sammelbegriffe für so unterschiedliche Beziehungen wie Bedürfnis, Beweggrund, Trieb, Neigung, Streben etc. stehen. Bei allen Bedeutungsunterschieden im einzelnen verweisen alle diese Bezeichnungen auf eine `dynamische` Richtungskomponente. Es wird eine Gerichtetheit auf gewisse, wenn auch recht unterschiedliche, aber stets wertgeladene Zielzustände angedeutet; und zwar Zielzustände, die noch nicht erreicht sind, deren Erreichung aber angestrebt wird (Heckhausen 1980, 24). In Motivauflistungen wie bei Apelt (1981) werden so unterschiedliche Motive für das Fremdsprachenlernen genannt wie das Anschlussmotiv, das Leistungsmotiv, das Neugier- und Wissensmotiv, das Nützlichkeitsmotiv, das Gesellschaftsmotiv, das Elternmotiv, das Kommunikationsmotiv, das Lehrermotiv, das Annerkennungs- und Geltungsmotiv(vgl. Apelt 1981, 22). • Die Motivation Motivation (mittellat. Motivum: Bewegung,Antrieb) ist ein ,Hypothetisches Konstrukt zur Erklärung der Verschiedenartigkeit individuellen Handelns. (Pethes;Ruchatz 2001, 386) 53 Motivation wird umgangsprachig häufig umschrieben mit: “Absicht,Affekt,Antrieb,Bedürfnis,Beweggrund,Einstellung,Impuls,Initiative,Intent ion,Interesse,Reiz,Trieb,Verlangen,Vorliebe,Wunsch“ (Graumann 1974:3). Schröder (1992) meint, dass die „Motivation, die Gesamtheit der in einem individuellen Gefüge wirksamen Motive[ist] (Schröder 1992, 149). Mit solchen Ausdrücken wird versucht das menschliche Verhalten vorwissenschaftlich zu beschreiben. Aber das menschliche Verhalten und Handeln ereignet sich unter bestimmten Situationsumständen, wobei sich in der gleichen Situation bei verschiedenen Menschen individuell unterschiedliches Verhalten feststellen lässt. Diese individuelle Verhaltensweisen sind auf diese Weise zu erklären, dass durch die gleiche Situation bei den einzelnen Personen verschiedene Beweggründe, Motive aktiviert werden (vgl. Funkkolleg Pädagogische Psychologie, Studienbegleitbrief 2 1972, 71ff). Rheinberg (1999) definiert Motivation als „die positive Bewertung eines Lernziels, die dann auftritt, wenn das Ziel als ich-nah, d. h. wichtig für die eigene Persönlichkeit, und als erreichbar, d.h. als Stärkung und Bestätigung der eigenen Person, empfunden wird“( Rheinberg 1999, 191). Motivation setzt Emotionen frei, sie führt zur Interessenentwicklung und sorgt dafür, dass das Lernziel mit Freude verfolgt wird und der Lernprozess als eine positive Fortentwicklung erfahren werden kann. Die freigesetzten Emotionen ihrerseits steuern die Aufmerksamkeitsprozesse, d.h. sie wirken auf das Bewusstsein ein und bringen dadurch kognitive Prozesse in Gang, die eine Überführung der Lernererlebnisse in Wissen zur Folge haben: die Vernetzung der neuen Erfahrungen mit dem bereits vorhandenen Wissen und ihre Verankerung im Gedächtnis. Das Erlebnis Quelle der Motivation des Wissenszuwachses ist wiederum eine neue und führt zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes. Man kann also sagen, dass positive Motivation einen sich selbst verstärkenden Kreislauf in Gang setzt, der dem Lernprozess überaus förderlich ist: 54 - Motivation setzt positive Emotionen frei, - Positive Emotionen bringen kognitive Prozesse in Gang, - Kognitive Prozesse führen zu Erkenntnissen, - Und diese verstärken ihrerseits die Motivation (vgl. Schumann 2004, 264). Durch Motivation wird folglich ein bestimmtes Verhalten des Subjekts ausgelöst und in Richtung auf ein bestimmtes Ziel gesteuert. Im Gegensatz zu den überdauernden Motiven des Subjekts halten Motivationen nicht an, sondern verschwinden wieder, wenn das jeweils angesteuerte Ziel erreicht ist (vgl. Funkkolleg Pädagogische Psychologie, Studienbegleitbrief 2 1972, 75). Die Motivation sagt etwas über unsere inneren Bedürfnisse aus. Sie hilft uns zu überleben, lenkt das Verhalten auf ein Ziel und steigert die allgemeine Wachheit(vgl. Kupfermann& Schwartz 1996, 626). „Die Motivation ist [also auch]der Antrieb, der uns den nötigen Schwung gibt […] Eins ist gewiss: Ohne Motivation ist konzentrierte Arbeit nicht möglich“(Kullmann &Seidel 2000, 28f). • Antrieb und Motivation Der Antrieb ist eine der sechs Grundgrößen des Spracherwerbs17 und wird immer wieder anstelle der Motivation verwendet, weil diese Begriffe zum großen Teil bei den Forschungen für Spracherwerb Ähnlichkeiten zeigen. . Die sechs Grundgrößen des Spracherwerbs sind: Ein globales Bild, Antrieb, Sprachvermögen, Zugang, Struktur des Verlaufs und Endzustand. (vgl. Klein 1984, 43-63). Unter Antrieb verstehen wir die Gesamtheit aller Faktoren, die den Lerner dazu führen, seine Sprachlernfähigkeit auf eine bestimmte Sprache anzuwenden. 17 Für die sechs Grundgrößen siehe: Klein, W. (1984), Zweitspracherwerb,Frankfurt am Main: Athenäum Verlag. 55 Der Antrieb hat nach Klein (1984) vier Faktoren: • • Soziale Integration • Kommunikative Bedürfnisse • Einstellungen • Erziehung (Klein 1984, 45-49) Motivation und Neugier Nach Vester (1975) ist die Neugier, der Grundtrieb des Lernens überhaupt. [...] [Deshalb sollte die Neugier in der Schule eingesetzt werden]. [Die Neugier] bildet den Antrieb, die Motivation, auch einen fremden, unbekannten Stoff aufzunehmen, ihm Aufmerksamkeit zu widmen und geeignete Assoziationen für ihn zu suchen. So bildet die Neugier auf unserem Netzplan eine wichtige Brücke von <<fremd- unbekannt>> zur << Motivation>>, ohne dass der Hemmende Weg über Stress, Flücht oder Frustration eingeschlagen werden muss (Vester 1975, 120). • Die Einstellung (Attitüden) Einstellungen sind „gegenstandsbezogene, erfahrungsbedingte und systemabhängige Verhaltensdeterminaten“ (Roth 1967, 43). Einstellungen als ein System psychischer Elemente beschreibt Roth (1967) folgendermaßen: Einstellungen sind […] nicht unterschiedliche und in der Kausalkette früher anzusetzende Determinanten von Wahrnehmen, Denken, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Fühlen und Handeln, sondern sie sind jener Zustand des Systems, zu dem alle psychischen Funktionen in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand zusammengeschlossen sind (Roth 1967, 43). Einstellungen werden als ein Konstrukt verstanden, das aus den drei folgenden Komponenten entsteht: 56 • einer kognitiven • einer affektiven und • einer konativen (verhaltensbezogenen) Komponente Mit der kognitiven Komponente werden das Wissen, die Urteile und Meinungen des Subjekts über ein Objekt zusammengefasst. Die affektive Komponente bezieht sich auf die Gefühle und Werthaltungen, die das Subjekt mit einem Objekt verbindet. Die konative Komponente umfasst alle Formen des Verhaltens, die das Subjekt einem Objekt gegenüber zeigt (vgl. Triandis 1975, 4).Objekte der Einstellung können Personen, Sachen, Institutionen, Situationen oder Ideen sein (vgl.Funkkolleg Pädagogische Psychologie, Studienbegleitbrief 6 1972, 16f.). Unter Berücksichtigung der drei genannten Komponenten von Einstellungen kann man Einstellungen allgemein als Verhaltensdispositonen oder als Bereitschaft, auf ein Objekt zu reagiere, definieren (vgl. Triandis 1975, 5). Zwischen Einstellungen und Motivation besteht ein gewisser Zusammenhang. Schiefele sieht in der Einstellung „das Individuum wirksame Teilprinzip der Motivation, das […] eine vorlaufende Bedingung für das Verhalten darstellt“ ( Schiefele 1963, 64). 2.4.2. Erklärungsversuche des Phänomens „Motivation“ im Fremdsprachenunterricht Kleppin (2004) sieht die Motivation als „ eine vorhandene positive Einstellung zur Zielsprache bzw. vorhandene Gründe und Ursachen für das Erlernen einer fremdsprache“ (Kleppin 2004, 3). Nach Edmondson & House (2000) gibt es „kognitive und affektive Unterschiede zwischen den Lernern. Diese Individuellen Unterschiede sind:18 18 Vgl. Riemer (1997, 77) 57 Intelligenz, Sprachlerneignung, kognitiver Stil, Motivation, Einstellung und Persönlichkeitsfaktoren. Die ersten drei sind kognitive und die letzten drei affektive Unterschiede zwischen den Lernenden„ (Edmondson & House 2000, 191). Der Faktor Motivation wurde laut Riemer (1997) „bis in die achtziger Jahre hinein in erster Linie gemeinsam mit dem Faktor „Einstellungen" erforscht. Mittlerweile wird Motivation jedoch zunehmend als eigenständiges Konstrukt erfasst und wieder intensiv diskutiert, sowie um zahlreiche neue Komponenten erweitert“ (Riemer 1997, 7). Riemer (1997) untersucht in ihrer Arbeit die Wechselwirkung von Motivation und anderen Einflussfaktoren im Kontext Deutsch als Fremdsprache für ausländische Studierende. Erforscht werden soziale, affektive, Persönlichkeits- und Unterrichtsfaktoren. Die an der Universität Bielefeld durchgeführte Studie folgt einem mehrmethodischen, longitudinalen, qualitativorientierten Ansatz. Riemers Daten unterstützen die von ihr aufgestellte „Einzelgänger-Hypothese": Trotz vergleichbarer äußerer Potentiale zum Fremdsprachenerwerb [...]war jeder Proband durch unterschiedliche Voraussetzungen und Handlungen ein Einzelgänger in der Art und Weise, wie er fremdsprachlichen Input wahrgenommen und zum Anlass der Aktivierung auf Fremdsprachenerwerb bezogener, subjektiver Theorien verwendet hat (Riemer, 1997, 229). Kleppin (2004) meint dass, die Motivation zu Beginn des fremdsprachlichen Lernprozesses meist recht hoch ist, kann dann aber nicht über eine sehr lange Zeit aufrecht erhalten bleiben, um das (z.B. eine angestrebte ‚umfassende kommunikative Kompetenz’) zu erreichen. Daher ist es für den Lerner notwendig, sich Nahziele zu setzen, die für ihn von persönlicher Bedeutung sind, deren Erfolg sichtbar ist und die sukzessive erreicht werden können. Solche klaren kurzfristigen und vom Lerner akzeptierten Zielvorstellungen unterstützen den Aufbau realistischer Erwartungen über die Ergebnisse der eigenen Tätigkeit (Kleppin 2004, 6). 