PC II-Quantenmechanik Gregor Diezemann Februar 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1.1 Quantenmechanik in der Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Prinzipien der klassischen Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zusammenbruch des klassischen Gebäudes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung 2.1 Photoelektrischer Effekt (Licht als Teilchen) . . . . . . 2.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle) . . . . . . . . 2.3 Quantenfußball (Teilchen als Welle) . . . . . . . . . . 2.4 Materiewellen; Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . 2.4.1 Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . 3 Einfache Systeme 3.1 Eindimensionale Quantensysteme . . . . . . . . . . . 3.1.1 Freies Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Teilchen im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 zweidimensionaler Potentialtopf . . . . . . . . 3.3.2 Rotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Rotation in drei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 6 7 . . . . . . 9 9 11 12 13 13 15 . . . . . . . . . . 17 17 19 21 27 29 33 33 37 41 46 4 Axiomatische Quantenmechanik 55 4.1 Eigenschaften linearer Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.2 Postulate der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.3 Die Dirac-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5 Drehimpulse und Spin 69 5.1 Definition von Drehimpulsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.2 Der Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.3 Kopplung von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 6 Mehrelektronensysteme: Atome 6.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip . . 6.2 Komplexe Atome . . . . . . . . . . . 6.2.1 Zentralfeldnäherung . . . . . 6.2.2 Konfigurationen . . . . . . . 6.2.3 Atomzustände -Termsymbole 6.2.4 Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 79 83 83 85 87 91 3 Inhaltsverzeichnis 7 Moleküle, chemische Bindungen 7.1 Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . 7.2 Das H2+ -Molekülion . . . . . . . . . . 7.3 Das H2 -Molekül . . . . . . . . . . . . 7.4 Konfigurationen zweiatomiger Moleküle 7.5 Terme zweiatomiger Moleküle . . . . . 7.6 Mehratomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 95 98 106 108 113 115 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik 117 8.1 Zeitunabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 8.2 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9 Grundlagen der Spektroskopie 9.1 Übergangsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Atomspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren . . . . . 9.3.1 Zweiatomige Moleküle . . . . . . . . . 9.3.2 Schwingungen mehratomiger Moleküle 9.4 Optische Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) . . . . . . 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 130 134 137 137 143 148 156 1 Einführung Vorbemerkung Dieses Skript lehnt sich eng an die PC II-Vorlesung an, die ich bis zum Wintersemester 2010/2011 gehalten habe. Ab dem Sommersemester 2011 ändern sich einige Inhalte. Insbesondere wird stärker auf die Behandlung der chemischen Bindung eingegangen und es gibt nur eine kurze Einführung in die Grundlagen der Spektroskopie. Selbstverständlich lassen sich Fehler und Unklarheiten nicht vermeiden. Darum bin ich für jede Anmerkung dankbar. Es ist nach einer Vorlage von L. Steidl entstanden, ohne die es niemals zustande gekommen wäre. Für konstruktive Kritik möchte ich mich bedanken bei: C. Düsing, J. Emsermann, A. Gutmann, M. Hanauer, C. Kling, R. Krini, A. Köhn, K. Schad, J. Müller, D. Schärf, J.M. Schulein, W. Schwalbach, R. Staff, M. Steinmann, S. Stöttinger, S. Stopkowicz. !!Um weitere Kritik und Anmerkungen wird gebeten!! Literaturempfehlungen Zum Gebrauch neben der Vorlesung sind folgende Bücher zu empfehlen: • G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie • P. W. Atkins, Molecular Quantum Mechanics • P. W. Atkins, Physikalische Chemie Die Vorlesung hält sich an kein spezielles Buch. Deshalb läßt sich schwerlich ein bestimmtes Buch besonders empfehlen. Bevor man sich ein Buch zulegt, sollte man es sich nach Möglichkeit zunächst ausleihen. 1.1 Quantenmechanik in der Chemie Die Quantenmechanik beschäftigt sich mit dem Verhalten von Materie im sogenannten mikroskopischen Bereich von einigen Angström, sie beginnt somit dort, wo die klassische Mechanik ’endet’. Tatsächlich ist sie die einzige physikalische Theorie, die das Verhalten von Atomen bzw. Molekülen korrekt beschreibt und deswegen für die Chemie von eminenter Wichtigkeit. Die Vorlesung PC II gibt eine Einführung in die Quantenmechanik für Chemiker. Sie ist bei einem möglichst geringen Anteil an Mathematik derart gestaltet, dass sie die für Chemiker wichtigen Grundlagen schafft. Die verwendete Mathematik beschränkt sich dabei im wesentlichen auf Differential-, Integralrechnung und lineare Algebra. Auf theoretische Aspekte der klassischen Physik wird nicht sonderlich eingegangen. Die nötigen Grundlagen werden in der Vorlesung selbst erarbeitet. Anwendung findet die Quantenmechanik beispielsweise in folgenden für die Chemie wichtigen Bereichen: • Atomtheorie 5 1 Einführung • chemische Bindung • MO-Theorie • Grundlagen der Spektroskopie 1.2 Prinzipien der klassischen Physik Die klassische Physik beschäftigt sich im Wesentlichen mit zwei Phänomenen: der Materie und der Strahlung. Es gibt hierbei zwei Theorien: die Mechanik beschreibt die Materie, die Wellentheorie die Strahlung, wobei sich die Theorien folgendermaßen stichpunktartig charakterisieren lassen: Mechanik Grundlegend sind die Newton’schen Axiome, wobei diesen Axiomen entsprechend Bewegungsgleichungen aufgestellt und gelöst werden. Das geschieht im Prinzip folgendermaßen: Nach dem Newton’schen Kraftgesetz gilt: F~ = m~a (1.1) Die Beschleunigung ~a ist definiert als zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit ~v , welche wiederum als zeitliche Ableitung des Ortes ~r definiert ist. Gleichung (1.1) ist also eine Differentialgleichung, welche sich mit Hilfe bekannter Anfangsbedingungen lösen läßt. Für N Teilchen sind diese Anfangsbedingungen gegeben durch deren Aufenthaltsort, ~ri (0), zum Zeitpunkt t = 0 und ihren Impuls, p~i (0) = mi~vi (0), zum selben Zeitpunkt. Dieses System ist deterministisch: Sind alle Anfangsbedingungen bekannt (für alle Teilchen ~ri (0) und p~i (0)), ist alles andere ausrechenbar. Die Zeit t ist dabei lediglich ein Parameter. Will man mit diesem Modell beispielsweise die Bewegung eines Mols Gasmoleküle betrachten, erscheint das Lösen der Differentialgleichungen mit ca. 1024 Anfangsbedingungen allerdings als sehr aufwendig. Das Modell ist also für solche Problemstellungen höchstens mit der Hilfe von Computern anwendbar. Man wendet in solchen Fällen die Gesetze der klassischen statistischen Mechanik an. Es sollte außerdem erähnt werden, dass viele Probleme der klassischen Mechanik eine sehr starke Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen zeigen. Mit solchen und anderen Problemen beschäftigt sich die klassische Chaosforschung. Wellentheorie Maßgeblich sind hier die von Maxwell postulierten Zusammenhänge. Die Theorie wird hier nicht beschrieben, die Grundgrößen der Wellentheorie seien aber erwähnt: ~ E ~ B ρel ~j Feldstärke des elektrischen Feldes magnetische Induktion elektrischen Ladungsdichte Stromdichte Diese Größen erfüllen die Maxwellschen Gleichungen. Lange Zeit wurde in der Wellentheorie die Existenz eines Agens diskutiert, welches als Medium für die Wellenfortpflanzung im Vakuum fungieren sollte. Experimente bewiesen allerdings, dass es dieses Agens nicht geben kann. Als Einstein seine spez. Relativitätstheorie veröffentlichte, wurden die Newton’schen Postulate zu Grenzfällen der relativistischen Betrachtung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschien die Physik in sich konsistent. Alles schien mit klassischen Methoden erklärbar zu sein. 6 1.3 Zusammenbruch des klassischen Gebäudes 1.3 Zusammenbruch des klassischen Gebäudes Um die Jahrhundertwende (19./20. Jhd.) wurden allerdings Experimente möglich, die mit der klassischen Physik nicht mehr erklärbar waren. Dies waren Experimente im mikroskopischen Bereich, also in Größenordnungen von 1 Å, der Größe eines Atoms. Die klassische Theorie versagt beispielsweise bei der Beschreibung: • der Strahlung schwarzer Körper • der spezifischen Wärme CV bei tiefen Temperaturen • des Compton-Effekts • des photoelektrischen Effekts • der Stabilität der Atome An einem wichtigen Beispiel sei dies kurz demonstriert: Instabilität der Atome Ein klassisches Atom besteht aus einem positiv geladenen Kern, um welchen sich ein Elektron auf einer Kreisbahn bewegt. Der Durchmesser des Kerns beträgt etwa 10−11 m, der Radius der Kreisbahn ca. 10−10 m(1 Å). Kern und Elektron besitzen hierbei nicht nur eine Ladung, sondern auch eine Masse. Sie üben also eine Coulombwechselwirkung C VC (r) = (1.2) r aufeinander aus. Die auf die Elektronen wirkende Kraft ergibt sich als Ableitung des Coulomb-Potentials: d F = − dr VC (r). Nach der klassischen Theorie ist eine Kreisbewegung immer eine beschleunigte Bewegung. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik strahlen beschleunigte Teilchen aber Energie ab. Deshalb müssten die Elektronen im Laufe der Zeit immer mehr Energie abgeben und somit ihre Kreisbahn einen immer kleineren Radius annehmen. Das würde aber unweigerlich dazu führen, dass sie früher oder später in den Kern ’stürzen’ würden. Deshalb wäre ein Atom nach den Gesetzen der klassischen Physik nicht stabil. Atomspektren Nach der klassischen Vorstellung kann es natürlich sehr lange dauern, bis dieser ’Kollaps’ stattfindet. Nimmt man nun aber ein Spektrum eines solchen klassischen Atoms auf, so müßte man eine kontinuierliche Abnahme der Intensität beobachten. Stattdessen erhält man diskrete, frequenzabhängige Intensitätsverteilungen. Die Frequenzen für das Wasserstoffatom lassen sich nach folgender Formel ausrechnen: 1 1 f = RH − (1.3) m2 n2 Dabei ist RH die sogenannte Rydbergkonstante. Die experimentell beobachteten frequenzabhängigen Serien werden nach ihren Entdeckern: Lyman-, Balmer-, Paschen-, Brackett-,... Serie genannt. Offenbar versagt hier also das klassische Modell vollständig. Es sollte an dieser Stelle schon klar sein, dass es somit auch keine ’klassische’ Chemie geben kann, da die Moleküle aus den Atomen aufgebaut. 7 1 Einführung 8 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung 2.1 Photoelektrischer Effekt (Licht als Teilchen) Experimentell läßt sich die Emission von Elektronen aus Metallen durch Lichtbestrahlung feststellen. Licht wirkt hier mechanisch gesehen als Teilchen, welches das Elektron, auf welches es trifft, aus dem Metall schlägt. Die so beschleunigten Elektronen erzeugen einen Strom, welcher sich mit einem geeigneten Aufbau (s. Abb.2.1) messen läßt. Legt man entgegen der Stromrichtung eine Spannung an, so kann die Energie des Elektrons bestimmt werden (Gegenspannung so hoch, dass kein Strom mehr fließt → Grenzspannung). Elektron Licht Gegenspannung Cäsium Abbildung 2.1: exp. Aufbau zur Untersuchung des photoelektrischen Effekts Für die Energiebetrachtung sind dabei folgende Zusammenhänge wichtig: Zum Herausschlagen des Elektrons durch das Photon ist die Austrittsarbeit WA zu leisten. Das betrachtete Elektron hat beim Austritt aus dem Metall die kinetische Energie: 1 Ekin = me v 2 2 mit der Elektronenmasse me = 9 · 10−31 kg (2.1) Für die Änderung der potentiellen Energie beim Durchgang durch das E-Feld gilt: Ep = e · U mit der Elementarladung e = 1, 602 · 10−19 C (2.2) Elektronen, für die 1 me v 2 ≥ e · U 2 gilt, erreichen die Elektrode und man misst einen Strom. Elektronen, deren kinetische Energie geringer ist, liefern keinen Strom. Deshalb kann die Grenzspannung als Maß für den Energieübertrag vom Licht auf die Elektronen angesehen werden. Dabei ist lediglich noch die konstante Austrittsarbeit WA zu berücksichtigen. Die experimentellen Befunde sind: die Grenzspannung ändert sich mit der Frequenz (rotes Licht hat eine geringere Grenzspannung als violettes Licht). Die Intensität hat keinen Einfluss auf die Grenzspannung. Für violettes Licht findet man beispielsweise: 1 Ekin = me v 2 = e · UG = 1, 6 · 10−19 C · 1, 8V = 2, 88 · 10−19 J 2 9 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung I doppelte Intensität U U G Abbildung 2.2: Auftragung von Strom I gegen die Spannung U mit der Grenzspannung UG . Für den Energieübertrag auf das Elektron ergibt sich somit: E = Ekin + WA = 4, 96 · 10−19 J Für verschiedene Farben erhält man analog: Farbe violett gelb rot E in 10−19 J 4,96 3,31 2,48 λ in nm 400 600 800 E · λ in 10−26 Jm 19,8 19,9 19,8 Es ergibt sich als experimenteller Befund also für alle Farben: E · λ = 19, 88 · 10−26 Jm und mit λ= c ν E =h·ν (2.3) (2.4) wobei h das Planck’sches Wirkungsquantum h = 6, 626 · 10−34 Js ist. Nach der Wellentheorie ist die Energie proportional zur Intensität der Welle. Mit zunehmender Intensität müßte also die Grenzspannung größer werden, was allerdings nicht der Fall ist. Betrachtet man Licht als Teilchen, so ist die Intensität proportional zur Anzahl der Photonen und ebenso proportional zur Anzahl der Elektronen, bzw. dem Strom. Die Grenzspannung bleibt unverändert, nur die Intensität nimmt zu. Fazit In diesem Experiment verhält sich Licht, wie man es von ’Teilchen’ mit der Energie E = hν erwartet. 10 2.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle) 2.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle) Charakteristisch für eine Welle sind ihre periodische Ausbreitung (z.B. eine Sinusfunktion), die Wellenlänge λ und die Amplitude A. Überlagern sich zwei Wellen, so führt dies zur Interferenz, d.h. die beiden Wellen bilden zusammen eine resultierende Welle, deren Gestalt von den Parametern der beiden sich überlagernden Wellen abhängt. Besitzen beide Wellen die gleiche Frequenz und die gleiche Amplitude und sind so gegeneinander verschoben (Gangunterschied/Phase), dass die Amplitudenmaxima der einen Welle auf die Amplitudenmaxima der anderen Welle treffen, so besitzt die resultierende Welle die doppelte Amplitude. Man spricht von konstruktiver Interferenz. Trifft dagegen immer ein Amplitudenmaximum der einen Welle auf ein Amplitudenminimum der anderen, so löschen sich beide Wellen aus. Dies bezeichnet man als destruktive Interferenz. Beugung am Doppelspalt Für die Beugung am Spalt ist die Interferenz von Sekundärwellen verantwortlich, welche von sogenannten Huygensschen Zentren ausgehen. Hierbei gilt das Huygenssche Prinzip: Jeder Punkt einer Elementarwelle (Huygenssches Zentrum) ist Ausgangspunkt einer Sekundärwelle, die sich mit den gleichen Parametern wie die ursprüngliche Welle ausbreitet. Für konstruktive Interferenz ergibt sich folgende Bedingung für den Gangunterschied: ∆ = nλ (2.5) und für destruktive Interferenz: 2n + 1 λ 2 wobei n ganzzahlig ist. Anhand der Abbildung 2.3 kann man sich das klar machen: ∆= (2.6) Schirm ∆ Abbildung 2.3: Skizze zur Veranschaulichung des Gangunterschieds Die Bedingungen für den Gangunterschied sorgen dafür, dass alle Wellen paarweise konstruktiv beziehungsweise destruktiv interferieren, je nachdem ob der Gangunterschied halb- oder ganzzahlig ist. Das sich ergebende Interferenzmuster ist in Abbildung 2.4 dargestellt. Im Teilchenbild gibt es keine Interferenz. Daher kann keine Intensität in Schattenräumen auftreten und man beobachtet lediglich 2 Intensitätsstreifen hinter den Spalten. Es ist offenbar für die Beschreibung dieses Versuches nicht zu gebrauchen. Da aber sowohl die Teilchen- wie auch die Wellentheorie offenbar nicht universell anwendbar sind, stellt sich nun die Frage, ob die Möglichkeit besteht, eine Betrachtungsweise zu finden, welche beide o.g. Phänomene beschreiben kann. Dies gelingt mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit: Die Wahrscheinlichkeit, ein Photon an einem bestimmten Ort zu treffen, ist gleich der Intensität der Lichtwelle an diesem Ort. 11 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung I ϕ Abbildung 2.4: Interferenzmuster für die Beugung am Doppelspalt 2.3 Quantenfußball (Teilchen als Welle) Die Kombination der Beziehung für die Energie eines Photons: E =h·ν und der Beziehung: E = mc2 führt zu folgender Gleichung: λ= h h = mP h · c p (2.7) wobei p = mP h · c der Impuls eines Photons ist. Es läßt sich also eine Beziehung herstellen zwischen der Geschwindigkeit eines Teilchens und der Wellenlänge einer Welle. (’Dummerweise’ besitzen Photonen keine Ruhemasse und die Geschwindigkeit der Photonen ist für ein Experiment ebenfalls ungünstig hoch). Führt man das Doppelspaltexperiment allerdings mit Teilchen einer endlichen Masse und einer Geschwindigkeit, die sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist, durch, so könnte man erwarten, dass die angegebene Beziehung auch für Teilchen gilt. Genau dies gelang das erste Mal im Jahr 1999 ∗ mit Buckminster-Fullerenen (C60 ), welche durch Spalte geeigneter Größe auf einen Schirm geschossen werden. Hierbei ist Interferenz zu beobachten, wobei das entstehende Interferenzmuster dem bei Licht auftretenden Muster entspricht, siehe Abb. 2.5. Also zeigen diese (recht großen) Teilchen in diesem Experiment ganz klar Wellencharakter. Diese Erkenntnis verallgemeinerte de Broglie in seiner Theorie der Materiewellen: Jedem Teilchen kann über die Beziehung: λ= h h = m·v p (2.8) eine Welle zugeordnet werden, d.h. für Materie gilt dasselbe wie für Licht. Für C60 - Moleküle folgt also für einen Radius von 1 nm = 10 Å= 10−9 m eine Wellenlänge, die dem 10−3 -fachen des Radius entspricht. km Ein Tennisball der Masse 80 g, welcher sich mit einer Geschwindigkeit von 55 m bewegt, hat s 200 h bei einem Radius von 5 cm eine de Broglie-Wellenlänge von 1, 5 · 10−34 m. Ein Fußgänger, der Masse m = 75kg, welcher sich mit der Geschwindigkeit 5 km h fortbewegt, hätte eine de Broglie-Wellenlänge von 6 · 10−34 m, usw. ∗ M. Arndt, O. Nairz, J. Vos-Andreae, C. Keller, G. van der Zouw, und A. Zeilinger; Nature 401 680 (1999) 12 2.4 Materiewellen; Schrödinger-Gleichung Abbildung 2.5: Interferenzmuster von C60 -Molekülen Wie wir sehen, ist die de Broglie-Wellenlänge für makroskopische Objekte sehr viel kleiner als die räumliche Ausdehnung des Objekts. Genau das ist der Grund dafür, dass man für makroskopische Objekte normalerweise keine Interferenzen beobachtet, was natürlich in völligem Einklang mit der alltäglichen Erfahrung ist. Fazit Als Fazit der bisherigen Erkenntnisse können wir festhalten: • Teilchen verhalten sich wie Wellen mit λ= h (de Broglie) m·v • Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen am Ort R zu finden (zu lokalisieren), ist gleich der Intensität der Materiewelle an diesem Ort, d.h.: man kann prinzipiell nur Wahrscheinlichkeiten über das Verhalten einzelner Teilchen angeben. → Es gibt keinen Determinismus Das bedeutet, dass man im Gegensatz zur klasssischen Mechanik Ort und Impuls eines Teilchens nicht exakt aus der Kenntnis der entsprechenden Werte zu einem früheren Zeitpunkt durch die Lösung der Bewegungsgleichungen (Newton’sche Gesetze) vorhersagen kann. Man kann lediglich angeben, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, das Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden. 2.4 Materiewellen; Schrödinger-Gleichung 2.4.1 Wellengleichung Für eine sich in x-Richtung ausbreitende harmonische Welle der Amplitude A gilt: 2π Ψ(x) = A cos ·x λ (2.9) Die Geschwindigkeit der Wellenausbreitung beträgt: v =ν·λ (2.10) 13 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung dabei ist ν die Frequenz der Welle. Die Position (beispielsweise eines Maximums) hängt einfach mit der Geschwindigkeit zusammen: x=v·t Gleichung (2.9) berücksichtigt die zeitliche Entwicklung nicht. Dazu benötigt man eine Funktion Ψ(x, t), die beispielsweise eine ’nach rechts laufende’ Welle beschreibt. Gesucht ist also eine Funktion, die dafür sorgt, dass nach Ablauf einer Zeit t die Welle Ψ(x, t) genauso aussieht wie zum Zeitpunkt t = 0, allerdings in x- Richtung verschoben, das heißt: Ψ(x, t) = Ψ(x − vt) Es folgt also aus Gleichung (2.9): Ψ(x − vt) = A cos 2π · (x − vt) λ Definiert man den Wellenvektor : k= = A cos 2π x − 2πνt λ 2π λ (2.11) und die Kreisfrequenz : ω = 2πν (2.12) Ψ(x, t) = A cos(kx − ωt) (2.13) so kann man dafür schreiben: Zweifaches Differenzieren von Gleichung (2.13) nach Ort und Zeit, ∂2 Ψ(x, t) = −k 2 Ψ(x, t) ∂x2 ∂2 Ψ(x, t) = −ω 2 Ψ(x, t) ∂t2 ; liefert mit v= ω k die Wellengleichung in allgemeiner Form: 2 ∂2 2 ∂ Ψ(x, t) = v Ψ(x, t) ∂t2 ∂x2 (2.14) Mit Hilfe dieser Gleichung und der Berücksichtigung von Randbedingungen der Form: Ψ(x, 0), Ψ(0, t), ∂ ∂ ∂x Ψ(x, 0), ∂t Ψ(0, t) läßt sich für ein beliebiges Problem eine Gleichung aufstellen, die diese Bewegung beschreibt. Dies sei am Beispiel einer sogenannten stehenden Welle demonstriert. stehende Wellen: Eine sinusförmige Welle laufe auf eine Wand zu und werde von dieser reflektiert. Beim Zurücklaufen interferiert sie mit einer weiteren einlaufenden Welle. Ist die Interferenz konstruktiv, so überlagern sich beide Wellen zu einer stehenden Welle, bei der sich nur noch die Amplitude mit der Zeit ändert: Ψ(x, t) = cos(ωt)Ψ(x) Dabei beschreibt cos(ωt) die zeitliche Änderung der Amplitude und Ψ(x) die räumliche Form. Setzt man diesen Ausdruck in die Wellengleichung (2.14) ein, so folgt für Ψ(x) 2 ∂2 2π Ψ(x) (2.15) Ψ(x) = − 2 ∂x λ Das ist die Wellengleichung für stationäre Wellen. Die Zeitabhängigkeit der Amplitude ist automatisch von der Form cos(ωt), sin(ωt) oder eiωt . (Nach Euler gilt: eix = cos x + i sin x und die Herleitung von Gl.(2.15) ist für jede periodische Zeitfunktion identisch.) 14 2.4 Materiewellen; Schrödinger-Gleichung 2.4.2 Schrödinger-Gleichung Überträgt man nun die Wellengleichung auf Materiewellen, untersucht man also stationäre Materiewellen mit der de Broglie-Wellenlänge λ = hp , so ergibt sich zunächst aus der Wellengleichung: ∂2 Ψ(x) = − ∂x2 2π λ 2 Ψ(x) = − 4π 2 4π 2 2 Ψ(x) = − p Ψ(x) λ2 h2 Nutzt man nun die klassische Beziehung für die Gesamtenergie eines physikalischen System, E = Ekin + V = T + V = p2 +V 2m (2.16) wobei T eine andere (in der theoretischen Mechanik gebräuchliche) Schreibweise für Ekin = 12 mv 2 = p2 2m ist, so findet man für das Quadrat des Impulses: p2 = 2m(E − V ) (2.17) Es folgt also 4π 2 ∂2 Ψ(x) = − 2m(E − V )Ψ(x) ∂x2 h2 Dies läßt sich mit der Abkürzung ~= h = 1, 055 · 10−34 Js 2π (2.18) umformen zu ~2 ∂ 2 Ψ(x) = (E − V )Ψ(x) (2.19) 2m ∂x2 Bei der bisherigen Herleitung wurde V als ortsunabhängig betrachtet. Berücksichtigt man die Ortsabhängigket von V , wie sie bei vielen Potentialen (wie z.B. dem Coulombpotential VC = C Q1r·Q2 ) gegeben ist, so würde man eigentlich eine Ortsabhängigkeit der Wellenlänge λ erwarten. Unabhängig von diesen Überlegungen wird die de Broglie Beziehung auch für ortsabhängige Potentiale als gültig angenommen und wir erhalten die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung: − − ~2 ∂ 2 Ψ(x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x) 2m ∂x2 (2.20) Dies ist eine Gleichung für stationäre Materiewellen und Ψ(x) ist die stationäre Wellenfunktion. Um eine Gleichung für die Zeitabhängigkeit zu erhalten, geht man am einfachsten folgendermaßen vor: Man betrachtet eine Wellenfunktion der Form E Ψ(x, t) = Ψ0 ei(kx−ωt) = Ψ0 ei(kx− ~ t) aus, wobei E = hν = ~ω genutzt ist, und bildet die Zeitableitung und die zweifache Ableitung nach dem Ort: ∂ E Ψ(x, t) = −i Ψ(x, t) ∂t ~ 2 ∂2 2π 2m 2 Ψ(x, t) = − 2 (E − V (x))Ψ(x, t) Ψ(x, t) = −k Ψ(x, t) = − 2 ∂x λ ~ Man erhält somit die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung: i~ ∂ ~2 ∂ 2 Ψ(x, t) = − Ψ(x, t) + V (x) · Ψ(x, t) ∂t 2m ∂x2 (2.21) 15 2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrödinger-Gleichung Diese Gleichung ist eine Grundgleichung der Quantenmechanik. Wenn man nun annimmt, dass es sich bei dem betrachteten physikalischen System um ein System handelt, bei dem das Potential unabhängig von der Zeit ist, V (x, t) = V (x), kann man leicht zeigen, dass E sich aus der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung unter Ausnutzung von Ψ(x, t) = Ψ(x)e−i ~ t leicht die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung (2.20) ergibt. Anmerkung: Systeme, für die V (x, t) = V (x) gilt, nennt man konservative Systeme. In drei Dimensionen hat man für die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung 2 ~2 ∂ ∂2 ∂2 − + + + V (x, y, z Ψ(x, y, z) = EΨ(x, y, z) 2m ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 Man bezeichnet ~2 Ĥ = − 2m ∂2 ∂2 ∂2 + + ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 (2.22) + V (x, y, z) (2.23) als Hamilton-Operator. Man schreibt dann kurz für die Schrödinger-Gleichung: ĤΨ = EΨ (2.24) Mathematische Ergänzung: In der Vektoranalysis bezeichnet man den Vektor der Ableitungen ∂ ∂ ∂ ~ ∇= , , ∂x ∂y ∂z als Nabla-Operator. Das Skalarprodukt (~a · ~b = ax bx + ay by + az bz ) dieses Operators mit sich selbst liefert 2 2 2 ~ ·∇ ~ =∆= ∂ + ∂ + ∂ ∇2 = ∇ ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 wobei ∆ als Laplace-Operator bezeichnet wird. Damit läßt sich der Hamilton-Operator kurz als Ĥ = − ~2 ∆+V 2m schreiben. Die Schrödinger-Gleichung ist die zentrale Gleichung in der Quantenmechanik. Ihre Lösung liefert die maximale Informationen über das betrachtete System. In der Chemie versucht man, die SchrödingerGleichung für Atome und Moleküle zu lösen, wobei man in der Realität in den meisen Fällen auf Näherungsverfahren angewiesen ist. 16 3 Einfache Systeme Zunächst wollen wir uns aber nicht mit Molekülen beschäftigen, sondern versuchen, die SchrödingerGleichung für einige einfache, aber relevante Modellsysteme zu lösen. Wir werden uns hierbei ausgehend von der Betrachtung eines sich in einer Dimension bewegenden Teilchens über spezielle Modelle (Teilchen im Kasten, harmonischer Oszillator,...) zum einfachsten Atomsystem vorarbeiten, dem Wasserstoffatom. Wir betrachten in diesem Kapitel ausschließlich konservative Systeme. Die Erkenntnisse, die wir hierbei sammeln werden, sollen uns dabei helfen, kompliziertere Atom- bzw. Molekülsysteme quantenmechanisch zu betrachten. Wir werden im Laufe diese Kapitels neben der Lösung der Schrödinger-Gleichung auch in einigen ’Anmerkungen’ schon wichtige Begriffe der Quantentheorie einführen. Das geschieht im Vorgriff auf das folgende Kapitel, in welchem wir uns mit den wichtigsten theoretischen Grundlagen der Quantenmechanik befassen werden. 3.1 Eindimensionale Quantensysteme Untersuchen wir also zunächst die Bewegung eines Teilchens in einer räumlichen Dimension. Zur Beschreibung dieses Falles nutzen wir die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung in der Form: − ~2 ∂ 2 Ψ(x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x) 2m ∂x2 ~2 00 Ψ (x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x) − 2m In diesem Kapitel wollen wir annehmen, dass V (stückweise) konstante Werte annimmt, also in den entsprechenden Bereichen keine explizite Funktion der Ortsvariablen x ist. In diesem Fall kann man in jedem einzelnen Bereich schreiben: 2m (V − E)Ψ(x) ~2 Ψ00 (x) = (3.1) Diese Gleichung ist unter den entsprechenden Randbedingungen zu lösen. Es gibt aber noch eine zusätzliche Einschränkung für die erlaubten Wellenfunktionen Ψ(x). Aus dem vorigen Kapitel wissen wir nämlich, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens am Ort x, P (x), proportional zur Intensität der Materiewelle an diesem Ort ist. Letztere ist durch das Betragsquadrat |Ψ(x)|2 gegeben, also: P (x) ∝ |Ψ(x)|2 ; |Ψ(x)|2 = Ψ(x) · Ψ? (x) wobei Ψ? die zu Ψ konjugiert komplexe Größe ist. P (x) ist also proportional zu |Ψ(x)|2 . Da sich das Teilchen irgendwo aufhalten muss, gilt: Z ∞ P (x)dx = 1 −∞ Es muss also Z ∞ |Ψ(x)|2 dx < ∞ (= const.) −∞ 17 3 Einfache Systeme gelten. Das bedeutet, das Integral über das Absolutquadrat der Wellenfunktion muß konvergieren! Man nennt solche Ψ quadratintegrabel oder normierbar. Nur quadratintegrable Wellenfunktionen sind als physikalisch sinnvolle Lösungen der Schrödinger-Gleichung akzeptabel. Das Verhalten der Lösung der Schrödinger-Gleichung (3.1) hängt vom Vorzeichen der Differenz (V −E) ab. Man hat also 2 Fälle zu unterscheiden: 1. E > V : Man spricht von ungebundenen Zuständen (siehe Abbildung 3.1). In diesem Fall findet man oszillierende Lösungen der Form: r 2m Ψu (x) = Ψ0 cos(kx) oder Ψu (x) = Ψ0 sin(kx) mit k = (E − V ) (3.2) ~2 E ungebunden V Abbildung 3.1: ungebundener Zustand 2. V > E: Man spricht von gebundenen Zuständen (siehe Abbildung 3.2). Hier hat man Exponentialfunktionen als Lösungen: r 2m −δx +δx Ψg (x) = Ψ0 e oder Ψg (x) = Ψ0 e mit δ = (V − E) (3.3) ~2 E V gebunden Abbildung 3.2: gebundener Zustand 18 3.1 Eindimensionale Quantensysteme Die Bedingungen für den ungebundenen oder gebundenen Fall wurden dabei durch den Ansatz der Wellenfunktionen berücksichtigt. Zweimaliges Ableiten liefert Ψ00u (x) = −k 2 Ψu (x), während Ψ00g (x) = δ 2 Ψg (x) ist. (Selbstverständlich kann eine exponentiell anwachsende Funktion nur in einem begrenzten Raumbereich als Wellenfunktion physikalisch sinnvoll sein. Für x → ∞ darf Ψ nicht exponentiell ansteigen, da Ψ dann nicht quadratintegrabel wäre!) Ebenso sind nach dem sogenannten Superpositionsprinzip (siehe unten) auch Linearkombinationen denkbar (von dieser Möglichkeit werden wir im Folgenden Gebrauch machen). Superpositionsprinzip Sind zwei Funktionen Ψ1 und Ψ2 Lösungen der Schrödinger-Gleichung zu demselben Energiewert, so ist jede Linearkombination Ψ = aΨ1 + bΨ2 auch eine Lösung. Das bedeutet, dass die allgemeine Lösung eine Linearkombination der speziellen Lösungen ist. Die Konstanten werden durch die Randbedingungen festgelegt. 3.1.1 Freies Teilchen Freie Teilchen sind der Extremfall des ungebundenen Zustandes, denn für sie gilt überall: V =0 Berücksichtigen wir dies in der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung, so erhalten wir: 2m EΨ(x) ~2 Wir wählen nun als allgemeinen Ansatz für die Wellenfunktion, vgl.(3.2): Ψ00 (x) = − (3.4) Ψ(x) = A1 sin(kx) + A2 cos(kx) (3.5) Mit Hilfe der Eulerschen Beziehung e±ix = cos(x) ± i sin(x) läßt sich dies umformen zu: Ψ(x) = c1 eikx + c2 e−ikx (3.6) 2mE , ~2 so erhalten wir nach Umformung die Berücksichtigen wir die schon bekannte Beziehung k 2 = Energie (und zwar sowohl für eikx als auch für e−ikx ): E= ~2 k 2 2m (3.7) Ein Vergleich mit p2 1 E = mv 2 = 2 2m liefert für den Impuls: p = ~k aus welchem sich wiederum die de Broglie-Beziehung ergibt: p=~ 2π h 2π = λ 2π λ →λ= h p E Betrachten wir nun die zeitabhängige Wellenfunktion Ψ(x, t) = Ψ(x) · e−i ~ t , wobei wir für Ψ(x) Gleichung (3.6) verwenden, so erhalten wir (E = ~ω): E Ψ(x, t) = Ψ(x)e−i ~ t E E = c1 ei(kx− ~ t) + c2 e−i(kx+ ~ t) = c1 ei(kx−ωt) + c2 e−i(kx+ωt) 19 3 Einfache Systeme Der erste Teil (c1 ei(kx−ωt) ) dieses Ergebnisses beschreibt eine nach rechts laufende, der zweite Teil (c2 e−i(kx+ωt) ) eine nach links laufende Welle. Für verschiedene Anfangsbedingungen lassen sich jetzt die Konstanten bestimmen: ’Wirft’ man das Teilchen zum Zeitpunkt t = 0 nach rechts, so gilt: c2 = 0. Fliegt dagegen zum Zeitpunkt t = 0 dieselbe Anzahl an Teilchen nach links wie nach rechts, so gilt: c1 = c2 und Ψ(x) = c1 (eikx + e−ikx ) = 2c1 cos(kx) Es bildet sich also eine stehende Welle. Anmerkung: Operatoren Für die zukünftigen Betrachtungen ist es sinnvoll, einige Größen zu definieren. Im letzten Kapitel ist uns bereits der Hamilton-Operator begegnet. Allgemein bezeichnet ein Operator Ô ein Symbol dafür, eine bestimmte Rechenoperation auszuführen. Operatoren werden auf Funktionen angewendet und besitzen keinen Wert. Die Gleichung Ôf (x) = g(x) (3.8) bedeutet: Operator Ô auf die Funktion f (x) angewendet liefert die Funktion g(x). Einige Beispiele sind: Ô = x → Ôf (x) = xf (x) d d Ô = → Ôf (x) = f (x) dx dx ~2 d2 Ĥ = − + V (x) 2m dx2 Das letzte Beispiel kennen wir von der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung: ĤΨ(x) = EΨ(x) Diese Gleichung ist von der allgemeinen Form: Ôf (x) = af (x) (3.9) Das bedeutet: Wendet man den Operator Ô auf die Funktion f (x) an, so erhält man dieselbe Funktion f (x) multipliziert mit einer Konstanten a. Eine solche Gleichung bezeichnet man als Eigenwert-Gleichung. Dabei ist a ein sogenannter Eigenwert zu Ô und f (x) eine Eigenfunktion zu Ô. In der Quantenmechanik gibt es neben dem Hamiltonoperator eine Reihe weiterer wichtiger Operatoren. Als Beispiel sei der Impulsoperator p̂ behandelt. Er ist (in einer Dimension) definiert als: p̂ = ~ d i dx Die Wirkung von p̂ auf die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators für das freie Telichen ist: p̂eikx = 20 ~ d ikx e = ~keikx i dx (3.10) 3.1 Eindimensionale Quantensysteme und analog für e−ikx . Die Funktionen e±ikx sind also Eigenfunktionen von p̂ zum Eigenwert ±~k. Wendet man p̂ zweimal auf eine Funktion f (x) an, so erhält man nach Dividieren durch 2m gerade wieder den Operator der kinetischen Energie (Hamiltonoperator für das freie Teilchen). ~ d ~ d d2 2 p̂ f (x) = p̂(p̂f (x)) = f (x) = −~2 2 f (x) i dx i dx dx 2 2 d p p̂2 = −~2 2 und E = dx 2m Der Hamiltonoperator für ein freies Teilchen ist also: p̂2 ~2 d2 Ĥ = = − 2m 2m dx2 (3.11) Das hat also dieselbe Form wie in der klassischen Physik, wenn man alle Größen durch Operatoren ersetzt, H → Ĥ und p → p̂. 3.1.2 Teilchen im Kasten Nun betrachten wir ein Teilchen, welches sich in einem sogenannten Potentialtopf bewegt. Innerhalb der Breite L dieses ’Topfes’ sei das Potential null, außerhalb sei es dagegen unendlich groß (siehe Abb. 3.3): V= V=0 0 V= L x Abbildung 3.3: Teilchen im Kasten V = 0 für 0 ≤ x ≤ L ∞ für x < 0 ∧ x > L (3.12) Für die Lösung der Schrödinger-Gleichung (3.1) betrachtet man die einzelnen Bereiche zunächst getrennt: Für x < 0 bzw. x > L hat die allgemeine Lösung die Form (vgl. Gl.(3.3)): Ψ(x) = c1 eax + c2 e−ax (3.13) Ist nun x > L, so gilt: e−ax = 0 eax = ∞ da a2 = 2m (V − E) = ∞ in diesem Bereich. Also muss c1 = 0 sein, weil e+∞ keine normierbare ~2 Wellenfunktion ist. Ausserdem ist hier natürlich e−ax = 0, d.h. wir haben Ψ(x) = 0. Eine völlig analoge Überlegung für x < 0 liefert Ψ(x) = 0 auch in diesem Bereich. 21 3 Einfache Systeme Das bedeutet, dass Ψ(x) in den Bereichen unendlich hohen Potentials verschwindet. Diese Tatsache ist auch physikalisch sinnvoll, da man erwarten würde, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens in diesem Bereich verschwindet. Für den Fall, dass x zwischen 0 und L liegt, gilt V = 0. In diesem Bereich lautet die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung (vgl. Gl.(3.2)): Ψ(x) = A1 sin(kx) + A2 cos(kx) (3.14) Für x = 0 und x = L muss Ψ(x) = 0 sein, da ansonsten die Funktion an dieser Stelle nicht stetig wäre. Wegen Ψ(x = 0) = A2 folgt zunächst also A2 = 0. Aus der Forderung Ψ(x = L) = 0 ergibt sich: Ψ(x = L) = A1 sin(kL) = 0 →k= nπ L mit n = 1, 2, 3, ... Der Fall n = 0 ist keine physikalisch akzeptable Lösung, da dann Ψ(x) = 0 für alle x gilt. Das bedeutet aber, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens überall verschwindet, das Teilchen also nirgends anzutreffen ist. Wir haben also zunächst für die Wellenfunktionen nπ Ψn (x) = A sin x ; n = 1, 2, 3, · · · (3.15) L Dabei haben wir die Funktionen zu verschiedenem n durch einen Index gekennzeichnet. Um die Energie-Eigenwerte zu bestimmen, setzt man Ψn (x) in die Schrödinger-Gleichung (3.1) ein. Das liefert nπ 2 Ψ00n (x) = − Ψn (x) L und somit durch Vergleich der Energien E: 2 2 ~ π 2 E = En = n 2mL2 Aus dieser Gleichung folgt die Erkenntnis, dass es nur diskrete Energien für n = 1, 2, 3, ... gibt. Die Energie ist also gequantelt. Diese Quantisierung ist eine natürliche Folge der Randbedingungen. Die Zahlen n werden als Quantenzahlen bezeichnet. Man bezeichnet den Energiewert zum kleinsten Wert der Quantenzahl n, E1 = ~2 π 2 2mL2 als Nullpunktsenergie (der kleinstmögliche Energiewert ist also nicht gleich null). Für E2 findet man also E2 = 4 · E1 , E3 = 9 · E1 , usw. Normierung der Wellenfunktion Um |Ψ(x)|2 als Aufenthaltswahrscheinlichkeit interpretieren zu können, fehlt R lediglich noch die Bestimmung der Konstanten A. Dazu wird die Wellenfunktion normiert. Damit dxP (x) = 1, das heißt die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen irgendwo zu finden, gleich 1 ist, soll gelten: Z ∞ dx|Ψ(x)|2 = 1 −∞ 22 3.1 Eindimensionale Quantensysteme Wir müssen also die Konstante A (vgl. Gl.3.15) berechnen. Da für x < 0 und x > L gilt: Ψ(x) = 0, lautet die gesuchte Bedingung also: r Z L Z L 2 2 nπ 2 2 2L dx sin dx|Ψ(x)| = 1 = A x =A also: A = L 2 L 0 0 Fassen wir nun unsere Ergebnisse zusammen. Die Eigenfunktionen von Ĥ sind gegeben durch: r Ψn (x) = nπ 2 sin x L L (3.16) Für die Eigenwerte von Ĥ hat man En = n 2 ~2 π 2 2mL2 mit n = 1, 2, 3, ... (3.17) welche man als Energie-Eigenwerte bezeichnet. Die Zahlen n heißen Quantenzahlen. 2 Ψn ; Ψn Wenden wir uns jetzt der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens zu und betrachten die schon be- n=1 :Ψn n=2 2 2 Ψn ; Ψn :Ψn n=3 0 n=20 x L Abbildung 3.4: eindimensionaler Potentialtopf: Darstellung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit |Ψn |2 und der Wellenfunktion Ψn für verschiedene Quantenzahlen kannte Beziehung P (x) ∼ |Ψ(x)|2 etwas genauer. Man bezeichnet P (x) (und |Ψ(x)|2 ) als Wahrscheinlichkeitsdichten. P (x)dx ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen im Intervall [x, x + dx[ zu finden. Da nun die Ψn (x) von der Quantenzahl n abhängen, gilt dasselbe für die Wahrscheinlichkeiten: Pn (x)dx = |Ψn (x)|2 dx 23 3 Einfache Systeme Für n = 1 hat man explizit: r Ψ1 = π 2 sin x L L und Ψ21 = π 2 sin2 x L L Die für Ψn und |Ψn (x)|2 für die Quantenzahlen n = 1, 2, 3, 20 ermittelten Ergebnisse sind in der Abbildung 3.4 dargestellt. Bezüglich der Wellenfunktionen läßt sich zusammenfassend sagen: • Ψn (x) hat (n − 1) Nullstellen, Knoten genannt. • Die Knotenzahl nimmt mit n um eins zu. • Ψ1 (x) heißt Grundzustand, Ψn heißt n-ter angeregter Zustand. • Da es Knoten gibt, gibt es Punkte, an denen das Teilchen nicht zu finden ist (auch im Inneren des Kastens)! Pklass. 