Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens Marc Mangold und Werner H. Kunz Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 1. Der Kunde als zentrale Ressource des Innovationsmanagements....................... 2 2. Theoretische Grundlagen.................................................................................... 4 2.1 Dienstleistungen und Innovationen ............................................................... 4 2.2 Kundenintegration im Innovationsmanagement............................................ 7 3. Umsetzungsprojekt mit der SevenOne Media .................................................. 10 3.1 Vorstellung Umsetzungspartners ................................................................ 10 3.2 Analyse des Umsetzungspartners................................................................ 12 3.3 Konzeptionelle Implikationen für die Kundenintegration bei der SevenOne Media .......................................................................................................... 15 4. Fazit……………………………………………………………………………17 Literatur.................................................................................................................. 19 1 2 1. Marc Mangold und Werner H. Kunz Der Kunde als zentrale Ressource des Innovationsmanagements Aufgrund sich stets verschärfender Marktbedingungen unserer Industrie- und Wissensgesellschaft, wie zunehmende Globalisierung, permanenter Kostenreduktionsdruck und zunehmende Substituierbarkeit der Leistungen, sehen sich viele Dienstleistungsunternehmen mit einem immer stetig wachsenden Wettbewerbsdruck konfrontiert und folglich gezwungen, ihre Angebote kontinuierlich zu verbessern. In einer immer rasanteren Umwelt, wird die Entwicklung und Vermarktung neuer Dienstleistungen zur notwendigen Bedingung für die Schaffung entscheidender Wettbewerbsvorteile. Nur wer es schafft, den Kunden stets „auf der Höhe der Zeit“ zu versorgen, wird den gestiegenen Ansprüchen der Nachfrager gebührend Rechnung tragen, und somit die eigene Wettbewerbsposition langfristig verteidigen oder gar verbessern können. Die Fähigkeit, kontinuierlich neue marktfähige Leistungen anbieten zu können, wird somit zum kritischen Faktor im Wettbewerb um den Kunden. Innovationen sind aber auch mit großen Risiken verbunden, was zahlreiche Studien empirisch belegen (Lüthje 2000). Die Verbesserung der Innovationsfähigkeit in den Unternehmen sowie die Lancierung neuer Dienstleistungen sind mit hohen Investitionen verbunden. Insbesondere bei Dienstleistungen spielen auch die Investitionen in die Schulung des Kunden und in die Kommunikation eine entscheidende Rolle, da er im Leistungserstellungsprozess normalerweise integriert ist. Ein Fehlschlag bei der Innovationstätigkeit kann den Fortbestand des Unternehmens stark gefährden. Als Ausweg aus diesem Dilemma wird häufig die konsequente Ausrichtung aller Entwicklungsaktivitäten an den Bedürfnissen und Anforderungen der Abnehmer genannt (Gales/Mansour-Cole 1995). Die Kundenorientierung wird zur maßgeblichen Leitlinie einer marktorientierten Unternehmensführung (Kohli/Jaworski 1990; Jaworski/Kohli 1993). Nur wenn sich die Innovationen an den Bedürfnissen der Verbraucher ausrichten, ist das Floprisiko neuer Dienstleistungen entscheidend zu reduzieren (Douthwaite et al. 2001; Gibbert et al. 2001; Henard/Szymanski 2001; Reckenfelderbäumer/Busse 2003). Eine Orientierung an der „Stimme des Kunden“ verlangt jedoch nach einer Integration des Kunden und seines Wissens in die unternehmerische Wertschöpfung. Zahlreiche Studien belegen, dass eine frühzeitige Integration in den Innovationsprozess den Erfolg von Innovationen signifikant steigert und der Kunde mit seinem Wissen eine wertvolle Ressource für den Innovationsprozess eines Unternehmens darstellt (Gales/MansourCole 1995). Vor diesem Hintergrund fordern deswegen zahlreiche Autoren, den Kunden stärker und frühzeitiger in den Innovationsprozess zu integrieren (Kohli/Jaworski 1990; Glazer 1991; Jaworski/Kohli 1993; Bacon et al. 1994; Murphy/Kumar 1996; Pitta et al. 1996; Neale/Corkingdale 1998; von Hippel et al. 1999; Glazer 2000; Gruner/Homburg 2000; Prahalad/Ramaswamy 2000; Friesen 2001; von Hippel 2001; Herstatt et al. 2002; Thomke/von Hippel 2002; Ulwick 2002). Nur mit seiner Hilfe ist es möglich, den Inno- Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 3 vationsprozess effizienter und effektiver an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten. Denn schließlich weiß der Kunde selbst am besten, welche Bedürfnisse er hat und was er benötigt. Die Rolle des Kunden verändert sich hierdurch zunehmend vom passiven Konsumenten hin zum aktiven Co-Designer bzw. selbstständigen Innovator im Innovationsprozess (Meyer et al. 2000; Prahalad/Ramaswamy 2000; Kunz/Mangold 2004b). Bei näherer Betrachtung der Innovationstätigkeit der Praxis, fallen jedoch einige Defizite