9 Die Metaphysik der Notwendigkeit: Avicenna über das Seiende

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Friedrich-Schiller Universität Jena
Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss.
Prof. Dr. Matthias Perkams
VL Philosophie im Judentum und Islam
WS 2016/17
9 Die Metaphysik der Notwendigkeit:
Avicenna über das Seiende
I. Avicenna – Leben und Werk
II. Der Ausgangspunkt: Al-Fārābīs Schrift über die Ziele des Buches der
Metaphysik
III. Avicennas Grundansatz in der Metaphysik
A. Avicennas Werdegang in der Metaphysik
B. Das Konzept der Metaphysik als Seinswissenschaft nach Avicenna
IV. Ursprüngliche Begriffe der Metaphysik
A. Essenz und Existenz
B. Möglichkeit und Notwendigkeit
V. Gott als notwendig Existierendes und seine Wirkung
VI. Gott als Intellekt und die Verursachung der Welt
VII. Der fliegende Mensch: Avicennas Erklärung der Seele an sich
VIII. Zusammenfassung
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Prof. Dr. Matthias Perkams
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Texte: „Die“ Metaphysik Avicennas, d.h. diejenige aus dem Buch der Genesung (Kitāb-ašŠifāʾ) ist in einer englisch-arabischen Ausgabe leicht zugänglich:
Ibn Sīnā (Avicenna), The Metaphysics of The Healing. A Parallel English-Arabic Text.
Transl., introd. and annot. by M. E. Marmura, Provo (Utah) 2005.
Eine deutsche Übersetzung wichtiger Teile von Avicennas Metaphysik liegt seit neuestem in
Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters vor:
Avicenna, Grundlagen der Metaphysik. Eine Auswahl aus den Büchern I-V der
Metaphysik. Arabisch, Lateinisch, Deutsch. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen
versehen von Jens Ole Schmitt (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 32),
Freiburg u.a. 2016.
Die deutsche Einführung
G. Strohmaier, Avicenna, München 22006,
ist nur bedingt hilfreich.
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1. Avicenna über sein Studium von Aristotelesʼ Metaphysik:
„Ich las das Buch der Metaphysik, aber ich verstand nicht, was darin steht, und
mir blieb das Ziel seines Verfassers dunkel, bis dass ich die Lektüre vierzigmal
wiederholt hatte und es auswendig wusste, wobei ich es trotzdem nicht verstand
und nicht das darin liegende Ziel. [...] Eines Tages zur Zeit des Nachmittagsgebets
