MARKT Quoten-Ausstieg: Was Milchprofis fordern D Viele Vollerwerbsbetriebe fordern die verbindliche Ankündigung des Quotenausstiegs. Doch Bauernverband und Politik verschleppen das Thema. Hans-Eggert Rohwer, Stafstedt, SchleswigHolstein, 160 Kühe Peter Cornelius, Milchviehbetriebe in Seevern (Niedersachsen) und Brandenburg ie Quotenregelung ist zum Albtraum für die Milcherzeuger geworden. Der Druck auf die Betriebe wächst, denn sinkende Milchpreise können nur über eine Erhöhung der Nikolaus Fläming, Sadisdorf, Sachsen 530 Kühe Scheingefechte der Politik Mengen-Steuerung selbst übernehmen Milchquote hilft nur den Aussteigern „Ich persönlich glaube nicht an einen Ausstieg aus der Quote. Sie ist für den Staat ein zu wichtiges Instrument der Strukturpolitik. Trotzdem halte ich als aktiver Milcherzeuger einen Quotenausstieg für wünschenswert. Er wird aber nicht vor 2014 kommen, da es hierfür in der EU derzeit keine Mehrheit gibt. Die Diskussion von Politikern und Funktionären darüber halte ich für Scheingefechte. Bis dahin sollte auf jeden Fall die Quote bundesweit handelbar sein. Dies ist dringend notwendig, da sich z. B. in Schleswig-Holstein die Durchschnittsleistung im letzten Jahr um 340 kg Milch/Kuh erhöhte. Bei 60 Kühen ergibt sich alleine daraus ein Quotenbedarf von 20 000 kg. Einen kompletten Wegfall der Saldierung halte ich nicht für sinnvoll, da dann viele Betriebe unterliefern werden. Es macht aber betriebswirtschaftlich mehr Sinn, die Quote zu 100 % auszunutzen. Für meinen Betrieb würde ich auch bei einem angekündigten Ausstieg noch Quote im Rahmen der Leistungssteigerung zukaufen, sofern der Preis stimmt. Ich würde versuchen so schnell wie möglich auf die an meinem Standort genehmigten 220 Kühe aufzustocken.“ „Ob es schon im nächsten Milchwirtschaftsjahr zu einer Saldierungsbegrenzung kommt, ist für mich mehr als fraglich. Die Diskussion darüber hat auf jeden Fall beim letzten Börsentermin die Quotenpreise angeheizt. Um die Situation zu entschärfen, bin ich für eine bundesweite Quotenbörse. Je größer das Übertragungsgebiet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Preis sinkt. Nach der Kürzung der Exporterstattungen und den Beschlüssen der Agrarreform würde ich am liebsten 2006 aus der Quote aussteigen. Das ist aber unrealistisch und ich erwarte, dass sich vor 2014 nichts tut. Wichtig ist für mich, dass wir nach dem Ausstieg nicht von der Milch überschwemmt werden. Die Milchwirtschaft, d. h. die Bauern und die Molkereien, müssen die Mengensteuerung selbst in die Hand nehmen, ähnlich wie es ab dem nächsten Jahr in der Schweiz geschieht. Wir sollten dies sehr genau beobachten. Nach einem Quotenausstieg würden wir unsere jetzige Betriebsstrategie nicht ändern. Der begrenzende Faktor ist die Arbeitszeit. Unsere Erfahrungen in Brandenburg haben gezeigt, dass Fremd-AK zu teuer sind und damit kein Geld zu verdienen ist.“ „Die Diskussion über die Kappung der Saldierung ist eindeutig eine reine Neiddiskussion. Der Wegfall wird auf dem Markt keine höheren Milchpreise bringen. Stattdessen würde dies regional einigen Betrieben nur schaden, ohne dass ein Nutzen für die Allgemeinheit entsteht. Um Auswüchsen vorzubeugen halte ich eine Begrenzung der Molkereisaldierung auf 10 % für richtig. Unser derzeitiges Quotensystem ist für mich ein reines Besitzstandsdenken, das nur Aussteigern hilft. Es schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Milchviehbetriebe auf den Weltmärkten. Deshalb bin ich ein glühender Verfechter eines möglichst schnellen Quotenausstiegs. Dieser ist aus meiner Sicht von der EU spätestens für 2014 bereits beschlossen. Die alsbaldige Ankündigung eines frühen Ausstiegs würde den Zugang zu Quoten für wachstumswillige Betriebe zu betriebswirtschaftlich vertretbaren Preisen ermöglichen. Für die Zeit nach dem Quotenausstieg haben wir mit dem Neubau des Kuhstalls bereits die wichtigste Grundlage geschaffen. An unserem Standort gibt es keine Alternative zur Milchproduktion. Wir wollen unsere Kapazitäten voll nutzen und wachsen können.