Nr. 165 Zelltypisierung bei lymphatischen Leukämien Man unterscheidet akute lymphatische (ALL) und chronisch lymphatische Leukämien (CLL). Sie können die B- oder die T-Lymphozyten betreffen. Die häufigste Leukämie ist die sog. chronisch lymphatische Leukämie der B-Zellen (B-CLL) mit einer jährlichen Inzidenz von 3/100000 Fällen. Eine im Differentialblutbild auffällige Lymphozytose sollte Anlaß für eine immunzytologische Diagnostik sein. Dabei wird untersucht, welche Lymphozytensubpopulation ist vermehrt und ob es sich dabei um eine mono- oder polyklonale Lymphozytenvermehrung handelt. Monoklonale Lymphozytosen (alle Zellen sind phänotypisch identisch) sind verdächtig für ein leukämisches Geschehen. Polyklonale (überwiegend transitorisch) Lymphozytosen sind meist reaktiv (oft durch Virusinfektionen) bedingt. Die Sicherheit und Schnelligkeit der Lymphozytentypisierung (< 24 Stunden) ist für den Arzt und verunsicherten Patienten von großer Bedeutung. Früher beruhte die Diagnose der Leukämien ausschließlich auf der Betrachtung der Zellen unter dem Mikroskop. Heute wird mit der Durchfluss-Immunzytometrie eine Technik eingesetzt, bei der Lymphozyten mit verschiedenen speziellen Antikörpern gegen Membranproteine markiert werden. Damit lassen sich Leukämiezellen empfindlich detektieren und sehr genau beurteilen (Immunphänotypisierung). Typisiert werden die Zellen nach Subpopulation, Reifegrad, Aktivierungszustand und Proliferationsverhalten. Akute Leukämien Die Durchfluss-Immunzytometrie (FACS) ist die Methode der Wahl zur Unterscheidung von akuter lymphatischer (ALL) und akuter myeloischer Leukämie (AML). Bei der ALL hat die Durchflusszytometrie eine große Bedeutung für die Zuordnung zu den verschiedenen Untergruppen. Diese wiederum ist für die Art der Behandlung und für die Prognose entscheidend. Chronische Leukämien Auch bei den chronischen Leukämien liegt der Schwerpunkt der Immunphänotypisierung bei den lymphatischen Formen. Besonders die häufigen chronischen B-Zellleukämien können mit der Durchflusszytometrie frühzeitig erkannt werden. Die Durchfluss-Immunzytometrie erweist sich auch bei der Verlaufskontrolle als nützlich, da schon eine geringe Anzahl an Leukämiezellen nachweisbar ist und ein Rezidiv daher frühzeitig vorausgesagt werden kann. Indikationen für die Lymphozytentypisierung • Abklärung ungeklärter Lymphozytosen monoklonale Expansion →Leukämieverdacht polyklonale Expansion →reaktives Geschehen (viral?) • Diagnosestellung (ALL oder CLL von B-Zellen (ca. 95%) oder T-Zellen (ca. 5%). • Verlaufsdiagnostik unter Therapie • frühzeitige Erkennung von Rezidiven • Abklärung auch mäßiggradiger Lymphozytosen und Lymphopenien bei Symptomen wie Lymphknotenschwellungen, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Infektionen, Müdigkeit, Anämie und Blutungsneigung. Material 2 ml EDTA-Blut Die Laboranforderung auf dem Überweisungsschein lautet: Lymphomtypisierung Weiterführende Literatur über die verwendeten Marker und die Immunphänotypen der B-Zell-Leukämien senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu. Dr. Volker von Baehr Befundbeispiel, siehe Rückseite Haben Sie Fragen? Unser Serviceteam beantwortet sie gerne unter 030 770 01-220. IMD Labor Berlin Nicolaistraße 22, 12247 Berlin (Steglitz) Tel +49 30 77001-220 Fax +49 30 77001-236 info imd-berlin.de, imd-berlin.de IMD Labor Potsdam Fr.