Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel A Organische Chemie Die organische Chemie hat ihren Ursprung in der Untersuchung von Naturstoffen. Deren gemeinsame Eigenschaften und die Ansicht, dass diese Stoffe nur durch Organismen geschaffen werden k•nnen, f‚hrten zum Begriff der „Organischen Chemie“. Als es gelang, Harnstoff zu synthetisieren, musste der Begriff neu definiert werden. Die Organischen Chemie ist die Chemie der Kohlenstoffverbindungen (mit wenigen Ausnahmen). Organische Verbindungen sind meist Molek‚lverbindungen und deshalb in der Regel fl‚chtig, brennbar, nicht w€rmebest€ndig und elektrisch nicht leitf€hig. Gruppenformel Sich wiederholende Atomgruppen werden in der Gruppenformel als Molek‚lformel geschrieben und nur die Kohlenstoffbindungen gezeichnet. Strichformel, Skelettformel Das Ende eines Striches bedeutet eine CH3-Gruppe, ein Winkel eine -CH2-Gruppe, eine Verzweigung eine -CH-Gruppe und eine Kreuzung ein -C-Atom. Einteilung organischer Verbindungen Kohlenstoffatome k•nnen sich untereinander praktisch unbegrenzt zu Ketten, verzweigten Ketten und Ringen verbinden. Ebenso m•glich sind Doppel- und Dreifachbindungen. Die Vielfalt der organischen Verbindungen wird aufgrund der verschiedenen Kohlenstoffger‚ste unterteilt in: aliphatische Verbindungen Aliphatische Verbindungen haben ein offenkettiges Kohlenstoffger‚st. Innerhalb der aliphatischen Verbindungen unterscheidet man weiter verzweigte und unverzweigte, sowie gesÄttigte und ungesÄttigte. unverzweigt, ges€ttigt CH3 CH2 CH2 CH2 CH3 unverzweigt, unges€ttigt CH3 CH CH CH3 verzweigt, ges€ttigt CH3 CH CH2 CH3 CH3 verzweigt, unges€ttigt CH2 C CH CH2 CH3 cycloaliphatische (alicyclische) Verbindungen In cycloaliphatischen Verbindungen ist das Kohlenstoffger‚st ringf•rmig. Organische Chemie 45 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Auch hier werden ges€ttigte und unges€ttigte Ringsysteme unterschieden. alicyclisch, ges€ttigt CH3 alicyclisch, unges€ttigt Ringe k•nnen zu bicyclischen oder polycyclischen Systemen miteinander verkn‚pft sein. Kondensierte polycyclische Verbindungen haben mindestens zwei C-Atome in den verschmolzenen Ringen gemeinsam. kondensiert, bicyclisch ges€ttigt nicht kondensiert bicyclisch, unges€ttigt aromatische Verbindungen Aromatische Verbindungen sind ebene, mit Doppelbindungen durchkonjugierte Ringsysteme. aromatisch, kondensiert tricyclisch heterocyclische Verbindungen Ringsysteme, die nur aus C-Atomen bestehen, werden als isocyclisch oder carbocyclisch bezeichnet. Ersetzt ein zwei- respektive dreiwertiges Heteroatom ein C-Atom im Ring, so bezeichnet man dieses System als heterocyclisch. Heterocyclische Verbindungen k•nnen aromatisch oder alicyclisch sein. O S N aromatisch Organische Chemie cycloaliphatisch 46 N aromatisch RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel B Alkane Kohlenwasserstoffe Kohlenwasserstoffe, abgek‚rzt KW, sind organische Verbindungen, die nur aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Homologe Reihe Organische Verbindungen, deren Molek‚lformeln sich nur in der Anzahl CH2Gruppen unterscheiden bilden eine homologe Reihe. Alkane Alkane sind aliphatische Kohlenwasserstoffverbindungen