Syntaktische Valenz

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Der Torweg fängt mit streifen Bändern ein Lyrik und Valenzverletzung
Mein Stock schilt
Klirr
[August Stramm: Verabredung. – In: Ders.: Du.
Den frechgespreizten Prellstein
Liebesgedichte. 1915.]
Das Kichern
Schrickt
Durch Dunkel
Valenz von stehlen in der Lesart
Trügeneckend
‚unbemerkt irgendwohin gehen‘
In
(er stahl sich aus dem Zimmer):
Warmes Beben
Stolpern
Hastig
STEHLEN(x,y,e)
Die Gedanken.
SYN-VAL: NPNom, NPAkk/sich, ∅
Ein schwarzer Kuß
Stiehlt scheu zum Tor hinaus
SEM-VAL: xAGENS[+Person], yZIEL/QUELLE[+Ort]
Flirr
Der Laternenschein
Hellt
Nach
TROTZDEM
Ihm
In die Gasse.
1
In den Schaufenstern vibriert
das Pochen der Fußgängerampeln
vor den Stöcken der Blinden
bellt Licht Arroganz
gießt sich die Zukunft in Marmor.
am Ende eines Millenniums Flucht ins
Geräusch, die alten Fragen
„wo führt das hin?“ und
„was ist ein schwuler Film?“
2
gekonnt uns durchlächelnd
in diversen Szenen
ambig zwischen gewagtem
Theater und Komischer Oper, Comedy
und mediobourgeoisem Talk …
cross-court durchs Leben
in Tagesausflügen zerstückeln wir die Stadt
[Ron Winkler: Koningenz.. – In: Lyrik
von JETZT. Hg. von Björn Kuhligk, Jan
Wagner. – Köln: DuMont 2003.]
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 1.
wecken
wehren
ertrinken
fressen
schlürfen
…
Hell weckt Dunkel
Dunkel wehrt Schein
Der Raum zersprengt die Räume
Fetzen ertrinken in Einsamkeit!
Die Seele tanzt
Und
Schwingt und schwingt
Und
Bebt im Raum
Du!
Meine Glieder suchen sich
Meine Glieder kosen sich
Meine Glieder
Schwingen sinken sinken ertrinken
In
Unermeßlichkeit
Du!
[August Stramm: Dämmerung. – In:
Ders.: Du. Liebesgedichte. 1915.]
Hell wehrt Dunkel
Dunkel frißt Schein!
Der Raum ertrinkt in Einsamkeit
Die Seele
Strudelt
Sträubet
Halt!
Meine Glieder
Wirbeln
In
Unermeßlichkeit
Du!
Hell ist Schein!
Einsamkeit schlürft!
Unermeßlichkeit strömt
Zerreißt
Mich
In
Du!
Du!
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 3.
Valenz von bellen:
BELLEN(x,e)
SYN-VAL: NPNom
SEM-VAL: xAGENS[+Hund]
TROTZDEM
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seltsamer Abakus –
im Rhythmus eingeengt dieser Tage
schieben wir die Tage in uns hinein
mitsamt den Fettaugen
aus dem Fruchtfleisch der Zeit
im stoischen Blick die Caesaren fett
hinter den Mauern
fleurs du malheur seit hundert Jahren
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 2.
Lyrik und Valenzverletzung
Welche Auffälligkeiten
bezüglich der Valenz
zeigen sich?
Lyrik und Valenzverletzung
Syntaktische Valenz
1. Problem: Verbunabhängige Unzulässigkeit von Valenzrahmen
a.
b.
c.
d.
e.
f.
sie hat verkauft
sie hat den Porsche verkauft
sie hat an ihren Freund verkauft
sie hat den Porsche an ihren Freund verkauft
*sie hat ihrem Freund verkauft
sie hat ihrem Freund den Porsche verkauft
NPNom
OK
NPNom, NPAkk
OK
NPNom, PPan
OK
Nom
Akk
an
NP , NP , PP
OK
NPNom, NPDat
*
NPNom, NPAkk, NPDat OK
Die Realisierbarkeit bestimmter Ergänzungen hängt auch von allgemeinen
Beschränkungen für Valenzrahmen ab.
Starke Tendenz im Deutschen: [NPNom, NPDat] ist nicht zulässig, wenn der
Dativreferent die Rolle Patiens, Rezipient oder
a. *sie schickt ihm
Benefaktiv innehat.
b. *sie spült ihm
b. sie folgt ihm
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 4.
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Syntaktische Valenz
Syntaktische Valenz
2. Problem: Formale Unspezifiziertheit von Ergänzungen
a.
b.
c.
d.
e.
f.
das Haus liegt am See
das Haus liegt da hinten
das Haus liegt in einer Talsenke
das Haus liegt sehr schön
*das Haus liegt
*das Haus liegt in eine Talsenke
NPNom,
PPan-Dat
NPNom, AdvP-Lok
NPNom, PPin-Dat
NPNom, AdvP-Qual
NPNom
NPNom, PPin-Akk
3. Problem: Lesartenabhängigkeit von Valenzrahmen
OK
OK
OK
OK
*
*
Bestimmte Satzglieder können vom Verb gefordert sein, ohne dass das Verb die
Form der Ergänzung bestimmt.
