Pankreatitis bei Patienten mit Hyperparathyreoidismus

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5 Diskussion
Die Auswertung der Daten von 826 Patienten mit einem Hyperparathyreoidismus
(HPT) erlaubte erstmalig eine umfassende Analyse einer großen Kohorte auf die
folgenden wissenschaftlich ungeklärten Fragestellungen: Wie hoch ist die
Prävalenz
einer
Pankreatitis
bei
Patienten
mit
einem
primären
Hyperparathyreoidismus in Deutschland und gibt es zusätzliche Pankreatitis
assoziierte
genetische
Risikofaktoren
bei
Patienten
mit
einem
primären
Hyperparathyreoidismus und Pankreatitis?
Zur Beantwortung der ersten Fragestellung erfolgte die Auswertung der prospektiv
über den Zeitraum von 1987 bis 2002 erhobenen Daten hinsichtlich einer
diagnostizierten Pankreatitis, wobei diese bei 38 der Patienten (4,6 %) festgestellt
wurde und dies einem Wert entspricht , der leicht oberhalb der zuvor publizierten
Häufigkeiten liegt (siehe Tabelle 9).
Tabelle 9:Studien zur Korrelation pHPT/Pankreatitis
Studien
Zeitraum
Patienten
Pankreatitis
Häufigkeit
Ergebnis
n=1153
N=17
1.5 %
Keine Korrelation
n=686
N=10
1.5 %
Korrelation nicht
mit pHPT
Bess, Edis et al.
1950-1975
1980 [10]
van Lanschot and
Bruining 1984 [99]
Ronni-Sivula 1985
ausgeschlossen
1956-1979
n=240
N=8
3.3 %
[73]
Koppelberg,
Korrelation nicht
beschrieben
1987-1992
n=234
N=13
5.6 %
Bartsch et al.1994
Korrelation
vorhanden
[45]
Carnaille, Oudar et
n=1224
N=40
3.2 %
al. 1998 [15]
Agarwal, George
vorhanden
1991-2003
n=87
N=6
6.8 %
et al. 2003 [1]
Mittelung
Korrelation
Korrelation
Vorhanden
∑ n=3624
∑ n=94
39
Ø=2.6 %
Dabei wird der Zusammenhang zwischen dem HPT und einer Pankreatitis nun
schon seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Bereits 1962 wurde durch Mixter et
al. [58] ein Zusammenhang zwischen einem HPT und der Pankreatitis postuliert.
Durch zwei in den 90er Jahren publizierten Studien mit großen Patientenkohorten
(n = 1153 und n = 686 Patienten) [10, 99] wurde dies allerdings erstmalig
angezweifelt, denn die Auftretenshäufigkeit einer Pankreatitis bei Patienten mit
HPT betrug lediglich 1,5 %. In ihrer Studie werteten Bess et al. [10] dabei
retrospektiv Daten von 1153 Patienten aus, welche im Zeitraum zwischen 1950 bis
1975 behandelt worden waren. Es wurde nur bei 17 Patienten eine Pankreatitis
diagnostiziert (1,5 %), weshalb die zuvor angenommene Assoziation von HPT und
Pankreatitis angezweifelt wurde. Die Diagnose der Pankreatitis wurde dabei
anhand von abdominellen Beschwerden und erhöhten Laborparametern (Amylase
und Lipase), sowie radiologisch nachgewiesenen Pankreasverkalkungen und
klinischen Zeichen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz gestellt. Eine Angabe
über die Diagnosekriterien des HPT, sowie über den Kalziumspiegel wurde nicht
gemacht. Zu bedenken ist, dass es sich zwar um eine sehr große Kohorte
handelte, die verwendeten Daten jedoch retrospektiv erhoben wurden und die
Diagnosekriterien ggf. eine geringere Sensitivität besaßen. Ronni-Sivula wertete
1985 Daten von 240 Patienten aus und gab die Auftretenswahrscheinlichkeit für
eine Pankreatitis mit 3,3 % an [73], die in den letzten größeren Studien durch
Carnaille et al. [15] (1998; n = 1224 Patienten) und durch Agarwal et al. [1] (2003;
n = 87 Patienten) in ihrer Tendenz bestätigt wurden (3,2 % bzw. 6,8 %). Agarwal
et al. [1], die die höchste Prävalenz beschrieben, wiesen bei 6 von 87 Patienten
(6,8 %) eine Pankreatitis nach, wobei die Kohorte mit 87 Patienten sehr klein war
und die Pankreatitis einmal erst nach der operativen Sanierung des HPT auftrat
und somit nicht gesichert durch den HPT bedingt gewesen ist. Dieses Beispiel
erläutert somit sehr anschaulich die Gefahr einer kleinen Studienkohorte und
möglicher
systemischer
Fehler
in
den
Einschlusskriterien,
die
bei
der
Rekrutierung, der im Rahmen dieser Dissertation untersuchten Patienten,
hinsichtlich dieser beiden Punkte vermieden wurde.