ins Auge. So zeigen die Ergebnisse der Studie „Service Excellence in Deutschland“, dass bei knapp 90 Prozent der untersuchten Unternehmen interne Kunden (Mitarbeiter) und externe Kunden nicht systematisch in den Entwicklungsprozess neuer Dienstleistungen integriert werden (Meyer et al. 1999). Bei vielen Unternehmen werden die anfallenden Kundendaten weder systematisch gesammelt noch zur Auswertung für das Innovationsverhalten aufbereitet. Gerade bei Dienstleistungsunternehmen, die meist selbst einen direkten Zugang zum Kunden besitzen, wird dieses Defizit verstärkt sichtbar (Rammer et al. 2003). Ferner findet die Integration des Kunden in den Innovationsprozess nur in wenigen Stufen des Innovationsprozesses statt. So wird die Meinung der Kunden lediglich bei der Prüfung von Konzepten eingeholt und der Kunde besitzt nur selten die Möglichkeit eigene Konzepte zu entwickeln. Hier wird das Potenzial des Kunden für den Innovationsprozess nur unzureichend ausgeschöpft (Thomke/von Hippel 2002; Bullinger/Schreiner 2003). Dies liegt zumeist daran, dass das Wissen der Kunden zunächst gesammelt und entsprechend aufbereitet werden muss, um Implikationen für den Innovationsprozess zu erhalten. Bei der Integration des Wissens in den Innovationsprozess handelt es sich um einen höchst komplexen Prozess, der der Entwicklung von neuen Management-, Organisations- und Technologiekonzepten bedarf. Hier fehlt es an ganzheitlichen Konzepten, die sowohl die Informationssammlung als auch die Informationsweitergabe innerhalb des Unternehmens umfassen, um eine optimale Verwertung der Informationen sicherstellen. Hier setzt das Forschungsprojekt "WINserv - Wissensintensive Dienstleistungen zur Integration von Kunden in Innovationsprozesse" an. WINserv ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) gefördertes Forschungsprojekt des Instituts für Marketing an der Ludwigs-Maximilians-Universität München (Prof. Dr. Anton Meyer) und dem Lehrstuhl für allgemeine und industrielle Betriebswirtschaftlehre an der Technischen Universität München (Prof. Dr. Reichwald). Ziel des Forschungsprojektes ist die Entwicklung von organisatorischen und technologischen Konzepten zur Integration von Kundenwissen in den gesamten Innovationsprozess von Sach- und Dienstleistungen. Dabei werden diese Konzepte sowohl allgemein theoretisch entwickelt als auch bei verschiedenen Umsetzungspartnern (hier die SevenOne Media GmbH) konkret implementiert. Der gezielte Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zur effizienten und effektiven Unterstützung dieser Integration ist wesentlicher Bestandteil der Vorgehensweise. 4 2. Marc Mangold und Werner H. Kunz Theoretische Grundlagen Wie aus den bisherigen Ausführungen schon deutlich wurde, steht das Projekt im Spannungsfeld zwischen dem Innovationsmanagement, dem Dienstleistungsmanagement und schließlich der Kundenintegration. Dabei können diese Bereiche nicht losgelöst von einander betrachtet werden und insbesondere Interdependenzen sind zu beachten. Im Folgenden sollen die zentralen Aspekte der verschiedenen Bereiche kurz skizziert werden und ein kleiner Überblick über den Stand der Literatur zu diesen Themengebieten geben werden. 2.1 Dienstleistungen und Innovationen Das Management von Innovationen gilt mittlerweile als etablierte und ausdifferenzierte Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre. Als konstitutives Merkmal einer Innovation gilt die Neuigkeit bzw. der Neuigkeitsgrad. Eine genaue Bestimmung, ab welchem Neuigkeitsgrad etwas als innovativ betrachtet werden sollte, halten wir an dieser Stelle nicht für zweckmäßig, da dies subjektiv stark variieren kann. So kann eine Innovation lediglich neu für den Kunden, lediglich neu für das Unternehmen oder für beide neu sein. Ferner lässt sich der Neuigkeitsbereich auf Länder- oder Branchenebene aufspannen (Hauschildt 1997). Des Weiteren gilt es bei Innovationen den Innovationsgrad zu differenzieren, der sich zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen auf einer Art Kontinuum bewegt. Bei inkrementellen Innovationen kommt es zu leichten Verbesserungen bzw. Veränderungen in der Zweck-Mittel-Kombination, die im Gegensatz zu radikalen Innovationen nicht zwingender Weise von einer Mehrzahl der Kunden wahrgenommen werden muss. Innovationen kann man als neuartige Zweck-Mittel-Kombinationen auffassen (Schumpeter 1912; Baker et al. 1967). Dienstleistungsinnovationen stellen im Kontext des folgenden Beitrags somit neuartige Zweck-Mittel-Kombinationen dar, die sich sowohl auf die Potenzial-, Prozess oder Ergebnisebene beziehen können (Benkenstein 1998). Neuen Methoden bzw. Konzepte des Anbieters stellen dabei die Mittel dar, um den Zweck der Innovation (z. B. Nachfragerbedürfnisse befriedigen, Effektivität steigern, Effizienz erhöhen) zu erreichen. Auf Grundlage der charakteristischen Merkmale der Dienstleistung lassen sich einige Besonderheiten für deren Innovationsmanagement und die Kundenintegration herausarbeiten. ■ Durch die Integration des externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess, nimmt der Kunde meist selbst die Rolle eines Co-Produzenten ein (Meyer et al. 2000). Hierdurch wird die Kundenbeteiligung bei der Innovationsentwicklung bei Dienstleistungen tendenziell günstiger zu realisieren sein als bei Sachleistungen, da schon eine Kundenbeziehung besteht und nicht extra aufgebaut werden muss (Reckenfelderbäumer/Busse 2003). Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 5 ■ Der Kunde besitzt durch seine aktive Rolle im Leistungserstellungsprozess oft ein gewisses Maße an Wissen über die „Herstellung“ der Dienstleistung (vgl. "Objektwissen", Lüthje 2000). Bei hinreichend hoher Prozessevidenz wird der Kunde somit zum kompetenten Gesprächspartner für innovative Verbesserungen bzw. komplette Neukonzeptionen (Fließ 2001). ■ Durch den tendenziell hohen Immaterialitätsanteil der Dienstleistung steigt auch das Risiko Innovationen nicht hinreichend durch Patente schützen zu können. Dies stellt erfahrungsgemäß ein Innovationshemmnis dar (Hilke 1989). Inhaltlich können Dienstleistungsinnovationen anhand der Leistungsdimensionen in Ergebnis-, Prozess- und Potenzialinnovationen eingeteilt werden. Produktinnovationen sind im Allgemeinen stark auf den Markt ausgerichtet, während Prozess- und Potenzialinnovationen in erster Linie effizienzorientiert sind (Benkenstein 1998). Im Gegensatz zu Innovationen von Sachleistungen können bei Dienstleistungen jedoch auch Prozessund Potenzialinnovationen eine starke, auf den Markt ausgerichtete und somit effektivitätssteigernde Wirkung besitzen, da aufgrund der Integration des externen Faktors hier die line-of-visibility des Kunden stark in die Prozesse des Unternehmen hineinreicht. Um die Forschung im Bereich der Dienstleistungsinnovationen grob zu skizzieren, wurde eine Metaanalyse zu diesem Thema mit Hilfe einer Online-Datenbank (ABI-Inform) durchgeführt. Durch dieses Verfahren konnten 53 relevante Beiträge identifiziert werden, die im Folgenden nach Themenschwerpunkt, methodische Vorgehensweise und Branchenbezug eingeordnet wurden, um einen Einblick über die Schwerpunkte in diesem Forschungsfeld zu geben. Hierbei wird offenbar, dass Kundenintegrationsaspekte bisher nur unzureichend untersucht wurden (siehe Abbildung 1). 6 Marc Mangold und Werner H. Kunz Branche Methodik Finanz-DL; 7 Sekundäranalyse; 3 Case; 4 Interview s; 6 Branchenübergre ifend; 14 Transport; 1 Freizeitindustrie; 2 Telekommunikatio n; 3 Empirie; 18 Vorgehensweise Themenschwerpunkte Sonstige; 5 Ökonomische Rahmenbedingun gen; 3 Kundenaspekte; 12 deskriptiv; 16 Performanceasp ekte; 7 konzeptionell; 24 Strategieaspekte; 6 Organisationsasp ekte; 20 hypothesengetri eben; 11 Abbildung 1: Literaturüberblick: Service Innovation1 Aufgrund der Literaturanalyse lassen sich für das Innovationsmanagement von Dienstleistungen einige wichtige Aspekte herausarbeiten, die in einem generischen Modell der Dienstleistungsentwicklung berücksichtigt werden. ■ Dienstleistungen sollten systematisch entwickelt werden. Die meisten Dienstleistungsentwicklungsmodelle sind an ein Phasenmodell von Idee bis hin Realisierung angelehnt. ■ Die Kontrolle des Innovationserfolges ist wesentlicher Bestandteil der Dienstleistungsentwicklung und gibt den Anstoß für einen neuen Entwicklungszyklus. Der Innovationsprozess lässt sich somit als kontinuierlicher Verbesserungsprozess darstellen. Dadurch sind inkrementelle und radikale Innovationen gleichermaßen berücksichtigt. ■ Zwischen den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses sollte es stets Feedbackschleifen geben, den so ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Stufen des Innovationsprozesses möglich. 1 Betrachtungszeitraum: 1988 bis 2002; Suchbegriffen: Service Innovation, Service Design, Service Engineering, New Service Development oder New Service Design; betrachtete Zeitschriften; JSR, IJSIM, JSM, Service Industrial Journal, JM, JMR, JAMS, Marketing Science, Management Science, JBR, JCM, EJOM, HBR, Sloan Management Review, California Management Review Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens ■ 7 Es sollte stets die organisationale Verankerung des Innovationsmanagements berücksichtigt werden. Hier gilt es Synergieeffekte zu nutzen und die Dienstleistungsentwicklung effizient zu gestalten Ein mögliches Modell der Dienstleistungsentwicklung ist graphisch in Abbildung 2 dargestellt (In Anlehnung an Scheuing/Johnson 1989; Edvardsson/Olsson 1996; Ramaswamy 1996; Tidelski 2002; Bullinger/Schreiner 2003). Kontrolle Ideen Mittel Analyse Roll-Out Kunden Technologien Partner Management Mitarbeiter Potenzialbereitstellung Spezifikation Feedbackschleife Testphase Auswahl Abbildung 2: Der Dienstleistungsentwicklungsprozess 2.2 Kundenintegration