58 Der Affekt oder die Emotion, [die also auch für das Fremdsprachenlernen einen besonderen Sinn hat], bilden die Ergebnisseite motivationaler Dynamik, deren Einfluss auf die Informationsspeicherung bedeutsam ist. Gedächtnisbildung und Gedächtnisfunktion sind nur aus dem Zusammenwirken von Kognition und Motivation zu verstehen. Dieses Zusammenwirken ist am sinngefälligsten in den Mechanismen der Zielbildung [und] den Tendenzen zur Zielerreichung […] zu erkennen: die erlebte Schwierigkeit des Ziels staut den Affekt, der wiederum die kognitiv verfügbaren Kräfte zu dessen Erreichung aktiviert- d.h. aber: der Wissen mobilisiert, das im Gedächtnis gespeichert ist (Klix 1999, 213). 2.4.3. Die Motivationsvariablen zur Fremdsprachenmotivationsforschung Ausgehend von der Motivation, die mit ihren Faktoren das menschliche Handeln zu einem bestimmten Zeitpunkt positiv oder negativ manipulieren kann, hat verschiedene Arten bzw. Variablen, die nun vorgestellt werden. In erster Linie unterscheiden Gardner und Lambert (1972) zwei Motivationsarten: die instrumentelle Motivation und die integrative Motivation: 2.4.3.1. Die integrative und instrumentelle Orientierung In der Fremdsprachenmotivationsforschung trifft man auf unterschiedliche Herangehensweisen und Theorien. Wie schon erwähnt dominierte bis in die 1990er Jahre das sozial-psychologische Konzept Gardners. So betonen Gardner und Lambert (1972) die Bedeutung von Einstellungen gegenüber der Sprache, dem Zielsprachenland und der Sprechergruppe sowie Orientierungen der Lerner in Bezug auf deren Motivation. Besonders die Unterscheidung zwischen integrativer und instrumenteller Orientierung hat zu kontroversen Diskussionen in der Forschung geführt. So kam es dazu, dass seit Beginn dieser Forschungsarbeit zum Faktor Motivation die Diskussion von der 59 Unterscheidung zwischen instrumenteller und integrativer Motivation geprägt wurde (vgl. Riemer 1997, Kleppin 2001, 222f). Während eine integrative Orientierung mit dem Ziel, mehr über die Sprechergruppe zu erfahren bzw. mehr und unterschiedliche Menschen kennen zu lernen, verbunden wird, basiert eine instrumentelle Orientierung auf dem eher praktischen Nutzen des Sprachenlernens (vgl. Gardner & Lambert 1959, 267). Schlak (2002) versteht unter instrumenteller Motivation, das Bedürfnis der Lerner, eine Fremdsprache aus pragmatischen Gründen zu lernen. -Ich lerne Deutsch, weil ich dadurch bessere Jobchancen habe. -Ich lerne Deutsch, weil ich in Deutschland studieren will (Schlak 2002, 8). Also ist ein Lerner dann instrumentell motiviert, wenn er sich von dem Lernen der Fremdsprache einen Nutzen verspricht z.B; Beruf. „Die Fremdsprache wird zu einem Instrument, um einen Ziel zu erreichen. Das fremdsprachliche Lernen ist dann, zweckorientiert“ (Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 9). Im traditionellen Sinn versteht man unter integrativer Motivation den Wunsch, sich der Zielkultur anzupassen, sich zu integrieren, sich für Land und Leute zu interessieren. Ich lerne Deutsch, weil mir das Leben in Deutschland gefällt. Ich lerne Deutsch, weil ich Deutsche mag und sympathisch finde ( Schlak 2002, 8). Der integrativ motivierte Lerner fühlt sich von der anderen Sprachgemeinschaft und ihrer Kultur angezogen und kann dies erweitern, indem er sich sogar als ein Mitglied fühlt. (z.B.; die Türken, die in Deutschland leben) (vgl. Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 9). 60 Das System wurde erweitert von Clément und Kruidenier (1983), die die instrumentelle Orientierung um drei weitere Kategorien ergänzten: friendship und knowledge orientation. Eine eindeutig integrative Einstellung sehen Clément und Kruidenier (1983) hingegen als eher seltenes Phänomen an, das in multikulturellen Kontexten auftritt (vgl. Clément und Kruidenier 1983, 287; Kleppin 2001, 221). 2.4.3.1.1. Friendship-orientation Friendship-orientated bezieht sich auf Motivationsgründe, die auf freundschaftliche Beziehungen bzw. eine freundschaftliche Gesinnung gegenüber den Sprechern des Zielsprachenlandes hinweisen. Die Sprache wird hier als Mittel zur Kontaktaufnahme oder -vertiefung benötigt. -Ich lerne Deutsch, weil ich in Deutschland Freunde finden möchte. -Ich lerne Deutsch, weil ich deutsche Freunde habe(vgl. Schlak 2002, 8f). 2.4.3.1.2. Knowledge-orientation Der Faktor knowledge-orientated beinhaltet den Wunsch, aufgrund der erworbenen Fremdsprachenkenntnisse von anderen akzeptiert oder sogar bewundert zu werden. Man lernt die Fremdsprache, weil man der Ansicht ist, dadurch eine gebildetere Person zu sein. -Ich lerne Deutsch, weil ich durch meine Deutschkenntnisse mehr Anerkennung bekomme. - Ich lerne Deutsch, weil gute Deutschkenntnisse zur Allgemeinbildung gehören(vgl. Schlak 2002, 8f). In diesem Sinn ist also ein wichtiger Aspekt in Gardners Theorien, dass beim Sprachenlernen nicht nur das Erlernen von Strukturen und Wortschatz 61 eine Rolle spielen, sondern, vor allem im Hinblick auf die Motivation, der kulturelle Aspekt mitberücksichtigt werden muss, also die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Sprechergruppe und Kultur (vgl. Gardner & Lambert 1959, 269). Seit einigen Jahren wird in der Fremd-/Zweitsprachenerwerbsforschung einem weiteren Motivationskonzept vermehrt Beachtung geschenkt: der Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmungstheorie wurde bereits Mitte der 1980er Jahre in der Kognitionspsychologie entwickelt (self-determination theory); einer der zentralen Aspekte dieser Theorie ist die Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation (Deci & Ryan 1985). 2.4.3.2. Die intrinsische und extrinsische Motivation Der Terminus intrinsisch wird dabei mit einem Verhalten in Verbindung gebracht, das auf Interesse an der Sache selbst aufbaut. Der Lerner agiert, weil er Freude daran hat oder seine Neugier befriedigen will. Extrinsische Motivation hingegen beinhaltet ein Verhalten, das durch äußere Einflüsse und Ziele bestimmt ist. Der Lerner strengt sich an, um z. B. gute Noten zu erhalten oder um Strafe oder Missbilligung zu vermeiden (vgl. Deci 1975; Dörnyei 1998: 121; Kleppin 2001, 222). „Intrinsische Motivation liegt also vor, wenn die Tätigkeit aus Motiven gezeigt wird, die in unmittelbarer Verbindung mit der Ausführung der Tätigkeit selbst stehen“(Edelmann 1988,103). Nach Schlak (2002) besteht dann eine Intrinsische Motivation, wenn Lernende innerlich den Wunsch haben, die Fremdsprache zu lernen. Das Lernen bereitet Spaß, der Unterricht weckt das Interesse und die natürliche Neugier der Lernende. -Ich lerne Deutsch, weil mir das Deutschlernen Freude bereitet. -Ich lerne Deutsch, weil es ein Hobby für mich ist (Schlak 2002, 9). 62 Eine allgemein anerkannte These ist, dass intrinsische Motivation eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand bewirkt und sie dadurch als die überlegene Form von Motivation angesehen werden kann. Kommt jedoch eine starke extrinsische Motivierung hinzu, kann diese die intrinsische Motivation vermindern (vgl. Dörnyei 1998, 122; Deci 1975; Deci & Ryan 1985, 63). Dies geschieht vor allem dann, wenn der Lerner über ein zu geringes Maß an Selbstbestimmung gegenüber der zu verrichtenden Aufgabe verfügt und er die Lösung dieser Aufgabe nicht auf seine eigene Fähigkeit zurückführt. Bringt ein Lerner jedoch ein hohes Maß an Selbstbestimmung mit, können auch extrinsische Formen der Motivation (Belohnung) auf Dauer zu einer intrinsischen Motivation führen(vgl. Kleppin 2001, 222f). Auch Emotionspsychologie behauptet, „dass ein großer Teil des Verhaltens, [...] mit intrinsischer Motivation erklärt [werden kann] und sie [ist] eine Funktion der Emotion Interesse Erregung und deren Interaktionen mit perzeptiven und kognitiven Prozessen.