Die Diskrepanz der Auftretenshäufigkeiten einer Pankreatitis bei Patienten mit
einem
HPT
lässt
sich
möglicherweise
zudem
durch
sensitivere
Screeningmethoden aber auch durch mögliche, nun zu diskutierende, genetische
Unterschiede durch unterschiedliche Herkunftsländer erklären (siehe Tabelle 9).
40
Anhand der aktuell bestehenden Datenlagen liegen die von uns erhobenen
prospektiven Werte zur Auftretenswahrscheinlichkeit einer Pankreatitis bei
Patienten mit einem HPT mit 4,6 % in einem, mit den bereits publizierten Studien,
vergleichbaren Bereich.
Obwohl die Pankreatitishäufigkeit in den Industrienationen in den letzten 50
Jahren
deutlich
zugenommen
hat,
existieren
nur
wenige
Daten
zur
Pankreatitishäufigkeit in der deutschen Bevölkerung. Prof. Lankisch aus Lüneburg
hat im Zeitraum von 1988 – 1995 Zahlen zur Epidemiologie der Pankreatitis in
Deutschland erhoben. Die Inzidenz einer akuten Pankreatitis lag in diesem
Zeitraum in der Region Lüneburg bei 19,7/100000 Einwohner/Jahr, die der
chronischen Pankreatitis bei 6,4/100000 Einwohnern/Jahr. Die altersspezifische
Häufigkeit zeigte einen Gipfel für die akute Pankreatitis in der Altersgruppe
zwischen 35 - 44 Jahren und für die chronische Pankreatitis bei 45 – 54 Jahren
[48].
In der hier untersuchten Kohorte trat eine akute Pankreatitis bei umgerechnet
193/100000 Patienten/Jahr auf und eine chronische Pankreatitis bei 113/100000
Patienten/Jahr.
Die
aktuellen
Daten
dokumentieren
damit,
dass
das
Pankreatitisrisiko bei Patienten mit einem pHPT um ca. das 10 fache erhöht ist.
Trotzdem tritt sie mit 4,6% insgesamt nur selten auf, insbesondere hinsichtlich der
für Nierensteine (45 %), Knochenschmerzen (35 %) und peptischen Ulcera (9 %)
dokumentierten deutlich erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeiten.
Somit muss auch die pathophysiologische Bedeutung der im Rahmen des pHPT
auftretenden Hyperkalzämie und der Zusammenhang mit der Pankreatitis als
monokausaler Auslöser in Frage gestellt werden, der sich in der Aufführung der
Hyperkalzämie bzw. der HPT in den gängigen Risikofaktorentabellen für eine AP
und CP widerspiegelt [32, 41] (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2). Die Ergebnisse
deuten darauf hin, dass möglicherweise zusätzliche krankheits-modifizierende
Faktoren (z.B. genetische Faktoren und Umweltfaktoren) die Entwicklung einer
Pankreatitis bei Patienten mit einem pHPT beeinflussen könnten.
Hintergrund der Diskussion einer Korrelation von HPT und Pankreatitis ist der
postulierte pathophysiologische Mechanismus einer Hyperkalzämie vermittelten
intrapankreatischen Trypsinaktivierung [29]. Unter physiologischen Bedingungen
werden die Zymogene, unter ihnen Trypsinogen, im kalziumreichen Milieu des
41
Duodenums durch die Enterokinase aktiviert. Trypsin ist zudem in der Lage,
andere Zymogene wie Proelastase und Chymotrypsinogen zu aktivieren und
besitzt darüber hinaus die Fähigkeit zur Autoaktivierung.