0 L x Abbildung 3.5: Aufenthaltswahrscheinlichkeit für n = unendlich; klassische Verteilung Man sieht an der Tatsache, dass Ψn Knoten hat, dass |Ψn (x)|2 dort verschwindet. Das bedeutet, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens an diesen Punkten verschwindet. Weiter geht aus Abbildung 3.4 hervor, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für große n immer ’homogener’ wird. Damit nähert sie sich für große n der klassischen Aufenthaltswahrscheinlichkeit (vgl. Abb. 3.5) an. Diese Tatsache gilt allgemein und ist der Inhalt des sogenannten Korrespondenzprinzips (Bohr, 1923): Für große Quantenzahlen geht die Quantenmechanik (asymptotisch) in die klassische Theorie über. Orthogonalität der Wellenfunktionen Ψn Integriert man über das Produkt zweier Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahlen, so gilt beispielsweise: Z L dxΨ1 (x)Ψ2 (x) = 0 (3.18) 0 oder allgemein ausgedrückt: Z ∞ Ψn (x)Ψm (x) = −∞ 24 0 für m 6= n 1 für m = n 3.1 Eindimensionale Quantensysteme Ψ1,2 / Ψ1 Ψ2 Ψ1 Ψ2 Ψ1 Ψ2 x Abbildung 3.6: zwei Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahl und deren Produkt Die Tatsache, dass Gleichung (3.18) gilt, kann man sich leicht verdeutlichen (vgl. Abb. 3.6): Ψ1 · Ψ2 ist das Produkt aus einer bzgl. des Intervalls [0, L] geraden (Ψ1 ) und einer ungeraden (Ψ2 ) Funktion. Folglich verschwindet das Integral über das Produkt. Fasst man Gleichung (3.18) als ein Skalarprodukt auf, so läßt sich folgende Analogie herstellen: Aus der Vektorrechnung wissen wir, dass das Skalarprodukt (~x ·~y ) genau dann gleich verschwindet, wenn der Cosinus des eingeschlossenen Winkels null ist, was bei ~x ⊥ ~y der Fall ist, das heißt dann, wenn die Vektoren orthogonal zueinander sind. Man definiert nun das Kronecker Delta: δn,m = Für normierte Ψ- Funktionen gilt dann: Z 1 für n = m 0 für n 6= m (3.19) dxΨ?n (x)Ψm (x) = δn,m (3.20) (für reelle Funktionen ist: Ψ?n (x) = Ψn (x)) Heisenbergsche Unschärferelation Bleiben wir bei dem Teilchen-im-Kasten-Modell und untersuchen den Aufenthaltsort des Teilchens, so können wir zwar feststellen, dass das Teilchen sich im Raum zwischen x = 0 und x = L befinden muss, wir können jedoch nichts über seinen genauen Aufenthaltsort sagen. Die Unschärfe einer Ortsbestimmung kann somit mit ∆x ' L angegeben werden. Untersuchen wir nun die Größe des Impulses des Teilchens, so gilt En = p2 π 2 ~2 = n2 2m 2mL2 und deshalb hat man pn = n ~π L Für die Impuls-Unschärfe gilt also mindestens: ∆p > pn+1 − pn = ~π h = L 2L bzw.: ∆p ≥ h 2L Damit kann man folgende Abschätzung vornehmen: ∆x · ∆p ≥ h 2 25 3 Einfache Systeme Eine genauere Betrachtung liefert die Unschärferelation: ∆x · ∆p ≥ ~ 2 (3.21) Die Unschärferelation hat weitreichende Folgen und zeigt explizit die Unterschiede zwischen ’klassischen’ und ’quantenmechanischen’ Teilchen. Während es in der klassischen Physik immer möglich ist, die Mittelwerte aller dynamischen Größen genau zu bestimmen, besagt die Unschärferelation, dass man in unserem Beispiel den Ort und den Impuls des Teilchens nicht gleichzeitig scharf bestimmen kann. Man bezeichnet Größen, deren Werte nicht gleichzeitig scharf bestimmt werden können als inkompatible Variablen. Um nun die Werte von ∆x und ∆p für unser Beispiel explizit auszurechnen, ist das Einführen einer weiteren Größe, nämlich die des Erwartungswertes, sinnvoll. Der Erwartungswert hGi eines Operators Ĝ ist definiert durch: Z ∞ Ψ? (x)ĜΨ(x)dx (3.22) hGi = −∞ Für die Standardabweichung gilt dann: ∆G = p hG2 i − hGi2 (3.23) Wir können also ∆x für das Teilchen im Kasten folgendermaßen berechnen: Gemäß Gleichung (3.22) erhalten wir für den Erwartungswert von x: Z ∞ Z nπ L 2 L hxi = dxΨ?n (x)x̂Ψn (x) = dxx sin2 x = L 0 L 2 −∞ und für den von x2 : 2 Z ∞ hx i = −∞ dxΨ?n (x)x̂2 Ψn (x) 2 = L Z L dxx2 sin2 0 nπ L2 (2n2 π 2 − 3) x = L 6n2 π 2 womit sich aus Gleichung (3.23) folgendes ergibt: r ∆x = p hx2 i − hxi2 = L Analog berechnen wir ∆p: Z 1 1 − 2 2 12 2π n ∞ hpi = −∞ dxΨ?n (x)p̂Ψn (x) Das bedeutet, wir brauchen die Wirkung von p̂ auf Ψn : r nπ 2~ d p̂Ψn (x) = sin x L i dx L r r Z L nπ nπ ~ 2 nπ 2 → hpi = dx sin x cos x =0 i L L L 0 L L Für die Berechnung von 2 Z ∞ hp i = −∞ 26 dxΨ?n (x)p̂2 Ψn (x) 3.1 Eindimensionale Quantensysteme wird genauso vorgegangen mit dem Resultat: hp2 i = ~2 woraus sich ergibt: ∆p = nπ 2 L p nπ hp2 i − hpi2 = ~ L Für die Unschärfe ∆x · ∆p gilt dann: r ∆x · ∆p = nπ~ 1 1 − 12 2π 2 n2 (3.24) Die Unschärfe kann für jeden Fall, wie an diesem Beispiel ersichtlich, ausgerechnet werden. In Abhängigkeit zur Quantenzahl n ergibt sich hier speziell: n 1 2 3 ∆x · ∆p 0,568 ~ 1,670 ~ 2,627 ~ Die Heisenbergsche Unschärferelation ist also in jedem Fall erfüllt (in jedem Fall gilt: ∆x · ∆p ≥ ~2 ). Durch qualitative Überlegungen läßt sich anhand der Unschärferelation die Existenz einer endlichen Nullpunktsenergie verstehen: Wir wissen, dass für dieses System die Ortsunschärfe größer als null ist, woraus über die Heisenbergsche Unschärferelation folgt, dass die Impulsunschärfe ebenfalls größer null ist. Dann ist aber auch p p hp2 i > 0 und hp2 i > 0 ∆p = hp2 i wegen hpi = 0, Daraus folgt dann für den Energieerwartungswert: hĤi = E = h p̂2 1 2 i= hp i > 0 2m 2m (Diese Argumentation macht natürlich nur für ∆x > 0 und ∆x < ∞ Sinn.) Das Ergebnis ist in Übereinstimmung der oben gefundenen endlichen Nullpunktsenergie. 3.1.3 Tunneleffekt Kommen wir nun zu einem rein quantenmechanischen Phänomen, dem Tunneleffekt. Dies ist ein Effekt, der nach der klassischen Physik überhaupt nicht existiert! Wir beschränken uns hier auf eine qualitative Diskussion und werden nur die grundlegenden Aspekte betrachten. Dazu betrachten wir uns die in Abbildung 3.7 dargestellte Potentialverteilung: In den Bereichen A und C sei das Potential gleich null, im Bereich B ungleich null. Wir gehen wieder von der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung (3.1) aus. Im Bereich A gilt analog zum freien Teilchen: x < 0; V = 0. Die Lösung der Schrödinger-Gleichung ist wie beim freien Teilchen eine ebene Welle: r 2m Ψ(x) = A1 eikx + A2 e−ikx mit k = E ~2 Die Koeffizienten A1 , A2 sind aus den Randbedingungen zu bestimmen. Im Bereich B, für 0 ≤ x ≤ L, sei V > 0. Außerdem gelte: E < V , d.h. wirqbetrachten einen gebundenen Zustand. In diesem Bereich gilt also Ψ(x) = B1 e−ax + B2 eax mit a = 2m (V ~2 − E). 27 3 Einfache Systeme V V=0 V=0 A V=0 B 0 C L x Abbildung 3.7: Potentialverteilung beim Tunneleffekt Im Bereich C gelten dieselben Bedingungen wie in A, also: Ψ(x) = C1 eikx + C2 e−ikx . Da das Ausrechnen der Konstanten Ai , Bi , Ci etwas aufwendig ist, begnügen wir uns im Folgenden mit einer qualitativen Betrachtung. Ein Teilchen laufe von Bereich A nach Bereich C (siehe Abb.3.8). Nach der klassischen Physik müßte es an der Grenzschicht A | B vollständig reflektiert werden. Quantenmechanisch betrachtet gelangt es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bis nach C, da |Ψ(x > L)|2 > 0. Die Tatsache, dass es eine endliche Wahrscheinlichkeit gibt, das Teilchen im Bereich C zu finden, ist ein ϕ (x) V 2 x L 2 2 −2aL ϕ (L) = B 1 e Abbildung 3.8: Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens beim Tunneleffekt rein quantenmechanischer Effekt. Klassisch betrachtet ist dies nicht möglich. Dies sei an einem einfachen Beispiel erläutert: • Ein Elektron werde so von A aus in Richtung auf C beschleunigt, dass es die Energie E = 1eV = 1, 6 · 10−19 J besitze. • Im Bereich B werde eine Spannung von 2V angelegt (das entspricht einem Potential von V = 2eV = 3, 2 · 10−19 J) • die Energiedifferenz entspricht also: V − E = 1eV = 1, 6 · 10−19 J Für die Wahrscheinlichkeitsdichte erhält man in diesem Fall: |Ψ(x)|2 = B12 e−10,24(x/nm) Beträgt x etwa einem Atomradius (x = RAtom = 0, 2nm), so findet man: |Ψ(x)|2 ' B12 · 0, 13 28 3.2 Harmonischer Oszillator Als Beispiele für Fälle, wo der Tunneleffekt fundamentale Bedeutung besitzt, seien hier genannt: Radioaktiver Zerfall Da die Kernkräfte sehr groß sind, ist E sehr klein gegenüber V . Der α-Zerfall wird erst durch den Tunneleffekt möglich. STM (Scanning Tunelling Microscope) Das Funktionsprinzip dieses Mikroskopes sei an Abb. 3.9 kurz erläutert. Für den Fall, dass die durch die angelegte Spannung erzeugte Energie größer als die Spitze d U Oberfläche Abbildung 3.9: Scanning Tunelling Microscope Austrittsarbeit ist, treten Elektronen aus der Oberfläche aus. Nun wird eine Spannung angelegt, die so groß ist, dass klassisch gesehen keine Elektronen austreten würden (E < W mit W = Austrittsarbeit). Mit der Wahrscheinlichkeitsdichte: r 2m 2 2 −2ad |Ψ(a)| = B1 e mit a = (W − E) ~2 gibt es aber dennoch eine endliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass Elektronen austreten und die Spitze erreichen. Fliegen aber Elektronen von der Oberfläche zur Spitze, so fließt ein Strom, der Tunnelstrom genannt wird. Das STM wird zur Oberflächenstrukturanalyse genutzt, indem bei konstantem Tunnelstrom Unregelmäßigkeiten in der Oberflächenstruktur durch Angleichung des Abstandes d in Atomgrößenordnung gemessen werden. 3.2 Harmonischer Oszillator Das Modell des harmonischen Oszillators ist für die Chemie sehr wichtig. Es wird unter anderem als einfaches Modell für die Molekülschwingungen, wie man sie in der IR- und der Ramanspektroskopie beobachtet, genutzt. Wir wollen das Prinzip am Beispiel eines HCl-Moleküls betrachten. Das Wasserstoffatom schwinge gegenüber dem als raumfest betrachteten schweren Chloratom. Für die rückstellende Kraft dieser Schwingung gilt das Hookesche Gesetz : F = −kx (3.25) woraus für das Potential folgt: Z V (x) = − 0 x 1 F (x0 )dx0 = kx2 2 29 3 Einfache Systeme Man hat somit die folgende klassische Bewegungsgleichung (Newton): F = −kx = ma = m d d2 v = m 2x dt dt also: d2 k x(t) = − x(t) dt2 m Diese Gleichung wird durch x(t) = A sin(ωt) gelöst, wobei sich die Frequenz zu r k ω= m ergibt. Die Konstante A folgt aus den Randbedingungen. Für eine quantenmechanische Betrachtung muss die Schrödinger-Gleichung − 1 ~2 d2 Ψ(x) + kx2 Ψ(x) = EΨ(x) 2m dx2 2 gelöst werden. Aufgrund der expliziten Ortsabhängigkeit des Potentials ist diese Schrödinger-Gleichung etwas schwieriger zu lösen als die in den bisher betrachteten Beispielen, in denen V = konst. war. Trotzdem ist eine analytische Lösung möglich, die im Folgenden skizziert werden soll. Zunächst eliminieren wir die Konstanten, indem wir r mω q= x ~ q p ~ d d wählen. Das bedeutet x = mω q und dx = mω ~ dq . Nutzt man dies in der Schrödinger-Gleichung, so findet man: d2 2E − 2 Ψ(q) + q 2 Ψ(q) = λΨ(q) mit λ = dq ~ω oder −Ψ00 (q) + (q 2 − λ)Ψ(q) = 0 (3.26) Wir suchen nun nach physikalisch sinnvollen Lösungen dieser Gleichung. Dazu untersuchen wir zunächst das asymptotische Verhalten für q → ±∞. In diesem Limit muß die Wellenfunktion abfallen, weil sie sonst nicht normierbar und somit physikalisch nicht sinnvoll wäre. Für q 2 λ folgt dann aus Gl.(3.26): Ψ00 (q) ' q 2 Ψ(q) q2 q2 Für große q verhält sich die Lösung wie Ψ(q) ' e± 2 , wovon also nur Ψ(q) = e− 2 physikalisch sinnq2 voll ist. (Man kann sich durch Einsetzen davon überzeugen, dass Ψ(q) = e− 2 für q 2 λ eine Lösung ist, indem man ausnutzt, dass gilt: Ψ0 (q) = −qΨ(q), Ψ00 (q) = (q 2 − 1)Ψ(q) ' q 2 Ψ(q) für q 2 1.) Wir nutzen dieses Ergebnis nun aus, indem wir folgenden Ansatz wählen: q2 Ψ(q) = h(q)e− 2 Dabei ist h(q) ein Polynom, das endlich sein muss, damit Ψ(q) normierbar ist. 30 (3.27) 3.2 Harmonischer Oszillator Setzt man den Ansatz (3.27) in die Schrödinger-Gleichung ein, so erhält man: h00 (q) − 2qh0 (q) − (1 − λ)h(q) = 0 (3.28) Dies ist eine bekannte Differentialgleichung für die sogenannten Hermite-Polynome Hv (q) mit den Koeffizienten λv = 2v + 1 und den Quantenzahlen v = 0, 1, 2, 3, ... Anmerkung: P a Die Lösung der obigen DGL erfolgt über den Ansatz: h(q) = ∞ a=0 ca q , was durch Einsetzen Lösungen für die Koeffizienten ca liefert. Für unseren Fall folgt für die Energien: Ev = 21 λv ~ω, also: 1 Ev = v + ~ω 2 (3.29) Die Nullpunktsenergie ist in diesem Fall gegeben durch: 1 E0 = ~ω 2 Als Lösung der Schrödinger-Gleichung für den harmonischen Oszillator erhalten wir also: r 2 mω − q2 x (3.30) Ψv (x) = Nv Hv (q)e mit q = ~ R∞ Der Normierungsfaktor Nv wird dabei so gewählt, dass −∞ dx|Ψv (x)|2 = 1 gilt und ist gegeben durch: mω 1 1 4 √ Nv = π~ 2v v! In der folgenden Tabelle sind einige Hermite-Polynome aufgeführt: v 0 1 2 3 4 Hv (q) 1 2q 4q 2 − 2 8q 3 − 12q 16q 4 − 48q 2 + 12 Die Hermite-Polynome erfüllen einige Rekursionsbeziehungen, z.B. Hv+1 (q) = 2qHv (q) − 2vHv−1 (q) Die Orthogonalitätsrelation ist: Z ∞ −∞ dxΨ?v (x)Ψv0 (x) = δv,v0 Für das Energieniveauschema gilt: v=0: v=1: v=2: E0 = 12 ~ω E1 = 32 ~ω E2 = 52 ~ω Anders als beim Teilchen im Kasten ergibt sich also ein äquidistantes Energieniveauschema. Betrachtet man weiterhin die in Abbildung 3.10 aufgetragenen Funktionen Ψv (x) und |Ψv |2 , so erkennt man, dass es auch eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit im klassisch verbotenen Bereich gibt. 31 3 Einfache Systeme Ψ3 Ψ0 2 2 |Ψ3(q)| Ψ / |Ψ| Ψ / |Ψ| 2 2 |Ψ0(q)| q q Ψ / |Ψ| Ψ / |Ψ| 2 2 Ψ2 2 |Ψ2(q)| Ψ1 2 |Ψ1(q)| q q Abbildung 3.10: Harmonischer Oszillator: Darstellung der Wellenfunktion und der Aufenthaltswahrscheinlichkeit für verschiedene Quantenzahlen Vergleich mit dem klassischen Oszillator: Für einen klassischen Oszillator ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit an den Umkehrpunkten am größten, da dort die Geschwindigkeit verschwindet und sich x langsam ändert, während sie dort, wo die Geschwindigkeit maximal wird, am kleinsten ist. Die Wahrscheinlichkeit kann also wie in Abbildung 3.11 Pklass.(x) 0 x Abbildung 3.11: Skizzierte Aufenthaltswahrscheinlichkeit für den klassischen harm. Oszillator skizziert werden. Wählt man nun für die Quantenzahl z.B. v = 1000, so nähert sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der klassischen Verteilung an. Dies ist wieder Ausdruck des Korrespondenzprinzips. Vergleich mit Teilchen im Kasten: Vergleichen wir nun unsere Ergebnisse für beide Modelle, so ergibt sich: 32 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen Teilchen im Kasten: En = n2 Harmonischer Oszillator: Ev = ~ω v + 12 ~2 π 2 2mL2 q Ψn (x) = L2 sin n = 1, 2, 3, ... nπ L x q2 Ψv (x) = Nv Hv (q) e− 2 ; q = v = 0, 1, 2, 3, ... p ωm ~ x Für das Teilchen im Kasten ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit außerhalb des Kastens gleich null, für den Oszillator gilt dies nicht, da bei einer endlichen Auslenkung x das Potential V = 12 kx2 nicht unendlich wird. Dies kann man in Abbildung 3.10 daran erkennen, dass sich P (q) für große (kleine) q der Abszisse annähert, diese allerdings nicht erreicht. Das Modell des harmonischen Oszillators wird z.B. zur Beschreibung von Molekülschwingungen und auch von Schwingungen in Festkörpern genutzt. Untersucht man beispielsweise die Schwingung eines H2 O- Moleküls, so kann man drei ’Schwingungsmoden’ feststellen, die in Abbildung 3.12 skizziert sind. (Allgemein gibt es für ein nichtlineares N atomiges Molekül 3N − 6 Schwingungsfreiheitsgrade.) Beschreiben lassen sich diese SchwingunO H O H H O H H H Abbildung 3.12: Schwingungsfreiheitsgrade für H2 O gen durch drei Oszillatoren mit unterschiedlichen Frequenzen. In diesem Beispiel läßt sich also die Bewegung des Systems (des H2 O-Moleküls) in drei Dimensionen auf drei eindimensionale Systeme zurückführen. Das gilt aber nicht allgemein. Betrachtet man die Bewegung eines Elektrons um einen Atomkern, so ist das Coulombpotential gegeben durch: 1 V (r) = C r mit p √ r = x2 + y 2 + z 2 = ~r · ~r Hier genügt eine eindimensionale Betrachtung nicht. Es ist also nötig, die bisherigen Erkenntnisse auf mehrere Dimensionen zu erweitern. 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen Wir haben gesehen, dass die meisten physikalisch relevanten Probleme in drei räumlichen Dimensionen definiert sind. Dies gilt insbesondere für das exakt lösbare Problem des Wasserstoffatoms. Zunächst sei aber die Schrödinger-Gleichung für einige Beispiele in zwei Dimensionen betrachtet, bevor wir uns den dreidimensionalen Problemen zuwenden. 3.3.1 zweidimensionaler Potentialtopf Wir gehen wieder von dem einfachen Modell des Teilchens im Kasten aus. Ausgangspunkt ist hierbei wieder die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung: 2 ~2 ∂ ∂2 − + + V (x, y) Ψ(x, y) = EΨ(x, y) (3.31) 2m ∂x2 ∂y 2 33 3 Einfache Systeme Für das Potential gilt in diesem Fall: ∞ für x < 0, x > Lx ∞ für y < 0, y > Ly 0 für 0 ≤ x ≤ Lx 0 für 0 ≤ y ≤ Ly V (x, y) = = Für V (x, y) = ∞ ist außerdem Ψ(x, y) = 0. Der relevante Bereich ist wie im eindimensionalen Modell der Bereich, in dem V (x, y) = 0 gilt: − ~2 ∂ 2 ~2 ∂ 2 Ψ(x, y) − Ψ(x, y) = EΨ(x, y) 2 2m ∂x 2m ∂y 2 Um diese Gleichung zu lösen, führen wir eine sogenannte Separation der Variablen durch: Wir wählen Ψ(x, y) = u(x) · v(y) (3.32) und nutzen: ∂ ∂ ∂ Ψ(x, y) = u(x) · v(y) = v(y) u(x) = u0 (x) · v(y) ∂x ∂x ∂x ∂2 Ψ(x, y) = u00 (x)v(y) ∂x2 und analog: ∂2 Ψ(x, y) = u(x)v 00 (y) ∂y 2 Damit können wir die Schrödinger-Gleichung schreiben als: − ~2 ~2 00 u (x)v(y) − u(x)v 00 (y) = Eu(x)v(y) 2m 2m oder − ~2 u00 (x) ~2 v 00 (y) − =E 2m u(x) 2m v(y) Hieraus folgt: u00 (x) v 00 (y) 2mE + =− 2 u(x) v(y) ~ } | {z | {z } | {z } unabhängig von y unabhängig von x konstant 00 (3.33) 00 (x) (y) Das bedeutet, dass uu(x) und vv(y) unabhängig voneinander auch konstant sein müssen, damit diese Gleichung gelöst werden kann. Man kann also wählen: u00 (x) 2mE (x) =− u(x) ~2 bzw. u00 (x) = − 2mE (x) u(x) ~2 Das ist gerade die Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen im Kasten entlang der x- Koordinate und analog liefert 2mE (y) v 00 (y) = − v(y) ~2 34 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen die Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen im Kasten entlang der y- Koordinate. Zusammengenommen erhalten wir hieraus: u00 v 00 2m + = − 2 (E (x) + E (y) ) u v ~ beziehungsweise durch Vergleich mit (3.33): E = E (x) + E (y) Für die Funktion u(x) bekommen wir (vgl. Kap.3.1.2): r 2 2 π ~ nx π 2 (x) 2 Ψnx (x) = sin x mit Enx = E = nx Lx Lx 2mL2x bzw. für v(y): s Ψny (y) = 2 sin Ly ny π y Ly mit Eny = E (x) = n2y π 2 ~2 2mL2y Es ist uns also gelungen, die x- und die y-Abhängigkeit völlig voneinander zu trennen. Die Ergebnisse, die wir hierbei erhalten haben, entsprechen denen eines eindimensionalen Potentialtopfes (und zwar jeweils für die beiden Variablen). Für die Wellenfunktion gilt also: r s ny π 2 2 nx π Ψnx ,ny (x, y) = Ψnx (x)Ψny (y) = sin x sin y (3.34) Lx Ly Lx Ly und die Energie ist durch die Summe der einzelnen Energien gegeben: Enx ,ny = Enx + Eny π 2 ~2 = 2m n2y n2x + L2x L2y ! (3.35) mit den Quantenzahlen: nx = 1, 2, 3, ... und ny = 1, 2, 3, ... Die Nullpunktsenergie ergibt sich zu: E1,1 π 2 ~2 = 2m 1 1 + L2x L2y Die Orthogonalitätsrelationen für die Wellenfunktionen werden folgendermaßen berechnet: Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ ? dx dyΨmx ,ny (x, y)Ψnx ,my (x, y) = dx dyΨ?mx (x)Ψ?my (y)Ψnx (x)Ψny (y) −∞ −∞ −∞ −∞ Z ∞ Z ∞ = dxΨ?mx (x)Ψnx (x) · dyΨ?my (y)Ψny (y) −∞ −∞ = δmx ,nx · δmy ,ny Die Wahrscheinlichkeitsdichte können wir ebenfalls als Produkt der Wahrscheinlichkeitsdichten für x bzw. y schreiben: |Ψnx ,ny (x, y)|2 = |Ψnx (x)|2 |Ψny (y)|2 Zwar sind die x- bzw. y-abhängigen Teile der Wellenfunktion, wie wir gesehen haben, separierbar, doch ist ein Vertauschen der Quantenzahlen nicht ohne weiteres möglich. Insbesondere ist beispielsweise E1,2 6= E2,1 35 3 Einfache Systeme Nur für den Spezialfall: Lx = Ly = L gilt: Em,n = En,m also: ~2 π 2 2 (m + n2y ) 2mL x In diesem Fall gibt es unterschiedliche Ψ-Funktionen zu derselben Energie: Eny ,mx = Ψ1,2 (x, y) Ψ2,1 (x, y) ist Eigenfunktion Ĥ zu E1,2 ist Eigenfunktion Ĥ zu E2,1 = E1,2 Man spricht hier von einer zweifachen Entartung. Allgemein bezeichnet man eine Entartung als n-fache Entartung, wenn n Wellenfunktionen die gleiche Energie besitzen. Anmerkung zum Seperationsansatz Wir haben gesehen, dass die Lösung der Schrödinger-Gleichung mit dem Hamiltonoperator Ĥ = − p̂2y ~2 ∂ 2 ~2 ∂ 2 p̂2x − = + = Ĥx + Ĥy 2m ∂x2 2m ∂y 2 2m 2m durch ein Produkt von Wellenfunktionen gegeben ist. Das gilt ganz allgemein: Wenn sich Ĥ als Summe unabhängiger Operatoren X Ĥ = Ĥα = Ĥ1 + Ĥ2 + Ĥ3 + ... (3.36) α schreiben läßt, so gilt für die Lösung der Schrödinger-Gleichung Y Ψ= Ψα = Ψ1 · Ψ2 · Ψ3 · ... (3.37) α mit Ĥα Ψα = Eα Ψα und die Energieeigenwerte sind durch die Summe der Eα gegeben. Als ein Beispiel hierfür sei ein zweidimensionaler harmonischer Oszillator mit separablem Potential V (x, y) = 12 kx x2 + 21 ky y 2 betrachtet. Hierfür gilt: 1 2 1 2 1 1 p̂x + p̂y + kx x2 + ky y 2 = Ĥx + Ĥy 2m 2m 2 2 Ψv1 ,v2 (x, y) = Ψv1 (x) · Ψv2 (y) Ĥ = Ev1 ,v2 = Ev1 + Ev2 Wichtig ist dabei, dass ein Seperationsansatz zur Lösung der Schrödinger-Gleichung versagt, wenn es ’Kreuzterme’ in Ĥ gibt, beispielsweise V (x, y) = 12 kx x2 + 12 ky y 2 + c · x · y. 36 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen 3.3.2 Rotationen Ein weiteres wichtiges Beispiel für eine Bewegung in mehreren Dimensionen ist eine Drehbewegung. In den folgenden Kapiteln werden wir es mit Rotationsbewegungen in drei räumlichen Dimensionen zu tun haben. Als Vorbereitung soll allerdings zunächst die Rotationsbewegung in zwei Dimensionen betrachtet werden. Wir untersuchen also folgendes Problem: Ein Teilchen rotiere um einen Punkt auf einer Kreisbahn mit dem Radius r, wobei r hier konstant sei, vgl. Abb. 3.13. r m Abbildung 3.13: zweidimensionale Rotation Unser Startpunkt ist wieder die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung: 2 ∂ ∂2 ~2 + Ψ(x, y) = EΨx,y − 2m ∂x2 ∂y 2 (3.38) Wir erinnern uns an den zweidimensionalen Potentialtopf und stellen fest, dass sich der vorliegende Fall nur durch eine Randbedingung unterscheidet, die aber sehr wichtig ist. Diese Randbedingung ist durch den konstanten Radius r gegeben, für den gilt: p r = x2 + y 2 = konst. (3.39) Die Lösung der Schrödinger-Gleichung mit dieser Randbedingung ist in kartesischen Koordinaten recht aufwendig. Es ist sinnvoller, die Schrödinger-Gleichung in (zweidimensionale) Polarkoordinaten zu y r r sin ϕ ϕ r cos ϕ x Abbildung 3.14: Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten transformieren, wobei man folgendermaßen vorgeht: Aus Abbildung 3.14 lassen sich leicht die Beziehungen zwischen r, ϕ und x bzw. y ableiten: x = r · cos ϕ y = r · sin ϕ 37 3 Einfache Systeme 2 2 Um die Schrödinger-Gleichung zu transformieren, benötigen wir aber ∂∂xΨ2 + ∂∂yΨ2 als Funktion der Ableitungen nach r und ϕ. Um die entsprechende Transformation durchzuführen, gehen wir etwas anders als in der Mathematik üblich vor. Wir benutzen die Kettenregel: ∂Ψ ∂Ψ ∂x ∂Ψ ∂y = + ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ mit ∂Ψ ∂ϕ und ∂Ψ ∂Ψ ∂x ∂Ψ ∂y = + ∂r ∂x ∂r ∂y ∂r ∂y = −r sin ϕ und ∂ϕ = r cos ϕ. Man erhält somit zwei Gleichungen für die beiden ’Unbekannten’ ∂Ψ und ∂r . Die Lösung diese ’Gleichungssystems’ liefert dann: ∂ sin ϕ ∂ ∂Ψ = cos ϕ − Ψ ∂x ∂r r ∂ϕ ∂Ψ ∂ cos ϕ ∂ Ψ = sin ϕ + ∂y ∂r r ∂ϕ ∂x ∂ϕ Für die zweiten Ableitungen geht man völlig analog vor. Als Resultat erhält man den sogenannten Laplaceoperator in ebenen Polarkoordinaten: ∆= ∂2 ∂2 ∂2 1 ∂ 1 ∂2 + = + + ∂x2 ∂y 2 ∂r2 r ∂r r2 ∂ϕ2 (3.40) In der Schrödinger-Gleichung (3.38) ist allerdings zusätzlich die Randbedingung r = konst. zu berück∂2Ψ sichtigen. Das bedeutet: ∂Ψ ∂r = 0, ∂r2 = 0. Man findet somit den folgenden Ausdruck: − ~2 ∂ 2 Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ) 2mr2 ∂ϕ2 An dieser Stelle ist es sinnvoll, das Trägheitsmoment einzuführen, das für diesen Fall durch I = mr2 (3.41) gegeben ist. Damit läßt sich die Schrödinger-Gleichung schreiben als: − ~2 ∂ 2 Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ) 2I ∂ϕ2 (3.42) Diese Gleichung können wir leicht durch einen Vergleich mit dem Fall einer linearen eindimensionalen Bewegung lösen. Die Lösung für diesen Fall hatten wir bereits herausgefunden (siehe Gleichung (3.6)): Ψ(ϕ) = Aeimϕ + Be−imϕ mit (3.43) r 2IE ~2 Im Unterschied zur linearen Bewegung ist in unserem Fall allerdings der Wertebereich von ϕ eingeschränkt, ϕ ∈ [0; 2π[ m= und genau diese Tatsache liefert eine Randbedingung: Damit die Wellenfunktion eindeutig ist, muss gelten: Ψ(ϕ + 2π) = Ψ(ϕ) Das bedeutet Aeim(ϕ+2π) + Be−im(ϕ+2π) = Aeimϕ + Be−imϕ y eim2π · Aeimϕ + e−im2π · Be−imϕ = Aeimϕ + Be−imϕ 38 3.3 Bewegung in 2 Dimensionen Also muss man fordern: eim2π = e−im2π = 1 Diese Bedingung ist nur für ganzzahlige m erfüllt (e±im2π = cos(m2π) ± i sin(m2π)), d.h.: m = 0, ±1, ±2, ±3, ... (3.44) Für die Energieniveaus erhält man damit: Em = ~2 · m2 2I (3.45) Wichtig ist dabei die Tatsache, das sich die Quantisierungsbedingung wiederum aus der Randbedigung ergibt. Nun wird noch die Normierungskonstante bestimmt. Dazu genügt es Ψm (ϕ) = A · eimϕ zu betrachten, da m = 0, ±1, ±2, ±3, ... gilt. In kartesichen Koordinaten muss gelten: Z Z ∞ Z ∞ 2 dy|Ψm (x, y)| = dV |Ψm (x, y)|2 = 1 dx −∞ −∞ mit dem Volumenelement dV = dx · dy. In ebenen Polarkoordinaten findet man hierfür dV = r · dϕ · dr Also läßt sich die Normierungsbedingung schreiben als: Z Z R Z 2 dV |Ψm (x, y)| = dr · r 0 2π dϕ|Ψm (r, ϕ)|2 = 1 0 RR 2 Da Ψm (ϕ) unabhängig von r ist, können wir die r-Integration ausführen, 0 dr · r = R2 . Wir setzen jetzt einfach R2 = 2 und erhalten Z R Z 2π Z 2π Z 2π 2 2 2 dr · r dϕ|Ψm (r, ϕ)| = dϕ|Ψm (ϕ)| = A dϕ|eimϕ |2 0 0 0 0 Z 2π = A2 dϕ · 1 = A2 · 2π 0 1 yA= √ 2π also: 1 Ψm (ϕ) = √ eimϕ 2π Die Orthogonalitätsrelation schreiben wir als: Z 2π dϕΨ?m (ϕ)Ψn (ϕ) = δm,n 0 Da für die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte |Ψ(ϕ)|2 = 1 2π gilt, sprechen wir von einer homogenen Verteilung. Werfen wir noch einen Blick auf das Energieschema. Hier ergibt sich für verschiedene Quantenzahlen m: 39 3 Einfache Systeme m=0 m = ±1 m = ±2 .. . E0 = 0 2 E1 = ~2I E2 = 4E1 Em = m2 E1 wobei Em mit m 6= 0 zweifach entartet ist. Die Wellenfunktionen Ψm = √12π eimϕ und Ψ−m = √1 e−imϕ 2π haben also dieselbe Energie Em , die über m2 nur vom Betrag von m abhängt. Für m = 0 gibt es nur eine Wellenfunktion Ψ0 = ist nicht entartet. √1 2π und E0 Anmerkung: Erinnern wir uns noch einmal an den Fall des freien Teilchens. Hier gilt für die Energie: Ek = ~2 k 2 ~2 2 = k 2m 2m mit dem linearen Impuls p = ~k. Der Impulsoperator ist definiert durch: p̂x = ~ d i dx (3.46) Die Funktionen e±ikx sind Eigenfunktionen des Impulsoperators, p̂x e±ikx = (±~k)eikx (für eikx ’fliegt’ p̂2x . das Teilchen nach rechts, für e−ikx nach links), und natürlich auch Eigenfunktionen von Ĥ = 2m Völlig analog erwartet man bei einer Kreisbewegung einen Zusammenhang zwischen Ĥ und dem Drehimpulsoperator. Klassisch ist dieser Zusammenhang einfach gegeben durch: Etrans = Erot = p~2 2m ~2 L 2I wobei der Drehimpuls definiert ist als ~ = ~r × p~ L (3.47) ~ ist ein Vektor, der senkrecht auf ~r und p~ steht (L ~ ⊥ ~r, p~). L ~ Explizit hat man für die Komponenten von L: Lx ypz − zpy ~ = Ly = zpx − xpz L Lz xpy − ypx (3.48) Um einen Drehimpulsoperator in der Quantenmechanik zu definieren, ersetzt man im klassischen Ausdruck x, y, z durch die Multiplikationsoperatoren x̂, ŷ, ẑ und die Impulse durch die Impulsoperatoren: p̂x = ~ ∂ i ∂x ; p̂y = ~ ∂ i ∂y ; p̂z = ~ ∂ i ∂z Auf diese Art erhalten wir beispielsweise für L̂z : ~ L̂z = x̂p̂y − ŷ p̂x = i 40 ∂ ∂ x −y ∂y ∂x (3.49) 3.4 Rotation in drei Dimensionen Zur Darstellung in ebenen Polarkoordinaten benutzen wir die schon bekannten Beziehungen: x = r cos ϕ ; y = r sin ϕ ; z=0 Die ersten Ableitungen sind schon angegeben worden: ∂ ∂ sin ϕ ∂ = cos ϕ − ∂x ∂r r ∂ϕ und ∂ ∂ cos ϕ ∂ = sin ϕ + ∂y ∂r r ∂ϕ woraus wir leicht für L̂z erhalten: L̂z = ~ ∂ i ∂ϕ Die anderen Komponenten L̂x und L̂y verschwinden, weil z = 0 ist und somit auch hat. (3.50) ∂ ∂z keine Wirkung Fassen wir nun unsere Ergebnisse zusammen. Die Schrödinger-Gleichung für den zweidimensionalen Rotator lautet: ~2 ∂ 2 − Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ) 2I ∂ϕ2 mit der Lösung: 1 Ψm (ϕ) = √ eimϕ ; m = 0, ±1, ±2, ±3, · · · (3.51) 2π und den Energieeigenwerten: ~2 2 Em = m 2I Wenden wir zuletzt den in Gleichung (3.50) berechneten Drehimpulsoperator L̂z auf Gleichung (3.51) an, so erhalten wir: 1 L̂z Ψm (ϕ) = L̂z √ eimϕ 2π L̂z Ψm (ϕ) = m~Ψm (ϕ) Das heißt: Ψm (ϕ) ist eine Eigenfunktion von L̂z zum Eigenwert ~m. Der Hamiltonoperator läßt sich p̂2x also auch folgendermaßen schreiben (für den linearen Fall hatten wir bereits Ĥ = 2m ): Ĥ = L̂2z 2I 3.4 Rotation in drei Dimensionen Bevor wir zur Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom kommen, betrachten wir zunächst eine Rotationsbewegung auf einer Kugeloberfläche. Wir stellen uns dazu eine Kugel vor, auf deren Oberfläche ein Teilchen der Masse m im Abstand r vom Kugelmittelpunkt rotiere. Die Situation ist in Abbildung 3.15 skizziert. Unter der Annahme, dass V (x, y, z) = 0 ist, erhalten wir für die Schrödinger-Gleichung: 2 ∂ ~2 ∂2 ∂2 ~2 + + Ψ(x, y, z) = − 4Ψ(x, y, z) = EΨ(x, y, z) (3.52) − 2m ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 2m ~ 2 . Hierbei sei der Radius mit dem Laplaceoperator ∆ = ∇ p r = x2 + y 2 + z 2 = konst. 41 3 Einfache Systeme z r m y x Abbildung 3.15: dreidimensionaler starrer Rotator wiederum als konstant angenommen (starre Rotation). Sinnvollerweis führen wir zunächst wieder eine Koordinatentransformation in Polarkoordinaten durch und zwar mit den Ersetzungen (vgl. Abbildung 3.16): x = r · sin θ cos ϕ y = r · sin θ sin ϕ z = r cos θ Hierbei ist θ der Polarwinkel und ϕ der Azimuthalwinkel. Für den Laplaceoperator findet man (auf nicht triviale Weise): z r cos θ θ ϕ r y a = r sin θ x a cos ϕ a sin ϕ Abbildung 3.16: Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten 1 ∂2 1 1 ∂2 1 ∂ ∂ ∆= ·r+ 2 + sin θ r ∂r2 r sin2 θ ∂ϕ2 sin θ ∂θ ∂θ Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung unter Berücksichtigung von r = konst., also ∂Ψ ∂2Ψ = =0 ∂r ∂r2 42 (3.53) 3.4 Rotation in drei Dimensionen liefert: ~2 1 ∂2 1 ∂ ∂ − + sin θ Ψ(θ, ϕ) = EΨ(θ, ϕ) 2mr2 sin2 θ ∂ϕ2 sin θ ∂θ ∂θ (3.54) Diese Gleichung sieht etwas kompliziert aus. Wir haben oben gesehen, dass wir im Falle einer Rotations2 bewegung den klassischen Energieausdruck H = L2I haben und erwarten einen ähnlichen Ausdruck selbstverständlich auch für den quantenmechanischen Hamiltonoperator. Deshalb betrachten wir den Drehimpulsoperator nochmal etwas genauer. Oben hatten wir für die z-Komponente gefunden: L̂z = ~ ∂ i ∂ϕ Analog läßt sich zeigen, dass die x- und y-Komponenten gegeben sind durch: ∂ ∂ ~ ∂ ∂ y = i~ sin ϕ L̂x = −z + cot θ cos ϕ i ∂z ∂y ∂θ ∂ϕ ∂ ∂ ~ ∂ ∂ z = −i~ cos ϕ L̂y = −x − cot θ sin ϕ i ∂x ∂z ∂θ ∂ϕ Anhand dieser Ausdrücke kann man (in einer nichttrivialen Rechnung) zeigen, dass für das Drehimpuls~ˆ · L ~ˆ gilt: quadrat L̂2 = L 2 L̂ = L̂2y + L̂2x + L̂2z 2 = −~ 1 ∂ 1 ∂2 2 ∂ϕ2 + sin θ ∂θ sin θ ∂ sin θ ∂θ (3.55) Ein Vergleich mit der Schrödinger-Gleichung (3.54) zeigt, dass man diese in der Form L̂2 Ψ(θ, ϕ) = EΨ(θ, ϕ) 2I (3.56) schreiben kann. Dabei ist I = mr2 wieder das Trägheitsmoment, vgl. Gl. (3.41). Zur Lösung der Schrödinger-Gleichung nutzen wir aus, dass gilt (ohne Beweis): L̂2 Yl,m (θ, ϕ) = ~2 l(l + 1)Yl,m (θ, ϕ) (3.57) mit den sogenannten Kugelflächenfunktionen (spherical harmonics) Yl,m (θ, ϕ). Für die Quantenzahlen l und m, die sich auch in diesem Fall wieder aus den Randbedingungen der Differentialgleichung ergeben, gilt: l = 0, 1, 2, 3, ... m = −l, −l + 1, ..., l − 1, l d.h. es gibt (2l + 1) Werte für m. Nutzen wir nun Gl.(3.57) in der Schrödinger-Gleichung, so zeigt ein Vergleich direkt, dass die Energien gegeben sind durch: ~2 El = l(l + 1) (3.58) 2I Die Energien El sind unabhängig von der Quantenzahl m. Das bedeutet, alle Yl,−l , ...Yl,l sind Eigenfunktionen von L̂2 zum selben Eigenwert ~2 l(l + 1), also auch Eigenfunktionen von Ĥ zum Eigenwert 43 3 Einfache Systeme 2 El = ~2I l(l + 1). Das bedeutet: Jeder Energieeigenwert El ist (2l + 1)-fach entartet. Betrachten wir uns nun die Kugelflächenfunktionen genauer. Sie haben die Form: Yl,m (θ, ϕ) = Nl,m Plm (cos θ)eimϕ (3.59) mit Nl,m als Normierungsfaktor. Die Plm (cos θ) sind die sogenannten zugeordneten (assoziierten) Legendre-Polynome und hängen nur vom Polarwinkel θ ab. Da die Abhängigkeit vom Azimuthalwinkel ϕ von der Form eimϕ ist, folgt aus der Diskussion im letzten Kapitel, dass die Yl,m (θ, ϕ) auch Eigenfunktionen zu L̂z sind: L̂z Yl,m (θ, ϕ) = ~mYl,m (θ, ϕ) (3.60) Das bedeutet nach (3.57) und (3.60), dass die Kugelflächenfunktionen gemeinsame Eigenfunktionen von L̂2 und L̂z sind. Man kann sich leicht (anhand von Beispielen) davon überzeugen, dass die Yl,m keine Eigenfunktionen von L̂x oder L̂y sind. Gemäß Gleichung (3.58) läßt sich das in Abbildung 3.17 skizzierte Energieschema aufstellen. E 2 h 2I 12 l = 3, m = −3,...,3 6 l = 2, m = −2,...,2 2 l = 1, m = −1,...,1 0 l=0 Abbildung 3.17: Energieschema zum starren Rotator Im Folgenden sind einige Kugelflächenfunktionen angegeben, wobei gilt: ? . Yl,−m = (−1)m Yl,m l m 0 0 Yl,m (θ, ϕ) √1 q4π 3 4π cos θ q 3 1 ∓1 ± 8π sin θe∓iϕ q 5 2 2 0 16π (3 cos θ − 1) q 15 2 ∓1 ± 8π sin θ cos θe∓iϕ q 15 2 ±i2ϕ 2 ±2 32π sin θe 1 0 Betrachten wir nun die Wahrscheinlichkeitsdichten (man beachte, dass |eimϕ |2 = 1 gilt) ? 2 |Yl,m (θ, ϕ)|2 = Yl,m (θ, ϕ)Yl,m (θ, ϕ) = Nl,m [Plm (cos θ)]2 · 1 44 3.4 Rotation in drei Dimensionen z | Y1,0| 2 y x Abbildung 3.18: Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichte |Y1,0 |2 Diese werden üblicherweise in ’Polardarstellung’ abgebildet, wobei nach Abbildung 3.18 um die Längen |Y1,0 |2 eine Einhüllende gelegt wird. Für verschiedene Kugelflächenfunktionen (s. Tabelle) folgen dann beispielsweise: • für |Y0,0 |2 = 1 4π eine Kugel • für |Y1,0 |2 = 3 4π cos2 θ eine Hantel • für |Y1,1 |2 = 3 8π sin2 θ ein Ring (eine ’ Wurst’) wie man in Abbildung 3.19 erkennen kann. z z | Y |2 y x | Y |2 0,0 1,0 x z y z | Y |2 1,1 x y x y Rotation Abbildung 3.19: grafische Darstellung von Wahrscheinlichkeitsdichten für verschiedene Yl,m R Abschließend betrachten wir noch die Orthogonalitätsrelationen. Wir erwarten, dass dV Yl?1 ,m1 ·Yl2 ,m2 = δl1 ,l2 δm1 ,m2 gilt, wobei über das Volumenelement dV = dxdydz zu integrieren ist. Da die Kugelflächenfunktionen aber als Funktionen von θ und ϕ vorliegen, benötigen wir das Volumenelement in Polarkoordinaten. Dazu drücken wir zunächst wie in Abbildung 3.20 die Fläche A = a · b aus durch sin(dθ) ' dθ = b → b = rdθ r und a → a = r sin θdϕ r sin θ Also ist die schraffierte (kleine) Fläche gegeben durch sin(dϕ) ' dϕ = A ' r2 sin θdθdϕ 45 3 Einfache Systeme a r Kugelausschnitt mit Fläche A b dθ θ dϕ ϕ r sin θ a Abbildung 3.20: Skizze zur Darstellung von dV in Polarkoordinaten Für das Volumenelement müssen wir lediglich noch mit einem infinitesimalen Abstandselement dr multiplizieren und finden: dV = A · dr = r2 sin θdθdϕdr Das bedeutet wir haben: Z Z R dr · r dV = 0 2 Z π Z dθ · sin θ 0 2π dϕ 0 Da außerdem die Yl,m (θ, ϕ) nicht vom Abstand r abhängen, kann das r− Integral ausgeführt werden mit RR 3 3 dem Resultat 0 dr · r2 = R3 . Um diesen Faktor nicht berücksichtigen zu müssen, setzen wir R3 = 1 bzw. R3 = 3. Die Normierungsbedingung lautet somit Z π Z 2π dθ sin θ dϕ|Yl,m (θ, ϕ)|2 = 1 0 0 Die Normierungsfaktoren Nl,m sind natürlich so gewählt, dass diese Beziehung erfüllt ist. Für die Orthogonalitätsrelation hat man Z π Z 2π dθ sin θ dϕYl?1 ,m1 (θ, ϕ)Yl2 ,m2 (θ, ϕ) = δl1 ,l2 · δm1 ,m2 0 (3.61) 0 (Man mache sich diese Relationen an Beispielen klar!) 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom Das H-Atom, bestehend aus einem Proton (Masse mP , Ladung +e) und einem Elektron (me , −e), repräsentiert ein wichtiges exakt lösbares Problem in der Quantenmechanik. Insbesondere läßt sich anhand der Lösung der entsprechenden Schrödinger-Gleichung das experimentelle Spektrum des Wasserstoffatoms verstehen, was unter Verwendung der klassischen Physik nicht möglich ist. Darüberhinaus spielen die aus der Lösung erhaltenen Einelektron-Wellenfunktionen (Orbitale) eine wichtige Rolle bei der Konstruktion der Wellenfunktionen komplexerer Atome und auch Moleküle. Nach einer Separation der Schwerpunkts- und Relativkoordinaten, auf die wir hier nicht näher eingehen, da wir sie später anhand des Beispiels eines zweiatomigen Moleküls genauer betrachten werden, hat man folgenden Ausdruck für den Hamiltonoperator für die Relativbewegung, d.h. die Bewegung des Elektrons um den Atomkern (K): Ze2 ~2 4− (3.62) Ĥ = − 2m 4πε0 r 46 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom mit der reduzierten Masse m: m= me · mK me · mK ≈ = me mK + me mK 2 Ze ist hier eine beliebige Kernladungszahl Z angenommen, da mit dieIm Coulombpotential Vc = − 4πε 0r sem Modell auch die Beschreibung von H-ähnlichen Systemen, das heißt Ionen mit Kernladung Z ·e und der Kernmasse mK (He+ , Li2+ ,...) möglich ist. Wie in den vorangegangenen Kapiteln werden wir das Problem in Polarkoordinaten behandeln. Das bietet sich an weil das Potential Vc rotationssymmetrisch ist. Der Laplace-Operator ist dann gegeben durch: 4= 1 ∂2 1 r − 2 2 L̂2 2 r ∂r r ~ Für die Schrödinger-Gleichung haben wir also: L̂2 ~2 1 ∂ 2 Ze2 (r · Ψ(r, θ, ϕ)) + Ψ(r, θ, ϕ) − Ψ(r, θ, ϕ) 2m r ∂r2 2mr2 4πε0 r = EΨ(r, θ, ϕ) ĤΨ(r, θ, ϕ) = − Hierbei ist der erste Summand der r-abhängige Teil und der zweite der (θ, ϕ)-abhängige Teil der kinetischen Energie. Der dritte Summand stellt die potentielle Energie des Systems dar. Zur Lösung machen wir einen Separationsansatz, indem wir für den (θ, ϕ)-abhängigen Teil die Eigenfunktionen Yl,m (θ, ϕ) von L̂2 wählen und für den anderen Teil eine von r abhängige Funktion R(r): Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)Yl,m (θ, ϕ) (3.63) Wir nutzen weiter aus, dass gilt L̂2 Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)L̂2 Yl,m (θ, ϕ) = ~2 l(l + 1)R(r)Yl,m (θ, ϕ) Das liefert dann: ~2 l(l + 1) Ze2 ~2 1 ∂ 2 · r+ − R(r)Yl,m (θ, ϕ) = E · R(r)Yl,m (θ, ϕ) − 2m r ∂r2 2mr2 4πε0 r (3.64) ? (θ, ϕ) und integrieren über die Winkel θ und ϕ, wobei die Normierung Nun multiplizieren wir mit Yl,m Rπ R 2π der Yl,m , 0 dθ sin θ 0 dϕ|Yl,m (θ, ϕ)|2 = 1, genutzt wird. Auf diese Art erhalten wir eine eindimensionale sogenannte Radialgleichung, die sich mit ~2 l(l + 1) Ze2 − 2 2mr 4πε0 r g(r) = r · R(r) Vl (r) = (3.65) folgendermaßen darstellen läßt: d2 2m 2mE g(r) − 2 Vl (r)g(r) = − 2 g(r) 2 dr ~ ~ (3.66) Hierbei ist Vl (r) ein l-abhängiges effektives Potential, welches sich aus dem anziehenden Coulombpotential und dem abstoßenden Zentrifugalpotential zusammensetzt (vgl. Abb. 3.21; insbesondere ergibt sich für l = 0 keine Abstoßung, da Vl=0 = Vc ). Zur Lösung der Radialgleichung (3.66) betrachten wir das asymptotische Verhalten (Verhalten für r → ∞). Hier gilt wegen Vl (r → ∞) → 0, vgl. Gl.