befand ich mich bei den Buchhändlern, als ein Makler herantrat und in seiner
Hand einen Band hielt, den er zum Verkauf ausrief. Er reichte ihn mir, aber ich
gab ihn angewidert zurück, weil ich meinte, dass diese Wissenschaft zu nichts
nutze sei. Er aber sagte mir: „Kaufe ihn doch, sein Besitzer braucht das Geld. Er
ist billig, und ich verkaufe ihn Dir für drei Dirham“. So kaufte ich ihn, und siehe
da, es war das Buch von Abū Naṣr al-Fārābī Über die Ziele des Buches der
Metaphysik. Ich kehrte nach Hause zurück und ging eilends an die Lektüre. Da
gingen mir mit einem Male die Ziele dieses Buches auf, denn ich kannte es ja
bereits auswendig. Ich freute mich darüber und gab am folgenden Tag ein
reichliches Almosen für die Armen aus Dankbarkeit gegen Gott, der erhaben ist“
(Autobiographie, S. 32-35 Gohlmann; Übs. Strohmaier, geändert)
،‫ﻣﺮة‬
ّ ‫ﻰ ﻏﺮض واﺿﻌﮫ ﺣﺘّﻰ أﻋﺪت ﻗﺒﺄءﺗﮫ أرﺑﻌﯿﻦ‬
ّ ‫وﻗﺮأت ﻛﺘﺎب ﻣﺎ ﺑﻌﺪ اﻟﻄﺘﯿﻌﺔ ﻓﻠﻢ أﻓﮭﻢ ﻣﺎ ﻓﯿﮫ واﻟﺘﺒﺲ ﻋﻠ‬
‫اﻟﻮراﻗﯿﻦ‬
ّ ‫ ﻓﺤﻀﺮت ﯾﻨﻤﺎ وﻗﺖ اﻟﻌﺼﺮ ﻓﻲ‬... . ‫ وأﻧﺎ ﻣﻊ ذﻟﻚ ﻻ أﻓﮭﻤﮫ وﻻ اﻟﻤﻘﺼﻮد ﺑﮫ‬.ً ‫وﺻﺎر ﻟﻲ ﻣﺤﻔﻮظﺎ‬
ّ‫ﻰ ﻓﺮددﺗﮫ رد‬
‫ ﻓﻘﺎل ﻟﻲ‬.‫ﻣﺘﺒﺮم ﻣﻌﺘﻘﺪ أن ﻻ ﻓﺎﺋﺪة ﻓﻲ ھﺬا اﻟﻌﻠﻢ‬
ّ
ّ ‫ ﻓﻌﺮﺿﮫ ﻋﻠ‬.‫ﻓﺘﻘﺪّم دﻻل ﺑﯿﺪه ﻣﺠﻠّﺪ ﯾﻨﺎدي ﻋﻠﯿﮫ‬
‫ﻲ‬
ّ ‫ ﻓﺎﺷﺘﺮﯾﺘﮫ ﻓﺈذا ھﻮ ﻛﺘﺎب أﺑﻲ ﻧﺼﺮ اﻟﻔﺎراﺑ‬.‫ وأﺑﯿﻌﻜﮫ ﺑﺜﻼﺛﺔ دراھﻢ‬.‫اﺷﺘﺮه ﻓﺤﺎﺣﺒﮫ ﻣﺤﺘﺎج إﻟﻰ ﺛﻤﻨﮫ وھﻮ رﺧﯿﺺ‬
‫ﻰ اﻟﻮﻗﺖ أﻏﺮاض ذﻟﻚ‬
ّ ‫ ورﺟﻌﺖ إﻟﻰ داري وأﺳﺮﻋﺖ ﻗﺮاءﺗﮫ ﻓﺎﻧﻔﺘﺢ ﻋﻠ‬.‫ﻓﻲ أﻋﺮاض ﻛﺘﺎب ﻣﺎ ﺑﻌﺪ اﻟﻄﺒﯿﻌﺔ‬
‫ وﻓﺮﺣﺖ ﺑﺬﻟﻚ وﺗﺼﺪّﻗﺖ ﻓﻲ اﻟﯿﻮم اﻟﺜﺎﻧﻲ ﺑﺸﻲء ﻛﺜﯿﺮ‬.‫اﻟﻜﺘﺎب ﻷﻧﮫ ﻛﺎن ﻗﺪ ﺻﺎر ﻟﻲ ﻣﺤﻔﻮظﺎ ً ﻋﻠﻰ ظﮭﺮ اﻟﻘﻠﺐ‬
.‫ﻋﻠﻰ اﻟﻔﻘﺮاء ﺷﻜﺮا ً ّﮧﻠﻟ ﺗﻌﺎﻟﻲ‬
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2. Al-Fārābī über die Ziele von Aristotelesʼ Metaphysik:
„Viele Leute haben die vorgefasste Meinung, dass der eigentliche Sinn und Inhalt
dieser Schrift der sei, dass in ihr die Lehre von dem Schöpfer, dem Intellekt, der
Seele und dem darauf Bezüglichen behandelt würde; ferner, dass die Wissenschaft
von der Metaphysik (ʿilm mā baʿd at-tabīʿa) und die von der Einheit Gottes (ʿilm
at-tawḥīd) ein und dasselbe sei. [...] Wir behaupten nun, dass ein Teil der
Wissenschaften partikulär, ein anderer Teil derselben aber universal sei. [...] Die
universale Wissenschaft betrachtet nun das, was allem Existierenden gemeinsam
ist, wie die Existenz (wuǧūd) und die Einheit (waḥda), und zwar in ihren Arten
und Eigenschaften“.
