Herzkatheter oder Herz-CT?

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TECHNIK
KARDIALE DIAGNOSTIK
Herzkatheter oder Herz-CT?
In einer europaweiten randomisierten Studie vergleichen Forscher
die CT- mit der herkömmlichen Koronarangiographie bei Patienten mit
Verdacht auf Stenosen der Herzkranzgefäße.
ie konventionelle Koronarangiographie gilt derzeit als
Standardverfahren bei atherosklerotischen Veränderungen der Koronararterien. In Europa werden jährlich circa 3,5 Millionen Herzkatheteruntersuchungen durchgeführt,
um eine koronare Herzerkrankung
zu diagnostizieren beziehungsweise
auszuschließen. Auch in Deutschland wird der Herzkatheter zunehmend häufiger eingesetzt: Nach
dem Deutschen Herzbericht stieg
die Zahl der diagnostischen Linksherzkatheteruntersuchungen zwischen 2012 und 2013 von 857 688
auf 885 131 an, im Jahr 2000 waren
es noch unter 600 000. Die Tendenz
ist weiterhin steigend. Der Vorteil
des Herzkatheters: Entdeckte Engstellen in den Gefäßen können noch
während der Untersuchung mittels
Ballondilatation und Stents wieder
geöffnet werden. Dennoch ist der
häufige Einsatz dieser Methode
nicht unumstritten, denn bei 50 bis
60 Prozent der minimalinvasiven
Eingriffe ist mangels pathologischem Befund keine weitere Behandlung nötig.
Geringeres
Komplikationsrisiko
Vor diesem Hintergrund untersuchen derzeit Wissenschaftler aus 20
Ländern im Rahmen des europäischen
Verbundprojekts DISCHARGE, ob
künftig die nichtinvasive Computertomographie (CT) des Herzens
einen großen Teil der Herzkatheteruntersuchungen ersetzen kann.
Die Patienten würden vor allem aus
zwei Gründen profitieren: Sie wären aufgrund des nichtinvasiven
Vorgehens einem geringeren Komplikationsrisiko (wie Nachblutungen, Entzündungen) ausgesetzt. Zudem ist die Untersuchung weniger
aufwendig und lässt sich ambulant
in etwa 20 Minuten durchführen.
A 1006
Abbildung: Charité Berlin
D
Herz mit unauffälligen Koronararterien, untersucht mit 320Zeilen-CT
Vorerfahrungen aus einer Berliner Studie an der Charité hätten
gezeigt, dass 80 bis 90 Prozent der
Patienten, die sich mit untypischen
Brustschmerzen und der Indikation
zum Herzkatheter vorgestellt haben, tatsächlich einen Ausschluss
der koronaren Herzkrankheit im
Herz-CT erhalten können, berichtete der Koordinator des Forschungsverbundes, Prof. Dr. med.
Marc Dewey vom Institut für Radiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Außerdem
könnte die CT zu weiterem Zusatznutzen über die frühzeitige Erkennung von Plaques und vor allem
durch die Erkennung von nichtkardialen Ursachen für Thoraxschmerzen führen.“
Kern des Projekts ist daher eine
Studie, in der randomisiert in 30
Zentren in Europa mehr als 3 500
Patienten mit stabilen Brustschmerzen entweder mit dem Herzkatheter
oder der CT untersucht werden. Als
weitere Einschlusskriterien müssen
eine klinische Indikation zur Koronarangiographie bei Verdacht auf
KHK vorliegen und die Patienten
mindestens 30 Jahre alt sein. Die
Entscheidung, welches der beiden
Verfahren angewendet wird, erfolgt
per Losverfahren, durch das die Patienten einem der beiden Behandlungspfade zugeteilt werden. Das
nachfolgende
Patientenmanagement legen die lokalen Herzteams
basierend auf den Befunden von CT
oder Herzkatheter fest. Ziel ist es
herauszufinden, für welche Patienten mit Herzschmerzen eine HerzCT dem Herzkatheter überlegen ist.
Bei Ausschluss signifikanter Stenosen in der CT kann der Patient in
der Regel direkt entlassen werden
(daher der Name der Studie von
engl. „to discharge“ = entlassen).
Die Behandlung beruht in beiden
Gruppen auf europäischen Leitlinien und auf den individuellen Testergebnissen. Für alle Patienten sind
zudem innerhalb von vier Jahren
nach Studieneinschluss zwei Nachbefragungen vorgesehen.
Direkte Auswirkungen
auf die medizinische Praxis
„Aufgrund der Größe unseres
DISCHARGE-Forschungsverbundes
erwarten wir belastbare Ergebnisse,
die einen direkten Einfluss auf die
medizinische Praxis der Herzdiagnostik haben werden. Wir hoffen
sehr, dass wir so zur Verbesserung der
Versorgung von Herzpatienten beitragen“, erklärte Studienleiter Dewey.
Das im Februar 2014 gestartete
Verbundprojekt hat eine Laufzeit
von fünf Jahren und wird mit sechs
Millionen Euro von der Europäischen Union im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms gefördert. Informationen einschließlich
eines kurzen Videos sind unter www.
dischargetrial.eu abrufbar (Studientelefon für interessierte Ärzte: 030
▄
450627264).
Heike E. Krüger-Brand
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 21–22 | 25. Mai 2015
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