Charakterisierung von Segmentierungen durch Werteorientierungen in Marketing, Vertrieb und Kommunikation Bernhard Keller Mark Lammers erschienen in: Handbuch Zielgruppenmanagement S. Duttenhöfer, B. Keller, S. Vomhoff (Hrsg.) Fritz Knapp Verlag GmbH, Frankfurt 2009 Charakterisierung von Segmentierungen durch Werteorientierungen in Marketing, Vertrieb und Kommunikation von Bernhard Keller und Mark Lammers 1 Einleitung: Segmentorientierte Kommunikation 2 Segmentierungen heute 2.1 Fluch und Segen der Umsetzung klassischer Segmentierungen 2.2 Verhaltensdaten 2.3 Psychografische Daten 3 Semiometrie – Nutzen individueller Werteorientierungsinformationen 3.1 Anreicherung von Segmentierungen durch Werteorientierungen 3.2 Halte- und Gewinnungsmarketing 3.3 Die optimale Ansprache 3.3.1 Mailingaktionen 3.3.2 Medienumfelder 3.3.3 Der Einsatz von Testimonials 4 Kunden werteorientiert ansprechen 4.1 Wie sind die Kundensegmente anzusprechen? 4.2 Zukünftig wird die wertegerichtete Kommunikation dominieren 5 Ausblick 1 Einleitung: Segmentorientierte Kommunikation Segmentierungen haben sich längst als wichtiges Marketinginstrument etabliert. Unter den Finanzdienstleistern gibt es keine Institute, die ihre Zielgruppenansprache nicht mit Hilfe von Segmentierungen optimieren. Wenn es jedoch um die Umsetzung und die zielgruppenadäquate Ansprache und Kommunikation geht, scheitern manche der Ansätze an praktischen Hürden. Zuweilen scheinen Marketing-Abteilungen der Medienagentur die Zielgruppenkommunikation zu überlassen, frei nach dem Motto: „Die Werbung wird’s schon richten“. Umso größer ist der Bedarf für Segmentierungen, die es von vornherein zulassen, die Zielgruppen in deren eigener Sprache für Kommunikationsmaßnahmen zu gewinnen. 120 Bernhard Keller und Mark Lammers Fragt man in einer Marketingleiterrunde nach einem bildhaften Vergleich von Segmentierungen, so kommt schnell die Vorstellung von einem Schrank mit vielen Schubladen auf. Der Schrank ist der gesamte Kundenbestand und in den Schubladen tummeln sich die Kunden. Diese Individuen sind nach bestimmten Ordnungskriterien in die Schubladen sortiert. Je nach Anspracheanlass zieht man nun einmal die oberste und ein andermal die unterste Schublade auf. Da die Schubladen selbst eingerichtet wurden, kennt man sich gut aus und findet sofort die „richtigen“ Kunden. Segmentierungen sind teilweise recht einfach, wenn zum Beispiel nach Altersgruppen oder Geschlecht, nach Einkommensgruppen oder Nutzern unterschieden wird. Diese Schubladenbildung begegnet uns im Alltag in Form von Stereotypen. Wie wir aus der psychologischen Forschung wissen, sind Stereotypen ein Geniestreich der Evolution – so müssen Menschen nicht jedes Mal, wenn sie einen unbekannten Menschen treffen, von vorne anfangen und jede Charaktereigenschaft von neuem abwägen, um Freund von Feind zu unterscheiden. Das Problem ist: Mit Stereotypen laufen wir auch Gefahr, Fehleinschätzungen vorzunehmen und davor sind auch Unternehmen, die mit Segmentierungen arbeiten, nicht gefeit. Denn: Sind die Kunden in einer Schublade bekannt, ist das Arbeitsergebnis einer Segmentierung zunächst einmal eine Adressliste, bei der der Vertrieb anschließend entscheidet, wer angesprochen wird und wer nicht. Im Endeffekt bleibt von den Erwartungen an eine effiziente Segmentierung wenig übrig, weil sich die Form der Kommunikation nicht aus der Segmentierung ergibt. Dabei ist klar, dass beispielsweise 18- bis 20-Jährige nicht notwendigerweise die gleichen Interessen teilen, nur weil sie gleichen Alters sind1. Auch die Verwender oder Nutzer eines Produktes wie beispielsweise eines Aktienfonds zerfallen in Subgruppen, wenn ihre Investitionsmotivationen hinterfragt werden. Die eine Gruppe mit Aktien-Affinität ist aber vielleicht vorwiegend erlebnisorientiert, während eine andere Gruppe deutlich rational positioniert ist. Die Motive, die hinter den Werteorientierungen liegen und mit dem Interesse für Aktienfonds zusammenhängen, können sich also deutlich unterscheiden, auch wenn sich die KaufVerhaltensweisen, die die Zielgruppen an den Tag legen, stark ähneln. 2 Segmentierungen heute 2.1. Fluch und Segen der Umsetzung klassischer Segmentierungen Mit Segmentierungen gelingt es, homogene Zielgruppen zu bilden und die Erkenntnisse daraus auf den Kundenbestand anzuwenden. Wie oben bereits angerissen, ist die praktische Umsetzung der Segmentierung schon ein Stück weit schwieriger. Und damit sind nicht die sich zwangsläufig ergebenden Unschärfen bei der Segmentierung des Datenbestands gemeint. So können wir möglicherweise die Einstellungen und Verhaltensweisen von Menschen beschreiben, Segmente bestimmen und ihnen bildhafte Namen geben. Zusätzlich kennen wir vielleicht noch den Produktbedarf – zum Beispiel Tagesgelder mit hoher Fle1 Vgl. dazu die Beiträge von Ladewig und Braner einerseits und Knopp andererseits in diesem Band Werteorientierte Kundensegmentierung 121 xibilität oder ein Online-Konto mit kostenfreier Bargeldabhebung im Ausland. Trotzdem fehlt dem Marketingleiter wie auch dem Vertriebsmitarbeiter an dieser Stelle häufig noch das richtige Werkzeug bei der Ansprache der Zielgruppe. Der Marketingleiter vermisst eine Antwort auf die Frage, wie er mit dem Segment kommunizieren soll. Für den Vertriebsmitarbeiter werfen sich Fragen auf wie zum Beispiel „Wie hilft mir die Segmentierung dabei, eine Zielgruppe zu erkennen?“ und „Wie komme ich mit der Zielgruppe ins Gespräch?