Das Verb liegen verlangt (in dieser Lesart) eine Ergänzung,
die eine lokale oder qualitative Aussage beinhaltet. Die Form
dieser Ergänzung ergibt sich aus allgemeinen Regeln, z. B.
dass lokale Ergänzungen im Deutschen durch Adverbien
oder PPs mit Dativkomplement ausgedrückt werden.
liegen
SYN-VAL:
NPNom, ∅
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 5.
Syntaktische Valenz
a. *sie stellte das Buch
b. sie stellte das Buch ins Regal
c. *sie stellte ihm das Buch
NPNom, NPAkk
NPNom, NPAkk, ∅ [Dir]
NPNom, NPAkk, NPDat
*
a. sie stellten den Dieb
b. *sie stellten den Dieb ins Gefängnis
c. ??sie stellten ihm den Dieb
NPNom, NPAkk
NPNom, NPAkk, ∅ [Dir]
NPNom, NPAkk, NPDat
OK
a. sie stellte einen Chauffeur
b. ??sie stellten einen Chauffeur in die Firma
c. sie stellten ihm einen Chauffeur
NPNom, NPAkk
NPNom, NPAkk, ∅ [Dir]
NPNom, NPAkk, NPDat
OK
OK
*
*
??
??
OK
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 6.
Syntaktische Valenz
Viele Verben verfügen über eine Reihe von Lesarten. Valenzrahmen sind im
Allgemeinen gültig für bestimmte Lesarten eines Verbs. Valenzanalysen setzen
also auch eine Analyse der Polysemiestruktur von Lexemen voraus.
a. *sie stellte das Buch
b. sie stellte das Buch ins Regal
c. *sie stellte ihm das Buch
stellen 1. (an eine bestimmte
a. sie stellten den Dieb
b. *sie stellten den Dieb ins Gefängnis
c. ??sie stellten ihm den Dieb
stellen 2. (zum Stehenbleiben
a. sie stellte einen Chauffeur
b. ??sie stellten einen Chauffeur in die Firma
c. sie stellten ihm einen Chauffeur
stellen 3. (zur Verfügung stellen)
Stelle in stehende Haltung bringen)
SYN-VAL: NPNom, NPAkk, ∅ [Dir]
4. Problem: Nicht valenzbedingte Einflüsse auf Form und
Aufretensnotwendigkeit von Ausdrücken
(i) In bestimmten syntaktischen Konstellationen
können oder müssen ansonsten notwendige
Ergänzungen wegfallen (z. B. die Nominativ-NP im
Imperativ)
a. er verflucht seinen Trainer
b. verfluch den Trainer!
verfluchen
SYN-VAL:
NPNom, NPAkk
zwingen)
SYN-VAL: NPNom, NPAkk
SYN-VAL: NPNom, NPAkk,
(NPDat)
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 7.
(ii) Bestimmte syntaktische Prozesse haben Einfluss
auf die Formspezifik (Diathesen wie z. B. das
Passiv)
a. er (x: NPNom) verflucht den Trainer (y: NPAkk)
b. der Trainer (y: NPNom) wurde von ihm (PPvon) verflucht
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 8.
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Syntaktische Valenz
Wie sieht die Valenz von
bitten aus?
a. Ich bat sie nochmals, mir die ganze Veranlassung zu ihrer Reise in die Stadt zu
erzählen und […]. [Brentano: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl]
b. Ich beugt aufs Schwert mein Angesicht / Und bat dich frevelhaft um Frieden
[…]. [Eichendorff: Gedichte, Der Pilger]
c. Seine Hoheit konnten gar ohne mich nicht leben und baten mich jeden Mittag
und Abend bei sich zum Essen. [Bürger: Münchhausen]
d. Er schlug ihr noch allerlei andres vor, aber Lene bat, auf ihr Zimmer gehn zu
dürfen, »wenn er dann komme, sei sie wieder munter. […]« [Fontane: Irrungen,
Wirrungen]
e. Er mußte die Gesellschaft zuweilen zu sich bitten, wie es ein jeder tat […].
[Moritz: Anton Reiser]
f. Auch Bauern kamen zu verschiedenen Zeiten und baten, daß sie die Rosen
anschauen dürfen. [Stifter: Der Nachsommer]
g. Manche Schuldner baten um Aufschub, manche waren unhöflich, manche
leugneten. [Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre]
h. War er damit durch, so bat er Effi, daß sie was spiele, aus »Lohengrin« oder
aus der »Walküre«, denn er war ein Wagner-Schwärmer. [Fontane: Effi Briest]
HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 8. Sitzung, Folie 9.
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