“ (Izard 1999, 221). Deci & Ryan (1985) gehen also davon aus, dass intrinsische Motivation grundsätzlich mit einem hohen Maß an Selbstbestimmung verbunden ist. Extrinsische Motivationstypen hingegen sind gar nicht oder nur wenig selbstbestimmt (vgl. Deci & Ryan 1985, 63). Edelmann erklärt, dass „die extrinsische Motivation nur dann vorliegt, wenn (positive) Konsequenzen erwartet werden, die nicht in unmittelbarer Verbindung mit der Ausführung der Tätigkeit stehen“ (Edelmann 1988,103). Schlak (2002) versteht unter extrinsisch motiviertem Verhalten folgendes: Durch äußere Einflüsse wie Prüfungen oder Notendruck wird der Lerner zum Lernen motiviert. -Ich lerne Deutsch, weil ich eine Prüfung bestehen will. -Ich lerne Deutsch, weil ich eine gute Note bekommen will. (Schlak 2002, 9) 63 „Extrinsisch motivierte Fremdsprachenlerner orientieren sich an den von außen kommenden Reizen oder Belohnungen. Diese können gute Noten oder ein positives Feedback der Lehrperson, aber auch Erwartungen der anderen sein “ ( Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 9). Bei der instrinsischen Motivation liegen die motivierenden Faktoren im Lerner selbst. Es geht um eine Selbstbestimmung (Deci 1975) und das Gefühl der Kompetenz. „Der Fremdsprachlerner lernt die Sprache, um das gewünschte Sprachniveau zu erreichen, weil er Spaß am lernen hat und weil der Fremdspracherwerb eine Herausforderung für ihn darstellt. Intellektuelle Neugierende und Erfolgsaussichten sind für diesen Lerner motivierende Faktoren.“ (Feuerhake, Fieseler, Ohntrup, Riemer 2004, 9-10). So kann man sagen, „dass das intrinsische noch effektiver ist als das extrintische “ (Riemer 1997, 27). Es werden bei der extrinsischen Motivation vier Typen unterschieden: external, introjected, identified und integrated regulation. Eine external regulation liegt vor, wenn das Handeln einer Person ausschließlich durch äußere Anreize bestimmt wird wie z. B. Prüfungen, Anerkennung oder auch Kosten. Fällt der entsprechende Anreiz weg, fehlt in der Regel auch jeglicher Ansporn, die Aktivität fortzuführen. Übt eine Person auf sich selbst Druck aus, indem sie sich zwingt, eine bestimmte Aktivität (z. B. das Lernen einer Fremdsprache) auszuführen, so spricht man von einer introjected regulation. Eine stärker selbstbestimmte Form der extrinsischen Motivation ist die identified regulation. Bei ihr wird der Wert einer Lernaktivität erkannt und zum eigenen Nutzen erledigt (vgl. auch Noels, Pelletier, Clément, Vallerand 2000, 62). Im Rahmen einer integrated regulation kann die Motivation letztendlich als Teil der eigenen Persönlichkeit bzw. Ausdruck eines eigenen Bedürfnisses oder Interesses (z.B. Reisen) angesehen werden. Es ist die Form der extrinsischen Motivation, die mit dem stärksten Grad der Selbstbestimmung einhergeht (vgl. Kleppin 2001, 222ff). Neben den eher traditionellen Variablen werden auch neuere Aspekte der Motivationsforschung, wie sie vor allem bei Dörnyei (1994a) beschrieben 64 sind, untersucht. Dazu zählen neben intrinsischer und extrinsischer Motivation folgende Variablen: self-efficacy (die Selbstwirksamkeitserwartung), interest (das Interesse , relevance ( die Relevanz): 2.4.3.2.1. Die Selbstwirksamkeitserwartung (Self-Efficacy ) In der Fachliteratur finden sich recht unterschiedliche Definitionen für den Faktor self-efficacy. Dörnyei (1994a) spricht von einem aufgabenspezifischen Selbstbewusstsein. Er bezieht self-efficacy auf das individuelle Urteil eines Lerners über seine/ihre Fähigkeit, eine bestimmte Aufgabe durchzuführen (vgl. Dörnyei 1994a, 277). -Ich lerne Deutsch, weil ich deutsche Vokabeln schnell lernen und mir leicht merken kann. -Ich lerne Deutsch, weil ich keine Probleme mit der deutschen Aussprache habe (Schlak 2002, 10). 2.4.3.2.2. Das Interesse (Interest) In der pädagogischen Psychologie wird Interesse primär unter dem Gesichtspunkt der emotionalen, motivationalen und kognitiven Beziehungen einer Person zu Gegenständen des schulischen und akademischen Lernens (Wissensgegenstände)analysiert (Rost 1998, 286). Nach Schiefele (1974) ist Interesse „die Gerichtetheit der Person auf die erkennende Erfassung von Sachverhalten, Zusammenhängen, Situation“ (Schiefele 1974, 251). Interessen „entstehen aus dem Erkundungsverfahren von früher Kindheit an“ (Schiefele 1974, 257). Als Vornormen des Interesses nennt Schiefele „Tätigkeitsstreben (allgemeine Aktivität von Organismen), Erlebnisdrang, Neugierende“ (Schiefele 1974, 251). 65 Die Intrinsische Motivation wird hier auch als Funktion von InteresseErregung angesehen. Das Interesse zählt nach Dörnyei (1994a, 277f.) zu den unterrichtsspezifischen Motivationsvariablen. Dörnyei versteht interest als eine der intrinsischen Motivation ähnliche Variable, die sich auf die natürliche Neugier jedes Einzelnen, über sich und seine/ihre Umgebung mehr zu erfahren, bezieht. Hier wird interest allerdings anders definiert und bezieht sich auf den Unterricht selbst. Je nachdem, ob der Unterricht interessant oder weniger interessant gestaltet ist, hat dieser möglicherweise positive oder negative Einfluss auf die Motivation der Lernenden. (vgl. Dörnyei 1994a, 277f; Schlak 2002, 10; Kleppin 2001, 223 ). -Ich lerne Deutsch, weil wir sehr interessante Themen im Unterricht besprechen. -Ich lerne Deutsch, weil der Unterricht selten langweilig ist. (Schlak 2002, 10) Müller (1995) sieht Motivation und Interesse in diesem Zusammenhang als, „zweifellos starke Vorraussetzungen des Sprachenlernens, die einen langfristigen Lernerfolg garantieren, vor allem, wenn günstige Lernumgebungen den mühelosen Zugang zur Zielsprache ermöglichen und aufrechterhalten (vgl. Müller 1995, 23). 2.4.3.2.3. Die Relevanz (Relevance) Lernende sind vermutlich dann motivierter, wenn sie merken, dass die Inhalte des Unterrichts für sie persönlich relevant sind (vgl. Dörnyei 1994a, 277). -Ich lerne Deutsch, weil ich in diesem Kurs viel lerne, was für mich persönlich wichtig ist. -Ich lerne Deutsch, weil ich in diesem Sprachkurs alles lerne, was ich für meine spätere Prüfung brauche(Schlak 2002, 10). 66 Die intensive Beschäftigung mit Motivation beim Fremdsprachenlernen hat in den letzten Jahren vor allen Dingen eines deutlich gemacht: Motivation ist kein statischer Zustand, vielmehr handelt es sich bei Motivation um einen dynamischen Prozess (vgl. Riemer 2004, 376). Laut Pintrich & Schunk (1996) ist Motivation im Wesentlichen von den individuellen Gedanken und Emotionen des Lerners, die ihn zum Handeln bewegen, abhängig: “motivation involves various mental processes that lead to the initiation and maintenance of action“ (Pintrich & Schunk 1996, 4). Das heißt, Motivation beeinflusst nicht nur den Lernprozess, sondern ist auch für ein längerfristiges “Durchhalten“ des Lerners verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass sich Motivation im Laufe des Lernprozesses verändern kann. Es ist deutlich, dass Motivation nicht isoliert betrachtet werden kann, vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sie von einer Vielzahl anderer Faktoren beeinflusst wird. Diese Faktoren sind für Intensität und Schwankungen der Motivation verantwortlich und sind sowohl im Lerner selbst als auch in seiner sozialen Umgebung zu suchen. Es ist nahezu unmöglich Motivation im Zusammenhang mit Fremdsprachenlernprozessen isoliert zu betrachten. Die Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren ist bei der Erforschung des Motivationskonstrukts demnach unumgänglich. Die Prozesshaftigkeit von Motivation und ihre Interdependenz zu anderen motivationalen Einflussfaktoren werden sehr anschaulich in Dörnyei & Ottó „Process Model of L2 Motivation“19 dargestellt (vgl. Dörnyei & Otto 1998, 48; Kleppin 2001, 219f). 19 Siehe dazu: Dörnyei, Zoltán & Ottó István. (1998),” Motivation in action: A process model of L2 motivation,” Working Papers in Applied Linguistics, 4, 43-69. 67 2.4.4. Weitere wichtige Einflussfaktoren und ihre Wechselwirkung mit Motivation In diesem Zusammenhang werden diese Lerninterne (im Lerner selbst veranlagt) und Lernexterne (im sozialen Umfeld des Lerners zu suchen) Faktoren nach Williams & Burden (1997) und Kleppin (2002, 26ff) so kategorisiert und kurz erläutert: 2.4.4.1. Lernerinterne Faktoren Lernerinterne Faktoren sind: Motive, Emotionen, Einstellungen, Lernerziele (Erwartungen des Lerners), Anstrengung und Ausdauer: • Motive – Emotionen - Einstellungen Wie schon erwähnt20 werden Motive werden definiert als relativ konstante Wertedispositionen im Individuum, die Handlungen in Gang bringen, sie aufrechterhalten oder sie beenden. Motive sind ohne Situationen, in denen sie wirksam werden und zu Handlungen führen, nicht denkbar (vgl. Boosch 1983, 22; Heckhausen 1989, 9f). Emotionen können sich positiv auf die Motivation auswirken, vor allem aber auch Motivation unterbrechen, wie z.B. Angst, im Unterricht Fehler zu machen. Nach Kleppin (2002, 27) existieren für die Faktorengruppe Einstellungen unterschiedliche Klassifikationsmöglichkeiten wie spezifische Einstellungen zu einer bestimmten Sprache oder zum Sprachlernen generell, Einstellungen zu Sprechern der Zielkultur oder auch Einstellungen zum Lehrer bzw. zum Kurs. Zwei Arten von Einstellungen scheinen die größten Auswirkungen auf den Lernerfolg zu haben: Die Einstellungen gegenüber der Sprache an sich und allgemeines Interesse am Fremdsprachenlernen (vgl. Gardner 1985:50; Kleppin 2002, 27). 20 siehe: Abschnitt 4.1. Klärung der Begriffe. 