(3.65): d2 2mE gas (r) ' − 2 gas (r) 2 dr ~ (3.67) 47 3 Einfache Systeme V 2 h l (l + 1) 2 m r2 r V l =0 V c Abbildung 3.21: H- Atom: Skizze zum effektiven quantenzahlabhängigen Potential Wir wählen hier die Bezeichnung gas (r), weil Gleichung (3.67) nur für große Abstände gilt. Die Lösungen dieser Gleichung sind formal identisch zu denjenigen der Schrödinger-Gleichung im eindimensionalen q Fall. Man findet ungebundene Zustände für E > 0, das heißt gas (r) = A1 eikr + A2 e−ikr mit k = ± e q 2mE . ~2 2mE r ~2 Nur für E < 0 liegen die für uns interessierenden gebundenen Zustände vor, gas (r) ∼ . Also ist die physikalisch akzeptable Lösung: r gas (r) = Ae −cr mit c = 2mE ~2 (3.68) Um nun die Radialgleichung (3.66) zu lösen, geht man nun folgendermaßen vor: Man berücksichtigt das asymptotische Verhalten, indem man den Produktansatz g(r) = e−cr P (r) macht. Damit geht man in die Radialgleichung und erhält auf diese Art für P (r) die Differentialgleichung für die sogenannten Laguèrre Polynome, ein in der Mathematik bekanntes Problem. Ohne Beweis geben wir hier die Ergebnisse der Lösung der Schrödinger-Gleichung für wasserstoffähnliche Atome an: Die Energieeigenwerte sind 2 4 1 Z e m En = − (3.69) 2 2 2 n2 32π ε0 ~ Die Tatsache, dass nur diskrete Energiewerte auftreten (Quantisierung), ergibt sich (ähnlich wie beim Harmonischen Oszillator) aus der Tatsache, dass die Laguèrre-Polynome keine beliebig hohen Potenzen in r aufweisen dürfen. (Das oben gefundene asymptotische Verhalten muss erhalten bleiben.) Mit der Definition 4πε0 ~2 Zme2 woraus sich für Z = 1 und m = me der Bohrsche Radius a= a0 = 4πε0 ~2 = 0, 529Å me e2 (3.70) ergibt, können die Energien als Vielfaches der Grundzustandsenergie E1 = − 48 Ze2 ~2 kJ =− = −Z 2 · 1313 2 8πε0 a 2ma mol (3.71) 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom ausgedrückt werden als: 1 (3.72) n2 Die Energien hängen also nur von der Hauptquantenzahl ab, die ganzzahlige Werte annehmen kann En = E1 · n = 1, 2, 3, ... (3.73) Die Drehimpulsquantenzahl oder Nebenquantenzahl l kann alle ganzzahligen Werte bis n − 1 annehmen: l = 0, 1, 2, 3, ..., n − 1 (3.74) Für die magnetische Quantenzahl m gilt (vgl. Kap. 3.3.2): m = −l, ..., +l (3.75) Für die Wellenfunktionen haben wir nach dem Separationsansatz: Ψn,l,m (r, θ, ϕ) = Rn,l (r)Yl,m (θ, ϕ) (3.76) Die Funktionen Rn,l (r) lassen sich durch: Rl,n (r) = Nl,n 2Z r na l L2l+1 n−l−1 2Z r na (3.77) mit den assoziierten Laguèrre-Polynomen L2l+1 n−l−1 (x) darstellen. Die Nl,n sind dabei Normierungskonstanten. Wir können die Ergebnisse also folgendermaßen zusammenfassen: • Die Funktionen (3.76) sind die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators für wasserstoffähnliche Systeme • Die Energien: En = − ~2 2ma2 · 1 n2 sind unabhängig von l und m • die Energiequantisierung ist durch die Hauptquantenzahl n = 1, 2, 3, ... gegeben. • zu jedem n gibt es l-Werte mit l = 0, ..., n − 1 • zu jedem l gibt es (2l + 1) m-Werte (m = −l, −l + 1, ..., +l − 1, +l) • Die Summe der l-und m-Werte ergibt (2 · 0 + 1) + (2 · 1 + 1) + (2 · 2 + 1) + ... = n2 das heißt: En ist n2 - fach entartet . Wir können nun wieder ein Energieniveauschema aufstellen, welches in Abbildung 3.22 dargestellt ist. Dabei haben wir der Einfachheit halber nur die Drehimpulsquantenzahlen bis l = 1 berücksichtigt. Alle höheren Drehimpulsquantenzahlen zur selben Hauptquantenzahl n haben dieselbe Energie. Das diskrete Energieniveauschema aus Abb. 3.22 erklärt das spektroskopisch beobachtete Linienspektrum des H- Atoms. 49 3 Einfache Systeme E4 = 1/16 E 1 E3 = 1/9 E1 E2 = 1/4 E 1 4s n=4, l=0, m=0 n=4, l=1, m=0,+1,−1 3p 3s n=3, l=0, m=0 2s n=2, l=0, m=0 E1 4p n=3, l=1, m=0,+1,−1 2p n=2, l=1, m=0,+1,−1 1s n=1, l=0, m=0 Abbildung 3.22: Energieniveauschema für das H- Atom Für die Nomenklatur gilt hier: l 0 1 2 3 .. . Bezeichnung s p d f .. . Name sharp principal diffuse fundamental .. . Unter Berücksichtigung der Auswahlregeln (auf die wir in Kap. 9 genauer eingehen werden) ∆l = ±1 und ∆n beliebig findet man für die erlaubten Energiedifferenzen ∆E = RH n12 − m12 für einen n → m- Übergang, vgl. Kap.1.3. Das liefert scharfe Linien bei Frequenzen ω = ∆E ~ . Man bezeichnet Übergänge von n = 1 nach n = 2, 3, 4, ... als Lyman Serie, solche von n = 2 nach n = 3, 4, ... als Balmer Serie, usw.. Das Energieniveauschema sowie die Bezeichnung der Quantenzahlen erscheint uns bereits aus dem Orbitalmodell vertraut (bis auf die in diesem Fall entarteten Energieniveaus (z.B.: gleiche Niveaus für s und p)). Tatsächlich bezeichnet man ausschließlich sogenannte Einlektronenwellenfunktionen als Orbitale. Das bedeutet, dass die Wellenfunktionen beispielsweise eines Heliumatoms im Allgemeinen keine Orbitale sind, da es sich hierbei um Zweielektronenwellenfunktionen handelt. Diese Wellenfunktionen werden nur näherungsweise aus Orbitalen aufgebaut. Um eine Verbindung zum bekannten Orbitalmodell mit den in der chemischen Literatur verwendeten Funktionen und Darstellungen herzustellen, betrachten wir uns noch einmal die Wellenfunktionen. Einige Radialfunktionen sind in der folgenden Tabelle aufgelistet: 50 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom Bezeichnung 1s 2s Quantenzahl(n, l) 1,0 2,0 2p 2,1 3s 3,0 3p 3,1 3d 3,2 3 Rn,l (r) · a 2 r 2 e− a r 1 √ 2 − ar e− 2a 2 2 −r 1 r √ e 2a 2 6 ha i −r 2 2 r 2 r 2 √ 1 − + e 3a 3 a 27 a 3 3 r − 3a 4√ r 6 − ar a e 81 6 r 4 r 2 − 3a √ e 81 30 a 2.0 0.4 0.3 1.5 R1,0a 3/2 3/2 R3,0a 0.2 1.0 0.1 0.5 0.0 0.0 -0.1 0 2 4 r/a 6 8 10 2 4 6 8 r/a 10 12 14 0.8 R2,0a R3,1(r/a) R2,1(r/a) 0.8 0.6 3/2 0.6 0.4 3/2 Rn,la 0.4 0.2 0.2 0.0 0.0 -0.2 0 2 4 6 8 10 5 r/a 10 15 r/a Abbildung 3.23: H-Atom: Auftragung der Radialfunktionen für verschiedene Quantenzahlen In Abbildung 3.23 sind einige Laguèrre-Polynome graphisch dargestellt. Eine wichtige Eigenschaft der Rn,l besteht in der Tatsache, dass gilt: Rn,l=0 (r = 0) 6= 0 Das heißt: diese Funktionen sind bei r = 0 endlich, während für höhere l = 1, 2, 3, ... gilt: Rn,l (r = 0) = 0. Weiter gilt: Rn,l (r) hat (n − l − 1) Nullstellen oder ’radiale Knoten’. Das bedeutet, dass die Rn,l mit dem größten erlaubten Wert der Drehimpulsquantenzahl, l = n−1, keine Nullstellen haben. In der folgenden Tabelle sind einige Wellenfunktionen Ψn,l,m (r, θ, ϕ) angegeben: Bezeichung 1s Quantenzahl (n, l, m) 1,0,0 2s 2,0,0 2 p0 2,1,0 2 p1 , 2 p−1 2,1,±1 Ψn,l,m (r, θ, ϕ) = Rn,l (r)Yl,m (ϕ, θ) 1 √1 − ar e 3 a2 π − r 1 √1 r 2 − e 2a 3 a a 2 4 2π r − 2a 1 √1 r · cos θ 3 a e a 2 4 2π r ∓ 13 8√1 π ar e− 2a sin θe±iϕ a2 51 3 Einfache Systeme Um den Zusammenhang mit der in der Chemie üblichen Bezeichnung herzustellen, muss man beachten, dass die Funktionen Ψl,m , m 6= 0, komplex sind. Diese kann man aber mit Hilfe von cos ϕ = 12 (eiϕ + 1 e−iϕ ) und sin ϕ = 2i (eiϕ − e−iϕ ) beispielsweise in 1 1 1 −r 1 e 2a r sin θ cos ϕ Ψ(2px ) = √ [−Ψ2,1,1 + Ψ2,1,−1 ] = 3 √ 2 2 a 2 8 2π a und 1 1 −r 1 1 e 2a r sin θ sin ϕ Ψ(2py ) = √ [−Ψ2,1,1 − Ψ2,1,−1 ] = 3 √ 2 2i a 2 8 2π a überführen. Die Funktionen Ψ(2px ) und Ψ(2py ) sind natürlich Lösungen der Schrödinger-Gleichung, da sie Linearkombinationen von Lösungen zum gleichen Energie-Eigenwert sind. Allerdings sind sie keine ∂ Eigenfunktionen zu L̂z = ~i ∂ϕ . Auch andere Funktionen kann man aus Linearkombinationen der schon bekannten Lösungen erhalten, so z.B. Ψ(3dxy ), Ψ(3dxz ), ... Als nächstes wollen wir die Wahrscheinlichkeitsdichten |Ψn,l,m |2 betrachten: Wir hatten bereits festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in einem Volumenelement dV zu finden, durch |Ψn,l,m |2 dV = |Ψn,l,m |2 r2 dr sin θdθdϕ mit |Rn,l Yl,m |2 = |Rn,l |2 · |Yl,m |2 gegeben ist. Häufig interessiert allerdings nur die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Intervall [r,r + dr[ zu finden, dass heißt die Entfernung des Elektrons vom Kern. Wir integrieren hierzu über die Winkel: Z π Z 2π 2 (r) · r2 dr dθ sin θ dϕ|Ψn,l,m (r, θ, ϕ)|2 r2 dr = Rn,l 0 0 wobei wir genutzt haben, dass die Kugelflächenfunktionen normiert sind, s. Gl.(3.61). Die Betragsstriche können weggelassen werden, weil die Rn,l (r) reelle Funktionen sind. Man bezeichnet 2 Rn,l (r) · r2 (3.78) als radiale Verteilungsfunktion. Diese Verteilung ist für n = 1, l = 0 in Abbildung 3.24 skizziert. 2 (r) für r = 0 endlich ist, während R2 (r) · r 2 hier verschwindet. Das Maximum Man sieht, dass R1,0 1,0 R1,0(r/a) 2 R 1,0(r/a) r Rn,la 2 3/2 r/a 2 (r) · r 2 mit der RadialfunkAbbildung 3.24: Skizze zum Vergleich der radialen Verteilungsfunktion Rn,l tion Rn,l (r) 2 (r) · r 2 liegt bei r = a, dem Bohrschen Atomradius. Berechnet man allerdings den Mittelwert von R1,0 R∞ 2 r 2 ), so findet man hri = 3 a, was nicht damit übereinstimmt. hri1s = 0 dr · r · (R1,0 1s 2 52 3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Orbitale darzustellen. Häufig wird bei der graphischen Darstellung eine der folgenden Vorgehensweisen gewählt: R • Man zeichnet eine Oberfläche, die so gestaltet ist, dass dV |Ψn,l,m |2 = konst. ist. Häufig wird hier ∼ 90 % gewählt. • Alternativ dazu gibt es eine Darstellung über den Konturplot für |Ψn,l,m |2 = konst., wobei üblicherweise ∼ 10−4 gewählt wird. In beiden Fällen werden die Vorzeichen von Ψn,l,m durch Farbe oder Hineinschreiben der Vorzeichen unterschieden. Es entstehen die bekannten Lehrbuchbilder, wie sie in den Abbildungen 3.25 bis 3.27 dargestellt sind. Wichtig ist, dass die Orbitale wie auch deren Abbildungen keinerlei fundamentale Bedeutung haben. Die physikalisch relevante Infomration erhält man aus den Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichten. z y x Abbildung 3.25: 1s-Orbital z p + z y x − Abbildung 3.26: pz -Orbital z p + y − y x Abbildung 3.27: py -Orbital 53 3 Einfache Systeme 54 4 Axiomatische Quantenmechanik Wir hatten im Kapitel 2.4 die Schrödingergleichung als eine Wellengleichung für Materiewellen ’hergeleitet’. In diesem Zusammenhang war schon darauf hingewiesen worden, dass es sich dabei keinesfalls um eine Herleitung in einem mathematischen Sinn handelt, sondern die Vorgehensweise war heuristisch. Das gilt grundsätzlich: Die Quantenmechanik kann nicht aus grundlegenderen Prinzipien hergeleitet werden. Die Quantenmechanik ist daher axiomatisch aufgebaut. In diesem Kapitel geht es um die mehr formalen Aspekte der Theorie, die aber für alle Anwendungen sehr wichtig sind. So ist die Schrödingergleichung ĤΨ = EΨ eine Eigenwertgleichung, wobei Ψ eine Eigenfunktion des Hamiltonoperators Ĥ ist und E der entsprechende Eigenwert. Wir haben im letzten Kapitel gesehen, dass erlaubte Werte für die Energieeigenwerte En (wobei n eine Quantenzahl ist) immer reelle Zahlen sind. Das ist natürlich auch sinnvoll. Es stellt sich also beispielsweise die Frage, welche Eigenschaften ein Operator haben muss, damit seine Eigenwerte reell sind. Analog haben wir schon einige Eigenschaften von physikalisch akzeptablen Wellenfunktionen kennengelernt. Im Folgenden werden die formalen Eigenschaften von Operatoren und die Axiome der Quantenmechanik behandelt. 4.1 Eigenschaften linearer Operatoren In diesem Kapitel beschränken wir uns auf Operatoren, die auf quadratintegrable Funktionen Ψ angewendet werden. Diese Einschränkung ist zwar nicht nötig, erleichtert aber manche mathematischen Aspekte. Definition eines linearen Operators  heißt linear, wenn gilt: Â(λ1 Ψ1 + λ2 Ψ2 ) = λ1 ÂΨ1 + λ2 ÂΨ2 mit λ1 , λ2 ∈ C (4.1) Insbesondere ist der Hamiltonoperator Ĥ linear und Gl.(4.1) ist die mathematische Grundlage für das Superpositionsprinzip. Rechenregeln für lineare Operatoren Für lineare Operatoren gelten folgende Rechenregeln: 1. Multiplikation mit einer Konstanten c ∈ C: (cÂ)Ψ = c(ÂΨ) (4.2) 2. Summe zweier Operatoren Ŝ =  + B̂ (Â, B̂ lineare Operatoren): ŜΨ = ( + B̂)Ψ = ÂΨ + B̂Ψ (4.3) 55 4 Axiomatische Quantenmechanik 3. Produkt aus zwei Operatoren P̂ = ÂB̂ P̂ Ψ = ÂB̂Ψ = Â(B̂Ψ) (4.4) Anmerkung: Wir schreiben kein explizites Verknüpfungssymbol für das Produkt. Man findet manchmal auch  · B̂ anstelle von ÂB̂. Das Produkt von Operatoren ist nicht kommutativ! Mit Hilfe dieser Regeln können neue Operatoren konstruiert werden. Regel (3) erlaubt es, Polynome von Operatoren zu definieren: Ân = Â(Ân−1 ) (4.5) Operatorwertige Funktionen f (Â) lassen sich anhand der Definition von Summe und Produkt über die entsprechenden Taylorreihen definieren. Beispielsweise ist die Taylorreihe der Exponentialfunktion ex = ∞ X 1 n x für x ∈ C n! n=0 Analog definiert man die Exponentialfunktion eines linearen Operators Â: e = ∞ X 1 n  n! n=0 Ein ganz entscheidender Punkt beim Rechnen mit linearen Operatoren ist die Nichtkommutativität des Produktes. Das bedeutet explizit:  B̂Ψ 6= B̂ ÂΨ Also ist die Reihenfolge der Anwendung der Operatoren wichtig. Man definiert den Kommutator: h i Â, B̂ = ÂB̂ − B̂  (4.6) Der Kommutator oder auch Vertauschungsrelation ist von zentraler Wichtigkeit in der Quantenmechanik. Beispielsweise ergibt sich für [x̂, p̂x ]Ψ(x): ~ d ~ Ψ(x) = x Ψ0 (x) i dx i ~ d ~ p̂x x̂Ψ(x) = (xΨ(x)) = (Ψ(x) + xΨ0 (x)) i dx i ~ y [x̂, p̂x ] Ψ(x) = [x̂p̂x − p̂x x̂] Ψ(x) = − Ψ(x) = i~Ψ(x) i y [x̂, p̂x ] = i~ (x̂p̂x )Ψ(x) = x (4.7) Allgemein beschreibt man ein System aus N Teilchen mit 3N Koordinaten durch die Angabe der 3N ’verallgemeinerten’ Koordinaten qi , i = 1, ..., 3N und der dazu korrespondierenden Impulse pi , die man als kanonisch konjugierte Impulse bezeichnet. Bei den Koordinaten kann es sich beispielsweise um kartesische Koordinaten (q1 = x1 , q2 = y1 , q3 = z1 , q4 = x2 , ...) oder auch die entsprechenden Polarkoordinaten (r1 , θ1 , ϕ1 , ...) handeln. Die kanonisch konjugierten Impulse sind dann beispielsweise q1 → px1 , q2 → py1 , ...). Für diese konjugierten Variablen gilt: [q̂i , p̂k ] = 0 56 i 6= k 4.1 Eigenschaften linearer Operatoren (z.B.: [ŷ, p̂x ] = 0) und [q̂i , p̂i ] = i~ oder allgemein ausgedrückt: [q̂i , p̂k ] = i~δi,k (4.8) Es gelten folgende Rechenregeln für Kommutatoren : i h Â,  = 0 h i Â, B̂ = −[B̂, Â] h i  + B̂, Ĉ = [Â, Ĉ] + [B̂, Ĉ] i h ÂB̂, Ĉ = Â[B̂, Ĉ] + [Â, Ĉ]B̂ (4.9) (4.10) (4.11) (4.12) wobei Â, B̂, Ĉ lineare Operatoren sind. Eigenwerte und Eigenfunktionen linearer Operatoren Die Eigenwertgleichung ist folgendermaßen definiert: ÂΨi = ai Ψi (4.13) mit den Eigenwerten ai und den Eigenfunktionen Ψi von Â. Entartung Wendet man einen Operator auf n linear unabhängige Funktionen an und erhält jedesmal denselben Eigenwert, so heißt dieser n-fach entartet, z.B.: (1) = ai Ψi (1) und Ψi ÂΨi (1) (2) Hier ist ai zweifach entartet und Ψi mein ist im Fall von (r) ÂΨi (2) und ÂΨi (2) = ai Ψi (2) linear unabhängig (d.h.: Ψi (1) 6= λΨi , λ ∈ C). Allge- (r) = ai Ψi r = 1, ..., n n o (1) (2) (n) ai n-fach entartet und die Ψi , Ψi , ..., Ψi sind linear unabhängig. Erwartungswert Der Erwartungswert einer physikalischen Größe G(q) ist definiert durch: Z hGi = dqΨ(q)? Ĝ(q)Ψ(q) Allgemein ist hier Ψ = Ψ(q1 , , .., qM ). Für das Volumenelement wird im Folgenden abkürzend dτ geschrieben, also: dτ := dq1 · dq2 · dq3 ...dqm (4.14) Für drei Dimensionen gilt beispielsweise: dτ = dxdydz oder in Polarkoordinaten dτ = r2 sin θdrdθdϕ. Dann hat man für den Erwartungswert von Ĝ(q1 , ..., qM ) formal Z hGi = dτ Ψ? (τ )ĜΨ(τ ) Die explizite Abhängigkeit des Operators Ĝ von den Koordinaten schreibt man häufig nicht auf. 57 4 Axiomatische Quantenmechanik Adjungierter Operator Der zu  adjungierte Operator † ist definiert durch: Z dτ Ψ?1 (ÂΨ2 ) = Z dτ Ψ?2 († Ψ1 ) ? (4.15) Es gilt beispielsweise: d d und † = − dx dx Von besonderer Wichtigkeit in der Quantenmechanik sind Operatoren, die selbstadjungiert oder hermitesch sind. Deshalb definieren wir noch  = Hermitesche Operatoren  heißt hermitesch oder selbstadjungiert, wenn gilt † =  (4.16) d Ein Beispiel für einen hermiteschen Operator ist  = i dx . Die Relevanz hermitescher Operatoren beruht auf deren speziellen Eigenschaften, die in den folgenden Sätzen behandelt werden. Satz Die Eigenwerte eines hermiteschen Operators sind reell. R Beweis: Es gelte ÂΨi = ai Ψi (und ferner dτ Ψ?i Ψi = 1). Betrachtet man Z Z Z ? ? dτ Ψi (ÂΨi ) = dτ Ψi (ai Ψi ) = ai dτ Ψ?i Ψi = ai so gilt wegen der Hermitezität von  ? Z ? Z ? Z Z = dτ Ψ?i ÂΨi = dτ Ψ?i (ÂΨi ) = dτ Ψ?i (ai Ψi ) = ai dτ Ψ?i Ψi = a?i Daraus folgt: ai = a?i , somit ist ai ∈ R. q.e.d. Satz Die Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal. Beweis: Es gelte ÂΨi = ai Ψi und ÂΨk = ak Ψk mit k = 6 i. Wir betrachten: Z Z ? dτ Ψi ÂΨk = ak dτ Ψ?i Ψk und Z dτ Ψ?k ÂΨi ? Z = dτ Ψ?k (ai Ψi ) und bilden die Differenz: Z (ak − ai ) Z = ai dτ Ψ?i Ψk dτ Ψ?i Ψk = 0 Mit (ak − ai ) ∈ R und ak 6= ai folgt hieraus: Z dτ Ψ?i Ψk = 0 für 58 ? k 6= i q.e.d. 4.1 Eigenschaften linearer Operatoren Anmerkung hierzu: Ist ai n-fach entartet: (r) ÂΨi (1) (n) kann man Ψi ...Ψi (r) = ai Ψi ; r = 1, ..., n so wählen, dass gilt: Z (r)? (p) dτ Ψi Ψi = 0 , r 6= p die Funktionen also orthogonal sind. Satz Die Eigenfunktionen eines Hermiteschen Operators spannen eine vollständige Basis auf (auch vollständiges Orthonormalsystem (VONS) genannt). Beweis: nicht ganz trivial. Auf den Beweis des letzten Satzes wird hier verzichtet. Es soll aber noch etwas auf die Bedeutung der Begriffe eingegangen werden. Der Begriff der Basis ist hierbei genau wie in der linearen Algebra zu verstehen. Wenn man beispielsweise einen zweidimensionalen Vektorraum betrachtet, so bilden die Einheitsvektoren ~ex und ~ey eine orthogonale Basis, vgl. Abb. 4.1, d.h. es gilt: ~ex · ~ex = 1 ; ~ey · ~ey = 1 ~ex · ~ey = 0 ~ex · ~ey = δik oder y e y e x x Abbildung 4.1: Basis im zweidimensionalen Vektorraum Völlig analog definiert man eine Basis in einem Funktionenraum. Die Eigenfunktionen Ψi eines hermiteschen Operators bilden eine Basis in einem sogenannten Funktionenraum (Raum der quadratintegrablen Funktionen, Hilbertraum). Die entsprechende Orthogonalitätsbeziehung ist schon bekannt: R ? dτ Ψi (τ )Ψk (τ ) = δik und hat dieselbe Funktion wie das Skalarprodukt der Basis-Vektoren im Vektorraum. (In der Mathematik spielt das Skalarprodukt eine große Rolle, weil es für die Definition einer Metrik im entsprechenden Raum wichtig ist.) Unter Vollständigkeit versteht man die Tatsache, dass sich jede (quadratintegrable) Funktion nach den Basisfunktionen entwickeln läßt. Das ist völlig analog zu der Entwicklung eines beliebigen Vektors ~a nach den Einheitsvektoren ~ei : ~a = ax~ex + ay ~ey mit ax = ~ex · ~a = |~a| cos(^~a, ~ex ) und ay = ~ey · ~a = |~a| cos(^~a, ~ey ) = |~a| sin(^~a, ~ex ) 59 4 Axiomatische Quantenmechanik Völlig analog geht man bei der Entwicklung einer beliebigen Funktion vor: Die Eigenfunktionen Ψi , i = 0, 1, 2, ... eines Hermiteschen Operators bilden eine vollständige Basis im Raum der quadratintegrablen Funktionen (Hilbertraum). Φ sei eine beliebige Funktion. Dann lautet die Entwicklung: X Φ= ci Ψi (4.17) i Die Koeffizienten ci sind dabei gegeben durch: Z ci = dτ Ψ?i · Φ (4.18) Diese Koeffizienten haben also dieselbe Form wie im obigen Beispiel die Entwicklungskoeffizienten ax und ay . Man sieht hieran, dass es eine enge Analogie zwischen den quadratintegrablen Eigenfunktionen hermitescher Operatoren und der BasisReines Vektorraumes gibt, wenn man für zwei solche Funktionen, beispielsweise ψ1 und ψ2 , das Integral dτ ψ1∗ ψ2 als Skalarprodukt auffasst. Wir betrachten noch ein konkretes Beispiel. Die Eigenfunktionen des Operators L̂z , 1 Ψm = √ eimϕ , m = 0, ±1, ±2, ±3, ... 2π R 2π bilden eine vollständige Basis. Es gilt cos(ϕ) nach dieser Basis: Φ= ∞ X 0 dϕΨ?m Ψn = δm,n . Wir entwickeln jetzt die Funktion Φ(ϕ) = cm Ψm (ϕ) m=−∞ Z 2π dϕΨ?m (ϕ) Z 2π dϕΨ?m (ϕ) · cos ϕ Z 2π Z 2π Z 2π 1 1 1 1 −imϕ −iϕ −imϕ iϕ −iϕ −imϕ iϕ = √ dϕe e dϕe (e + e ) = √ dϕe e + 2 2π 0 2 2π 0 0 2π = √ (δm,1 + δm,−1 ) 2 2π cm = 0 · Ψ(ϕ) = 0 Also gilt: √ c1 = 2π und c−1 = 2 √ 2π 2 P Das heißt: die Entwicklung m cm Ψm (ϕ) reduziert sich in diesem Beispiel auf genau zwei Terme, da alle cm mit m 6= ±1 verschwinden. Diese Betrachtungen zu den mathematischen Grundlagen sind ausreichend, um nun auf die Axiomatik der Quantenmechanik einzugehen. 4.2 Postulate der Quantenmechanik Wir betrachten zunächst die Wellenfunktionen eines physikalischen Systems, das durch die verallgemeinerten Koordinaten q1 , ..., qM (s. oben) beschrieben wird, Ψ(q1 , ..., qM , t). Für ein System aus N Teilchen mit kartesischen Ortskoordinaten können die qi beispielsweise als ~r1 = (q1 , q2 , q3 ), ~r2 = (q4 , q5 , q6 ), etc. gewählt werden. 60 4.2 Postulate der Quantenmechanik 1. Postulat Jeder Zustand eines physikalischen Systems wird vollständig durch die Wellenfunktion Ψ(q1 , ..., qM , t) der Koordinaten des Systems: q1 , ..., qM zum Zeitpunkt t bestimmt. Die Größe Ψ? (q1 , ..., qM , t)Ψ(q1 , ..., qM , t)dτ (4.19) ist proportional zur Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt t für q1 Werte zwischen q1 und q1 + dq1 für q2 Werte zwischen q2 und q2 + dq2 .. .. .. . . . und für qM Werte zwischen zu finden. qM und qM + dqM Die wichtigsten Eigenschaften von Ψ sind: 1. Ψ ist eine komplexwertige Funktion der Koordinaten q1 , ..., qM . Ψ(q1 , ..., qM , t) hängt also nicht von den Impulsen ab. 2. Ψ ist - außer an singulären Punkten des Potentials - stetig und stetig differenzierbar. 3. Ψ ist eindeutig 4. Ψ ist normierbar/quadratintegrabel R Weiter oben hatten wir den Erwartungswert von physikalischen Größen, hAi = dτ Ψ? ÂΨ, betrachtet. Physikalisch sind natürlich lediglich solche Erwartungswerte relevant, die auch zu messbaren Größen korrespondieren. Messbare physikalische Größen heißen Observablen Diese Definition brauchen wir noch für das nächste Postulat: 2. Postulat Jeder Observablen eines physikalischen Systems wird ein linearer hermitescher Operator zugeordnet. Die physikalischen Eigenschaften der Observablen werden durch die mathematischen Eigenschaften des zugehörigen Operators bestimmt. Dieses Postulat hat zwei ganz wichtige Konsequenzen. Die Tatsache, dass jeder Observablen ein hermitescher Operator zugeordnet wird, bedeutet, dass die Eigenwerte und damit auch die möglichen Messwerte (vgl. unten) reell sind. Der Hamiltonoperator ist also linear und hermitesch. Deshalb ist das Superpositionsprinzip für alle Lösungen der Schrödingergleichung erfüllt und es kann Interferenzphänomene geben. Beispiele für die Zuordnung von Operatoren sind: Observable Ort Potential Impuls klassische Mechanik xi , qi , ~r V (x) px , p~, pi (konj. zu qi ) Quantenmechanik x̂, q̂i , ~ˆr V̂ (x̂) ∂ ˆ ~ p~i = p̂x = ~i ∂x ; p~ = ~i ∇; kin.Energie Drehimpuls 1 2 T = 2m p~ ~ L = ~r × p~ 1 2 ~ T̂ = 2m p̂ = − 2m 4 ˆ ˆ ˆ ˆ ~ ~ L = ~r × p~ = ~r × ~i ∇ Energie, Hamiltonfkt. H =T +V Ĥ = T̂ + V̂ ~ ∂ i ∂q 2 61 4 Axiomatische Quantenmechanik Um allgemein klassische Observable in quantenmechanische Operatoren zu transformieren, benutzt man folgende Übersetzungsregeln: Schreibe die klassische Größe A als Funktion der Koordinaten qi und der konjugierten Impulse pi , i = 1, ..., M , auf: A(qi , ..., qM ; pi , ..., pM ) Ersetze qi durch q̂i und die pi durch p̂i = ~i ∂q∂ i . Auf diese Art erhält man den korrespondierenden Operator: Â(q̂i , ..., q̂M ; p̂i , ..., p̂M ) (4.20) 3. Postulat Gegeben sei ein Satz identischer physikalischer Systeme im normierten Zustand Ψ(τ, t) = Ψ(q1 , ..., qM , t). Der Erwartungswert einer Serie von Messungen (im Prinzip unendlich viele) einer Observablen A mit zugeordnetem Operator  ist durch: Z hAi = dτ Ψ? (τ )ÂΨ(τ ) (4.21) gegeben. Die zugehörige Schwankung (Standardabweichung, Unschärfe) ist: p ∆A = hA2 i − hAi2 (4.22) Als Messwerte können nur Eigenwerte ai von  erhalten werden und nach einer Messung befindet sich das System im Zustand Ψi mit ÂΨi = ai · Ψi . Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Wert ai gefunden wird, ist durch 2 Z ? (4.23) W (ai ) = dτ Ψi (τ ) · Ψ(τ ) gegeben. Die wichtigen Aussagen dieses Postulats fassen wir nochmal zusammen: • eine Einzelmessung liefert als Resultat notwendig einen Eigenwert ai von Â. Das bedeutet also eine grundsätzliche Einschränkung der möglichen Messwerte. • Für den Erwartungswert von  gilt: hAi = X W (ai )ai i (s. unten). Das ist ein Resultat, wie man es in der gewöhnlichen Statistik erwartet. • Wenn man viele Messungen durchführt, findet man demnach nicht immer denselben Wert ai , sondern Werte ai mit Wahrscheinlichkeit W (ai ). Das bedeutet, man findet ein in Abbildung 4.2 skizziertes Ergebnis. Man erwartet für viele Messungen, dass W (ai ) ’normal verteilt’ ist, die Verteilungsfunktion also durch eine Gaußkurve gegeben ist. Die Varianz ∆A2 ist ein Maß für die Breite der Verteilung W (ai ). 62 4.2 Postulate der Quantenmechanik W(ai) ∆A A ai Abbildung 4.2: Skizze zum 3. Postulat Um diese Aussagen besser zu verstehen, betrachten wir den Erwartungswert Z hAi = dτ Ψ? ÂΨ etwas genauer. Dabei ist Ψ der Zustand des Systems vor der Messung. Wir wissen, dass die Eigenfunktionen Ψi von  eine vollständige Basis bilden. Daher können wir Ψ in dieser Basis entwickeln, vgl. Gl.(4.17): Z X Ψ= ci Ψi mit ci = dτ Ψ?i · Ψ i Diese Beziehung nutzen wir in der Berechung von hAi: Z X X Z X Z hAi = dτ Ψ? Â( ci Ψi ) = ci dτ Ψ? ÂΨi = ci dτ Ψ? ai Ψi i = X y hAi = X Z ci ai i ? dτ Ψ Ψi = X i i ci ai c?i , da c?i Z = dτ Ψ? Ψi i 2 |ci | · ai i Dabei haben wir ausgenutzt, dass wir die Integration und die Summation vertauschen dürfen (ohne Beweis). Mit Gleichung (4.23) folgt: 2 Z ? W (ai ) = dτ Ψi · Ψ = |ci |2 und wir finden für den Erwartungswert: hAi = X W (ai )ai (4.24) i Ein ganz wichtiger Aspekt ist folgender: man kann nicht davon ausgehen, dass man auf der Basis einer Messung auf den vor der Messung vorhandenen Zustand zurückschließen kann. Vielmehr ist der Einfluss der Messung auf das System derart, dass sich das System nach einer Messung im Eigenzustand Ψi von  befindet, falls man den zugehörigen Eigenwert ai gemessen hat. Der Zustand Ψ wird also durch die Messung von ai in den Zustand Ψi überführt. Das bedeutet, dass der Zustand des Systems durch die Messung verändert wird: Wenn man den Wert ai bei einer Messung erhält, so weiß man, dass das System nach dieser Messung im Eigenzustand Ψi von  vorliegt. Man hat das System also durch die Messung in einem Eigenzustand Ψi ’präpariert’. 63 4 Axiomatische Quantenmechanik Soweit sind alle Aussagen allgemein und gelten für einen beliebigen Ausgangszustand Ψ. Nun betrachten wir den Fall, dass sich das System vor der Messung im Eigenzustand Ψi von  befindet, z.B. durch vorhergehende Präparation. In diesem Fall hat man für den Erwartungswert einfach: Z Z ? hAi = dτ Ψi ÂΨi = ai dτ Ψ?i Ψi = ai Für die Unschärfe oder Varianz findet man mit hA2 i = R dτ Ψ?i Â2 Ψi = a2i : q p 2 2 ∆A = hA i − hAi = a2i − a2i = 0 Das ist leicht verständlich: Wir messen in jeder Messung genau den Wert ai und dementsprechend verschwindet die Unschärfe. Eine solche Messung bezeichnet man als scharfe Messung. In der Umkehrung heißt das: findet man ∆A = 0, so befindet sich das System notwendig in einem Eigenzustand zu Â. Nun betrachten wir zwei Observable  und B̂. Es stellt sich die Frage, ob es Zustände gibt, derart, dass man beide Observablen gleichzeitig scharf bestimmen kann. Zur Erinnerung: in der klassischen Physik geht das immer! Wir nehmen an, dass wir zunächst hAi messen und das System dadurch im entsprechenden Eigenzustand präparieren. Wir gehen davon aus, dass wir hAi = ai messen. Dann befindet sich das System nach der Messung im Zustand Ψi mit ÂΨi = ai Ψi . Anschließend wird eine Messung der Observablen B̂ durchgeführt: Z hBi = dτ Ψ?i B̂Ψi Dabei wird der Erwartungswert mit dem Zustand Ψi gebildet, da sich das System ja vor der B-Messung in diesem Zustand befand. Es folgt, dass die Messung von B scharf ist, falls Ψi auch ein Eigenzustand von B̂ ist (B̂Ψi = bi Ψi ), denn dann gilt: Z hBi = dτ Ψ?i B̂Ψi = bi Das heißt: man kann zwei Observablen genau dann gemeinsam bestimmen, falls sie gemeinsame Eigenfunktionen haben. Wann das der Fall ist, folgt aus der Betrachtung des Kommutators: h i Â, B̂ Ψi = ÂB̂Ψi − B̂ ÂΨi = Âbi Ψi − B̂ai Ψi = bi ÂΨi − ai B̂Ψi = bi ai Ψi − ai bi Ψi = 0 der folgende Satz Wenn zwei hermitesche Operatoren Â, B̂ kommutieren, [Â, B̂] = 0, dann besitzen sie ein vollständiges Orthonormalsystem von gemeinsamen Eigenfunktionen und umgekehrt. Die Konsequenz hieraus lautet: zwei Observablen  und B̂ sind gleichzeitig scharf messbar, wenn h i Â, B̂ = 0 Solche Observablen heißen kompatibel. 64 4.2 Postulate der Quantenmechanik Beispiel: Wir kennen den Kommutator für die Koordinaten und die konjugierten Impulse: [q̂i , p̂k ] = i~δi,k (4.25) Das bedeutet: für i 6= k ist [qi , pk ] = 0 und qi und pk sind kompatibel. Für i = k hat man dagegen [qi , pi ] = i~ und qi und pi (z.B. x und px ) können nicht gleichzeitig scharf bestimmt werden. Für solche Paare hatten wir schon die Heisenbergsche Unschärferelation in Kap. 3.1.2 kennengelernt: ∆qi ∆pi ≥ ~2 . Das gilt allgemein: Heisenbergsche Unschärferelation: Für zwei Observable Â, B̂ gilt (ohne Beweis): i 1 h ∆A · ∆B ≥ h Â, B̂ i 2 (4.26) Observablen, für die ∆A · ∆B > 0 gilt, heißen komplementär bzw. nicht kompatibel. Das bedeutet insbesondere, dass sie nicht gleichzeitig scharf bestimmbar sind. Für die Koordinaten und die konjugierten Impulse ergibt sich also: ∆qi ∆pi ≥ 1 1 1 |h[q̂i , p̂i ]i| = |i~| = ~ 2 2 2 (4.27) Unser letztes Postulat beschäftigt sich mit der zeitlichen Entwicklung eines physikalischen Systems: 4. Postulat Die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion Ψ(q1 , ..., qM , t) wird durch die zeitabhängige Schrödingergleichung: ∂Ψ i~ = ĤΨ (4.28) ∂t mit dem Hamiltonoperator Ĥ bestimmt. Diese Gleichung läßt sich nicht aus anderen physikalischen Gesetzen herleiten. Betrachten man konservative Systeme, für die das Potential V (q1 , ..., qM ) zeitunabhängig ist, so gibt es stationäre Zustände. Das bedeutet insbesondere, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte zeitunabhängig ist: |Ψ(q1 , ..., qM , t)|2 = |Ψ(q1 , ..., qM )|2 . In diesem Fall ist die Zeitabhängigkeit der Wellenfunktion durch einen komplexen Phasenfaktor gegeben: E Ψ(q1 , ..., qM , t) = Ψ(q1 , ..., qM )e−i ~ ·t Einsetzen dieser Form in die zeitabhängige Schrödingergleichung (4.28) liefert die zeitunabhängige Schrödingergleichung: ĤΨ(q1 , ..., qM ) = EΨ(q1 , ..., qM ) Abschließend betrachten wir nochmals den Erwartungswert einer Observablen: Z hA(t)i = dτ Ψ? (q1 , ..., qM , t)ÂΨ(q1 , ..., qM , t) Das bedeutet, hA(t)i ist über Ψ(q1 , ..., qM , t) zeitabhängig. Die zeitabhängige Schrödingergleichung erlaubt es, ein Zeitgesetz für die Erwartungswerte zu formulieren: Z Z d d ∂Ψ? ∂Ψ hA(t)i = dτ [Ψ? ÂΨ] = dτ ÂΨ + Ψ?  dt dt ∂t ∂t 65 4 Axiomatische Quantenmechanik ∂ 1 Aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung folgt ∂t Ψ = i~ ĤΨ und somit: † 1 1 ∂Ψ ? 1 ĤΨ = − Ψ? Ĥ † = − Ψ? Ĥ =− ∂t i~ i~ i~ Also haben wir für den uns Fall,dass  nicht explizit von der Zeit abhängt, d dt  = 0, 1 1 1 d ? i [Ψ ÂΨ] = − Ψ? Ĥ ÂΨ + Ψ? ÂĤΨ = Ψ? [Â, Ĥ]Ψ = Ψ? [Ĥ, Â]Ψ dt i~ i~ i~ ~ und somit: i d hA(t)i = dt ~ Z dτ Ψ? [Ĥ, Â]Ψ = i h[Ĥ, Â]i ~ das heißt: i d i h hA(t)i = h Ĥ,  i dt ~ (4.29) Für das spezielle Beispiel, dass  mit dem Impulsoperator p̂ übereinstimmt, folgt (der Einfachheit halber in einer Dimension): 2 i h p̂ Ĥ, p̂ = + V̂ (q̂), p̂ 2m 1 2 [p̂ , p̂] + [V (q̂), p̂] = 2m | {z } | {z } 0 − ~i dV (q) dq und hieraus: d dV (q) hp(t)i = −h i = hF (q)i dt dq (4.30) Ein solches Ergebnis findet man auch für andere Erwartungswerte als den Impuls. (Dafür ist es lediglich besonders einsichtig, denn Gleichung (4.30) ist gerade das zweite Newton’sche Axiom.) Das gilt allgemein: Die quantenmechanischen Erwartungswerte erfüllen die klassischen Bewegungsgleichungen (Ehrenfest Theorem). Betrachten wir speziell solche Observablen, die mit dem Hamiltonoperator kommutieren, d.h. [Ĥ, Â] = 0, so folgt aus Gleichung (4.29) für solche Observablen: d hA(t)i = 0 dt was gleichbedeutend mit hA(t)i = konst. ist. Das bedeutet, hA(t)i ändert sich im Laufe der h Zeiti nicht. Deshalb bezeichnet man Observable Â, für die Ĥ,  = 0 gilt, als Konstanten der Bewegung oder als Erhaltungsgrößen. h i Als Beispiel sei das H-Atom betrachtet. Für dieses gilt, vgl. Gl.(3.64), Ĥ, L̂2 = 0. Also ist der Drehimpuls in diesem Beispiel eine Erhaltungsgröße. Wir wissen außerdem, dass zwei kommutierende Observable ein gemeinsames System von Eigenzuständen haben, d.h.: h i ĤΨi = Ei Ψi und ÂΨi = ai Ψi falls Ĥ,  = 0 66 4.3 Die Dirac-Schreibweise Dabei sind die ’i’ die relevanten Quantenzahlen. Diese Quantenzahlen ändern sich also nicht im Laufe der Zeit und sind deshalb gut geeignet, die Zustände des betrachteten quantenmechanischen Systems zu charakterisieren. Man bezeichnet die Quantenzahlen einer Erhaltungsgröße als gute Quantenzahlen. 4.3 Die Dirac-Schreibweise Die formale Quantenmechanik ist in einem abstrakten Funktionenraum, dem sogenannten Hilbertraum der quadratintegrablen Funktionen definiert. Ohne auf mathematische Details einzugehen, kann man die Operatoren und Funktionen wie in der linearen Algebra betrachten, wobei man sich eine spezielle Schreibweise zunutze macht. Statt von Wellenfunktionen Ψ(q1 , ..., qM ) spricht man im Kontext der Dirac-Schreibweise von Zuständen Ψ. Man schreibt kurz: Ψ = |Ψi; |Ψi heißt Ket (4.31) und Ψ? = hΨ|; hΨ| heißt Bra Für das Skalarprodukt schreibt man: Z dτ Ψ? Ψ = hΨkΨi = hΨ|Ψi (4.32) Braket Bei dieser Schreibweise läßt man sich die Freiheit, lediglich diejenigen Abhängigkeiten aufzuschreiben, die in einem gegebenen Kontext interessieren. Will man eine Koordinatenabhängigkeit anzeigen, so drückt man Ψ(x) durch |Ψ(x)i aus. Will man explizit eine t-Abhängigkeit zeigen, schreibt man |Ψ(t)i und meint im Allgemeinen damit |Ψ(q1 , ..., qM , t)i und so weiter. Für die Schrödingergleichung schreibt man Ĥ|Ψi = E|Ψi und für die t- abhängige Schrödingergleichung: i~ ∂ |Ψi = Ĥ|Ψi ∂t oder i~ ∂ |Ψ(t)i = Ĥ|Ψ(t)i ∂t Eine häufig benutzte abkürzende Schreibweise ist folgende: man schreibt in das Ket (oder das Bra) nur die relevanten Quantenzahlen. Für eine Wellenfunktion Ψn schreibt man also |ni (statt |Ψn i). So schreibt man beispielsweise in Kurzform für die Kugelflächenfunktionen Yl,m (θ, ϕ) , |l, mi oder für die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators für das H-Atom Ψn,l,m (r, θ, ϕ) , |n, l, mi Ähnlich geht man bei der Anwendung eines Operators auf eine Eigenfunktion oder einen Eigenzustand vor: Für ÂΨn = an Ψn schreibt man: Â|ni = an |ni und insbesondere Ĥ|ni = En |ni 67 4 Axiomatische Quantenmechanik das heißt: die Gesamtheit der {|ni} sind die Eigenzustände von Ĥ. Analog schreibt man kurz für die Wirkung der Drehimpulsoperatoren: L̂2 |l, mi = ~2 l(l + 1)|l, mi L̂z |l, mi = ~m|l, mi Das Integral R dτ Ψ?m ÂΨn = hm|Â|ni nennt man Matrixelement und schreibt dafür auch: Am,n = hm|Â|ni Beispielsweise ergibt sich mit dem Einsoperator:  = 1̂ hm|1̂|ni = hm|ni = hn|mi? Besonders wichtig sind die hermiteschen Operatoren, für die gilt: Â|ni = an |ni an ∈ R Die Orthogonalität der Eigenzustände schreibt man als: 1 hn|mi = δn,m = 0 für n = m für n 6= m Für das Matrixelement gilt: Z dτ Ψ?m ÂΨn Z = dτ Ψ?n ÂΨm ? was man als hm|Â|ni = hn|Â|mi? schreibt. Die Vollständigkeit der Eigenzustände schreibt man formal als X |nihn| = 1 (4.33) n Das nennt man ’Zerlegung der Einheit’. Diese Schreibweise eignet sich gut um algebraische Ausdrücke zu manipulieren. Als Beispiel soll die Entwicklung einer beliebigen Funktion Ψ in der Basis der Eigenfunktionen von Â, {Ψn }, betrachtet werden: Z X Ψ= ci Ψi mit ci = dτ Ψ?i · Ψ i Das schreiben wir formal als: ! X X X |Ψi = 1|Ψi = |nihn| |Ψi = |nihn|Ψi = hn|Ψi|ni n n Z hn|Ψi = mit dτ Ψ?n Ψ n Ein weiteres Beispiel ist die Berechnung des Erwartungswertes: Z hAi = dτ Ψ? ÂΨ X X X = hΨ|Â|Ψi = hΨ| |nihn|Ψi = hΨ|Â|nihn|Ψi = an hΨ|nihn|Ψi n hAi = X n 2 an |hn|Ψi| = X n n 2 an |cn | = X n an W (an ) n Es gibt viele weitere Beispiele für diese Schreibweise. Aufgrund ihrer formalen ’Einfachheit’ hat sich die Diracschreibweise weitgehend in den formalen Darstellungen durchgesetzt. 68 5 Drehimpulse und Spin Der Drehimpuls ist klassisch definiert als ~ = ~r × p~ L (5.1) Die quantenmechanische Definition des Drehimpulsoperators lautet: mit ˆ~ ~ˆ = ~ˆr × p L ˆ~ = −i~∇ ~ = −i~(∂x , ∂y , ∂z )T p (5.2) ~ˆ z . Die Eigenwertglei~ˆ y , L ~ˆ x , L ~ˆ um einen Vektoroperator mit den Komponenten L Es handelt sich bei L chungen für das Quadrat und die z-Komponente des Drehimpulsoperators lauten (vgl. Gleichungen (3.57) und (3.60)): L̂2 Yl,m (θ, ϕ) = ~2 l(l + 1)Yl,m L̂z Yl,m = ~mYl,m Die Kugelflächenfunktionen sind also gemeinsame Eigenfunktionen von L̂2 und L̂z . Nach dem im Zusammenhang mit dem 3.Postulat formulierten Satz (s.S.: 64) heißt das: L̂2 und L̂z kommutieren, es gilt also: [L̂2 , L̂z ] = 0 Diese Überlegungen gelten für einen Bahndrehimpuls. Wir werden diese Aussagen jetzt verallgemeinern. 5.1 Definition von Drehimpulsoperatoren Die sich aus Gleichung (5.2) gemäß den im Zusammenhang mit dem 2.Postulat formulierten Übersetzungsregeln (s.S. 62) ergebenden Operatoren heißen Drehimpulsoperatoren. Für deren Einzelkomponenten gilt, wie wir bereits in Kapitel 3.4 (s.S. 40) festgestellt haben: L̂x = ŷ p̂z − ẑ p̂y L̂y = ẑ p̂x − x̂p̂z L̂z = x̂p̂y − ŷ p̂x Mit Hilfe der Kommutatoren: [x̂, p̂x ] = [ŷ, p̂y ] = [ẑ, p̂z ] = i~, [x̂, ŷ] = ... = 0, [p̂x , p̂y ] = ... = 0 ~ˆ berechnen. lassen sich die Kommutatoren der Komponenten von L Es ergibt sich: h i h i h i L̂x , L̂y = i~L̂z ; L̂z , L̂x = i~L̂y ; L̂y , L̂z = i~L̂x Außerdem wissen wir, dass gilt: h i h i h i L̂z , L̂2 = L̂x , L̂2 = L̂y , L̂2 = 0 Es ist also möglich, L2 und eine Komponente gleichzeitig scharf zu bestimmen (hierbei wird konventionell die z-Komponente gewählt; s. Kapitel 3). 69 5 Drehimpulse und Spin Für Bahndrehimpulse gilt: die Quantenzahlen l und m sind ganzzahlig, Quantenzahlen eines nichtklassischen Drehimpulses, beispielsweise die des Spins, können aber auch halbzahlig sein. Aus diesem Grund definieren wir: ˆ Definition: Ein Vektoroperator J~ ist ein Drehimpulsoperator, wenn für seine Komponenten gilt: i i h i h h Jˆy , Jˆz = i~Jˆx (5.3) Jˆz , Jˆx = i~Jˆy Jˆx , Jˆy = i~Jˆz Als Konsequenzen ergeben sich hieraus: • Jˆ2 und die Einzelkomponenten kommutieren: [Jˆ2 , Jˆx ] = [Jˆ2 , Jˆy ] = [Jˆ2 , Jˆz ] = 0 (5.4) • Jˆ2 und Jˆz haben gemeinsame Eigenzustände Jˆ2 |j, mi = ~2 j(j + 1)|j, mi Jˆz |j, mi = ~m|j, mi m = −j, ..., j hierbei ist j nicht festgelegt (es kann also auch halbzahlig sein). Für Bahndrehimpulse gilt l = 0, 1, 2, .... 