Immanuel Kant *22. April 1724 in Königsberg +12. Februar 1804 in Königsberg • ab 1770 ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik an der Universität Königsberg • Neben Hegel wohl der bedeutendste deutsche Philosoph; Begründer des „Deutschen Idealismus“ • „Kopernikanische Wende“ in der Philosophie: Revolution in der Erkenntnistheorie • grundlegende Neuorientierung in metaphysischen Fragen (Gott, Freiheit, Unsterblichkeit der Seele) • wichtiger Denker der Aufklärung Wichtige Werke: Kritik der reinen Vernunft (1781) Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (1783) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6) Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786) Kritik der praktischen Vernunft (1788) Kritik der Urteilskraft (1790) Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) Zum ewigen Frieden (1795) Die Metaphysik der Sitten (1797) Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefasst (1798) 1 Wichtiger Anstoß für Kants Philosophie: Humes radikaler Skeptizismus „Wir können die Welt mit Hilfe mathematisch formulierter Naturgesetze beschreiben“ - ? Hume: Naturgesetze: Von Gesetzen als allgemeinen Zusammenhängen zu sprechen lässt sich nicht rational begründen; die Rede davon beruht letztlich auf dem Prinzip der Gewohnheit als einer Art natürlichem Instinkt. Welt: streng genommen macht es keinen Sinn, von einer Außenwelt jenseits unserer Vorstellungen zu reden. Gegeben sind uns nur Sinneseindrücke oder „Perzeptionen“; Dinge „konstruieren“ wir daraus aufgrund von Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Perzeptionen. Wir: Genau genommen macht es auch keinen Sinn, von uns selbst als Subjekten zu sprechen. Wir sind uns in der Erfahrung nicht als Subjekte gegeben. Wir haben nur Eindrücke oder Perzeptionen von „eigenen“ Gedanken, Körperbewegungen etc.; entsprechend sind wir nur „Bündel von Perzeptionen“ (ähnlich wie andere die anderen Dinge). Hume: Keine rationale Lösung für das Induktionsproblem Ein Schluss von endlichen Anzahl von Beobachtungen auf einen allgemeinen Zusammenhang kann nicht a priori begründet werden: „[...] es liegt kein Widerspruch darin, dass sich der Lauf der Natur ändern und dass ein Gegenstand augenscheinlich, ähnlich den von uns erfahrenen, andere oder gegensätzliche Wirkungen im Gefolge haben kann.“ (66, Z. 24 ff.) Ein Schluss von endlichen Anzahl von Beobachtungen auf einen allgemeinen Zusammenhang kann nicht aus der Erfahrung begründet werden – also durch eine Überlegung der Form „Bislang waren Schlüsse von endlichen Anzahlen von Beobachtungen auf allgemeine Zusammenhänge immer (oft) erfolgreich, also werden sie es auch weiterhin bzw. allgemein sein.“ Diese Überlegung setzt voraus, was zu zeigen wäre. Andere Möglichkeiten der Begründung scheinen aber nicht möglich zu sein; die Klassifikation der Begründungsarten ist erschöpfend. 2 Hume: Gegenstände menschlichen Denkens und Forschens Vorstellungsbeziehungen Tatsachen Geometrie, Algebra, Arithmetik: a2+b2=c2 etc. Gegenstände der Erfahrungswissenschaften; z.B. „Die Sonne wird morgen aufgehen“; Behauptungen von intuitiver oder demonstrativer Gewissheit: Axiome und Folgerungen aus ihnen; sicher Evidenz viel geringer als die der Wahrheiten über Vorstellungsbeziehungen; nicht sicher, nur wahrscheinlich lassen sich durch bloße Denktätigkeit entdecken, unabhängig davon, ob irgendwo im Weltall etwas existiert; a priori (und analytisch: handeln nicht von der Welt) lassen sich nur aufgrund der Erfahrung entdecken a posteriori (und synthetisch) Das Gegenteil einer Wahrheit über Vorstellungsbeziehungen ist nicht möglich Das Gegenteil einer Tatsache ist immer