im Innovationsmanagement Um die Kundenintegration in das Innovationsmanagement praktisch durchzuführen, müssen geeignete Kunden identifiziert werden, diese zur Mitarbeit motiviert werden und zweckmäßige Methoden zur Integration ausgewählt werden. Zu Beginn der Kundenintegration in den Innovationsprozess ist zu klären, wer in den Prozess integriert werden soll. Hierbei erfreuen sich der Lead-User-Ansatz und Community-Ansätze hoher Beliebtheit. Der Lead-User-Ansatz geht auf Erich von Hippel zurück. Unter Lead Usern versteht man Nutzer, die die allgemeinen Marktbedürfnisse schon weit vor den übrigen Markt- 8 Marc Mangold und Werner H. Kunz teilnehmern erkennen und formulieren können und von Innovationen signifikant profitieren (von Hippel 1986; von Hippel et al. 1999). Die Einbindung von Lead Usern in den Innovationsprozess geschieht nach folgender Methode: Zuerst gilt es einen wichtigen Markt oder einen Trend zu identifizieren. Anschließend müssen Lead User, die diesen Trend aufgrund von Erfahrungen oder starken Bedürfnissen spüren identifiziert werden. Mit den identifizierten Lead Usern sollten Produktideen entwickelt und Workshops abgehalten werden (Helm 2001, S. 80). Vorteile durch die Integration von Lead Usern zeigen sich in höheren Innovationsumfängen, sowie in einer meist nahtlosen Übertragung der Ideen auf den Gesamtmarkt. Wirkliche Lead User sind rar (von Hippel et al. 1999). Eine gute Möglichkeit zur Identifizierung von Lead Usern stellen Communities dar. Unter Communities versteht man Gemeinschaften von Nachfragern, die in sozialem Kontakt zueinander stehen und ähnliche Interessen verfolgen. Damit verfügen die Mitglieder von Communities auch über ein vergleichbares Nachfrageverhalten. Während sich Communities bisher v.a. auf Grund einer regionalen Nähe der Mitglieder ausgebildet haben, ermöglichen moderne IuK-Techniken auch die Entstehung raumunabhängiger „virtual communities“, deren soziale Nähe in einer medialen Kommunikation begründet ist (Meyer/Pfeiffer 1998; Kunz/Mangold 2004a) Neben der Identifikation externer Wissensträger und der Integration von externem Wissen spielt natürlich auch die Bereitschaft dieser Wissensträger am Integrationsprozess ihres Wissens teilzunehmen eine entscheidende Rolle. Als Motivationsgrund für den Kunden zur Teilnahme am Innovationsprozess lässt sich v. a. der persönliche Nutzen aus der Problemlösung nennen. Aber auch die Imagesteigerung einer Person (z. B. innerhalb einer Community), wenn diese eine wichtige Innovation hervorgebracht hat sowie der „Fun-Faktor“ spielen eine wichtige Rolle. Eher untergeordnet und weniger nachhaltig sind monetäre Gründe. Vielmehr geben Innovatoren ihre Informationen oft gratis an ein Unternehmen oder innerhalb einer Community weiter. Dies begründet sich einerseits aus den genannten Motivationsgründen, andererseits aber auch aus sozialen Aspekten. Außerdem ist es für den Innovator meist schwer die Rolle des Produzenten einzunehmen oder aber das neue Produkt lizenzieren zu lassen (Harhoff et al. 2000). Neben der Identifikation der Kunden und deren Motivation zur Integration stellt auch die Methodenauswahl einen wichtigen Entscheidungsbereich der Kundenintegration in Innovationsprozesse dar. Hierbei lassen sich verschiedene Methoden unterscheiden. Im Folgenden werden wir nur die Methode der Toolkits näher erläutern, da wir den Kerngedanken dieser Methode in unserer Konzeption verwendet haben. Für die anderen Methoden sei auf die Literatur verwiesen (Busse/Reckenfelderbäumer 2001; Kunz/Mangold 2004b). Die Idee des Einsatzes von Toolkits im Innovationsprozess besteht darin, dass Hersteller im Wesentlichen darauf verzichten, die exakten Bedürfnisse der Kunden zu verstehen. Stattdessen rüsten sie die Kunden mit Werkzeugen aus, so dass sie Leistungen konstruieren und entwickeln können. Dadurch soll der Transfer der „sticky“ information verein- Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 9 facht werden. Die Anbieter geben einen Teil ihrer Wertschöpfungskompetenz ab und fungieren nur noch in der Rolle des Herstellers. Der Kunde wiederum avanciert zum Produktinnovator bzw. Co-Designer. Toolkits lassen sich als koordinierte Bündel benutzerfreundlicher Designwerkzeuge zur Entwicklung eigener Lösungskonzepte bezeichnen. Diese ermöglichen es dem Nutzer, innovative Leistungen nach seinen eigenen Vorstellungen selbstständig zu entwickeln. Neben der Entwicklung kundenspezifischer Leistungen können die durch das ToolkitVerfahren gewonnenen Kundeninformationen auch zu Marktforschungszwecken für die zukünftige Ausgestaltung des eigenen Leistungsprogramms genutzt werden (Urban/Hauser 2002; von Hippel/Katz 2002). Bei der herkömmlichen Produktentwicklung entfiel der größte Teil der Arbeit auf den Anbieter. Um für den Kunden eine optimale Lösung zu erstellen, mussten zwischen diesem und dem Anbieter wiederholt kostenintensive sowie