5.2 Der Spin Um uns nun dem schon erwähnten Spin zuzuwenden (wichtig für uns ist hierbei vor allem der Elektronenspin), betrachten wir zunächst den in Abb. 5.1 skizzierten Versuch, der als Stern-Gerlach-Experiment (1922) bekannt ist. Hierbei tritt ein Atomstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld, wird abgelenkt und trifft auf einen Detektorschirm. Detektorschirm Atomstrahl N S Abbildung 5.1: Der Stern-Gerlach-Versuch Was passiert hier (qualitativ)? Ein Elektron in einem Atom ist eine bewegte Ladung, die klassisch betrachtet ein magnetisches Moment besitzt, das durch ~ µ ~ = γL (5.5) 70 5.2 Der Spin mit dem gyromagnetisches Verhältnis γ=− e 2me (Bohrsches Magneton) (5.6) gegeben ist. In der klassischen Physik ist die Energie eines magnetischen Moments in einem äußeren ~ gegeben durch: Magnetfeld B ~ = −γ L ~ ·B ~ H = −~ µB (5.7) ~ = Bz ~ez . Nun wählen wir das äußere Feld parallel zur z- Achse: B Dann folgt aus (5.7) Hz = −γBz Lz Der Übergang zur Quantenmechanik erfolgt, indem wir Lz durch L̂z (z-Komponente des Drehimpulsoperators) ersetzen. (Wir behandeln elektromagnetische Felder klassisch. Das ist für unsere Betrachtungen völlig ausreichend und Bz ist für uns eine skalare Größe.) Wir haben also den Hamiltonoperator: Ĥz = −γBz L̂z (5.8) Um das Prinzip des Stern-Gerlach Experiments zu verstehen, betrachten wir der Einfachheit halber ein Wasserstoffatom, für das wir die Zustände kennen: Ψn,l,m = Rn,l (r)Yl,m (θ, ϕ) = |n, l, mi L̂z Yl,m = ~mYl,m ; L̂z |l, mi = ~m|l, mi Für diese Zustände gilt also: Ĥz |n, l, mi = −γBz L̂z |n, l, mi = −γBz ~m|n, l, mi Jetzt ist es möglich die Energie auszurechnen: Z dτ Ψ∗n,l,m Ĥz Ψn,l,m = hn, l, m|Ĥz |n, l, mi Em = −γBz ~m Die Energie ist also von m abhängig. Die (2l + 1)-fache Entartung der Zustände wird durch das Anlegen eines Magnetfeldes aufgehoben (Zeemann-Effekt), vgl. Abb. 5.2. In der Realität legt man ein inhomogenes Magnetfeld an. Das bewirkt, dass auf die Zustände |n, l, mi l=1 l=2 Em Em m=−2 m=−1 m=−1 m=0 m=1 Bz m=0 Bz m=1 m=2 Abbildung 5.2: Atomzustände im Magnetfeld für l = 1, 2 71 5 Drehimpulse und Spin eine Kraft wirkt, die proportional zu (~γm) ist (F = −dEm /dz = ~γmdBz /dz, wobei dBz /dz der Magnetfeldgradient ist). Atome in Zuständen mit verschiedener Magnetquantenzahl m werden somit unterschiedlich abgelenkt. Als Ergebnis des Stern-Gerlach-Versuches würden wir also für ein H-Atom im Grundzustand (n = 1, l = 0, m = 0 y 1s) keine Aufspaltung, für ein Atom im 2p-Zustand (l = 1, m = ±1, 0) dagegen 3 Signalpunkte auf dem Detektorschirm erwarten. Tatsächlich ergeben sich bei der Verwendung von Ag als ’Pseudo’-H-Atom 2 Signalpunkte, statt dem zu erwartenden einen Signalpunkt. Was ist also ’faul’ an der bisherigen Betrachtung? Wir hatten herausgefunden, dass Bz die (2l + 1)-fache Entartung aufhebt. Es sollten sich dabei 2l + 1 Signalpunkte auf dem Detektorschirm ergeben. Es müsste in unserem Fall also gelten: 2l + 1 = 2 Damit wäre ’l = 12 ’, was aber für einen Bahndrehimpuls nicht möglich ist. Das bedeutet, dass die Aufspaltung nicht durch den Bahndrehimpuls des Elektrons bewirkt werden kann. Andererseits ändert sich an den gerade aufgestellten Überlegungen nichts, wenn man statt Gl. (5.5) für ~ˆ verwendet, sondern allgemeiner das magnetische Moment des Elektrons nicht den Bahndrehimpuls L ˆ µ ~ˆ = γ J~ (5.9) schreibt. Dann hat man 2j + 1 = 2, d.h. j = 21 . Man ordnet also einem Elektron einen ’Eigendrehimpuls’, den sogenannten Spin ~ˆs zu. Damit ist ein magnetisches Moment µ ~ˆ = γs~ˆs verknüpft. Die Spinquantenzahl wird mit s bezeichnet (statt l oder j) und als Resultat des Stern-Gerlach-Versuchs folgt s = 12 . Für das gyromagnetische Verhältnis γs gilt γs = g · γ mit g = 2 nach der Dirac-Theorie und g = 2, 00231... nach der Quantenelektrodynamik. Der Elektronenspin selbst wurde 1925 von Goudsmit und Uhlenbeck zur Erklärung von Atomspektren postuliert. Eine natürliche Erklärung für die Existenz des Elektronenspins erfolgte 1928 im Rahmen der relativistischen Quantenmechanik (Dirac). Als Fazit halten wir fest: Jedes Elektron hat einen Spin s = 12 , der kein klassisches Analogon besitzt (s = Ladung eine Eigenschaft des Elektrons) 1 2 ist wie Masse und Allgemein gilt: ~ˆs ist ein Drehimpulsoperator, d.h. [ŝx , ŝy ] = i~ŝz , etc. Außerdem gilt für die sogenannten Spinzustände |s, ms i: ŝ2 |s, ms i = ~2 s(s + 1)|s, ms i ŝz |s, ms i = ~ms |s, ms i s kann hierbei die Werte: 3 5 1 s = 0, , 1, , 2, , ... 2 2 2 annehmen. Für ms gilt (wie immer): ms = −s, −s + 1, ..., s − 1, s Die Spinzustände |s, ms i lassen sich nicht durch ’gewöhnliche’ Funktionen darstellen. 72 (5.10) 5.3 Kopplung von Drehimpulsen Teilchen mit halbzahligem Spin heißen Fermionen (s = 12 , 32 , ...), z.B. Elektronen, Protonen, Neutronen (alle s = 21 ). Teilchen mit ganzzahligem Spin heißen Bosonen, z.B. Deuteronen (s = 1). Wir beschäftigen uns in erster Linie mit Elektronen. Da für Elektronen s = für die Zustände: 1 |s, ms i = |s = , ms i = |ms i 2 1 2 gilt, schreibt man abkürzend wobei ms die Werte − 12 und + 21 annehmen kann. Man gibt also s nicht explizit an. Weitere übliche Schreibweisen sind: 1 |ms = i = | ↑i = |αi 2 1 |ms = − i = | ↓i = |βi 2 Oft verwendet man auch nicht die Dirac-Schreibweise, sondern schreibt einfach α statt |αi und β statt |βi. In dieser Schreibweise hat man dann: 3 ŝ2 α = ~2 α 4 ; 3 ŝ2 β = ~2 β 4 und 1 1 ŝz α = ~α ; ŝz β = − ~β 2 2 Die Wellenfunktionen für Elektronen, die sogenannten Einelektronenwellenfunktionen, schreibt man als: Ψ(~r, σ) = Ψ(~r)χ(σ) (5.11) Dabei ist ~r die Orts- und σ die Spinvariable. Man bezeichnet Ψ(~r, σ) auch als Spinorbital, um diese Funktionen von den Ortsorbitalen Ψ(~r) zu unterscheiden. Die ’Spinfunktionen’ χ(σ) sind symbolisch gegeben durch: 1 1 χ ms = = α und χ ms = − =β 2 2 Für das Elektron eines H-Atoms hat man also für jeden Satz der Quantenzahlen n, l, m die Spinorbitale Ψn,l,m (~r) · α und Ψn,l,m (~r) · β Wir hatten gesehen, dass die Energie nur von n abhängt und jeder Energiewert n2 -fach entartet ist. Berücksichtigt man den Elektronenspin, so verdoppelt sich (im feldfreien Fall) die Zahl der Zustände zu gegebener Energie, das heißt man hat eine 2n2 -fache Entartung. 5.3 Kopplung von Drehimpulsen In Atomen und Molekülen hat man es normalerweise mit mehreren Elektronen zu tun. In solchen Fällen P ~ˆ ˆ~ ~ˆ = PN L ~ˆk und der Gesamtspin S interessiert der Gesamtbahndrehimpuls L = N k k Sk , aber auch der ˆ ˆ~ ˆ~ ~ Gesamtdrehimpuls J = L + S. Auch im Wasserstoffatom haben wir es mit verschiedenen Drehimpulsen zu tun, dem Bahndrehimpuls und dem Spin des Elektrons. Wir interessieren uns für die Frage, welcher Gesamtdrehimpuls resultiert aus der ’Addition’ zweier Drehimpulse. Klassisch läßt sich diese Frage natürlich leicht beantworten: Man bildet die Vektorsumme. Wir werden sehen, dass sich die Sache 73 5 Drehimpulse und Spin in einer quantenmechanischen Beschreibung etwas komplexer darstellt. Für die Diskussion in diesem Kapitel genügt es, zwei Drehimpulse zu betrachten. ˆ ˆ Wir gehen also von zwei (allgemeinen) Drehimpulsoperatoren J~1 , J~2 nach der Definition (5.3) aus. Wir bezeichnen die Zustände mit |j1 , m1 i und |j2 , m2 i, wobei gilt: Jˆ12 |j1 , m1 i = ~2 j1 (j1 + 1)|j1 , m1 i Jˆz1 |j1 , m1 i = ~m1 |j1 , m1 i und analog für |j2 , m2 i. Zunächst stellt sich die Frage, ob Jˆ = Jˆ1 + Jˆ2 auch ein Drehimpuls ist. Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir die Kommutatoren: i h i h Jˆx , Jˆy = Jˆx1 + Jˆx2 , Jˆy1 + Jˆy2 [Jˆx1 , Jˆy1 ] + [Jˆx1 , Jˆy2 ] + [Jˆx2 , Jˆy1 ] + [Jˆx2 , Jˆy2 ] | {z } | {z } | {z } = | {z } 0 0 i~Jz2 i~Jz1 = i~(Jˆz1 + Jˆz2 ) = i~Jˆz Analog findet man: h i Jˆz , Jˆx = i~Jˆy und h i Jˆy , Jˆz = i~Jˆx Das bedeutet: Jˆ = Jˆ1 + Jˆ2 ist (nach Definition) ein Drehimpulsoperator; deshalb gibt es auch gemeinsame Eigenfunktionen: Jˆ2 |J, M i = ~2 J(J + 1)|J, M i Jˆz |J, M i = ~M |J, M i Für M gilt: M = −J, −J + 1, ..., J − 1, J und für J: 1 J = 0, , 1, ... 2 Diese Beziehungen legen allerdings noch nicht fest, wie die Gesamtdrehimpulsquantenzahl J mit den Quantenzahlen j1 und j2 zusammenhängt. Bevor wir uns der Bestimmung der möglichen Werte von J als Funktion von j1 und j2 zuwenden, betrachten wir erst noch die Kommutatoren von Jˆ2 und Jˆz = Jˆz1 + Jˆz2 mit den entsprechenden Operatoren Jˆ12 , Jˆz1 und Jˆ22 , Jˆz2 . Man findet: h i h i h i h i Jˆ2 , Jˆ12 = Jˆ2 , Jˆ22 = Jˆz , Jˆ12 = Jˆz , Jˆ22 = 0 aber h h Jˆ2 , Jˆz1 i 6= 0 Jˆ2 , Jˆz2 i 6= 0 Das heißt: Jˆ2 , Jˆz , Jˆ12 , J22 kommutieren paarweise, aber nicht mit individuellen z- Komponenten Jz1 und Jz2 . Die Größen J, M, j1 und j2 können also gleichzeitig scharf bestimmt werden. 74 5.3 Kopplung von Drehimpulsen Die Tatsache, dass Jˆ2 , Jˆz , Jˆ12 , Jˆ22 alle kommutieren, bedeutet weiter, dass diese vier Operatoren gemeinsame Eigenzustände haben, die wir mit |j1 , j2 ; J, M i bezeichnen. (Zur Erinnerung: [Jˆ2 , Jˆz1 ] 6= 0 bedeutet, dass diese Operatoren keine gemeinsamen Eigenzustände haben, die Magnetquantenzahlen m1 , m2 der Einzelkomponenten können also nicht zusammen mit J, M, j1 , j2 scharf bestimmt werden.) Fazit Wir erhalten zwei Sätze kommutierender Observablen: 1. die ungekoppelte Darstellung: Jˆ12 , Jˆz1 , Jˆ22 , Jˆz2 ; ( Zustände: |j1 , m1 , j2 , m2 i) (5.12) 2. die gekoppelte Darstellung: Jˆ2 , Jˆz , Jˆ12 , Jˆ22 ; ( Zustände: |j1 , j2 , J, M i) (5.13) Die gekoppelte Darstellung ist wichtig für die Bestimmung der Zustände (sog. Terme) von Atomen und Molekülen. Da beide Darstellungen dasselbe physikalische System beschreiben, kann man die möglichen Werte von J für gegebenes j1 und j2 bestimmen. In der ungekoppelten Darstellung gibt es für gegebene j1 , j2 (2j1 + 1)(2j2 + 1) = 2j1 + 2j2 + 1 + 4j1 j2 Zustände. Genauso viele Zustände müssen wir also in der gekoppelten Darstellung finden. Nimmt man naiv an, dass gilt: J = j1 + j2 so erhält man: 2J + 1 = 2j1 + 2j2 + 1 Zustände. Hier ’fehlen’ also 4j1 j2 Zustände. So einfach ist die Bestimmung von J also nicht. Betrachten wir zunächst ein Beispiel: Wir untersuchen den aus Bahndrehimpuls und Spin resultierenden Gesamtdrehimpuls eines p-Elektrons. In diesem Fall ist also: j1 = l = 1 ; j2 = s = 1 2 Die vier miteinander kommutierenden Operatoren sind L̂2 , L̂z , ŝ2 , ŝz . Die Zustände werden beschrieben durch Yl,m · χ(ms ) = |l, m; s, ms i in der ungekoppelten Darstellung. Man erhält also (2j1 + 1) · (2j2 + 1) = 6 Zustände. Mit J = l + s = 23 erhält man 4 Zustände, da 2J + 1 = 4 ist. Es fehlen also, vgl. oben, 4j1 j2 = 4 · l · s = 4 · 1 · 12 = 2 Zustände. Diese beiden fehlenden Zustände müssen natürlich auch Eigenzustände zu Jˆ2 und Jˆz sein. Das bedeutet, es muss eine Quantenzahl J 0 geben mit 2J 0 + 1 = 2. Das ist für J 0 = 21 erfüllt. Das bedeutet zusammengefasst: sind zwei Drehimpulse mit j1 = 1 und j2 = 12 gegeben, so gilt: 3 1 J= , 2 2 An diesem Beispiel sieht man, dass die möglichen Werte für J nicht ganz einfach zu bestimmen sind. Eine systematische Methode geht folgendermaßen vor: Zunächst stellt man fest, dass J > j1 + j2 nicht möglich ist, weil: Mmax = m1,max + m2,max = j1 + j2 75 5 Drehimpulse und Spin Der maximale Wert für J ist also: J = j1 + j2 mit M = −J, −J + 1, ..., J − 1, J und dem maximalen M : Mmax = j1 + j2 (m1 = j1 ; m2 = j2 ). (Für ein p-Elektron wäre z.B. Mmax = 32 und m = 1; ms = 21 .) Zum M -Wert M = j1 + j2 − 1 gibt es allerdings zwei mögliche Zustände, nämlich (M = m1 + m2 !): m1 = j1 , m2 = j2 − 1 und m1 = j1 − 1; m2 = j2 (Für unser p-Elektron sind das die Zustände mit m = 1, ms = − 12 und m = 0, ms = 21 , die beide M = 12 liefern.) Einer dieser Zustände gehört zu den 2J + 1 Zuständen mit J = j1 + j2 , die wir schon betrachtet haben. Der andere gehört notwendig zu J = j1 + j2 − 1 und ist für dieses J derjenige mit dem größtmöglichen Wert für M . Allerdings können wir nicht angeben, welcher Zustand zu J = j1 + j2 und welcher zu J = j1 + j2 − 1 gehört. Das liegt daran, dass man in der gekoppelten Darstellung die Werte für m1 und m2 nicht bestimmen kann. (Für unser p- Elektron gehört also ein Zustand mit M = 21 zu J = 32 (= j1 + j2 ) und einer zu J = 21 (= j1 + j2 − 1)). Genauso geht unser ’Abzählreim’ weiter: Zu M = j1 + j2 − 2 gibt es drei Möglichkeiten: m1 = j1 , m 2 = j2 − 2 m2 = j1 − 2 , m2 = j2 m1 = j1 − 1 , m2 = j2 − 1 Davon gehört ein Zustand zu J = j1 + j2 und einer zu J = j1 + j2 − 1. Also gibt es notwendig auch die Quantenzahl J = j1 + j2 − 2 und der dritte Zustand mit M = j1 + j2 − 2 ist derjenige mit dem größten Wert für M zu diesem J. Diese Vorgehensweise kann man weiter durchführen. Als nächstes käme dann M = j1 + j2 − 3, etc. Man stellt fest, dass das Verfahren bei J = |j1 − j2 | abbricht. Das Resultat dieser Überlegung ist die sogenannte Clebsch-Gordan-Reihe J = j1 + j2 , j1 + j2 − 1, ..., |j1 − j2 | (5.14) Es gilt außerdem die sogenannte Dreiecksregel: für j1 , j2 = 0, 12 , ... ist J derart gestaltet, dass j1 , j2 und J ein Dreieck bilden (siehe Abb. 5.3). j j 1 2 j j2 1 J J Abbildung 5.3: Skizze zur Dreiecksregel Als Beispiel zur Vorgehensweise unter Zuhilfenahme der Clebsch-Gordan-Reihe sei ein Fall für j1 = 2, j2 = 23 betrachtet, hier gilt: j1 = 2 , j2 = 76 3 2 → 7 5 3 1 J= , , , 2 2 2 2 (5.15) 5.3 Kopplung von Drehimpulsen Man kann sich die Vorgehensweise gut anhand der folgenden Tabelle veranschaulichen: m1 m2 3 2 2 3 1 1; 2 2; 2 3 1 1 0; 1; 2 2; 2; −2 −1; 0; 1; 2 32 ; 21 ; − 12 ; − 23 M 7 2 5 2 3 2 1 2 Möglichkeiten 1 2 3 4 J= 1 1 1 1 7 2 Rest − 1 2 3 J= − 1 1 1 5 2 Rest − − 1 2 J= − − 1 1 3 2 Rest − − − 1 J= − − − 1 1 2 Man schreibt sich m1 und m2 auf, bestimmt daraus M und die Zahl der Möglichkeiten, diesen M -Wert zu erhalten. Für jedes M kann man für J = j1 + j2 eine Möglichkeit streichen, so dass der höchste M Wert entfällt. Dann streicht man eine Möglichkeit für J = j1 + j2 − 1, bis man die letzten verbleibenden Möglichkeiten dem Wert J = |j1 − j2 | zuordnet. Diese Art der Drehimpulskopplung kann leicht auf mehrere Drehimpulse ausgedehnt werden. ˆ ˆ ˆ Will man beispielsweise drei Drehimpulse J~1 , J~2 und J~3 koppeln, so koppelt man zunächst zwei daˆ ˆ ˆ von, beispielsweise J~1 und J~2 , und dann das Resultat mit dem dritten Drehimpuls (J~3 ). Die Reihenfolge der Kopplung ist dabei beliebig. 77 5 Drehimpulse und Spin 78 6 Mehrelektronensysteme: Atome Im weiteren Verlauf seien nun Systeme mit mehreren Elektronen betrachtet. Für ein He-Atom (skizziert in Abb. 6.1) hat man für den Hamiltonoperator : Ĥ = p̂21 p̂2 e2 2e2 2e2 + 2 − + − 2m 4πε0 r1 2m 4πε0 r2 4πε0 r12 | {z } | {z } | {z } Ĥ1 Ĥ2 (6.1) V̂ee Dieser entspricht also der Summe der Hamiltonoperatoren der Elektronen sowie einem zusätzlichen 2+ r2 r1 m1 r12 m2 Abbildung 6.1: Skizze eines He- Atom Term, der aus der Elektron-Elektron-Abstoßung resultiert. Die entsprechende Schrödinger-Gleichung läßt sich nicht mehr analytisch lösen. Vernachlässigt man die Elektron-Elektron-Wechselwirkung V̂ee , so bleibt nur noch die Summe der beiden Einteilchenoperatoren: Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 Beide Terme haben die Form des Hamiltonoperators für das H-Atom, mit Z = 2. Daher ist die Lösung der entsprechenden Schrödinger-Gleichung einfach das Produkt aus wasserstoffartigen Funktionen: Ψn1 ,l1 ,m1 ;n2 ,l2 ,m2 (1, 2) = Ψn1 ,l1 ,m1 (1)Ψn2 ,l2 ,m2 (2) Wenn man V̂ee nicht vernachlässigt, ist die Lösung natürlich nicht mehr ein einfaches Produkt. Die folgenden Überlegungen sind aber alle unabhängig von irgendwelchen Näherungen. Betrachtet man ein System aus zwei (oder mehreren) Elektronen, so muss man die Tatsache berücksichtigen, dass es sich dabei um Teilchen handelt, die man nicht voneinander unterscheiden kann. Man bezeichnet solche Teilchen als identische Teilchen. Mit deren Eigenschaften werden wir uns zunächst beschäftigen. 6.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip Wir hatten für die Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Heliumatom für V̂ee = 0 das Produkt aus den Gleichungen der beiden Elektronen angesetzt: Ψn1 ,n2 ,l1 ,l2 ,m1 ,m2 (1, 2) = Ψn1 ,l1 ,m1 (1)Ψn2 ,l2 ,m2 (2) (6.2) 79 6 Mehrelektronensysteme: Atome wobei n1 , l1 , m1 die vom H-Atom her bekannten Quantenzahlen sind, also z.B. Ψ100 = Ψ1s . Wie vorne schon angedeutet, handelt es sich bei Elektronen um identische Teilchen (gleiche Masse, gleiche Ladung, gleicher Spin,...). Deshalb dürfen physikalische Größen nicht davon abhängen, welches Elektron man mit ’1’, welches mit ’2’ etc. bezeichnet, da diese Bezeichnung reine Willkür ist. Entsprechend muss für den Hamiltonoperator gelten: Ĥ(1, 2) = Ĥ(2, 1) (6.3) Dies gilt für alle Observablen, z.B. ~ˆs = ~sˆ1 + ~sˆ2 = ~sˆ2 + ~sˆ1 . Wir können also festhalten: • Alle Observablen sind symmetrisch bzgl. der Teilchen. • Solche Teilchen sind ununterscheidbar. • Die Vertauschung von Teilchen darf also an der Physik nichts ändern. Schreiben wir für die Quantenzahlen der Zustände (6.2) kurz a = (n1 , l1 , m1 ), b = (n2 , l2 , m2 ), also Ψab (1, 2) = Ψa (1)Ψb (2) so erhalten wir beispielsweise mit Ψa (1) = Ψ1s (1) und Ψb (2) = Ψ2p (2): Ψa,b (1, 2) = Ψa (1)Ψb (2) = Ψ1s (1)Ψ2p (2) und Ψb,a (1, 2) = Ψa (2)Ψb (1) = Ψ2p (1)Ψ1s (2), d.h. also in diesem Beispiels: Ψa,b (1, 2) 6= Ψa,b (2, 1). Das bedeutet lediglich, dass ein einfaches Produkt der Einteilchenzustände die Bedingung Ψab (1, 2) = Ψab (2, 1) verletzt. Nach dem Superpositionsprinzip können wir aber auch Linearkominationen der Form: 1 Ψ± a,b (1, 2) = √ (Ψa (1)Ψb (2) ± Ψa (2)Ψb (1)) 2 (6.4) ± betrachten. Dabei ist der Normierungsfaktor so gewählt, dass hΨ± ab (1, 2)|Ψab (1, 2)i = 1 gilt. Vertauschung von ’Elektron 1’ und ’Elektron 2’ ergibt für Ψ+ a,b (1, 2): 1 + Ψ+ a,b (2, 1) = √ (Ψa (2)Ψb (1) + Ψa (1)Ψb (2)) = Ψa,b (1, 2) 2 − Ψ+ a,b (1, 2) ist also akzeptabel, da die Vertauschung die Wellenfunktion nicht ändert. Für Ψab (1, 2) findet man: 1 − Ψ− a,b (2, 1) = √ (Ψa (2)Ψb (1) − Ψa (1)Ψb (2)) = −Ψa,b (1, 2) 2 Ψ− a,b (1, 2) ist akzeptabel, weil es nur einen Vorzeichenwechsel gibt. Dies führt nämlich nicht zu einer Änderung der physikalischen Eigenschaften, denn: 2 • die Wahrscheinlichkeit |Ψ− a,b (1, 2)| dτ1 dτ2 ändert sich nicht • Erwartungswerte hAi = R dτ1 R − ? dτ2 Ψ− a,b (1, 2) ÂΨa,b (1, 2) ändern sich nicht. Fazit: Ψ± a,b (1, 2) sind beides physikalisch sinnvolle Lösungen. Verallgemeinert man diese Ergebnisse auf die Wellenfunktion für N Teilchen, so gilt dasselbe für jede beliebige der N ! Paarvertauschungen. Symmetrisierungspostulat Besteht ein System aus N identischen Teilchen, so sind die Zustände im Bezug auf die N Teilchen notwendig symmetrisch oder antisymmetrisch. 80 6.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip Sind die Zustände symmetrisch, heißen die Teilchen Bosonen, sind die Zustände antisymmetrisch, heißen sie Fermionen. Wir halten außerdem fest, dass das Symmetrieverhalten der Wellenfunktion als ’Teilcheneigenschaft’ angesehen werden kann. Es gibt nämlich keinen Operator, der eine antisymmetrische Wellenfunktion in eine symmetrische überführt oder umgekehrt. Die Tatsache, dass Bosonen ganzzahligen Spin und symmetrische Zustände haben und Fermionen halbzahligen Spin und antisymmetrische Zustände, ist im Rahmen unserer Überlegungen als Erfahrungstatsache aufzufassen. Für uns ist es noch wichtig zu untersuchen, was geschieht, wenn wir zwei Teilchen in denselben Zuständen betrachten, d.h. wenn in Ψ± a,b (1, 2) die Quantenzahlen a und b übereinstimmen, a = b. Für Bosonen findet man: √ 1 Ψ+ 2Ψa (1)Ψa (2) a,a (1, 2) = √ 2Ψa (1)Ψa (2) = 2 d.h.: die Wahrscheinlichkeit, dass Bosonen den gleichen Zustand haben, wächst, wenn zu N Bosonen ein weiteres hinzugefügt wird. Für Fermionen gilt: Ψ− a,a (1, 2) = 0 d.h.: die Wahrscheinlichkeit, zwei Fermionen im selben Zustand zu finden, ist gleich Null. Pauli-Prinzip 2 Fermionen können nicht in Zuständen angetroffen werden, die in allen Quantenzahlen übereinstimmen. oder: 2 Fermionen können nicht denselben Einteilchenzustand besetzen. Beispiele: 1. Ψa (1) = Ψ1s (1)α1 und Ψb (2) = Ψ1s (2)α2 2. Ψa (1) = Ψ1s (1)α1 und Ψb (2) = Ψ1s (2)β2 ⇒ Ψ− a,b (1, 2) = 0 1 √ (Ψ1s (1)α1 Ψ1s (2)β2 − Ψ1s (2)α2 Ψ1s (1)β1 ) 2 1 = Ψ1s (1)Ψ1s (2) √ (α1 β2 − α2 β1 ) 6= 0 2 ⇒ Ψ− a,b (1, 2) = Dabei entspricht √12 (α1 β1 − α2 β2 ) dem Singulettzustand |S = 0, M = 0i. Das bedeutet, dass 2 Elektronen mit verschiedener Quantenzahl ms dieselben Ortsorbitale besetzen können. Bei der Vertauschung von zwei Elektronen ’i’ und ’k’ muss für die Wellenfunktion Ψ gelten: Ψ(1, ..., i, k, ..., N ) = −Ψ(1, ..., k, i, ..., N ) Wir betrachten nochmals den Fall zweier Elektronen: 1 Ψ− a,b (1, 2) = √ (Ψa (1)Ψb (2) − Ψa (2)Ψb (1)) 2 was man als Determinante schreiben kann: Ψ− a,b (1, 2) 1 Ψa (1) Ψb (1) =√ 2 Ψa (2) Ψb (2) 81 6 Mehrelektronensysteme: Atome Hierbei gilt: Vertauschen von Zeilen oder Spalten führt zu einem Vorzeichenwechsel der Determinante. Wir verallgemeinern jetzt diese Schreibweise. Wir betrachten N Fermionen (beispielsweise Elektronen) und nehmen N Einteilchenfunktionen Ψα , Ψβ , ..., Ψν als gegeben an. Diese Funktionen sollen normiert und orthogonal sein: hΨα |Ψν i = δα,ν Man kann dann aus diesen Funktionen eine antisymmetrische Wellenfunktion bilden: Ψα (1) Ψβ (1) · · · Ψν (1) 1 Ψα (2) Ψβ (2) · · · Ψν (2) Ψas (1, 2, ..., N ) = √ .. N ! . Ψα (N ) Ψβ (N ) · · · Ψν (N ) (6.5) die als Slaterdeterminante bezeichnet wird. Der Normierungsfaktor √1N ! sorgt dafür, dass die Slaterdeterminante normiert ist: Z dτ Ψ?as (1, ..., N )Ψas (1, ..., N ) = 1 (6.6) Ein Vertauschen der Teilchen führt zum Vorzeichenwechsel der Slaterdeterminante: Ψ(1, ..., i, k, ..., N ) = −Ψas (1, ..., k, i, ..., N ) denn: .. . Ψα (i) Ψβ (i) · · · Ψν (i) Ψα (k) Ψβ (k) · · · Ψν (k) .. . .. . Ψα (k) Ψβ (k) · · · Ψν (k) = − Ψα (i) Ψβ (i) · · · Ψν (i) .. . Befinden sich zwei Teilchen im selben Einteilchenzustand ist Ψas = 0 (Pauli-Prinzip), da die Determinante dann identisch verschwindet: Ψα (1) Ψα (1) · · · Ψν (1) Ψα (2) Ψα (2) · · · Ψν (2) 0 = .. . Ψα (N ) Ψα (N ) · · · Ψν (N ) Schreibweise Statt der gesamten Determinante gibt man auch oft nur die ’Diagonale’ an. Für Ψα (1) Ψβ (1) Ψγ (1) · · · Ψν (1) Ψ (2) Ψ (2) Ψ (2) · · · Ψ (2) γ ν β α 1 Ψ (3) Ψ (3) Ψ (3) · · · Ψ (3) γ ν β Ψas (1, 2, ..., N ) = √ α N! .. . Ψα (N ) Ψβ (N ) Ψγ (N ) · · · Ψν (N ) findet man folgende Schreibweisen: 1 √ det (Ψα (1)Ψβ (2)Ψγ (3)...Ψν (N )) N! 1 = √ |Ψα (1)Ψβ (2)Ψγ (3)...Ψν (N )| N! = ||Ψα (1)Ψβ (2)Ψγ (3)...Ψν (N )|| Ψas (1, 2, ..., N ) = 82 6.2 Komplexe Atome Die Beschreibung eines N -ElektronensystemsP mit einer einzigen Slater-Determinante ist nur korrekt, N wenn der Hamiltonoperator die Form Ĥ = k=1 Ĥk mit unabhängigen Ĥk hat. Wenn man allerdings die Coulombabstoßung der Elektronen berücksichtigt, gilt das nicht. In diesem Fall läßt sich die Lösung als Linearkombination von Slater-Determinanten schreiben. Wenn die Einteilchenfunktionen einen vollständigen Satz bilden, gilt das auch für jede daraus gebildete Slaterdeterminante. Daher kann jede Wellenfunktion eines Mehrelektronensystems in Slater-Determinanten entwickelt werden. 6.2 Komplexe Atome Der Hamiltonoperator für das He- Atom lautet nach Gleichung (6.1) Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 + Vee Die Schrödinger-Gleichung: Ĥ|Ψi = E|Ψi ist nicht analytisch lösbar, sondern nur mit Hilfe von Näherungen. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes 3 Körperproblem, das auch klassisch nicht analytisch gelöst werden kann. Im folgenden werden wir einige Näherungen, die in der Beschreibung von Mehrelektronenatomen verwendet werden, diskutieren. 6.2.1 Zentralfeldnäherung Wir betrachten nun ein neutrales Atom mit Z Elektronen, wobei Z auch der Kernladung entspricht. Die beschriebene Situation ist in Abbildung 6.2 skizziert. Z+ rk rl k rkl l Abbildung 6.2: Veranschaulichung der Zentralfeldnäherung Der Hamiltonoperator Ĥ ist: Ĥ = Z X k=1 Ĥk + X k,l>k e2 4πε0 rk,l mit Ĥk = p̂2k Ze2 − 2m 4πε0 rk (6.7) Die Zentralfeldnäherung geht jetzt von folgender Überlegung aus: Anstatt alle Elektron-Elektron-Wechselwirkungen explizit zu berücksichtigen, betrachtet man die effektive Wechselwirkung eines herausgegriffenen Elektrons mit dem aus den restlichen Elektronen und dem Kern gebildeten ’Ion’. Auf das betrachtete Elektron wirkt dann ein effektives mittleres Feld. Je nach dem Abstand des betrachteten Elektrons vom Kern ergeben sich zwei Grenzfälle: 83 6 Mehrelektronensysteme: Atome 1. Das Elektron befindet sich ’weit vom Kern’ entfernt. In diesem Fall ’sieht’ das Elektron ein Feld, das demjenigen eines einfach ionisierten Atoms entspricht. Das bedeutet, das Elektron erfährt eine Coulombwechselwirkung mit einem einfach positiv geladenen ’Ion’ und man hat: e2 Veff (rk ) ≈ − (6.8) 4πε0 rk 2. Das Elektron befindet sich ’nah am Kern’. In diesem Fall vernachlässigt man die Wechselwirkung mit den anderen (Z − 1) Elektronen vollständig und der Hauptbeitrag zum Potential ist: Veff (rk ) ≈ − Ze2 4πε0 rk (6.9) Diese beiden Grenzfälle stellen natürlich starke Vereinfachungen der tatsächlichen Situation dar. Im Allgemeinen wird das effektive Feld, das ein Elektron erfährt, immer vom Zustand aller anderen (Z − 1) Elektronen abhängen. Wenn man diese Abhängigkeit vollständig vernachlässigt, kann man eine effektive Kernladungszahl Zeff einführen und die effektiven Einteilchen-Hamiltonoperatoren (eff) Ĥk = p̂2k Zeff e2 − 2m 4πε0 rk (6.10) definieren. Dabei wird die Elektron - Elektron - Wechselwirkung Vee vernachlässigt und man hat Ĥ ≈ Z X (eff) Ĥk (6.11) k=1 (eff) Da Ĥ eine Summe unabhängiger Einteilchenoperatoren Ĥk der Einteilchenfunktionen Ψ(k), k = 1, ..., Z: ist, ist die Wellenfunktion das Produkt Ψ(1, .., Z) = Ψ(1)Ψ(2)...Ψ(Z) Die Ψ(k) sind wasserstoffähnliche Funktionen Ψ(k) = Ψnk ,lk ,mk (~rk , msk ). In einer (naiven) Vorgehensweise bildet man nun die Slater-Determinante: Ψas (1, ..., Z) =k Ψn1 ,l1 ,m1 (1)...ΨnZ ,lZ ,mZ (Z) k Für die Energien ergibt sich: E = Z X Ek k=1 2 Ek = −Zeff · EH · 1 n2k ; EH = me4 32π 2 ε20 ~2 Dieses Ergebnis ist allerdings falsch und widerspricht auch der Erfahrung (die beim H-Atom vorliegende Entartung der ns- und np-Niveaus ist bei allen anderen Atomen aufgehoben). Die effektive Kernladungszahl kann nicht als unabhängig vom Zustand eines betrachteten Elektrons angenommen werden. Deshalb hängt die Energie nicht nur von der entsprechenden Hauptquantenzahl nk , sondern auch von der Drehimpulsquantenzahl lk . Dieser Sachverhalt soll qualitativ an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Lithium hat 3 Elektronen, von denen sich zwei im 1s-Zustand befinden. Besetzt das Eletron ’3’ einen 84 6.2 Komplexe Atome 2s-Zustand (l = 0), so gibt es eine endliche Wahrscheinlichkeit, das Elektron nahe am Kern zu finden, da |Ψ2s (r3 = 0)|2 6= 0 ist. Das bedeutet aber, dass ein s-Elektron einen großen Teil der Kernladung sieht. Besetzt Elektron ’3’ hingegen einen 2p-Zustand (l = 1), so ist |Ψ2p (r3 = 0)|2 = 0 und das Elektron ’sieht’ nur eine reduzierte Kernladung, d.h. Zeff (2p) < Zeff (2s). Diese Überlegungen erlauben es auch, qualitativ zu verstehen, warum E2s < E2p gelten sollte. Nimmt 2 (l )E /n2 gilt, so ergibt sich E man nämlich wie oben an, dass Ek ' −Zeff 2s < E2p unmittelbar aus H k k Zeff (2s) > Zeff (2p). Um die Energien für ein gegebenes Atom zu berechnen, muss man natürlich die Schrödinger-Gleichung lösen. Man findet für die Orbitalenergien dann folgende Reihenfolge, wobei statt Enl nur (nl) angegeben ist: 1s < 2s < 2p < 3s < 3p < (4s < 3d) < 4p < (5s < 4d) < 5p < (6s < 4f < 5d) < 6p < (7s < 5f < 6d) ··· Die Werte in Klammern liegen normalerweise sehr nahe beieinander und können von Atom zu Atom (also verschiedene Z und unterschiedliche Elektronenzahl) eine unterschiedliche energetische Reihenfolge haben. In Abbildung 6.3 ist dieser Zusammenhang noch einmal skizziert. usw. usw. E 3d 4s 3p 3p 3s 3d 2p 2s 3s 2p 2s 1s 1s H − Atom "X" − Atom Abbildung 6.3: Zentralfeldnäherung: Skizze zur Aufhebung der n2 - fachen Entartung Man sieht aber auch, dass die (2l + 1)-fache Entartung der Niveaus zu gegebenen l nicht aufgehoben wird. Zur ’Besetzung’ der Orbitale bestimmen wir nun die Konfigurationen. 6.2.2 Konfigurationen Bei der Bestimmung der Konfigurationen geht man von dem Hamiltonoperator in Zentralfeldnäherung Ĥ = X k (eff) Ĥk mit (eff) Ĥk = p̂2k + Veff (~rk ) 2m (eff) aus, wobei Ĥk der effektive Einteilchenoperator für Elektron ’k’ ist. Da die Operatoren L̂2k , L̂zk , Ŝk2 , Ŝzk 85 6 Mehrelektronensysteme: Atome alle untereinander und mit Ĥk kommutieren, sind die zugehörigen Quantenzahlen lk , mk und msk gute Quantenzahlen und somit zur Charakterisierung der Orbitale (der Einteilchenzustände), geeignet. (Man gibt sk = 1/2 hier normalerweise nicht an, da die Spinquantenzahl eine Teilcheneigenschaft ist.) Die Eigenzustände von Ĥk sind also die Orbitale Ψnk ,lk ,mk (~rk , msk ). Aus diesen Orbitalen erhält man dann die korrekten antisymmetrischen Eigenzustände von Ĥ, indem man aus Ψn1 ,l1 ,m1 (~r1 , ms1 ),..., ΨnZ ,lZ ,mZ (~rZ , msZ ) Slaterdeterminanten bildet. Die zugehörigen Energien sind einfach die Summen En1 l1 +En2 l2 +...+EnZ lZ , wobei jetzt die explizite lk −Abhängigkeit der Enl berücksichtigt ist. Unter einer Konfiguration versteht man die Besetzungszahl der Einteilchen-Niveaus. Man schreibt dafür symbolisch 1sa 2sb 2pc 3sd ..., wobei a, b, c, d, ... die Besetzungszahlen sind. Allgemein bestimmt man die Konfiguration durch ’Auffüllen’ der Niveaus unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips. Auf diese Art findet man: H He Li Be B C N, O, F, N e → Na Mg Al .. . 1s 1s2 1s2 , 2s 1s2 2s2 = [He]2s2 = K2s2 [He]2s2 2p [He]2s2 2p2 [He]2s2 2p6 [N e]3s [N e]3s2 [N e]3s2 3p Ar K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu .. . [N e]3s2 p6 [Ar]4s [Ar]4s2 [Ar]3d4s2 [Ar]3d2 4s2 [Ar]3d3 4s2 [Ar]3d5 4s [Ar]3d5 4s2 [Ar]3d6 4s2 [Ar]3d7 4s2 [Ar]3d8 4s2 [Ar]3d10 4s ! ! Bei den mit ’!’ gekennzeichneten Elementen gibt es offensichtlich Unterschiede zur naiv erwarteten energetischen Reihenfolge. Auf diese Art erhält man den Aufbau des Periodensystems. Wichtig ist hierbei wieder, dass es sich nur um ein qualitatives Bild handelt, das sich im Rahmen der Zentralfeldnäherung ergibt. Um wirklich die Energie eines Atoms in einem bestimmten Zustand zu bestimmen, muss man die Schrödinger-Gleichung lösen. Dass man mit ’einfachem Auffüllen’ nicht alle Effekte verstehen kann, sieht man schon am Beispiel der Konfiguration von V , für die man naiv natürlich [Ar]3d5 erwarten würde. Ähnliches gilt für Sc und F e. Um diese Effekte, die offensichtlich mit der Elektron-Elektron-Wechselwirkung zusammenhängen, zu verstehen, muss man über die einfache Zentralfeldnäherung hinausgehen. 86 6.2 Komplexe Atome Ein einfaches Beispiel, an dem die Schwierigkeit der eindeutigen Bestimmung der Zustände verdeutlicht werden kann, ist Kohlenstoff mit der Konfiguration 2s2 2p2 . Das bedeutet, man hat 2 Elektronen in drei p-Orbitalen. Es ist aber nichts darüber ausgesagt, ob diese beiden Elektronen ein einziges Orbital mit entgegengesetztem ms besetzen, oder jedes ein anderes p-Orbital besetzt. Im letzten Fall ist wiederum nichts darüber bekannt, ob sie gleiche oder verschiedene ms -Werte haben. Über die energetische Reihenfolge der verschiedenen Möglichkeiten lassen sich anhand der Konfigurationen keine Aussagen machen. 6.2.3 Atomzustände -Termsymbole Wenn wir nochmal das Kohlenstoffbeispiel betrachten, so sieht man, dass es drei verschiedene Möglichkeiten gibt, zwei Elektronen auf drei p-Orbitale unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips zu ’verteilen’. Insbesondere können wir nicht angeben, welche der drei Möglichkeiten in der Realität vorliegt. Offensichtlich reicht also die Angabe der Konfiguration nicht aus, um die Zustände eines Atoms eindeutig zu charakterisieren. Deshalb werden wir als erstes untersuchen, wie man diese Zustände vernünftiger als durch die Angabe der Quantenzahlen (nk , lk , mk ), k = 1, .., Z, charakterisieren kann. Anschließend werden wir Regeln angeben, die es erlauben, qualitativ die energetische Reihenfolge der Zustände zu bestimmen, ohne in jedem Fall die Schrödinger-Gleichung lösen zu müssen. Bisher hatten wir in der Zentralfeldnäherung die Elektron-Elektron-Wechselwirkung V̂ee vernachlässigt und festgestellt, dass die nk , lk , mk , k = 1, ..., Z in diesem Fall gute Quantenzahlen sind. Nun betrachten wir, welche Operatoren gute Quantenzahlen liefern, wenn wir V̂ee in die Überlegungen einbeziehen. Wir haben oben schon gesehen, dass V̂ee einen wichtigen Einfluß auf die energetische Reihenfolge der Energieniveaus hat. Wir betrachten also jetzt den Hamiltonoperator Ĥ = X Ĥk + k X k;l>k X e2 = Ĥk + V̂ee 4πε0 rkl k In diesem Fall gilt aber: i h Ĥk , L̂2k 6= 0 weil in V̂ee die inversen Abstände 1 rkl = 1 |~ rk −~ rl | h i und Ĥ, L̂zk 6= 0 auftreten. Das bedeutet, dass lk und mk keine guten Quantenzahlen sind, wenn man V̂ee im Hamiltonoperator berücksichtigt. Wenn wir die Zustände eines Atoms also vernünftig charakterisieren wollen, müssen wir Operatoren finden, die mit Ĥ kommutieren, um gute Quantenzahlen zu haben, die zur Charakterisierung geeignet sind. Das ist eine in der Quantenmechanik allgemeine Vorgehensweise: Suche alle Observablen (also Operatoren, die zu Observablen korrespondieren), die untereinander und mit dem Hamiltonoperator kommutieren. Das liefert den größtmöglichen Satz an guten Quantenzahlen, die zur Charakterisierung der Zustände geeignet sind. Man hat dann alle Informationen über das betrachtete Quantensystem, die man ohne explizite Lösung der Schrödinger-Gleichung erlangen kann. Betrachtet man für unser Problem die Operatoren des Gesamtdrehimpulses und des Gesamtspins, Z X ˆ ~ˆ = ~k L L k=1 und ˆ~ S = Z X ~ˆk S k=1 87 6 Mehrelektronensysteme: Atome ~ k und Spins S ~k , so stellt man fest, dass gilt: statt der individuellen Bahndrehimpulse L i i h h Ĥ, L̂2 = Ĥ, L̂z = 0 und i i h h Ĥ, Ŝ 2 = Ĥ, ŜZ = 0 Folglich kommutieren die Operatoren L̂2 , L̂z , Ŝ 2 , Ŝz h i alle mit Ĥ. Außerdem kommutieren sie auch paarweise untereinander, z.B. L̂z , Ŝ 2 = 0 etc. Daher sind L, ML , S, MS gute Quantenzahlen und die Eigenzustände von Ĥ können geschrieben werden als |L, ML , S, MS i Um die zulässigen Werte für L und S zu ermitteln, benötigt man die Resultate der Drehimpulskopplung. Das Prinzip soll am Beispiel des C−Atoms verdeutlicht werden. Hier genügt es, die beiden p-Elektronen zu betrachten, da abgeschlossene Schalen immer L = S = 0 liefern. Für die p-Elektronen, die wir mit ’1’ und ’2’ bezeichnen, haben wir also s1 = s2 = 21 und l1 = l2 = 1. Daraus ergibt sich nach der Clebsch-Gordan-Reihe: S = s1 + s2 , s1 + s2 − 1, ..., |s1 − s2 | ,→ S = 1, 0 und L = l1 + l2 , l1 + l2 − 1, ..., |l1 − l2 | ,→ L = 2, 1, 0 Zur Charakterisierung der Atomzustände wird das sogenannte Termsymbol eingeführt: 2S+1 L (6.12) wobei 2S + 1 die Multiplizität bezeichnet, da es 2S + 1 Spinzustände gibt, die alle energetisch entartet sind. Hierbei gelten folgende Bezeichnungen: 2S + 1 1 2 3 .. . Singulett Dublett Triplett .. . Für die Gesamtdrehimpulse L wählt man dieselben Bezeichnungen wie für den Elektronendrehimpuls des H-Atoms, allerdings werden Großbuchstaben verwendet: L 0 1 2 3 4 .. . 88 S P D F G .. . 6.2 Komplexe Atome Für Kohlenstoff erhalten wir hiermit: S = 1, 0 2S + 1 = 3, 1 also und L = 2, 1, 0 das bedeutet: D, P, S Daraus resultieren also die Terme: 1 D , 3D , 1P , 3P , 1S , 3S (6.13) Allerdings haben wir bei der Bestimmung der Terme das Pauli-Prinzip nicht berücksichtigt. Daher treten nicht alle möglichen Kombinationen von L und S auf. Als Beispiel betrachten wir den 3 D−Zustand: Hier ist S = 1, d.h. es gibt einen Zustand mit ms1 = ms2 = 12 . Außerdem ist L = 2, was bedeutet, dass es einen Zustand mit m1 = m2 = 1 gibt. Es gibt also wenigstens einen Zustand, für den alle Quantenzahlen der beiden Elektronen gleiche Werte haben und der daher das Pauli-Prinzip verletzt. Um die erlaubten Terme zu bestimmen, geht man systematisch vor. Man definiert sogenannte Mikrozustände folgendermaßen: Man gibt die Quantenzahl zu mk und msk für alle Elektronen ’k’ an. Für 2 Elektronen schreibt man: ± m± 1 , m2 ± ± und analog geht man im allgemeinen Fall vor (Beispiel: 3 Elektronen (m± 1 , m2 , m3 ), wobei das hoch1 1 gestellte ’±’ für ms = + 2 bzw. ms = − 2 steht. Man bestimmt dann für gegebenes ML und MS alle möglichen nach dem Pauli-Prinzip erlaubten Mikrozustände und geht völlig analog wie bei der Drehimpulskopplung vor, um L und S zu bestimmen. Das Verfahren soll hier am Beispiel des C−Atoms erläutert werden: Für 2p-Elektronen sind alle Mikrozustände der Art (m+ , m+ ) und (m− , m− ) mit m = 0, ±1 nach dem Pauli-Prinzip verboten. Alle übrigen schreiben wir in eine Tabelle, die ML = m1 + m2 und MS = ms1 + ms2 angibt: ML /MS 1 0 −1 2 (1+ , 1− ) 1 (1+ , 0+ ) (1+ , 0− ), (1− , 0+ ) (0− , 1− ) + + + − + − − + 0 (1 , −1 ) (1 , −1 ), (0 , 0 ), (1 , −1 ) (1− , −1− ) −1 (−1+ , 0+ ) (−1− , 0+ ), (−1+ , 0− ) (0− , −1− ) + − −2 (−1 , −1 ) Hierbei ist es natürlich egal, ob man beispielsweise (1+ , 0+ ) oder (0+ , 1+ ) schreibt, da die Elektronen ununterscheidbar sind. Zu jedem Mikrozustand korrespondiert also eine Slaterdeterminante. Wir gehen nun wie bei der Drehimpulskopplung vor (s. Clebsch-Gordan-Reihe) und untersuchen, wie viele Zustände es für ein gegebenes ML /MS - Paar gibt. Das sind in unserem Fall: ML /MS 2 1 0 −1 −2 1 0 −1 1 1 2 1 1 3 1 1 2 1 1 Wir untersuchen zunächst den maximalen ML −Wert. Es gilt: ML = 2 und MS = 0 89 6 Mehrelektronensysteme: Atome Da das der größtmögliche ML -Wert ist, folgt: L=2 und S=0 Für die Multiplizität folgt aus S = 0 also 2S + 1 = 1. Für L = 2 ist D das Termsymbol. Es folgt also: 1 D Zu L = 2 gehört außer dem Zustand mit ML = 2 noch jeweils ein Zustand mit ML = 1, 0, −1, −2. Diese Werte streichen wir nun aus unserer Tabelle und untersuchen den Rest: 1 0 −1 ML /MS 2 1 0 −1 −2 1 1 1 2 1 1 1 1 1 Der maximale ML -Wert ist ML = 1. Außerdem ist hierbei MS = 1. Das bedeutet, es gibt einen Zustand mit L = 1 und S = 1 mit der Multiplizität 2S + 1 = 3. Das resultierende Termsymbol ist 3 P Wir streichen wieder alle zugehörigen Zustände aus der Tabelle. In diesem Fall sind das also für ML = 1, 0, −1 jeweils ein Zustand mit MS = 1, 0, −1. Es bleibt also überhaupt nur noch ein Zustand übrig: ML /MS 0 0 1 Hier folgt ML = 0 und MS = 0, also L = 0 und S = 0. Die Multiplizität ist 2S + 1 = 1. Aus diesen Überlegungen folgen für die p2 - Konfiguration die Zustände: 1 D,3 P,1 S Auf diese Art lassen sich die Terme, also die Zustände, für jedes Atom angeben. Diese Charakterisierung sagt aber nichts über die energetische Reihenfolge der Zustände aus. Um die Energien zu berechnen, muss man die Schrödinger-Gleichung lösen. Auch ohne eine explizite Lösung kann man aber oftmals die energetische Reihenfolge der Zustände anhand der folgenden Regeln bestimmen. Hund’sche Regeln Regel 1 Der Term mit der größten Multiplizität (d.h. mit dem größten Wert für den Gesamtspin) hat die niedrigste Energie (für unser Beispiel folgt: 3 P <1 D,1 S) Regel 2 Für gegebene Multiplizität hat der Term mit dem größten L die niedrigste Energie. (hier: 1 D <1 S) Für mehr als halbvolle Schalen gilt dasselbe für ’fehlende Elektronen’, d.h. p2 =p b 4 , d2 =d b 8 , p1 =p b 5 , d3 =d b 7 , d1 =d b 9 , d4 =d b 6. Für das C-Atom folgt die in Abbildung 6.4 dargestellte Aufspaltung. Hierbei gilt: ohne Berücksichtigung der Elektron-Elektron-Wechselwirkungen haben alle Zustände die gleiche Energie (linker Teil der 90 6.2 Komplexe Atome 1 S 1 D 260 kJ / mol 1s 2 2 s 2 2 p 2 122 kJ / mol 3 P Abbildung 6.4: Aufspaltung der Zustände für das C-Atom unter Berücksichtigung der e− -e− Wechselwirkungen Abbildung), mit Berücksichtigung dieser Wechselwirkungen gibt es eine Aufspaltung (wie rechts abgebildet). Fassen wir die Vorgehensweise noch einmal zusammen: Wir haben zunächst gefragt, welche Operatoren mit Ĥ (unter Einbeziehung der Elektron-ElektronWechselwirkung) kommutieren und gefunden, dass Ĥ, L̂2 , L̂z , Ŝ 2 , Ŝz gemeinsame Eigenfunktionen haben. Daher sind L, S, ML , MS gute Quantenzahlen (Zur Erinnerung: die Konfigurationen werden durch die Quantenzahlen lk , mk , msk , k = 1, ..., Z bestimmt!). Wir müssen also die Einzeldrehimpulse zum Gesamtdrehimpuls und die Spins zum Gesamtspin koppeln. Diese Art der Drehimpulskopplung bezeichnet man als LS-Kopplung oder Russell-Saunders-Kopplung. 