-Ebert-Str. 33, 14469 Potsdam Tel +49 331 28095-0 Fax +49 331 28095-99 info imd-potsdam.de, imd-potsdam.de Bei einem 68-jährigen Patienten fällt im Differentialblutbild eine Lymphozytose auf. Eine B-Symptomatik (Fiber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) liegt nicht vor. Ärztlicher Befundbericht Eingang Patient Ausgang Untersuchung Großes Blutbild i. EDTA-Blut Leukozyten Erythrozyten Hämoglobin Hämatokrit MCV (Hk/Ery-Zahl) MCH (Hb/Ery-Zahl) MCHC (Hb/Hk) Thrombozyten Differentialblutbild (automat.) Neutrphile Granulozyten Eosinophile Granulozyten Basophile Granulozyten Lymphozyten Monozyten Tagesnummer 0326123456 Geburtsdatum 02.03.1989 Ergebnis Einheit Referenz bereich 21,4 4,8 15,3 44,0 92,1 31,2 35,9 331 1000/µl Mill/µl g/dl % fl pg g/dl 1000/µl 4,4 4,5 14,0 38,0 80,0 28,0 33,0 150 - 11,3 - 6,0 - 18,0 - 49,0 - 96,0 - 33,0 - 36,0 - 400 29,8 0,7 0,4 66,6 2,3 % % % % % 40,0 0 0 20,0 2,0 - 75,0 - 4,0 - 1,0 - 45,0 - 13,0 Zur weiteren Diagnostik wird eine Lymphomtypisierung durchgeführt (innerhalb von 24 h sogar aus der selben Blutprobe möglich!). Es wurde die Diagnose einer B-CLL gestellt. Durchflusszytometrische Immunphänotypisierung (Lymphomdiagnostik) 21400 14252 492 6377 Leukozyten Lymphozyten Monozyten Granulozyten Eosinophile /µl /µl /µl /µl Normwerte 4000 - 10000 1100 - 4000 140 - 800 2400 - 7400 Normwerte 66,6 2,3 29,8 0,7 B-Zellpopulation CD19+ B-Zellen B-Zellen abs. CD19+/CD5+ CD19+/CD23+ CD19+/FMC75+ 20 - 40 2 - 14 42 - 75 <5 Immunglobuline/Leichtketten 84,4 % CD19+ B-Zellen 12029 /µl CD19+ B-Zellen abs. CD19+/CD5+ 89,5 % CD19+/CD20+ 99,9 % CD19+/CD23+ CD19+/CD103+ 12,1 % CD19+/FMC7+ 84,4 % 12029 /µl 89,5 % 96,6 % 99,9 % 0,1 % 12,1 % 7 - 21 120 - 630 < 25 > 90 50 - 90 <5 > 60 CD19+/IgM+ CD19+/kappa+ CD19+/lambda+ 11,1 % 59 % 38 % 1,5 61 - 84 1582 /µl 32 - 60 940 /µl 13 - 40 607 /µl 1,0 - 2,8 42,2 % 97,0 % 3,0 % 30 - 80 25 - 75 25 - 75 CD19+/kappa+ 97,0 % CD19+/lambda+ 3,0 % Aktivierung/Reifung T-Zellpopulation CD3+T-Zellen CD4+T-Zellen CD8+T-Zellen Ratio CD4/CD8 % % % % 950 - 2200 620 - 1460 340 - 930 CD19+/CD34+ 0,1 % <3 CD19+/CD10+ CD19+/HLADR+ CD19+/CD22+ CD19+/CD38+ 0,1 % 99,7 % 92,6 % % <8 > 90 > 90 Hinweise zum vorliegenden Fall: Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist ein leukämisches Non-Hodkin-Lymphom der B-Zellreihe. Das Erkrankungsrisiko nimmt mit dem Alter zu. Die Anzahl jüngerer Patienten ist allerdings in den letzten Jahren angestiegen. Die B-CLL stellt eine Form der Leukämie dar, bei der die reifen Lymphozyten betroffen sind. Typischerweise tragen die CLL-BZellen ein charakteristisches Antigenmuster. Dieses ähnelt dem von Lymphozyten der Mantelzone sekundärer lymphatischer Follikel. Charakteristisch ist die Ko-Expression des Antigens CD5 mit menbranständigem IgM und von B-Zell-assoziierten Membranantigenen wie CD19 und CD23. FMC7 wird nicht exprimiert. Der Nachweis der Leichtkettenrestriktion (Monoklonalität, kappa oder lambda) ist Voraussetzung für die Diagnosestellung. Ergänzt wird die Diagnostik häufig durch die Histopathologie eines vergrößerten Lymphknotens sowie ggf. eine Untersuchung des Knochenmarkes, insbesondere dann, wenn eine komplette Remission nach Therapie bestätigt werden soll. Diag-Info: 165 Version: 2 Befund: Deutlich erhöhte Zahl an B-Lymphozyten im peripheren Blut. Die monoklonal expandierte B-Zellpopulation ist CD5- und CD25-positiv sowie FMC7-negativ. Die Monoklonalität wird durch die nachweisbare Leichtkettenrestriktion bewiesen. Der pathologische Klon ist kappa-positiv. Die Markerkonstellation spricht für eine B-CLL. Wir empfehlen dringend eine weitergehende hämatologische Diagnostik. Die T-Zellen sind im Normbereich (Absolutzahl /µl ist entscheidend). Bei Rückfragen erreichen Sie uns unter 030 770 01-220.