der Formel CnH2n+2. CH4 C2H6 C3H8 C4H10 C5H12 C6H14 C7H16 C8H18 C9H20 C10H22 Methan Ethan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Nonan Decan Eigenschaften Die ersten 4 Glieder der homologen Reihe sind bei RT gasf•rmig, dann sind sie fl‚ssig und ab C17 paraffinartig fest. Der Anstieg der Schmelz- und Siedepunkte ist auf die mit zunehmender Molek‚lgr•sse anwachsenden Van der Waals-Kr€fte zur‚ckzuf‚hren. Alkane sind lipophil resp. hydrophob und im fl‚ssigen Zustand untereinander beliebig mischbar und gute L•sungsmittel. Alkane sind brennbar, ihre D€mpfe k•nnen mit Luft explosive Gemische bilden. Chemisch sind sie sonst relativ reaktionstr€ge. Organische Chemie 47 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Vorkommen Die gasf•rmigen Alkane sind der Hauptbestandteil von Erdgas. Methan findet sich auch in Grubengas und Sumpfgas. Erd•l beinhaltet unz€hlige Kohlenwasserstoffe; ebenso finden sich diese als fl‚chtige Bestandteile der Steinkohle. Verwendung Alkane werden vorwiegend als Brennstoffe und Energietr€ger verwendet. Die fl‚ssigen Alkane sind beliebte L•sungsmittel. In der Chemie sind sie Ausgangsstoffe f‚r eine Vielzahl von Produkten. Nomenklatur Die l€ngste, unverzweigte Kette ist der Stamm. Die Seitenketten werden nach ihrer L€nge und mit der Endung -yl bezeichnet und dem Stamm mit den entsprechenden Stellungsziffern alphabetisch vorangestellt. Die Stammkette wird so nummeriert, dass die Verkn‚pfungsstellen m•glichst kleine Ziffern erhalten. Beispiele: 2-Methylbutan CH3 CH3 C CH3 CH3 2,2-Dimethylpropan Konstitutionsisomerie Konstitutionsisomere haben zwar die gleiche Molek‚lformel, aber ihre Konstitution (Verkn‚pfung) und damit ihre Eigenschaften sind verschieden. Reaktionen Substitution Unter einer Substitution versteht man den Austausch eines Wasserstoffatoms durch ein anderes Atom oder eine Atomgruppe. Substitutionen sind typisch f‚r ges€ttigte Kohlenwasserstoffe. Bei der Halogenierung wird das Halogenmolek‚l durch Licht (UV) in Atome gespalten. Eines der Halogenatome ersetzt ein Wasserstoffatom am KW, das andere verbindet sich mit dem abgespaltenen Wassertoffatom zu Halogenwasserstoff. Organische Chemie 48 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Beispiel: CH4 + Br2 / UV CH3 Br + HBr Verbrennung Bei der vollst€ndigen Verbrennung von KW entsteht Kohlendioxid und Wasser. Beispiel: C3H8 + 5 O2 3 CO2 + 4 H2O Exothermer Verlauf Verbrennungen verlaufen immer exotherm. Die stark polarisierten, stabilen Bindungen in den Verbrennungsprodukten setzen gr•ssere Bindungsenergien frei als die aufzuspaltenden unpolaren Bindungen im KW ben•tigen. Aufgaben 1. Nennen Sie Kohlenstoffverbindungen, die nicht in die Organische Chemie geh•ren ! 2. Wie viele Konstitutionsisomere der Molek‚lformel C7H16 gibt es ? Zeichnen Sie die Strukturen in der Strichformel auf ein Blatt und geben Sie jeder Verbindung den korrekten chemischen Namen ! 3. Geben Sie f‚r die folgenden Alkane den Namen und die Molek‚lformel an: a) b) 4. Formulieren Sie die Gleichung f‚r die Substitutionsreaktion von Ethan mit Chlor. Welche Funktion hat bei dieser Reaktion das Licht (UV) ? 5. Was versteht man unter einer Verbrennung ? Warum verlaufen Verbrennungen exotherm ab ? 