Bei der Pankreatitis beginnt die Trypsinaktivierung bereits innerhalb des Pankreas
und leitet so die Selbstverdauung des Organs und damit die Pankreatitis ein.
Kalzium spielt dabei eine essentielle Rolle. Haverback et al. konnten bereits 1960
nachweisen, dass Kalzium die Trypsinaktivierung steigert [38] und vermuteten,
dass die HPT assoziierte Hyperkalzämie eine vermehrte intrapankreatische
Konversion von Trypsinogen in Trypsin bedingt. Ward et al. zeigten, dass ein
Anstieg des freien zytosolischen Kalziums als Auslöser einer Pankreatitis in Frage
kommt [100, 101]. Diese Hypothese wurde durch Studien an Mäusen durch
Mooren et al. bestärkt [59], denen es durch die Gabe des Kalzium Chelators
BAPTA-AM gelang, nicht nur die Trypsinogenaktivität, sondern auch die
Entstehung einer Pankreatitis signifikant zu reduzieren [59]. Krüger et al.
untersuchten die Trypsinogenaktivierung an isolierten Pankreas-Azinus-Zellen invivo und bestätigten, dass Kalzium zur intrazellulären Trypsinogenaktivierung
notwendig ist [47]. Dabei ergaben sich Hinweise dafür, dass eine zusätzliche
Umverteilung des Kalziums in andere Zellregionen, die Dauer des KalziumionenEinstroms und die Lokalisation der intrazellulären Kalziumionen-Freisetzung direkt
an der Zymogenaktivierung beteiligt zu sein scheinen [47]. Zugleich bestätigten
sie, dass eine Absenkung sowohl der extrazellulären als auch der intrazellulären
Kalziumionen-Konzentration die intrazelluläre Proteasenaktivierung erniedrigt bzw.
vollständig aufhebt [47].
Die Kalziumhomöostase der Azinuszelle ist daher der vermutete kausale
Pathomechanismus bei der Entstehung der Pankreatitis bei Patienten mit einem
HPT. Die hier erhobenen Daten weisen allerdings darauf hin, dass die
Hyperkalzämie nicht der allein auslösende Faktor zu sein scheint. Darüber hinaus
scheint zumindest eine Hyperkalzämie von einer überwiegenden Mehrheit der
Patienten ohne Entwicklung einer Pankreatitis (95,4 %) toleriert zu werden.
In den letzten Jahren wurde die Hypothese der krankheits-modifizierenden
Faktoren bei der Entstehung einer Pankreatitis, im Rahmen einer Hyperkalzämie,
durch weitere Studien unterstützt [30, 31]. Bei der Untersuchung einer Familie mit
einer
chronischen
Pankreatitis
sowie
42
einer
familiären
hypokalziurischen
Hyperkalzämie, die eine asymptomatische Hyperkalzämie bedingt, konnte eine
Kombination einer SPINK1 N34S Mutation mit einer Mutation des Calcium-sensing
Receptors (CaSR) (L518P) als Auslöser der Pankreatitis nachgewiesen werden
[30]. Mutationen im CaSR-Gen waren bis zu dieser Studie einzig als Auslöser für
Erkrankungen des Kalziumstoffwechsels, wie der familiären hypokalziurischen
Hyperkalzämie, der autosomal dominanten Hypokalzämie sowie des schweren
neonatalen Hyperparathyreoidismus bekannt.
Aus den erhobenen Daten lässt sich ebenfalls vermuten, dass zusätzliche
„disease modifier“, hier Mutationen im CaSR, bei der Genese der Pankreatitis eine
Rolle spielen [30], denn erst die Kombination aus CaSR-Mutation und
SPINK1(N34S)-Mutation löste den Phänotyp einer chronischen Pankreatitis aus,
Träger einer einzelnen Mutation (CaSR oder SPINK1) blieben beschwerdefrei
[30]. Eine Studie an einer großen Kohorte mit ICP bestätigte dies, indem eine
weitere Familie mit dieser Konstellation gefunden wurde [31].