(Die Ziele des Buches der Metaphysik, übs. Dieterici, leicht geändert)
‫ﻛﺜﯿﺮ ﻣﻦ اﻟﻨﺎس ﺳﺒﻖ إﻟﻰ وھﻤﮭﻢ أن ﻓﺤﻮى ھﺬا اﻟﻜﺘﺎب وﻣﻀﻤﻮﻧﮫ ھﻮ اﻟﻘﻮل ﻓﻲ اﻟﺒﺎري ﺳﺒﺤﺎﻧﮫ وﺗﻌﺎﻟﻰ‬
‫ ﻓﻨﻘﻮل أن اﻟﻌﻠﻮم ﻣﻨﮭﺎ‬... ‫واﻟﻌﻘﻞ واﻟﻨﻔﺲ وﺳﺎﺋﺮ ﻣﺎ ﯾﻨﺎﺳﺒﮭﺎ وأن ﻋﻠﻢ ﻣﺎ ﺑﻌﺪ اﻟﻄﺒﯿﻌﺔ وﻋﻠﻢ اﻟﺘﻮﺣﯿﺪ واﺣﺪ ﺑﻌﯿﻨﮫ‬
‫ وأﻣﺎ اﻟﻌﻠﻢ اﻟﻜﻠّﻲ ﻓﮭﻮ اﻟﺬي ﯾﻨﻈﺮ ﻓﻲ اﻟﺸﻲء اﻟﻌﺎ ّم ﻟﺠﻤﯿﻊ اﻟﻤﻮﺟﻮدات ﻣﺜﻞ اﻟﻮﺟﻮد‬... ‫ﺟﺰﺋﯿّﺔ وﻣﻨﮭﺎ ﻛﻠّﯿّﺔ‬
.‫واﻟﻮﺣﺪة وﻓﻲ أﻧﻮاﻋﮫ وﻟﻮاﺣﻘﮫ‬
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3. Avicenna über den Gegenstand der Metaphysik und ihre Ziele:
„[1] Das Existierende qua existierendes (al-mawǧūd bi mā huwa mawǧūd) ist
etwas all diesem [verschiedene Formen von Sein, die Gegenstände verschiedener
Wissenschaften sind] Gemeinsames, und es muss zum Gegenstand dieser
Fertigkeit gemacht werden [...], weil es ohne eine Untersuchung seiner Wesenheit
und ohne einen Nachweis seiner selbst auskommt, so dass eine andere
Wissenschaft die Aufklärung seines Zustands übernehmen müsste. [...] Diese
Wissenschaft untersucht also die Zustände des Existierenden und die Umstände,
die ihm zukommen, wie die Teile und die Arten, bis es zu einer Festlegung
gelangt, mit der [zum Beispiel] der Gegenstand der Naturwissenschaft neu
entsteht, so dass sie ihn dieser übergibt. [...]
... . ‫ ﯾﺠﺐ أن ﯾُﺠﻌﻞ اﻟﻤﻮﺿﻮع ﻟﮭﺬه اﻟﺼﻨﺎﻋﺔ‬...‫ و‬،‫( اﻟﻤﻮﺟﻮد ﺑﻤﺎ ھﻮ ﻣﻮﺟﻮد أﻣﺮ ﻣﺸﺘﺮك ﻟﺠﻤﯿﻊ ھﺬه‬1)
.‫ ﺣﺘﻰ ﯾﺤﺘﺎج إﻟﻰ أن ﯾﺘﻜﻔﻞ ﻋﻠﻢ ﻏﯿﺮ ھﺬا اﻟﻌﻠﻢ ﺑﺈﯾﻀﺎح اﻟﺤﺎل ﻓﯿﮫ‬،‫وﻷﻧﮫ ﻏﻨﻲ ﻋﻦ ﺗﻌﻠﯿﻢ ﻣﺎھﯿﺘﮫ وﻋﻦ إﺛﺒﺎﺗﮫ‬
‫ ﺣﺘﻰ ﯾﺒﻠﻎ إﻟﻰ ﺗﺤﺼﯿﺺ‬،‫ﻛﺎﻷﻗﺴﺎم واﻷﻧﻮاع‬،‫ واﻷﻣﻮر اﻟﺘﻲ ھﻲ ﻟﮫ‬،‫ ﻓﮭﺬا اﻟﻌﻠﻢ ﯾﺒﺤﺚ ﻋﻦ أﺣﻮال اﻟﻤﻮﺟﻮد‬...
‫ﯾﺤﺪث ﻣﻌﮫ ﻣﻮﺿﻮع اﻟﻌﻠﻢ اﻟﻄﺒﯿﻌﻲ ﻓﯿﺴﻠﻤﮫ إﻟﯿﮫ‬
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3. a) Fortsetzung:
[2] Und dies ist die Wissenschaft (ʿilm), das in dieser Fertigkeit gesucht wird, und
es ist die erste Philosophie, weil es das Wissen der ersten Umstände in der
Existenz ist – dies sind die erste Ursache und die Umstände in dem Allgemeinen,
und die Existenz (wuǧūd) und die Einheit (waḥda) –, und dies ist auch die
Weisheit (ḥikma), die das edelste Wissen über das edelste Objekt ist: das edelste
Wissen in Bezug auf die Klarheit; über das edelste Objekt in Bezug auf Gott und
die Ursachen nach ihm. Es ist also auch die Kenntnis der letzten Ursachen des
Universums und auch die Kenntnis Gottes. Und deswegen kommt ihm die
Definition ,göttliches Wissen‘ (ʿilm al-īlāhī) zu, der darin besteht, dass es von den
Tatsachen, die von der Materie getrennt sind, in Bezug auf die Definition und die
Existenz handelt“.