6.2.4 Spin-Bahn-Kopplung Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es neben der Elektron-Elektron-Wechselwirkung noch eine weitere Wechselwirkung gibt, die für eine genaue Bestimmung der Energien der Atomzustände berücksichtigt werden muss. Diese sogenannte Spin-Bahn-Kopplung läßt sich allerdings streng genommen nur im Rahmen der relativistischen Quantenmechanik verstehen. Man kann sich aber das physikalische Prinzip, das die Ursache für diese Kopplung ist, qualitativ verdeutlichen. Wir wissen, dass sowohl mit dem Drehimpuls, als auch mit dem Spin eines Elektrons ein magnetisches Moment µ ~ l beziehungsweise µ ~ S verbunden ist. Aus der Elektrodynamik ist bekannt, dass das magnetische Moment einer bewegten Ladung ein magnetisches Feld erzeugt. Das bedeutet für uns, dass µ ~ l ein ~ Magnetfeld Bl erzeugt, das proportional zu µ ~ l ist. An dieses Magnetfeld koppelt das magnetische Mo~l ∼ µ ~ ment µ ~ S . Das bedeutet, es gibt eine Wechselwirkung der Form µ ~S · B ~S · µ ~ l , oder wegen µ ~ l = γL ~ auch proportional zu S ~ · L. ~ und µ ~ S = γS S Der entsprechende Hamiltonoperator lautet für ein Elektron ’k’: ~ˆk · L ~ˆk ĤSB,k = −g(r)S (6.14) 91 6 Mehrelektronensysteme: Atome mit g(r) = e 2m2e c2 1 dV (r) r dr (6.15) Für ein Atom mit Z Elektronen ist dann ĤSB = Z X ĤSB,k k=1 Wenn man also die Spin-Bahnkopplung berücksichtigt, so hat man für den Hamiltonoperator: Ĥ = Z X Ĥk + V̂ee + ĤSB (6.16) k=1 Allerdings gilt für diesen Hamiltonoperator: i h ĤSB , L̂2 6= 0 und i h ĤSB , Ŝ 2 6= 0 Das bedeutet also, dass L und S keine guten Quantenzahlen sind, wenn man die Spin-Bahnkopplung berücksichtigt. Der einzige Drehimpulsoperator, der in diesem Fall mit dem Gesamt-Hamiltonoperator Ĥ vertauscht, ist der Gesamtdrehimpuls ˆ ~ˆ ˆ~ J~ = L +S Hierfür gilt: i h i h Ĥ, Jˆ2 = Ĥ, Jˆz = 0 Streng genommen gibt es also nur noch zwei gute Quantenzahlen, nämlich J und MJ . Die Quantenzahlen J und MJ werden wie in der Drehimpulskopplung üblich bestimmt. Am einfachsten ist es, zunächst für jedes Elektron ’k’ den Gesamtdrehimpuls einzuführen: ˆ ~ˆk ~ˆk + S J~k = L Die entsprechenden Quantenzahlen sind dann nach der Clebsch-Gordan-Reihe durch jk = lk + sk , lk + sk − 1, ..., |lk − sk | gegeben, was sich auf 1 1 jk = lk + , lk − 2 2 reduziert, weil sk = 12 ist. Man hat also beispielsweise jk = 23 , 12 für p−Elektronen und jk = 52 , 32 für d−Elektronen. Der Gesamtdrehimpuls des Atoms ergibt sich dann zu Z ˆ~ X ~ˆ ˆ~ ~ˆ + S J= Jk = L k=1 weil auch der Gesamtdrehimpuls und der Gesamtspin durch die entsprechenden Summen definiert sind. ~ˆk und S ~ˆk zu J~ˆk . Das liefert die Quantenzahlen jk und mj . Man koppelt also zunächst die einzelnen L k ˆ ˆ Anschließend werden die J~k zum Gesamtdrehimpuls J~ gekoppelt. Diese Art der Kopplung bezeichnet man als jj-Kopplung. Wie oben schon gesagt, sind L und S keine guten Quantenzahlen, wenn man die Spin-Bahn-Kopplung 92 6.2 Komplexe Atome berücksichtigt. Allerdings verhält sich g(r) in Gleichung (6.15) wie g(r) ∼ Z. Das bedeutet, die Stärke der Spin-Bahnkopplung nimmt mit der Kernladungszahl zu (effektiv hat man eine Abhängigkeit ∼ Z 3···4 ). Für leichte Atome ist der Einfluss von ĤSB klein und die LS-Kopplung ist eine gute Näherung. Wir halten also fest: Es gibt zwei Grenzfälle. 1. |Vee | >> |HSB | Hier gilt: der Einfluss der Elektron-Elektron-Wechselwirkungen ist sehr viel größer als der SpinBahn-Kopplungseffekt (gilt für leichte Atome) → LS-Kopplung 2. |ĤSB | >> |V̂ee | Für schwere Atome (etwa ab P b) hat die Spin-Bahn-Kopplung größeren Einfluss als die ElektronElektron-Wechselwirkungen. → jj-Kopplung. Es soll aber noch bemerkt werden, dass keiner der beiden Grenzfälle wirklich erfüllt wird. Man kann allerdings die Quantenzahl J immer zur Charakterisierung der Zustände benutzen, da J~2 und J~Z natürlich auch für ĤSB = 0 mit Ĥ kommutieren. In den oben eingeführten Termsymbolen gibt man J zusätzlich als Index an und schreibt: 2S+1 LJ mit J = L + S, L + S − 1, ..., |L − S| Für das Beispiel des C-Atoms liefert das die Zustände • 3 P : S = 1 , L = 1 → J = 2, 1, 0 → 3 P0 , 3 P1 , 3 P2 • 1 D: S = 0 , L = 2 → J = 2 → 1 D2 • 1 S: S = 0 , L = 0 → J = 0 → 1 S0 Die 3 P -Zustände haben unter Berücksichtigung der Spin-Bahnkopplung nicht mehr alle dieselbe Energie, sondern man findet eine Aufspaltung, wie sie in Abbildung 6.5 dargestellt ist. 1 S 1 D 260 kJ / mol 1s 2 2 s 2 2 p 2 122 kJ / mol 3 P 2 0,5 kJ / mol 3 P 3 P 1 0,2 kJ / mol 3 P 0 Abbildung 6.5: Atomzustände unter Berücksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim C-Atom 93 6 Mehrelektronensysteme: Atome In Abbildung 6.6 ist der Übergang von der reinen LS-Kopplung (verschwindende Spin-Bahnkopplung) zur reinen jj-Kopplung (verschwindende Elektron-Elektron-Wechselwirkung) qualitativ dargestellt. Allgemeiner jj LS 1 S0 (3/2, 3/2) J = 0,2 (3/2, 1/2) J = 1,2 1 D2 3 P0,1,2 H SB= 0 (1/2, 1/2) J = 0 C Si Sn Ge Pb V ee= 0 Abbildung 6.6: Korrelation zwischen LS- und jj-Kopplung für die Elemente der IV. Hauptgruppe als hier für das Beispiel der 3 P -Zustände läßt sich die energetische Reihenfolge der Zustände mit verschiedenen J anhand folgender Regel abschätzen: 3.Hund’sche Regel Für weniger (mehr) als halbgefüllte Schalen ist der Zustand mit dem kleinsten (größten) J energetisch am günstigsten. Nachtrag zum H-Atom Auch beim H-Atom gibt es natürlich einen (kleinen) Beitrag der Spin-Bahnkopplung zur Energie. Der Grundzustand des H-Atoms ist der 1s-Zustand. Wegen l = 0 und s = 1/2 ist das also ein 2 S1/2 -Zustand. Die niedrigsten angeregten Zustände sind 2s und 2p, die im Falle des H-Atoms entartet sind. Die 2s-Konfiguration ist ein 2 S1/2 -Zustand und für die 2p-Konfiguration erhält man die Zustände 2 P3/2 und 2 P1/2 . Berücksichtigt man die Spin-Bahnkopplung, so erhält man eine Aufspaltung der p-Zustände. Allerdings wird hierbei die 2s, 2p-Entartung nicht aufgehoben. Dies ist in Abbildung 6.7 dargestellt. 2p 3/2 2 P 0,004 kJ/mol 2 s 1/2 2p 2 1/2 S 2 P Abbildung 6.7: Berücksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim H-Atom Lamb-Shift Auf der Basis der Quantenelektrodynamik läßt sich ein Effekt untersuchen, der für die Aufhebung der s, p-Entartung sorgt, der sogenannte Lamb-Shift. Die Aufspaltung zwischen 2 S1/2 kJ und 2 P1/2 ist für das H-Atom mit 0,0004 mol allerdings sehr gering (zum Vergleich: E2s − E2p = kJ 984, 75 mol ). 94 7 Moleküle, chemische Bindungen Nun wollen wir uns Molekülen zuwenden. Als Beispiel diene uns hierbei das in Abbildung 7.1 dargestellte Molekül. Dieses besitze zwei Kerne (A, B) und zwei Elektronen (1, 2). Der Hamiltonoperator für das Modell lautet: Ĥ = p̂2 p̂2 p̂21 p̂2 ZA e 2 ZA e2 ZB e 2 ZB e 2 + 2 + A + B − − − − 2m 2me 2MA 2MB 4πε0 rA1 4πε0 rA2 4πε0 rB1 4πε0 rB2 | e {z } | {z } | {z } T̂e + T̂k e2 4πε0 r12 | {z } + V̂ee (7.1) V̂ke e2 ZA ZB 4πε0 RAB | {z } V̂kk Dabei ist T̂e der Operator der kinetischen Energie der Elektronen, T̂k derjenige der Kerne und die Coulombwechselwirkung zwischen den verschiedenen Teilchen sind mit V̂ke , V̂ee und V̂kk abgekürzt. Die 1 r A1 r B1 r 12 MA MB A RAB B r r A2 B2 2 Abbildung 7.1: Zweiatomiges Molekül; Kerne A, B mit Massen MA , MB und Kernladungszahlen ZA , ZB entsprechende Schrödinger-Gleichung, ĤΨ = EΨ, kann ohne Näherungen nicht analytisch gelöst werden. Im folgenden soll daher die übliche Näherung, die (fast) allen Berechnungen der elektronischen Struktur von Molekülen (aber auch Festkörpern etc.) zugrunde liegt, diskutiert werden. 7.1 Born-Oppenheimer-Näherung Aus der Tatsache, dass die Masse der Kerne sehr viel größer als die Elektronenmasse ist (mP roton ∼ 2000 · me ), kann man folgern, dass sich Elektronen sehr viel schneller als die Kerne bewegen. Die Kerne können also als sehr langsam (im Vergleich zu den Elektronen) oder ruhend angenommen werden. Das bedeutet, dass man den Kernen aus ’Sicht der Elektronen’ keinen Impuls oder eine verschwindende kinetische Energie zuordnet: hT̂k i ' 0 95 7 Moleküle, chemische Bindungen Ferner hängt V̂kk nicht von den Elektronenkoordinaten ab, ist also bezüglich der Elektronen lediglich eine Konstante und trägt zur elektronischen Energie nur einen konstanten Beitrag bei. Deshalb braucht man für die Elektronenbewegung nur den folgenden Hamiltonoperator zu betrachten: Ĥel = T̂e + V̂ke + V̂ee (7.2) Die entsprechende Schrödinger-Gleichung Ĥel Ψel = Eel Ψel (7.3) wird als elektronische Schrödinger-Gleichung bezeichnet. Es besteht allerdings eine parametrische A H el (R1) B A B H el (R2) Abbildung 7.2: unterschiedliche Kernabstände korrespondieren zu verschiedenen Hamiltonoperatoren Abhängigkeit zwischen der Elektronenbewegung und den Kernpositionen. Für verschiedenen Kernkonfigurationen, in diesem Fall verschiedenen Abständen R1 und R2 , resultieren verschiedene SchrödingerGleichungen (s. Abbildung 7.2). ~ A, R ~ B, R ~ C , ...} aller Kernkoordinaten eines Allgemeiner schreibt man abkürzend {R} für den Satz {R Moleküls und genauso {r} für den Satz {~r1 , ~r2 , ~r3 , ...} aller Elektronenkoordinaten des Moleküls. Somit hängt Ĥel parametrisch von {R} ab, in dem gerade angesprochenen Sinn, Ĥel = Ĥel ({R}). Analog hängt die elektronische Wellenfunktion Ψel natürlich einerseits von den Elektronenkoordinaten ab, aber andererseits auch parametrisch von {R} : Ψel = Ψel ({r}; {R}). Ψel ist also eine Funktion von {r} und hängt parametrisch von {R} ab. Als Konsequenz ist natürlich auch Eel = Eel ({R}). Für jede Kernkonfiguration {R} hat man also einen anderen elektronischen Hamiltonoperator und somit eine andere Wellenfunktion Ψel ({r}; {R}) und eine andere elektronische Energie Eel ({R}). Das bedeutet auch, dass man für jede Konfiguration {R} die jeweilige elektronische Schrödinger-Gleichung erneut lösen muss. Betrachten wir nun die Kerne: Sie sind langsam im Vergleich zu den Elektronen. Daher ’sehen’ sie nur ein über die schnelle Elektronenbewegung gemitteltes Feld, das gerade durch die elektronische Energie Eel ({R}) gegeben ist. Der Hamiltonoperator für die Kernbewegung ergibt sich aus der kinetischen Energie der Kerne, und dem effektiven Potential V̂k ({R}). Letzteres besteht aus der Kern-Kern-Abstoßung V̂kk und der elektronischen Energie Eel ({R}) für die jeweilige Kernkonfiguration {R}: Ĥk = T̂k + V̂kk + Eel ({R}) = T̂k + V̂k ({R}) (7.4) Die Schrödinger-Gleichung für die Kernkoordinaten ist dann Ĥk Ψk ({R}) = EΨk ({R}) (7.5) wobei die Kernwellenfunktion Ψk eine Funktion der Kernkoordinaten {R} ist. Die Tatsache, dass Ψk ({R}) unabhängig von {r} ist, ist anschaulich klar, weil ja über die Elektronenbewegung schon gemittelt ist. 96 7.1 Born-Oppenheimer-Näherung Die Gesamtwellenfunktion ist durch das Produkt Ψ({r}, {R}) = Ψel ({r}; {R}) · Ψk ({R}) (7.6) gegeben. Man hat es also hier mit einer Separation der Elektronen- und der Kernbewegung zu tun. Diese Separation gilt nur näherungsweise und wird als Born-Oppenheimer-Näherung bezeichnet. Die elektronische Schrödinger-Gleichung gibt uns Auskunft über: • die elektrische Struktur bei vorgegebener Molekülgeometrie • die chemische Bindung Die Schrödinger-Gleichung für die Kerne gibt uns Auskunft über: • die Gesamtenergie des Moleküls • die Translation des Moleküls • Molekülschwingungen • die Rotation des Moleküls • Molekülreaktionen Für ein zweiatomiges Molekül hängt das (effektive) Potential nur vom Kernabstand ab und ist explizit gegeben durch: ZA ZB e 2 V̂ (R) = Eel (R) + . 4πε0 R V In Abbildung 7.3 ist eine Potentialkurve für diesen Fall skizziert. Bei mehratomigen Molekülen ergeben sich Potentialhyperflächen, die sich nicht so einfach darstellen lassen. Häufig betrachtet man dann Auftragungen des effektiven Potentials gegen die Reaktionskoordinate (s. Abb. 7.4), über welche mit den skizzierten Überlegungen chemische Reaktionen untersucht werden können. Re R Abbildung 7.3: Potentialkurve für ein zweiatomiges Molekül in Born-Oppenheimer-Näherung 97 7 Moleküle, chemische Bindungen V ÜZ Vmin, 2 V min, 1 Reaktionskoordinate Abbildung 7.4: Potentialkurve für eine Reaktion 7.2 Das H2+ -Molekülion Nun soll ein H2+ -Ion betrachtet werden, s. Abbildung 7.5. Der Hamiltonoperator ist in diesem Fall gegeben durch: Ĥ = T̂k + T̂e + V̂ke + V̂kk (7.7) Die entsprechende Schrödinger-Gleichung ist nicht exakt lösbar. Das H2+ -Molekülion ist das einfachste e r A r B R A B Abbildung 7.5: Skizze eines H2+ -Moleküls Molekül, an dem die Natur der chemischen Bindung untersucht werden kann. Für den elektronischen Hamiltonoperator in Born-Oppenheimer-Näherung hat man Ĥel = p̂2 e2 e2 − − 2m 4πε0 rA 4πε0 rB (7.8) und somit für die elektronische Schrödinger-Gleichung: Ĥel Ψel = Eel Ψel (7.9) wobei Eel und Ψel parametrisch vom Kernabstand R abhängen. Außerdem ist Ψel eine Funktion der Elektron-Kernabstände ~rA und ~rB , Ψel (~rA , ~rB ; R). Die elektronische Schrödinger-Gleichung in Born-Oppenheimer-Näherung für das H2+ -Molekülion kann exakt gelöst werden. Daher hat das H2+ -Molekülion in der theoretischen Behandlung von Molekülen eine ähnliche Bedeutung wie das H-Atom für die Beschreibung komplexer Atome. Das Fazit hieraus müsste lauten: Die exakte Lösung für das H2+ -Molekülion hilft bei der Formulierung der Lösung der elektronischen Schrödinger-Gleichung für komplexe Moleküle. Allerdings hat die exakte Lösung der elektronischen Schrödinger-Gleichung einige Nachteile: 98 7.2 Das H2+ -Molekülion • sie wird in sogenannten elliptischen Koordinaten formuliert • sie ist äußerst unanschaulich • sie ist nicht verallgemeinerbar (auf mehr als zweiatomige Moleküle) Diese Eigenschaften machen es uns unmöglich, wie beim H-Atom vorzugehen, d.h. die aus der exakten Lösung gewonnenen Erkenntnisse auf andere Moleküle zu übertragen. Wir werden daher nun Näherungslösungen der elektronischen Schrödinger-Gleichung betrachten, obwohl die exakte Lösung als Referenz durchaus wichtig ist. Welche Eigenschaften sollte nun die Näherungslösung haben? Die Antwort ist einfach: Sie sollte zum einen anschaulich, zum anderen verallgemeinerbar sein. Bevor wir uns eine konkrete Näherungslösung beschaffen, werden wir kurz auf die wichtigsten Näherungsverfahren eingehen. Näherungsverfahren in der Quantenmechanik Die beiden wichtigsten Verfahren sind • die Störungstheorie • und das Variationsverfahren Auf die Störungstheorie wird im nächsten Kapitel genauer eingegangen. Hier werden wir das Variationsverfahren benutzen, um die elektronische Schrödinger-Gleichung für H2+ näherungsweise zu lösen. Das Verfahren beruht auf dem Variationsprinzip Sei Ψ̃ eine Näherungsfunktion, die alle Bedingungen an eine Wellenfunktion erfüllt, dann ist: hΨ̃|Ĥ|Ψ̃i Ẽ = (7.10) hΨ̃|Ψ̃i eine obere Grenze für den exakten Energiewert des Grundzustandes E0 , d.h. E0 ≤ Ẽ. Der Beweis nutzt die Entwicklung von Ψ̃ nach den Eigenfunktionen von Ĥ. In Gleichung (7.10) ist nicht notwendig, dass hΨ̃|Ψ̃i = 1 gilt. Aber selbstverständlich muss Ψ̃ normierbar sein, hΨ̃|Ψ̃i < ∞. Wichtige Konsequenzen des Variationsprinzips sind: • Ẽ ist ein Maß für die Güte der gewählten Ψ̃- Funktion • Die beste Funktion Ψ̃ liefert das niedrigste Ẽ • Die exakte Wellenfunktion Ψ0 liefert die Grundzustandsenergie E0 Mit Hilfe dieses Prinzips läßt sich jetzt das Variationsverfahren entwickeln: Variationsverfahren Die systematische Bestimmung von Näherungsfunktionen Ψ̃ basierend auf dem Variationsprinzip wird wie folgt durchgeführt: 1. Man gibt einen Satz von Näherungsfunktionen Ψ̃ vor. Üblicherweise parametrisiert man diese durch Parameter α, β, ...: Ψ̃(α, β, ...) Diese Parameter werden dann variiert. 99 7 Moleküle, chemische Bindungen 2. Man bestimmt die beste Näherungsfunktion durch Minimierung von Ẽ, d.h. man berechnet: Ẽ(α, β, ...) = hΨ̃(α, β, ...)|Ĥ|Ψ̃(α, β, ...)i hΨ̃(α, β, ...)|Ψ̃(α, β, ...)i und bestimmt das Minimum: ∂ Ẽ(α, β, ...) ∂ Ẽ(α, β, ...) =0, = 0 , ... ∂α ∂β Das Verfahren soll am Modell des harmonischen Oszillators erläutert werden: Der Hamiltonoperator lautet r mω 2 2 k ~2 d2 + Ĥ = − x mit ω = 2 2m dx 2 m Als Näherungsfunktion wählen wir Ψ̃(α) = e−α 2 x2 Diese Funktion ist noch nicht normiert, aber wegen √ Z ∞ 2π −2α2 x2 dxe = hΨ̃(α)|Ψ̃(α)i = 2α −∞ für α 6= 0 normierbar. Für die Berechnung des Erwartungswertes von Ĥ brauchen wir: √ Z ∞ ~2 d2 mω 2 2 −α2 x2 2π −α2 x2 hΨ̃(α)|Ĥ|Ψ̃(α)i = dxe − + x e = (4~2 α4 + m2 ω 2 ) 2 3 2m dx 2 16mα −∞ Daraus folgt: Ẽ(α) = 4~2 α4 + m2 ω 2 8mα2 Um das Minimum zu bestimmen, brauchen wir: ∂ Ẽ 4~2 α4 − m2 ω 2 = ∂α 4mα3 Die Forderung Also gilt: ∂ Ẽ ∂α = 0 liefert 4~2 α4 − m2 ω 2 = 0. 4~2 α4 = m2 ω 2 y α2 = 1 mω 2 ~ und damit 1 Ẽ(α) = ~ω. 2 Das ist gerade die exakte Grundzustandsenergie. Für die Näherungsfunktion findet man r mω −q 2 /2 Ψ̃ = N e mit q = x ~ Setzt man den Wert α2 = mω 2~ in die Näherungsfunktion ein und nomiert sie, so findet man gerade Ψ0 (x), die exakte Wellenfunktion des Grundzustandes. Bei der Bestimmung von Molekülorbitalen geht man allerdings normalerweise nicht vom allgemeinen Variationsverfahren aus, sondern man wählt eine Linearkombination von Atomorbitalen und variiert die Koeffizienten. Man bezeichnet diese Vorgehensweise als 100 7.2 Das H2+ -Molekülion Lineares Variationsverfahren (Rayleigh-Ritz-Verfahren) Das Lineare Variationsverfahren geht vom Ansatz: Ψ̃ = c1 Ψ1 + c2 Ψ2 + ... + cn Ψn (7.11) aus, wobei Ψ1 , Ψ2 , ..., Ψn fest vorgegebene Funktionen und die c1 , c2 , ..., cn lineare Variationsparameter sind. Optimale Werte für die c1 , ..., cn erhält man durch Minimierung: ∂ Ẽ ∂ Ẽ =0, = 0 , ... ∂c1 ∂c2 Wir wenden das lineare Variationsverfahren nun auf das H2+ -Molekülion an. Zunächst stellt sich die Frage, was für Funktionen Ψ1 , Ψ2 , ... wir als Funktionen im Ansatz (7.11) benutzen. Um hierfür sinnvolle Funktionen zu wählen, betrachtet man sinnvollerweise zunächst folgende Situationen: • Das Elektron befindet sich nahe am Kern A und damit weit von Kern B entfernt: r1A >> r1B Eine sinnvolle Funktion wird in dieser Situation folglich eine 1s-Funktion sein, die am Kern A zentriert ist: Ψ1s,A = Ψ1s (rA ) • Das Elektron befindet sich nahe am Kern B und damit weit von Kern A entfernt: r1B >> r1A . In diesem Fall ist folglich Ψ1s,B = Ψ1s (rB ) eine vernünftige Wahl. Diese Überlegungen erlauben uns, als einfachsten Ansatz für die Näherungsfunktion Ψ̃ in (7.11) Ψ̃ = cA ΨA + cB ΨB (7.12) zu wählen. Dabei ist ΨA = Ψ1s (A) und ΨB = Ψ1s (B) (Natürlich verstehen wir unter Ψ1s (rA ) die H-Wellenfunktion Ψ100 (rA ).) Die Koeffizienten cA und cB sind die linearen Variationsparameter, die wir bestimmen müssen. ΨA , ΨB werden als Atomorbitale (AO) bezeichnet. Da Ψ̃ eine Einelektronwellenfunktion für das betrachtete Molekül darstellt, bezeichnet man diese Funktion als Molekülorbital (MO). Dieser Ansatz wird als LCAO-Ansatz (linear combination of atomic orbitals) bezeichnet. Man versteht hierunter allgemein die Darstellung der MO’s als Linearkombination von AO’s. Das bedeutet, dass die AO’s eine (unvollständige) Basis zur Darstellung der MO’s bilden. Diese Basis wäre nur vollständig, wenn wir AO’s Ψn,l,m für alle Werte von (n, l, m) berücksichtigen würden, da die Ψn,l,m als Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators eine vollständige Basis bilden. Allerdings bräuchten wir dann unendlich viele Funktionen, was natürlich nicht möglich ist. In unserem Beispiel benutzen wir ja sogar nur 2 Funktionen ΨA und ΨB . Man kann sich leicht vorstellen, dass man bessere Ergebnisse bekommt, wenn man die AO-Basis vergrößert, also beispielsweise Ψ2s (rA ), Ψ2s (rB ) oder auch pFunktionen berücksichtigt. Das erhöht aber natürlich auch die Zahl der Variationsparameter. Für unsere 101 7 Moleküle, chemische Bindungen Überlegungen genügen zunächst einmal zwei Funktionen. Damit führen wir nun das lineare Variationsverfahren durch. Für die Durchführung des Verfahrens benötigen wir den Erwartungswert Ẽ(cA , cB ) = hcA ΨA + cB ΨB |Ĥ|cA ΨA + cB ΨB i hcA ΨA + cB ΨB |cA ΨA + cB ΨB i (7.13) mit cA , cB ∈ R. Wir beginnen mit der Berechnung von hΨ̃|Ψ̃i: hΨ̃|Ψ̃i = hcA ΨA + cB ΨB |cA ΨA + cB ΨB i = c2A hΨA |ΨA i + c2B hΨB |ΨB i + cA cB (hΨA |ΨB i + hΨB |ΨA i) = c2A · 1 + c2B · 1 + cA cB · 2hΨA |ΨB i Also hat man: hΨ̃|Ψ̃i = c2A + c2B + 2cA cB S (hier wurde ausgenutzt, dass hΨA |ΨB i = hΨB |ΨA i, weil ΨA , ΨB reelle Funktionen sind.) Dabei haben wir das sogenannte Überlappungsintegral S eingeführt: Z hΨA |ΨB i = d3 rΨ?1s (rA )Ψ1s (rB ) = S (7.14) Wie aus Abbildung 7.6 zu ersehen ist, geht dieses für große Kernabstände gegen Null. Es gilt: 0≤S≤1 (7.15) ΨB ΨA B A Überlappungsintegral geht gegen null Abbildung 7.6a: H2+ -Molekül: Skizze für hΨA |ΨB i bei großem Atomabstand ΨA ΨB B A nicht null Abbildung 7.6b: H2+ -Molekül: Skizze für hΨA |ΨB i bei kleinem Atomabstand Für hΨ̃|Ĥ|Ψ̃i erhalten wir nacheinander: hΨ̃|Ĥ|Ψ̃i = hcA ΨA + cB ΨB |Ĥ|cA ΨA + cB ΨB i = c2A hΨA |Ĥ|ΨA i + c2B hΨB |Ĥ|ΨB i + cA cB hΨA |Ĥ|ΨB i + hΨB |Ĥ|ΨA i 102 7.2 Das H2+ -Molekülion Hierbei bezeichnet man Z HAA = hΨA |Ĥ|ΨA i = dτ Ψ?A ĤΨA (7.16) als Coulombintegral. HAA gibt die Energie des Elektrons im 1s-Orbital am Kern A an und es gilt HAA < 0. Das Coulombintegral ist also negativ und für HBB = hΨB |Ĥ|ΨB i ergibt sich dasselbe, da für H2+ aufgrund der Symmetrie von Ĥ gilt: HAA = HBB Die Wechselwirkungen zwischen den Atomorbitalen ΨA und ΨB werden durch HAB = hΨA |Ĥ|ΨB i (7.17) beschrieben. Man bezeichnet HAB als Resonanzintegral. Resonanzintegrale sind gewöhnlich negativ, HAB < 0, und außerdem klein im Vergleich mit den Coulombintegralen, |HAB | |HAA |. Da der Hamiltonoperator hermitesch ist und ΨA und ΨB reelle Funktionen sind, gilt: HAB = HBA Wir erhalten somit für den Erwartungswert (7.13) c2A + c2B HAA + 2cA cB HAB Ẽ = c2A + c2B + 2cA cB S Nun bestimmen wir das Minimum durch partielles Differenzieren. Dazu schreibt man Ẽ = u, v als Funktionen von cA aufgefasst werden. Das liefert die Ableitung: ∂ Ẽ u0 v − v 0 u u0 v0 = = − Ẽ 2 ∂cA v v v mit u0 = 2cA HAA + 2cB HAB und u v, wobei v 0 = 2cA + 2cB S Als Ergebnis findet man: ∂ Ẽ 2cA HAA + 2cB HAB 2cA + 2cB S = 2 − Ẽ 2 2 ∂cA cA + cB + 2cA cB S cA + c2B + 2cA cB S Die Berechnung von ∂ Ẽ ∂cB geht völlig analog. Allerdings muss man sie gar nicht durchführen, weil ∂ Ẽ ∂ Ẽ Ẽ(cA , cB ) = Ẽ(cB , cA ). Also erhält man ∂c aus ∂c , indem man im Ausdruck für B A durch cB ersetzt und umgekehrt. ∂ Ẽ ∂ Ẽ Die Forderungen ∂c = 0 und ∂c = 0 ergeben das folgende Gleichungssystem: A B cA (HAA − Ẽ) + cB (HAB − S Ẽ) = 0 cB (HAA − Ẽ) + cA (HAB − S Ẽ) = 0 ∂ Ẽ ∂cA überall cA (7.18) Das sind also zwei Gleichungen für die beiden Unbekannten cA und cB . Ein solches Gleichungssystem hat nichttriviale Lösungen (d.h. cA , cB 6= 0), wenn die Säkulardeterminante HAA − Ẽ HAB − S Ẽ (7.19) HAB − S Ẽ HAA − Ẽ verschwindet, also gilt: HAA − Ẽ 2 2 − HAB − S Ẽ = 0 103 7 Moleküle, chemische Bindungen Das ist eine quadratische Gleichung für Ẽ mit den beiden Lösungen Ẽ = E± mit E+ = HAA + HAB 1+S und E− = HAA − HAB 1−S Dabei gilt E+ < E− . Mit diesen E± -Werten berechnen wir cA und cB durch Einsetzen in das Gleichungssystem (7.18) und erhalten für E+ : 1 cA = cB = √ 2 + 2S und die zugehörige Wellenfunktion Ψ+ = √ 1 (ΨA + ΨB ) 2 + 2S Für E− sind die Koeffizienten: cB = −cA = √ und Ψ− = √ (7.20) 1 2 − 2S 1 (ΨA − ΨB ) 2 − 2S (7.21) Wir haben also zwei mögliche Wellenfunktionen Ψ+ und Ψ− für die jeweilige Lösung der quadratischen Gleichung. Das ist nicht verwunderlich, da wir ja von zwei AO’s gestartet sind, also auch erwarten, dass wir zwei MO’s finden. Der Grundzustand ist E+ und Ψ+ wird als bindendes Orbital Ψb bezeichnet, Ψ− entsprechend als antibindendes Orbital Ψ? . Die entsprechenden Orbitale sind in den Abbildungen 7.7 und 7.8 skizziert. E A B R Abbildung 7.7: H2+ -Molekül: bindendes Molekülorbital E A B R Abbildung 7.8: H2+ -Molekül: antibindendes Molekülorbital Die Wahrscheinlichkeitsdichten ergeben sich zu: |Ψb |2 = 104 1 |ΨA |2 + |ΨB |2 + 2|ΨA ΨB | 2 + 2S (7.22) 7.2 Das H2+ -Molekülion mit dem Interferenzterm 2|ΨA ΨB | bzw. |Ψ? |2 = 1 |ΨA |2 + |ΨB |2 − 2|ΨA ΨB | 2 − 2S (7.23) Diese sind in den Abbildungen 7.9 und 7.10 skizziert. 2|ΨAΨB| ΨA ΨB B A Abbildung 7.9: Interferenz beim H2+ -Molekül: Situation für Ψb −2|ΨAΨB| ΨA ΨB B A Abbildung 7.10: Interferenz beim H2+ -Molekül: Situation für Ψ? Betrachten wir nun noch einmal die Situation für das bindende (Ψb ) bzw. antibindende (Ψ? ) Orbital, so können wir folgendes feststellen: Beim bindenden Orbital wird die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Elektron zwischen den Kernen erhöht (s. Abb.7.9), beim antibindenden erniedrigt (s. Abb. 7.10). Ersteres führt zu einer Stabilierung einer Bindung, letzteres zu einer Destabilisierung der Bindung. Mit den ermittelten Ergebnissen ist die Aufstellung eines MO-Schemas möglich, welches in Abbildung 7.11 dargestellt ist. * E− 1s 1s b E+ Abbildung 7.11: MO-Schema für das H2+ -Molekülion Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so erkennen wir, dass wir auf der Basis der Born-OppenheimerNäherung die Energien E± (R) als Funktion von HAA (R), HAB (R) und S(R) und die Wellenfunktionen Ψb und Ψ∗ bestimmen konnten. 105 7 Moleküle, chemische Bindungen Beschäftigt hatten wir uns jedoch noch nicht mit dem effektiven Potential, welches auf die Kerne wirkt. Für dieses gilt: e2 V± (R) = E± (R) + 4πε0 R Wir haben also für den Grundzustand Ψb ein Potential V+ (R) und für den angeregten Zustand Ψ? das Potential V− (R). Diese Potentialkurven sind in Abbildung 7.12 dargestellt. Über den obigen Ansatz V(R) − E1s 0 V− Re R D V+ e Abbildung 7.12: gebundener und ungebundener Zustand für das betrachtete Problem, V− = ungebundener Zustand, V+ = gebundener Zustand, Bindungsabstand = Re , Dissoziationsenergie = De bekommen wir als Ergebnis des linearen Variationsverfahrens für den Bindungsabstand: Re = 1, 32Å und für die Dissoziationsenergie De = 170 kJ mol kJ Die exakten Werte sind Re = 1, 06Å und De = 270 mol . Quantitativ gibt es natürlich bessere Näherungen (was nicht verwunderlich ist, da wir uns die denkbar einfachste Näherung ausgesucht haben (nur zwei Funktionen ΨA und ΨB und dazu noch beide im 1sZustand)), qualitativ allerdings liefert das Ergebnis zutreffende Erkenntnisse. 7.3 Das H2 -Molekül Betrachten wir nun ein Molekül mit zwei Kernen und zwei Elektronen (s. Abb. 7.13). Der elektronische Hamiltonoperator in Born-Oppenheimer-Näherung lautet: Ĥel = T̂e + V̂ke + V̂ee (7.24) In diesem Fall kann die elektronische Schrödinger-Gleichung nicht mehr analytisch gelöst werden. Der Grund dafür ist - wie bei Atomen - die Elektron-Elektron-Wechselwirkung V̂ee . Man ist also auf Näherungsverfahren angewiesen. Die beiden wichtigsten Verfahren sind die Molekülorbital (MO)-Methode und die ValenzelektronenMethode, wobei wir uns nur mit der MO-Methode beschäftigen werden. 106 7.3 Das H2 -Molekül e 2 B A e 1 Abbildung 7.13: Molekül mit zwei Kernen A und B und zwei Elektronen e1 und e2 Die MO-Methode Die dieser Methode zugrunde liegende Idee kann man folgendermaßen beschreiben. Bei der Beschreibung komplexer Atome geht man von Atomorbitalen, also den Einelektronewellenfunktionen für das H-Atom, aus und bildet daraus Slaterdeterminanten für Mehrelektronenatome. Das ist natürlich nur in der Zentralfeldnäherung eine gute Näherung. Will man Moleküle beschreiben, geht man zunächst ganz ähnlich vor: Man benutzt die MO’s von H2+ als Ausgangspunkt, um daraus die entsprechenden Slaterdeterminanten für Mehrelektronen-Moleküle zu bilden. In Analogie zu den Konfigurationen von Atomen definiert man dann die Konfigurationen von Molekülen. Nomenklatur für MO’s Bei AO’s schreibt man für die Wellenfunktion Ψn,l,m (~r, ms ) und benutzt zur Charakterisierung der Konfigurationen die Quantenzahlen n, l, m. Das ist sinnvoll, weil l und m in der Zentralfeldnäherung gute Quantenzahlen sind. Für MO’s ist die Bezeichnung über die Drehimpulsquantenzahl im allgemeinen wenig hilfreich, weil diese keine guten Quantenzahlen sind. Daher klassifiziert man MO’s normalerweise nach ihrer Symmetrie. Für homonukleare zweiatomige Moleküle X2 sind die bindenden und antibindenden Zustände rotationssymmetrisch bezüglich der Kernverbindungsachse, vgl. Abb 7.17 weiter unten. Man bezeichnet solche Zustände mit σ. Daneben haben X2 -Moleküle ein Inversionszentrum. Unter Inversion versteht man die Umkehrung aller Koordinaten. Für Ψb gilt Ψb → Ψb , die Funktion ist also gerade bezüglich der Inversion, während Ψ? das Vorzeichen wechselt, Ψ? → −Ψ? , also ungerade ist. Man bezeichnet das Verhalten bezüglich der Inversion mit den Indizes ’g’ oder ’u’. Man schreibt für die Zustände Ψb : 1σg oder Ψ1σg Ψ? : 1σu? oder Ψ?1σu Dabei deutet die Zahl ’1’ einfach an, dass es sich um die niedrigsten MO’s handelt. Manchmal findet man auch die Bezeichnungen 1sσg und 1sσu? , die anzeigen soll, aus welchen AO’s das entsprechende MO (hauptsächlich) resultiert. Damit können wir ein MO-Schema für H2+ aufstellen, s. Abb. 7.14. 107 7 Moleküle, chemische Bindungen 1 σ∗ u 1s 1s 1σg Abbildung 7.14: MO-Schema für das H2+ -Molekülion in Standardnotation H2 -Konfiguration: Hier wird das 1σg - Orbital nach dem Pauli-Prinzip doppelt besetzt. Der Zustand wird also durch die Slaterdeterminante: 1 Ψas (1, 2) = ||Ψ1σg (1)α1 Ψ1σg (2)β2 || = Ψ1σg (1)Ψ1σg (2) √ (α1 β2 − α2 β1 ) 2 beschrieben. Wir erhalten mit diesem Ansatz folgende Ergebnisse für H2 : Re = 0, 74Å und De = 350 kJ mol kJ Diese Werte sind mit den ’exakten’ Ergebnissen Re = 0, 742Å und De = 432 mol zu vergleichen. + Die Abweichungen sind (wie beim H2 -Molekülion) auf den recht einfachen Ansatz zweier 1s- Zustände zurückzuführen. Ein Ansatz mit mehr Basisfunktionen würde genauere Werte liefern. 7.4 Konfigurationen zweiatomiger Moleküle Wie bei Atomen versteht man unter der Konfiguration die Besetzungen der Einteilchenniveaus, also hier der MO’s. Dabei stellt sich zunächst die Frage, wie man die MO’s sinnvoll aus Linearkominationen von AO’s konstruiert. Für ein qualitatives Bild genügt es, folgende Betrachtungen anzustellen. Bisher haben wir 2p A 2s ? 2p 2s B 1σu 1s 1s 1σg Abbildung 7.15: Linearkombination der Atomorbitale von A und B zu MO’s die 1s-Orbitale an den beiden Kernen benutzt, um daraus die MO’s σg und σu zu bilden. Wie in Abbildung 7.15 angedeutet, stellt sich aber dann allgemein die Frage, wie wichtig der Beitrag unterschiedlicher AO’s zu bestimmten MO’s ist. Dazu betrachten wir einige Beispiele: Wir untersuchen zunächst eine Linearkombination aus einem an Kern A zentrierten 1s-Orbital und einem an Kern B zentrierten 2px -Orbital (oder 2py ). Dabei wird die Kernverbindungsachse als z-Achse 108 7.4 Konfigurationen zweiatomiger Moleküle angenommen. Wir wählen also: ΨA = Ψ1s (A) und ΨB = Ψ2px (B) im LCAO-Ansatz Ψ = cA ΨA + cB ΨB . Zur Bestimmung der Koeffizienten gehen wir genauso vor wie im Kapitel 7.2 für das H2+ -Molekülion. Wir bilden die Säkulardeterminante: HAA − Ẽ HAB − S Ẽ HAB − S Ẽ HBB − Ẽ = 0 und untersuchen zunächst das Überlappungsintegral. Wie in Abbildung 7.16 zu erkennen ist, führt die f>0 + + − s + z p ,p y s x + − p ,p y x z f<0 Abbildung 7.16: AB- Molekül: Überlappung eines s- und eines px / py - Orbitals; f = ΨA ΨB Überlappung der beiden Orbitale zu einem Bereich, in welchem ΨA ΨB > 0 gilt und einem gleich großen Bereich, in dem gilt: ΨA ΨB < 0 Da nun aber die Verteilung symmetrisch bezüglich der z- Achse ist, gilt: SAB = 0 Solche Symmetrieüberlegungen genügen oft, um das qualitative Verhalten zu erkennen. Damit vereinfacht sich die Säkulardeterminante zu: HAA − Ẽ HAB =0 HAB HBB − Ẽ Das liefert eine quadratische Gleichung für die Energie Ẽ mit dem Resultat q 1 1 2 (HAA − HBB )2 + 4HAB E± = (HAA + HBB ) ± 2 2 Wir betrachten nun 2 Fälle, die häufig auftreten. • Zum einen nehmen wir an, dass HAB ≈ 0 Diese Annahme ist nicht unrealistisch, weil das Resonanzintegral HAB oft in der gleichen Größenordnung wie das Überlappungsintegral SAB ist. Für SAB = 0 ist es also oft so, dass auch HAB sehr klein ist. In diesem Fall hat man E+ ' HAA und E− ' HBB Für die Koeffizienten in der Linearkombination Ψ = cA ΨA + cB ΨB findet man damit für E+ ' HAA : cA ' 1, cB ' 0 und für E− ' HBB : cA ' 0, cB ' 1. Das bedeutet, dass Ψ+ ' ΨA und Ψ− ' ΨB sind, die Funktionen also nur einzeln vorkommen. Anders ausgedrückt: Ψ1s und Ψ2px (oder Ψ2py ) treten in der Linearkombination nicht zusammen auf. 109 7 Moleküle, chemische Bindungen • Der andere interessante Fall ist charakterisiert durch |HAA − HBB | HAB Die Coulombenergien unterscheiden sich also deutlich. In unserem Beispiel bedeutet das, dass die Coulombenergie eines Elektrons im 1s-Orbital am Kern A sehr viel niedriger ist als diejenige im 2p-Orbital am Kern B. Auch in diesem Fall findet man E+ ' HAA mit cA ' 1, cB ' 0 E− ' HBB mit cA ' 0, cB ' 1. und Diese Situation ist also analog zum Fall HAB ' 0. Auch in diesem Fall werden kaum Linearkombinationen aus 1s und 2px (2py ) zu den MO’s beitragen. Wir verallgemeinern diese Resultate nun zu folgendem Fazit Den größten Beitrag im LCAO-Ansatz liefern solche AO’s, • die dieselbe Symmetrie bezüglich der Kernverbindungsachse aufweisen (SAB 6= 0, HAB 6= 0) und • deren Energiedifferenz klein ist. Für die Erstellung eines qualitativen MO-Schemas genügt es, nur solche Linearkombinationen zu berücksichtigen. In den Abbildungen 7.17a bis 7.17d sind hierzu einige Beispiele skizziert. b z s s a Abbildung 7.17a: Linearkombination zweier s-AO’s zu einem σg = a und einem σu? = b Auf diese Art erhält man das in Abbildung 7.18 dargestellte MO-Schema. Dabei werden die MO’s nach steigenden Energien durchnummeriert. Bei der Untersuchung der Energieniveaus der entstehenden MO’s wird deutlich, dass bei den aus zwei 2p-Orbitalen entstehenden MO’s die Energiedifferenzen so gering werden, dass es nicht möglich ist zu sagen, ob das σg sich ober- oder unterhalb des πu befindet. Um die energetische Reihenfolge wirklich zu bestimmen, muss man natürlich die elektronische SchrödingerGleichung lösen. Die Situation ist also ähnlich wie bei den Konfigurationen komplexer Atome. 110 7.4 Konfigurationen zweiatomiger Moleküle − + + − + − + b − z p p z z + − − a Abbildung 7.17b: Linearkombination zweier pz -AO’s zu einem σg = pz (A) − pz (B) = b und einem σu? = pz (A) + pz (B) = a + − − + + − − p p x + b z + x a − Abbildung 7.17c: Linearkombination zweier px -AO’s zu einem πu = px (A) + px (B) = a und einem πg? = px (A) − px (B) = b; z-Achse als Knotenebene + + + + − b − z p s + z − a Abbildung 7.17d: Linearkombination eines s- und eines pz -AO’s zu einem σg = a und einem σu? = b Wir können mit diesen Überlegungen also nun die Konfigurationen homonuklearer zweiatomiger Moleküle angeben: Molekül H2+ H2 He+ 2 He2 Li2 Be2 N2 O2 Konfiguration (1σg ) (1σg )2 (1σg2 )(1σu? ) (1σg )2 (1σu? )2 (1σg )2 (1σu? )2 (2σg )2 ...(2σg )2 (2σu? )2 ...(2σg )2 (2σu? )2 (1πu )4 (3σg )2 ...(2σg )2 (2σu? )2 (3σg )2 (1πu )4 (1πg? )2 Bindungsordnung 1 2 1 1 2 0 1 0 3 2 111 7 Moleküle, chemische Bindungen Wir haben dabei noch die sogenannte Bindungsordnung angegeben, die hilfreich bei der Angabe der Strukturformeln ist und als Bindungsordnung =0 (Zahl der bindenden Elektronen - Zahl der antibindenden Elektronen) 0 2 definiert ist. Man sieht den Wechsel in der energetischen Reihenfolge der 3σg - und 1πu - Orbitale bei N2 und O2 . Das in Abbildung 7.18 links dargestellte MO-Schema trifft also für O2 zu, das rechte für N2 . 1 π g* 3 σ u* 2p 1 π g* 2p 2p 1π u 2s 2p 3σ g E ~ 200 kJ / mol 3σ g 2 σ u* 3 σ u* 1π u 2s 2σ g E ~ 1000 kJ / mol 1s 1 σ u* 1s 1σ g Abbildung 7.18: MO-Schema für homonuklare zweiatomige Moleküle. Für die Anordnung σg , πu gibt es zwei Möglichkeiten Heteronukleare zweiatomige Moleküle Hier handelt es sich bei den Kernen A und B um verschiedene Atomkerne. Im allgemeinen gilt, dass die AO’s des elektronegativeren Atoms energetisch tiefer liegen als diejenigen des anderen Kerns. Wie bei X2 -Molekülen konstruiert man σ- und π-MO’s, wobei σ und π wieder die Symmetrie bzgl. der Kernverbindungsachse andeuten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass jetzt kein Inversionszentrum mehr vorliegt, weshalb es keine Bezeichnungen ’g’ und ’u’ gibt. Man nummeriert die MO’s einfach gemäß ihrer energetischen Reihenfolge, s. Abb. 7.19. Die Koeffizienten der AO’s in den qualitativ konstruierten MO’s sind natürlich unterschiedlich groß. Dabei besitzen bindende MO’s mehr den Charakter der AO’s des elektronegativeren Atoms. Auch die Angabe der Konfigurationen erfolgt genauso wie bei den homonuklearen zweiatomigen Molekülen (oder auch den Atomen). 112 7.5 Terme zweiatomiger Moleküle 6 σ* 2p 2 π* 5σ 2p 1π 2s 4 σ* 2s 3σ 1s 2 σ* 1s 1σ Abbildung 7.19: Linearkombinationen der AO’s zu MO’s für ein heteronukleares zweiatomiges Molekül Als Beispiele seien folgende Konfigurationen angegeben: Molekül Konfiguration Bindungsordnung CO (1σ)2 (2σ ? )2 (3σ)2 (4σ ? )2 (1π)4 (3σ)2 3 5 NO ... (1π)4 (5σ)2 (2π ? ) 2 7.5 Terme zweiatomiger Moleküle Bei der Behandlung komplexer Atome haben wir gesehen, dass die Konfigurationen nur im Rahmen einer Zentralfeldnäherung eine Charakterisierung der Zustände erlauben. Berücksichtigt man die ElektronElektron-Wechselwirkung, so zeigt sich, dass die Drehimpulsquantenzahlen der einzelnen Elektronen keine guten Quantenzahlen sind. Das war ja der Grund für die Einführung des Gesamtdrehimpulses und der LS-Kopplung. Ähnlich wie bei Atomen kann man auch für Moleküle die Zustände charakterisieren, also die sogenannten Terme bestimmen. Es gibt allerdings einige wichtige Unterschiede, obwohl die grundsätzliche Vorgehensweise sehr ähnlich ist. Dazu geht man nach dem mittlerweile bekannten Schema vor: Man sucht alle Observablen, die mit Hamiltonoperator und paarweise untereinender kommutieren. Wir wissen, dass wir dann den maximal möglichen Satz an guten Quantenzahlen haben und die Zustände danach charakterisieren können. Bevor wir die Bestimmung der Terme durchführen, betrachten wir zunächst noch einmal die Konfigurationen etwas genauer. Wenn wir die Kernverbindungsachse als z-Achse wählen (was immer möglich ist), so finden wir, dass die z-Komponente des Bahndrehimpulses eines beliebigen Elektrons ’k’, L̂z,k , nur dann mit dem elektronischen Hamiltonoperator kommutiert, wenn P wir die Elektron-Elektron-Wechselwirkung vernachlässigen. In diesem Fall ist aber auch Ĥel = k Ĥel,k eine Summe unabhängiger Ein- 113 7 Moleküle, chemische Bindungen teilchenoperatoren. Also ist in dieser Näherung die Wellenfunktion ein Produkt aus Einteilchenfunktionen (MO’s), aus denen dann eine Slaterdeterminante zu bilden ist. Die Situation entspricht also im Wesentlichen derjenigen der Zentralfeldnäherung bei Atomen. Die Tatsache, dass [Ĥel , L̂z,k ] = 0 ∀ k für V̂ee = 0 bedeutet natürlich, dass in dieser Näherung die mk gute Quantenzahlen sind. Da L̂z,k ein Drehimpulsoperator ist, kann mk Werte mk = 0, ±1, ±2, ±3, ... annehmen. Ein wichtiger Unterschied zu Atomen besteht hier allerdings in der Tatsache, dass L̂2k nicht mit Ĥel kommutiert, also lk keine gute Quantenzahl ist. Daher gibt es keine Einschränkung für die Werte mk . Die Situation ist also eher vergleichbar mit dem früher betrachteten Beispiel der Rotation in zwei Dimensionen (Kap. 3.3.2). Die Konfiguration ermittelt man genau wie bei Atomen durch ’Auffüllen’ der Niveaus gemäß dem Pauli-Prinzip. Nomenklatur: Im Zusammenhang mit zweiatomigen Molekülen bezeichnet man die Eigenwerte von L̂z,k mit λk (statt mk ), d.h. λk = 0, ±1, ±2, ±3, ... Ferner bezeichnet man die Werte mit griechischen Buchstaben λk = 0: ±1 : ±2 : .. . σ π δ .. . Wir sehen, dass diese Bezeichnung gerade dieselbe ist, wie wir oben bezüglich der Symmetrie hatten. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei, dass wir für die Bestimmung der MO’s und der Konfigurationen die AO’s gar nicht benötigen, obwohl man in der Praxis meistens einen LCAO-Ansatz zur Bestimmung der MO’s wählt. Die relevante Tatsache ist aber, dass die λk gute Quantenzahlen sind, solange man V̂ee vernachlässigt. Man sieht weiter, dass σ-Orbitale nicht entartet sind und alle anderen (π, δ, ...) genau zweifach entartet sind. Auch das ist natürlich völlig anders als bei Atomen. Die Konfigurationen sind oftmals nicht eindeutig und außerdem ist die Vernachlässigung von V̂ee meistens eine schlechte Näherung. Wenn man V̂ee berücksichtigt, so kommutieren die L̂z,k nicht mit Ĥel , aber man hat (in Analogie zur Situation bei der Beschreibung der Atomzustände) h i Ĥel , L̂z = 0 P für die z-Komponente des Gesamtdrehimpulses L̂ = z k L̂z,k . P Folglich ist lediglich M = k mk eine gute Quantenzahl. Man bezeichnet das in diesem Zusammenhang allerdings nicht mit M , sondern nennt es Λ: Λ = λ1 + λ2 + ... (7.25) Wie bei Atomen führt man ein Termsymbol ein: 2S+1 Λ (7.26) mit den Bezeichnungen: Symbol Λ Σ = 0 Π = 1 ∆ = 2 Wir illustrieren das Gesagte an einigen Beispielen: 114 7.6 Mehratomige Moleküle H2 -Molekül Hier liegt die Konfiguration (1σg )2 vor. Das bedeutet: ms1 = 12 , ms2 = − 12 , da sonst das Pauli-Prinzip verletzt wäre. Daraus folgt MS = 0, S = 0 und somit 2S + 1 = 1. Da die Bezeichnung σ angibt, dass λ = 0 ist, haben wir λ1 = λ2 = 0 und somit nach Gleichung (7.25) Λ = 0. Es liegt also ein 1 Σ-Zustand vor. N2 -Molekül aus der Konfiguration: ...(1πu )4 (3σg )2 (3σ)2 . Hierbei ist (wie bei Atomen) nur (3σ)2 relevant, was 1 Σ liefert O2 -Molekül liefert ...(1πu )4 (1πg? )2 . Also ist (1πg? )2 relevant. Das bedeutet, dass wir mehrere Möglichkeiten haben, da nun 2 MO’s vorliegen (π : λ = ±1) • Für λ1 = λ2 = 1 muss nach dem Pauli-Prinzip ms1 = 21 , ms2 = − 12 gelten, also S = 0. Außerdem ist dann Λ = 2 → 1 ∆. • Für λ1 = 1, λ2 = −1, also Λ = 0(Σ) gibt es zwei Möglichkeiten für msk : Für ms1 = ms2 = 21 − 21 ist S = 1 und für ms1 = 12 , ms2 = − 12 ist S = 0. → 1 Σ und 3 Σ. Es ist bekannt, dass 3 Σ der Grundzustand des O2 - Moleküls ist (das würde man auch erwarten, wenn man die Hund’sche Regel auf Moleküle überträgt). CO-Molekül: (1π)4 (5σ)2 → 1 Σ N O-Molekül: ...(2π ? )1 → 2 Π Auf diese Art lassen sich die Terme beliebiger zweiatomiger Moleküle bestimmen. Man sieht, dass aufgrund der Tatsache, dass der maximale Entartungsgrad 2 ist, viel weniger Terme auftreten als bei Atomen. 7.6 Mehratomige Moleküle Es ist leicht einzusehen, dass die Situation bei mehratomigen Molekülen sehr viel komplexer ist. Insbesondere gestaltet sich die Bestimmung der Terme oft als schwierig, was man sich vorstellen kann, da man hier normalerweise keine Vorzugsachse mehr hat, die es erlaubt, gute Quantenzahlen unter Berücksichtigung von V̂ee zu finden. Man klassifiziert die MO’s daher ausschließlich nach ihrer Symmetrie und bestimmt normalerweise lediglich die Konfiguration. Für den Grundzustand neutraler Moleküle findet man normalerweise S = 0 und eine total symmetrische Wellenfunktion. Auch bei der Bestimmung der MO’s im Rahmen eines LCAO-Ansatzes geht man etwas anders vor als bei zweiatomigen Molekülen. Man kombiniert normalerweise schon die an einem Atom zentrierten sund p-AO’s in einer symmetrieadaptierten Weise, was als Hybridisierung bekannt ist. An dieser Stelle ist noch eine Anmerkung bezüglich der Bezeichnungen angebracht. Namen wie σoder π-Bindungen bezeichnen nicht die vollständige Symmetrie der entsprechenden MO’s, sondern geben lediglich die Symmetrie bezüglich der betrachteten Kernverbindungsachse an. Um die MO’s nach der Molekülsymmetrie zu klassifizieren, benötigt man die ’Theorie der Symmetrie’, das ist Gegenstand der Gruppentheorie. Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Konstruktion der MO’s über den LCAO-Ansatz auf dem hier betrachteten Niveau lediglich ein qualitatives Bild der elektronischen Struktur von Molekülen vermitteln kann. Will man genaue Resultate erhalten, so muss man die elektronische 115 7 Moleküle, chemische Bindungen Schrödinger-Gleichung lösen. Die Entwicklung von sinnvollen und möglichst genauen Näherungsverfahren hierfür ist Gegenstand der Theoretischen Chemie-Vorlesungen. 116 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik Für die meisten realistischen Systeme kann die Schrödinger-Gleichung nicht exakt gelöst werden. Man ist deshalb auf Näherungsverfahren zur Behandlung solcher Probleme angewiesen. Die beiden wichtigsten Nährungsverfahren in der Quantenmechanik sind das Variationsverfahren und die Störungstheorie. Beide Verfahren werden häufig verwendet. In diesem Kapitel werden wir uns eingehender mit der Störungstheorie beschäftigen, wobei wir uns auf die für unsere Anwendungen wesentlichen Aspekte beschränken. Die der Störungstheorie zugrunde liegende Idee besteht in einer Aufspaltung des Hamiltonoperators in einen Term Ĥ0 und einen ’Rest’ Ĥ1 , der klein ist. Die Schrödinger-Gleichung Ĥ0 |Ψi = E|Ψi wird als exakt lösbar vorausgesetzt. Die Aufspaltung des Hamiltonoperators Ĥ = Ĥ0 + Ĥ1 (8.1) macht nur dann Sinn, wenn Ĥ1 nur einen sehr kleinen Einfluss auf die Energieeigenwerte und Eigenzustände von Ĥ0 hat. Zwei Beispiele für Probleme, bei denen eine solche Aufspaltung des Hamiltonoperators vorgenommen werden kann und die häufig störungstheoretisch behandelt werden, sind • Schwingungen zweiatomiger Moleküle. Ein typischer Potentialverlauf in Born-Oppenheimer-Näherung ist in Abbildung 8.1 dargestellt. Wenn man nur kleine Auslenkungen um den Gleichgewichtsabstand Re betrachtet, so kann man HO V (R) Re Vanharm. R Abbildung 8.1: Potentialkurve für die Schwingung zweiatomiger Moleküle eine Taylorentwicklung des Potentials durchführen, V (R) = 12 k(R − Re )2 + a3 (R − Re )3 + ..., wobei der lineare Term verschwindet, weil es sich um eine Entwicklung um den Gleichgewichtsabstand Re handelt. Die niedrigste Näherung ist also gerade das harmonische Potential Vharm (R) = 1 2 2 k(R − Re ) und Ĥ0 = T̂k + Vharm (R) ist der Hamiltonoperator für einen harmonischen Oszillator. Als Ĥ1 werden dann die Anharmonizitäten a3 (R − Re )3 + ... gewählt. • Ein Atom (oder Molekül) in einem Magnetfeld. Hier ist Ĥ0 der Hamiltonoperator für das Atom (Molekül) und Ĥ1 beschreibt die Wechselwirkung 117 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik mit dem Magnetfeld, Ĥ1 = −µ̂z Bz = −γBz L̂z + 2ŜZ wobei wir angenommen haben, dass das Feld parallel zur z-Achse angelegt ist (Bx = By = 0) und γ ist das gyromagnetische Verhältnis, vgl. Kap. 5.1 (Wir haben den g-Faktor g = 2 gesetzt.) 8.1 Zeitunabhängige Störungstheorie Zunächst wollen wir uns hier der zeitunabhängigen Störungstheorie zuwenden. Das bedeutet, wir betrachten nur zeitunabhängige Potentiale. Bevor wir den allgemeinen Formalismus kennenlernen, betrachten wir zunächst ein ’einfaches’ Beispiel, in dem es nur 2 Zustände |ϕa i und |ϕb i gibt. [Ein solches Modell wird durch ein Elektron in einem Radikal realisiert, wobei das Elektron ein s-Orbital besetze. In diesem Fall identifizieren wir unsere Zustände mit den beiden Spinzuständen |αi und |βi des Elektrons.] Wir betrachten nun folgende Situation. Wir setzen voraus, dass der Hamiltonoperator sich als eine Summe der Form von Gl.(8.1) schreiben läßt, wobei gelte: Ĥ0 |ϕk i = Ek |ϕk i mit k = a, b (8.2) [In unserem Beispiel eines Elektronenspins kann man konkret die Situation, die typischerweise der Elektronenspinresonanz (ESR) vorliegt, annehmen. Man legt ein starkes Magnetfeld in z-Richtung an und zusätzlich ein schwaches Magnetfeld in x-Richtung. Dann ist Ĥ0 = −γgBz Ŝz = −ω0 Ŝz und die Eigenzustände sind gerade die angesprochenen Spinzustände: Ĥ0 |αi = − ~2 ω0 |αi und Ĥ0 |βi = ~2 ω0 |βi. Die Störung ist dann durch das schwache Feld in x-Richtung bestimmt, Ĥ1 = −γgB1x Ŝx = −ω1 Ŝx und die Bedingung für die ’Kleinheit’ von Ĥ1 ist einfach ω1 << ω0 .] Die Schrödinger-Gleichung des Gesamtsystems ist: Ĥ|Ψi = E|Ψi bzw. Ĥ0 + Ĥ1 |Ψi = E|Ψi Die Lösung dieser Gleichung ist nur dann trivial, wenn Ĥ0 und Ĥ1 gemeinsame Eigenzustände haben. Das ist allerdings nur der Fall, wenn sie kommutieren. Es gibt zwar einige wichtige Beispiele, in denen das der Fall ist, siehe weiter unten. Im Allgemeinen kommutieren diese Operatoren aber nicht. [In unserem ESR-Beispiel kommutieren H0 und Ĥ1 nicht, da gilt: [Ŝz , Ŝx ] = i~Ŝy .] Wir wählen folgenden Ansatz für |Ψi: |Ψi = ca |ϕa i + cb |ϕb i (8.3) und setzen diesen in die Schrödinger-Gleichung ein: Ĥ0 + Ĥ1 − E (ca |ϕa i + cb |ϕb i) = 0 ,→ ca Ĥ0 + Ĥ1 − E |ϕa i + cb Ĥ0 + Ĥ1 − E |ϕb i = 0 Um aus der letzten Gleichung Bedingungen für die Energieeigenwerte von Ĥ und die Koeffizienten ca und cb zu erhalten, gehen wir folgendermaßen vor: Wir nutzen zunächst Gleichung (8.2), d.h. Ĥ0 |ϕa i = Ea |ϕa i und Ĥ0 |ϕb i = Eb |ϕb i. Das liefert ca Ea − E + Ĥ1 |ϕa i + cb Eb − E + Ĥ1 |ϕb i = 0 ? Nun ’multiplizierten’ R wir diese Gleichung von links mit hϕa | (d.h. wir mulitplizieren mit ϕa (τ )) und bilden das Integral dτ ). Das liefert ca (Ea − E)hϕa |ϕa i + hϕa |Ĥ1 |ϕa i + cb (Eb − E)hϕa |ϕb i + hϕa |Ĥ1 |ϕb i = 0 118 8.1 Zeitunabhängige Störungstheorie und wegen der Orthogonalität der |ϕk i (hϕk |ϕl i = δkl ): ca Ea − E + hϕa |Ĥ1 |ϕa i + cb hϕa |Ĥ1 |ϕb i = 0 ’Anmultiplizieren’ von hϕb | von links liefert völlig analog: cb Eb − E + hϕb |Ĥ1 |ϕb i + ca hϕb |Ĥ1 |ϕa i = 0 Wir sehen an diesen Gleichungen, dass die Matrixelemente hϕa |Ĥ1 |ϕb i und hϕb |Ĥ1 |ϕa i die Zustände |ϕa i und |ϕb i ’mischen’. [ Im ESR-Beispiel können wir diese Matrixelemente unter Ausnutzen von Ŝx |αi = ~2 |βi und Ŝx |βi = ~ ~ 2 |αi leicht berechnen mit dem Resultat: hβ|Ĥ1 |αi = hα|Ĥ1 |βi = − 2 ω1 .] Der Einfachheit halber gehen wir nun davon aus, dass hϕa |Ĥ1 |ϕa i = hϕb |Ĥ1 |ϕb i = 0 Das gilt zwar nicht immer, ist aber für unsere Diskussion ausreichend. [ Man kann sich leicht davon überzeugen, dass es in unserem ESR-Beispiel gilt.] Wir erhalten damit ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen, welches nichttriviale Lösungen besitzt, falls die Säkulardeterminante verschwindet. Das Nullsetzen der Säkulardeterminante liefert also:∗ Ea − E hϕa |Ĥ1 |ϕb i =0 hϕ |Ĥ1 |ϕa i Eb − E b ,→ (Ea − E)(Eb − E) − |hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 = 0 Aus dieser quadratischen Gleichung ergeben sich nun die Energieeigenwerte von Ĥ = Ĥ0 + Ĥ1 zu: q 1 1 (Eb − Ea )2 + 4|hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 (8.4) E± = (Ea + Eb ) ± 2 2 Ausnutzen von E+ und E− erlaubt es dann, die Koeffizienten ca und cb für jeden der beiden Energiewerte zu bestimmen. Die Ergebnisse sind allerdings nicht sehr illustrativ. Außerdem interessiert uns im Zusammenhang mit der Störungsrechnung insbesondere der Fall ’kleiner’ Störungen Ĥ1 . Deshalb betrachten wir nun zwei spezielle Fälle: 1. Es gilt Ea < Eb , d.h. wir haben keine Entartung. Wir schreiben den Term mit der Quadratwurzel in (8.4) mit: s 1√ 1 4|hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 ... = (Eb − Ea ) 1 + 2 2 (Eb − Ea )2 Falls die Störung klein ist, genau gesagt, wenn |hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 (Eb − Ea )2 √ gilt, können wir die Taylorentwicklung 1 + x ' 1 + x2 nutzen und finden damit ! 1√ 1 2|hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 ... ' Eb − Ea + 2 2 Eb − Ea Damit ergeben sich die Energien E± zu: E+ = Eb + ∗ 2|hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 Eb − Ea und E− = Ea − 2|hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 Eb − Ea h i? beim Ausrechnen wird ausgenutzt, dass der Hamiltonoperator hermitesch ist, dass also gilt: hϕa |Ĥ1 |ϕb i = hϕb |Ĥ1 |ϕa i 119 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik Die dazugehörigen Funktionen Ψ+ und Ψ− erhält man durch Einsetzen der mit Hilfe von E+ und E− berechneten Koeffizienten in den Ansatz (8.3) ! ! hϕb |Ĥ1 |ϕa i hϕa |Ĥ1 |ϕb i |Ψ+ i ' |ϕb i + |ϕa i und |Ψ− i ' |ϕa i − |ϕb i Eb − Ea Eb − Ea Die Störung sorgt also für eine ’Abstoßung’ der beiden Zustände (s. Abb. 8.2), wobei jedem Eb E a H 0 H 1 Abbildung 8.2: Störung für nichtentartete Zustände Zustand etwas von dem anderen ’beigemischt’ wird. 2. Die Energie ist zweifach entartet d.h.: Eb = Ea . In diesem Fall ergibt sich: E+ = Ea + |hϕa |Ĥ1 |ϕb i| E− = Ea − |hϕa |Ĥ1 |ϕb i| Wie in Abbildung 8.3 zu erkennen ist, bedeutet dieser Fall eigentlich keine Näherung. Man kann nämlich im Falle der Entartung nicht annehmen, dass die Störung klein ist (was notwendig für Anwendbarkeit der Störungstheorie war). Das Problem muss also exakt gelöst werden. In jedem Fall ist die Störungstheorie für entartete Zustände schwieriger anwendbar als für nicht entartete. Man findet allerdings in den allermeisten Fällen eine Aufhebung der Entartung wie in Eb Abbildung 8.3: Störung für entartete Zustände unserem Beispiel. [Unser einfaches ESR-Modell ist ein Beipiel für den nichtentarteten Fall und es ist eine gute Übung, die gestörten Energien und die Wellenfunktionen als Funktion von ω0 und ω1 zu berechnen.] Wir halten also fest, dass wir in unserem Beispiel von zwei Zuständen gesehen haben, dass im nichtentarteten Fall eine Störung als klein angesehen werden kann, wenn |hϕa |Ĥ1 |ϕb i|2 (Ea − Eb )2 ist und dass ein solches Argument im entarteten Fall nicht vorliegt. 120 8.1 Zeitunabhängige Störungstheorie Das betrachtete Zweizustandsmodell ist zwar geeignet, um das Prinzip der Störungsrechnung zu verdeutlichen, es ist aber meistens nicht allgemein genug. Deshalb betrachten wir jetzt den allgemeinen Formalismus der Störungsrechnung im nichtentarteten Fall: Der Hamiltonoperator Ĥ sei gegeben durch den ungestörten Operator Ĥ0 und einen Term, der die Störung beschreibe (λĤ1 ): Ĥ = Ĥ0 + λĤ1 . (8.5) Dabei ist λ ein reeller Parameter, der ’klein’ ist und am Schluss aller Berechnungen wieder eins gesetzt wird. Das ungestörte Problem ist definiert durch: (0) Ĥ0 |ϕm i = Em |ϕm i (8.6) (0) mit m = 0, 1, 2, .... Da es keine Entartung geben soll, sind alle Em verschieden. Die |ϕm i sind als Eigenzustände eines hermiteschen Operators orthogonal: 1 für n = m hϕn |ϕm i = δn,m = (8.7) 0 für n 6= m und vollständig: 1= X |ϕn ihϕn | (8.8) n Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung des vollständigen Problems ist gegeben durch: Ĥ|Ψm i = Em |Ψm i (8.9) Wir entwickeln nun sowohl die Energien Em als auch die Eigenzustände |Ψm i in Potenzen von λ: (0) (1) (2) Em = Em + λEm + λ2 Em + ... (1) (1) |Ψm i = |Ψ(0) m i + λ|Ψm i + ... = |ϕm i + λ|Ψm i + ... Dies setzen wir in die Schrödinger-Gleichung ein, multiplizieren aus und sortieren nach Potenzen von λ, λn , n = 0, 1, 2, ...: (0) (1) (1) Ĥ0 + λĤ1 |ϕm i + λ|Ψ(1) i + ... = E + λE + ... |ϕ i + λ|Ψ i + ... m m m m m Ausmultiplizieren liefert: 2 (0) (1) (0) = Em |ϕm i + λEm |ϕm i + λEm |Ψ(1) Ĥ0 |ϕm i + λĤ1 |ϕm i + λĤ0 |Ψ(1) m i+O λ m i 2 +O λ , was wir umschreiben können zu: (0) (1) (0) (1) λ0 Ĥ0 − Em |ϕm i + λ Ĥ1 |ϕm i + Ĥ0 |Ψ(1) m i − Em |Ψm i − Em |Ψm i + ... = 0 (8.10) mit λ0 = 1. Aus Gleichung (8.6), d.h. für den Fall der ungestörten Zustände, folgt: (0) (0) Ĥ0 |ϕm i = Em |ϕm i oder λ0 Ĥ0 − Em |ϕm i = 0 Analog müssen auch alle Terme der Ordnung λ1 , λ2 , usw. einzeln verschwinden, da Gleichung (8.10) nur erfüllt werden kann, wenn die einzelnen Koeffizienten in den gegebenen Potenzen von λ verschwinden 121 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik (1) (der Trivialfall λ = 0 ist keine sinnvolle Lösung). Den in λ linearen Term (Ĥ1 |ϕm i + Ĥ0 |Ψm i − (1) (0) (1) Em |Ψm i − Em |Ψm i = 0) schreiben wir in der Form: (0) (1) Ĥ0 − Em |Ψ(1) i = E − Ĥ (8.11) 1 |ϕm i m m (1) (1) Um bei der Bestimmung von Em und |Ψm i weiterzukommen, nutzen wir die Tatsache, dass die |ϕm i (1) eine vollständige Basis bilden und entwickeln |Ψm i in dieser Basis: Z X X (1) (1) c |ϕ i mit c = hϕ |Ψ i = dτ ϕ?n · Ψ(1) (8.12) |ϕ ihϕ |Ψ i = |Ψ(1) i = n,m n n,m n n n m m m m n n Einsetzen von Gleichung (8.12) in Gleichung (8.11) ergibt: X (0) (1) Ĥ0 − Em cn,m |ϕn i = Em − Ĥ1 |ϕm i n (0) und unter Ausnutzung von (8.10) ( d.h. Ĥ0 |ϕn i = En |ϕn i) X (0) (1) cn,m En(0) − Em |ϕn i = Em − Ĥ1 |ϕm i n ’Anmultiplizieren’ von hϕk | von links liefert für die linke Seite dieser Gleichung: X X (0) (0) (0) (0) cn,m En(0) − Em hϕk |ϕn i = cn,m En(0) − Em δk,n = ck,m Ek − Em n n und für die rechte Seite: (1) (1) (1) hϕk | Em − Ĥ1 |ϕm i = Em hϕk |ϕm i − hϕk |Ĥ1 |ϕm i = Em δk,m − hϕk |Ĥ1 |ϕm i Es folgt also: (0) (0) (1) = Em δk,m − hϕk |Ĥ1 |ϕm i ck,m Ek − Em Wir haben nun zwei Fälle zu unterscheiden: 1. k = m: (1) 0 = Em − hϕm |Ĥ1 |ϕm i (1) ,→ Em = hϕm |Ĥ1 |ϕm i 2. k 6= m (0) (0) ck,m Ek − Em = −hϕk |Ĥ1 |ϕm i ,→ ck,m = hϕk |Ĥ1 |ϕm i (0) (0) Em − Ek Analog findet man mit Hilfe der Terme, die proportional zu λ2 sind: (2) Em = X |hϕn |Ĥ1 |ϕm i|2 (0) n6=m (0) Em − En (2) Man kann auch die höheren Korrekturen für die Wellenfunktionen, |Ψm i etc. angeben. Die Ausdrücke werden allerdings immer komplexer. Wir fassen also zusammen: 122 8.1 Zeitunabhängige Störungstheorie Em (0) = Em = (0) Em (1) + Em (2) + Em P + hϕm |Ĥ1 |ϕm i + |Ψm i = |ϕm i + (1) |Ψm i hϕm |Ĥ1 |ϕn i + ... |ϕn i + ... |Ψm i = |ϕm i + P n6=m E (0) −E (0) m n n6=m + ... |hϕn |Ĥ1 |ϕm i|2 (0) (0) Em −En + ... Wir sehen, dass diese Ausdrücke genau dieselbe Struktur besitzen wie in unserem Beispiel von zwei Zuständen, nachdem wir dort E± und Ψ± näherungsweise betrachtet haben. Zu beachten ist in jedem Fall, dass das Verfahren nichts über die Qualität der Störungsrechnung aussagt. Generell läßt sich lediglich sagen, dass eine Anwendung der Störungsrechnung nur sinnvoll ist, wenn man überprüfen kann, dass der Störoperator nur einen kleinen Einfluß auf die ungestörten Energien hat. Störung eines entarteten Niveaus Wie wir schon am Beispiel des oben diskutierten Zweizustandsmodells gesehen haben, wird die Anwendung der Störungstheorie im Falle eines entarteten Niveaus schwieriger. Ähnlich wie im Zweizustandsmodell hebt eine Störung normalerweise die Entartung auch im allgemeinen Fall auf. Wir halten fest, dass man im Falle eines entarteten Niveaus im Allgemeinen anders vorgehen muss als bei der Entwicklung der Störungsrechnung im nicht-entarteten Fall. Wir werden hier nicht auf die Details eingehen, sondern lediglich einen wichtigen Spezialfall der Störungsrechnung entarteter Niveaus betrachten. Dieser Spezialfall ist charakterisiert durch h i Ĥ0 , Ĥ1 = 0 (8.13) (r) Das bedeutet, Ĥ0 und Ĥ1 haben gemeinsame Eigenzustände, die wir mit |ϕm i, r = 1, 2, ..., k bezeichnen, d.h.: (r) Ĥ0 |ϕ(r) mit r = 1, 2, ..., k (8.14) m i = Em |ϕm i Wir betrachten also ein k-fach entartetes Niveau. (r) Da die |ϕm i auch Eigenzustände von Ĥ1 sind, gilt: (r) (r) Ĥ1 |ϕ(r) m i = εm |Ψm i mit r = 1, 2, ..., k (8.15) (r) Allerdings ist nicht gesagt, dass die εm den gleichen Wert haben. Sie können also auch alle unterschiedlich sein. Es können auch manche gleich groß und andere voneinander verschieden sein. Darüber kann man allgemein keine Aussage machen. (r) (s) (r) Als letzte wichtige Tatsache halten wir fest, dass für orthogonal gewählte |ϕm i, d.h. hϕm |ϕm i = δs,r , (s) (r) gilt: hϕm |Ĥ1 |ϕm i = 0, falls s 6= r. Das ist natürlich lediglich eine Konsequenz der Tatsache, dass die (r) |ϕm i gemeinsame Eigenzustände von Ĥ0 und Ĥ1 sind, vgl. auch Gleichung (8.15). Als Fazit halten wir fest: Im Falle eines entarteten Niveaus kann eine Störung, die mit Ĥ0 kommutiert, diese Entartung teilweise oder ganz aufheben (muss es aber nicht notwendig). Ein wichtiges Beispiel für ein solches Verhalten hat man beim sogenannten Zeeman-Effekt Wir betrachten ein Atom, welches sich in einem B-Feld in z-Richtung befindet. Die Störung ist also durch die Wechselwirkung mit dem B-Feld gegeben: Ĥ1 = −γe Bz L̂z + 2Ŝz (8.16) 123 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik P P mit L̂z = k L̂zk und Ŝz = k Ŝzk . Da Ĥ0 ist der Hamiltonoperator für das Atom ist, kommutiert Ĥ0 mit Ĥ1 . Wir hatten bereits in Kapitel 5.1 festgestellt, dass beim Anlegen eines Magnetfeldes in zRichtung die (2l + 1)-fache Entartung der Zustände zu gegebenem L aufgehoben wird. Wir betrachten nun konkret zwei Zustände, wobei wir L̂z |L, ML i = ~ML |L, ML i und Ŝz |S, MS i = ~MS |S, MS i nutzen. 1 S-Zustand ; |1 Si = |L = 0, ML = 0i|S = 0, MS = 0i Deshalb folgt direkt Ĥ1 |1 Si = 0|1 Si und der Zustand wird durch das B- Feld nicht beeinflusst. 1 P -Zustand ; |1 P i = |L = 1, ML i|S = 0, MS = 0i Wir finden hier Ĥ1 |1 P i = −γe Bz L̂z |1, ML i|0, 0i + 2Ŝz |1, ML i|0, 0i = −γe Bz (~ML |1, ML i|0, 0i + 2 · 0|1, ML i|0, 0i) , also Ĥ1 |1 P i = −γe Bz ~ML |1 P i. Somit haben wir (1) Em = h1 P |Ĥ1 |1 P i = h1 P |(−γe Bz ~ML )|1 P i = −γe Bz ~ML h1 P |1 P i = −γe Bz ~ML . Es folgt hier eine Aufhebung der Entartung. Der Zustand ML = 0 wird nicht geändert, während E ML = − 1 ML = 0 Bz ML = 1 Abbildung 8.4: Skizze zum Zeeman-Effekt das äußere Magnetfeld auf die Zustände ML = 1 und ML = −1 verändernd wirkt (s. Abb. 8.4). Dies hatten wir im Stern-Gerlach-Versuch bereits kennengelernt. Betrachten wir abschließend noch ein Beispiel für die Störungsrechnung im nichtentarteten Fall: Wir untersuchen einen harmonischen Oszillator im elektrischen Feld. Für die elektrische Energie dieses Feldes gilt: ~ H1 = −~ µ·E (8.17) mit dem elektrischen Dipolmoment µ ~ , das durch µ ~= X ~i Qi R (8.18) i ~ i der Ort der Teilchen sind. Konkret betrachten wir ein HClgegeben ist, wobei Qi die Ladung und R Molekül, dessen Cl-Atom als raumfest betrachtet wird und dessen H-Atom in x-Richtung schwinge. Für dieses Beispiel ist: µ = Qx 124 8.2 Zeitabhängige Störungstheorie ~ = QxEx . Wie in Kapitel 3.2 definieren wir die Koordinate q = Damit ist µ ~ ·E q ~ Abkürzung ε = QEx mω ein. Dann haben wir für die Störung: p mω ~ x und führen die Ĥ1 = −εq Für die Berechnung der Energiekorrekturen und der Wellenfunktionen werden die Matrixelemente hΨν 0 |Ĥ1 |Ψν i = −εhΨν 0 |q|Ψν i benötigt. Für diese findet man unter Ausnutzung der Eigenschaften der Hermitepolynome: hΨv+1 |Ĥ1 |Ψv i = 6 0 hΨv−1 |Ĥ1 |Ψv i = 6 0 hΨv |Ĥ1 |Ψv i = 0 Die Tatsache, dass hΨν |Ĥ1 |Ψν i = 0 ist, bedeutet, dass es keine Energieverschiebung in erster Ordnung (1) Störungsrechnung gibt, Eν = 0. Erst in zweiter Ordnung gibt es Korrekturen zu den Energien. Man sieht an den Matrixelementen, dass Ĥ1 nur einen Einfluß hat, wenn sich die Schwingungsquantenzahl um eins ändert, v − v 0 = ∆v = ±1. In der Spektroskopie bezeichnet man die Angabe der notwendigen Änderungen von Quantenzahlen als Auswahlregeln. Hierbei führt man dem System Energie in Form von Strahlung zu, wobei sich allerdings die Störung mit der Zeit ändert, normalerweise in der Art: ~ ~ ~ 0 cos(ωt) H1 (t) = −~ µ · E(t) mit E(t) =E Will man diesen Fall untersuchen, muss man sich mit der zeitabhängigen Störungstheorie beschäftigen. 8.2 Zeitabhängige Störungstheorie Betrachtet sei ein System, in welchem der ungestörte Zustand, beschrieben durch den Operator Ĥ0 , nicht von der Zeit abhängt, die Störung allerdings von der Zeit abhängig sei: Ĥ(t) = Ĥ0 + Ĥ1 (t) (8.19) Wir haben also keine stationären Zustände mehr. Wir müssen die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung: Ĥ(t)|Ψ(t)i = i~ ∂ |Ψ(t)i ∂t lösen. Die Energiezustände für das ungestörte Problem setzen wir als bekannt voraus: Ĥ0 |ϕn i = En |ϕn i Für die entsprechende zeitabhängige Schrödinger-Gleichung schreiben wir: Ĥ0 |φn (t)i = i~ ∂ |φn (t)i ∂t mit |φn (t)i = |ϕn ie−i En t ~ Wir gehen nun genauso vor wie bei der zeitunabhängigen Störungsrechnung und entwickeln Ψ(t) nach der Basis, welche durch die Eigenzustände von Ĥ0 aufgespannt wird. Dabei benutzen wir X X |φn (t)ihφn (t)| = |ϕn ihϕn | = 1 n n 125 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik Es gilt also |Ψ(t)i = X |φn (t)ihφn (t)|Ψ(t)i = n X cn (t)|φn (t)i n R mit den zeitabhängigen Entwicklungskoeffizienten cn (t) = hφn (t)|Ψ(t)i = dτ φn (t)? Ψ(t). Setzen wir dies in die Schrödinger-Gleichung ein, so erhalten wir iX h ∂ X cn (t)|φn (t)i i~ cn (t)|φn (t)i = Ĥ0 + Ĥ1 (t) ∂t n n i h X ∂ X ∂ ,→ i~ cn (t) Ĥ0 |φn (t)i + Ĥ1 (t)|φn (t)i cn (t) |φn (t)i + cn (t) |φn (t)i = ∂t ∂t n n Wir nutzen jetzt für den zweiten Term auf der linken Seite die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung für ∂ das ungestörte System, i~ ∂t |φn (t)i = Ĥ0 |φn (t)i, und sehen so, dass dieser Term identisch zum ersten Term auf der rechten Seite ist. Wir erhalten somit: X X i~ ċn (t)|φn (t)i = cn (t)Ĥ1 (t)|φn (t)i n wobei ċn (t) = |ϕn ie −i E~n t n ∂ ∂t cn (t) ist. ’Anmultiplizieren’ von hϕm | von links liefert unter Ausnutzung von |φn (t)i i~ X ċn (t)hϕm |ϕn ie−i En t ~ = n X cn (t)hϕm |Ĥ1 (t)|ϕn ie−i = En t ~ n Auf der linken Seite ’überlebt’ wegen hϕm |ϕn i = δm,n nur der Term mit m = n und wir finden: X En t Em t cn (t)hϕm |Ĥ1 (t)|ϕn ie−i ~ i~ċm (t)e−i ~ = n oder: ċm (t) = − (En −Em )t iX ~ cn (t)hϕm |Ĥ1 (t)|ϕn ie−i ~ n Wir definieren nun En − Em ~ Dabei handelt es sich also um eine Frequenz (E = ~ω). Somit finden wir: ωn,m = ċm (t) = − (8.20) iX cn (t)hϕm |Ĥ1 (t)|ϕn ie−iωn,m t ~ n Um diese Gleichung zu integrieren, gehen wir folgendermaßen vor. Die Gleichung ist von der Form: dc(t) = x(t) dt Wir trennen die Variablen und schreiben dc(t) = x(t)dt. In dieser Form können wir integrieren: Rt 0 0 0 dt x(t ) mit dem Resultat: Z t c(t) − c(0) = dt0 x(t0 ) R c(t) C(0) dc(t) 0 Somit finden wir: cm (t) = cm (0) − 126 iX ~ n Z 0 t 0 dt0 cn (t0 )hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ie−iωn,m t (8.21) = 8.2 Zeitabhängige Störungstheorie P Diese Gleichung gibt uns den Koeffizienten cm (t) in der Entwicklung |Ψ(t)i = m cm (t)|φm (t)i. Allerdings hängt cm (t) nach (8.21) von allen anderen cn (t0 ) zu allen Zeiten t0 < t ab. Deshalb ist (8.21) in der gegebenden Form wenig hilfreich. Andererseits haben wir bisher nur exakte Umformungen vorgenommen, das heißt Gleichung (8.21) ist exakt. Wir haben also insbesondere noch nirgends genutzt, dass Ĥ1 (t) eine kleine Störung ist. Um jetzt eine Näherung im Sinne einer Störungsrechnung zu machen, gehen wir folgendermaßen vor. Wir nutzen Gl.(8.21) iterativ. Das bedeutet, wir benutzen (8.21) für die Koeffizienten cn (t0 ) auf der rechten Seite, d.h. wir schreiben dafür: Z 0 i X t 00 00 0 cn (t ) = cn (0) − dt ck (t00 )hϕn |Ĥ1 (t00 )|ϕk ie−iωk,n t ~ 0 k und setzen diesen Ausdruck wiederum in Gl.(8.21) ein: Z iX t 0 0 dt cn (0)hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ie−iωn,m t cm (t) = cm (0) − ~ n 0 2 X Z t Z t0 i 0 00 dt00 ck (t00 )hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ihϕn |Ĥ1 (t00 )|ϕk ie−i[ωn,m t +ωk,n t ] + dt0 ~ 0 0 n,k Das bedeutet, wir haben folgende Terme, die Matrixelemente des Störoperators Ĥ1 (t) beinhalten: • einen Term der Form cn (0)hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn i • und einen Term der Form ...ck (t00 )hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ihϕn |Ĥ1 (t00 )|ϕk i... Wenn wir nun - wie in der zeitunabhängigen Störungsrechnung - einen Parameter λ einführen, indem wir Ĥ1 (t) durch λĤ1 (t) ersetzen, so ist hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn i ∼ λ und hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ihϕn |Ĥ1 (t00 )|ϕk i ∼ λ2 Wir betrachten jetzt nur die Störungsrechnung erster Ordnung, d.h. nur den Term ∼ λ. Das Resultat ist dann (wir setzen λ = 1): iX cn (0) cm (t) = cm (0) − ~ n Z t 0 dt0 hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕn ie−iωn,m t (8.22) 0 Wir betrachten nun folgenden wichtigen Spezialfall: Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich das System im Eigenzustand |ϕk i von Ĥ0 . Meistens handelt es sich dabei um den Grundzustand. Dieser Fall ist in den meisten relevanten spektroskopischen Problemen realisiert: Vor Beginn des Experiments (t = 0− ) liegt noch kein elektromagnetisches Feld vor. Die Störung braucht also zu diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt zu werden. Das bedeutet P also, dass wir zu Zeit P t = 0 für die Entwicklung des Zustands |Ψ(0)i nutzen, dass gilt: |Ψ(0)i = n cn (0)|φn (0)i = n cn (0)|ϕn i = ck (0)|ϕk i. Konkret bedeutet das, dass wir im ersten Term auf der rechten Seite von Gl.(8.22) cm (0) = δm,k nutzen und im zweiten Term cn (0) = δn,k . Somit ’überlebt’ nur der Term mit n = k die Summation auf der rechten Seite und wir finden: Z i t 0 0 dt hϕm |Ĥ1 (t0 )|ϕk ie−iωk,m t (8.23) cm (t) = δm,k − ~ 0 127 8 Störungstheorie in der Quantenmechanik Konkret ersetzen wir nun m durch l und nehmen an, dass l 6= k gilt. Dann haben wir: Z i t 0 0 cl (t) = − dt hϕl |Ĥ1 (t0 )|ϕk ie−iωk,l t ~ 0 Das bedeutet: das System entwickelt sich unter dem Einfluss der Störung von einem Ausgangszustand |ϕk i zu einem anderen Zustand. Wir schreiben dafür: X cn (t)|φn (t)i mit |Ψk (0)i = |ϕk i |Ψk (t)i = n um zu zeigen, dass sich |Ψk (t)i aus |ϕk i entwickelt. Für spektroskopische Anwendungen ist es wichtig zu wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass sich aus einem Anfangszustand |ϕk i ein bestimmter Zustand |ϕl i ergibt. Deshalb definieren wir die: Übergangswahrscheinlichkeit: Pl,k (t) = |hϕl |Ψk (t)i|2 (8.24) Pl,k (t) ist die Wahrscheinlichkeit dafür, das System zur Zeit t im Zustand |ϕl i vorzufinden, wenn es zum Zeitpunkt t = 0 im Zustand |ϕk i war und sich in der Zwischenzeit unter dem Einfluss von Ĥ1 (t) entwickelt hat. Zur Zeit t = 0 gilt: Pl,k (0) = |hϕl |Ψk (0)i|2 = |hϕl |ϕk i|2 d.h.: Pk,k (0) = 1 und Pk,l (0) = 0 für l 6= k P Einsetzen der Entwicklung |Ψk (t)i = n cn (t)|φn (t)i in Gleichung (8.24) liefert: 2 X Pl,k (t) = hϕl | cn (t)|φn (t)i n 2 2 X X E t n = cn (t)hϕl |φn (t)i = cn (t)hϕl |ϕn ie− ~ n n Wegen hϕl |ϕn i = δl,n ergibt sich: Pl,k (t) = |cl (t)|2 128 (8.25) 9 Grundlagen der Spektroskopie Die Spektroskopie arbeitet im Wesentlichen mit einem in Abbildung 9.1 dargestellten Aufbau. Einer Probe wird durch Bestrahlung mit Licht Energie zugeführt, wobei die Intensität des hindurchtretenden Lichts mit Hilfe eines Detektors gemessen wird. Ziel der Spektroskopie ist es, Erkenntnisse über die Struktur oder Reaktionsverläufe in der Probe zu erlangen. Nehmen wir nun an, dass eine Probe durch Lichtquelle Probe Detektor Abbildung 9.1: Skizze zum Aufbau eines spektroskopischen Analysengerätes ein System mit nur zwei Zuständen k und l charakterisiert ist, wobei der Zustand k energetisch niedriger liege als der Zustand l. Die Energiedifferenz El − Ek = ~ωl,k kann aus der Lichtwelle dann absorbiert werden, wenn diese Photonen der Energie ~ω mit ω = ωl,k enthält. Da die Gesamtenergie erhalten bleiben muss, bedeutet eine Absorption, dass die Energie der Probe um ~ωl,k zugenommen hat und dafür derselbe Energiebetrag in der elektromagnetischen Strahlung ’fehlt’. Somit stellt man eine Absorption im Detektor dadurch fest, dass die Intensität als Funktion der Frequenz ein Minimum bei ω = ωl,k aufweist, vgl. Abb. 9.2. I ωl,k ω Abbildung 9.2: Absorption des beschriebenen Systems 129 9 Grundlagen der Spektroskopie 9.1 Übergangsraten Da es sich bei der Absorption um einen Übergang zwischen zwei Zuständen eines (molekularen) Systems aufgrund der zeitabhängigen Wechselwirkung des Systems mit der elektromagnetischen Strahlung des Lichts handelt, werden wir die zeitabhängige Störungstheorie benutzen, um die Wahrscheinlichkeit bzw. die Rate für diese Absorption zu berechnen. Zunächst müssen wir allerdings dafür den Störoperator Ĥ1 (t) spezifizieren. Die Wechselwirkung zwischen Materie und elektromagnetischer Strahlung ist im Allgemeinen recht komplex. Für spektroskopische Untersuchungen ist es jedoch meistens eine gute Näherung, sich auf die elektrische Dipolwechselwirkung zu beschränken: ~ Ĥ1 (t) = −µ ~ˆ · E(t) (9.1) Dabei ist der Dipoloperator µ ~ˆ gegeben durch: µ ~ˆ = −e N X ~rˆi + e i=1 N X ~ˆk Zk R (9.2) k=1 =µ ~ˆel + µ ~ˆk ~ˆk die Ortsoperatoren Hierbei sind die ~rˆi die Ortsoperatoren für die Elektronenkoordinaten und die R für die Kernkoordinaten. Der Dipoloperator setzt sich also aus einem elektronischen Anteil und einem Kernanteil zusammen. Das oszillierende elektrische Feld ist gegeben durch: ~ ~ 0 cos ωt E(t) =E Physikalisch beschreibt Ĥ1 (t) die Ausrichtung der molekularen elektrischen Dipolmomente im elektrischen Feld. Für manche Anwendungen betrachtet man auch die Wechselwirkung der magnetischen ~ ~ Momente mit dem B-Feld der Lichtwelle. In diesem Fall ist Ĥ1 (t) = −µ ~ˆ m · B(t). Obwohl wir uns in diesem Kapitel hauptsächlich mit der elektrischen Dipolwechselwirkung (9.1) befassen werden, schreiben wir Ĥ1 (t) zunächst etwas allgemeiner als 1 Ĥ1 (t) = M̂ cos(ωt) = M̂ eiωt + e−iωt 2 (9.3) ~ 0 gegeben, wovon meist für vorgegebene Polarisation des Dabei ist M̂ also beispielsweise durch µ ~ˆ · E Lichts nur eine Komponente µk · E0,k , k = x, y, z interessiert. Bevor wir die sogenannte Übergangsrate definieren, betrachten wir die Übergangswahrscheinlichkeit 2 Pl,k (t) für einen Übergang von ’k’ nach ’l’, vgl. Gleichung P (8.25), Pl,k (t) = |cl (t)| , wobei cl (t) der Koeffizient in der Entwicklung des Zustandes |Ψk (t)i = n cn (t)|φn (t)i ist. In erster Ordnung Störungsrechnung ist cl (t) gegeben durch (vgl. Gl. (8.23)): i cl (t) = − ~ Z t 0 dt0 hϕl |Ĥ1 (t0 )|ϕk ieiωl,k t 0 R 1 iωt + e−iωt hϕ |M̂ |ϕ i und wir haben c (t) = − i 1 hϕ |M̂ |ϕ i t dt0 e Nach (9.3) ist hϕ | Ĥ (t)|ϕ i = 1 l k l k l l k 2 ~ 2 0 R t 0 ixt0 0 0 1 i(ω +ω)t i(ω −ω)t ixt l,k l,k e +e . Für die Zeitintegration benutzen wir 0 dt e = ix e − 1 und erhalten: " # ei(ωl,k +ω)t − 1 ei(ωl,k −ω)t − 1 i1 cl (t) = − hϕl |M̂ |ϕk i + ~2 i (ωl,k + ω) i (ωl,k − ω) 130 9.1 Übergangsraten Betrachten wir nun die Terme in der eckigen Klammer etwas genauer. Wenn wir uns für eine Absorption interessieren, so müssen wir die Situation ω ' ωl,k betrachten, da sonst die Energie nicht erhalten bleibt. In diesem Fall wird der zweite Term sehr groß, während der erste Term klein wird, da dort der Nenner dann ω + ωl,k ' 2ωl,k ist. Wie klein dieser Term wird, kann man sich am besten an Beispielen verdeutlichen. Für die optische Spektroskopie (elektronische Übergänge) ist ωl,k in der Größenordnung von 1015 s−1 und selbst für die NMR-Spektroskopie hat man ωl,k ∼ 106 s−1 . Für den Fall der Emission betrachtet man den Übergang vom energetisch höher liegenden Zustand l nach k, also gilt −ωlk = ω. In diesem Fall ergeben analoge Überlegungen, dass der zweite Term vernachlässigbar klein ist. Wir beschränken uns im folgenden auf die Absorptionsspektroskopie und haben für die Übergangswahrscheinlichkeit unter Vernachlässigung des ersten Terms: 2 hϕl |M̂ |ϕk i ei(ωl,k −ω)t − 12 Pl,k (t) = 4~2 (ωl,k − ω)2 Mit |eix − 1|2 = 4 sin2 x2 kann man schreiben: Abbildung 9.3a: Skizze der Funktion Abbildung 9.3b: Skizze der Funktion Abbildung 9.3c: Skizze der Funktion Pl,k (t) = sin2 sin2 hω l,k −ω t 2 2 i (ωl,k −ω) hω l,k −ω t 2 2 hω für t2 (> t1 ) t l,k −ω t 2 2 (ωl,k −ω) i t 2 h i ω −ω hϕl |M̂ |ϕk i sin2 l,k2 t ~2 für t1 i (ωl,k −ω) sin2 t (ωl,k − ω)2 für t3 > t2 (9.4) 131 9 Grundlagen der Spektroskopie sin2 hω l,k −ω t 2 2 i , die in Abbildung 9.3a-9.3c für verschiedene Zeiten t skizziert (ωl,k −ω) t ist, so sieht man, dass für große t näherungsweise gilt: h i ω −ω sin2 l,k2 t 1 für ωl,k ' ω = 2 0 für ωl,k 6= ω (ωl,k − ω) t Betrachtet man die Funktion Das erinnert uns stark an das Kronecker-Delta, wobei wir dort Zahlen, hier aber Frequenzen haben. Wir führen deshalb eine Funktion ein, welche für Funktionen das Analogon des Kronecker-Deltas liefert, die sogenannte Dirac’sche Deltafunktion δ (ωl,k − ω). P In Analogie zur Definition des Kronecker-Deltasymbols, für das gilt n xn δn,m = xm , definieren wir die Dirac’sche Deltafunktion durch Z dxf (x)δ(x − x0 ) = f (x0 ) (9.5) Es ’überlebt’ also nur der Funktionswert an der Stelle x0 . Es gibt eine Reihe von Funktionen, die im Limit verschwindender ’Breite’ in δ(x − x0 ) übergehen. Für uns ist hier besonders folgende Definition interessant. Es gilt: " # 0 sin2 x−x t 2 2 δ(x − x0 ) = lim π t→∞ (x − x0 )2 t Das nutzen wir nun in Gleichung (9.4) und schreiben: Pl,k (t) = 2 π hϕ | M̂ |ϕ i l k δ(ωl,k − ω)t 2~2 Es soll hier noch angemerkt werden, dass der Grenzwert lediglich bedeutet, dass t → ∞ hiernatürlich 1 1 die Zeitdauer der Lichteinstrahlung groß gegen ωl,k ist, also t >> ωl,k . Die Übergangsrate gibt die Intensität eines k → l-Übergangs im Spektrum an. Sie ist definiert durch die zeitliche Ableitung der Übergangswahrscheinlichkeit: Wl,k = dPl,k (t) dt und somit ergibt sich Fermis ’goldene Regel’ (golden rule): Wl,k = 2 π hϕ | M̂ |ϕ i l k δ(ωl,k − ω) 2~2 (9.6) Für elektrische Dipolübergänge hatten wir ~0 M̂ = −µ ~ˆ · E wobei die relevante Komponente im Skalarprodukt durch die Polarisation des Lichts bestimmt ist. Man schreibt kurz M̂ = −µ̂E0 , wobei die tatsächliche x- , y- oder z-Richtung aus dem experimentellen Aufbau hervorgeht. Es folgt (mit |ϕk i → |ki): Wl,k = 132 πE02 |hl|µ̂|ki|2 δ(ωl,k − ω) 2~2 (9.7) 9.1 Übergangsraten Die Intensität ist also proportional zur Energie des elektrischen Feldes E02 . Die Übergangsrate beinhaltet zwei ganz wesentliche Faktoren, die von entscheidender Wichtigkeit für jede Art von Spektroskopie sind: 1. Das (Dipol-) Übergangsmatrixelement hl|µ̂|ki: Ein Übergang kann nur stattfinden, wenn die Zustände |li und |ki durch die Wechselwirkung ’gemischt’ werden, d.h. wenn hl|µ̂|ki = 6 0 gilt. Die Bedingung hl|µ̂|ki = 6 0 erlaubt es, sogenannte Auswahlregeln zu formulieren. 