Diese Überlegung wird zudem durch die im Jahr 2002 durch Racz et al. publizierte
Charakterisierung des CaSR auf duktalen und azinären Pankreaszellen unterstützt
[69], wobei postuliert wurde, dass der CaSR im Pankreas eine multifunktionale
physiologische Rolle bei der Regulation der Kalziumkonzentration im Pankreassaft
spielen könnte [69]. Interessanterweise wurde im Jahre 2007 eine weitere Studie
von Murugaian et al. publiziert [60], die Mutationen im CaSR Gen bei Patienten mit
einer tropischen Pankreatitis (TP) entdeckten, wobei insbesondere für diese
Kohorten eine Assoziation mit N34S SPINK1 Mutationen bekannt ist. Auch hier
ergeben sich somit Hinweise auf eine multifaktorielle Genese und eine
Abhängigkeit von der Kalziumhomöostase.
Aufgrund der bis zum heutigen Zeitpunkt bestehenden Daten, bezüglich der
Hypothese von krankheits-modifizierenden Faktoren bei der Entstehung einer
Pankreatitis, lag damit die Schlussfolgerung einer Untersuchung auf genetische,
mit Pankreatitis-assoziierter Risikofaktoren nahe.
Zu den im Rahmen dieser Dissertation untersuchen Mutationen gehörten die im
PRSS1-Gen (N29I und R122H), die eine erhöhte Trypsinogenaktivität verursachen
[74, 75] und als Auslöser einer hereditären Pankreatitis bekannt sind. N29I und
R122H sind dabei für mehr als 95% der HP Fälle verantwortlich, wobei auch
seltenere mit HP assoziierte Mutationen wie A121T, V123M oder R122C mittels
43
unserer Methode detektiert worden wären. Keiner dieser Mutationen konnte in
unserer Kohorte nachgewiesen werden. Dies verwundert im Nachhinein nicht, da
im Regelfall bei der durch Mutationen verursachten HP eine Pankreatitis bereits im
Jugendalter (13,9 ± 12,2) auftritt [52] und die Penetranz der Erkrankung mit 80%
sehr hoch ist. Neben einer leeren Familienanamnese betrug das durchschnittliche
Erkrankungsalter in der untersuchten Kohorte bei der Diagnosestellung, 57 ± 2,5
Jahre, was eine HP oder HP-assozierte Mutation unwahrscheinlich macht.
Bei 16 % unserer Patienten (4 von 25 Patienten) konnte dagegen eine SPINK1
Mutation
(N34S)
nachgewiesen
werden.
SPINK1
ist
der
wichtigste
intrapankreatische Trypsin-Inhibitor, der Trypsin durch kovalente Bindung
zwischen dem katalytischen Serin der Protease und einem Lysin im reaktiven
Zentrum von SPINK1 inhibiert. Im Gegensatz zu den PRSS1-Mutationen wird
somit vermutet, dass die N34S Mutation im SPINK1-Gen physiologische
Abwehrmechanismen gegen eine inadäquate oder verfrühte Enzymaktivität
beeinflusst [7, 62, 95]. Es gilt als bestätigt, dass die N34S Mutation als häufigste
SPINK1-Gen-Mutation mit unterschiedlichen Formen der CP assoziiert ist
[72, 105], allerdings scheinen N34S-SPINK1-Mutationen eine Pankreatitis dabei
nicht selbständig auszulösen, sondern nur zusammen mit weiteren genetischen
oder Umweltfaktoren [68, 72].
Weder in-vitro Experimente noch Experimente an knock out Mäusen konnten
dabei bis heute die Rolle der N34S Mutation abschließend erklären. Obwohl es
sich zeigte, dass sich bei einem Ungleichgewicht zwischen Trypsin-Aktivität und
ihrer Hemmung durch SPINK1 eine Pankreatitis entwickelt, führt die N34S
Mutation allein weder zu einem Funktionsverlust des Proteins [39, 55] noch zu
einer eingeschränkten Sekretion [43]. Es ist daher abschließend nicht geklärt, wie
SPINK1
Mutationen
zu
einem
Funktionsverlust
oder
zu
einer
Funktionseinschränkung des Proteaseninhibitors führen und dadurch eine erhöhte
intrapankreatische Trypsinaktivität bedingen.
