System der deutschen Sprache Morphologie – nominale Kategorie: Kasus Beat Siebenhaar Frank Liedtke Morphologie Numerus, Genus und Kasus im Vergleich Genus Numerus Kasus formale, grammatische Bestimmung über Kongruenz semantische Bestimmung; Kongruenz nicht notwendig Kasusmerkmale werden Nomen 'von außen' – syntaktisch – zugewiesen keine Flexionskategorie; Nominale flektieren dem Substantiv inhärent, nach Numerus konstant Kasus wird einer ganzen Nominalphrase zugewiesen Genussysteme liegen nur in einem Teil der Sprachen der Welt vor Notwendige Definition der syntaktischen (semantischen) Rolle von Substantivgruppen durch Morphologie, Adpositionen, Wortstellung 6 Numerus ist eine (fast) universale Kategorie (Ausnahmen: Piranhã, Frühaltchinesich) 2.11.2009 Kasus Begriff ! Kasus m., Pl. Kasus ! ! Flexionssystem – Hat eine Sprache Kasus? Flexionskategorie – Wie viele Kasus hat eine Sprache? ! morphologischer Kasus ! ! grammatische Morpheme markieren die syntaktische (semantische) Funktion von Nomina im Satz abstrakter Kasus ! ! grammatische Kategorie, welche syntaktische (semantische) Rollen kennzeichnen Kasus kann durch Flexion, Adpositionen oder Wortstellung markiert werden 7 2.11.2009 Kasus Kasusmarkierung ! Dt. Der Lehrer gab dem Schüler ein Buch ! Jap.: Sensei – ga – Tasaku – ni – hon – o – ya–ta Lehrer – Subj – Tasaku – indObj – Buch – dirObj. – geben.PAST Blake (2004:1077) ! 8 Engl. Engl. The teacher gave the pupil a book The teacher gave a book to the pupil 2.11.2009 Kasus direkte und indirekte Kasus ! Häufig Trennung in ! grammatical cases – concrete cases (Jespersen 1924:185) ! core cases – peripheral cases (Blake 1994:34) ! direct cases – indirect cases (Blake 2004:1081 ff.) Direkte Kasus indirekte lokale Kasus inderekte nicht-lokale Kasus Nominativ Lokativ Instrumental Akkusativ Allativ/Direktiv Komitativ Absolutiv Ablativ Aversiv Ergativ Adessiv Partitiv 9 2.11.2009 Kasus direkte Kasus – Akkusativ- und Ergativsprachen Rolle Peter S schläft (intransitives Prädikat) Nominativ Absolutiv Rolle 12 Peter Agens schlägt (transitives Prädikat) Paul Patiens Nominativ Akkusativ Ergativ Absolutiv 2.11.2009 Kasus Kasus beim Substantiv im Deutschen f344. Kasusformen im Singular Kasusformen im Plural I 1I 11I IV endungslos stark stark (Eigennamendeklination) schwach Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv die Zahl die Zahl der Zahl der Zahl der Raum den Raum dem Raum(e) des Raum(e)s Anna Anna Anna Annas der Prinz den Prinzen dem Prinzen des Prinzen die Leute die Leute den Leuten der Leute Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv die Ersparnis die Ersparnis der Ersparnis der Ersparnis der Kreis den Kreis dem Kreis(e) des Kreises Iris Iris Iris Iris' der Zeuge den Zeugen dem Zeugen des Zeugen die Trümmer die Trümmer den Trümmern der Trümmer Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv die Regel die Regel der Regel der Regel das Segel das Segel dem Segel des Segels Basel Basel Basel Basels der Quotient den Quotienten dem Quotienten des Quotienten die Sachen die Sachen den Sachen der Sachen 13 V 2.11.2009 Duden IV, 2005197 An dieser Tabelle kommen eine Anzahl allgemeiner Eigenschaften der substantiviK '7llTn A Maskulina und Neutra, starkeDeklination Sg Pl Kind Sg Pl – er Nom Berg – e Nom Gen (e)s e Gen (e)s er Dat (e) en Dat (e) ern Akk – e Akk – er Maskulina und Neutra, gemischte Deklination Sg Pl Sg Pl Nom Staat – en Nom Ende – n Gen (e)s en Gen s n Dat (e) en Dat – n – en Akk 2.11.2009 – n 15 Akk Maskulina und Neutra, schwache Deklination Sg Pl Sg Pl Nom Mensch – en Nom Löwe – n Gen en en Gen n n Dat (en) en Dat (n) n Akk (en) en Akk (n) n Sie" (im, hl ,ilh (';lIe l(l/d,r Keltc 5.2 Im Plural verb;ilt sich so/chrr wic dndere FORMENBESTAND (DEKLINATION) Arlike Sie ",Üm' ht .,i, h ,,,/d,,' (diese, jelle ...1 Ohrringe. 