möglich; enthält niemals einen Widerspruch Humes skeptische Lösung dieses Problems: • Induktionsschlüsse lassen sich nicht rational rechtfertigen • Es lässt sich nur (psychologisch) erklären, woran es liegt, dass wir faktisch induktiv schließen: Es ergibt sich aus dem allgemein anerkannten „Prinzip der Menschennatur“, dass wir gewisse Gewohnheiten ausbilden: Wir beobachten häufig, dass auf ein Ereignis vom Typ A ein Ereignis vom Typ B folgt; aus Gewohnheit stellt sich dann beim Auftreten eines Ereignisses vom Typ A die Erwartung ein, dass darauf ein Ereignis vom Typ B folgt. So lässt sich erklären, weshalb wir aus einer Reihe gleichartiger Fälle einen allgemeinen Zusammenhang ableiten, aber nicht aus einem einzigen Fall; auf der Grundlage eines einzigen Falls kann sich noch keine Gewohnheit ausbilden. „Es ist ein seelischer Vorgang, der in dieser Lage ebenso unvermeidlich ist wie das Gefühl der Liebe, wenn wir Wohltaten empfangen, oder des Hasses, wenn uns Unrecht widerfährt. Alle diese Vorgänge sind eine Art natürlicher Instinkte, die keine Vernunfttätigkeit, d. h. kein Denk- oder Verstandesprozess jemals hervorzubringen oder zu verhindern vermag.“ (73, Z. 23 ff.) 3 Induktion und Kausalität Humes Definition des Ursachenbegriffs (1) Eine Ursache ist ein „Gegenstand, der einen anderen im Gefolge hat, wobei alle dem ersten ähnlichen Gegenstände solche, die dem zweiten ähnlich sind, im Gefolge haben.“ (2) Eine Ursache ist ein Gegenstand, „der einen anderen im Gefolge hat und dessen Auftreten stets das Denken zu jenem anderen hinführt.“ (EHU, 76) Genau genommen zwei verschiedene, miteinander zusammenhängende Definitionen. (Tatsächlich gibt es in einer späteren Auflage noch eine dritte.) Wesentlich: Kausalität wird über regelmäßiges Miteinander-Auftreten von Ereignissen definiert; die Regelmäßigkeit wird nicht umgekehrt auf Kausalität zurückgeführt. Aus diesen Zusammenhängen folgt: Wenn man die Annahme nicht rechtfertigen kann, dass es allgemeine Zusammenhänge zwischen Ereignissen gibt, dann kann man die Annahme, das es zwischen Ereignissen kausale (UrsacheWirkungs-)Prinzipen gibt. Hume: (1) Eine Ursache ist ein „Gegenstand, der einen anderen im Gefolge hat, wobei alle dem ersten ähnlichen Gegenstände solche, die dem zweiten ähnlich sind, im Gefolge haben.“ (2) Eine Ursache ist ein Gegenstand, „der einen anderen im Gefolge hat und dessen Auftreten stets das Denken zu jenem anderen hinführt.“ (EHU, 76) Kant: (3) Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung. (4) Alles, was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt. (3) und (4) sind nach Kant äquivalent; das impliziert, dass Kant die Bestimmung (1) von Hume teilt. (Regularitätsauffassung der Kausalität) Überdies meint Kant, anders als Hume, dass das Kausalprinzip (3) bzw. (4) sehr wohl rational begründbar ist. 4 Kants transzendentales Argument für die Gültigkeit des Kausalprinzips (1) Erkenntnis bzw. Erfahrung ist mehr als nur ein „Gewühle von Erscheinungen“. Um von Erkenntnis sprechen zu können, muss es einen gewissen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Erscheinungen geben. (2) Dieser Zusammenhang wird dadurch hergestellt, dass ich von jedem Inhalt meines eigenen Geistes denken können muss, dass ich ihn habe (transzendentale Einheit der Apperzeption (des Selbstbewusstseins)). (3) Um zu denken, dass ich urteile, dass es draußen regnet, muss ich das Urteil bilden können, dass es draußen regnet, und dazu brauche ich Begriffe von „draußen“ und „Regen“, die ich in den entsprechenden Wahrnehmungssituationen verwenden kann. (4) Nicht alle Begriffe können aus der Erfahrung stammen, weil Erfahrung im