Nach der Erstbeschreibung von SPINK1-Mutationen bei Patienten mit einer
idiopathischen chronischen Pankreatitis (ICP) durch Chen et al. [16] konnten Witt
et al. als erste eine Assoziation aufzeigen [104]. In Ihrer Studie hatten 23 % der
Patienten mit einer ICP eine SPINK1 Mutationen. Dabei handelt es sich im
Wesentlichen (bei 18 von 22 Patienten (81 %)) um eine N34S Mutation. Im
44
Weiteren zeigten sich seltenere Mutationen am N-terminalen Ende des Moleküls
(P55S). Es fanden sich sowohl heterozygote als auch homozygote N34SPatienten (6 von 22 Patienten waren homozygot), wobei ein phänotypischer
Unterschied zwischen beiden Gruppen nicht festzustellen war. In weiteren Studien
wurde dieser Zusammenhang belegt und diskutiert. Dabei scheint eine
Kombination mit anderen Gendefekten oder Umweltfaktoren zur Induzierung der
Erkrankung („disease modifier“) notwendig zu sein [6, 63, 68]. Seit ihrer
Entdeckung wurden N34S Mutationen in weiteren Pankreatitiskohorten mit
tropischer Pankreatitis (44 %) [11] und äthyltoxischen Pankreatitis (6,3 % [78] und
9,2 % [97]) identifiziert.
Bei der TP werden als pathogenetisch additive Risikofaktoren eine Malnutrition,
Antioxidantien-Defizienz oder eine toxische Schädigung des Pankreas durch
Cassavawurzel-Konsum (enthält toxische zyanogene Glykoside) diskutiert, wobei
2007 mit den CaSR Mutationen ein weiterer genetischer Risikofaktor, der auf eine
multifaktorielle genetische Ursache deutet, identifiziert wurde [60].
Bhatia et al. konnten bei 44 Prozent der von ihnen untersuchten Patienten mit
einer TP eine N34S-Mutation nachweisen [11]. Diese Daten lassen vermuten,
dass genetische Dispositionsfaktoren wie z.B. die SPINK1 Mutationen bei der
Pathogenese der TP eine wichtige Rolle spielen.
Weitere Studien konnten eine signifikante Korrelation zwischen N34S Mutationen
und
einer
[27; 94; 105],
alkoholinduzierten
so
dass
sich
chronischen
vermuten
Pankreatitis
lässt,
dass
(ACP)
nachweisen
ein
modifiziertes
Proteaseninhibitorsystem auch bei einer ACP pathogenetisch bedeutsam ist.
Allerdings scheint der Einfluss der N34S-Mutation nicht so ausgeprägt wie bei der
ICP und TP zu sein, denn es werden lediglich Auftretenshäufigkeiten von 6,3 %
[78] bzw. 9,2 % [97] der SPINK1 Mutationen bei Patienten mit einer AP
angegeben.
Die mögliche Funktion der N34S SPINK1 Mutation als „disease modifier“ wird
auch dadurch deutlich, dass Mutationsträger häufig in der Normalbevölkerung
vorkommen. Dabei wird eine Häufigkeit von 1,6 % in den USA [68, 78], 1,58 % in
Frankreich [16], 1 % in der Schweiz [96], 2,6 % in Finnland [97] und 0,36 % [104]
bzw.
1,6 %
[90]
in
Deutschland
beschrieben,
Pakreatitishäufigkeit liegt.
45
die
deutlich
über
der
Die N34S SPINK1 Mutationshäufigkeit von 16 % in unserer pHPT/PankreatitisSubgruppe überschreitet die Auftretenswahrscheinlichkeit von ungefähr 1 % in der
Normalbevölkerung signifikant, womit ein zusätzlicher genetischer Mechanismus
der Pankreatitisinduktion bei Patienten mit pHPT bewiesen scheint. Es ist in
diesem Zusammenhang interessant, dass der einzige Patient mit einem pHPT und
einer Pankreatitis, der bis zum jetzigen Zeitpunkt auf die SPINK1 Mutation
getestet wurde, positiv für die N34S Mutation war [27]. Er war ein Bestandteil einer
Gruppe
von
Patienten,
welche
als
"verschiedenartige"
("miscellaneous")
chronische Pankreatitis bezeichnet wurden, und, obwohl es sich nur um einen Fall
handelt,
unterstützt
dieses
Ergebnis
die
Hypothese
einer
genetischen
Komponente.