“. Hier verblassen oft die griffig gewählten Segmentbeschreibungen. Daran scheitern auch handwerklich einwandfrei durchgeführte Segmentierungen. Ein weiteres praktisches Problem ist die mangelnde Differenzierung der Kundenansprache. Egal, für welche Marketing- oder Mailingaktion Adressen ausgewählt werden – es trifft häufig die gleichen Personen, die für verschiedenste Themen als „interessante Kunden“ im Fokus stehen. Der Kunde ist letztlich von der Anspracheflut genervt und ist immer schwerer zu erreichen. Was die Personen in einem Segment verbindet und warum die potenziellen Ansprechpartner in ein Segment fallen, bleibt für den Mitarbeiter, der mit einer Segmentierung arbeitet, letztlich ein Buch mit sieben Siegeln. Das ist kein Wunder, schließlich werden Kundendaten in einer Segmentierung auf Basis von Zuordnungswahrscheinlichkeiten dem einen oder anderen Segment zugerechnet und das sind komplexere Zuordnungen als Einteilungen nach soziodemografischen, trennscharfen Merkmalen wie Alter oder Geschlecht. In der Finanzforschung werden Segmentierungen genutzt, um Menschen mit gemeinsamem Hintergrund (Einkommen, Kapitalvermögen, soziale Lage, Zukunftszeitraum), gleichen Interessen und Wünschen (Bausparer, Kfz-Versicherungsnehmer) beziehungsweise gleichen Wertvorstellungen (konservative Anleger, hedonistische Genießer) zu Gruppen zusammenzufassen. Zunehmend werden die einfachen - weil augenscheinlichen - Gruppenzugehörigkeiten, die aus soziodemografischen Daten abgeleitet werden, ergänzt oder gar abgelöst. Ein Beispiel zeigt, wie problematisch einfache soziodemographische Segmentierungen sind: Mick Jagger und Josef Ackermann teilen eine Reihe von soziodemographischen Merkmalen. Beide sind männlich, über 60 Jahre alt, Familienvater, verfügen über 30 Jahre Berufserfahrung, sind Hauseigentümer, haben ein jährliches Einkommen von über zehn Millionen Euro und besitzen Vermögenswerte von über 100 Millionen. Euro. Eine einfache Segmentierung würde daher beide mit hoher Wahrscheinlichkeit in „eine Schublade stecken“. Dennoch muss an dieser Stelle kritisch hinterfragt werden, ob sie beide den gleichen Erfahrungshorizont, die gleichen Werte und gleiche kommunikative Präferenzen teilen. Eine einfache Segmentierung greift hier augenscheinlich zu kurz. Es treten deshalb an Stelle einfacher Segmentierungs-Merkmale immer stärker Informationen über die Produktnutzung, innere Dispositionen oder Überzeugungen. Einfache Kriterien wie zum Beispiel Geschlecht ergeben sich aus dem Augenschein oder liegen aufgrund juristischer Regeln im Bank-Kunden-Verhältnis vor, wie zum Beispiel Alter, Wohnort und Einkommen, oder werden automatisch erfasst aufgrund von Nutzungsdaten, zum Beispiel Girokontoinhaber, Aktienbesitz. Dagegen stammen Verhaltens- und Einstellungsdaten aus der Beobachtung von Prozessen wie Transaktionen oder aus dem Kundenkontakt und darüber hinaus aus Befragungen. 122 2.2 Bernhard Keller und Mark Lammers Verhaltensdaten Um das Problem starrer „Schubladen“ einfacher Segmentierungen aufzulösen, werden Ansprache- und Anspracheerfolgsdaten (beispielsweise Responsedaten) mit vorhandenen Kundendaten kombiniert. Mit dem Aufbau von CRM-Abteilungen und dem Einzug von Mathematik und Statistik haben die Finanzdienstleister begonnen, die Transaktionsdaten ihrer Kunden als Reaktion auf die zuvor erfolgten Kampagnen als Segmentierungskriterien zu nutzen2. Diese Vorgehensweise erlaubt die Zuschlüsselung von Informationen auf der individuellen Ebene. Es werden auch externe Daten mit Kundenstammdaten auf der aggregierten Ebene von Gruppen kombiniert, um auf diese Weise Verhalten und eigene Daten als Prognoseinstrument zu nutzen3. Auch für die Identifikation von Kundenpotenzialen außerhalb des Kundenstamms wurden eigene Instrumente entwickelt4. Was ihnen allen fehlt, sind die Kommunikationsinhalte, die auf die Werteorientierungen der Kunden passen. Mit anderen Worten: Personen, die „international“ orientiert sind, „traditionell“ veranlagt und für die „klassische Musik“ etwas schönes ist, lassen sich mit Bildern von der MET möglicherweise besonders positiv ansprechen. 2.3 Psychografische Daten Neben den Analysen aus der Kombination von Kundenbestandsdaten und Befragungsdaten wurden in den letzten Jahren zunehmend nicht nur Verhaltens- und Einstellungsdaten, sondern auch psychografische Daten genutzt, um Kundensegmentierungen zusätzlich mit Werteorientierungen anzureichern. Die frühesten Untersuchungen stammen vom Sinus-Institut, heute SinusSociovision, das schon in den achtziger Jahren den Milieuansatz eingeführt hat. Seit den neunziger Jahren sind auch GIM (Gesellschaft für Innovative Marktforschung) mit dem Galaxie-Ansatz5 und TNS Emnid / TNS Infratest mit dem Semiometrie-Ansatz im Markt vertreten. Sehr offensiv werden alle drei Ansätze in der Konsumgüterindustrie eingesetzt6, in der Finanzforschung werden die Ansätze kaum öffentlich gemacht, auch wenn einige Finanzdienstleister intensiv damit arbeiten. GIM hat mit der gewählten Vorgehensweise einen neuen und eher ungewöhnlichen Weg eingeschlagen7. Der Datenerhebungsprozess ist dreiphasig: In der ersten Phase werden Statement-Batterien genutzt, um Werteorientierungen und Wohnlage, Einrichtung, Kleidung und Markenpräferenzen zu erheben. Auf diese Weise lassen sich Ziel2 Vgl. dazu den Beitrag von Schmidberger & Babiuch-Schulze in diesem Band Vgl. dazu die Beiträge von Gebauer und Hauck & Tröstrum in diesem Band 4 Vgl. dazu den Beitrag von Adlung & Lohse in diesem Band 5 Vgl. ausführlich: Kampik, Wilhelm / Teuber, Stephan: GIM Values. Analyse des Wertesystems zwischen Marke und Konsument für eine zeitgemäße zielgruppenrelevante Markenführung, in: Schimansky, Alexander (Hrsg.): Der Wert der Marke, München, 2004 6 Zur praktischen Umsetzung der Ansätze siehe auch: Allgayer, Florian: Zielgruppen finden und gewinnen. Wie Sie sich in die Welt Ihrer Kunden versetzen, Landsberg, 2007 7 Die folgenden Ausführungen entstammen: Kampik, Wilhelm: Konsumfacetten im Blick, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 3 Werteorientierte Kundensegmentierung 123 gruppenrepräsentanten rekrutieren, die dann in der zweiten Phase zu Hause von einem Interviewer und einem Kameramann besucht und befragt werden. In der dritten Phase werden diese Probanden auf einer Einkaufstour begleitet. In ihren Analysen haben die GIM-Forscher ein Werteset mit sechs Werten für ihre zwölf unterschiedlichen