Neuer Effekt von B-Raf-Inhibitoren bei Darmkrebs aufgedeckt

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Neuer Effekt von B-Raf-Inhibitoren bei Darmkrebs
aufgedeckt
Die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Männern und Frauen in Deutschland ist das
kolorektale Karzinom, zu Deutsch Dickdarmkrebs. Es macht 95 Prozent der bösartigen
Darmtumoren aus und seine Häufigkeit hat in den Industrieländern in den letzten
Jahrzehnten deutlich zugenommen. Eine besonders aggressive Form tritt auf, wenn eine
Mutation im Proto-Onkogen BRAF vorliegt. Dr. Ricarda Herr und Dr. Tilman Brummer
untersuchen im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 850 am Institut für Molekulare
Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg, wie dieses mutierte Gen zu Entstehung
und Wachstum des Darmtumors beiträgt und decken dabei einen neuen Wirkungsaspekt der
bereits klinisch angewandten B-Raf- Inhibitoren auf. Ist mehr über die Pathogenese von
Krebserkrankungen bekannt, können gezielter pharmakologische Therapeutika entwickelt
werden.
Meist entwickeln sich bösartige Dickdarmtumore aus gutartigen Dickdarmpolypen, doch zu
Beginn der Erkrankung sind selten Symptome feststellbar. Erst wenn der Tumor massiv blutet
oder das Darmlumen stark einengt, manifestieren sich Darmkrämpfe und Blut im Stuhl.
Risikofaktoren für Darmkrebs sind neben hohem Alter eine Fehlernährung wie häufiger
Verzehr von rotem Fleisch, übermäßige Kalorienzufuhr und geringe Mengen an Ballaststoffen.
Zudem sind Rauchen, Alkohol und Sonnen- sowie Bewegungsmangel krebsfördernd. Immer
häufiger werden auch die Einflüsse epigenetischer Faktoren sowie der Darmflora bei der
Tumorbildung diskutiert.
Oberflächlich betrachtet ist ein Tumor eine heterogene Masse aus verschiedenen Zellen, die
sich mit der Zeit weiter verändern. „Seit einigen Jahren geht man immer mehr dazu über,
molekulare Klassifikationen im Tumor durchzuführen", sagt Dr. Tilman Brummer am Institut
für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg, der sich seit einigen Jahren
der Biologie des kolorektalen Karzinoms widmet. Diese Klassifizierung kann die personalisierte
Therapie verbessern. Zweifelsfrei wirken viele Faktoren an der Krebsentstehung mit. Es müssen
verschiedene Mutationen erworben werden, bis aus Epithelzellen ein invasiver Tumor entsteht.
Das Protein B-Raf ist an der Zellregulation beteiligt
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Welche Signale dazu führen, dass aus einer Krebsvorstufe Darmkrebs wird? Diese Frage möchten Dr. Ricarda Herr
und Dr. Tilman Brummer beantworten. © Dr. Ricarda Herr, Dr. Tilman Brummer, Universität Freiburg.
Viele genetische Veränderungen bringen eine Zelle in einen hyperproliferativen Zustand, was
dazu führen kann, dass aus einer Krebs-Vorstufe ein bösartiger Tumor wird. „Eine BRAFMutation allein kann noch keinen Krebs auslösen", sagt Tilman Brummer. Häufig findet man in
Karzinomen neben dem mutierten BRAF-Gen auch Veränderungen in KRAS oder dem
Tumorsuppressor p53. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, denn welche Mutationen zu
finden sind, ist bezeichnend für den jeweiligen Tumorphänotyp und wichtig für den
Therapieansatz. Gibt es im Tumor etwa Mutationen im KRAS-Gen, weiß man, dass der Patient
auf eine bestimmte Therapie nicht ansprechen wird.
Tilmann Brummer und Ricarda Herr erforschen die molekularen Grundlagen des BRAFOnkogens und seine Auswirkungen auf Wachstum und Invasivität von Darmkrebszellen in
kolorektalen Tumorerkrankungen, indem sie klinische Inhibitoren gegen das aus dem Gen
BRAF übersetzte Protein B-Raf in Zellkulturen einsetzen. Der Signalüberträger B-Raf ist der
stärkste Aktivator des MAP-Kinase-Wegs und gleichzeitig ein Sensor dafür, ob genügend
Wachstumsfaktoren vorhanden sind, damit die Zelle sich teilen kann. Dabei scheint seine Rolle
während der Embryogenese größer zu sein, als später im adulten Organismus. Der MAP-Kinase
-Weg beinhaltet eine Reihe mehrstufiger Transduktionswege, die an Zelldifferenzierung und
Zellwachstum beteiligt sind. Man weiß, dass er bei 30 Prozent aller Krebsarten überaktiv ist.
Unter normalen Umständen bindet ein Wachstumsfaktor beispielsweise an den EGF-Rezeptor,
welcher eine Signalkette in Gang setzt, bei der B-Raf, MEK und ERK hintereinander aktiviert
werden, wobei ERK Programme für Zellteilung und Überleben initiiert. Eine negative
Rückkopplung gewährleistet, dass das System nicht überschießt: ERK phosphoryliert auch den
EGF-Rezeptor, der dadurch abgeschaltet wird, woraufhin weniger aktives ERK produziert wird.
Das Fehlen von ERK bewirkt wiederrum, dass der Rezeptor wieder sensibel wird.