“ R10 top agrar 1/2006 Menge ausgeglichen werden. Die Milchprofis sind frustriert und warten darauf, endlich Gas geben zu können. Für sie ist die Quotenregelung zum größten Hemmschuh für die weitere Betriebsentwicklung geworden. top agrar sprach darüber mit zahlreichen Milcherzeugern aus dem gesamten Bundesgebiet, die auch langfristig mit der Milch Geld verdienen wollen: ■ Bringt die Begrenzung der Saldierung und die Schaffung einer Bundesbörse die Betriebe wirklich weiter? ■ Ist der Quotenausstieg für die Betriebe die bessere Lösung? Berthold Lauer, Großsteinhausen, RheinlandPfalz, 70 Kühe ■ Wie würden Sie in Ihrem Betrieb darauf reagieren und was würden Sie nach einem Quotenausstieg tun? Wichtigstes Ergebnis der Umfrage: Viele befragte Milcherzeuger sind für einen Ausstieg aus der Quotenregelung. Sie schwächt besonders die Wettbewerbsfähigkeit von Wachstumsbetrieben, die vielfach Quotenkosten von über 5 Ct/kg haben. Deshalb will ein Teil der Befragten möglichst schnell, das heißt schon 2009 aus der Quote aussteigen. Andere plädieren für eine verbindliche Ankündigung des Ausstiegs für 2014. Nach einen Quotenausstieg wollen fast Erwin Pfeifle, Gomadingen, BadenWürttemberg, 75 Kühe alle Befragten ihre Milchkuhbestände aufstocken und ihre Produktionskapazitäten voll ausnutzen. Sie trauen sich zu, ihre Milchmenge um 30 % bis 100 % zu erhöhen, ohne dafür große Investitionen tätigen zu müssen. Das bedeutet: Nach dem Quotenausstieg würden zwar die Quotenkosten entfallen, aber auch die Milchüberschüsse in Deutschland und der EU weiter steigen. Wir brauchen demnach für die „Zeit danach“ ein neues Instrument der Mengensteuerung, z. B. ein Lieferrecht. Die Diskussion darüber muss dringend geführt werden! -wm/do- Johann Aringer, Vogtareuth, Bayern, 75 Kühe Quoten-Ausstieg möglichst 2009 Ausstieg verbindlich ankündigen Für schnellen Quoten-Ausstieg „Von einer Begrenzung der Saldierung halte ich nicht viel. Die Effekte auf den Markt sind gering. Auch bei dem bundesweiten Quotenhandel macht man sich Illusionen. Die Westdeutschen schielen dabei doch nur auf die billigen Quoten im Osten. Bei einer Bundesbörse wären die Preise schnell wieder oben, da viele Nachfrager auf Teufel kommt raus bieten und die Wirtschaftlichkeit außer acht lassen. Die Quotenregelung wurde nie zum Zwecke der Mengenregulierung genutzt. Die geplante EU-weite Quotenerhöhung ist das beste Zeichen dafür. Deshalb gibt es keinen Grund an der Quote festzuhalten, sie kostet die Betriebe nur unnötig Geld. Da ich in den letzten Jahren wenig in Quote investiert habe, kann ich mich mit einem Ausstieg 2009 anfreunden. Bei einem späteren Termin wird es nicht den erwarteten Preisverfall geben, da viele Betriebe überliefern und beim Kauf zu wenig rechnen. Aufgrund der enormen Leistungssteigerung der letzten Jahre verfügen wir über freie Stallplätze. Ohne zu investieren könnte ich 850 000 kg Milch melken.Theoretisch können wir die Produktion verdoppeln, da der Jungviehstall als Kuhstall konzipiert ist. Der begrenzende Faktor ist die Arbeitszeit.“ „Die aktuelle Diskussion über die Saldierungsbegrenzung und die Schaffung einer bundeseinheitlichen Quotenbörse sind Nebenkriegsschauplätze. Damit lösen wir das Milchmarktproblem nicht. Meiner Meinung nach gibt es dafür nur zwei Lösungsansätze: Die Molkereien müssen durch hochwertige Produkte weitere Exportmärkte erschließen oder die Milchanlieferung muss von staatlicher Seite zurückgeführt werden. Da aber Letzteres politisch nicht gewollt ist, stehen die Weichen in Richtung Quotenausstieg. Einen Ausstieg vor 2014 kann ich mir aber nicht vorstellen. Dazu steckt gerade in zukunftsorientierten Betrieben zuviel Geld in Quoten. Vielmehr muss der Ausstieg mit sechs bis acht Jahren Vorlauf verbindlich angekündigt werden, um den Wert der Quote zu drücken und um Planungssicherheit zu schaffen. Bei einem angekündigten Ausstieg würde ich in meinem Betrieb bis zum Ende der Quotenregelung die Futterund Tierqualität weiter verbessern. Nach dem Quotenausstieg würde ich alle verfügbaren Plätze zur Milchproduktion nutzen. Ich könnte dann Richtung 1 Mio. kg Milch melken und würde das auch unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit tun.“ „Als BDM-Mitglied befürworte ich einen Milchlieferstreik, sehe ihn aber nur bedingt als Druckmittel für höhere Milchpreise, da die Solidariät unter den Milcherzeugern für einen flächendeckenden Streik fehlt. Wir können nur Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen, wenn das Angebot der Milch massiv gebündelt wird, wie es auf der Abnehmerseite der Fall ist. Wenn die Quote bundesweit handelbar wäre, würde das zu einer Entlastung der extrem hohen Quotenpreise von zuletzt 64 Cent in Oberbayern führen. Dagegen würde eine Begrenzung der Saldierung die Preise wieder nach oben ziehen. Für entwicklungsfähige Betriebe wäre der baldige Quotenausstieg im Jahr 2009 ein Vorteil. Dieser müsste jetzt angekündigt werden, damit die Betriebe keine falschen Investitionen mehr tätigen. Es kann nicht sein, dass bei einer Aufstockung die Quote teurer ist als der Kuhplatz. Während ich für einen zusätzlichen Stallplatz 3 000 E aufwenden müsste, würde die dafür notwendige Quote bei den jetzigen Preisen fast 5 000 E kosten. Wenn der Quotenausstieg verbindlich angekündigt ist, würde ich keine Quote mehr kaufen, sondern meine Herde selektieren und erst nach dem Auslaufen der Quotenregelung meine Kapazitäten voll nutzen.“ top agrar 1/2006 R 11