Zielgruppen ermittelt. Innerhalb dieser Zielgruppen sind die sechs Werte deutlich unterschiedlich ausgebildet. Die Zielgruppen selbst können einander sehr nahe sein und doch sehr unterschiedlich wirken, wie die Visualisierung der Zielgruppenpositionierungen in einer „Trendgalaxie“ zeigt8. GIM erhebt nicht den Anspruch, mit den Zielgruppen das „Gesamtbild der Gesellschaft“ abzubilden. Die von SinusSociovision entwickelten Sinus-Milieus beinhalten Lebenswelten, Lebensstile, Präferenzen und Werteorientierungen von Konsumenten. Die Forscher haben 45 verschiedene Items analysiert, die in jede Befragung geschaltet werden können. Über die Ergebnisverrechnung wird ein sogenannter Milieu-Indikator gebildet, mit dem Personen den einzelnen Milieus zugeordnet werden. Im Fokus steht immer ein Milieu, also ein Aggregat an befragten Personen und nicht das einzelne Individuum mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Alle Aussagen betreffen immer das Milieu, an dessen Rändern oder Übergängen zu anderen Milieus sich die „Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“9 deutlich bemerkbar macht. Folglich sind die Grenzen nicht klar umrissen, sondern fließend. Die Milieus werden auf zwei Achsen abgebildet: die soziale Lage einerseits, in die Variablen wie zum Beispiel Einkommen, Bildung und Beruf einfließen, und andererseits die Grundorientierung, die von Inhalten wie zum Beispiel Alltagsbewusstsein, Lebensstil oder Lebensziele beschrieben wird10. Die Milieuskala ist dreistufig. Je weiter oben ein Milieu beschrieben ist, desto gehobener sind die damit verbundenen Merkmale Bildung, Einkommen und Berufsgruppe der Milieuangehörigen. Je weiter rechts ein Milieu platziert ist, desto weniger traditionell ist die Grundorientierung des betreffenden Milieus. Insgesamt werden zehn unterschiedliche Milieus ausgewiesen, die jeweils einen unterschiedlich starken Anteil an der Gesamtgesellschaft haben. Das kleinste Milieu wird von den Konservativen gebildet, sein Anteil beträgt fünf Prozent. Den größten Anteil nimmt die bürgerliche Mitte mit 16 Prozent ein. Das Semiometrie-Modell hingegen baut auf zeichentheoretischen und kognitionspsychologischen Erkenntnissen auf11. Über die affektive Bewertung von Begriffen, die den 8 Vgl. Fraunberg, Anja von / Allgayer, Florian: Per Zielgruppe durch die Galaxie, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 9 Vgl. Schipperges, Michael: Milieus als Gruppen „Gleichgesinnter“, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006, Seite 12 10 Vgl. Schipperges, Michael / Plöger, Wolfgang / Mayr, Martin: Die Sinus-Milieus, in: Duttenhöfer, Stephan / Keller, Bernhard / Braun, Uwe / Rossa, Henning (Hrsg.): Handbuch Kommunikationsmanagement, Frankfurt, 2005, Seite 87 11 Vgl. dazu Deutsch, Emeric: Sémiomètrie: une nouvelle aproche de positionnement et de segmentation, in: Revue Française du Marketing, Vol. 5, 1989, Seite 5-16; Steiner, Jean-Francois. / Ludovic, Lebart / Piron, Marie:, La Sémiomètrie, Paris, 2003 124 Bernhard Keller und Mark Lammers menschlichen Erlebnisraum abbilden12, werden die Werteorientierungen skizziert, wie zum Beispiel Bezeichnungen für Objekte wie Blume oder Parfum, Eigenschaften wie materiell oder edel, Tätigkeiten, Gefühle und kulturelle Konzepte „Regel“, „Abenteuer“. Die Grundannahme ist dabei, dass der Handlungs- und Erlebnisraum eines Menschen in der Sprache repräsentiert ist13. Jeder Begriff ist mit einer subjektiven, erfahrungsbasierten Vorstellung verbunden, die kognitive und emotionale Komponenten enthält14. Über verschiedene Analysen werden 14 Wertefelder ermittelt15. Aus Überoder Unterbewertungen der einzelnen Begriffe im Vergleich zur durchschnittlichen Begriffsbewertung in der Grundgesamtheit ergibt sich ein spezifisches „Werteprofil“ auf individueller Basis. Überbewertungen deuten auf eher positive Reaktionen auf die Begriffe und die damit verbundenen Bilder hin, Unterbewertungen auf eher negative Assoziationen. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel, wie das gesprochene Wort beziehungsweise wie Botschaften gezielt mit Werten unterlegt werden, bot der amerikanische Wahlkampf um die Präsidentschaft zwischen Barack Obama und John McCain. Das „Semtracks“Projekt16 von Noah Bubenhofer, Martin Klimke und Joachim Scharloth, das mit statistischen Verfahren wie zum Beispiel Text Mining die automatische Analyse von Texten vorantreibt, befasste sich unter dem Titel „A Semantic Matrix Analysis“ unter anderem mit der Besetzung des Begriffs „Change“17. Dabei verglichen die drei Wissenschaftler Reden der Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain. Die Kontexte, in denen vom „Wandel“ die Rede war, wurden dabei sprachwissenschaftlich nach statistischen Zusammenhängen untersucht. Neben Begriffen, die sich bei beiden gleichermaßen rund um den Wortgebrauch von „Change“ kreisen, gibt es auch Begriffe, in denen sich der Sprachgebrauch der beiden Präsidentschaftskandidaten signifikant voneinander unterscheidet. So bezog McCain stärker Arbeitsplätze und das politische Umfeld ein. „Wandel“ bei McCain bezieht sich demnach stärker auf Reformen im politischen System. Bei Obama treten dagegen stärkere Konnotationen rund um nationale Umwälzungen und deren internationale Auswirkungen zutage. Die tiefergehenden Analysen der Bedeutungszusammenhänge von „Change“ geben bei McCain klare Zielrichtungen an und besetzen republikanische Themen wie „Wirtschaft“, „Militär“ und das „politische 12 Ausführlich in Petras, André / Samland, Wolfgang: Soziodemographie und Psychographie, in planung & analyse, Heft 4, 2001, Seite 22-27 13 Grundsätzlich dazu Deutsch, Emeric: Sémiomètrie: une nouvelle aproche de positionnement et de segmentation, in: Revue Française du Marketing, Vol. 5, 1989, Seite 5-16; Steiner, Jean-Francois. / Ludovic, Lebart / Piron, Marie: La Sémiomètrie, Paris, 2003 14 Petras, André / Samland, Wolfgang: Soziodemographie und Psychographie, in planung & analyse, Heft 4, 2001, Seite 23 15 Über eine Faktorenanalyse werden die beiden Achsen mit den Polen „Sozialität – Individualität“ und „Pflicht – Lebensfreude“ ermittelt, durch eine Achsenrotation wird ein sogenanntes semiometrisches „Basismapping“ mit den 210 Begriffen aufgespannt. Mit einer zusätzlichen Faktorenanalyse werden die Wertefelder bestimmt. Siehe Petras, André: Die Befindlichkeit der Konsumenten erforschen, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006, Seite 90-91 16 Bubenhofer, Noah / Klimke, Martin / Scharloth, Joachim: www.scharloth.com/cgibin/poltracker/poltracker.pl?metainfo=1&metaindex=1, Stand: 20.11.2008 17 Bubenhofer, Noah / Klimke, Martin / Scharloth, Joachim: „The many meanings of ‘change’. How McCain and Obama talk about transforming America.”, http://www.scharloth.com/cgibin/poltracker/poltracker.pl?textid=7, Stand: 20.11.2008 Werteorientierte Kundensegmentierung 125 System und seine Werte“. Obama verweist sprachlich auf „Washington“ und verbindet damit bewusst negative Assoziationen wie zum Beispiel „Lobbyisten“ oder „Spiel“. Damit unterlegt er „Change“ mit einem ganz anderen Wertekanon als McCain. Zugleich ist „Change“ bei Obama deutlich breiter angelegt als bei McCain, der sich stärker auf die oben genannten republikanisch besetzten Themen fokussiert, wie die Wissenschaftler mit ihren Analysen nachweisen. Obama reißt neben Themen der nationalen Sicherheit auch Aspekte wie den Umgang mit Ressourcen („Energie“) an und verbindet auch die Führungsrolle der USA damit. Dieses Forschungsbeispiel demonstriert, wie eng Worte mit Werten verbunden sind und wie der Wortgebrauch darin unterstützt, Menschen oder wie in diesem Fall Wähler unterschiedlicher Lager, das heißt verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Werten, anzusprechen und zu „aktivieren“. 3 Semiometrie – Nutzen individueller Werteorientierungsinformationen Der unmittelbare Personenbezug und die indirekte Messung von Wertehaltungen zeichnen den semiometrischen Ansatz aus. Neben psychografischen Angaben werden Verhaltens- und Einstellungsdaten sowie Print- und TV-Nutzungsdaten erhoben. Durch die Verarbeitung von individuellen Datensätzen können auch kommunikations- und einstellungsrelevante Informationen auf individueller Ebene ausgewertet werden. Weiterer Vorteil: Dadurch, dass individuelle Werteprofile vorliegen, können die Informationen aus den semiometrischen Analysen quasi jeder Zielgruppendefinition „zugespielt“ werden. Die Nutzung der Semiometrie erlaubt Analysen in vielfältige Richtungen, je nach Fragestellung von Marketing, Kommunikation und Vertrieb: 1. Wie setzt sich eigentlich die Zielgruppe zusammen? (siehe Punkt 3.1) o Über die Analyse der Begriffsbewertungen können die Werteorientierungen von Menschen charakterisiert und die Werteorientierungen von Gruppen oder Segmenten abgebildet werden o Es können Gruppen gleicher soziodemografischer Zugehörigkeiten gebildet werden, um deren Werteorientierungen zu analysieren18 o Es können Gruppen von Produktnutzern oder Markenfans über den Markenfünfklang19 gebildet werden, um die spezifischen Werteorientierungen von Kunden darzustellen20 18 Stellvertretend für Senioren und die Subgruppen unter den Senioren siehe Keller, Bernhard: Banking: Einstellungen und Verhalten der Best Ager, in Gerstner, Reinhard / Hunke, Guido (Hrsg.) 55plus Marketing, Stuttgart 2006, Seite 55-67 19 Der Markenfünfklang besteht aus: Marke ist bekannt, Marke kommt bei Auswahl in Frage, Marke wird mindestens gelegentlich genutzt, Marke ist Hauptmarke, Marke ist sympathisch 20 Vgl. Griese, Ursula, Keller, Bernhard, Krüger, Stephan Krüger: Haltemarketing: Kundenbindung und Wertedimensionen bei Sparkassenkunden, in: s-markt, Juli 2000 126 Bernhard Keller und Mark Lammers 2. Liegt das Kommunikationsziel eher im Halte- oder im Gewinnungsmarketing? (siehe Punkt 3.2) o Analysen der Kundenbindung erlauben, das Haltemarketing zu unterstützen o Die Messung der Wechselbereitschaft ermöglicht Rückschlüsse auf das Akquisitionspotential für das Gewinnungsmarketing 3. Wie kann die Zielgruppe optimal angesprochen werden? (siehe Punkt 3.3) o Welche Bilder und Wörter werden von der Zielgruppe eher positiv aufgenommen, welche negativ? o Welche Media-Umfelder sind für die Zielgruppe besonders geeignet – und wo ist die Zielgruppe nicht zu finden? o Welche Testimonials passen besonders gut zur Zielgruppe? 3.1 Anreicherung von Segmentierungen durch Werteorientierungen Menschen gleichen Alters, gleicher Bildung, gleichen Einkommens, gleichen Familienstandes und gleicher Berufe können sehr verschiedene Werteorientierungen in sich tragen21, wie auch der oben genannte Jagger-Ackermann-Vergleich zeigt. Sollen diese Menschen nun mit Texten und Bildern adressiert werden, so ist für die Kommunikation unerlässlich, genau zu wissen, welche Bilder und Wörter eher positive oder eher negative Assoziationen wecken. Je nach Werteorientierung der Individuen lösen Begriffe, Bilder und Themen mal positive, mal negative Assoziationen aus. Zeigt ein Proband für zusammenhängende Begrifflichkeiten ähnliche Bewertungen, kann er damit individuell innerhalb eines Werteraums eingeordnet werden. Jeder Proband kann eine unterschiedliche Zahl an Werteorientierungen in unterschiedlicher Intensität aufweisen. Wie die Grafik unten zeigt, repräsentieren die Ergebnisse aus der Semiometrie einen Werteraum aus unterschiedlichen Wertefeldern, die jeweils individuell überdurchschnittlich oder unterdurchschnittlich stark besetzt sind. 21 Vgl. stellvertretend für die 14 Gruppen den Artikel zu den „Lustorientierten“: Fischer, Raoul: Leben aus dem Jetzt, media & marketing 6, 2003, Seite 52ff Werteorientierte Kundensegmentierung 127 Abbildung 1 Interpretationshilfe: Semiometrische Wertefelder 14 Wertefelder à 10 Begriffe W ertefelder Begriffe familiär Kindheit, Familie, Heirat, m ütterlich, G eburt, Mut, Friede, bauen, Haus, G erechtigkeit