Mutation im Proto-Onkogen BRAF führt zum permanent aktiven B2
Raf
Eine Punktmutation im Proto-Onkogen BRAF führt dazu, dass im katalytischen Zentrum des
Proteins B-Raf statt der Aminosäure Valin ein Glutamat an einer entscheidenden Stelle sitzt,
das das B-Raf zu einem Onkoprotein macht. „Glutamat imitiert durch seine negative Ladung
Phosphatgruppen, die normalerweise das Enzym B-Raf aktivieren", sagt Ricarda Herr. Diese
natürliche Phosphorylierung ist nun nicht mehr notwendig und das Enzym ist permanent aktiv.
Die Zellen empfangen daher exzessive Wachstumssignale und werden massiv in die
Vermehrung gedrängt, was zu Krebs führen kann. Das ständige Signal, das B-Raf nun sendet,
ist von außen unabhängig und auch der EGF-Rezeptor spielt keine Rolle mehr.
Eine BRAF-Beteiligung bei verschiedenen Krebsarten ist in der Vergangenheit bereits belegt
worden. So spielt die mutierte BRAF-Variante unter anderem eine Rolle bei Lungen- und
Schilddrüsenkrebsarten sowie im malignen Melanom. Durch den Vergleich der onkogenen
BRAF-Signalleitung verschiedener Tumorentitäten lässt sich viel über die molekularen
Grundlagen der Krebsentstehung lernen. Die Langerhans-Zell-Histiozytose etwa wurde lange
als Autoimmunkrankheit behandelt, bis man in den erkrankten Zellen eine BRAF-Mutation
entdeckte, die sie in die Kategorie „Krebs" rücken ließ. Bekommen diese Patienten einen
Inhibitor gegen das veränderte B-Raf- Protein, lassen sich erstaunliche Erfolge erzielen. „Auch
Patienten mit seltenen Erkrankungen können durch Forschung an Signalwegen in einem
Tumortyp in einem völlig anderen Bereich profitieren", sagt Tilman Brummer.
Differenzierung bei Verlust des BRAF-Onkogens
In einer 3D-Zellkultur kolorektaler Darmkrebszellen geht nach dem Einsatz von Inhibitoren des mutierten B-Rafs
die Expression von Zelladhäsionsmolekülen (E-Cadherin) in die Höhe. © Dr. Ricarda Herr, Dr. Tilman Brummer,
Universität Freiburg.
In ihren Experimenten mit herunterreguliertem B-Raf in 3D- Zellkulturen kolorektaler
Karzinomzellen sind Ricarda Herr und Tilman Brummer auf einen neuen Effekt gestoßen.
Schaltet man das BRAF-Onkogen durch Knock-down aus oder inhibiert das B-Raf-Onkoprotein
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pharmakologisch , erhält man erwartungsgemäß eine Reduktion der Zellteilung, also ein
gebremstes Tumorwachstum. Überraschend war für die Wissenschaftler hingegen, dass der
Verlust des Onkoproteins auch eine Differenzierung der Zellen bewirkte. Tumorzellen ähneln
mit ihren Eigenschaften eher undifferenzierten embryonalen Zellen oder Stammzellen. Sie sind
weniger spezifisch entwickelt, können sich dafür aber stärker teilen und eher in andere Gewebe
wandern. Oft herrscht in Krebszellen ein Verlust des Transkriptionsfaktors CDX2, der für die
Differenzierung von Darmzellen verantwortlich ist. Hemmt man in den Zellen B-Raf, wird CDX2
wieder hochreguliert und die Zellen differenzieren sich spontan: Die Forscher um Tilmann
Brummer fanden in ihren Proben plötzlich drüsenartiges Gewebe. „Durch die B-Raf-Inhibition
sehen wir zwei Effekte", erläutert er, „einerseits machen wir die Zellen differenzierter und
gleichzeitig weniger aggressiv." Auch die Metastasierungsgefahr ist geringer, da differenzierte
Zellen eine verstärkte Zelladhäsion besitzen.
Es gibt bereits einige Erfolge mit B-Raf-Inhibitoren in Melanomen. Leider ist das Ansprechen
auf die Enzymhemmer als Einzeltherapie bei kolorektalen Karzinomen nicht so deutlich, da
dieser Tumortyp deutlich komplexer ist. Andere internationale Studien zeigten jedoch, dass
sowohl in Zellkultur, präklinischen Tierversuchen und ersten klinischen Studien eine simultane
Gabe von EGFR- und B-Raf-Inhibitoren zu einem verbesserten Ergebnis bei Darmtumoren führt
und eine Metastasierung aufhalten kann.
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Fachbeitrag
26.05.2015
Stephanie Heyl
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Ricarda Herr und Dr. Tilman Brummer
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Stefan-Meier-Str. 17
79104 Freiburg
Tel.: 0761 / 203 - 9609 (Dr. Herr)
Tel.: 0761 / 203 - 9610 (Dr. Brummer)
Fax: 0761 / 203 - 9602
E-Mail: ricarda.herr(at)zbsa.de
E-Mail: tilman.brummer(at)zbsa.de
Universität Freiburg: Institut für Molekulare Medizin und
Zellforschung
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Krebstherapie und Krebsdiagnostik
Krebs
Metastasen
Darm
Zellzyklus
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