2. Die Dirac’sche Deltafunktion δ(ωl,k − ω): Sie gewährleistet die Energieerhaltung. Die absorbierte Energie wird dem äußeren Feld entzogen, für ω 6= ωl,k gibt es keine Übergänge. In der Praxis ändert man also solange die Frequenz, bis man einen Übergang (also Absortion) messen kann. In verschiedenen Frequenzbereichen werden unterschiedliche Anregungen beobachtet: Molekülrotationen (wie beim schon untersuchten starren (dreidimensionalen) Rotator) werden in der Mikrowellenspektroskopie untersucht. Hier gilt: λ ≥ 105 nm ν ≤ 1012 s−1 ν̃ ∼ 30cm−1 mit der Wellenzahl ν̃ = ν c = 1 λ und E = hν = hcν̃ Molekülschwingungen werden in der IR-Spektroskopie untersucht. Typische Wellenlängen sind: λ ∼ 3000 − 3 · 105 nm ν ∼ 1014 ...1012 s−1 ν̃ ∼ 3000...30cm−1 Elektronische Anregungen untersucht man in der UV-VIS-Spektroskopie mit: λ ∼ 200 − 380nm ν̃ ∼ 5 · 104 ...2 · 104 cm−1 für den UV-Bereich und λ = 380 − 780nm ν̃ = 2, 6 · 104 ...1, 3 · 104 cm−1 für den sichtbaren Bereich. kJ Die für die Optische Spektroskopie genutzten Energien E = ~ω ∼ 10...1000 mol regen gleichzeitig kJ kJ Translationen, Rotationen (E ∼ 0, 01...1 mol ) und Schwingungen (E ∼ 1...10 mol ) an, d.h. die Spektren werden ’kompliziert’. Häufig werden optische Spektren allerdings in Lösung aufgenommen, wo die Moleküle aufgrund der Wechselwirkungen mit den benachbarten Molekülen nicht frei rotieren können, so dass die Rotationen nicht beobachtet werden. (In manchen Fällen werden auch die Molekülschwingungen nicht beobachtet.) 133 9 Grundlagen der Spektroskopie 9.2 Atomspektren Zunächst wollen wir Atomspektren betrachten und erinnern uns an einige das H-Atom betreffende Erkenntnisse: 1 n2 me4 kJ = ' 1313 2 2 2 mol 32π ε0 ~ En = −E0 (9.8) EH (9.9) Für die Übergangsenergien gilt: ∆E = En2 − En1 = EH RH = 1 1 − 2 2 n1 n2 = hcRH EH = 109737cm−1 hc 1 1 − 2 2 n1 n2 (9.10) (9.11) Die Energiedifferenzen ∆E werden je nach dem Ausgangswert für n1 als folgende sogenannte Serien bezeichnet: • Lyman: Übergang n1 = 1 → n2 = 2, 3, 4, ... im UV-Bereich • Balmer: Übergang n1 = 2 → n2 = 3, 4, 5, ... im vis-Bereich • Paschen: Übergang n1 = 3 → n2 = 4, 5, 6, ... im IR-Bereich Auswahlregeln Wie schon im Zusammenhang mit Gleichung (9.7) für die Übergangsraten erwähnt, sind nur solche Linien im Spektrum sichtbar, für die das (Dipol-)Übergangsmatrixelement nicht verschwindet. Das bedeutet hier: Wir untersuchen, für welche Zustände |n, l, mi, also Ψn,l,m (r, θ, ϕ) = Rn,l (r)Yl,m (θ, ϕ), das Matrixelement hn1 l1 m1 |µ̂|n2 l2 m2 i nicht verschwindet. Da wir im Fall des H-Atoms nur ein einziges Elektron betrachten müssen, ist der Dipoloperator gegeben durch: µ ~ˆ = −e~ˆr Als erstes untersuchen wir das Verhalten des Matrixelements unter Inversion, d.h. der Umkehrung aller Koordinaten, was man auch als Parität bezeichnet. Es gilt: ~r → −~r (r → r) und Ylm (θ, ϕ) → (−1)l Ylm (θ, ϕ) Diese Beziehung findet man mit Hilfe der Definitionen der Kugelflächenfunktionen. Das bedeutet, dass die Ylm für gerade l gerade und für ungerade l ungerade Funktionen sind. Für das Dipolübergangsmatrixelement folgt somit: Z Z ? dτ Ψn1 ,l1 ,m1 µ̂Ψn2 ,l2 ,m2 = dτ Ψn1 ,l1 ,m1 (−τ )? (−µ̂)Ψn2 ,l2 ,m2 (−τ ) Z = dτ (−1)l1 Ψ?n1 ,l1 ,m1 (−µ̂)(−1)l2 Ψn2 ,l2 ,m2 Z = (−1)l1 +l2 +1 dτ Ψ?n1 ,l1 ,m1 µ̂Ψn2 ,l2 ,m2 134 9.2 Atomspektren Man erhält also nur für den Fall, dass der Vorfaktor nicht gleich (−1) ist ein von Null verschiedenes Ergebnis, d.h., wenn l1 + l2 + 1 gerade ist. Das bedeutet: l1 = l2 ± 1, l2 ± 3, l2 ± 5, ... oder ∆l = l2 − l1 = ±1, ±3, ±5, .... Man kann sich das auch folgendermaßen klar machen. Damit das Integral hl|µ̂|ki nicht verschwindet, muss der Integrand eine gerade Funktion sein. Da µ̂ ungerade ist, gilt: wenn l gerade ist, muss k ungerade sein oder umgekehrt, falls ein nichtverschwindendes Ergebnis herauskommen soll. Dies ist der Gehalt der sogenannten Laporte-Auswahlregel Erlaubte elektrische Dipolübergänge müssen eine Änderung der Parität bewirken. Die Laporte-Auswahlregel sagt uns allerdings nur, dass ∆l ungerade (±1, ±3, ...) sein muss, liefert aber ansonsten keine weitere Einschränkung. Deshalb betrachten wir jetzt das Dipolübergangsmatrixelement noch mal etwas genauer. In Kugelkoordinaten gilt: x sin θ cos ϕ µ̂ = −er̂ = −e y = −er sin θ sin ϕ z cos θ (9.12) Somit haben wir, wenn wir zunächst µ̂ = µ̂z betrachten: ∞ Z r2 Rn1 ,l1 (r)rRn2 ,l2 (r) · hn1 l1 m1 |µ̂z |n2 l2 m2 i = − 0 Z π Z dθ sin θ 0 0 2π dϕYl?1 ,m1 · cos θ · Yl2 ,m2 Das r-Integral liefert lediglich die Bedingungen ∆n = ±1, ±2, ±3, ..., d.h. n muss sich ändern. Im winkelabhängigen Integral nutzt man eine Eigenschaft der Kugelflächenfunktionen, nämlich cos θYl2 ,m2 = al2 Yl2 +1,m2 + bl2 Yl2 −1,m2 . Damit ergibt sich al2 hl1 , m1 |l2 + 1, m2 i + bl2 hl1 , m1 |l2 − 1, m2 i = al2 δl1 ,l2 +1 δm1 ,m2 + bl2 δl1 ,l2 −1 δm1 ,m2 Das bedeutet, dass l2 = l1 ± 1 gelten muss. Dasselbe Ergebnis erhält man auch für die x- oder yKomponente von µ̂, d.h. für hl1 m1 | sin θ|l2 m2 i ∼ δl2 ,l±1 . Somit erhalten wir die Drehimpulsauswahlregel: ∆l = ±1. Für die z-Komponente µ̂z haben wir gerade außerdem gesehen, dass m1 = m2 gelten muss. Für x- oder y-polarisiertes Licht haben wir allerdings, vgl. Gl.(9.12) θ 21 eiϕ + e−iϕ µ̂x = −er sin θ cos ϕ = −er sin 1 iϕ −iϕ imϕ bzw. µ̂y = −er sin θ sin ϕ = −er sin θ 2i e + e . Wir wissen, dass die Ylm ∼ e sind. Mit Z 2π dϕe−im1 ϕ e±iϕ eim2 ϕ = 2πδm1 ,m2 ±1 0 erhalten wir folgende Auswahlregel: ∆m = 0 (z-polarisiert) , ∆m = ±1 (x, y-polarisiert) Die möglichen Übergänge sind in Abbildung 9.4 dargestellt. Offensichtlich gibt es keinen Übergang zwischen 2 P 1 und 2 D 5 . Dies liegt an einer weiteren Auswahlregel, der Gesamtdrehimpulsauswahlregel, 2 2 welche besagt: ∆J = 0, ±1 135 9 Grundlagen der Spektroskopie 2 D 5/2 2 D 3/2 2 P3/2 2 H α− Linie (rotes Licht) (2 P3/2−2 P 1/2 − Aufspaltung, d.h. Informationen über die Spinbahnkopplung) 2 3s S1/2 P1/2 2 2 P 3/2 2 2 2s S1/2 P 3/2 2 P P 1/2 1/2 2 1s S 1/2 Abbildung 9.4: mögliche Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen gemäß der formulierten Auswahlregeln Für hJ2 |µ̂|J1 i gilt also (wegen µ̂ ∼ J = 1): J2 = J1 + 1, J1 , J1 − 1 Um wieviel kann sich nun der Spin ändern? Aus hn2 l2 m2 ; ms2 |µ̂|n1 l1 m1 ; ms1 i = hn2 l2 m2 |µ̂|n1 l1 m1 ihms2 |ms1 i folgt, dass die Spinänderung gleich null ist. Spinauswahlregel: ∆s = 0, ∆ms = 0 da µ̂ spinunabhängig ist. Wir halten also folgende Auswahlregeln fest: • ∆n = ±1, ±2, ±3, ... • ∆l = ±1 • ∆m = 0 (z-polarisiert) , ±1 (x, y-polarisiert) • ∆s = 0, ∆ms = 0 136 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren Mehrelektronenatome In diesem Fall gilt für den Dipoloperator: µ ~ˆ = −e z X ~rˆi i=1 Es gelten zunächst dieselben Auswahlregeln wie für das H-Atom. Das sieht man, wenn man das Dipolübergangsmatrixelement für Slaterdeterminanten betrachtet. Allerdings kommen noch folgende Auswahlregeln hinzu: • ∆J = 0, ±1 • ∆S = 0 • ∆L = 0, ±1 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren 9.3.1 Zweiatomige Moleküle kJ Wir hatten die Größenordnungen der Energien für Schwingungsanregungen (∆E ∼ 0, 1...10 mol ) und kJ der Rotationsanregungen (∆E ∼ 0, 01...1 mol ) bereits festgestellt. Ebenso wurde bereits erwähnt, dass Schwingungs- und Rotationsspektren zur Untersuchung der Molekülstruktur genutzt werden. Wenn wir IR-Spektroskopie betreiben, um etwas über die Molekülschwingungen zu lernen, werden nach den Energieüberlegungen neben den Schwingungen auch die Rotationen angeregt. Um die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Beschreibung von Molekülschwingungen und -rotationen zu verdeutlichen, betrachten wir zunächst zweiatomige Moleküle. Wie immer bei der Behandlung von Molekülen nutzen wir die Born-Oppenheimer-Näherung, wobei wir jetzt so tun, als hätten wir die elektronische SchrödingerGleichung bereits gelöst. Das bedeutet, dass wir die elektronische Energie Eel ({R}) schon kennen bzw. als gegeben annehmen. Es bleibt also die Schrödinger-Gleichung für die Kerne mit dem Hamiltonoperator: Ĥk = T̂k + V̂kk + Êel ({R}) = T̂k + V̂ef f ({R}) zu lösen. Wir betrachten nun die für die IR-Spektroskopie relevanten Energien und gehen davon aus, dass wir das Molekül weder zerstören, noch in einen elektronisch angeregten Zustand bringen können. Den Hamiltonoperator schreiben wir als: ~2 ~2 ~ ~ Ĥk = − ∆A − ∆B + V RA − RB (9.13) 2MA 2MB Dabei ist ∆A = ∂2 ∂2 ∂2 + + 2 2 2 ∂XA ∂YA ∂ZA und ∆B ist analog definiert. Die Koordinaten von Kern A sind also XA , YA und ZA . Um die entsprechende Schrödinger-Gleichung zu lösen, separieren wir die Variablen. Wir führen hierzu sogenannte Massen~A − R ~B ~ cm (cm für center of mass; s.Abb.9.5) und Relativkoordinaten ~r = R mittelpunktskoordinaten R ein. Das Potential hängt nun nur von der Relativkoordinate ab, die durch ~A − R ~ B, ~r = R also x = XA − XB , y = YA − YB , z = ZA − ZB definiert ist. Die Massenmittelpunktskoordinate ist gegeben durch: ~ A + MB R ~B ~ cm = MA R R M M (9.14) 137 9 Grundlagen der Spektroskopie A B r MB MA R RA cm R B Abbildung 9.5: Skizze zur Veranschaulichung von Massenmittelpunktskoordinaten mit M = MA + MB , also z.B. Xcm = MA MB XA + XB M M Wir benötigen nun die Ableitungen: ∂ ∂XA ∂ ∂XB ∂Xcm ∂ ∂x ∂ MA ∂ ∂ + = + ∂XA ∂Xcm ∂XA ∂x M ∂Xcm ∂x ∂Xcm ∂ ∂x ∂ MB ∂ ∂ + = − ∂XB ∂Xcm ∂XB ∂x M ∂Xcm ∂x = = und die zweiten Ableitungen: 1 MA ∂ MB ∂ ∂ 2 1 ∂ 2 = + + − MA M ∂Xcm ∂x MB M ∂Xcm ∂x 2 ∂2 1 1 ∂ M A MB + 2 + + = 2 2 M M ∂Xcm MA MB ∂x2 1 ∂2 1 ∂2 = + 2 M ∂Xcm µ ∂x2 1 ∂2 1 ∂2 + 2 2 MA ∂XA MB ∂XB mit der reduzierten Masse M A MB M Der Operator der kinetischen Energie hat somit (nach denselben Betrachtungen für die x- und y-Komponenten) folgende Form: µ= T̂ = − mit ∆cm = ∂2 2 ∂Xcm ~2 ~2 ~2 ~2 ∆A − ∆B = − ∆cm − ∆r 2MA 2MB 2M 2µ 2 2 cm cm + ∂Y∂ 2 + ∂Z∂ 2 und ∆r = ∂2 ∂x2 2 2 ∂ ∂ + ∂y 2 + ∂z 2 . Für den Hamiltonoperator haben wir also: Ĥ = T̂cm + T̂rel + V̂ (|~r|) (9.15) Also können wir Ĥ als Summe von zwei unabhängigen Operatoren schreiben und dementsprechend ist die Wellenfunktion durch ein Produkt gegeben: ~ A, R ~ B = Ψcm R ~ cm · Ψ(~r) Ψ R (9.16) 138 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren Betrachten wir nun die einzelnen Terme getrennt. Für den Massenmittelpunkts-Term gilt: T̂cm Ψcm = − ~2 ∆cm Ψcm = EΨcm 2M Die Wellenfunktion ergibt sich als Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein freies Teilchen: ~~ Ψcm = N eikRcm = N eikx Xcm · eiky Ycm · eikz Zcm (9.17) Die Massenmittelpunktsbewegung ist also einfach die (potentialfreie) Bewegung des gesamten Moleküls, die uns eigentlich nicht interessiert. Wir wollen ja die Bewegung der Kerne relativ zueinander untersuchen und betrachten deshalb jetzt: ~2 Ĥ = − ∆r + V (r) (9.18) 2µ Dieser Operator hat genau dieselbe Form wie der Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms, allerdings mit einem vollkommen verschiedenen Potentialterm. Zur Lösung gehen wir zunächst wie beim H-Atom vor: Mit 1 ∂2 1 ∆r = r − 2 2 L̂2 2 r ∂r r ~ folgt für den Hamiltonoperator: Ĥ = − ~2 1 ∂ 2 L̂2 · r + + V (r) 2µ r ∂r2 2µr2 Wir wissen, dass gilt: L̂2 Yl,m = ~2 l(l + 1)Yl,m und machen deshalb (wie beim H-Atom) den Separationsansatz: Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)YJ,M (θ, ϕ) (9.19) Man beachte, dass wir die Quantenzahl hier mit J anstatt mit l bezeichnen, weil diese Bezeichnung in der Mikrowellenspektroskopie üblich ist. Es gilt also in diesem Zusammenhang: L̂2 YJ,M = ~2 J(J + 1)YJ,M Diesen Ansatz setzen wir in die Schrödinger-Gleichung ein und eliminieren YJ,M . Das liefert die ’Radialgleichung’: 2 ~2 1 ∂ 2 ~ J(J + 1) − (rR(r)) + + V (r) R(r) = Erv R(r) 2µ r ∂r2 2µr2 Wir formen dies mit Ψv (r) = rR(r) etwas um und erhalten: − ~2 d2 ~2 J(J + 1) Ψ (r) + V (r)Ψ (r) + Ψv (r) = Erv Ψv (r) v v 2µ dr2 2µr2 (9.20) Dies ist die zu lösende Differentialgleichung für die Rotations-Schwingungsbewegung eines zweiatomigen Moleküls in allgemeiner Form. Wäre V (r) beispielsweise ein Coulombpotential, wäre die Gleichung lösbar, allerdings handelt es sich im vorliegenden Fall bei V (r) um ein effektives, vom mittleren Abstand der Kerne abhängiges Potential, das ja von der Lösung der elektronischen Schrödinger-Gleichung und insbesondere von der elektronischen Energie Eel (r) abhängt. Deshalb können wir Gl.(9.20) in der allgemeinen Form nicht lösen. Wir müssen also möglichst sinnvolle Näherungen machen, um eine vernünftige Beschreibung der Schwingungsbewegung zu bekommen. Dazu gehen wir folgendermaßen vor. Die typische Form von V (r) ist in Abbildung 9.6 skizziert. Das Molekül wird also um den Gleichgewichtsabstand re schwingen. Wenn 139 9 Grundlagen der Spektroskopie Vharm(r-re) V (r) re Veff(r) r Abbildung 9.6: Skizze zum effektiven Potential zweier gebundener Atome A und B wir davon ausgehen, dass die Auslenkungen der Schwingungen klein sind, können wir eine TaylorEntwicklung von V (r) um den Gleichgewichtsabstand vornehmen: 1 V (r) = V (re ) + V 0 (r)|re (r − re ) + V 00 (r)|re (r − re )2 + ... 2 Da wir die Entwicklung um das Minimum durchführen, gilt V 0 (r)|re = 0 und wir erhalten: 1 V (r) ≈ V (re ) + k(r − re )2 + Vanh (r)∗ 2 Wir nennen nun die Auslenkung q = r − re (und d dr = d dq ) mit k = V 00 (r)|re und finden für die Schrödinger-Gleichung: 2 2 1 2 ~2 J(J + 1) ~ d + kq Ψ (q) + Ψv (q) = (Erv − V (re )) Ψv (q) − v 2µ dq 2 2 2µ(re + q)2 Dabei haben wir den konstanten Term V (re ) auf die rechte Seite gebracht. Das sieht fast so aus wie die Schrödinger-Gleichung des Harmonischen Oszillators, allerdings steht im zweiten Term immer noch (re + q)2 im Nenner. Die Rotation hängt also immer noch von der Schwingung ab. Diese Kopplung macht eine analytische Lösung der Schrödinger-Gleichung immer noch unmöglich. Da wir aber nur kleine Auslenkungennn betrachten, können wir entwickeln: 2 1 1 2 q = 2− 2 + ... 2 (re + q) re re re Wir berücksichtigen jetzt nur den ersten Term und definieren das Trägheitsmoment Ie = µre2 Damit folgt: ∗ −~2 d2 ~2 J(J + 1) 1 2 + kq Ψ (q) + Ψv (q) = [Erv − V (re )] Ψv (q) v 2µ dq 2 2 2Ie Vanh ergibt sich aus den höheren Ableitungen, wird im Folgenden aber vernachlässigt. 140 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren Wir schreiben die Schrödinger-Gleichung jetzt als: 2 2 ~ d 1 2 − + kq Ψv (q) = EΨv (q) mit 2µ dq 2 2 E = Erv − V (re ) − ~2 J(J + 1) 2Ie Unter Vernachlässigung der Kopplung von Rotation und Schwingung erhalten wir also eine SchrödingerGleichung, die genau derjenigen für einen harmonischen Oszillator entspricht. Die entsprechenden Eigenfunktionen Ψv (q) sind in Kapitel 3.2 gegeben und für die Energien haben wir: s 1 k ; v = 0, 1, 2, ... und ω0 = E = ~ω0 v + 2 µ 2 + V (re ). Da V (re ) einfach eine Aus der Gesamtenergie E ergibt sich Erv = ~ω0 v + 12 + ~ J(J+1) 2Ie additive Konstante ist, definiert man Ev,J = Erv − V (re ), d.h. 1 ~2 Ev,J = ~ω0 v + + J(J + 1) 2 2Ie Außerdem definiert man die Rotationskonstante: ~2 2Ie (9.21) 1 + Be J(J + 1) = ~ω0 v + 2 (9.22) Be = und hat somit: Ev,J Um ein Gefühl für die Größenordnung der relevanten Energien zu bekommen, sei das HCl-Molekül betrachtet. Hierfür ist: ~ω0 ≈ 34, 5 kJ bzw. ν̃0 = 2886cm−1 mol und Be ≈ 0, 13 kJ bzw. B̃e = 10, 6cm−1 mol Für andere zweiatomige Moleküle ist Be sogar eher noch kleiner. Das bedeutet, dass man die in Abb. 9.7 skizzierte Situation hat: Die Rotationsniveaus zu einem Schwingungsniveau liegen recht dicht beieinanV v=1 v=1 J J=1 J=0 Ev,J E11 = E10 + 2 Be E10 = 3/2 h ω0 v=0 v=0 v=0 v=0 J=3 J=2 J=1 J=0 E03 = E00 + 12 Be E02 = E00 + 6 Be E01 = E00 + 2 Be E00 = 1/2 h ω0 Entartung 3 1 7 5 3 1 Abbildung 9.7: Energieniveaus von Schwingungszuständen und jeweils darüberliegenden Rotationszuständen der, während die Energieabstände zwischen den Schwingungsniveaus sehr viel größer sind. 141 9 Grundlagen der Spektroskopie Wenden wir uns nun der Frage der Auswahlregeln, d.h. der überhaupt erlaubten Übergänge zu. Um ein Dipolübergangsmatrixelement zu berechnen, schreiben wir für die Gesamtwellenfunktion Ψε,v,J,M = (el) (k) (el) Ψε · Ψv,J,M in Born-Oppenheimer-Näherung. Dabei ist Ψε die elektronische Wellenfunktion im Zustand mit der elektronischen Quantenzahl ’ε’. Da die Kernwellenfunktion wiederum ein Produkt aus (k) Ψv (q) und YJM (θ, ϕ) ist, Ψv,J,M = Ψv · YJM , haben wir für das Übergangsmatrixelement allgemein: Z Z ? (el) (el) (el) Y Y · µ̂ · Ψ Ψ Ψ hΨε1 Ψv1 YJ1 ,M1 |µ̂|Ψε2 Ψv2 YJ2 ,M2 i = dτel dτk Ψ(el) v2 J2 ,M2 v1 J1 ,M1 ε2 ε1 Z Z (el) Ψv2 YJ2 ,M2 = dτk Ψ?v1 YJ?1 ,M1 dτel Ψ(el)? ε1 µ̂Ψε2 Da in der IR-Spektroskopie keine elektronischen Übergänge angeregt werden, weil die im elektrischen Feld vorkommendenn Frequenzen zu klein sind, brauchen wir den Fall ε1 6= ε2 nicht zu betrachten. Wir gehen weiter davon aus, dass das betrachtete Molekül im elektronischen Grundzustand vorliegt, den wir der Einfachheit halber mit ε = 0 bezeichnen. Wir haben also ε1 = ε2 = 0 und somit können wir schreiben: (el) (el) hΨ0 Ψv1 YJ1 ,M1 |µ̂|Ψ0 Ψv2 YJ2 ,M2 i = hΨv1 YJ1 ,M1 |µ̂0 |Ψv2 YJ2 ,M2 i Dabei ist (el) (el) µ̂0 = hΨ0 |µ̂|Ψ0 i = Z (el)? dτel Ψ0 (el) µ̂Ψ0 das permanente Dipolmoment des Moleküls im elektronischen Grundzustand. Wir halten also fest: es gibt nur Übergänge, falls das betrachtete Molekül ein permanentes Dipolmoment besitzt. Um das relevante Matrixelement hΨv1 YJ1 M1 |µ̂0 |Ψv2 YJ2 M2 i = hv1 ; J1 M1 |µ̂0 |v2 ; J2 M2 i zu berechnen, entwickeln wir µ̂0 : µ̂0 = µ0 (re ) + µ00 (r)|re · q̂α + ... Wie bei der Behandlung der Atomspektren müssen wir berücksichtigen, dass µ̂0 eine Komponente von µ ~ˆ0 bedeutet, also µ̂0,x , µ̂0,y oder µ̂0,z . Dasselbe gilt also auch für q̂α . Dabei handelt es sich also um q̂x = q̂ sin θ cos ϕ, q̂y = q̂ sin θ sin ϕ oder q̂z = q̂ cos θ, d.h. α = x, y oder z, je nach Polarisation des Lichts. Für das Dipolübergangsmatrixelement erhalten wir also: hv1 ; J1 M1 |µ̂0 |v2 ; J2 M2 i = hv1 ; J1 M1 |µ0 (re )|v2 ; J2 M2 i + hv1 ; J1 M1 |µ00 (r)|re q̂α |v2 ; J2 M2 i Der erste Term liefert einfach, da µ0 (re ) eine Konstante ist, hv1 ; J1 M1 |µ0 (re )|v2 ; J2 M2 i = µ0 (re )δv1 ,v2 δJ1 ,J2 δM1 ,M2 Das bedeutet, dass sich der Zustand gar nicht ändert, also kein Übergang stattfindet. Der zweite Term ist gegeben durch hv1 ; J1 M1 |µ00 (r)|re q̂α |v2 ; J2 M2 i = µ00 (r)|re hv1 ; J1 M1 |q̂α |v2 ; J2 M2 i Dafür können wir symbolisch schreiben: sin θ cos ϕ hv1 ; J1 M1 |q̂α |v2 ; J2 M2 i = hv1 |q̂|v2 ihJ1 M1 sin θ sin ϕ cos θ 142 J 2 M2 i 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren wobei natürlich je nach Polarisation jeweils die entsprechende Komponente relevant ist. Die entsprechenden Auswahlregeln kennen wir schon aus der Behandlung der Atomspektren (da wurde ’J’ mit ’l’ bezeichnet), d.h.: ∆J = ±1 und ∆M = 0 (z-Polarisation) , ∆M = ±1 (x, y-Polarisation) Außerdem liefert hv1 |q̂|v2 i die Auswahlregel ∆v = ±1. Für µ00 (r)|re = 0 verschwindet das Matrixelement völlig und ergibt keine Übergänge. Das bedeutet, dass sich das permanente Dipolmoment mit der Auslenkung ändern muss. Als Auswahlregelna erhalten wir also zusammenfassend: • das Molekül muss ein permanentes Dipolmoment besitzen (µ0 6= 0) • das Dipolmoment muss sich mit der Auslenkung ändern (µ00 (re ) 6= 0) • ∆J = ±1 ∆M = 0 für z-Polarisation und ∆M = ±1 für x- oder y-Polarisation • ∆v = ±1 a Diese Auswahlregeln gelten nur unter Vernachlässigung der Anharmonizität und der Zentrifugaldehnung (s.später) Es fehlen uns nun noch die möglichen Frequenzen (∆E). Wir stellen uns hierbei die Frage, wie groß die Änderung der Energie zwischen zwei Zuständen ist. Aus den Auswahlregeln folgt für die möglichen Übergänge: Ev,J → Ev+1,J±1 und Ev,J → Ev−1,J±1 Die Frequenzen, bei denen es Übergänge gibt, sind also charakterisiert durch: Ev+1,J+1 − Ev,J = ~ω0 + 2Be (J + 1) Ev+1,J−1 − Ev,J = ~ω0 − 2Be J Es ergeben sich äquidistante Linien mit dem Abstand 2Be . Daraus läßt sich also experimentell die Rotationskonstante Be und somit das Trägheitsmoment Ie ermitteln. In der Spektroskopie bezeichnet man die Übergänge mit ∆J = +1 als R-Zweig und diejenigen mit ∆J = −1 als P-Zweig. In der Realität sind die Linien nur näherungsweise äquidistant. Der Grund dafür besteht hauptsächlich in zwei Effekten, die wir in unserer Beschreibung völlig vernachlässigt haben, nämlich, • die Anharmonizitäten, die aus höheren Termen der Entwicklung von V (r), also Vanh ∼ a3 q 3 + a4 q 4 + ...., bestehen 2 q 1 1 2 • die Zentrifugaldehnung, die sich aus höheren Termen der Entwicklung (re +q) + 2 = r2 − r2 re e e ... ergibt Beide Effekte können im Rahmen der zeitunabhängigen Störungsrechnung berücksichtigt werden. Darauf gehen wir aber an dieser Stelle nicht weiter ein. 9.3.2 Schwingungen mehratomiger Moleküle Bei den meisten Anwendungen der IR-Spektroskopie in der Chemie hat man es mit komplexen Molekülen in Lösung zu tun. In diesem Fall können die Moleküle aufgrund der Wechselwirkung mit den 143 9 Grundlagen der Spektroskopie Lösungsmittelmolekülen nicht mehr frei rotieren und man beobachtet normalerweise reine Schwingungsspektren. Wie bei der Behandlung zweiatomiger Moleküle gehen wir vom Hamiltonoperator für die Kerne in Born-Oppenheimer-Näherung aus: Ĥk = T̂k + V̂ ({R}) mit V̂ ({R}) = V̂kk + Êel ({R}) wobei wir wieder die elektronische Schrödinger-Gleichung als schon gelöst betrachten. Die Kern-KernWechselwirkung V̂kk ist jetzt die Summe aller V̂ij der Kerne i und j. Die elektronische Energie Êel ({R}) ist natürlich eine sehr komplizierte Funktion aller Koordinaten aller Kerne, {R}. Wir haben es hier für N Kerne mit 3N Koordinaten zu tun, nämlich pro Kern die drei kartesischen Koordinaten xi , yi und zi . Die Koordinaten, die zur vollständigen Beschreibung eines physikalischen Problems benötigt werden, bezeichnet man als Freiheitsgrade. Es stellt sich nun die Frage, bei wie vielen der 3N Koordinaten es sich um Schwingungsfreiheitsgrade handelt. Für die Massenmittelpunktsbewegung: ~ cm = R N X Mk k=1 M ~k R P mit M = k Mk erhalten wir drei Freiheitsgrade, die mit der Schwingung nichts zu tun haben. Da sich ein dreidimensionales Molekül um drei Raumachsen drehen kann und ein lineares Molekül um zwei, bedeutet das, dass wir drei bzw. zwei Rotationsfreiheitsgrade zu berücksichtigen haben. Für die Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade f bleibt also: f = 3N − 6 dreidimensionale Moleküle f = 3N − 5 lineare Moleküle So besitzt H2 O z.B. 3N − 6 = 3 Schwingungsfreiheitsgrade, CO2 dagegen vier. Für eine größere Anzahl von Schwingungsfreiheitsgraden erhalten wir relativ komplexe Hamiltonoperatoren. Die Lösung ist dennoch möglich, denn V ({R}) besitzt ein absolutes Minimum (wäre dem nicht so, wäre das Molekül nicht stabil). Zur Lösung benutzen wir wieder die Taylor-Entwicklung und betrachten kleine Auslen~k = R ~k − R ~ eq aus der Gleichgewichtskonfiguration, die durch die R ~ eq charakterisiert ist. kungen ∆R k k ~ 1 , ∆R ~ 2 , ..., ∆R ~ n = ∆x1 , ∆y1 , ∆z1 , ..., ∆xn , ∆yn , ∆zn . Wir Hierbei erhalten wir die Koordinaten ∆R ändern die Bezeichnung für die Auslenkungen aus der Gleichgewichtskonfiguration: u1 = ∆x1 , u2 = ∆y1 , u3 = ∆z1 , ..., u3N −2 = ∆xN , u3N −1 = ∆yN , u3N = ∆zN ~ 1 , ..., R ~ N ) = V (u1 , ..., u3N ), da V nur von den Kernabständen und schreiben jetzt für das Potential V (R abhängt. Wir entwickeln V (u1 , ..., u3N ) jetzt um die Gleichgewichtskonfiguration V (u1 = 0, ..., u3N = 0) = V (0): 2 3N X X ∂V 1 ∂ V ~ 1 , ..., R ~ N ) = V (0) + uk ul + ... V (R uk + ∂uk 2 ∂uk ∂ul k=1 0 k,l 0 Dabei bedeuten die Indizes ’0’, dass die Ableitungen am Punkt u1 = 0, u2 = 0, . . ., u3N = 0 zu berechnen sind. Wir wissen bereits, dass V (0) konstant ist und setzen im folgenden V (0) = 0. Weiter gilt: ∂V • ∂u = 0, weil V (0) ein Minimum besitzt. k 0 • 144 ∂2V ∂uk ∂ul 0 = kk,l mit der Kraftkonstanten kk,l 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren Wir schreiben also V ' 1X kk,l uk ul 2 k,l und erhalten damit in harmonischer Näherung: X ~2 ∂ 2 1 X − + Ĥ = T̂k + V̂ = kk,l uk ul 2Mk ∂u2k 2 k (9.23) k,l Dieser Hamiltonoperator sieht zunächst sehr komplex aus, da die verschiedenen Auslenkungen über die Kraftkonstanten kk,l gekoppelt sind. Insbesondere hat Ĥ nicht die Form einer Summe von unabhängigen Operatoren. Allerdings kann Ĥ in eine solche Form gebracht werden, in dem man Linearkombinationen der Auslenkungen betrachtet. Diese Linearkombinationen bezeichnet man als Normalkoordinaten (Anmerkung: Die Tatsache, dass eine solche Normalkoordinatentransformation möglich ist, macht man sich auch in der klassischen Untersuchung kleiner Schwingungen zunutze. In der Mathematik kann man zeigen, dass eine solche Transformation für einen Hamiltonoperator der Form (9.23), in dem die verschiedenen Auslenkungen linear gekoppelt sind, immer möglich ist.) Wir werden hier nicht auf die Details der Normalkoordinatentransformation eingehen, sondern nur die Vorgehensweise angeben: 1. Wir führen massegewichtete Koordinaten ein qk = mit uk = √ 1 qk Mk und ∂2 ∂u2k p Mk · uk (9.24) ∂2 . Dies hat den Vorteil, ∂qk2 (∝ M1k ) eliminieren lassen: = Mk · Operatoren für die kinetische Energie dass sich die Massen aus den X ~2 ∂ 2 1 X Ĥ = − + Kk,l qk ql 2 ∂qk2 2 k mit Kk,l 2u = ∂q∂k ∂q = l 0 √ kl,k Mk Ml k,l als Kraftkonstante. 2. Wir führen Normalkoordinaten als Linearkombinationen der massegewichteten Koordinaten ein: X Qi = Cki · qk (9.25) k und gehen mit diesem Ansatz in die Schrödinger-Gleichung. Es ergeben sich Gleichungen für die Koeffizienten, die so bestimmt werden, dass wir eine Summe unabhängiger Hamiltonoperatoren erhalten. Als Resultat erhalten wir: 3N X ~2 ∂ 2 1 2 2 ∂ 2 V 2 Ĥ = − und ωi = + ωi Q i 2 ∂Q2i 2 ∂Q2i 0 k=1 also: Ĥ = 3N X i=1 Ĥi mit Ĥi = − ~2 ∂ 2 1 + ωi2 Q2i 2 ∂Q2i 2 (9.26) Von den ωi sind sechs bzw. fünf gleich null, ωi = 0, nämlich drei für die Translation und drei (zwei) für die Rotation. Für ωi = 0 bleibt nur der erste Term übrig (das Ergebnis entspricht der kinetischen Energie). 145 9 Grundlagen der Spektroskopie Die Normalkoordinaten Qi sind ’komplizierte’ Funktionen der qi (ui ). Um die Qi als Funktion der qi zu bestimmen, muss man das entsprechende lineare Gleichungssystem lösen, worauf wir hier nicht weiter eingehen wollen. Wichtig ist, dass man zeigen kann, dass es eindeutige nichttriviale Lösungen dieses Gleichungssystems gibt. Als ein Beispiel für Normalkoordinaten sind in Abbildung 9.8 die drei Normalschwingungen für Wasser skizziert. Bei der Lösung der Bestimmungsgleichung für die Cki macht man O H O H H O H H Q 3 : assymmetrische Streckschwingung Q 2 : symmetrische Biegeschwingung Q 1 : symmetrische Streckschwingung H Abbildung 9.8: die drei Vibrationsfreiheitsgrade beim H2 O-Molekül sich in der Praxis die Symmetrien der Molekülstrukturen zunutze und klassifiziert die Normalschwingungen auch gemäß ihres Symmetrieverhaltens. Dazu wendet man Sätze der Gruppentheorie an. Auch darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden. Wir gehen jetzt von der Form (9.26) für Ĥ aus und rekapitulieren kurz die Lösung, vgl. Kap.3.2. Die Schrödinger-Gleichung ist 3N −6 X ĤΨvib = EΨvib mit Ĥ = Ĥk k=1 Wir haben hier die Translations- und Rotationsfreiheitsgrade nicht weiter berücksichtigt. Die Wellenfunktion ist also ein einfaches Produkt: Y Ψvib (Q1 , Q2 , ..., Q3N −6 ) = Ψvi (Qi ) = Ψv1 (Q1 )Ψv2 (Q2 )...Ψ3N −6 (Q3N −6 ) i Q̃2 − 2i p P mit Q̃i = ω~i Qi sind. Für die Energie gilt E = i Ei mit den wobei die Ψvi (Qi ) = Nvi Hvi (Q̃i )e Energien der harmonischen Oszillatoren: 1 Ei = ~ωi vi + mit vi = 0, 1, 2, ... 2 Jetzt überlegen wir uns die Auswahlregeln, wobei wir wie beim zweiatomigen Molekül vorgehen. Wir entwickeln den Dipoloperator im elektronischen Grundzustand als Funktion der Normalkoordinaten: 3N −6 X ∂µ 0 µ̂0 = µeq + (9.27) Q̂i + ... 0 ∂Qi i=1 0 Damit finden wir für das Übergangsdipolmatrixelement : eq 0 0 0 hv10 , v20 , ..., v3N −6 |µ̂0 |v1 , v2 , ..., v3N −6 i = hv1 , ..., v3N −6 |µ0 |v1 , ..., v3N −6 i X ∂µ0 0 |0 hv10 , v20 , ..., v3N + −6 |Q̂i |v1 , v2 , ..., v3N −6 i ∂Qi i 0 = µeq ,v3N −6 0 δv10 ,v1 ...δv3N −6 X ∂µ0 · hvi0 |Q̂i |vi i · + δ 0 ...δ 0 ∂Qi v1 ,v1 vi−1 ,vi−1 i 0 0 0 ·δvi+1 ,vi+1 ...δv3N −6 ,v3N −6 146 9.3 Rotations- und Schwingungsspektren Im letzten Term haben wir berücksichtigt, dass |v1 , v2 , ..., v3N −6 i = |v1 i|v2 i...|v3N −6 i ein Produktzustand ist, vgl. den Ausdruck für Ψvib , und Q̂i nur auf |vi i wirkt. Außerdem haben wir die Orthogonalität der Zustände |vk i genutzt, d.h. hvk0 |vk i = δvk0 ,vk . Wie bei der Behandlung zweiatomiger Moleküle liefert der erste Term gar keinen Übergang. Das bedeutet auch hier, dass sich das Dipolmoment mit der Normalkoordinate ändern muss, damit der entsprechende Übergang im IR-Spektrum auftritt, d.h.: ∂µ0 6= 0 ∂Qi 0 Das Matrixelement hvi0 |Q̂i |vi i liefert als Auswahlregel ∆vi = ±1. ∂µ0 Als Beispiel betrachten wir ein CO2 -Molekül. Für die symmetrische Streckschwingung gilt ∂Q =0 1 0 (lineares Molekül), diese ist also nicht IR-aktiv. Die asymmetrische Streckschwingung dagegen liefert ∂µ0 ∂Q2 6= 0, das Dipolmoment ändert sich also und diese Schwingung ist IR-aktiv. 0 Auswahlregeln für die Schwingungsübergänge mehratomiger Moleküle ∂µ0 = 6 0 • Das Dipolmoment muss sich mit der Normalkoordinate ändern ∂Q i 0 • Für jede Mode Qi gilt bezüglich der Schwingungsquantenzahlen: ∆vi = ±1 Für Strukturanalysen vermittels der IR-Spektroskopie macht man sich zunutze, dass verschiedene funktionelle Gruppen organischer Moleküle oftmals Schwingungsfrequenzen in engen Frequenzbereichen besitzen. Man bezeichnet solche Frequenzen als charakteristische Gruppenfrequenzen. Zum Beispiel schwingt eine CH3 -Gruppe relativ unabhängig vom Rest eines Moleküls. Gründe für das Auftreten charakteristischer Gruppenfrequenzen sind beispielsweise: • Atome oder ’starre’ Gruppen mit verschiedenen Massen • Gruppen mit stark unterschiedlichen Bindungskräften • Gruppen mit sehr unterschiedlichen Geometrien (Verzweigungen, ’Knicke’,...) Im Folgenden sind einige Beispiel aufgeführt. Da Mehrfachbindungen meist schwach an Einfachbindungen ’koppeln’, liegen die Streckschwingungen in engen Frequenzbereichen. Es gilt in etwa für die Frequenzbereiche: Nitrile Alkine Alkene Ketone ∼ ∼ ∼ ∼ 2200 − 2300 cm−1 2100 − 2160 cm−1 1600 − 1680 cm−1 1700 − 1750 cm−1 Die Kopplung unterschiedlicher Molekülteile wird durch schwere Atome ’blockiert’. So ergibt sich für die C-H-Streckschwingung bei Alkanen ∼ 2800 − 3000 cm−1 Alkenen ∼ 3000 − 3100 cm−1 Alkinen ∼ 3300 cm−1 Für viele charakteristische Gruppenfrequenzen gibt es sehr detaillierte Tabellenwerke, die man zur Strukturanalyse verwendet. 147 9 Grundlagen der Spektroskopie 9.4 Optische Spektroskopie Die Optische Spektroskopie arbeitet mit elektronischen Übergängen im UV-VIS-Bereich, also mit typischen Frequenzen im Bereich von: ν̃ ∼ 104 − 5 · 104 cm−1 mit ∆E ∼ 100 − 500 kJ mol Auch die optische Spektroskopie wird in den meisten Anwendungen in Flüssigkeiten durchgeführt. Dabei wird häufig die Schwingungsstruktur noch aufgelöst, während die Rotationen wie in der IRSpektroskopie nicht beobachtet werden können. Wir haben es hier mit Energien zu tun, bei denen elektronische Übergänge vom elektronischen Grundzustand in einen elektronisch angeregten Zustand stattfinden. Zur theoretischen Beschreibung gehen wir - wieder - von der Beschreibung des Moleküls in BornOppenheimer Näherung aus. Allerdings müssen wir jetzt unterschiedliche effektive Potentiale für die Kernbewegung im Grundzustand (v0 ) und im (ersten) angeregten Zustand (v1 ) betrachten: (0) V0 ({R}) = Vkk + Eel ({R}) (9.28) (1) Eel ({R}) (9.29) V1 ({R}) = Vkk + Die Potentiale V0 ({R}) und V1 ({R}) sind normalerweise verschieden. Als ein instruktives Beispiel für recht unterschiedliche V0 und V1 soll das Acetylenmolekül betrachtet werden. Es ist bekannt, das dieses Molekül im Grundzustand linear ist (wie man es als Chemiker für eine C-C-Dreifachbindung erwarten würde). Im elektronisch angeregten Zustand liegt es dagegen in einer gewinkelten Form vor und weist eine cis-trans-Isomerie auf (s. Abb. 9.9). H C C C C H Grundzustand H trans H angeregte Zustände C H C cis H Abbildung 9.9: Grundzustand und angeregter Zustand beim Acetylen Betrachtet man zweiatomige Moleküle, so läßt sich feststellen, dass der Gleichgewichtsabstand im ange(1) (0) regten elektronischen Zustand normalerweise größer als im Gundzustand ist: re > re . Diese Tatsache kann man qualitativ anhand des MO-Schemas verstehen. Im angeregten Zustand wird oft ein antibindendes Molekülorbital besetzt, das die chemische Bindung destabilisiert und deshalb ist der Gleichgewichtsabstand im angeregten Zustand größer als im elektronischen Grundzustand. Wir halten also fest: meist ist die Molekülstruktur im angeregten Zustand verschieden von der Struktur im Grundzustand. Wenn wir nun einen elektronischen Übergang vom Grundzustand in den niedrigsten angeregten Zustand betrachten wollen, so müssen wir diese Geometrieänderung des Moleküls berücksichtigen. Die Frage ist also, was passiert mit der Kernkonfiguration im Falle eines elektronischen Übergangs? Wir hatten schon bei der Begründung für die Born-Oppenheimer Näherung diskutiert, dass sich die Elektronen sehr viel schneller bewegen als die Kerne. Deshalb ist es naheliegend, diese Tatsache auch jetzt zu nutzen. 148 9.4 Optische Spektroskopie Wir können also davon ausgehen, dass die sich Kernkonfiguration bei einem elektronischen Übergang zunächst nicht ändert. Es wird eine Zeit dauern, bis die Kerne ’merken’, dass ein Übergang stattgefunden hat und sie als Folge davon das effektive Potential V1 ’sehen’ statt V0 im elektronischen Grundzustand. Die Kernkonfiguration wird sich also relativ langsam auf diese Potential ’einstellen’. Man bezeichnet einen elektronischen Übergang, bei dem sich die Kernkonfiguration nicht ändert als vertikalen Übergang. Diese Situation ist in Abbildung 9.10 für eine zweiatomiges Molekül dargestellt. Die (1) Potentialkurve V1 (r) hat ihr Minimum re bei einem größeren Kernabstand als die Potentialkurve des elektronischen Grundzustandes V0 (r). Durch den Pfeil ist angedeutet, dass ein elektronischer Übergang bei festem Kernabstand stattfindet und somit nicht im Minimum von V1 ’endet’. Wenn man komplexere V v’ = 3 v’ = 2 v’ = 1 v’ = 0 v=3 v=2 v=1 v=0 r r (0) e (1) re Abbildung 9.10: Vertikaler Übergang vom elektronischen Grundzustand in einen angeregten Zustand Moleküle betrachtet, läßt sich ein solcher vertikaler Übergang nicht mehr so leicht graphisch verdeutlichen. Man macht aber auch im allgemeinen Fall die Annahme, dass man es mit vertikalen Übergängen zu tun hat. Das ist die Annahme des Franck-Condon-Prinzip Die Kernkonfiguration nach einem elektronischen Übergang ist dieselbe wie davor und ändert sich erst danach. Wir bezeichnen die Schwingungsquantenzahlen im elektronischen Grundzustand mit v und diejenigen im elektronisch angeregten Zustand mit v 0 . Bei Raumtemperatur liegen Moleküle meist im elektronischen Grundzustand und im Schwingungszustand vor, d.h. v = 0. Man bezeichnet die Übergänge vom elektronischen Grundzustand in den elektronisch angeregten Zustand, bei denen sich die Schwingungsquantenzahl ändert, als vibronische Übergänge. Da die Wellenfunktion in Born-Oppenheimer-Näherung durch das Produkt Ψel ε Ψv gegeben ist, bezeichnet man diese Zustände als vibronische Zustände. (Das gilt auch, wenn man die Born-OppenheimerNäherung fallenläßt.) Dabei haben wir die Rotationszustände YJM gar nicht mehr berücksichtigt, da wir davon ausgehen, dass sie in Lösung keine Rolle spielen. 