68 • Lernerziele - Anstrengung und Ausdauer Ziele wie etwa mit „native speakers“ zu kommunizieren zu können, auf einer touristischen Reise durchzukommen, soziales Ansehen zu gewinnen oder den Eltern einen Gefallen zu tun, spiegeln Motive wider. Ziele der Lerner sind ebenso wie die unterschiedlichen Motive selbst innerhalb einer Lerngruppe individuell sehr unterschiedlich und verändern sich (vgl. Heuer 1978, 23; Kleppin 2002, 28). Anstrengung und Ausdauer hängen von anderen Faktoren ab, nach Milhaljević (1994) möglicherweise besonders stark von der Lernereinschätzung hinsichtlich der Nützlichkeit des Kursinhalts oder der Lehrerkompetenz. 2.4.4.2. Lernerexterne Faktoren Hierunter soll all das gerechnet werden, was nicht dem Lerner selbst angelegt ist, was Teil seines soziokulturellen Umfelds ist und was mit den institutionellen Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts zusammenhängt. Die Lernerexternen Faktoren sind: Unterrichtsexterne Faktoren(z.B., Eltern, Freunde), Unterrichts- bzw. Lernsituation, Lehr- und Lernmaterialien, Lerngruppe, Lehrer und Lehrerverhalten: • Unterrichtsexterne Faktoren Ein Lerner ist Teil einer bzw. mehrerer sozialer Gruppen. So spielt anfänglich die Familie eine große Rolle, vor allem die Eltern, die zumindest bei jüngeren Kindern einen sehr großen Einfluss ausüben und als Vorbild angesehen werden können. Später sind es oft Freunde und Bekannte, die uns in unseren Einstellungen und Verhaltensweisen prägen. Letztendlich wachsen wir in einer Gesellschaft auf, die uns bestimmte Normen, Regeln und Einstellungen induziert (vgl. Kleppin 2001, 28f). 69 • Unterrichts- bzw. Lernsituation - Lehr- und Lernmaterialien In Bezug auf das Fremdsprachenlernen ist zudem das Unterrichtsumfeld von großer Bedeutung. Für eine optimale Gestaltung der Lernsituation werden z.B. Neuigkeit, Themenwechsel, der Einsatz des Computers oder Videos im Unterricht uns auch motivierende Spiele oder Übungen genannt (vgl. Heckhausen 1989:109ff). In Lehrwerkanalysen und auch Schülerbefragungen wurde versucht, inwieweit von Lehrwerken motivierende, aber auch demotivierende Effekte ausgehen können. Nach diesen Analysen wurden viele Forderungen erfüllt wie z.B. Forderungen nach mehr Authentizität, nach Aktualität und Anwendbarkeit usw. (vgl. Düwell 1979, 209ff.). Dörnyei (1994a) sieht neben der Lehrperson auch kursspezifische Faktoren und die Lerngruppe als wichtige die Motivation der Lerner beeinflussende Variablen an. In seinem Modell von 1994 fasst er diese Faktoren unter dem Begriff Learning Situation Level zusammen (Dörnyei 1994a, 276). In Hinblick auf den Kurs muss die Frage gestellt werden, ob Inhalt und Form des Unterrichtes das Interesse des Lerners befriedigen und ob das Gelernte von Relevanz ist. Die Erwartungen, besonders hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit und die Zufriedenheit des Lerners (ausgelöst durch externe (Feedback) und interne (Freude, Stolz) Belohnungen) sind ebenfalls wichtige Komponenten (vgl. Apelt 1981, 75ff.). • Lehrer und Lehrerverhalten - Lerngruppe Wie bereits erwähnt übt besonders die Lehrperson einen großen Einfluss auf die Motivation des Lerners aus. Dabei spielen nicht nur die fachliche Kompetenz und der Unterrichtsstil eine Rolle, sondern auch die Persönlichkeit. Besonders in schulischen Lernkontexten, in denen Schüler oft wenig motiviert ihre Pflichtsprachkurse “absitzen”, liegt die Motivierung in der Hand der Lehrperson. Der Faktor 'Lehrperson' beschäftigt die Forschung schon seit 70 längerem und verschiedene Theorien haben sich diesbezüglich entwickelt (z.B. Autoritätstyp, Affiliative Drive, Lehrermotiv) ( vgl. Dörnyei 1994, 279; Apelt 1981, 75; Reisener 1989,10ff.). Zu der Lerngruppe äußert Schiefele (1993), dass sich eine positive Gruppenatmosphäre wahrscheinlich günstig auf die Motivation auswirkt (vgl. Schiefele 1993:179f.).Ebenso scheinen auch kooperative Arbeitsformen einen positiven Effekt auf die Motivation von Lernenden zu haben (vgl. Dörnyei 1994a, 279; Schwerdtfeger 1998, 46f.). Nach den ausführlichen Erläuterungen im theoretischen Teil wird nun im empirischen Teil versucht die Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem Faktor Motivation anhand der Fragestellungen und Datenerhebung konkreter darzustellen bzw. teilweise zu bestätigen. deren 71 3. EMPIRISCHER TEIL 3.1. Empirische Daten 3.1.1. Fragestellungen Mit dieser Arbeit wird versucht, folgende Fragestellungen zu beantworten: • Wie ist die Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem Faktor Motivation bei den Studierenden, die in der Abteilung für Deutschlehrerausbildung die Vorbereitungsklasse hinter sich haben und dann nach den Sommerferien mit dem ersten Semester anfangen? • Wie war die Beziehung (Verlust-Motivation) bei den 10 Probanden, die, um weiter studieren zu können, vor dem ersten Semester noch eine Prüfung für die Durchschnittsnote schreiben mussten? • Welche Motivationsvariablen (Unabhängiger Variablen) zeigten sich bei den Studierenden der Abteilung für Deutschlehrerausbildung bei dem Verlust der deutschen Sprache als eine Fremdsprache L3? • Welche Bedeutung hatte die L2 (Englisch) bei dem Verlust der L3 war es eine Hilfe oder eine Hindernis (Interferenz) zur L3? 72 Anhand dieser dieser Fragestellungen, die oben angegeben sind, wird in Untersuchung mittels der Finalprüfungen und eines Motivationsfragebogens offen gelegt, ob der affektive Faktor Motivation wirklich einen Einfluss beim Fremdsprachenverlust hatte: Es ist nochmals darauf hinzudeuten, dass das Ziel dieser Arbeit die Untersuchung der Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem affektiven Faktor Motivation bei den Studierenden Deutschlehrerausbildung ist. Im Hinblick auf der Abteilung für dieses Ziel wurden auch die folgenden Fragen gestellt: • Gibt es eine signifikante Differenz zwischen den Grammatik Finalprüfungspunkten und der Wiederholungsprüfungspunkten nach den Sommerfreien? • Gibt es eine signifikante Differenz zwischen den Textanalyse Finalprüfungspunkten und der Wiederholungsprüfungspunkten nach den Sommerfreien? 3.1. 2. Forschungsgruppe An dieser Forschung nahmen 30 Studierende teil, die an der Abteilung für Deutschlehrerausbildung der Universität Çukurova (Adana) studieren und im WS und SS 2004-2005 die Vorbereitungsklasse besucht haben und dann am Anfang des ersten WS 2005 für Deutschlehrerausbildung standen. 10 dieser Probanden mussten noch vor diesem ersten Semester eine Prüfung ablegen, weil sie die vorgesehene Durchschnittsnote für die Finalprüfung nicht erreichen konnten. Deutsch war für diese Probanden eine L3, sozusagen eine zweite Fremdsprache nach der L2 Englisch, die in der Türkei auch eine traditionelle erste Fremdsprache ist wie in den meisten Ländern. 73 Seit Jahren äußern die Lehrkräfte dieser Abteilung immer wieder, dass die Studierenden nach einem intensiven Deutschunterricht (in Grammatik, Textarbeit, Textproduktion und Mündlicher Kommunikation) in der Vorbereitungsklasse die deutsche Sprache gut erlernen; aber nach den Sommerferien kommt es dazu, dass sie fast alles vergessen und so im ersten Semester der Deutschlehrerausbildung Schwierigkeiten haben. 3.1.3. Messinstrumente Zu der Datenerhebung für den Fremdsprachenverlust wurden die Finalprüfungen in Grammatik,Textarbeit und Textproduktion nach den Sommerferien von den 30 Probanden kurz vor dem Beginn des neuen Semesters wieder geschrieben. Die Finalprüfungen, die also als Vor- und Nachtest bei dieser Untersuchung gesehen werden, wurden mit dem Spss 11.5 Version Statistical Software Package und dessen für diese Untersuchung geignete T-test berechnet. Der T-test vergleicht die Mittel von zwei Variablen (Hier Vor-und Nachtest der Finalprüfungen). Er berechnet den Unterschied zwischen den zwei Variablen für jeden Fall und die Tests, um zu sehen, wenn der durchschnittliche Unterschied zu null erheblich unterschiedlich ist. Es wurde auch eine Berechnung mit dem T-test gemacht, um die 10 Probandengruppe, die wie schon oben angedeutet ist, noch eine Prüfung ablegen mussten und aus diesem Grund in den Sommerferien sich für diese Prüfung vorbereiteten. Der T-test, der Unabhängig-Beispielt vergleicht auch die Mittelkerben von zwei Gruppen auf einer gegebenen Variable. Es wurde auch eine Wortschatzprüfung entwickelt. Die Wörter wurden in der Wortschatzprüfung dem Lehrwerk „Delfin“21entnommen, bei der Erwerbphase der deutschen Sprache in der Vorbereitungsklasse von den 21 Aufderstraße,H.,Müller,J.,Storz,T. (2001), Delfin.Lehrbuch.Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache, München: Max Hueber Verlag. 74 Lehrkräften verwendet wurde. Bei dieser Prüfung sollten die Lernende 62 Fragen beantworten, um die 62 Wörter zu raten. Vergleichend zu den klassischen Prüfungen ist diese Prüfung wie ein Kreutzworträtsel vorbereitet worden. Bei der Auswahl von 62 Wörtern wurde darauf geachtet, dass diese Wörter beim Erwerb wichtiger waren als die anderen. Dazu hatte das Lehrwerk eine alphabetische Wortliste bei dem die fettgedruckten Wörter Bestandteile des „Zertifikat Deutsch“ sind (Aufderstraße,H.,Müller,J.,Storz,T. 2001, 232-254). 