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. Metaphysik I 2 § 12. 17f. p. 13. 15 ed.
Cairensis; eigene Übs.)
‫ وھﻮ‬،‫ ﻷﻧﮫ اﻟﻌﻠﻢ ﺑﺄول اﻷﻣﻮر ﻓﻲ اﻟﻮﺟﻮد‬،‫( ﻓﮭﺬا ھﻮ اﻟﻌﻠﻢ اﻟﻤﻄﻠﻮب ﻓﻲ ھﺬه اﻟﺼﻨﺎﻋﺔ وھﻮ اﻟﻔﻠﺴﻔﺔ اﻷوﻟﻰ‬2)
‫ وھﻮ أﯾﻀﺎ ً اﻟﺤﻜﻤﺔ اﻟﺘﻲ ھﻲ أﻓﻀﻞ ﻋﻠﻢ ﺑﺎﻓﻀﻞ‬.‫ وھﻮ اﻟﻮﺟﻮد واﻟﻮﺣﺪة‬،‫اﻟﻌﻠﺔ اﻷوﻟﻰ وأول اﻷﻣﻮر ﻓﻲ اﻟﻌﻤﻮم‬
‫ وھﻮ أﯾﻀﺎ ً ﻣﻌﺮﻓﺔ‬.‫ ﺑﺄﻓﻀﻞ اﻟﻤﻌﻠﻮم أي ﷲ ﺗﻌﺎﻟﻰ وﺑﺎﻷﺳﺒﺎب ﻣﻦ ﺑﻌﺪه‬،‫ﻣﻌﻠﻮم؛ ﻓﺈﻧﮭﺎ أﻓﻀﻞ ﻋﻠﻢ أي اﻟﯿﻘﯿﻦ‬
‫ وﻟﮫ ﺣﺪ اﻟﻌﻠﻢ اﻹﻟﮭﻲ اﻟﺬي ھﻮ أﻧﮫ ﻋﻠﻢ ﺑﺎﻷﻣﻮر اﻟﻤﻔﺎرﻗﺔ‬،‫ وھﻮ أﯾﻀﺎ ً اﻟﻤﻌﺮﻓﺔ ﺑﺎﻪﻠﻟ‬.‫اﻷﺳﺒﺎب اﻟﻘﺼﻮى ﻟﻠﻜﻞ‬
،‫ﻟﻠﻤﺎدة ﻓﻲ اﻟﺤﺪ واﻟﻮﺟﻮد‬
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4. Avicenna erklärt den Unterschied von Existenz und Essenz:
„[1] ,Existent‘ (mawğūd), ,positiv bestehend‘ und ,wirklich seiend‘ sind
synonyme Begriffe, die eine Bedeutung haben – und unzweifelhaft ist ihre
Bedeutung in der Seele desjenigen präsent, der dieses Buch liest. ,Ding‘ (šayyʾ)
und das, was gleichbedeutend ist, hat gewiss in allen Sprachen eine andere
Bedeutung; denn jedes Ding hat eine Wesenheit (ḥaqīqa), durch die es das ist,
was es ist (so hat das Dreieck die Wesenheit, ein Dreieck zu sein, und „weiß“ die
Wesenheit, weiß zu sein), und diese nennen wir manchmal die „spezifische
Existenz“, ohne dass dadurch die Bedeutung „positiv bestehende Existenz“
bezeichnet würde. ... Es ist klar, dass jedes ,Ding‘ eine spezifische Wesenheit
besitzt, nämlich seine Washeit (māhīya). Es ist zugleich bekannt, dass die für
jedes ,Ding‘ spezifische Wesenheit verschieden ist von der Existenz, die synonym
ist mit positivem Bestehen.
[2] Der Grund dafür ist folgender: Wenn Du sagst, ,die Wesenheit von diesem
oder jenem existiert entweder in den Einzeldingen oder in den Seelen oder absolut
genommen, indem letzteres die ersten beiden umschließt‘, dann kommt dem eine
bestimmte verständliche Bedeutung zu. Wenn Du aber sagen würdest ,die
Wesenheit von diesem oder jenem ist die Wesenheit von diesem oder jenem‘,
oder: ,Die Wesenheit von diesem oder jenem ist eine Wesenheit‘, so ist dies eine
Tautologie, die keine neue Kenntnis verleiht“.