149 9 Grundlagen der Spektroskopie Um mögliche Auswahlregeln zu finden, untersuchen wir nun das Dipolübergangsmatrixelement (wir beschränken uns also wieder auf elektrische Dipolübergänge.) Dazu schreiben wir den Dipoloperator als µ̂ = −e X ~ˆri + e X i ~ k = µ̂(el) ({r}) + µ̂(k) ({R}) Zk R (9.30) k Für die Wellenfunktion haben wir in Born-Oppenheimer-Näherung: (el) elektronischer Grundzustand: Ψ0 ({r}, {R})Ψv ({R})χ0 (S, MS ) (el) Ψ1 ({r}, {R})Ψv0 ({R})χ1 (S 0 , MS0 ) angeregter Zustand: Hierbei haben wir auch die ’Spinfunktionen’ des Grundzustandes (χ0 (S, MS )) und des angeregten Zustandes (χ1 (S 0 , MS0 )) berücksichtigt, da sich der Gesamtspin bei einem elektronischen Übergang ja sehr wohl ändern kann (z.B. bei einem Singulett-Triplett-Übergang von S = 0 nach S 0 = 1). Das Übergangsdipolmatrixelement schreiben wir also als: (el) (el) hΨ1 Ψv0 χ1 |µ̂|Ψ0 Ψv χ0 i (9.31) Der Dipoloperator beinhaltet keinen Spin, wir finden also: (el) (el) (el) (el) (el) (el) (el) (el) hΨ1 Ψv0 χ1 |µ̂|Ψ0 Ψv χ0 i = hΨ1 Ψv0 |µ̂|Ψ0 Ψv ihχ1 |χ0 i = hΨ1 Ψv0 |µ̂|Ψ0 Ψv ihχ1 (S 0 , MS0 )|χ0 (S, MS )i = hΨ1 Ψv0 |µ̂|Ψ0 Ψv iδS 0 ,S δMS0 ,MS Damit finden wir also die Spinauswahlregel: ∆S = 0 , ∆MS = 0. In unserer Näherung würde das heißen: es gibt keine Phosphoreszenz (Singulett-Triplett-Übergänge sind verboten; s.später). Mit (9.30) für den Dipoloperator gilt also: (el) (el) (el) (el) (el) (el) hΨ1 Ψv0 |µ̂|Ψ0 Ψv i = hΨ1 Ψv0 |µ̂(el) |Ψ0 Ψv i + hΨ1 Ψv0 |µ̂(k) |Ψ0 Ψv0 i Wir betrachten die beiden Terme jetzt nacheinander. Für das Matrixelement des Kerndipoloperators haben wir: Z Z h i? (el) (el) (el) (k) hΨ1 Ψv0 |µ̂ |Ψ0 Ψv i = dτk dτel Ψ1 ({r}, {R})Ψv0 ({R}) µ̂(k) ({R}) · (el) ·Ψ0 ({r}, {R})Ψv ({R}) Z = dτk Ψv0 ({R})? µ̂(k) ({R})Ψv ({R}) · Z (el) (el) · dτel Ψ1 ({r}, {R})? Ψ0 ({r}, {R}) Dabei gilt (el) (el) hΨ1 |Ψ0 i = 150 Z (el) (el) dτel Ψ1 ({r}, {R})? Ψ0 ({r}, {R}) = 0 9.4 Optische Spektroskopie unabhängig von der Kernkonfiguration {R}, weil die Wellenfunktionen verschiedener elektronischer Zustände als Lösung der elektronischen Schrödinger-Gleichung orthogonal bzgl. der elektronischen Koordinaten sind. Die Wellenfunktionen hängen ja lediglich parametrisch von den Kernkoordinaten {R} ab. Es folgt also: (el) (el) hΨ1 Ψv0 |µ̂(k) |Ψ0 Ψv i = 0 (9.32) Das Kerndipolmoment liefert also keinen Beitrag. Betrachten wir nun den elektronischen Teil: Z (el) (el) (el) hΨ1 Ψv0 |µ̂(el) |Ψ0 Ψv i = dτk Ψv0 ({R})? · µ̂10 ({R}) · Ψv ({R}) wobei wir µ̂el 10 ({R}) = Z (el) dτel Ψ1 (el) ({r}, {R})? µ̂(el) ({r}) Ψ0 ({r}, {R}) definiert haben. µ̂el 10 ({R}) ist ein Operator bezüglich der Kernkonfiguration {R}, da die elektronischen Wellenfunktionen parametrisch von {R} abhängen. Wenn man die Abhängigkeit von {R} berücksichtigen möchte, geht man so vor, wie wir es bei der Behandlung der Schwingungsspektren gemacht haben, (el) man führt eine Taylor-Entwicklung von µ̂10 ({R}) durch. Da wir uns hier nur auf die wichtigsten Bei(el) träge beschränken wollen, vernachlässigen wir die {R}-Abhängigkeit von µ̂10 ({R}) der Einfachheit halber vollständig und schreiben: el µ̂el 10 ({R}) ' µ10 Damit haben wir also für das Matrixelement in dieser Näherung: (el) (el) (el) hΨ1 Ψv0 |µ̂(el) |Ψ0 Ψv i ' µ10 hΨv0 |Ψv i (9.33) hΨv0 |Ψv i = Sv0 ,v (9.34) Dabei bezeichnet man als Franck-Condon-Faktor. An dieser Stelle ist es ganz wichtig, sich klar zu machen, dass die Franck-Condon-Faktoren den Überlapp zwischen den Schwingungszuständen im elektronischen Grundzustand, |Ψv i, und denjenigen im elektronisch angeregten Zustand, das sind die |Ψv0 i, angeben. Würde es sich um Schwingungszustände im selben elektronischen Zustand handeln, so wären diese Zustände orthogonal. Das gilt hier nicht! Da die Sv0 ,v die Überlappungsintegrale für die Schwingungszustände in verschiedenen Kernkonfigurationen und somit verschiedenen Potentialen (v : V0 ({R}), v 0 : V1 ({R})) sind, liefern die Franck-Condon-Faktoren auch keine Auswahlregeln, sondern lediglich zusammen mit anderen Faktoren die Intensität des entsprechenden Übergangs. Betrachten wir als ein konkretes Beispiel den sogenannten 0 → 0-Übergang für ein zweiatomiges Molekül, vgl. Abb. 9.11. Das ist der Übergang vom Schwingungsgrundzustand (v = 0) des elektronischen Grundzustandes in den Schwingungsgrundzustand (v 0 = 0) des elektronisch angeregten Zustandes. Der Einfachheit halber nehmern wir außerdem an, dass die Schwingungsfrequenzen ω im elektronischen Grundzustand und im elektronisch angeregten Zustand identisch sind. Das bedeutet, wir nehmen an, dass der einzige Unterschied in der harmonischen Näherung für V0 (R) und V1 (R) im unterschiedlichen Gleichgewichtsabstand liegt. Wenn wir mit Q die Auslenkung im elektronischen Grundzustand bezeichnen, so ist hier die Schwingungswellenfunktion im Schwingungsgrundzustand gegeben durch: α1 mω 4 −αQ2 /2 Ψ0 (Q) = e mit α = π ~ (1) Im elektronisch angeregten Zustand müssen wir berücksichtigen, dass die Auslenkung bezüglich re = (0) re + ∆r zu betrachten ist. Als Funktion von Q gilt dann: α1 4 −α(Q−∆r)2 /2 Ψ00 (Q) = e π 151 9 Grundlagen der Spektroskopie Damit finden wir für den Franck-Condon-Faktor: α1 Z 2 2 2 2 S00 ,0 = dQe−αQ /2 · e−α(Q−∆r) /2 = e−α∆r /4 π V v’ = 0 v=0 (0) re ∆r r r(1) e Abbildung 9.11: Vertikaler Übergang vom Zustand v = 0 zum Zustand v 0 = 0 An diesem einfachen Beispiel sieht man schon, dass die Intensität stark von ∆r abhängt. Zusammenfassend können wir also für das Dipolübergangsmatrixelement schreiben: (el) (el) (el) (el) hΨ1 Ψv0 |µ̂|Ψ0 Ψv i ' Sv0 ,v hΨ1 |µ̂(el) |Ψ0 i (el) (el) Dabei liefert hΨ1 |µ̂(el) |Ψ0 i die sogenannten ’Orbitalauswahlregeln’, die normalerweise mit der Symmetrie der Orbitale zusammenhängen. Eine wichtige Auswahlregel läßt sich allerdings noch formulieren, nämlich die Paritätsauswahlregel. Da µ ~ ungerade ist, muss eine der beiden Funktionen gerade und die andere ungerade sein, damit das Übergangsmatrixelement von Null verschieden ist. (symbolisch: hu|u|gi 6= 0, hg|u|ui 6= 0, aber hu|u|ui = hg|u|gi = 0). Wir haben also für elektronische Dipolübergänge folgende Auswahlregeln: • Spinauswahlregel: ∆S = 0 • Paritätsauswahlregel: Änderung der Parität bei elektronischen Dipolübergängen. (el) (el) • Orbitalauswahlregeln: über hΨ1 |µ̂(el) |Ψ0 i Wir haben vorne schon gesehen, dass ∆S = 0 bedeutet, dass im Rahmen unserer Näherungen keine Phosphoreszenz auftreten kann. Deshalb soll der Begriff ’verbotene Übergänge’ noch etwas genauer betrachtet werden. Da die Intensität eines Übergangs nach Fermis ’goldener Regel’ (9.6) proportional zum Quadrat des 152 9.4 Optische Spektroskopie (el) (el) Dipolübergangsmatrixelements ist (I ∼ |Sv0 v |2 |hΨ1 |µ̂(el) |Ψ0 i|2 ), hängt diese Intensität stark von den Näherungen ab, die in der Berechnung gemacht werden. Um ein Gefühl zu bekommen, wie ernst die oben angegebenen Auswahlregeln in der optischen Spektroskopie zu nehmen sind, sind in der folgenden Tabelle einige typische Zahlen zusammmengestellt. Bedingungen erlaubte Übergänge spinverbotene Übergänge paritätsverbotene Übergänge rel. Intensität 1 (willkürlich) 10−5 − 10−3 10−2 − 10−1 Man sieht daran, dass beispielsweise ’Spinverbote’ ernster zu nehmen sind als Paritätsauswahlregeln. Bezeichnung der Molekülzustände Neben der Klassifizierung der Molekülzustände aufgrund ihrer Symmetrie wählt man häufig folgendes Schema. Bei mehratomigen Molekülen ist der Grundzustand allermeistens ein Singulett-Zustand und wird deshalb mit S0 bezeichnet. Man bezeichnet dann recht allgemein die höher liegenden SingulettZustände mit S1 , S2 , ... und die Triplett-Zustände mit T1 , T2 etc. Ein typisches Energieniveauschema ist in Abbildung 9.12 gezeigt. Oftmals hat man die angedeutete energetische Reihenfolge E(S0 ) < E(T1 ) < E(S1 ). Dabei ist normalerweise E(T1 ) < E(S1 ), da diese beiden Zustände zur gleichen Konfiguration gehören und - analog zu Atomen (vgl. erste Hundsche Regel) - der Triplettzustand energetisch günstiger ist. S 2 T 2 S 1 T 1 S 0 Abbildung 9.12: Singulett- und Triplettzustände Neben der Absorption sind die wichtigsten elektronischen Übergänge mit der Emission eines Photons aus einem angeregten elektronischen Zustand verbunden. Einen Übergang von S1 nach S0 führt zu Fluoreszenz, während ein T1 → S0 -Übergang zur Phosphoreszenz führt. Allerdings ist dieser Übergang nach unseren bisherigen Überlegungen verboten, da sich dabei die Spinquantenzahl S ändert (∆S = 1). Deshalb soll nun untersucht werden, wie es zur Phosphoreszenz kommt. Singulett-Triplett-Übergänge Für einen solchen Übergang benötigen wir einen Mechanismus, der für eine Mischung von Singulett- und Triplettzuständen sorgt. Wir kennen diesen Mechanismus schon von der Behandlung komplexer Atome. 153 9 Grundlagen der Spektroskopie Es handelt sich dabei um die Spin-Bahn-Kopplung: X ˆ~ ~ˆ ĤSB = − gi (r)S i Li (9.35) i Um das Prinzip des Mechanismus der Phosphoreszenz zu erläutern, betrachten wir zunächst als Beispiel 1 Σ 4 (1πu) (1 π*g) 1 ∆ 2 156 kJ / mol 94 kJ / mol 3 Σ Abbildung 9.13: Singulett- und Triplettzustände für O2 das O2 -Molekül, für welches die Zustände in Abbildung 9.13 dargestellt sind. Dabei genügt es für unsere Überlegungen, die z-Komponente von HSB zu betrachten, wobei wir uns auf die beiden Valenzelektronen beschränken: ĤSB,z = −g1 Ŝz1 L̂z1 − g2 Ŝz2 L̂z2 (9.36) Wendet man ĤSB,z auf den Zustand |3 Σi an, so findet man: ĤSB,z |3 Σi ∼ |1 Σi wie man sich leicht verdeutlichen kann, indem man die expliziten Ausdrücke für die Zustände einsetzt. Man sieht also, dass ĤSB in der Tat für eine Mischung von Singulett- und Triplettzuständen sorgt. Diese ’Beimischung’ des Singulett-Zustandes kann man im Rahmen der Störungsrechnung erster Ordnung quantitativ angeben. Für den Zustand in erster Orndung Störungsrechnung, |3 Σi(1) , findet man: |3 Σi(1) = |3 Σi + h3 Σ|ĤSB |1 Σi 1 | Σi E (3 Σ) − E (1 Σ) (9.37) Wir verallgemeinern diese Ergebnisse jetzt auf den Fall beliebiger Singulettzustände |Sn i, n = 0, 1, 2, ... und einen Triplettzustand |T1 i. Die Wellenfunktion des Triplettzustandes ist in erster Ordnung Störungsrechnung: X hSn |ĤSB |T1 i |ΨT1 i = |T1 i(1) = |T1 i + |Sn i (9.38) E (T1 ) − E (Sn ) n Wir berechnen nun das Dipolübergangsmatrixelement, indem wir den Übergang vom elektronischen Grundzustand |S0 i in den Triplettzustand |ΨT1 i betrachten, hS0 |µ̂|ΨT1 i. Das bedeutet, wir benutzen für den Triplettzustand den Zustand in erster Ordnung Störungsrechnung bezüglich ĤSB : X hS0 |µ̂|ΨT1 i = hS0 |µ̂|T1 i + hS0 |µ̂ .... n = 154 0 X hSn |ĤSB |T1 i + hS0 |µ̂|Sn i E (T1 ) − E (Sn ) n 9.4 Optische Spektroskopie Dabei verschwindet hS0 |µ̂|T1 i aufgrund der Spinauswahlregel. Die Matrixelemente hS0 |µ̂|Sn i sind allerdings endlich. Meistens ist der dominierende Term in der Summe derjenige mit n = 1, das heißt: hS0 |µ̂|ΨT1 i ' hS1 |ĤSB |T1 i hS0 |µ̂|S1 i E (T1 ) − E (S1 ) da für größere n der Energienenner E(T1 ) − E(Sn ) groß wird und somit der Beitrag zur Summe klein. Desweiteren haben wir schon gesehen, dass g(r) ∼ Z 2 gilt, das heißt: schwere Atome begünstigen Phosphoreszenz. Typische Prozesse in Lösung: Nachdem wir nun gezeigt haben, dass Phosphoreszenz durchaus möglich ist, wollen wir Absorptionsund Emissionsvorgänge in Lösung etwas genauer untersuchen. Führen wir einer in einem Lösungsmittel gelösten Substanz Energie (der richtigen Frequenz) zu, so wird diese Energie absorbiert. Hierbei finde ein elektronischer Übergang vom Grundzustand |S0 , v = 0i nach |S1 , v 0 i statt. Dabei bezeichnen wie vorne die v die Schwingungsquantenzahlen im S0 -Zustand, die v 0 diejenigen im S1 -Zustand. Ein solcher Übergang führt normalerweise in einen S1 -Zustand mit großer Schwingungsquantenzahl v 0 , s. Abb. 9.14 (A). Befindet sich das Elektron nun im angesprochenen Zustand, so findet normalerweise nicht direkt Fluoreszenz statt, sondern eine sogenannte Schwingungsrelaxation. Das Elektron geht vom Zustand |S1 , v 0 i in den Zustand |S1 , v 0 = 0i über, wobei die freiwerdende Energie auf die Lösungsmittelmoleküle übertragen wird. Dieser Übergang ist strahlungslos und wird als Schwingungsrelaxation bezeichnet. Um etwas über die Dauer dieses Vorganges aussagen zu können, ist einer Zeitskala τ sinnvoll, wel die Einführung 1 che proportional zum Kehrwert der Übergangsrate ist τ ∼ Wkl . Typische Zeitskalen für die Schwingungsrelaxation liegen in der Größenordnung von 10−11 ...10−9 s. Ausgehend vom |S1 , v 0 = 0i- Zustand gibt es verschiedene, konkurrierende Prozesse, die im Detail von den Eigenschaften des Farbstoffes und des Lösungsmittels abhängen: 1. Fluoreszenz Es findet ein Übergang von |S1 , v 0 = 0i nach |S0 , v großi und anschließende Schwingungsrelaxation statt (Übergang in |S0 , v 0 = 0i). Für die Zeitskala gilt: τf ∼ 10−4 ...10−8 s. Bei schnell ablaufender Fluoreszenz kann es also passieren, dass man bei einer Messung Absorption und Emission gleichzeitig aufnimmt. 2. Alternativen zur Fluoreszenz • Strahlungsloser Zerfall Hierbei kommt es zu einem Übergang |S1 , v 0 = 0i nach |S0 , v riesigi, welcher als Internal Conversion bezeichnet wird. Es findet nur Schwingungsrelaxation statt, keine Emission. Die Zeitskala ist abhängig vom Lösungsmittel. Internal Conversion kann aber schneller ablaufen als Fluoreszenz. • Intersystem Crossing bezeichnet einen Übergang |S1 , v 0 = 0i nach |T1 , vT großi, wonach Schwingungsrelaxation stattfindet. Die Zeitskala ist abhängig von der Zahl der schweren Atome. Vom Zustand |T1 , vT = 0i aus findet anschließend Phosphoreszenz, d.h. der Übergang |T1 , vT = 0i nach |S0 , v großi statt, nachfolgend wiederum Schwingungsrelaxation (|S0 , v großi → |S0 , v = 0i). Die Zeitskala beträgt: τp ∼ 10−4 − 102 s. Dies sind die typischen Übergänge, wie sie auch im sogenannten Jablonski-Diagramm (Abbildung 9.14) dargestellt sind. Möglich wäre darüberhinaus natürlich auch Intersystem Crossing und anschließend Internal Conversion, usw.. 155 9 Grundlagen der Spektroskopie IC S1 A ISC F T1 P S0 Schwingungsrelaxation Fluoreszenz (F), Phosphoreszenz (P) Absorbtion (A), Internal Conversion (IC) Intersystem Crossing (ISC) Abbildung 9.14: Jablonski-Diagramm für die angesprochenen Übergänge 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) Heute spielt die NMR-Spektroskopie (NMR: nuclear magnetic resonance) in der Chemie eine herausragende Rolle. Insbesondere zur Strukturaufklärung hat sich die NMR in den allermeisten Fällen als die überlegene Methode gegenüber anderen Arten von Spektroskopie erwiesen. Das gilt insbesondere für die Bestimmung der Struktur von in Lösung vorliegenden Molekülen. In diesem Kapitel sollen die einfachsten Grundlagen der NMR-Spektroskopie erläutert werden, wobei hier schon festzuhalten ist, dass eine detaillierte Diskussion den Rahmen dieser Vorlesung sprengen würde. Grundlage für die NMR-Spektroskopie ist die Tatsache, dass viele Atomkerne ein nichtverschwindendes magnetische Moment haben, das mit einem endlichen Kernspin I 6= 0 verbunden ist: ˆ µ ~ˆ I = γ I~ (9.39) ˆ~ mit dem gyromagnetischen Verhältnis γ und dem Kernspinoperator I. Da man es in der Chemie häufig mit organischen Molekülen zu tun hat, sollen hier die in diesem Zusammenhang wichtigsten Kerne betrachtet werden, also z.B.: I = 21 13 C,15 N,19 F,31 P, ... I = 1 2 2H I=1 1H Mit Abstand der meistgenutzte Kern in der NMR-Spektroskopie ist 1 H, da er in fast allen chemisch relevanten Verbindungen vorkommt. Deshalb beschränken wir uns in allen folgenden Überlegungen auf 156 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) den Fall I = 12 . Die Kernspinzustände |I, mi sind wie üblich als Eigenzustände von Iˆ2 und Iˆz zu verstehen, da es sich um Drehimpulszustände handelt. Da wir uns im Folgenden mit einem Kernspin I = 1/2 beschäftigen werden, schreiben wird abkürzend für die Zustände |I = 1/2, m = ±1/2i: |+i := |I = 1/2, m = +1/2i |−i := |I = 1/2, m = −1/2i (Man findet auch andere abkürzende Bezeichnungen, wie z.B. |αi und |βi in Analogie zu den Spinzuständen eines Elektrons.) Um die Grundlagen der NMR-Spektroskopie zu diskutieren, betrachten wir eine Probe mit vielen Pro~ 0 bringen. Die Wechseltonen (in der Größenordnung 1 mol), die wir in ein homogenes Magnetfeld B wirkung eines Magnetfeldes mit einem Kernspin ergibt sich - völlig analog wie bei der Wechselwirkung eines Elektronenspins - über die Ausrichtung des magnetischen Moments nach Gl.(9.39) mit dem ~ Wir wählen dieses Feld nun parallel zur z-Achse, das bedeutet für die ZeemanFeld: Ĥ = −µ ~ˆ I · B. Wechselwirkung: Ĥz = −µ̂I,z B0 = −γB0 Iˆz (9.40) Um die Energien der Zustände im Feld zu berechnen, nutzen wir, dass gilt: ~ Iˆz |+i = |+i und 2 ~ Iˆz |−i = − |−i 2 Damit findet man E+ = h+|Ĥz |+i = −γB0 ~ 2 und E− = h−|Ĥz |−i = γB0 ~ 2 und die ’Außerdiagonalmatrixelemente’ verschwinden, das heißt: h+|Ĥz |−i = h−|Ĥz |+i = 0, weil |+i und |−i Eigenzustände von Iˆz sind. Wir bekommen also vollkommen analog zum Elektron eine in AbE E− E+ Bz Abbildung 9.15: NMR-Spektroskopie: Aufspaltung der Kernzustände in einem Magnetfeld bildung 9.15 dargestellte Aufspaltung mit ∆E = E− − E+ = ~γB0 . Die sogenannte Larmorfrequenz ist definiert als: ω0 = γB0 (9.41) Für Protonen hat man für B0 = 2, 349 Tesla eine Larmorfrequenz von ω0 = 2π·100M Hz = 2π·108 s−1 . Typische NMR-Spektrometer arbeiten im Bereich von 8-10 Tesla, das entspricht etwa 400-600 MHz. 157 9 Grundlagen der Spektroskopie Um Spektroskopie zu betreiben, legen wir jetzt zusätzlich zu dem statischen B0 -Feld ein Wechselfeld in x-Richtung an. Der entsprechende Hamiltonoperator ist: Ĥ1 (t) = −γBx Iˆx cos(ωt) = −ωx Iˆx cos(ωt) mit ωx = γBx . Die Wechselwirkung mit diesem Feld gibt Anlaß zu magnetischen Dipolübergängen zwischen den beiden Energieniveaus, wobei die Intensitäten nach Fermis Goldener Regel (9.6) durch die Matrixelemente h+|Iˆx |−i = h−|Iˆx |+i = ~2 bestimmt sind. Die Übergangsfrequenz ist gerade die Larmorfrequenz (vgl. Abb. 9.16) ω+,− = E− − E+ = ω0 ~ I ω0 ω Abbildung 9.16: Die für Dipolübergänge nötige Frequenz entspricht der Larmorfrequenz Allgemein hat man folgende Auswahlregeln, die völlig analog zu denjenigen der Rotationsspektroskopie (vgl. Kapitel 9.3 ) ermittel werden. Der Dipoloperator µ̂x = γ Iˆx korrespondiert zu I = 1, deshalb liefert Iˆx |I, mi nach der Clebsch-GordanReihe die Werte I + 1, I, I − 1, da wir hier die Spinquantenzahlen I1 = 1 (Dipoloperator) mit I2 = I (Zustand |I, mi) koppeln müssen. Das bedeutet, dass für die Matrixelemente hI 0 , m0 |Iˆx |I, mi gilt: ∆I = 0, ±1 (9.42) Analog geht man vor, um die ’m-Auswahlregeln’ zu bestimmen. Da µx sich verhält wie die Kugelflächenfunktionen Y1,±1 , verhält sich Iˆx wie m = ±1 und man hat für das Matrixelement symbolisch hm0 | ± 1|mi = δm0 ,m±1 und somit: ∆m = ±1 (9.43) An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass ∆I = ±1 natürlich nur für gekoppelte Spinsysteme relevant ist, da der Kernspin I eine Kerneigenschaft ist. NMR-Spektren in Flüssigkeiten In vielen für die Chemie relevanten NMR-Untersuchungen werden Moleküle in Lösung betrachtet. Das hat für die Beschreibung den Vorteil, dass einige im Festkörper wichtige Wechselwirkungen aufgrund der schnellen Bewegungen der Moleküle ’herausgemittelt’ werden. Sie müssen deshalb nicht weiter betrachtet werden. Ein wichtiges Beispiel ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung, die von der relativen Orientierung der magnetischen Momente abhängt, und sich in etwa wie das Skalarprodukt der Momente µ ~ A ·~ µB verhält. Das Skalarprodukt hängt vom Winkel zwischen den beiden Vektoren µ ~ A ·~ µB ∼ cos θ ab. Die schnelle molekulare Bewegung sorgt dafür, dass θ innerhalb sehr kurzer Zeit alle möglichen Werte θ ∈ [0, π] annimmt und man nur den Mittelwert cos θ = 0 beobachtet. 158 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) Ähnliche Argumente gelten auch für andere Wechselwirkungen, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Die wichtigsten verbleibenden Wechselwirkungen in Flüssigkeiten sind: • die chemische Verschiebung • die (skalare) Spin-Spin-Kopplung Wir wollen diese beiden Wechselwirkungen nun näher untersuchen. Chemische Verschiebung Betrachten wir ein Molekül im äußeren Magnetfeld B0 , so ’sehen’ die Atomkerne nicht das gesamte Feld, sondern nur einen Teil davon. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass auch die Elektronen mit dem Feld wechselwirken und daher einen Teil des Feldes abschirmen. Dieser Effekt der Abschirmung durch die Elektronen hängt stark von der elektronischen Struktur und somit von der räumlichen Position eines betrachteten Kerns im Molekül ab. Man berechnet die Größe dieser Abschirmeffekte in der theoretischen Chemie. Für die Strukturaufklärung mit Hilfe der NMR ist es wesentlich, dass die Abschirmung von der chemischen Umgebung eines betrachteten Kerns bestimmt wird. Die Abschirmung wird in der Beschreibung von NMR-Spektren durch eine sogenannte Abschirmkonstante σ charakterisiert und man führt zusätzlich zu Ĥz den Hamiltonoperator der chemischen Verschiebung (cs.: chemical shift) ein: Ĥcs = ω0 σ Iˆz (9.44) Der Gesamthamiltonoperator ist also die Summe: Ĥ = Ĥz + Ĥcs = −ω0 Iˆz + ω0 σ Iˆz = −ω0 (1 − σ)Iˆz Nehmen wir als Beispiel ein 2 Protonen-System, mit den Protonen 1 und 2. Dafür haben wir: Ĥ = Ĥ1 + Ĥ2 = −ω0 (1 − σ1 ) Iˆz1 − ω0 (1 − σ2 ) Iˆz2 = −ω1 Iˆz1 − ω2 Iˆz2 wobei ωi = ω0 (1 − σi ), i = 1, 2. Für dieses System haben wir insgesamt vier Zustände, nämlich: |Ψ1 i = |+, +i ; |Ψ2 i = |+, −i ; |Ψ3 i = |−, +i ; |Ψ4 i = |−, −i Dabei bedeutet |+, +i einfach das Produkt |+i1 |+i2 . |+i1 bezieht sich dabei auf Proton 1 und |+i2 auf Proton 2. Betrachten wir die Anwendung von Iˆz auf einen der Zustände, so gilt beispielsweise: ~ ~ ˆ ˆ ˆ Iz1 |Ψ1 i = Iz1 |+, +i = Iz1 |+i1 |+i2 = |+i1 |+i2 = |Ψ1 i 2 2 da Iˆz1 nicht auf |+i2 wirkt. Für die Wirkung von Iˆz2 gelten analoge Beziehungen. Ebenso berechnet man die Wirkung von Ĥ auf die Zustände, explizit: ~ Ĥ|Ψ1 i = −ω1 Iˆz1 |+, +i − ω2 Iˆz2 |+, +i = − (ω1 + ω2 ) |Ψ1 i 2 ~ Ĥ|Ψ2 i = −ω1 Iˆz1 |+, −i − ω2 Iˆz2 |+, −i = − (ω1 − ω2 ) |Ψ2 i 2 ~ Ĥ|Ψ3 i = −ω1 Iˆz1 |−, +i − ω2 Iˆz2 |−, +i = − (−ω1 + ω2 ) |Ψ3 i 2 ~ ˆ 2 |−, −i = (ω1 + ω2 ) |Ψ4 i Ĥ|Ψ4 i = −ω1 Iˆz1 |−, −i − ω2 Iz 2 159 9 Grundlagen der Spektroskopie Die Zustände |Ψk i, k = 1, ..., 4 sind also Eigenzustände des Hamiltonoperators und wir erhalten somit die Energien Ek : ~ E1 = − (ω1 + ω2 ) 2 ; ~ E2 = − (ω1 − ω2 ) 2 ; ~ E3 = − (−ω1 + ω2 ) 2 ; E4 = ~ (ω1 + ω2 ) 2 s. Abb.(9.17). E4 h / 2 ( ω 1+ ω 2) h / 2 ( ω1 − ω 2) E 2, E3 − h / 2 (ω 1− ω 2) − h / 2 ( ω 1+ ω 2) E1 σ1 > σ2 = 0 σ=0 Abbildung 9.17: Energieaufspaltung für die chemische Verschiebung eines Zweiprotonensystems Um die erlaubten Frequenzen ωk,l = (Ek − El ) /~ im NMR-Spektrum zu berechnen, müssen wir die ’∆m = ±1-Auswahlregel’ berücksichtigen. In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden m-Werte gelistet: Zustand m1 1 Ψ1 2 1 Ψ2 2 Ψ3 − 12 Ψ4 − 12 m2 1 2 − 12 1 2 − 12 M 1 0 0 −1 Das bedeutet, dass die Übergänge |Ψ1 i → |Ψ2 i, |Ψ1 i → |Ψ3 i und |Ψ2 i → |Ψ4 i, |Ψ3 i → |Ψ4 i erlaubt sind. Die entsprechenden Übergangsfrequenzen sind einfach: ω43 = ω21 = ω2 = ω0 (1 − σ2 ) und ω42 = ω31 = ω1 = ω0 (1 − σ1 ) Wir erhalten dementsprechend zwei Linien: eine bei der Frequenz ω1 und eine bei ω2 . Für den Abstand dieser Linien gilt: ω2 − ω1 = ω0 (σ1 − σ2 ), die Differenz der Abschirmkonstanten. Man sieht daran, dass man die relative chemische Verschiebung aus dem Linienabstand ermitteln kann. Das wird noch deutlicher, wenn man eine Auftragung wählt, in der eine Frequenz gar nicht auftritt. Man definiert eine neue Frequenzskala ω̃ = ω − ω2 . Dann gilt: ω̃kl = ωkl − ω2 , also ω̃43 = ω̃21 = ω2 − ω2 = 0 und ω̃42 = ω̃31 = ω1 − ω2 . Man definiert weiter die chemische Verschiebung als die Differenz der Abschirmkonstanten, δ = σ1 − σ2 160 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) −ω 0δ ~ ω 0 Abbildung 9.18: Auftragung der chemischen Verschiebung mit ω̃ = ω − ω2 Das heißt: im Spektrum gibt es eine Linie bei ω̃ = 0 und eine bei ω̃42 = ω̃31 = −ω0 δ (s.Abb.9.18). Diese Abhängigkeit der Frequenzen von der relativen chemischen Verschiebung macht man sich in der (organischen) Chemie zunutze. Man wählt eine Probe mit einer von derjenigen der zu messenden Substanz hinreichend unterschiedlichen chemischen Verschiebung als Referenz (zumeist wird hier TMS (Tetramethylsilan) genutzt) und definiert die chemische Verschiebung durch: δ = σ − σT M S (9.45) wobei man - wie im obigen Beispiel - die Frequenzskala auf σT M S bezieht. Die Angabe der chemischen Verschiebung geschieht normalerweise in 106 δ (ppm). Das ist sinnvoll, weil die Verschiebungen etwa in diesen Größenordnungen liegen. Für Protonen findet man typischerwiese ω0 δ . 10−3 s−1 . Für eine Larmorfrequenz von ω0 = 2π · 100M Hz ' 1, 6 · 109 s−1 ∼ 109 s−1 ist also 106 · δ in der Größenordnung vernünftiger Zahlen (0,1...10). Typische Werte für 1 H sind (das Proton sei dabei an die jeweilige Gruppe gebunden): Gruppe Methylgruppe gebunden an sp3 - hybridisiertes C- Atom Methylgruppe gebunden an sp2 - hybridisiertes C- Atom Methylgruppe gebunden an sp- hybridisiertes C- Atom Methylgruppe gebunden an Phenylrest Vinylgruppe δ ppm rel. zu TMS 0,6-1,1 1,5-2,1 1,7-2,1 2,0-2,8 4,4-5,9 Solche typischen Werte für chemische Verschiebungen sind für sehr viele Strukturbausteine und Moleküle tabelliert zu finden und liefern detaillierte Informationen über die chemische Struktur einer untersuchten Substanz. Diese Werte sind aber nicht die einzigen Informationen, die uns ein NMR-Spektrum liefert. Charakteristisch für Gruppen, wie sie in der Tabelle angegeben sind, sind darüberhinaus Signale, welche aus der Spin-Spin-Kopplung resultieren. Spin-Spin-Kopplung Bei dieser Wechselwirkung handelt es sich um eine über die Elektronen vermittelte Kopplung der magnetischen Momente von zwei Atomkernen 1 und 2. Qualitativ kann man diese Wechselwirkung anhand des folgenden schematischen Bildes verstehen. ˆ ˆ~ Die Wechselwirkung zwischen einem Kernspin und einem Elektron ist von der Form ∼ I~1 · S 1 , wobei ˆ~ ˆ~ I der Kernspin und S der Elektronenspin ist. In einem MO ’merkt’ das andere Elektron diese Wechselwirkung, da die Elektron-Elektron-Wechselwirkung dadurch modifiziert wird und der Effekt wird von 161 9 Grundlagen der Spektroskopie ˆ ˆ~ diesem Elektron gemäß I~2 · S 2 auf den anderen Kernspin übertragen. Somit werden die beiden betrachteten Kernspins ’über die Elektronen’ gekoppelt. Der entsprechende Hamiltonoperator wird geschrieben als: ˆ ˆ ĤJ = J I~1 · I~2 (9.46) Dabei ist das Skalarprodukt ˆ ˆ I~1 · I~2 = Iˆx1 · Iˆx2 + Iˆy1 · Iˆy2 + Iˆz1 · Iˆz2 und J ist die skalare Spin-Spin-Kopplungskonstante. J hängt sehr sensibel von der elektronischen Struktur des betrachteten Moleküls ab und liefert deshalb wichtige Strukturinformationen zusätzlich zur chemischen Verschiebung. Typische Werte der skalaren Spin-Spin-Kopplungskonstanten sind |J| ∼ 10Hz, wobei J auch negativ sein kann. Wenn man ĤJ berücksichtigt, sind die vorne angegebenen Zustände |Ψk i keine Eigenzustände von Ĥ = Ĥz + Ĥcs + ĤJ . Das liegt daran, dass die Terme J Iˆx1 Iˆx2 und J Iˆy1 Iˆy2 die Zustände mischen. Es gilt Iˆx |+i = ~2 |−i und deshalb beispielsweise ~2 ~2 Iˆx1 Iˆx2 |Ψ1 i = Iˆx1 Iˆx2 |+, +i = |−, −i = |Ψ4 i 4 4 Allerdings haben wir vorne gesehen, dass ω0 δ ∼ 106 ist und deshalb ω0 δ |J| gilt. Wir können deshalb ĤJ in Störungsrechnung berücksichtigen, indem wir folgende Aufteilung des Hamiltonoperators vornehmen: Ĥ0 = Ĥz + Ĥcs = −ω1 Iˆz1 − ω2 Iˆz2 Ĥ1 = ĤJ Wir berechnen die Energiekorrekturen in erster Ordnung Störungsrechnung, das heißt: (1) Ek = hΨk |ĤJ |Ψk i (9.47) Die Terme J Iˆx1 Iˆx2 und J Iˆy1 Iˆy2 tragen hierzu nicht bei, da sie die |Ψk i mischen, wie oben gezeigt (1) (hΨk |Iˆx1 Iˆx2 |Ψk i = hΨk |Iˆy1 Iˆy2 |Ψk i = 0). Es bleibt also mit Ek = JhΨk |Iˆz1 Iˆz2 |Ψk i: ~2 ~2 (1) Iˆz1 Iˆz2 |Ψ1 i = |Ψ1 i → E1 = J 4 4 2 ~2 ~ (1) Iˆz1 Iˆz2 |Ψ2 i = − |Ψ2 i → E2 = − J 4 4 2 2 ~ ~ (1) Iˆz1 Iˆz2 |Ψ3 i = − |Ψ3 i → E3 = − J 4 4 2 2 ~ ~ (1) Iˆz1 Iˆz2 |Ψ4 i = |Ψ4 i → E4 = J 4 4 Die berechneten Energiekorrekturen sind Korrekturen erster Ordnung, bei denen sich die Auswahlregeln nicht ändern. Erst in zweiter Ordnung Störungsrechnung erfolgt eine Mischung der Zustände, also eine Änderung der Auswahlregeln. Für die Frequenzen erhalten wir: ~ ω43 = ω2 + J 2 ~ ω42 = ω1 + J 2 162 ; ; ~ ω21 = ω2 − J 2 ~ ω31 = ω1 − J 2 9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) ω31 ω42 ω21 ω43 hJ hJ ω1 ω2 ω Abbildung 9.19: NMR-Spektrum für ein System aus zwei Protonen, chem. Abschirmkonstanten σ1 , σ2 , Spin-Spin-Kopplungskonstante J Wir finden also eine Aufspaltung der Dubletts. Das entsprechende Spektrum erkennen wir in Abbildung 9.19. Mit Hilfe dieser charakteristischen Spin-Spin-Kopplungmuster sowie der chemischen Verschiebung ist es möglich Molekül(gruppen) mit der NMR-Spektroskopie hervorragend zu identifizieren. Wenn man mehrere Spins betrachtet, werden die Spektren immer komplizierter, am Prinzip des hier betrachteten einfachsten Falls ändert sich aber nichts. Man kann die verschiedenen Kopplungskonstanten aus den Spektren extrahieren und wieder mit typischen Werten, die auch katalogisiert sind, vergleichen. Auch die Linienmuster alleine lassen mit etwas Erfahrung schon sehr detaillierte Strukturaussagen zu. 163 9 Grundlagen der Spektroskopie 164 Index Atomspektren, 7, 72, 134 Auswahlregel Gesamtdrehimpuls-, 135 Laporte-, 135 Spin-, 136 Auswahlregeln, 125, 142, 143 Axiome Newton’sche, 6 Bindungsordnung, 112 Bohrscher Atomradius, 48 Born-Oppenheimer-Naherung, 97, 105, 106 Bosonen, 73, 81 charakteristische Gruppenfrequenzen, 147 chemische Verschiebung, 159 Clebsch-Gordan-Reihe, 76 de Broglie Beziehung, 12 Dirac’sche Deltafunktion, 132, 133 Dirac-Schreibweise, 67 Doppelspalt Beugung am, 11 Doppelspaltexperiment, 11 Dreiecksregel, 76 Eigenfunktion, 20, 23 Eigenwert, 20, 44, 57 gleichung, 20 Einteilchenfunktion, 84 Elektronische Anregung, 133 Entartung, 36, 57, 71, 72 Erhaltungsgroßen, 66 Erwartungswert, 26 Fermionen, 73, 81 Fermis goldene Regel“, 132 ” Fluoreszenz, 155 Franck-Condon-Faktor, 151 Freiheitsgrade, 144 Schwingungs-, 33 Funktionen Kugelflachen-, 43 operatorwertige, 56 Gyromagnetisches Verhaltnis, 71 Harmonischer Oszillator, 29 Hilbertraum, 60 Hookesches Gesetz, 29 Hund’sche Regeln, 90 Huygenssches Prinzip, 11 Integral Coulomb-, 103 Resonanz-, 103 Uberlappungs-, 102, 109 Interferenz, 11 Internal Conversion, 155 Intersystem Crossing, 155 Jablonski-Diagramm, 155 Knoten, 24 Kommutator Rechenregeln, 57 Konfiguration, 85, 90, 96 Koordinaten massegewichtete, 145 Massenmittelpunkts-, 137 Normal-, 145 Polar-, 37, 39 Relativ-, 137 Kopplung jj-, 92 LS-, 91 Russell-Saunders, 91 Spin-Bahn -, 91 Spin-Spin-, 159, 161 Korrespondenzprinzip, 24, 32 Kraftgesetz, 6 Kreisfrequenz, 14 Kroneckerdelta, 25 Lamb-Shift, 94 Larmorfrequenz, 158 Linearkombination, 19 165 Index Materie, 6 Matrixelement, 68 Mechanik, 6 klassische, 5 Mikrozustande, 89 Multiplizitat, 88, 90 Normierung der Wellenfunktion, 22 Normierungsfaktor, 31 Nullpunktsenergie, 22, 35 Observable, 61, 64 kompatible, 64 komplementare, 65 Operator adjungierter, 58 Definition, 20 der kinetischen Energie, 21 Drehimpuls-, 40 Hamilton-, 16, 20, 41, 46, 65, 79 Hermitescher, 58 Impuls-, 20, 40 Laplace-, 38, 41 Linearer, 55 linearer, 55, 57 Vektor-, 70 Orbital, 50 Orts-, 73 Spin-, 73 Orthogonalitat, 35, 39 Orthonormalsystem, 59 Pauli-Prinzip, 79, 81 Photoelektrischer Effekt, 9 Planck’sches Wirkungsquantum, 10 Polarkoordinatentransformation, 42 Polynome Hermite, 31 Laguèrre, 48 Legendre, 44 Postulat Symmetrisierungs-, 80 Postulate der Quantenmechanik, 60 Newton’sche, 6 effektives Potential, 139 Potentialtopf, 21 Quantenzahl, 23 Drehimpulsquantenzahl, 49 166 gute, 67 Hauptquantenzahl, 49 magnetische, 49 Nebenquantenzahl, 49 Radioaktiver Zerfall (α-Zerfall, 29 Rayleigh-Ritz-Verfahren, 101 reduzierte Masse, 47 Relativitatstheorie, 6 Rotation, 37 Rotationskonstante, 141 Rydbergkonstante, 7 Sakulardeterminante, 103 Scanning Tunelling Microscope (STM), 29 Schrodingergleichung zeitabhangige, 15 zeitunabhangige, 65 Schwingungsrelaxation, 155 Separation der Variablen, 34 Serie Balmer, 50 Lyman, 50 Slaterdeterminante, 82 Spektroskopie IR-, 133 Mikrowellen-, 133, 139 NMR-, 156, 163 Optische, 133, 148 UV-VIS, 133 Spin, 69 Standardabweichung, 26 Stern-Gerlach-Versuch, 70 Strahlung, 6 Streckschwingung, 147 Superpositionsprinzip, 19 Teilchen freies, 19 im Kasten, 21 Termsymbol, 114 Termsymbole, 87 Tragheitsmoment, 38 Tunneleffekt, 27 Tunnelstrom, 29 Ubergang vertikaler, 149 Ubergange Singulett-Triplett-, 153 Ubergangsdipolmatrixelement, 146, 150 Index Ubergangsraten, 132 Unscharfe, 25 Variable Orts-, 73 Spin-, 73 Variationsprinzip, 99 Variationsverfahren, 99 Wahrscheinlichkeit, 61, 62, 80 Wahrscheinlichkeitsdichte, 23 Welle, 11 Materie-, 12, 13 stehende, 14, 20 Welle-Teilchen-Dualismus, 9 Wellenfunktion, 15 Einelektronen-, 73 Wellentheorie, 6 Wellenvektor, 14 Wellenzahl, 133 Zeemanneffekt, 71 Zeitskala, 155 167 Index 168 Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 exp. Aufbau zur Untersuchung des photoelektrischen Effekts . . Verhältnis: Intensität ↔ Spannung beim photoelektrischen Effekt Skizze zur Veranschaulichung des Gangunterschieds . . . . . . Interferenzmuster für die Beugung am Doppelspalt . . . . . . . Interferenzmuster von C60 -Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 10 11 12 13 3.1 3.2 3.3 3.4 18 18 21 3.25 3.26 3.27 ungebundener Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gebundener Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eindimensionaler Potentialtopf; Teilchen im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eindimensionaler Potentialtopf: Darstellung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit |Ψn |2 und der Wellenfunktion Ψn für verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . eindimensionaler Potentialtopf: Aufenthaltwahrscheinlichkeit bei n= unendlich; klassische Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eindimensionaler Potentialtopf: zwei Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahl und deren Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potentialverteilung beim Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens beim Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . Scanning Tunelling Microscope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harmonischer Oszillator: Darstellung der Wellenfunktion und der Aufenthaltswahrscheinlichkeit für verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizzierte Aufenthaltswahrscheinlichkeit für den klassischen harm. Oszillator . . . . . . Schwingungsfreiheitsgrade für H2 O . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zweidimensionale Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten (zweidimensional) . dreidimensionaler starrer Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten (dreidimensional) . . Energieschema zum dreidimensionalen starren Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . dreidimensionaler starrer Rotator: Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichte . . . . . . dreidimensionaler starrer Rotator: grafische Darstellung von Wahrscheinlichkeitsdichten für verschiedene Kugelflächenfunktionen Yl,m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur Darstellung von dV in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H- Atom: Skizze zum effektiven quantenzahlabhängigen Potential . . . . . . . . . . . . Energieniveauschema für das H- Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H-Atom: Auftragung der Radialfunktionen für verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . 2 (r)·r 2 mit der Radialfunktion Skizze zum Vergleich der radialen Verteilungsfunktion Rn,l Rn,l (r) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1s-Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . pz -Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . py -Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 4.2 Basis im zweidimensionalen Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zum 3. Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 3.16 3.17 3.18 3.19 3.20 3.21 3.22 3.23 3.24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 24 25 28 28 29 32 32 33 37 37 42 42 44 45 45 46 48 50 51 52 53 53 53 59 63 169 Abbildungsverzeichnis 5.1 5.2 5.3 Der Stern-Gerlach-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeemann-Effekt: Kraftwirkung auf Elektronen in verschiedenen Zuständen in einem Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skizze zur Dreiecksregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Systeme mit mehreren Elektronen: He- Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Veranschaulichung der Zentralfeldnäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Zentralfeldnäherung: Skizze zur Aufhebung der n2 - fachen Entartung . . . . . . . . . . 85 Aufspaltung der Zustände für das C-Atom unter Berücksichtigung der e− -e− -Wechselwirkungen 91 Atomzustände unter Berücksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim C-Atom . . . . . 93 Korrelation zwischen LS- und jj-Kopplung für die Elemente der IV. Hauptgruppe . . . 94 Berücksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim H-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . 94 71 76 zweiatomiges Molekül; Kerne A, B mit Massen MA , MB und Kernladungszahlen ZA , ZB 95 Born-Oppenheimer-Näherung: parametrische Abhängigkeit zwischen Elektronen- und Kernpositionen: Hamiltonoperatoren für zwei verschiedene Kernabstände . . . . . . . . 96 7.3 Potentialkurve für ein zweiatomiges Molekül in Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . 97 7.4 Potentialkurve für eine Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.5 Skizze eines H2+ -Moleküls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.6a H2+ -Molekül: Skizze für hΨA |ΨB i bei großem Atomabstand . . . . . . . . . . . . . . . 102 7.6b H2+ -Molekül: Skizze für hΨA |ΨB i bei kleinem Atomabstand . . . . . . . . . . . . . . . 102 7.7 H2+ -Molekül: bindendes Molekülorbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.8 H2+ -Molekül: antibindendes Molekülorbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.9 Interferenz beim H2+ -Molekül: Situation für Ψb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.10 Interferenz beim H2+ -Molekül: Situation für Ψ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.11 H2+ - Molekül: MO-Schema für die Überlappung zweier 1s-Orbitale ermittelt nach dem Rayleigh-Ritz-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.12 gebundener und ungebundener Zustand für das H2 -Molekül . . . . . . . . . . . . . . . 106 7.13 Molekül mit zwei Kernen A und B und zwei Elektronen e1 und e2 . . . . . . . . . . . . 107 7.14 MO-Schema für das H2+ -Molekülion in Standardnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7.15 AB- Molekül: Linearkombination der Atomorbitale zweier Kerne A und B zu MO’s . . 108 7.16 AB- Molekül: Überlappung eines s- und eines px / py - Orbitals; f = ΨA ΨB . . . . . . 109 7.17a AB- Molekül: Linearkombination zweier s-AO’s zu einem σg = a und einem σu? = b . . 110 7.17bAB- Molekül: Linearkombination zweier pz -AO’s zu einem σg = pz (A) − pz (B) = a und einem σu? = pz (A) + pz (B) = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7.17c AB-Molekül: Linearkombination zweier px -AO’s zu einem πu = px (A) + px (B) = a und einem πg? = px (A) − px (B) = b; z-Achse als Knotenebene . . . . . . . . . . . . . 111 7.17dAB-Molekül: Linearkombination eines s- und eines pz -AO’s zu einem σg = a und einem σu? = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 7.18 MO-Schema für homonuklaare zweiatomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 7.19 Linearkombinationen der AO’s zu MO’s für ein heteronukleares zweiatomiges Molekül . 113 7.1 7.2 8.1 8.2 8.3 8.4 Potentialkurve für die Schwingung zweiatomiger Moleküle Störungstheorie: Störung für nichtentartete Zustände . . . Störungstheorie: Störung für entartete Zustände . . . . . . Skizze zum Zeeman-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 9.2 Skizze zum Aufbau eines spektroskopischen Analysengerätes . . . . . . . . . . . . . . . 129 Absorption eines vom Zustand l iin den Zustand k angeregten Teilchens . . . . . . . . . 129 h 9.3a Skizze der Funktion 170 ωl,k −ω t 2 2 ωl,k −ω t sin2 ( ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 120 120 124 für t1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Abbildungsverzeichnis 9.3b Skizze der Funktion 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15 9.16 9.17 9.18 9.19 l,k −ω t 2 2 hω (ωhl,k −ω) sin2 i t i ωl,k −ω t 2 für t2 (> t1 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 für t3 > t2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 (ωl,k −ω) t Atomspektren: mögliche Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen . . . . . . . . . Skizze zur Veranschaulichung von Massenmittelpunktskoordinaten . . . . . . . . . . . . Rotations-, Schwingungsspektren: Skizze zum effektiven Potential zweier gebundener Atome A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotations-, Schwingungsspektren: Energieniveaus von Schwingungszuständen und jeweils darüberliegenden Rotationszuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . die drei Vibrationsfreiheitsgrade beim H2 O-Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzustand und angeregter Zustand beim Acetylen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertikaler Übergang vom elektronischen Grundzustand in einen angeregten Zustand . . . Vertikaler Übergang vom Zustand v = 0 zum Zustand v 0 = 0 . . . . . . . . . . . . . . . Singulett- und Triplettzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Singulett- und Triplettzustände für O2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jablonski-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NMR-Spektroskopie: Aufspaltung der Kernzustände in einem Magnetfeld . . . . . . . . NMR-Spektroskopie: Abbildung zur Larmorfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NMR-Spektroskopie: Energieaufspaltung für die chemische Verschiebung eines Zweiprotonensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftragung der chemischen Verschiebung mit ω̃ = ω − ω2 . . . . . . . . . . . . . . . . NMR-Spektrum für ein System aus zwei Protonen, chem. Abschirmkonstanten σ1 , σ2 , Spin-Spin-Kopplungskonstante J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3c Skizze der Funktion 9.4 9.5 9.6 sin2 131 136 138 140 141 146 148 149 152 153 154 156 157 158 160 161 163 171