54 Wörter sind dieser Art, die nicht zu vergessen waren. Außerdem wurden diese Wörter auch so ausgesucht, dass in dieser Prüfung die Wörter von 20 Lektionen enthalten waren. Um die Last learned- first forgotten- Hypothese der Regressionstheorie von Jakobson zu untersuchen, wurden bei dieser Wahl aus den letzten Lektionen absichtlich mehr Wörter ausgesucht und auch diejenigen Wörter, die am meisten in diesem Lehrbuch vorkommen, ob die Best learned- last forgotten- Hypothese im Bereich Wortschatz eine Stellung hat. Zur Datenerhebung der Motivation wurde auf Basis der gegenwärtigen Motivationsforschung ein Motivationsfragebogen entwickelt. Einige Items wurden von bestehenden Fragebögen übernommen (vor allem aus Clement und Kruidenier, 1983; Schmidt/ Boraie/ Kassabgy, 1996)22, andere neu geschrieben. Der Fragebogen besteht aus drei Teilen. Im ersten Abschnitt wird erfragt, warum die Forschungsteilnehmer Deutsch lernen. Welche Motive sind beim erlernen der deutschen Sprache für die Lernenden wichtig? Abschnitt 2 umfasst die Variablen “motivationale Stärke” und “Selbstbewusstsein”, in Abschnitt 3 werden demographische Angaben erbeten(vgl. Schlak, et al. 2002). 22 Clement, R. & Kruidenier, B.G. (1983). Orientations in second language acquisition: I. the effects of ethnicity, milieu, and target language on their emergence. Language Learning 33, 274-291. Schmidt, R., Boraie, D. & Kassabgy, O. (1996). Foreign language motivation: Internal structure and external connections. In R. L. Oxford. (Hrsg.). (1996). Language learning motivation: Pathways to the new century (S. 9-70). Honolulu, HI: University of Hawaii Press. 75 3.2. Datenerhebung Die Datenerhebung fand am Anfang des WS 2005 an der Universität Cukurova statt. Die Fragebögen wurden nach Absprache mit den Lehrenden während der Unterrichtszeit verteilt. Den Teilnehmern wurde zunächst eine kurze Erläuterung zu Hintergrund, Sinn und Zweck des Fragebogens gegeben. Die Bewertungsskala wurde nochmals eingehend dargestellt, so dass sichergestellt werden konnte, dass das Bewertungssystem von allen Teilnehmern verstanden wurde. Während des Ausfüllens des Fragebogens erwies es sich als sinnvoll, sich in der Nähe der Teilnehmer aufzuhalten, so dass einige individuelle Fragen und Verständnisprobleme umgehend geklärt werden konnten. Insgesamt wurde der Fragebogen jedoch augenscheinlich gut verstanden. Darüber hinaus fand die Auswertung der Vor- und Nachtests der Finalprüfungen, die im Rahmen des Curriculumplanes durchgeführt wurden, auf schriftlichem Lernen Performanz, d.h. produktionorientiert statt. Denn das Ablegen mündlicher Prüfungen erwies sich als praktisch unmöglich. Zum einen aus zeitlichen Gründen, zum anderen hielten die Studenten die mündlichen Prüfungen für unmöglich, besonders beim Nachtest. Bei dieser Auswertung der Vor- und Nachtests nahmen verschiedene, erfahrene Lehrkräfte teil. 3.2.1. Analyse der Prüfungen (abhängige Variablen) • Grammatikprüfung Anhand der Fragestellung : • Gibt es eine signifikante Differenz zwischen der Grammatik Finalprüfungspunkten (Vortest- Juni) und der Wiederholungsprüfungspunkten (Nachtest- Oktober) nach den Sommerfreien? 76 Tabelle 1 T- test Ergebnisse: Grammatik Vor- und Nachtest Grammatik n Vortest Nachtest Mittelwert ss sd t p 29 10,36 .000 30 106,23 20,26 30 71,33 16,01 * p< .01 sd =29 t = 10.36 (signifikant) Die Grammatikprüfung wurde mit dem Paired Samples T-test berechnet und der Verlust bei dem Bereich Grammatik ist signifikant. [t(29) = 10,36, p < .01]. Als der Durchschnitt der Prüfungen im Juni vor den Sommerferien M= 106,23 war, kam es bei der Prüfung im Oktober mit M= 71,33 zu einem Verlust, der Signifikant ist. Es kam auch heraus, dass die letzten Grammatikthemen bei der Prüfung im Oktober gar nicht wiedergegeben werden konnten, z.B. Konjunktiv I, Indirekte Rede. Dies bestätigt die Last learned- first forgotten- Hypothese der Regressionstheorie von Jakobson(1941) und auch die Studie von Moorcroft & Gardner (1987, 339) Bahrick (1984a; 1984b), die im theoretischen Teil ausführlich erläutert sind. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass die 10 Probanden einen geringeren Verlust haben sollten als die anderen Probanden, weil sie sich, um weiter studieren zu können, unbedingt auf diese Prüfung vorbereiten mussten. Mit der Berechnung mit dem T- test hat sich zwischen diesen Gruppen beim Vor -und Nachtest folgendes ergeben: 77 Tabelle 2 T- test Ergebnisse der Gruppen: Grammatik Vor- und Nachtest Gruppen n Vortest Nachtest t Mittelwert ss Mittelwert ss Gruppe 1 20 111,85 45,59 68,80 15,68 Gruppe 2 10 94,60 24,23 77,05 15,84 2.45 * * p< 0.05 sd =56 t = 2.45 (signifikant) Gruppe 1 (N:20) ist, die Gruppe, die keine Prüfung ablegen mussten und Gruppe 2 (N:10), die vor dem ersten Semester, um weiter studieren zu können eine Prüfung ablegen mussten. Zwischen dieser Gruppen sieht man beim Vor und Nachtest [t= 2,45, p < 0.05] eine signifikante Differenz. Und der Durchschnitt des Grammatik Vortestes (Juni) vor den Sommerferien ist für die Gruppe 1 (M: 111,85) und Gruppe 2 (M: 94,60). Auch der Durchschnitt der Prüfungen im Oktober (Nachtest) nach den Sommerferien ist Gruppe 1 (M: 68,80) und Gruppe 2 (M: 77,05). Hier ist es ganz offen, dass die 2.Gruppe bei den Sommerferien mit ihrer Wiederholung für die Prüfung besser abgeschnitten hat, als die 1.Gruppe, die keine Zwangprüfung ablegen mussten. • Textarbeit Anhand der Fragestellung : • Gibt es eine signifikante Differenz zwischen den Textanalyse Finalprüfungspunkten und der Wiederholungsprüfungspunkten nach den Sommerfreien? 78 Tabelle 3 T- test Ergebnisse: Textarbeit Vor- und Nachtest Textarbeit n Mittelwert ss sd 30 61,06 13,16 30 44,50 9,86 t p Vortest Nachtest 29 8,40 .000 * p< .01 sd =29 t = 8.40 (signifikant) Die Textarbeitprüfung wurde mit dem Paired Samples T-test berechnet und der Verlust bei der Bereich Textarbeit ist signifikant. Es ist ein wesentlicher Verlust zwischen den Prüfungsergebnissen. [t(29) = 8,40, p < .01]. Als der Durchschnitt der Prüfungen im Juni vor den Sommerferien M= 61,06 war kam es bei der Prüfung im Oktober mit M= 44,50 zu einem Verlust das Signifikant ist. Auch bei dieser Prüfung kam es dazu, dass die Probanden bei der Prüfung im Oktober bei den Formulierungen der Sätze Schwierigkeiten hatten. Auch wegen des Wortschatzverlustes hatten sie auch Verständnisprobleme bei dem Verstehen des Textes und bei der Beantwortung der entsprechenden Fragen und so ließen sie die meisten Fragen unbeantwortet. Mit der Berechnung mit dem T- test hat sich zwischen diesen Gruppen beim Vor -und Nachtest folgendes ergeben: Tabelle 4 T- test Ergebnisse der Gruppen: Textarbeit Vor- und Nachtest Gruppen n Vortest Nachtest t Mittelwert ss Mittelwert ss Gruppe 1 20 67,25 8,75 46,30 9,19 Gruppe 2 10 49,30 12,87 38,90 8,79 * p> 0.05 sd = 56 t = 1.85 (nicht signifikant) 1.85 * 79 Zwischen dieser Gruppen sieht man beim Vortest [t = 1.85, p < 0.05] keine signifikante Differenz. Und der Durchschnitt der Prüfungen im Vortest (Juni) vor den Sommerferien ist für die Gruppe 1 (M: 67,25) und für die Gruppe 2 (M: 49,30).Die Gruppe 1 erhielt einen Durchschnitt beim Nachtest M: 46,30 und die Gruppe 2 Nachtest M: 38,90. Zwar hat hier die 2.Gruppe nicht besser abgeschnitten wie die Gruppe 1, aber es ist auch ganz offen, dass die 2. Gruppe einen geringeren Verlust hat als die 1. Gruppe. (Gruppe 1: Vortest 67,25; Nachtest 46,30 – Gruppe 2: Vortest 49,30; Nachtest 38,90). • Wortschatzprüfung Anhand der Fragestellung : • Welche Bedeutung hatte die L2 (Englisch) bei dem Verlust der L3, war sie eine Hilfe oder ein Hindernis (Interferenz) für L3? Bei der Wortschatzprüfung kam es zu einem ein wesentlichen Einfluss des Englischen L2 auf die L3 Deutsch. Im Zusammenhang der Interferenztheorie von Baddeley (1986:66f) sieht man, dass die ältere L2 (Englisch) die danach gelernte L3 (Deutsch) negativ beeinflusste. Wie schon beim theoretischen Teil dieser Arbeit erwähnt, wird dieser Zustand nach Baddeleys Theorie als eine proaktive Interferenz bezeichnet, z.B.: Frage 8: Was ist das Gegenteil von „still“? anstatt „laut“ Interferenz durch „loud“. Frage 45: Wer nicht „schwach“ ist? anstatt „kräftig“ Interferenz durch „strong“. Frage 60: Das Organ mit dem wir hören? Anstatt „Ohr“ Interferenz durch „ear“ . 