sozial Fröhlichkeit, ehrlich, heilen, Treue, lachen, Humor, Blum e, Zuneigung, miteinander, Vertrauen religiös Gott, Glaube, heilig, Priester, Schöpfer, Seele, barmherzig, demütig, Besinnung, ewig materiell Reichtum, G old, G eld, erben, Eigentum , Ruhm, Schmuckstück, edel, wertvoll, Eleganz verträumt Ozean, Wasser, schwimm en, Insel, Mond, Strom, Baum , blau, Tier, Spiel lustorientiert Sexuelle, intim, verführen, lustvoll, Nacktheit, Verlangen, Zärtlichkeit, männlich, sinnlich, Liebkosung erlebnisorientiert hochklettern, Berg, Gipfel, W üste, Anstrengung, Abenteuer, wild, G eschwindigkeit, Feuer, Herausforderung kulturell Kunst, Theater, Poesie, Buch, schreiben, Präzision, Zeremonie, Musik, Leichtigkeit, souverän rational Forscher, Erfinder, W issenschaft, Erbauer, Industrie, Handel, produzieren, unterrichten, konkret, Logik kritisch Misstrauen, Zweifel, Fehler, Angst, Leere, Gefahr, Schrei, kritisieren, Aufstand, Distanz dom inant beherrschen, Macht, befehlen, strafen, verbieten, erobern, absolut, gehorchen, eigenwillig, Ironie kämpferisch Soldat, G ewehr, Krieg, Jagd, Rüstung, angreifen, Mauer, Flucht, Sieg, Elite pflichtbew usst Disziplin, G esetz, Respekt, sparen, Regel, G eduld, Schule, Arbeit, Bescheidenheit, tüchtig traditionsverbunden Ehre, Vollkommenheit, Vaterland, Moral, Standhaftigkeit, Tradition, Unendliche, Held, Kühnheit, Vorsicht Quelle: TNS Infratest Abbildung 2 Individualisierte Werteorientierungen familiär sozial Gerda Bernd +++ + - - + ++ Ingrid religiös materiell verträumt lustorientiert erlebnisorientiert kulturell rational - + +++ -- Paul +++ -----++ kritisch dominant kämpferisch pflichtbewusst traditionsverbunden Quelle: TNS Infratest --+++ ++ + + +++ + +++ ++ ++ 128 Bernhard Keller und Mark Lammers Aus den bisherigen semiometrischen Analysen wissen wir beispielsweise für den Finanzmarkt, dass die Kunden der verschiedenen Banken deutlich voneinander unterscheidbare Werteorientierungen aufweisen22. 3.2 Halte- und Gewinnungsmarketing Fraglich ist, ob ein Finanzdienstleister wie beispielsweise eine Bausparkasse seine Bestandskunden wie auch seine potenziellen Kunden mit den gleichen Kommunikationsinhalten adressieren kann. Passen gegenwärtig adressierbare, aber nur grob über Alter und Nutzung definierte Zielgruppen (älter als 16, kein Bausparvertrag) zu den bestehenden Kunden – weisen sie die gleichen Werteorientierungen auf? Oder kann es passieren, dass die für Nichtkunden notwendigen Kommunikationsinhalte nicht mit den Werteorientierungen der Bestandskunden harmonieren? Für die Bausparkassen gilt: Sie haben eine spezifisch eigene Klientel, die Werteorientierungen unterscheiden sich deutlich. Entsprechend differenziert sollte die Bestandskundenkommunikation ausfallen. Abbildung 3 Quelle: TNS Infratest Die potenziellen Kunden der Bausparkassen dagegen zeigen deutlich andere Werteorientierungen. Sie konzentrieren sich auf die positiv besetzten Dimensionen verträumt, 22 Vgl. dazu Keller, Bernhard: Keine Lust auf Partnertausch, w&v 11, 2000, S. 132-134 und die im Folgenden angeführten Verweise Werteorientierte Kundensegmentierung 129 lustorientiert, erlebnisorientiert und in Teilen auf die eher negativ besetzte Dimension traditionsverbunden und pflichtbewusst.23 Die dargestellte Zuordnung der potenziellen Neukunden zu einzelnen Anbietern erfolgt dabei auf Grundlage des Relevant Set, also den Anbietern, die für die potenziellen Neukunden am ehesten in den Sinn kommen. Abbildung 4 Quelle: TNS Infratest Die Ansprache potenzieller Neukunden mit deren eigenen Werteorientierungen weicht in einzelnen Dimensionen von den Werteorientierungen der Bestandskunden ab, so bei der LBS zum Beispiel in den Feldern familiär, traditionsverbunden und erlebnisorientiert. Schwieriger wird die Kommunikation, wenn innerhalb der eigenen Kunden spezielle Kommunikationsinhalte für gebundene Kunden und für wechselgefährdete Kunden erstellt werden müssen – was bei den meisten Banken der Fall ist. So zeigen wechselbereite Sparkassen- oder Genossenschaftsbankkunden Werteorientierungen, die deutlich von denen der gebundenen Kunden abweichen24. 23 Vgl. ausführlich in Petras, André / Bazil,Vazrik: Wie die Marke zur Zielgruppe kommt, Wiesbaden, 2008, Seite 120-126 24 Vgl. Keller, Bernhard: Schlüsselfaktor Kundenbindung, Marketing intern 1, 2001, Seite 29-40; Griese, Ursula / Keller, Bernhard / Krüger, Stephan: Haltemarketing: Kundenbindung und Wertedimensionen bei Sparkassenkunden, s-markt 4, 2000, Seite 8-10; Keller, Bernhard / Lerch, Sabine / Matzke, Sandro: Kundenbindung und Wechselbereitschaft, Die Bank 6, 2000, Seite 276-281 130 Bernhard Keller und Mark Lammers Wenn mit Aktivitäten auf die Gewinnung von Nebenbankverbindungen abgezielt wird, also konkret Kunden der Wettbewerber angesprochen werden sollen, dann müssen diese Kunden mit den Inhalten adressiert werden, die ihren Werteorientierungen sehr nahe kommen. Anders dagegen müssen die Aktivitäten gestaltet werden, die auf Rückgewinnung abzielen, also auf jene speziellen Produktnutzer, die das Produkt nicht bei ihrer Hauptbank, sondern bei einem anderen Institut nutzen. Wie sehen die Werteorientierungen dieser „Fremdgeher“ aus, welche Bilder und Wörter werden von ihnen eher positiv aufgenommen? Die Grundfrage bleibt immer: Wie muss die Ansprache aussehen, um von einer Zielgruppe überhaupt wahr- und dann noch positiv aufgenommen zu werden? 3.3 Die optimale Ansprache Die genaue Kenntnis der Werteorientierungen hilft einerseits, die für die bereits definierte und nun anvisierte Zielgruppe geeigneten Inhalte (Bilder, Worte) zu suchen. Andererseits ermöglichen semiometrische Analysen auch, Zielgruppen überhaupt erst abzugrenzen – nämlich über deren Werteorientierungen. So zeigte die Analyse junger Kunden (14 bis 20 Jahre) bislang, dass die Jugend bei den Raiffeisen- und Volksbanken fast die gleichen Werteorientierungen aufweist wie die Jugend bei den übrigen Banken – mit einer Ausnahme: Das Wertefeld „Religiösität“ ist bei den Kunden der R+V-Banken überdurchschnittlich positiv besetzt. Mit anderen Worten: Es ist ein deutliches Unterscheidungskriterium zu den Kunden der Wettbewerber, vor allem zu den Kunden der direkten Sparkassen-Konkurrenz. Die Nutzung von Werteorientierungen für Kommunikationsmaßnahmen erstreckt sich auf alle Felder, wie zum Beispiel Mailingaktionen, Reden, Fernsehwerbung, Printanzeigen und den Einsatz von Testimonials. 