Im Rahmen dieser Dissertation konnte somit erstmalig gezeigt werden, dass N34S
SPINK1 Mutationen eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Pankreatitis bei
Patienten mit einem pHPT spielen.
Hinsichtlich der CFTR Mutationen ergaben sich ähnliche Hinweise auf einen
genetischen Background. Die Identifizierung einer schweren CFTR Mutation bei 4
(2-mal
∆F508
und
2-mal
R553X)
von
24
Patienten
(17 %)
unserer
Patientengruppe unterlegt die mögliche Relevanz additiver genetischer Faktoren
bei Patienten mit pHPT und Pankreatitis. Aktuelle Studien zeigen, dass bei ca.
30 % der Patienten mit einer chronischen oder rezidivierenden Pankreatitis
mindestens ein abnormales CFTR Allel nachweisbar ist, im Gegensatz zu der zu
erwartenden Häufigkeit von 3-4 % der Normalbevölkerung [64, 65, 92].
Das Risiko der Entstehung einer so genannten idiopathischen chronischen
Pankreatitis (ICP) nimmt bei einem Träger der zystischen Fibrose ungefähr um
das 5-fache zu, wobei insbesondere der Terminus „idiopathisch“ bei einer dann
detektierten Mutation umstritten ist. Da nicht alle Träger einer CFTR Mutation an
einer Pankreatitis erkranken, scheinen auch hier weitere Faktoren an der
Entstehung einer Pankreatitis beteiligt zu sein.
Obwohl in verschiedenen Kohorten seit 1998 bis zu 25 % CFTR Mutationen bei
Patienten mit einer ICP aufgezeigt werden konnten [18, 63, 64, 80, 102], ist es bis
zum heutigen Zeitpunkt nicht vollständig verstanden, warum heterozygote CFTR
Mutationsträger anfällig für eine Pankreatitis sind. Noone et al., die den CFTR
gesteuerten Ionen-Transport im Nasenepithel von Patienten mit einer ICP
46
gemessen haben, berichten über einen CFTR vermittelten, beeinträchtigten Cl¯Transport bei Patienten mit unterschiedlichen CFTR Mutationen, der darauf
hinweisen könnte, dass es pathophysiologische Auswirkungen im Pankreas geben
könnte [63]. Die CFTR-Protein-Funktion als Anionen-Kanal reguliert direkt den Cl¯Ausstrom und indirekt die HCO3¯-Sekretion. Im Weiteren reguliert es den H2Ound Na+-Einstrom. Patienten mit einer zystischen Fibrose weisen ein abnormales
CFTR-Protein in den Epithelzellen, z.B. im Pankreasgang auf, so dass
möglicherweise eine veränderte Viskosität des Pankreassaftes und/oder eine pHÄnderung infolge eines gestörten Ionentransportes die Autoaktivierung von
Trypsinogen und damit die Pankreatitisentstehung begünstigt. Zudem vermutet
man, dass es durch die Sekretion eines viskösen Sekrets zu einer obstruktiven
Pankreatitis und damit zum Organuntergang kommen kann [18].
Hinsichtlich der HPT-assozierten Pankreatitis ergeben sich daraus weitere
mögliche pathophysiologische Mechanismen. Während der physiologische
Pankreassaft alkalisch ist und einen hohen Anteil an Kalzium aufweist, könnte die
Kombination aus Hyperkalzämie im Rahmen eines pHPT und verminderter
Flusseigenschaft des Pankreassaft bei einer CFTR Mutation eine Gangobstruktion
durch auskristalisierte „Pankreas-Steine“ auslösen [19].
Die beiden ersten Studien, die zur Assoziation von CFTR Mutationen und
Pankreatitis veröffentlicht wurden, sind 1998 publiziert. Damals beschrieben zwei
Arbeitsgruppen aus England und den USA unabhängig voneinander in zwei
Kohorten mit chronischer bzw. idiopathischer Pankreatitis Mutationen des CFTR
Gens [18, 80]. Cohn et al. fanden bei 26 % ihrer Patienten mit einer ICP eine
CFTR Mutation und bei 19 % ein 5T Allel [18], wohingegen Sharer et al. bei 13 %
der Patienten mit einer CP eine heterozygote CFTR Mutation nachwiesen [80].