80 Im Zusammenhang mit den Untersuchungen von Moorcroft & Gardner (1987) und Bachrick (1984) ist auch hier bestätigt, dass es schon nach 3 Monaten (Sommerferien) der Nichtverwendung zu einem Wortschatzverlust kommt. Der Durchschnitt der 30 Probanden ist der Durchschnitt von 62 Fragen 33,13. Es gab also einen wesentlichen Fremdsprachenverlust aber auch wie schon erwähnt eine Interferenz. Die Last learned- first forgotten- Hypothese der Regressionstheorie von Jakobson fand auch hier dadurch eine Bestätigung, dass die Wörter von den letzten Kapiteln noch mehr vergessen wurden, obwohl sie später gelernt wurden z.B. Lektion 18-19: die Wörter: Jahreszeit, wiederholen, neugierig, fremd usw. wurden gar nicht beantwortet oder durch Interferenz falsch beantwortet. Die Best learned- last forgotten- Hypothese fand dadurch eine Bestätigung, dass die Probanden die Wörter der ersten 5 Lektionen ohne Fehler beantwortet haben. Dies kann davon abhängen, dass diese Wörter immer wieder im Unterricht wiederholt wurden und sich auf diese Weise im Gedächtnis der Probanden verstärkt hatten. Die Wörter der letzten Lektionen dagegen konnten im Unterricht leider nicht so viel verstärkt werden wie die ersten Lektionen und gerieten in Vergessenheit oder verursachen Interferenzfehler. • Textproduktion Bei der Prüfung Textproduktion war die Aufgabe, eine Antwort an einen Brieffreund zu schreiben. Bei dieser Prüfung sah man ganz konkret den Wortschatzverlust, im vergleich zu der Prüfung im Oktober die Sätze kürzer waren und Interferenzen von der L2 (Englisch) zustande kamen. Bei den Formulierungen der Sätze sah man auch einen wesentlichen Verlust bei der Grammatik. Einige Fehler von den Probanden sind: 81 • Textproduktion Juni: Proband 1: Ich habe mich über deinen Brief sehr gefreut. Proband 6: Es ist sehr interessant[…] Proband 15: Ich habe deinen Brief bekommen. Proband 16: Vergiss bitte nicht, dass ich gern Sciencefiction lese! • Textproduktion Oktober: Proband 1: I habe […] über dein Brief sehr gefreut(Interferenz von der L2 und Grammatik). Proband 6: Es ist sehr interesting[…] (Interferenz von der L2). Proband 15: Ich habe dein Brief genohmen (Grammatik). Proband 16: Du nicht vergesst, dass ich gern Sciencefiction lese!(Grammatik). 3.2.2. Motivation (unabhängige Variablen) • Welche Motivationsvariablen (unabhängige Variablen) zeigten sich bei den Studierenden der Abteilung für Deutschlehrerausbildung bei dem Verlust der deutschen Sprache als eine Fremdsprache L3? • Die Motivationsvariablen Es wurden als mögliche 9 Motivationsvariablen, die auch in der Motivationsliteratur diskutiert werden, thematisiert und mit 50 Items auf einer 5stufigen Likert -Skala (1= starke Zustimmung, 5= starke Ablehnung) abgefragt. Bei der Auswahl der Variablen wurde darauf geachtet, sowohl 'traditionelle', aus der Motivationsforschung bekannte Variablen zu integrieren, als auch neuere, noch kaum erforschte mit einzubringen. Die schon im theoretischen Teil erwähnten und bearbeiteten Motivationsvariablen werden im 82 Folgenden nochmals kurz beschrieben und anhand von Beispiel Items aus dem Fragebogen dieser Untersuchung veranschaulicht: Mittelwerte und Standardabweichungen wurden für alle Items berechnet. In Tabelle 5 sind die 50 Items des Fragebogens aufgeführt. Tabelle 6 beschreibt die durchschnittliche Zustimmung zu den 9 untersuchten Variablen. Tabelle 7 zeigt die Mittelwerte der 9 Variablen mit der Klassifizierung der Items zu den Variablen. 83 Tabelle 5 Mittelwerte des Motivationsfragebogens Items des Fragebogens Item1 Item 2 Item 3 Item 4 Item 5 Item 6 Item 7 Item 8 Item 9 Item 10 Item 11 Item 12 Item 13 Item 14 Item 15 Item 16 Item 17 Item 18 Item 19 Item 20 Item 21 Item 22 Item 23 Item 24 Item 25 Item 26 Item 27 Item 28 Item 29 Item 30 Item 31 Item 32 Item 33 Item 34 Item 35 Item 36 Item 37 Item 38 Item 39 Item 40 Item 41 Item 42 Item 43 Item 44 Item 45 Item 46 Item 47 Item 48 Item 49 Item 50 N 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 Minimum Maximum 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 4,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 1,00 5,00 Mean 3,1000 2,4000 2,9333 2,3000 3,1000 2,6333 4,0000 2,5667 3,3333 2,3667 2,8667 3,6333 1,8333 2,1333 2,4333 2,5000 2,3000 2,5667 2,2333 2,5667 2,2000 2,7333 2,1667 2,2000 2,5667 2,6000 2,4667 2,5000 2,1667 3,4667 2,2333 2,4667 2,4000 3,1667 2,6667 3,4667 2,3667 2,8333 3,3333 2,9000 3,5667 3,1000 3,2667 2,8667 2,9667 3,6000 3,6667 3,1667 2,9333 2,6667 Std.Deviatio n 1,42272 ,96847 1,22990 1,20773 1,15520 1,24522 1,20344 1,19434 ,99424 1,40156 1,16658 1,06620 1,36668 1,10589 1,19434 1,00858 1,08755 1,25075 1,35655 1,45468 1,29721 1,41259 1,26173 ,88668 1,50134 1,35443 1,19578 1,07479 1,11675 1,19578 1,40647 1,16658 1,13259 1,05318 1,21296 1,16658 1,03335 1,31525 1,18419 1,32222 1,00630 1,42272 1,20153 1,13664 1,06620 1,24845 1,24106 1,31525 1,08066 1,24106 84 Das Item 7 (M: 4,00; SD: 1,20) erhielt die höchste Zustimmung und Item 13 (M: 1,83; SD: 1,36) die niedrigste: Item 7:Ich lerne Deutsch, weil ich deutsche Freunde habe (friendshiporientated). Item 13: Ich lerne Deutsch, weil ich ein\ eine gute\ r Deutschlehrer/in werden möchte (intrinsisch). Tabelle 6 Mittelwerte der 9 Motivationsvariablen Variablen Instrumentell Extrinsisch Friendship Intrinsisch Integrativ Interest Knowledge Relevance Self-efficacy n 30 30 30 30 30 30 30 30 30 Minimum Maximum Mittewert 2,6524 1,00 4,14 2,5889 1,17 4,33 3,4333 1,40 5,00 2,5867 1,40 4,80 2,9600 1,40 5,00 2,9933 2,20 3,60 2,6867 1,00 4,40 2,5133 1,40 4,80 2,6476 1,43 4,43 Std. Abw. ,62291 ,76028 ,75399 ,70649 ,72092 ,38050 ,85126 ,69019 ,62859 Tabelle 7 Reihenfolge der Mittelwerte der 9 Motivationsvariablen und die beteiligten Items des Fragebogens Variablen 1. Friendship 2. Interest 3. Integrativ 4. Knowledge 5. Instrumentell 6. Self-efficacy 7. Extrinsisch 8. Intrinsisch 9. Relevance Mittelwert 3.43 2.99 2.96 2.68 2.65 2.64 2.58 2.58 2.51 Items 3,7,34,36,46 5,9,28,32,41 11,16,40,44,47 2,12,19,31,49 6,10,15,22,27,38,42 18,26,29,30,33,35,50 1,14,20,24,25,45 4,13,37,43,48 8,17,21,23,39 85 Bezugnehmend auf Clement und Kruidenier (1983) unterscheidet Dörnyei (1994a, 274f.) friendship-, und knowledge-Orientierungen von einer allgemeinen integrativen Orientierung. Neben den eher traditionellen Variablen werden auch neuere Aspekte der Motivationsforschung, wie sie vor allem bei Dörnyei (1994a) beschrieben sind, untersucht. Dazu zählen neben intrinsischer und extrinsischer Motivation folgende Variablen: self-efficacy (Selbstwirksamkeitserwartung), interest, relevance. Die Ergebnisse der Motivationsvariablen anhand der Zustimmungen der Probanden kamen so heraus, die sich aus in den Tabellen 6 und 7 veranschaulichen lässt: • Die höchste durchschnittliche Zustimmung erreicht die Variable Friendship-orientation (Item 3,7,34,36,46; M: 3,43; SD: 0, 75). Dies ist etwas überraschend, dass die Studierenden deutsche Freunde hatten, aber es kann sein, dass sie so einen Wunsch haben. Friendship-orientated freundschaftliche bezog Beziehungen sich auf bzw. eine Motivationsgründe, die freundschaftliche auf Gesinnung gegenüber den Sprechern des Zielsprachenlandes hinweisen. Die Sprache wird hier als Mittel zur Kontaktaufnahme oder -vertiefung benötigt: - Ich lerne Deutsch, weil ich in deutsche Freunde finden möchte (Item 3). - Ich lerne Deutsch, weil ich deutsche Freunde habe (Item 7). • Ebenfalls von großer Bedeutung für die Probanden ist das Interesse an der deutschen Sprache (Item 5,9,28,32,41; M: 2,99; SD: 0,38). Je nachdem, ob der Unterricht interessant oder weniger interessant gestaltet ist, hat dieser möglicherweise positive oder negative Einfluss auf die Motivation der Lernenden. 86 -Ich lerne Deutsch, weil wir sehr interessante Themen im Unterricht besprechen (Item:5). - Ich lerne Deutsch, weil der Unterricht selten langweilig ist (Item: 9). • Die Variable Integrative Motivation stellt sich durchscnittlich besser heraus als die anderen Variablen. Die Probanden, die in der Zukunft diese Sprache auch lehren werden, haben schon den Wunsch, sich in die deutsche Kultur und deren Sprache zu integrieren. (Item 11,16,40,44,47 ; M: 2,96; SD: 0,72). Im traditionellen Sinn versteht man unter integrativer Motivation den Wunsch, sich der Zielkultur anzupassen, sich zu integrieren, sich für Land und Leute zu interessieren. -Ich lerne Deutsch, weil mich die deutsche Kultur und Sprache interessieren (Item 11). -Ich lerne Deutsch, weil ich über die deutsche Sprache und dessen Kultur mehr erfahren möchte (Item 16). • Einer der Variablen, bei der die Probanden wie erwartet gut abgeschnitten haben, ist die Knowledge (Item 2,12,19,31,49 ; M: 2,68; SD: 0,85). Es ist schon ganz normal, dass diese Probanden anhand dieser Fremdprache andere Blickwinkel bekommen und so ihre Lebensqualität erhöhen. Der Faktor knowledge-orientated beinhaltete den Wunsch, aufgrund der erworbenen Fremdsprachenkenntnisse von anderen akzeptiert oder sogar bewundert zu werden. Man lernt die Fremdsprache, weil man der Ansicht ist, dadurch eine gebildetere Person zu sein. -Ich lerne Deutsch, weil ich durch meine Deutschkenntnisse mehr Anerkennung bekomme(Item12). - Ich lerne Deutsch, weil ich so das Leben aus verschiedenen Perspektiven sehen kann (Item 19). 