zeitraubende Abstimmungen erfolgen. Diese entfallen beim Einsatz von Toolkits, da jetzt alleine der Kunde nach dem trial-and-error-Verfahren die Leistungsentwicklung vornimmt. Populär ist dieser Ansatz sowohl im Halbleiterbereich als auch bei der Verbreitung von Open Source Software. Vorteile von Toolkits sind also das erhöhte Entwicklungstempo, die gesteigerte Effektivität und Effizienz, sowie die Reduktion von Unsicherheit auf Anbieter- und Nachfragerseite. Außerdem wird eine höhere Kundenzufriedenheit realisiert und der Hersteller kann nun auch finanziell schwächere Kunden bedienen. Bisher finden die Toolkits allerdings nur im Online-Bereich verstärkt Anwendung (Thomke/von Hippel 2002). Vergleicht man die verschiedenen Methoden, so stellt man fest, dass sich die Rolle des Kunden mit zunehmendem Integrationsgrad in den Innovationsprozess vom reinen Informationslieferanten, über den Co-Inventor der Leistung bis hin zum Innovator wandelt (siehe Abbildung 3). 10 Marc Mangold und Werner H. Kunz Rolle des Kunden mögliche Methoden Kunde als passives Beobachtungsobjekt Beobachtung Kunde als fremdbestimmter Dialogpartner Befragung Kunde als selbstbestimmter Dialogpartner Beschwerdemanagement Kunde als gleichberechtigter Interaktionspartner anderer Kunden Communities Kunde als gleichberechtigter Interaktionspartner des Unternehmens Workshops Kunde als gleichberechtigter Mitarbeiter des Unternehmens Innovationszirkel Kunde als selbständiger Innovator Toolkits Integrationsgrad niedrig hoch Abbildung 3: Die Rolle des Kunden im Innovationsprozeß (Kunz/Mangold 2004b) 3. Umsetzungsprojekt mit der SevenOne Media 3.1 Vorstellung Umsetzungspartners Neben der allgemeinen Konzeption der Kundenintegration in Innovationsprozesse gilt es auch die erarbeiteten Implikationen in einem Umsetzungsprojekt konkret zu implementieren. Als Kooperationspartner steht hier unteranderem die SevenOneMedia zur Verfügung. SevenOne Media ist das Vermarktungsunternehmen der ProSiebenSat.1-Gruppe. Mit den Sendern Sat.1, ProSieben, Kabel 1 und N24 bildet es das einzige Fernsehunternehmen in Europa, das über vier starke und komplementär positionierte Sendermarken verfügt. SevenOne Media bietet damit das umfassendste Zielgruppenspektrum und ist Marktführer im deutschen TV-Werbemarkt. Das Unternehmen beschäftigt rund 300 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2003 für die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe ein Brutto-Werbevolumen in Höhe von 3,18 Mrd. Euro. Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens On Air Online Teletext Mobile Direct Marketing e-commerce 11 Merchandising Licensing Abbildung 4: Das Vermarktungsangebot der SevenOne Media Kerngeschäft der SevenOne Media ist die Vermarktung des Medienangebots der ProSiebenSat.1 Media AG (TV-Werbespots, Split-Screens, Online-Werbung, TeletextWerbung, Direktmarketing usw.) an werbungtreibende Unternehmen und Mediaagenturen sowie die Entwicklung integrierter Kommunikationskonzepte für diese Kunden. Wie die folgende Abbildung verdeutlich, ist die SevenOne Media somit ein B2BDienstleister, der zwei Zielgruppen bedient, die wiederum selbst in engem Austausch zu einander stehen. Agentur Sender/ Anbieter Werbetreibende Unternehmen = Kunden Abbildung 5: Zusammenhänge im Markt der TV-Vermarkter Zuschauer/ Nutzer 12 Marc Mangold und Werner H. Kunz 3.2 Analyse des Umsetzungspartners Um die kundenintegrierten Innovationsprozesse bei der SevenOne Media zu untersuchen, wurden in einer ersten Phase des BMBF-Projektes die Informationsströme der SevenOne Media durch eine interne Analyse und in einer zweiten Phase die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Kundenseite durch eine externe Analyse untersucht. Hierbei wurde ein Methoden-Mix aus qualitativen und quantitativen Ansätzen verwendet. Die konkreten Ziele der Analysephase waren dabei zum einen, die Identifizierung der relevanten Informationsströme innerhalb des Unternehmens und zu den externen Schnittstellen, zum anderen die Ermittlung der Einstellung und Erwartungen der Mitarbeiter gegenüber einem systematischen Wissens- und Innovationsmanagements sowie die Identifizierung von Verbesserungspotenzialen bei der Integration des Kunden in den Innovationsprozess. Für die interne Analyse wurden strukturierte Interviews mit Mitarbeitern aus allen wesentlichen Abteilungen (Geschäftsführung, Corporate Development, Customer Relation Services, Integrated Brand Solution, IT-Systems, Public Relations, Product Management, Research, Sales, Sales Management & Service) der SevenOne Media geführt. Inhalt der Interviews waren die Arbeits- und Prozessbeschreibung der Mitarbeiter, das Management von Wissen und Innovationen bei der SevenOne Media und Ansätze zur Verbesserung des Innovationsmanagements. Auf Grundlage dieser Interviews konnten die internen Wissensflüsse innerhalb der SevenOne Media beschrieben werden und