Vollsinn ja schon Begriffe voraussetzt, unter die sinnlich Empfundenes gefasst werden kann. Einige Begriffe müssen also schon immer, vor jeder Erfahrung, verfügbar sein. Das sind die „Kategorien“ als „apriorische Begriffe“, zu denen auch der Begriff der Kausalität gehört. (5) Die Anwendbarkeit des Kausalbegriffs setzt die Gültigkeit des Kausalprinzips (synthetisch a priori) voraus. (Zweite Analogie der Erfahrung) Also gilt: Die Möglichkeit von Erfahrung setzt die Gültigkeit des Kausalprinzips voraus: Die Gültigkeit des Kausalprinzips ist die „Bedingung der Möglichkeit“ von Erfahrung. Die zweite Analogie der Erfahrung: Das Haus-Beispiel und das Schiff-Beispiel Schute 5 Realität zeitliche Folge von Wahrnehmungen 1: möglich zeitliche Folge von Wahrnehmungen 2: möglich Realität an o1 (flussaufwärts) an o2 (flussabwärts) an o1 (flussaufwärts) an o2 (flussabwärts) zeitliche Folge von Wahrnehmungen 1: möglich zeitliche Folge von Wahrnehmungen 2: unmöglich an o2 (flussabwärts) an o1 (flussaufwärts) Das Argument der zweiten Analogie Zu beweisen ist das Kausalprinzip: • Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung – bzw. • alles, was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt. Vorausgesetzt: • Wir verfügen a priori über den Begriff der Kausalität (Kategorie). Beweisgedanke: • Die Anwendbarkeit des Kausalbegriffs impliziert die Gültigkeit des Kausalprinzips. Argument: Die zweite Analogie zeigt, dass unser Begriff objektiver Veränderung praktisch mit dem der regelmäßigen Veränderung zusammenfällt. Wir haben überhaupt keinen Begriff von einer objektiven Veränderung, die nicht nach Regeln abliefe: Wo wir keine Regeln unterstellen, ist „alle Folge der Wahrnehmung nur lediglich in der Apprehension, d. i. bloß subjektiv, aber dadurch gar nicht objektiv bestimmt, welches eigentlich das Vorhergehende, und welches das Nachfolgende der Wahrnehmungen sein müsste. Wir würden auf solche Weise nur ein Spiel der Vorstellungen haben, das sich auf gar kein Objekt bezöge [...]“ (S. 83, Z. 15 ff.) Apriorisches Verfügen über den Kausalbegriff ↔ Verfügen über den Begriff objektiver Veränderung ↔ Annahme des Kausalprinzips (synthetisch a priori; nicht empirisch begründbar (S. 84, Z. 1 ff.)) 6 Ding an sich, Welt der Erscheinung und synthetische Urteile a priori transzendentale Einheit der Apperzeption (Selbstbewusstsein): Grundlage der Einheitlichkeit von Erfahrung (nicht nur „Gewühl von Empfindungen“) Ich denke, dass es draußen regnet. Basis von Urteilen Verfügen über Begriffe, insbes. Kategorien wie Kausalität subjektive Apprehensionen (Wahrnehmungen, Sinnesempfindungen) gewisse synthetische Urteile a priori, insbesondere Kausalprinzip Vorstellung des Bezugs auf (vgl. S. 84, Z. 24 ff.) objektive Welt der Erscheinungen Ding an sich Kants „Kopernikanische Wende“ Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten; aber alle Versuche über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit eben so, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müsste, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen.“ (B XVI, XVII) 7 Welt der Erscheinung und Ding an sich Welt der Erscheinung (Phainomena): • objektive Welt, wie sie die Naturwissenschaft erforscht • wir wissen a priori, dass die Gesetze der Geometrie und der Mathematik in ihr gelten (Anschauungsformen des Raumes und der Zeit), ebenso wie das Kausalprinzip und gewisse andere Gesetze. Dinge an sich (Noumena) • liegen der Erscheinungswelt auf eine unerkennbare Weise zugrunde • sind selbst kein möglicher Gegenstand der Erfahrung • über sie können wir nur vernünftige Postulate formulieren: Freiheit unsterbliche Seele Gott 8