3.3.1 Mailingaktionen Eingesetzt werden die Semiometrieanalysen bei Mailings in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird der Charakter von verwendeten Inhalten, Texten, Bildern und Motiven damit auf die Zielgruppenbedürfnisse abgestimmt. Zum anderen wird die Adressselektion mit Hilfe semiometrischer Verfahren optimiert. Die Kooperation mit dem Direktmarketinganbieter AZ Direct (Bertelsmann) ermöglicht es, Adressinformationen mit den 14 semiometrischen Werteprofilen anzureichern25. Das Verfahren SemioSelectTM minimiert Streuverluste, indem psychografische Merkmale bei der Adressauswahl berücksichtigt werden. Dabei geht es nicht nur um Streuverluste durch absolutes Ignorieren von „Werbung“. Vielmehr geht es auch darum sicherzustellen, dass ein Mailing vom Empfänger „richtig“ verstanden wird oder zumindest die nötige Aufmerksamkeit erhält. 25 Die Bandbreite des Semiometrie-Ansatzes wird aufgezeigt in: Petras, André / Bazil, Vazrik: Wie die Marke zur Zielgruppe kommt, Wiesbaden, 2008 Werteorientierte Kundensegmentierung 131 Für die ehemalige Vereins- und Westbank wurden die Werteorientierungen von potenziellen Kunden für Kredite untersucht. Aus vier Gruppen von potenziellen Kunden wurde die Zielgruppe „sehr erlebnisorientiert“ ausgewählt. Vorgabe an die Agentur war, ein Mailingkonzept und die kreative Umsetzung zur Ansprache der Zielgruppe mit dem Ziel der Absatzsteigerung zu entwickeln. Besonders typisch für Personen mit dieser Werteorientierung ist ihr Bedürfnis nach emotionalen Erlebnissen. Sie verbringen ihre Freizeit eher außer Haus mit Freunden. Sie haben eine hedonistische Grundhaltung, bezeichnen sich selbst als Genießer und geben ihr Geld lieber aus, um sich ein schönes Leben zu machen als es zu sparen. Der Anteil der Männer in diesem Segment ist sehr hoch. Die Frage war, wie jemand zu erreichen ist, der das gesellige Leben sucht und genießen will. Die Antwort der Agentur: Abbildung 5 Quelle: TNS Infratest 132 Bernhard Keller und Mark Lammers 3.3.2 Medienumfelder Innerhalb des Semiometriepanels werden auch die Nutzungsgewohnheiten von Printtiteln und Fernsehen erhoben. Die Nutzer verschiedener Printtitel und Fernsehprogramme werden nach ihrer semiometrischen Werteorientierung untersucht, wie in der unten stehenden Abbildung am Beispiel der potenziellen LBS-Neukunden dargestellt. Daraus wird ein Werte-Index errechnet, der ein Media-Ranking erlaubt und umso höher ausfällt, je besser das Medium oder ein Format zur Zielgruppe passt. Auf diese Weise lassen sich einerseits die Zeitungen und Zeitschriften finden, die von der Zielgruppe gelesen werden und die Fernsehsender, Formate und Zeiten, die von der Zielgruppe gesehen werden. Neben diesem Ranking nach einem Werte-Index werden zusätzlich die Nutzungsintensitäten berücksichtigt. Auch hier wird ein Index gebildet, der umso höher ausfällt, je höher die Nutzungsintensität ist. Beide Indikatoren sind für die Bewertung eines Werbeumfelds wichtig und sind in einem Gesamtindex gebündelt – ein schwächerer Werte-Index kann dabei auch durch einen höheren Nutzungsindex kompensiert werden. Im Umkehrschluss lassen sich übrigens mit den dargestellten Rankings auch die Medien oder Formate finden, in denen die Zielgruppe nicht zu finden ist – Investitionen würden dort verpuffen.26 Abbildung 6 Quelle: TNS Infratest 26 Weitere Beispiele siehe Keller, Bernhard / Duttenhöfer, Stephan: Banken-Marketing: Wege zu ertragreichen Kunden der Wettbewerber, absatzwirtschaft 3, 2003, Seite 40-46 Werteorientierte Kundensegmentierung 133 3.3.3 Der Einsatz von Testimonials Die Verbindung einer Marke mit einem Testimonial unterliegt ebenfalls der Prüfung, ob die gesuchte oder definierte Zielgruppe (Kunden, Nichtverwender = Akquisitionspotenzial) dieses als sympathisch bewertet. Je stärker also die von der Zielgruppe überbewerteten Begriffe innerhalb der Wertefelder mit denen der Sympathisanten übereinstimmen, desto besser ist das Testimonial als solches für die Marke geeignet, um als Medium zur Kundenbindung oder zur Kundenakquisition beizutragen. Unten stehende Grafik zeigt dies für den Fit von Mastercard und Jürgen Klinsmann27. Abbildung 8 Promicheck-Analyse (Glaubwürdigkeit) Mastercard/Sparkassen und Klinsmann passen optimal zueinander Klinsmann vs. Mastercard/ Sparkassen Wertefelder: familiär sozial religiös materiell verträumt lustorientiert erlebnisorientiert kulturell rational kritisch dominant kämpferisch pflichtbewusst traditionsverbunden Klinsmann Sympathie ++ + +++ Mastercard/ Sparkassen Hauptmarke Relevant Set +++ +++ + + ++ +++ ++ --- --- --- -- Se hr --+ + Fit = 2,23 Beschreibung von Zielgruppen in Wertefeldern anhand eines Index Systems: + ++ +++ = 2 überbewertete W örter = 3 überbewertete W örter = 4+ überbewertete W örter ---- = 2 Unterbewertete Wörter = 3 Unterbewertete Wörter = 4+ Unterbewertete Wörter * Das Resultat der Fittinganalyse (Wertefeld-basiert) auf einer Skala von 0= kein Fit bis 3 = sehr guter Fit. Basis: Deutschsprachige Bevölkerung 14+, N= 3000, Befragungszeitraum: 2006. gu ter Fit Fit = 2,52 Quelle: TNS Infratest 4 Kunden werteorientiert ansprechen 4.1 Wie sind die Kundensegmente anzusprechen? Eine Segmentierung nützt in der Umsetzung nur dann etwas, wenn das Segmentierungswissen über Interessen, Verhalten und die Situation in der Kundenansprache aktiv genutzt werden kann und bei den angesprochenen Kunden auch etwas auslöst – wenn 27 Bacher, J. / Bergmann, M.: Fußballer profitieren