eventuelle Defizite und Informationslücken aufgedeckt werden. Folgende zentrale Ergebnisse wurden in der internen Analysephase erarbeitet: ■ Bei der zentralen internen Schnittstelle zu den Kunden herrscht eine hohe FeedbackProblematik. Die Abteilung hat aufgrund der weitreichenden 360°-Ausrichtung der SevenOne Media viele verschiedene Kundengruppen zu bedienen. Hierfür benötigt sie Informationen aus den verschiedensten Abteilungen. Jedoch ist es ihr oft nicht möglich Kundenfeedback vom Markt an die anderen Abteilungen zurückzugeben. ■ Die intraorganisationelle Kommunikation erfolgt im Wesentlichen durch E-Mail und Newsletter. Hierdurch kommt es zu einem sehr hohen E-Mail-Aufkommen pro Mitarbeiter, das häufig wichtige innovationsspezifische Informationen untergehen lässt. ■ Wissen und insbesondere innovationsspezifisches Wissen wird nicht hinreichend gut gespeichert und weiterverarbeitet. Der Wissensbestand der Unternehmung ist sehr intransparent. Es fehlen Systeme zur Unterstützung der intraorganisatorischen Wissensflut. Die folgenden beiden Abbildungen verdeutlichen sowohl die internen Informationsflüsse sowie die internen Informationsdefizite zwischen den relevanten Abteilungen: Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 13 schwache Kommunikation leichte Kommunikation mittlere Kommunikation Haupt-Kommunikation (Kunden) (Abteilung) = nicht interviewt 1 3 8 3 7 (Extern B) 5 (Sonstige int. Quelle) 4 (Sonstige ext. Quelle) 2 (Sonstige externe Quellen) (Extern A) Abbildung 6: Informationsflüsse bei der SevenOne Media (Reichwald et al. 2003) mehr Feedback erheblich mehr Feedback (Kunden) (Abteilung) = nicht interviewt 3 1 8 (Extern B) 5 4 2 (Extern A) Lesebeispiel: Die Abteilung 2 wünscht sich mehr Feedback von der externen Abteilung (A) und erheblich mehr von Abteilung 1, wird aber auch gebeten mehr Feedback an Abteilung 4 zu liefern. Abbildung 7: Informationsdefizite bei der SevenOne Media (Reichwald et al. 2003) Um die qualitativen Ergebnisse der Interviews zu validieren, wurden im Rahmen einer Online-Erhebung alle Mitarbeiter mit Hilfe eines Fragebogens zu den identizifierten Themenbereichen befragt. Die zentralen Ergebnisse der quantitativen internen Erhebung bestätigten in weiten Teilen die Ergebnisse der Interviews. Zusammenfassend lassen Sie sich in drei Bereiche untergliedern. ■ Informationsverhalten: Der persönliche kollegiale Austausch ist die wichtigste Informationsquelle innerhalb der Unternehmung. Ein abteilungsübergreifend genutztes 14 Marc Mangold und Werner H. Kunz IT- und Kommunikationstool fehlt. Die Informationsbeschaffung der Mitarbeiter ist oft mühsam. ■ Verbesserungspotenziale: Die Verbesserung und Systematisierung der Informationsflüsse ist entscheidend. Es besteht ein hoher Bedarf an Informationen von kundennahen Abteilungen und von den Kunden selbst. ■ Einstellung: Ein koordiniertes Innovationsmanagement würde begrüßt werden und einem systematischen Wissensmanagement steht man positiv gegenüber. Nach der internen Analyse wurden die Kunden der SevenOne Media zum Thema Kundenintegration in Innovationsprozesse befragt. Ziel der externen Analyse war es, die Kommunikationsflüsse aus Sicht der Agenturen und werbungtreibenden Unternehmen abzubilden, Einstellungen und Erwartungen der Werbetreibenden gegenüber einem kundenintegrierten Innovationsmanagement zu ermitteln und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Die Interviews verdeutlichten, dass die TV-Vermarktung ein äußerst personengetriebens Geschäft ist. Die Kunden der SevenOne Media verlangen individuelle Lösungen, die auf ihre speziellen Problemstellungen zugeschnitten sind. Nur diese stellen für sie wirkliche Innovationen dar, die ihnen selbst nutzen. Darüber hinaus sind auch im standardisierten Tagesgeschäft Lösungen mit den Agenturen und Unternehmen abzugleichen und Interessen in Einklang zu bringen. Die Qualität des persönliches Kontaktes zwischen Vermarkter und Kunde ist somit absolut erfolgsbestimmend. Zentrales Ergebnis der externen Analysephase ist, dass TV-Vermarkter und Kunde bisher eher getrennt Innovationen vorangetrieben haben. Dies führt hauptsächlich zu nicht markt- bzw. nicht umsetzungsfähigen Innovationen. Nur durch die frühe Integration des Kunden in die Innovationsprozesse des TV-Vermarkters können realisierbare und erfolgreiche Innovationen entstehen. Zu dieser Integration sind die Kunden nur bereit, wenn der eigene Nutzen für sie deutlich ersichtlich ist. Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 15 Nicht markt-fähige Innovationen Gründe für fehlende Kundenintegration • Aufwand • Strukturen • Kanäle Realisierte Innovationen Gründe für fehlende Kundenintegration • Eigener Nutzen nicht ersichtlich • Integrationsmöglichkeit nicht bekannt • Leistungsspektrum nicht bekannt Kunden Nicht umsetzungs-fähige Innovationen Abbildung 8: Schicksale der gemeinsamen Innovationsentwicklung Um diesen Innovationsprozess gemeinsam voranzutreiben bedarf, es verschiedener Vorraussetzungen: ■ Ein systematisches und koordiniertes Wissensmanagement ist Voraussetzung, um Innovationen und innovative Ideen kontinuierlich weiterzuentwickeln ■ Es bedarf eines institutionalisierten Innovationsmanagements, um Innovationen von Seiten des Managements zu fördern und den Innovationsprojekten eine entsprechende Stellung zu verschaffen. 3.3 Konzeptionelle Implikationen für die Kundenintegration bei der SevenOne Media Fasst man die Ergebnisse der Analysephase nochmals zusammen, so kristallisieren sich die folgenden fünf Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Kundenintegration in Innovationsprozesse beim Umsetzungspartner heraus: ■ Die koordinierte interne Informationsübermittlung und eine organisationale Verankerung bilden die grundsätzlichen Vorraussetzungen für ein effektives Innovationsmanagement. ■ Aufgrund der individuellen Geschäftbeziehungen zu den Kunden besitzt die Beziehungsebene eine enorm hohe Relevanz für den Erfolg in der Medienvermarktung. ■ Aufgrund dieser hohen Bedeutung des persönlichen Kontaktes werden Kundeninformationen in erster Linie durch die Mitarbeiter im Kundenkontakt aufgenommen. 16 Marc Mangold und Werner H. Kunz ■ Die Kunden kennen nicht das gesamte Angebotsspektrum der ProSiebenSat.1 Media AG. Gleichzeitig gibt es aber auf Kundenseite einen hohen Bedarf an individuellen und integrierten Vermarktungskonzepten. ■ Die Bereitschaft der Kunden zur Integration in Innovationsprozesse ist dann besonders hoch, wenn für diese der eigene Nutzen ersichtlich ist. Aufbauend auf diesen gewonnenen Erkenntnissen bzw. Defiziten im Innovationsmanagement wurden die folgenden drei konzeptionellen Ansätze zur Kundenintegration in Innovationsprozesse abgeleitet: Kommunikationsplattform: Bei der Kommunikationsplattform handelt es sich um IT-gestützte Foren im Intranet des Unternehmens. Diese werden durch einen Moderator geleitet, der relevante Themen gezielt einstellen kann, diese ständig aktualisiert und die Teilnehmer über neue Beiträge informiert. Grundlegende Idee ist die Bündelung der Kommunikationsströme mit dem Ziel eine höhere Effizienz und Effektivität der internen Kommunikation zu erreichen. Als Vorraussetzungen für die Umsetzung der Kommunikationsplattform wurde neben der organisatorischen Verankerung, eine deutliche Reduktion anderer Kommunikationsmöglichkeiten, Benutzerfreundlichkeit sowie eine hohe Aktualität der Beiträge identifiziert. Der zentrale Nutzen der Kommunikationsplattform ist in der Extraktion relevanter Informationen zu sehen. Zum einen kann es sich dabei um direkte Anregungen zur Optimierung bestimmter Prozesse oder Leistungen handeln; zum anderen erhalten so auch Vorschläge der Kunden über die Mitarbeiter indirekt Einzug ins Unternehmen. Ideenpool: Beim Ideenpool handelt es sich um die konsequente Weiterentwicklung der Kommunikationsplattform. Grundlegendes Ziel des Ideenpools ist der Aufbau eines sowohl ITgestützten als auch organisatorisch verankerten Innovationsmanagements. Zentrale Schnittstelle des Ideenpools ist eine webbasierte Ideenplattform, auf der Ideen, Anregungen oder Vorschläge von Mitarbeitern aber vor allem auch von Kunden gesammelt, verwaltet und weiterentwickelt werden. Beim Ideenpool ist in erster Linie die Anbindung an ein institutionalisiertes Innovationsmanagement entscheidend. Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens Mediaagenturen & Werbetreibende Mitarbeiter Sender Gibt Feedback Gibt Feedback weiter Beteiligt sich Gibt Feedback Kundengruppen Zuschauer 17 Weitere Anspruchsgruppen z.B. Projektpartner Gibt Feedback Gibt Feedback Teilt Idee mit / gibt Feedback weiter Mafo-Befragung Teilt Ergebnisse mit Webbasierte Ideenplattform 71.de Administriert Plattform Werden fallweise in den Zirkel integriert Schreibt Problembereich aus Managementboard Feedback Innovationsmanager Holt Rat ein Innovationszirkel Bereitet Sitzung vor reporten Spezialisten Informiert Werden fallweise in den Zirkel integriert Beauftragt Umsetzungsverantwortliche Abbildung 9: Konzeption des Ideenpools Das Innovationsmanagement des Ideenpools besteht neben der Ideenplattform aus zwei zentralen Bestandteilen. Zum einem handelt es sich dabei um den Innovationsmanager, der die Ideenplattform administriert und dort im Auftrag der Unternehmensleitung Problemstellungen zur Bearbeitung einstellt; zum anderen um den Innovationszirkel. Dieser setzt aus einem Gremium unterschiedlicher Abteilungsleiter zusammen, die in regelmäßigen Abständen eingereichte und von Spezialisten begutachteten Ideen diskutieren und das weitere Vorgehen zur Umsetzung der Vorschläge festlegen. Als Vorraussetzungen zur Umsetzung wurden neben dem langfristigen Aufbau einer ausgeprägten Innovationskultur innerhalb des Unternehmens, auch die organisatorische und technologische Verankerung