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. Metaphysik I 5 § 8-11. p. 31f. ed. Cairensis;
eigene Übs.)
‫ واﻟﻤﻮﺟﻮد واﻟﻤﺜﺒﺖ‬.‫ وھﻤﺎ ﻣﻌﻨﯿﺎن‬،‫ إن ﻣﻌﻨﻰ اﻟﻤﻮﺟﻮد وﻣﻌﻨﻰ اﻟﺸﻲء ﻣﺘﺼﻮران ﻓﻲ اﻷﻧﻔﺲ‬:‫( وﻧﻘﻮل‬1)
.‫ وﻻ ﻧﺸﻚ ﻓﻲ أن ﻣﻌﻨﺎھﺎ ﻗﺪ ﺣﺼﻞ ﻓﻲ ﻧﻔﺲ ﻣﻦ ﯾﻘﺮأ ھﺬا اﻟﻜﺘﺎب‬،‫واﻟﻤﺤﺼﻞ أﺳﻤﺎء ﻣﺘﺮادﻓﺔ ﻋﻠﻰ ﻣﻌﻨﻰ واﺣﺪ‬
‫ ﻓﺈن ﻟﻜﻞ أﻣﺮ ﺣﻘﯿﻘﺔ ھﻮ ﺑﮭﺎ ﻣﺎ‬،‫ واﻟﺸﻲء وﻣﺎ ﯾﻘﻮم ﻣﻘﺎﻣﮫ ﻗﺪ ﯾﺪل ﺑﮫ ﻋﻠﻰ ﻣﻌﻨﻰ آﺧﺮ ﻓﻲ اﻟﻠﻐﺎت ﻛﻠﮭﺎ‬،‫ھﻮ‬
‫ وﻟﻢ ﻧﺮد‬،‫ وذﻟﻚ ھﻮ اﻟﺬي رﺑﻤﺎ ﺳﻤﯿﻨﺎه اﻟﻮﺟﻮد اﻟﺨﺎص‬،‫ وﻟﻠﺒﯿﺎض ﺣﻘﯿﻘﺔ أﻧﮫ ﺑﯿﺎض‬،‫ﻓﻠﻠﻤﺜﻠﺚ ﺣﻘﯿﻘﺔ أﻧﮫ ﻣﺜﻠﺚ‬
‫ وﻣﻌﻠﻮم أن ﺣﻘﯿﻘﺔ ﻛﻞ‬،‫ إﻧﮫ ﻣﻦ اﻟﺒﯿﻦ أن ﻟﻜﻞ ﺷﻲء ﺣﻘﯿﻘﺔ ﺧﺎﺻﺔ ھﻲ ﻣﺎھﯿﺘﮫ‬... .‫ﺑﮫ ﻣﻌﻨﻰ اﻟﻮﺟﻮد اﻹﺛﺒﺎﺗﻲ‬
،‫ﺷﻲء اﻟﺨﺎﺻﺔ ﺑﮫ ﻏﯿﺮ اﻟﻮﺟﻮد اﻟﺬي ﯾﺮادف اﻹﺛﺒﺎت‬
،ً‫ أو ﻣﻄﻠﻘﺎ ً ﯾﻌﻤﮭﻤﺎ ﺟﻤﯿﻌﺎ‬،‫ أو ﻓﻲ اﻷﻧﻔﺲ‬،‫ ﺣﻘﯿﻘﺔ ﻛﺬا ﻣﻮﺟﻮدة إﻣﺎ ﻓﻲ اﻷﻋﯿﺎن‬:‫ وذﻟﻚ ﻷﻧﻚ إذا ﻗﻠﺖ‬:‫( ﻗﻠﺖ‬2)
‫ ﻟﻜﺎن ﺣﺸﻮا ً ﻣﻦ‬،‫ أو أن ﺣﻘﯿﻘﺔ ﻛﺬا ﺣﻘﯿﻘﺔ‬،‫ ﺣﻘﯿﻘﺔ ﻛﺬا‬،‫ إن ﺣﻘﯿﻘﺔ ﻛﺬا‬:‫ وﻟﻮ ﻗﻠﺖ‬.‫ﻛﺎن ﻟﮭﺬا ﻣﻌﻨﻰ ﻣﺤﺼﻞ ﻣﻔﮭﻮم‬
.‫اﻟﻜﻼم ﻏﯿﺮ ﻣﻔﯿﺪ‬
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5. Avicenna über die Begriffe ,notwendig‘ und ,möglich‘:
„[1] Es ist für uns gewiss ebenfalls zu schwer, den Inhalt von ,notwendig‘,
,möglich‘ und ,unmöglich‘ durch eine die Wesenheit angebende Definition (taʿrīf
muḥaqqiq) zu bestimmen, sondern das geht nur mittels eines Hinweises. Alles,
was über die Definition von ihnen in dem gesagt wurde, was dich von den antiken
Philosophen erreichte, endet quasi notwendigerweise in einem Zirkel. ... Wenn
sie ,möglich‘ definieren wollten, zogen sie entweder ,notwendig‘ oder
,unmöglich‘ zu seiner Definition heran ..., und wenn sie ,notwendig‘ definieren
wollten, zogen sie zu seiner Definition entweder ,möglich‘ oder ,unmöglich‘
heran. ...