von EM-Euphorie, 2007, Seite 44-49 in: Strahlendorf, Peter (Hrsg.): Jahrbuch Sponsoring 2007, Hamburg 2007 134 Bernhard Keller und Mark Lammers auch nur eine positive Veränderung ihrer Einstellung. Apropos „Kunde“: Bei der Entwicklung einer Segmentierung hat die Marktforschung bis jetzt noch die Rechnung ohne den Wirt gemacht – dem Kunden muss immerhin noch ein Angebot schmackhaft gemacht werden. Und hier macht neben dem Produkt vor allen Dingen der Ton die Musik. Eine Kampagne kann hier schnell baden gehen, wenn der Inhalt von der Zielgruppe nicht verstanden wird, wenn das Produkt nicht zur Zielgruppe passt oder auch wenn die Kommunikation nicht positiv ankommt. Und genau hier liegt der Vorteil der Anreicherung von Segmentkennungen mit Hilfe von semiometrischen Daten und der Schlüssel zur effizienten Marketing-Kommunikation: Sobald die Werteorientierung eines Kundensegments bekannt ist, kann über die Semiometrie auch mehr über die Begriffe und Worte in Erfahrung gebracht werden, mit denen die Lebenswelt der Zielgruppe betreten werden kann. Themen, die von einem Segment signifikant positiv bewertet werden, bieten einen elementaren Zugang zur zielgerichteten Ansprache. Eine semiometrische Untersuchung unter 30 bis 49-Jährigen Motorradfahrern kam zu dem verblüffenden Ergebnis, dass neben dem überdurchschnittlich großen Hang zu Abenteuern und Herausforderungen die Zielgruppe auch durch den Willen zur langfristigen Investition von Geldanlagen beschrieben werden konnte. In der Ansprache kann sie am besten über eine dynamische und abwechslungsreiche Kommunikation erreicht werden. Als Werbeumfeld besonders geeignet sind deshalb in der TV-Werbung „King of Queens“, „Stromberg“, „Lost“ oder die „Simpsons“28. 4.2 Zukünftig wird die wertegerichtete Kommunikation dominieren Die passenden Begrifflichkeiten aus dem semiometrischen Raum unterstützen die Marketing-Kommunikation dabei, Botschaften an die Zielgruppe vorzuformulieren und dabei Wörter mit eher negativem „Touch“ zu vermeiden. Welche zentrale Bedeutung die Wortwahl in der Kommunikation in Zukunft hat, belegt eine Untersuchung im Auftrag des durch die gleichnamige Suchmaschine bekannt gewordenen Unternehmens Google29. Belegt wurde die Bedeutung der „richtigen“ Begriffswahl in Textanzeigen zu gebuchten Suchbegriffen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Präsenz eines Suchbegriffs in einer Textanzeige einer Marke nicht nur zu erhöhten Klickraten führt, sondern auch die ungestützte Markenbekanntheit signifikant steigert. Im Zusammenhang mit der Semiometrie könnten auch Wertefelder einer Zielgruppe gezielt genutzt werden, um eine Marke oder ein Produkt in einem Segment zu verankern. Genau wie die Kandidaten im oben genannten Beispiel vom US-Wahlkampf buhlen verschiedene Produkte und Wettbewerber um Zielgruppen. In der gängigen MarketingPraxis wird über Image-Analysen betrachtet, wie eine Marke in der Zielgruppe ankommt und welche Position beziehungsweise welche Image-Faktoren es zu stärken gilt. Über das „Wie“ entscheidet auch in vielen größeren Unternehmen immer noch 28 Petras, André: Biker: Genussvolle, zielstrebige und abenteuerlustige Kämpfernaturen, TNS Infratest, Presseinformation vom 05.05.2008 29 Reichert, A. / Bacher, J. / Schießl, M.: Gewichtige Wörter. Studie zur Wirkung von Google AdWords auf die Markenbildung, research & results, 6, 2008, Seite 30-32. Werteorientierte Kundensegmentierung 135 auch das Bauchgefühl der Entscheider, allenfalls werden Kampagnenmotive, Claims oder Slogans getestet. Gerade Marketing-Fachleute, die betonen, wie wichtig die emotionalen Komponenten einer Marke sind, hinterfragen nicht immer, ob diese Emotionen auch tatsächlich auf die Zielgruppe „überspringen“. Damit befasst sich die Werbewirkungsforschung. Da für das Testen von Kampagnen in der Regel mindestens fünfstellige Beträge investiert werden müssen, um die Werbewirksamkeit zu überprüfen, kommt die Werbewirkungsforschung für einfachere Mailings nicht zum Zug. Die Semiometrie hilft dennoch dabei, mit einfachen Mitteln auch die breitere Kommunikation an die Zielgruppe zu optimieren. Sobald die Wertedimensionen der Zielgruppe und die dahinterliegenden positiv besetzten Themen und Begriffe untersucht sind, können entweder weitere positiv besetzte Begriffe, die aus einer Semiometrie-Messung stammen, gezielt verwendet werden, um die Botschaft mit weiteren positiven Elemente anzureichern. Oder es werden bewusst in der umschriebenen Zielgruppe des Panels neue gewählte Begriffe oder Synonyme vorgelegt. Dadurch kann der Sprachgebrauch für die Kundenansprache optimiert werden. Besonders in der Marketing-Kommunikation kommt es auf den „richtigen“ Gebrauch der Sprache an. Die Kommunikation muss nach Schramm30 so gestrickt sein, dass Sender und Empfänger einer Botschaft auf einen ähnlichen Erfahrungsschatz zurückgreifen können, damit die Sinnzusammenhänge einer Botschaft ankommen. Platt gesagt: Der Werbetreibende muss die Sprache seiner Zielgruppe sprechen. Kotler31 unterscheidet vier Ziele der Marketing-Kommunikation: Das Aufbauen von Bekanntheit, die Intensivierung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen, die Motivation von Außendienst und Handel und die Optimierung der Kosten der Absatzförderung. Dazu gehört auch der „Impact“ der Marketing-Kommunikation bei der Ansprache der Zielgruppe. Beim Kommunikations-Controlling greifen deshalb auch die typischen Messgrößen von Kommunikationsmaßnahmen wie die Anzahl der Medienkontakte oder Einstellungen der Zielpersonen zu kurz. Genauso wichtig ist zu messen, welche kommunikativen Aspekte und Werte in der Zielgruppe die Einstellung und das Verhalten gegenüber einer Marke oder einem Produkt verändern. Anders als die an dieser Stelle zwischengeschalteten PR-Agenturen sind Marktforschungsinstitute in der Lage, objektive Verhaltensdaten zu ermitteln und die Werbewirkung auf dieser Basis zu messen und damit auch den