1. Die meisten Artikelwörter werden - ausgenommen Gen. Ivlask. I Neutl'. (vgl. 3.1.1 unter 2.J - wie Adjektive nach NuJlartikel dekliniert: /vlasku/inu/ll Neu/ru/ll Femininum Plural dies-er dies-en dies-ern dies-es dies-es dies-es dies-ern dies-es dies-e dies-e dies-er dies-er dies-e dies-e dies-en dies-er (2) Die Artikelwörtcr dessen, dcrw und IVCSSCII können nicht Er h"t "ineIl I·rculld. /)e'.,ell Brudn i,t kr,l11k. Wrs<l'1I Bruder i\l kr,,"k? Wahl der men dessCl1 oder derw richlet sich nach Gen Kasus Die im Übergeordneten oder vorangehenden Satz, nicht nach G Substantivs: Kasusmarkierung bei Freundin ni, h - il'h kellnc I'e/,," ""I ('ine I-rnlndin. Artikelwörtern i\<1"l1ikll h,1! einc h'eundin. - I,h kellne ,/"1'('11 I:r('undin Illl hl fOI N A D G MOllikll h,ll eilH'n !-reund. -- 1I h k<'nne elU"" Freuild nichl. 2. Von diesem normalen Deklinationstyp weichen folgende Artikelwörter ab: (l) der bestimmte Artikel (der) N A D G (3) Zu der neutralen Form von dieser (Nom. und Akk. Sing.) Helbig/Buscha (2001: 324) IJj(·s Bu, h gel;i1lt mir. - Er k"ult ,ich ,li", Bu, h Maskulinlllll Neu/rUin Fflil in; 1111111 Plural (4) Bei den Artikelwörtern oll der (dieser,jellcr, IIleil1 usw.l, we der erste reil niemals dekliniert: d-er d-en d-em d-es d-as d-as d-je d-je d-er d-er d-je d-je d-en d-er All di" jene. l11einc) l'I'('ulllle ,ind gl'komilwil. Ich h,1I)(' mit 1111 dCII (di""'Il, jenen, meincn) F,Tulll!<'n ge,pr Wr/d, cill \Velin i,t hcule l Er hJI un, "'hon lVic,kr s"ld, ";IIC Ulwrrd" hung lH'reill'11 Er hdl ,ir h 1IIIIIIIh ('illc Slunde (I/","dl (,;,,,'1/ '1,lg) mit l\l"lhem d-em d-es (5) Die Artikelwörter welell eill, solch ein und IIl0l/eli ci" hdbe durch welch 1', so/ehe und "'allelle ersetzt: (2) die Demonstrativpronomina clerjenige und derselbe N A D G /\IlaskulillUIII Neu/rulli FelllininulII Plural derjenig-e denjenig-en demjenig-en desjenig-en dasjenig-e dasjenig-e demjenig-erl desjenig-en diejenig-e diejenig-e dnjenig-en derjenig-en diejenig-en diejenig-en denjenig-en derjenig-en Wrlell ";11 "hÜll(', Iluch hd,1 du mir milgdJl-'1l hl ' Welch" 'I hÜnell BCIl her h,,,t du mir mitgelll'''l ht l ,\1 0I/l!l l'ill{' I'r"gc i"tlll)(h ni,hl gekl:irl. nichl gekl:irl. Mal/ell(, I'r"w'n ,ind '1(J(" Der 1{('(hh"nw"lt i,1 fC,r ,,,/dl eil/t11 h1lInilhllll,l:indig. 1)(,1' Recht,,,nw,"l i,t für s,,/illr ,;ilk ni( hl /u'l:illdig. (6) Das Arlikeiworlillthrrrr kann nur im Plural verwendet A1c1lru" Kongn'''Il'ilnehnwr ",1I)('n ,c1",n cinen Vortrdg ge (3) der unbestimmte Artikel (ei 11), die Indefinitpronomina il'gendein und kein sowie die Possessivpronomina mein, dein usw. N A 0 G 17 ! Mehrere ist nicht mit ",ehr (= Kompdrativ zu viel) zu verwec MaskulinulII Neu/rum FemininuJII PIIII'al I, h h"l)(' mir 1111'1,1'('1'(' 1= {'inlgcl B,'" her g,'kdufl. E,. III"hr IlÜclH'r dh il h. mein mein-en mein-ern mein-es meinmeinmein-ern mein-es mein-e mein-e mein-er mein-er mein-e mein-e mein-en mein-er (7) Die Artikelwörter rill;ge, cl/jel,r und alle können im Sin 324 1\ RTI (a) bei Stoffbezeichnungen; (b). bei Abstraktd, die eine unterschiedliche, aber nicht "n SlIat (wie Länge, Breite, Höhe, Dicke. Gewicht, Druck, Stärk 2.11.2009 K I.I.IV<) In I, R “Dem Ampeln is grun, abern wenn rot is, fahr isch trotzdem druber, isch schwör, Alder!” 