[2] Aber das erste dieser drei, insofern davon zuerst ein Begriff gebildet wird, ist
,notwendig‘ (wāǧib). Das liegt daran, dass ,notwendig‘ die Festigkeit der Existenz
bezeichnet, und die Existenz ist bekannter als die Nicht-Existenz, weil die
Existenz in sich selbst erkannt wird, während die Nicht-Existenz irgendwie durch
die Existenz erkannt wird“.
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. Metaphysik I 5 § 22. 24, p. 35f. ed. Cairensis;
eigene Übs.)
.‫ ﺑﻞ ﺑﻮﺟﮫ اﻟﻌﻼﻣﺔ‬،ً‫ﻧﻌﺮف ﺣﺎل اﻟﻮاﺟﺐ واﻟﻤﻤﻜﻦ واﻟﻤﻤﺘﻨﻊ ﺑﺎﻟﺘﻌﺮﯾﻒ اﻟﻤﺤﻘﻖ أﯾﻀﺎ‬
ّ ‫( وﻗﺪ ﯾﻌﺴﺮ ﻋﻠﯿﻨﺎ أن‬1)
،‫ إذا أرادوا أن ﯾﺤﺪوا اﻟﻤﻤﻜﻦ‬... .ً ‫وﺟﻤﯿﻊ ﻣﺎ ﻗﯿﻞ ﻓﻲ ﺗﻌﺮﯾﻒ ھﺬه ﻣﻤﺎ ﺑﻠﻐﻚ ﻋﻦ اﻷوﻟﯿﻦ ﻗﺪ ﯾﻜﺎد ﯾﻘﺘﻀﻲ دورا‬
‫ أﺧﺬوا ﻓﻲ ﺣﺪه إﻣﺎ‬،‫ وإذا أرادوا أن ﯾﺤﺪوا اﻟﻀﺮوري‬... .‫أﺧﺬوا ﻓﻲ ﺣﺪه إﻣﺎ اﻟﻀﺮوري وإﻣﺎ اﻟﻤﺤﺎل‬
.‫اﻟﻤﻤﻜﻦ وإﻣﺎ اﻟﻤﺤﺎل‬
،‫ وذﻟﻚ ﻷن اﻟﻮاﺟﺐ ﯾﺪل ﻋﻠﻰ ﺗﺄﻛﺪ اﻟﻮﺟﻮد‬.‫ ھﻮ اﻟﻮاﺟﺐ‬،ً‫( ﻋﻠﻰ أن أوﻟﻰ ھﺬه اﻟﺜﻼﺛﺔ ﻓﻲ أن ﯾﺘﺼﻮر أوﻻ‬2)
.‫ ﺑﻮﺟﮫ ﻣﺎ ﻣﻦ اﻟﻮﺟﻮه ﺑﺎﻟﻮﺟﻮد‬،‫ واﻟﻌﺪم ﯾﻌﺮف‬،‫ ﻷن اﻟﻮﺟﻮد ﯾﻌﺮف ﺑﺬاﺗﮫ‬،‫واﻟﻮﺟﻮد أﻋﺮف ﻣﻦ اﻟﻌﺪم‬
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6. Avicenna über die Notwendigkeit möglicher Existenz:
„Was das Mögliche betrifft, so ist hieraus seine Besonderheit klar geworden, und
zwar dass es unbedingt eines anderen bedarf, dass es zu einem im Akt
existierenden macht. Alles, was im Hinblick auf die Existenz möglich (mumkin
al-wuğūd) ist, das ist hinsichtlich seines Wesens ewig ein möglich Existierendes.