kommunikativen Aufwand zu optimieren. Pretests erlauben darüber hinaus bereits im Vorfeld ein Feintuning der kommunikativen Wirkung einer Kampagne in einer Zielgruppe. Und damit schließt sich wiederum der Kreis zwischen Sprache, Semiometrie und Kommunikation mit der Zielgruppe. Die Semiometrie unterstützt dabei, im klassischen AIDA-Prinzip, sowohl Aufmerksamkeit, Interesse und die Nachfrage zu steigern und die Kaufbereitschaft zu fördern. Um die Brücke zurückzuschlagen zu unseren Segmentierungsansätzen, heißt dies für die operative Umsetzung: 30 Schramm, Wilbur: How Communication Works, in: Schramm, Wilbur / Roberts, Donald F. (Hrsg.): The Process and Effects of Mass Communication, Urbana, 1971, Seite 4 31 Kotler, Philip: Marketing-Management: Analyse, Planung und Verwirklichung, Stuttgart, 2001 136 Bernhard Keller und Mark Lammers 1. Wir erfahren über die Semiometrie, welche Werte und welche Wertedimensionen in der Zielgruppe besonders positiv beziehungsweise überdurchschnittlich negativ besetzt sind im Vergleich zu anderen Zielgruppen. 2. In diesem Werteraum ist nun bekannt, welche Worte und Ausdrücke dazu geeignet sind, eine Botschaft in der Zielgruppe möglichst positiv und überzeugend zu platzieren. 3. Neue Begrifflichkeiten und sogar Markennamen können mit dieser Methode auch zu einem späteren Zeitpunkt gezielt vom relevanten Personenkreis bewertet werden und so kann auch die Marken- und Produktwahrnehmung bereits vor dem Launch untersucht werden. 5 Ausblick Die Semiometrie hat inzwischen auch Eingang in Reden und Vorträge gefunden32. Sie kann genutzt werden, um genau die Bilder, Eigenschaften, Bezeichnungen, Gefühle zu erarbeiten, die von einer gefundenen oder definierten Zielgruppe positiv oder negativ besetzt sind. Auf diese Weise resultieren aus einer Befragung nicht nur die Ängste, Wünsche, Erwartungen oder Zustände von Zielgruppen, es stehen darüber hinaus auch die positiven und negativen Bewertungen fest. Positive Assoziationen signalisieren Nähe, negative Assoziationen drücken Distanz aus. Die Ergebnisse einer solchen Grundlagenforschung können für weitergehende Befragungen, deren Ergebnisse direkt in die Kommunikationsarbeit einfließen, genutzt werden. Aufgrund der hohen praktischen Relevanz der werteorientierten Zielgruppenansprache ist es nur noch eine Frage der Zeit bis ihre Anwendung auch bei Finanzdienstleistern zur gängigen Praxis wird. Literatur ALLGAYER, FLORIAN: Zielgruppen finden und gewinnen. Wie Sie sich in die Welt Ihrer Kunden versetzen, Landsberg, 2007 BACHER, J. / BERGMANN, M.: Fußballer profitieren von EM-Euphorie, in: Strahlendorf, Peter (Hrsg.): Jahrbuch Sponsoring 2007, Hamburg 2007 BAZIL, VAZRIK: Impression Management. Sprachliche Strategien für Reden und Vorträge, Wiesbaden, 2005 BUBENHOFER, NOAH / KLIMKE, MARTIN / SCHARLOTH, JOACHIM: www.scharloth.com/cgibin/poltracker/poltracker.pl?metainfo=1&metaindex=1, Stand: 20.11.2008 BUBENHOFER, NOAH / KLIMKE, MARTIN / SCHARLOTH, JOACHIM: „The many meanings of ‘change’. How McCain and Obama talk about transforming America” http://www.scharloth.com/cgi-bin/poltracker/poltracker.pl?textid=7, 2008 DEUTSCH, EMERIC: Sémiomètrie: une nouvelle aproche de positionnement et de segmentation, in: Revue Française du Marketing, Vol. 5, 1989 32 Bazil, Vazrik: Impression Management. Sprachliche Strategien für Reden und Vorträge, Wiesbaden, 2005 Werteorientierte Kundensegmentierung 137 FISCHER, RAOUL: Leben aus dem Jetzt, media & marketing 6, 2003 FRAUNBERG, ANJA VON / ALLGAYER, FLORIAN: Per Zielgruppe durch die Galaxie, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 GRIESE, URSULA / KELLER, BERNHARD / KRÜGER, STEPHAN: Haltemarketing: Kundenbindung und Wertedimensionen bei Sparkassenkunden, in: s-markt 4, Juli 2000 KAMPIK, WILHELM / TEUBER, STEPHAN: GIM Values. Analyse des Wertesystems zwischen Marke und Konsument für eine zeitgemäße zielgruppenrelevante Markenführung, in: Schimansky, Alexander (Hrsg.): Der Wert der Marke, München, 2004 KAMPIK, WILHELM: Konsumfacetten im Blick, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 KELLER, BERNHARD: Keine Lust auf Partnertausch, w&v, 11, 2000 KELLER, BERNHARD / LERCH, SABINE / MATZKE, SANDRO: Kundenbindung und Wechselbereitschaft, Die Bank 6, 2000 KELLER, BERNHARD: Schlüsselfaktor Kundenbindung, Marketing intern 1, 2001 KELLER, BERNHARD / DUTTENHÖFER, STEPHAN: Banken-Marketing: Wege zu ertragreichen Kunden der Wettbewerber, absatzwirtschaft 3, 2003 KELLER, BERNHARD: Banking: Einstellungen und Verhalten der Best Ager, in Gerstner, Reinhard / Hunke, Guido (Hrsg.): 55plus Marketing, Stuttgart 2006. KOTLER, PHILIP: Marketing-Management: Analyse, Planung und Verwirklichung, Stuttgart, 2001 PETRAS, ANDRÉ / SAMLAND, WOLFGANG: Soziodemographie und Psychographie, in planung & analyse, Heft 4, 2001 PETRAS, ANDRÉ: Die Befindlichkeit der Konsumenten erforschen, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 PETRAS, ANDRÉ / BAZIL, VAZRIK: Wie die Marke zur Zielgruppe kommt, Wiesbaden, 2008 PETRAS, ANDRÉ: Biker: Genussvolle, zielstrebige und abenteuerlustige Kämpfernaturen, TNS Infratest, Presseinformation vom 05.05.2008 REICHERT, A. / BACHER, J. / SCHIESSL, M.: Gewichtige Wörter. Studie zur Wirkung von Google AdWords auf die Markenbildung, research & results, 6, 2008, Seite 3032 SCHIPPERGES, MICHAEL / PLÖGER, WOLFGANG / MAYR, MARTIN: Die Sinus-Milieus, in: Duttenhöfer, Stephan / Keller, Bernhard / Braun, Uwe / Rossa, Henning (Hrsg.): Handbuch Kommunikationsmanagement, Frankfurt, 2005 SCHIPPERGES, MICHAEL: Milieus als Gruppen „Gleichgesinnter“, in: Kalka, Jochen / Allgayer, Florian (Hrsg.): Zielgruppen. Wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben, Landsberg, 2006 SCHRAMM, WILBUR: How Communication Works, in: Schramm, Wilbur / Roberts, Donald F. (Hrsg.): The Process and Effects of Mass Communication, Urbana, 1971 STEINER, JEAN-FRANCOIS / LUDOVIC, LEBART / PIRON, MARIE: La Sémiomètrie, Paris, 2003