Universität Koblenz-Landau Campus Koblenz Germanistisches Institut Proseminar: Einführung in die Sprachwissenschaft Notationshinweise zur Erstellung von Baumgraphenschemata Die praktische Syntaxanalyse leistet einen wichtigen Beitrag zum Verstehen grammatischer Strukturen. Aus diesem Grunde nimmt sie auch innerhalb der „Einführung in die Sprachwissenschaft“ einen vergleichsweise großen Raum ein. Um Ihnen den Zugang und die konkrete Analyse zu erleichtern, erhalten Sie diese Notationshinweise. Sie ersetzen selbstverständlich nicht den theoretischen Hintergrund der Analyse, der an dieser Stelle nicht geleistet wird (dafür sind Proseminar, Tutorium und Lehrbuch schließlich da). Das Koblenzer Baumgraphenschema stellt eine eigenständige Ausprägung der üb lichen Konstituentenstrukturschemata dar. Die ´klassische` Konstituentenstruktur beschränkt sich dabei auf die Darstellung der jeweiligen Konstituenten des Satzes (in unserem Modell „Knoten“ genannt). In Anlehnungen des von Eichler/Bünting (siehe Literatur hinweise) in ihrer Deutschen Grammatik verwendeten Modells enthalten die „Kanten“ die syntaktischen Funktionen des analysierten Satzes. Denken Sie bitte immer daran, dass es sich bei unseren Syntaxanalysen immer um Analysen abstrakter grammatischer Strukturen handelt. 1. Grammatische Kategorien – grammatische Funktionen Grammatische Kategorien stellen die Knotenpunkte des Schemas dar. Grammatische Funktionen werden auf den Kanten notiert. Kategorie Kategorie Kategorie Kategorie Kategorie Kategorie Kategorie 1 I Grammatische Kategorien II Grammatische Funktionen/Relationen S NP VP PP AP Satz Nominalphrase Verbalphrase Präpositionalphrase Adjektivphrase Sub Präd Det Kopf Erg N V VV MV Aux IV Nomen Verb Vollverb Modalverb Auxiliar (Hilfsverb) infinites Verb (Infinitiv, Partizip) Adjektiv Artikel Adverb Präposition Pronomen Konjunktion Partikel AkkO DatO GenO PräpErg Adj Art Adv Präp Pron Konj Part Prädk Attrib aB koord subord Subjekt Prädikat Determinante Kopf Ergänzung (unspezifiziert) Akkusativobjekt Dativobjekt Genitivobjekt Präpositionalergänzung Prädikativ Attribut adverbielle Bestimmung Koordination Subordination steht für nichtanalysierte Sätze, Phrasen und Phrasenelemente v Comp oder Complementiv 2. Phrasen Eine Phrase besteht aus einem obligatorischen Kopf (oder Kern) und einem funktionalen Complement, wobei der Kopf das Complement regiert. Die einzelnen Phrasen werden nach der Wortart der Phrasenköpfe bezeichnet. Vier Wortarten sind phrasenfähig: Nomen, Verben, Adjektive und Präpositionen. NP - das Nomen regiert das Complement hinsichtlich Numerus, Genus und Kasus VP - das Verb regiert das Complement hinsichtlich weiterer obligatorischer Ergänzungen (zu denen als Subkla sse Akkusativ-, Dativ- und Genitivobjekt gehören) PP - die Präposition regiert das Complement hinsichtlich des Kasus der folgenden NP AP - das Adjektiv regiert das Complement hinsichtlich weiterer obligatorischer Elemente (NP, weitere AP, Adv. oder Part.) Als Grundregel bei der Analyse gilt: phrasenfähige Wortarten bilden grundsätzlich eine Phrase. 