Aber manchmal stößt es ihm zu, dass seine Existenz durch etwas anderes
notwendig wird. Dies stößt ihm nun entweder ewig zu, oder die Notwendigkeit
seiner Existenz stammt von einem anderen auf nicht ewige Weise, sondern zu
einer Zeit, aber nicht zu einer anderen Zeit“
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. Metaphysik I 7, § 14 p. 47 ed. Cairensis;
eigene Übs.)
‫ ﻓﻘﺪ ﺗﺒﯿﻦ ﻣﻦ ذﻟﻚ ﺧﺎﺻﯿﺘﮫ وھﻮ أﻧﮫ ﯾﺤﺘﺎج ﺿﺮورة إﻟﻰ ﺷﻲء آﺧﺮ ﯾﺠﻌﻠﮫ ﺑﺎﻟﻔﻌﻞ‬،‫وأﻣﺎ اﻟﻤﻤﻜﻦ اﻟﻮﺟﻮد‬
‫ ﻟﻜﻨﮫ رﺑﻤﺎ ﻋﺮض أن ﯾﺠﺐ‬،‫ ﻣﻤﻜﻦ اﻟﻮﺟﻮد‬،‫ ﺑﺎﻋﺘﺒﺎر ذاﺗﮫ‬،ً‫ وﻛﻞ ﻣﺎ ھﻮ ﻣﻤﻜﻦ اﻟﻮﺟﻮد ﻓﮭﻮ داﺋﻤﺎ‬.ً‫ﻣﻮﺟﻮدا‬
‫ ﺑﻞ ﻓﻲ‬،ً‫ وإﻣﺎ أن ﯾﻜﻮن وﺟﻮب وﺟﻮده ﻋﻦ ﻏﯿﺮه ﻟﯿﺲ داﺋﻤﺎ‬،ً‫ وذﻟﻚ إﻣﺎ أن ﯾﻌﺮض ﻟﮫ داﺋﻤﺎ‬،‫وﺟﻮده ﺑﻐﯿﺮه‬
.‫وﻗﺖ دون وﻗﺖ‬
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7. Avicenna über die Struktur der ersten Ursache als Intellekt:
„[1] Und es [das erste Prinzip] liebt sein Wesen, das das Prinzip (mabdaʾ) jeder
Ordnung ist und gut ist, insofern es so ist. Dabei wird die Ordnung des Guten
(niżām al-ḫair) von ihm akzidentell mitgeliebt. Aber das erste Prinzip wird hierzu
nicht von der Liebe bewegt, ja es erfährt von ihr überhaupt keine Wirkung, und
es ersehnt und erstrebt nichts. Das ist sein Wille (īrāda), der frei ist vom Mangel,
den die Liebe bewirkt, und von der Störung durch das Streben zu einem Ziel hin
....
[2] Zu der Menge der Verstandesgegenstände (al-maʿqūlāt) gehört derjenige
Verstandesgegenstand, dessen Prinzip das Erste unmittelbar ist. Aber seine
Existenz fließt (jafīḍu) primär aus ihm. Und der Verstandesgegenstand, dessen
Prinzip das Erste mittelbar ist, dies fließt sekundär aus ihm .... Einiges von
diesem geht jedoch dem anderen voraus in der Rangfolge des Verursachenden
und des Verursachten“.
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. Metaphysik VIII 7 § 3. 6, p. 363. 365 ed.
Cairensis; eigene Übs.)