87 • Die Variable Instrumentell erhielt eine recht niedrigere Zustimmung als erwartet , obwohl die Probanden die deutsche Sprache später für ihren Beruf brauchen (Item 6,10,15,22,27,38,42 ; M: 2,65; SD: 0,62). Unter instrumenteller Motivation verstehen wir das Bedürfnis der Lernenden, eine Fremdsprache aus pragmatischen Gründen zu lernen: -Ich lerne Deutsch, weil ich dadurch bessere Jobchancen habe (Item 6). -Ich lerne Deutsch, weil ich eine gut bezahlte Arbeit haben will (Item 15). • Eine weitere Motivationsvariablen ist die self-efficacy (Selbstwirksamkeitserwartung), die auch niedrig herauskam (Item 18,26,29,30,33,35,50; M: 2,64; SD: 0,62). Die Probanden mussten zum ersten Mal an einem ganz intensiven Deutschunterricht teilnehmen, so dass sie nach der Vorbereitungklasse ohne Sprachprobleme mit ihrer Ausbildung anfangen konnten. Aber diese intensive Prozess hat diese Probanden keinen guten Blick über sich selbst gegeben. Es könnte sein, dass sie sich mit dieser neuen Fermdspache überfordert fühlten. Self-efficacy bezog sich auf das individuelle Urteil eines Lerners über seine/ihre Fähigkeit, eine bestimmte Aufgabe durchzuführen. -Ich lerne Deutsch, weil ich deutsche Vokabeln schnell lernen und mir leicht merken kann (Item26). - Ich lerne Deutsch, weil ich keine Probleme mit der deutschen Aussprache habe (Item 33). • Unter extrinsisch motiviertem Verhalten verstehen wir Folgendes: Durch äußere Einflüsse wie Prüfungen oder Notendruck wird der Lerner zum Lernen motiviert. Die Variable Extrinsisch hatte auch eine niedrige Zustimmung gegebüber den anderen Variablen (Item 1,14,20,24,25,45 ; M: 2,58; SD: 0,76). Obwohl 10 der Probanden vor dem ersten Semester noch eine Prüfung bestehen mussten, hatte diese Variable auch bei diesen Probanden keinen hohen Wert erlangt. 88 -Ich lerne Deutsch, weil ich eine Prüfung bestehen muss (Item 1). - Ich lerne Deutsch, weil ich mit einer guten Durchschnittsnote absolvieren möchte (Item 14). • Die zweitgeringste Zustimmung weist die Variable Intrinsisch auf. (Item 4,13,37,43,48; M: 2,58; SD: 0,70). Obwohl diese Variable in der Motivationsforschung als eine sehr wichtige Variable beim Erlernen einer Fremdsprache gilt, kam es hier zu einem recht niedrigem Einfluss bei den Probanden. Intrinsische Motivation bestand nur dann, wenn Lernende innerlich den Wunsch haben, die Fremdsprache zu lernen. -Ich lerne Deutsch, weil mir das Deutschlernen Freude bereitet (Item 4). -Ich lerne Deutsch, weil es für mich ein Vergnügen ist Deutsch zu lernen (Item 37). • Die geringste Zustimmung bekam die Variable Relevance (Item 8,17,21,23,39 ; M: 2,51; SD: 0,69). Diese Variable zeigt , dass diese Probanden mit dem Unterricht und dessen Inhalt Probleme hatten. Also konnte die Relevanz der Fremdsprache die Probanden nicht motivieren. Lernende sind vermutlich dann motivierter, wenn sie merken, dass die Inhalte des Unterrichts für sie persönlich relevant sind. (vgl. Dörnyei 1994a: 277) -Ich lerne Deutsch, weil ich in diesem Kurs viel lerne, was für mich persönlich wichtig ist. (Item17). - Ich lerne Deutsch, weil ich in diesem Sprachkurs alles lerne, was ich für meine spätere Prüfung brauche (Item 39). 89 Nach den Erläuterungen anhand der empirischen Daten der Abhängigen und unabhängigen Variablen wird nun versucht, die zentrale Fragestellung dieser Arbeit anhand von Beispielen aus der Empirie zu beantworten. Die Fragestellung dieser Arbeit war: • Wie ist die Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem Faktor Motivation bei den Studierenden, die in der Abteilung für Deutschlehrerausbildung die Vorbereitungsklasse hinter sich haben und dann nach den Sommerferien mit dem ersten Semester anfingen? Und auch in diesem Zusammenhang; • Wie war die Beziehung (Verlust-Motivation) bei den 10 Probanden, die noch, um weiter studieren zu können, vor dem ersten Semester eine Prüfung für die Durchschnittsnote schreiben mussten? Es kam heraus, dass es eine Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem Faktor Motivation existiert. Diese Existenz sah man bei den Studierenden (10 Probanden),die noch, um weiter zu studieren können, vor dem ersten Semester eine Prüfung für die Durchschnittsnote schreiben mussten, ganz klar; sie bekamen bessere Noten im Oktober. So kann man sagen, dass der Grund dafür ihr Motivationsniveau war. Die Probanden, die eher eine niedrige Motivation hatten, konnten nicht gut bei den Prüfungen im Oktober abschneiden und es kam zu einem wesentlichen Verlust. Um dieses Resultat besser zu veranschaulichen, werden nun manche empirische Beispiele der Arbeit gegeben, die aus den abhängigen und auch unabhängigen Variablen anhand dieser Berechnungen mancher Probanden erläutert werden sollen. Es wird auch mit der Differenzierung aus den 10 Probanden(mit **) anhand der Fragestellung, die oben mit dem Zusammenhang der zentralen Fragestellung zu beantworten ist. 90 Bei der Probandin 2 kam z.B. die Motivation M:2,30 heraus und ihre; Grammatikprüfung: Juni M: 106,50- Oktober M:64,00; Textarbeit: Juni M: 54,00Oktober: M:46,00 sahen so aus. Die niedrige Motivation bei der Unterbrechung (Sommerferien) führte im Oktober zu einem Verlust bei der Fremdsprache, besonders bei der Grammatik. Bei der Probandin 10 kam z.B. die Motivation Mean:2,36 heraus und ihre; Grammatikprüfung: Juni M: 111,00- Oktober M:69,00; Textarbeit: Juni M: 70,00- Oktober: M:49,00 sahen so aus. Die niedrige Motivation bei der Unterbrechung (Sommerferien) führte bei ihr auch im Oktober zu einem Verlust bei der Fremdsprache, besonders bei den zwei Bereichen Grammatik und Textarbeit. Bei der Probandin 30 kam eine erstaunliche hohe Motivation heraus, Mean:4,20 heraus, die ihre; Grammatikprüfung: Juni M: 124,50- Oktober M:128,00; Textarbeit: Juni M: 71,00- Oktober: M:78,00 und so die hohe Motivation positiv beeinflusst hatte. Obwohl diese Studentin nicht zu den 10 Probanden gehörte, hat sie in den zwei Prüfungen hohe Punkte bekommen und bestätigt so Cohens (1975) Ergebnisse, dass es zu Lernfortschritte kommen kann, was Cohen als „residual learning“ nennt und meint, dass eine Pause im Lernprozess einen positiven Effekt haben kann und „some sort of unlearning of incorrect patterns“ (vgl. Cohen 1975,137) bewirkt. Die nun als Beispiel gezeigten Probanden mussten in den Ferien schon mit der Fremdsprache in Beziehung bleiben, weil sie vor dem ersten Semester eine Prüfung schreiben mussten, um weiter zu studieren: Die **Probandin 17 hatte eine ganz hohe Motivation Mean:4,20 und ihre; Grammatikprüfung: Juni M: 60,00- Oktober M:81,50; Textarbeit: Juni M: 24,00- Oktober: M:48,00 sahen so aus. Die hohe Motivation bei der Unterbrechung (Sommerferien) führte im Oktober bei dieser Probandin zu einem „residual learning“ bei der Fremdsprache. Bei dieser Probandin sieht man ganz klar, wie wichtig die Motivation für einen Fremdsprachenlerner ist. 91 Bei manchen Probanden sah man eine mittlere Motivation **Proband 8 Mean: 2,94; **Proband 12: Mean: 2,62; **Proband 1: Mean 2,50, dass es zu einem geringen Verlust kam und die Prüfungspunkte von Juni- Oktober waren sehr nah zu einander. Diese sahen so aus: **Proband 8: Grammatikprüfung: Juni M: 45,00- Oktober M:43,00; Textarbeit: Juni M: 68,00- Oktober: M:62,00. **Proband 12: Grammatikprüfung: Juni M: 121,00- Oktober M:112,00; Textarbeit: Juni M: 44,00- Oktober: M:43,00. **Proband 1: Grammatikprüfung: Juni M: 100,00- Oktober M:98,00; Textarbeit: Juni M: 64,00- Oktober: M:58,00. Nach diesen Resultaten wird ganz klar, dass der Fremdsprachenverlust und der Faktor Motivation Zusammenfassend gesagt: sich gegenseitig sehr stark beeinflussen. Ist die Motivation hoch, so ist der Fremdsprachenverlust geringer; umgekehrt führt das Lernen der Zielsprache mit weniger Motivation zu einem wesentlichem Verlust. 92 4. SCHLUSSFOLGERUNG Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Frage nach der Beziehung zwischen dem Fremdsprachenverlust und dem affektiven Faktor Motivation. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Motivation eine wesentliche Rolle beim Verlust der Fremdsprachenkenntnisse (Sommerferien) gespielt hat. Bei den in der Inkubationsphase Probanden, die sich auch nur mit einer einzigen Variable der Motivation entgegensetzten, sozusagen eine höhere Motivation hatten, kam es zu einem eher geringen Fremdsprachenverlust, aber bei denjenigen, die eine geringe Motivation zu dieser Zeit hatten, zeigten einen höheren Verlust. So lässt sich sagen, dass die Motivation den Verlustprozess, aber auch das Erlernen einer Fremdsprache sehr stark beeinflussen kann. Motivierte Lerner sind dann diejenigen, bei denen es zu einem geringen Verlust kommt. So ist es ganz offen, dass man der Motivation im Unterricht eine wichtige Bedeutung schenken muss. Die Motivation des Lernenden ist mit seinen Emotionen in einer engen Beziehung und die Emotionen des Menschen sind eng mit dem Gedächtnis verknüpft. Hier sind zwei Dimensionen zu berücksichtigen: Zum einen die Motivierung der Lernenden und zum anderen die Strategien zur Verhinderung des Vergessens einer Fremdsprache. So sollten die geeigneten Techniken in den Lehrprozess in den Unterricht integriert und auch den Lernenden beigebracht werden; autonomes Lernen23 soll gefördert werden, so dass sie individuell in der Inkubationsphase wissen, was sie machen sollten, um nicht zu einem Verlust ihrer Fremdsprache zu kommen. Mit einer solchen Orientierung trägt der Lernende zu seiner Fremdsprache und Verantwortung bei. 23 Autonomes Lernen einer Fremdsprache bedeutet, dass Sie als Lernender entscheiden, was Sie lernen wollen und wie Sie es lernen wollen und nicht ein Lehrer. Man lernt dann effektiv, wenn man eigenverantwortlich arbeitet und wenn man das Neue, mit dem man konfrontiert wird, mit bereits vorhandenem Wissen verbinden kann (www.slf.ruhrunibochum.de/tandem/sk/deu/einleitung/autonom.htm). 