2 2.1. Nominalphrase NP Art/Pron N Eine NP kann durch ein Pronomen ersetzt werden. Ein Pronomen ist jedoch nicht phrasenfähig. S (NP) Pron VP V 2.2. Verbalphrase Die Verbalphrasen haben hinsichtlich der dependentiellen Wertigkeit des Verbs unterschiedliche Strukturen. Diese unterschiedlichen Strukturen bilden eine beschränkte Zahl von grundlegenden Satzmustern, wobei nur bestimmte Konstituenten möglich sind. 2.3. Adjektivphrase AP NP/PP/AP/Adv. Adj 3 2.4. Präpositionalphrase PP Präp NP 3. Grundmuster deutscher Sätze 3.1. Satz S NP VP 3.2. Sätze ohne Ergänzung S NP VP die Sonne V scheint 4 3.3. Sätze mit einer Ergänzung (Objekt, präpositionale Ergänzung oder andere Ergänzung) 1 = AkkO 2 = DatO 3 = GenO 4 = PräpErg 5 = übrige Erg S NP VP V 1 2 3 4 das Kind der Sohn japanisches Bier Vertrauen diese Maschine 5 der Film NP/PP nimmt hat geholfen bedarf beruht fliegt dauert den Ball dem Vater der Gewöhnung auf Gegenseitigkeit nach München zwei Stunden 3.4. Sätze mit zwei Ergänzungen (zwei Objekte oder ein Objekt und eine präpositionale Ergänzung) 1 = DatO + AkkO 2 = AkkO + GenO 3 = AkkO + PräpErg 4 = DatO + PräpErg S NP VP V 1 2 3 4 ein Zeuge die Schüler der Sekretär ich schildert beraubten adressiert danke NP dem Richter den jungen Lehrer den Brief dir NP/PP den Unfall seiner Träume an die Bank für deine Hilfe 5 3.5. Sätze mit drei Ergänzungen (zwei Objekte und eine präpositionale Ergänzung oder ein Objekt und zwei präpositionale Ergänzungen) 1 = DatO+AkkO+PräpErg 2 = DatO+PräpErg+PräpErg 3 = AkkO+PräpErg+PräpErg S NP VP V 1 die Dozentin 2 der Arzt 3 James NP warf schneidet übersetzt NP/PP den Studierenden dem Patienten den Artikel PP die Grammatik vor die Füße mit einem Skalpell in die Nase aus dem Englischen ins Deutsche 3.6. Sätze mit prädikativer oder prädikativähnlicher Ergänzung 1 = Kopulaverb + prädikatives Adjektiv 2 = Kopulaverb + Prädikatsnomen (Gleichs etzungsnominativ) S NP VP V 1 2 Else Kafka ist war AP/NP müde ein Junggeselle 6 3 = Gleichsetzungsakkusativ S NP 3 VP Erwin V NP nennt Möller NP eine Tanzmaus 4 = Sätze mit prädikativer AP S NP VP V 4 der Dozent ist AP NP/PP Adj die Arbeit leid 7 4. Erweiterte und komplexe Syntax 4.1. Attribut vorangestelltes Attribut (pränominal) NP AP/NP das des N rote Vaters Hemd Hose nachgestelltes Attribut (postnominal) NP N der das eine AP/NP/PP/S Sinn Geld Erklärung der Übung für die Bücher die ich nicht verstehe (Relativsatz!!!) 4.2. Koordination Kategorie (z.B. S) Kategorie (NP/AP u.s.w.) Konj und oder und Kategorie 1 Himmel arm gehe über Los Kategorie 2 Erde reich ziehe EUR 2000,- ein 8 4.3. Adverbial (adverbielle Bestimmung) 4.3.1. Verbadverbial S NP VP V S/NP/etc. Adv./AP/PP/NP/S die Sekretärin reagierte unfreundlich Konj. weil sie keine Zeit hatte 4.3.2. Adverbial zur Verbalphrase S NP müde Nikoläuse VP V NP/etc. Adv./AP/PP/NP/S trinken Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt (dann fahren sie in die Altstadt und essen eine Pizza) 9 4.3.3. Satzadverbial S NP V wir Adv./AP/PP/NP/ S VP sprachen PP/etc. über das Adverb Konj. als auf dem Pausenhof ein Meteorit einschlug (Adverbialsatz!!!) 4.4. Sätze als obligatorische Satzfunktionen 4.4.1. Subjektsatz S S wer eine Frage hat ob du das gut findest VP soll fragen interessiert mich nicht 10 4.4.2. (Neben-/Glied-) Sätze als Objekte oder als präpositionale Ergänzungen S NP VP V die Dozentin glaubt S Konj dass alle ihre Übungsaufgaben lösen können Literaturhinweise: Eichler, Wolfgang/Bünting, Karl- Dieter 1989: Deutsche Grammatik, Form, Leistung und Gebrauch der Gegenwartssprache, 4. Aufl., Frankfurt/Main [zuerst 1978]. Eisenberg, Peter 1994: Grundriß der deutschen Grammatik, 3. überarb. Aufl., Stuttgart. Grewendorf, Günther/Hamm, Fritz/Sternefeld, Wolfgang 1989: Sprachliches Wissen. Eine Einführung in moderne Theorien der grammatischen Beschreibung, 3. durchg. Aufl., Frankfurt/Main [zuerst 1987]. 11