des Ideenpools sowie die Schaffung von klaren Anreizen zur Teilnahme und die klare Kommunikation des Status Quo der eingereichten Ideen an die Teilnehmer identifiziert. Der wesentliche Nutzen des Ideenpools ist die zentrale, systematische Erfassung, Bewertung und Umsetzung von innovativen Ideen, die sowohl durch die Mitarbeiter aber auch direkt durch die Kunden eingebracht werden können. Modularer Lösungsraum: Der modulare Lösungsraum ist an das aus der Innovationsforschung bekannte Konzept des Toolkits (vgl. Abschnitt 2.2) angelehnt. Grundlegende Idee des modularen Lösungsraums ist die Bündelung und Darstellung des gesamten Leistungsspektrums der SevenOne Media auf einer zentralen und für den Kunden zugänglichen Plattform. 18 Marc Mangold und Werner H. Kunz Kunden ProSiebenSat.1-Media Plattform Leistungsüberblick Possibilities Best Cases On Air Teletext Direct Marketing Online e-commerce Mobile Merchandising Text Licensing Abbildung 10: Konzeption des Ideenpools Der Modulare Lösungsraum setzt sich aus drei zentralen Bestandteilen zusammen. Der Leistungsüberblick stellt das gesamte Angebot der ProSiebenSat.1 Media AG auf der Plattform dar und erläutert dieses ausführlich. Bei den „Possibilites“ handelt es sich um die Darstellung möglicher integrierter Kommunikationskonzepte, die den Kunden mittels unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten der Angebote zur Verfügung stehen. Bei den „Best Cases“ werden in der Praxis bereits erfolgreich umgesetzte Kommunikationslösungen vorgestellt. Durch ein gezieltes Monitoring der aufgerufenen Bereiche und eine ausführliche Auswertung der eingegangen Anfragen, lassen sich durch den Modularen Lösungsraum kundenspezifische Angebote entwickeln. Neben der IT-Umsetzung ist die Schaffung einer hohen internen aber vor allem auch externen Akzeptanz dieses Tools als Erfolgsvoraussetzung zu nennen. Dabei gilt es zu betonen, dass mittels des modularen Lösungsraums der persönliche Kontakt mit dem Kunden nicht ersetzt werden kann bzw. darf. Der unmittelbare Nutzen des modularen Lösungsraums setzt sich aus zwei wesentlichen Aspekten zusammen. Zum einen sind sowohl die Kunden als auch die SevenOne Media besser für die gemeinsamen Beratungs- bzw. Verkaufsgespräche vorbereitet; zum anderen werden durch dieses Tool neue Ideen, Vorschläge und Anregungen in die Organisation eingebracht. Kundenintegration in Innovationsprozesse im Kontext eines Medienunternehmens 4. 19 Zusammenfassung Ziel dieses Beitrags war es, einen Einblick in das Forschungsfeld der Kundenintegration in Innovationsprozesse bei Dienstleistungsunternehmen zu geben. Dazu wurde das Thema sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive beleuchtet. Hierzu wurde eine Meta-Analyse des State-of-the-Arts durchgeführt und die Besonderheiten der Dienstleistungsinnovation identifiziert sowie Implikationen für einen Entwicklungsprozess ermittelt. Darüber hinaus wurden methodische Aspekte der Kundenintegration näher beleuchtet und die verschiedenen Rollen des Kunden im Innovationsprozess schematisch skizziert. Für die Konzeptionsphase des Kundenintegrationsprojektes wurde der Umsetzungspartner in verschiedenen Stufen analysiert und Verbesserungspotenziale identifiziert. Aufbauend auf diesen wurden drei Konzepte entwickelt, um die Kundenintegration in Innovationsprozesse stärker zu unterstützen. Das konkrete Umsetzungsprojekt der Kundenintegration in Innovationsprozesse zeigt deutlich, wie wichtig ein ganzheitliches Innovationsmanagement für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Nur wenn sowohl Potenziale als auch Methoden der Kundenintegration adäquat auf die organisatorische Wirklichkeit der Unternehmung angewandt werden, kann die Ressource Kunde auch effektiv für das Innovationsmanagement genutzt werden. Literatur Bacon, G./Beckman, S./Mowery, D./Wilson, E. (1994): Managing Product Definition in High-Technology Industries: A Pilot Study, in: California Management Review, 36, 1994, 3, 32-56. Baker, N. R./Winkofssky, E. P./Langmeyer, L./Sweeny, D. J. (1967): The Effects of Perceived Needs and Means on the Generation of Ideas for Industrial Research and Development Projects, in: IEEE-Transactions on Engineering Management, 14, 1967, 156163. Benkenstein, M. (1998): Besonderheiten des Innovationsmanagements in Dienstleistungsunternehmungen, in: Bruhn, M./Meffert, H. 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Marc Mangold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitarbeiter des BMBFForschungsprojektes WINserv „Wissensintensive Dienstleistungen zur Integration von Kunden in Innovationsprozesse“. Dipl.-Math. Dipl.-Kfm. Werner H. Kunz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing der Ludwig-Maximilians-Universität München und Projektleiter des BMBF-Forschungsprojektes WINserv „Wissensintensive Dienstleistungen zur Integration von Kunden in Innovationsprozesse“.