93 Um die Gedächtnisleistung in dem Fremdsprachenerlernen zu verstärken und so den Verlust so weit wie möglich zu verhindern, gibt es mehrere Methoden, die angewendet werden können. Es sollten neuere, die auf die Fremdsprachendidaktik übertragene gedächtnispsychologische Erkenntnisse wie Suggestopädie, Mnemotechniken und Superlearning sowie neurolinguistische Programmieren (NLP) angewendet werden. Einer von diesen Ansätzen ist z.B. der in der Fremdsprachendidaktik diskutierte suggestopädische Ansatz. Die positiven Einstellungen beeinflussen den Lernprozess so, dass sie dann einen scheinbaren Effekt auch auf den Vergessensprozess haben. Eine hohe Motivation fördert eine höhere Lernbereitschaft und eine noch intensive Anwendung der Fremdsprache. Also führt eine positive Einstellung zu einem garantierten Fremdspracherlernen und die negative Einstellung dagegen zu einem Fremdsprachverlust. Hier muss die Lehrkraft die Motivation der Lernenden berücksichtigen und mit geeigneten Motivationstechniken den Unterricht durchführen. Die Motivation hat den Einfluss auf die Informationsspeicherung und Gedächtnisbildung als ein Zusammenwirken von Kognition und Motivation. Es lässt sich sagen: „So wie es keinen emotionalen Zustand frei von kognitiven Elementen gibt, so gibt es auch keine Informationsverarbeitung ohne emotionale Aspekte“ (Edelmann 1988:99). So sollte man nicht nur für die Inkubationsphase etwas machen, sondern gleich in der Erwerbsphase das Wissen befestigen, so dass, wie Neisser (1984:33) es erklärte, kann eine kritische Stufe beim Fremdsprachlernen erreicht werden muss, damit Informationen länger gegen das Vergessen bzw. Verlust halten können. Normalerweise ist die Motivation zu Beginn des fremdsprachlichen Lernprozesses meist sehr hoch, kann dann aber nicht über eine sehr lange Zeit aufrecht erhalten bleiben, Daher ist es für den Lerner notwendig, sich Nahziele zu setzen. Motivation beeinflusst nicht nur den Lernprozess, sondern ist auch für ein längerfristiges “Durchhalten“ des 94 Lerners verantwortlich. Es ist nahezu unmöglich, Motivation im Zusammenhang mit Fremdsprachenlernprozessen isoliert zu betrachten. Anstrengung und Ausdauer hängen von anderen Faktoren ab, möglicherweise besonders stark von der Lernereinschätzung hinsichtlich der Nützlichkeit des Kursinhalts oder der Lehrerkompetenz. Beim Bedeutung. Fremdsprachenlernen ist das Unterrichtsumfeld von großer Der Lehrende Lernsituation bestreben, sollte man eine optimale Gestaltung der z.B. Neuigkeit, Themenwechsel, Einsatz des Computers oder Videos im Unterricht und auch motivierende Spiele oder Übungen. Wie bereits erwähnt übt besonders die Lehrperson einen großen Einfluss auf die Motivation des Lerners aus. Dabei spielen nicht nur die fachliche Kompetenz und der Unterrichtsstil eine Rolle, sondern auch die Persönlichkeit. Eine positive Gruppenatmosphäre kann eine günstige Auswirkung auf die Motivation haben. Ebenso scheinen auch kooperative Arbeitsformen einen positiven Effekt auf die Motivation von Lernenden zu haben. Wie schon in der Einleitung erläutert ist das Wissen flüchtig; wenn es nicht eine längere Zeit aktiviert wird, verändert es seine Gestalt oder gerät in Vergessenheit (vgl. Müller 1995). Darüber muss sich die Lehrkraft Gedanken machen, wie die Fremdsprache in der Inkubationsphase aktiviert bleiben kann, so dass sie nicht dann beim Weiterlernen einen geringen Verlust haben. So kann die Lehrkraft beim Anfang einer neuen Erwerbsphase neue Themen auf die immer noch existierende Fremdsprache aufbauen. Es fehlt weitgehend in der Wissenschaft über die Entwicklung von Fremdsprachenkenntnissen nachdem der letzte Fremdsprachenunterricht längst abgeschlossen ist. Obwohl das Ziel immer eine „Langzeitwirkung“ ist, findet das Phänomen Fremdsprachenvergessen kaum einen umfangreichen Platz. So muss die Lehrkraft immer die Langzeitwirkung Fremdsprachenkenntnisse als ein wichtiges Phänomen erzielen. der 95 Der Fremdsprachenverlust ist mit vielen Forschungsgebieten eng verbunden, z.B. mit der kognitive Psychologie, die erforscht, wie der Lernende ein fremdsprachliches Material in seinem Gedächtnis verarbeitet und auch wie er dann den sprachlichen Input speichern sollte, so dass möglichst viel davon wieder verwendbar ist. Aber in der realen Anwendung hat es die Lehrkraft mit Menschen zu tun, die individuelle Emotionen, Einstellungen und Motive gegenüber der Zielsprache haben. Die Spurenszerfalltheorie besagt, dass je mehr Zeit insgesamt verstreicht, desto mehr Wiederholungen nötig sind. Die Erinnerung nimmt also ab und es wird mit größerem Zeitabstand mehr vergessen. Die lernende sollten zu einer effektiven Wiederholung immer orientiert werden. Die Interferenztheorie gehe davon aus, dass das Vergessen als Folge von Überlagerung durch anderes, vergangenes oder zukünftiges Wissen entsteht. Bei der Untersuchungsgruppe dieser Arbeit kam die L2 Englisch mit ihrer Ähnlichkeit zu der L3 Deutsch als eine Interferenzursachen vor, im Wortschatz Bereich. Die Lehrkraft sollte diese Ähnlichkeit zwischen der L2 und L3 nicht außer acht lassen und die Lernenden machen, dass sie bei darauf aufmerksam manchen Wörtern im Englischen und im Deutschen vorsichtig sein sollen , weil sie ganz ähnlich aussehen: die so genannten „falschen Freunde“ z. B. (das Gift- gift; die Mappe- map). Bei der Informationsverarbeitung erfolgt, je besser die Informationen innerhalb bestehender Kategorien analysiert und dort eingeordnet werden, desto besser ist die Gedächtnisleistung der Lernenden. Die Lehrkraft sollte berücksichtigen, dass die Informationen in verschiedenen Zusammenhängen eingeordnet werden. Es ist zumindest immer sinnvoll, neue Informationen an bereits vorhandenes Wissen anzuknüpfen, um dieses neu zukommende Wissen wieder abrufen zu können. 96 Es gibt verschiedene Möglichkeiten, im Gedächtnis gespeicherte Informationen abzurufen. Diese Möglichkeiten des Abrufens von Informationen sind: Rekognition (Wiedererkennen), Freie Wiedergabe, Wiedererlernen, Redintegration (früher: Reintegration), Rekonstruktion, Konfabulation, Zustands- oder Kontextabhängige Wiedergabe. Für die Überführung von neuen Gedächtnisinhalten ins Langzeitgedächtnis und das Bewahren von Informationen ist Üben unerlässlich, das bewusste Abrufen und Zirkulieren von Informationen im Arbeitsgedächtnis. Die Verankerung im Gedächtnis nimmt einerseits mit der Relevanz und der Anzahl der Assoziationen, andererseits auch mit der emotionalen Bedeutung zu. Nach der Retrieval-Failure-Theorie speichert das Gedächtnis die Informationen auf verschiedenen Kategorieebenen. Vergessen ist demnach die Unfähigkeit, eine einmal abgespeicherte Information wiederaufzufinden Die Informationen sind nicht ausgelöscht, sondern der Zugang zu diesen Informationen ist versperrt oder blockiert. Die Informationen waren also nicht ausgelöst, sondern die Zugangswege waren gesperrt. Die Lehrkraft soll hier nach Strategien suchen, um der Reaktivierung des einmal erlernten Stoffes einen Zugangsweg zu öffnen, so dass die Informationen wieder aufgefunden werden können. Um diesen Verarbeitungsstatus im Gedächtnis zu erlangen, spielt auch die Bedeutung des zu lernenden sprachlichen Materials für den Lerner eine Rolle. Die Gestaltung des Unterrichts sollte bedeutungsvoll sein, damit die Lernenden dem Lernstoff eine große Aufmerksamkeit schenken und so die gelehrten Elemente länger behalten werden. In Bezug auf die Rolle des sprachlichen Ausgangsniveaus, kann man sagen, dass auf jeden Fall im Fremdsprachenunterricht ein hohes Niveau zu erreichen ist, denn je höher der erreichte fremdsprachliche Ausgangslevel ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Behaltens auch nach einer langen Zeit der Nichtverwendung. 97 Es ist schon klar, dass die emotionelle Lage des Lernenden bei der kognitiven Verarbeitung eine wichtige Rolle spielt. So sollte die Lehrkraft sich Gedanken machen, welche affektive Faktoren von Bedeutung sind und diese nicht außer Acht lassen. 98 LITERATURVERZEICHNIS Andersen, R. (1982), Determining the linguistic attributes of language attrition, In: Lambert &Freed (Hrsg.),83-118. Allendorff, S. (1980), Wiedererwerb einer Zweitsprache, dargestellt am Beispiel der englischen Negation, Keil: Universität Kiel. Apelt, W. (1981), Motivation und fremdsprachenunuterricht, Lepzig: VEB Verlag. Ashcraft, M.H. 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