‫ ﻓﯿﺼﯿﺮ ﻧﻈﺎم اﻟﺨﯿﺮ ﻣﻌﺸﻮﻗﺎ ﻟﮫ‬،‫( وﻋﺎﺷﻖ ذاﺗﮫ اﻟﺘﻲ ھﻲ ﻣﺒﺪأ ﻛﻞ ﻧﻈﺎم وﺧﯿﺮ ﻣﻦ ﺣﯿﺚ ھﻲ ﻛﺬﻟﻚ‬1)
‫ ﻓﮭﺬه إرادﺗﮫ‬.‫ وﻻ ﯾﺸﺘﺎق ﺷﯿﺌﺎ وﻻﯾﻄﻠﺒﮫ‬،‫ ﻟﻜﻨﮫ ﻻ ﯾﺘﺤﺮك إﻟﻰ ذﻟﻚ ﻋﻦ ﺷﻮق ﻓﺈﻧﮫ ﻻ ﯾﻨﻔﻌﻞ ﻣﻨﮫ أﻟﺒﺘﺔ‬،‫ﺑﺎﻟﻌﺮض‬
.‫اﻟﺨﺎﻟﯿﺔ ﻋﻦ ﻧﻘﺺ ﯾﺠﻠﺒﮫ ﺷﻮق واﻧﺰﻋﺎج ﻗﺼﺪ إﻟﻰ ﻏﺮض‬
‫ ﺑﻞ ﯾﻔﯿﺾ وﺟﻮده ﻋﻨﮫ‬،‫( ﻓﯿﻜﻮن ﻣﻦ ﺟﻤﻠﺔ ﺗﻠﻚ اﻟﻤﻌﻘﻮﻻت ﻣﺎ ﻣﺎﻟﻤﻌﻘﻮل ﻣﻨﮫ أن اﻷول ﻣﺒﺪأ ﻟﮫ ﺑﻼ واﺳﻄﺔ‬2)
‫ ﻋﻠﻰ‬،‫ ﻟﻜﻦ ﺑﻌﻀﮭﺎ ﻗﺒﻞ وﺑﻌﻀﮭﺎ ﺑﻌﺪ‬... .ً‫ وﻣﺎ ﻣﻌﻘﻮل ﻣﻨﮫ أﻧﮫ ﻣﺒﺪأ ﻟﮫ ﺑﻄﻮﺳﻂ ﻓﮭﻮ ﯾﻔﯿﺾ ﻋﻨﮫ ﺛﺎﻧﯿّﺎ‬،ً‫أوﻻ‬
.‫اﻟﺘﺮﺗﯿﺐ اﻟﺴﺒﺒﻲ واﻟﻤﺴﺒﺒﻲ‬
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8. Avicenna erklärt am Beispiel vom fliegenden Menschen, wie man die Seele
ganz losgelöst von ihrer Funktion, den Körper zu beleben, denken kann:
„Jeder Einzelne von uns soll es sich so vorstellen, als wäre er plötzlich geschaffen
und vollendet geschaffen, aber sein Blick abgeschirmt vom Betrachten des
Äußeren; und als wäre er so geschaffen, dass er in der Luft fiele oder im Leeren,
ohne dass ihm das Vorhandensein der Luft einen Widerstand entgegensetzte, den
er wahrnehmen könne, und als bestünde eine Trennung in Bezug auf seine
Glieder, so dass sie sich nicht berührten und keinen Kontakt zueinander hätten.
Dann soll er bedenken, ob er die Existenz seines Wesens bejaht, so dass er an der
Bejahung davon nicht zweifelt, dass sein Wesen existiert, und ob er zugleich
damit die Begrenzung seiner Glieder nicht bejaht.
(Kitāb-aš-Šifāʾ/Buch der Genesung. De anima I 1 p. 16 Rahman; eigene Übs.)
‫ و ُﺧﻠﻖ‬،‫ ﻟﻜﻨﮫ ﺣﺠﺐ ﺑﺼﺮه ﻋﻦ ﻣﺸﺎھﺪة اﻟﺨﺎرﺟﺎت‬،ً‫ﯾﺠﺐ أن ﯾﺘﻮھﻢ اﻟﻮاﺣﺪ ﻣﻨﺎ ﻛﺄﻧﮫ ُﺧﻠﻖ دﻓﻌﺔً و ُﺧﻠﻖ ﻛﺎﻣﻼ‬
‫ وﻓُﺮق ﺑﯿﻦ أﻋﻀﺎﺋﮫ ﻓﻠﻢ‬،‫ﯾﺤﺲ‬
‫ﯾﮭﻮى ﻓﻲ ھﻮاء أو ﺧﻼء ھﻮﯾﺎ ً ﻻ ﯾﺼﺪﻣﮫ ﻓﯿﮫ ﻗﻮام اﻟﮭﻮاء ﺻﺪم ﻣﺎ ﯾﺤﻮج أن‬
ّ
ّ ‫ ﺛﻢ ﯾﺘﺄﻣﻞ أﻧﮫ ھﻞ ﯾﺜﺒﺖ وﺟﻮد ذاﺗﮫ ﻓﻼ‬،‫ﺗﺘﻼق وﻟﻢ ﺗﺘﻤﺎس‬
‫ﯾﺸﻚ ﻓﻲ إﺛﺒﺎﺗﮫ ﻟﺬاﺗﮫ ﻣﻮﺟﻮدة وﻻ ﯾﺜﺒﺖ ﻣﻊ ذﻟﻚ‬
.‫طﺮﻓﺎ ً ﻣﻦ أﻋﻀﺎﺋﮫ‬
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