6. a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung f‚r die Verbrennung von 2,5-Dimethylhexan. b) Wie viele g Wasser entstehen bei der Verbrennung von 1,0 g dieser Verbindung ? C Alkene, Alkine Alkene Alkine KW mit einer Doppelbindung KW mit einer Dreifachbindung CnH2n CnH2n-2 Unges€ttigte KW sind reaktionsf€higer weil sie an die Mehrfachbindungen leicht andere Molek‚le anlagern k•nnen. Organische Chemie 49 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Nomenklatur Alkene erhalten statt der Endung -an die Endung -en, Alkine die Endung -in. Die Kohlenstoffkette wird so nummeriert, dass die Mehrfachbindung eine m•glichst tiefe Bindungsziffer bekommt. Beispiele: 2-Penten 2-Butin 5-Methyl-2hepten 2,3-Dimethyl1-buten Reaktionen Addition Bei der Addition an unges€ttigte Verbindungen wird ein Molek‚l unter Aufspaltung der Mehrfachbindung angelagert. Das Molek‚l wird durch die hohe Elektronendichte an der Mehrfachbindung in Ionen gespalten. Das Kation lagert sich unter Verwendung der beiden Elektronen der Mehrfachbindung an ein C-Atom an, das verbleibende Anion am nun positiv geladenen zweiten C-Atom der Mehrfachbindung. Beispiel: + Br2 Br Br Polymerisation Bei einer Polymerisation entsteht in einer Kettenreaktion durch die fortlaufende Addition von unges€ttigten Molek‚len ein makromolekularer Stoff. Makromolekulare Stoffe bestehen aus verschieden grossen Riesenmolek‚len mit bis zu tausenden von Atomen. Der Zusammenhalt der Molek‚le ist aufgrund der grossen Van der Waals Kr€fte stark und in kleinen Bereichen sogar kristallin. Die Stoffe haben allerdings keinen klaren Schmelzpunkt und erweichen in einem bestimmten Temperaturbereich, es sind sog. Thermoplasten. Thermoplasten erweichen beim Erw€rmen und k•nnen in diesem Zustand bleibend verformt werden durch Walzen, Kalandrieren (mehrfach Walzen), Pressen durch Profile (Extrudieren) und D‚sen, Spritzen von fl‚ssigem Kunststoff in Formen. Organische Chemie 50 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Aufgaben 1. Warum sind Alkene reaktionsf€higer als Alkane ? 2. Benennen Sie die folgenden Verbindungen: a) b) 3. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung f‚r die Addition von Chlor an 2-Buten ! 4. Nennen Sie nat‚rliche, makromolekulare Stoffe mit ihrer Bedeutung in der Natur ! D Weitere Stoffklassen Funktionelle Gruppen Die charakteristischen chemischen Eigenschaften der organischen Verbindungen werden in erster Linie von ihren funktionellen Gruppen bestimmt. Je gr•sser allerdings das Kohlenstoffger‚st ist, umso kleiner wird der Einfluss der funktionellen Gruppe. In organischen Verbindungen bezeichnet man reaktionsf€hige, polar gebundene Heteroatome oder Atomgruppen als funktionelle Gruppen. Verbindungen mit derselben funktionellen Gruppe geh•ren zur gleichen Stoffklasse. Stoffklasse Gruppe Beispiel Name O Carbons€uren -COOH CH3 Ethans€ure C OH O Ester Aldehyde Ketone -COOR -CHO C=O Alkohole -OH Amine -NH2 Ether -O- Organische Chemie CH3 C CH3 C O CH3 O H O CH3 CH2 NH2 51 Ethanal 3-Pentanon OH O Methylethanoat 1-Butanol Ethanamin Ethoxiethan RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t Halogenverbindungen -F; -Cl; -Br; -I Nitroverbindungen Cl Cl CH2 CH2 NO 2 -NO2 BMS AGS Basel 1,2-Dichlorethan 1-Nitrobutan CarbonsÄuren Carbons€uren bilden mit Wasser saure L•sungen (Speiseessig). Die Carboxylgruppe bildet aufgrund der starken Polarisierung der OH-Bindung starke Wasserstoffbr‚cken. das f‚hrt zu relativ hohen Siedepunkten und einer guten Wasserl•slichkeit. Ester Ester entstehen aus Carbons€uren und Alkoholen. Der polare Charakter geht dabei fast vollst€ndig verloren. Ester sind gute, leicht siedende L•semittel mit oft fruchtigem Geruch (Nagellackentferner). Aldehyde Die Carbonylgruppe kann mit Wasser Wasserstoffbr‚cken bilden, deshalb sind Aldehyde gut wasserl•slich. Selber besitzen sie aber keinen polarisiert gebundenen Wasserstoff und sind deshalb gut fl‚chtig. Sie werden als Reduktionsmittel eingesetzt. Methanal hat konservierende Eigenschaften (Formalin). Ketone Die Siedepunkte und die Wasserl•slichkeit von Ketonen ist weniger stark ausgepr€gt als in Aldehyden, weil hier die Carbonylgruppe gut abgeschirmt ist. Ketone haben keine reduzierende Wirkung und werden als L•semittel eingesetzt. Alkohole Die Hydroxigruppen bilden unter sich und mit Wasser starke Wasserstoffbr‚cken. Alkohole haben deshalb hohe Siedepunkte und ihre Wasserl•slichkeit ist sehr ausgepr€gt. Sie werden als L•semittel verwendet. Amine Die Aminogruppe ist aufgrund der gegen‚ber dem Sauerstoff kleineren EN des Stickstoffs nicht so stark polarisiert. Amine sind deshalb fl‚chtig und m€ssig wasserl•slich. Sie zeichnen sich durch intensiven, fischartigen Geruch aus. Organische Chemie 52 RRi Chemie Technische Berufsmaturit€t BMS AGS Basel Ether Der Sauerstoff ist in Ethern €hnlich gut abgeschirmt wie die Carbonylgruppe in den Ketonen. Ether sind stark fl‚chtig, wenig wasserl•slich und gute L•semittel f‚r organische Stoffe. Ethoxiethan (…ther) hat narkotische Wirkung und seine D€mpfe bilden mit Luft explosive Gemische. Halogenkohlenwasserstoffe Halogenkohlenwasserstoffe sind kaum polar und daher leicht fl‚chtig und wasserunl•slich. Sie werden als L•semittel verwendet. Allerdings ist ihre Verwendung wegen der umweltproblematischen Entsorgung stark eingeschr€nkt worden. Mehrfach halogenierte Methane oder Ethane kennt man als Freone bzw. Frigene in der K€ltetechnik. Je st€rker halogeniert die Verbindung ist, umso schwerer entflammbar wird sie (Feuerl•schmittel). Nitroverbindungen Auch Nitroverbindungen sind trotz der beiden Sauerstoffatome relativ wenig polar. Sie dienen als L•semittel (Nitroverd‚nner). Mehrfach nitrierte Verbindungen haben explosive Eigenschaften (Trinitrotoluen). Aufgaben 1. Welche Eigenschaft der Funktionellen Gruppe bestimmt weitgehend das physikalische und chemische Verhalten einer Stoffklasse ? 2. Benennen Sie die folgenden Verbindungen: a) b) H C OH O O CH 2 CH 3 O c) O f) C OH g) O h) d) NH2 CH2 CH Cl O e) H C i) H NO2 3. Welche der beiden angegebenen Verbindungen hat den h•heren Siedepunkt ? Begr‚nden Sie Ihre Entscheidung ! a) Propanol, Propanamin b) 2-Butanol, 2-Butanon c) Ethanal, Butanal d) Ethoxiethan, 1-Butanol 4. Wie bezeichnet man die Funktionelle Gruppe von a) Alkoholen b) Carbons€uren Organische Chemie 53 c) Aldehyden bzw. Ketonen RRi