18 2.11.2009 325 1\ R'I I K I, I W ii IU I R Kasus Dativ und Genitiv ! ! core case im Deutschen: Nominativ & Akkusativ Dativ & Genitiv bestimmen nicht Agens und Patiens, können aber vom Verb, bzw. prädikativen Adjektiv abhängig sein 19 2.11.2009 Kasus Dativ bei ditransitiven Verben: bringen, geben,, sagen, zeigen, empfehlen … ! bei Verben einem Objekt: ähneln, gefallen, nützen, begegnen… ! bei unpersönlichen Verben: grausen, schaudern … -> Grundfunktion: Rezipient, Benefizient, Experiencer ! bei prädikativen Adjektiven: feind sein, fern liegen, gleich sein… ! bei Adpositionen: beim Markt, auf der Baustelle, mit dem Hund, in der Stadt; dir zuliebe ! sog. freie Dative ! ! ! ! ! 20 Dativus commodi/incommodi: Ich öffne uns eine Flasche Wein. Das Glas ist mir zerbrochen. Dativus possessivus: Sie schüttelte ihm die Hand. Dativus ethicus: Dass du mir ja nicht wieder zu spät kommst! Dativus iudicantis: Das ist mir zu langweilig 2.11.2009 Kasus Genitiv ! ! ! ! ! Objekt: anklagen, beschuldigen, erinnern, gedenken berauben, bedürfen Objekt bei prädikativen Adjektiven: Er ist deiner nicht würdig. Ich bin mir dessen bewusst. bei Adpositionen: gemäß Ihrer Mitteilung; angesichts der Verspätung, kraft ihres Amtes; des guten Wetters wegen, der Einfachheit halber als freier Genitiv: erhobenen Hauptes, eines Abends, als Attribut ! ! ! ! ! ! ! Genitivus possessivus: die Höhle des Löwen, die Einwohner der Stadt Leipzig Genitivus obiectivus: die Besichtigung des Museums, der Raub der Sabinerinnen Genitivus subiectivus: der Untergang der Titanic, die Beurteilung des Rezensenten Genitivus partitivus: der größte Teil der Beute, die andere Seite der Medaille, Genitivus qualitatis: ein Mann mittleren Alters, das Tal der Tränen Genitivus explicativus: ein Strahl der Hoffnung, die Kunst der Fuge ... 21 2.11.2009 Kasus Verwendungsweisen Nominativ Genitiv Dativ Akkusativ Subjekt/Objekt Subjekt Gen.-Objekt Dat.-Objekt Akk.-Objekt. prädikativ Der Hund ist mein bester Freund Anrede Schenke Ihnen die ewige Ruhe, o Herr! Kongruenz bei Konjunktionen Er konnte ihn als guter Redner überzeugen. Sie bezichtigte ihn des Verrats als des schlimmsten Verbrechens. Als gutem Redner fiel ihm das Überzeugen leicht Er konnte ihn als guten Redner überzeugen. Kongruenz bei Apposition Peter, ihr ExFreund, hat nichts gesagt. Die Antwort des Mannes, ihres ExFreundes, hat ihr nicht gefallen. Sie hat dem Mann, ihrem ExFreund, nicht geantwortet. Sie hat den Mann, ihren Ex-Freund, gemieden. Kongruenz bei Präposition während der Fahrt in die Stadt auf dem Schiff adverbial Eines Tages fahren wir fort. Attribut Der Hund des Mannes 22 Er schalt ihn einen Hund Die Fahrt dauert einen Tag. 2.11.2009 ! ! ! ! ! ! Blake, Barry (2004): "Case". In: Booij, Geert et al. (Hg.): Morphologie / Morphology. An International Handbook on Inflection and Word-Formation / Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. Berlin, New York: Walter de Gruyter: 1073–1090. DUDEN 4. Grammatik. (2005): 7. Auflage. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. Eisenberg, Peter (2006): Das Wort. Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. I. 3. Auflage. Stuttgart: J.B. Metzler. Helbig, Gerhard und Joachim Buscha (2005): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 4. Auflage. Berlin u.a.: Langenscheidt. Hentschel, Elke und Harald Weydt (2003): Handbuch der deutschen Grammatik. 3. Auflage. Berlin: de Gruyter. Jespersen, Otto (1924): The Philosophy of Grammar. Nachdruck 1992. Chicago: Chicago University Press. 24 2.11.2009