Dabei ist bemerkenswert, dass die letztgenannte Studie, die Patienten mit einer
CP auf CFTR-Mutationen untersuchte, zwei Patienten mit einem pHPT enthielt
[80]. Einer dieser Patienten wies eine heterozygote ∆F508-Mutation auf. Obwohl
diese Studie den Grundstein für alle weiteren Studien zu CFTR Mutationen und
Pankreatitis legte, wurde dieser Zusammenhag zwischen CFTR Mutationen in
Patienten mit pHPT und Pankreatitis bis zu dieser Dissertation nicht weiter
untersucht.
47
Man kann CFTR Mutationen in mindestens 5 Kategorien unterteilen, welche sich
durch die molekularen Konsequenzen bzw. die sich daraus ergebenden
Funktionseinschränkungen
definieren
[91].
Vereinfacht
unterscheidet
man
zwischen „schweren“ und „milden“ Mutationen. Patienten mit einer zystischen
Fibrose und einer Pankreasinsuffizienz haben jeweils eine „schwere“ Mutation auf
beiden Allelen, wohingegen Patienten mit einer zystischen Fibrose und
ausreichender Pankreasfunktion zumindest eine Mutation haben, welche mit einer
„milden“ Funktionseinschränkung des CFTR Proteins assoziiert ist. Bei der großen
Anzahl an bekannten CFTR-Mutationen (aktuell > 1500) ist eine Testung aller
Exons bei Patienten mit einer Pankreatitis sehr aufwendig und nur mit genügend
vorhandener DNA möglich. Auch aus diesem Grund konnte in dieser Kohorte
keine vollständige CFTR Mutationsanalyse durchgeführt werden. Die Problematik
der „Gengrösse“ (27 Exons) erklärt auch die nur begrenzt vorhandenen Daten
hinsichtlich einer CFTR-Mutationsverteilung in der Normalbevölkerung. Während
die ∆508F-Mutation mit 66 % als häufigste Mutation beschrieben wird [93], ist die
R553X-Mutation in Familien mit einer zystischen Fibrose (~1,8 %) selten [98]. Wir
konnten bei 2 von 24 Patienten (8,3 %) eine R553X-Mutation nachweisen, wobei
offen bleiben muss, ob dies spezifisch für Patienten mit pHPT und Pankreatitis ist.
Da CFTR, PRSS1 und SPINK1 Mutationen verschiedene Proteine betreffen, ergibt
sich eine mögliche synergistische Risikoerhöhung für das Auftreten einer
Pankreatitis bei gleichzeitigem Vorliegen [21, 63]. Der bereits, im Gegensatz zu
den restlichen Patienten, im jungen Alter erkrankte trans-heterozygote Patient mit
pHPT und Pankreatitis (SPINK1: N34S/ CFTR: R553X) unterstützt diese
Hypothese einer Kumulation von genetischen Risikofaktoren eindrücklich.
Dabei ist die These des synergistischen genetischen Effektes weitgehend
akzeptiert und verschiedene Studien konnten bereits Kombinationen von SPINK1
Mutationen und CFTR Mutationen bei Patienten mit einer ICP nachweisen
[6, 20, 63, 66, 102]. Nach den Daten von Noone et al. [63] ist das Risiko eine
Pankreatitis zu entwickeln 40-fach erhöht, wenn zwei CFTR Mutationen vorliegen
und um das 900-fache erhöht, sollte eine Heterozygotie für CFTR und N34S
vorliegen. Cohn et al. beschrieben 2005 ein 10-fach erhöhtes Risiko eine
chronische Pankreatitis zu entwickeln, wenn eine SPINK1 Mutation vorliegt, ein
48
40-fach erhöhtes Risiko für compound heterozygote CFTR Mutations-Träger und
ein 500-fach erhöhtes Risiko sollten beide Genotypen vorliegen [21].
CFTR Gen Mutationen scheinen also ebenso wie die N34S Mutation bei der
Entstehung einer Pankreatitis bei Patienten mit einem pHPT eine wichtige Rolle zu
spielen. Ob weitere CFTR Mutationen bei vollständiger Sequenzierung gefunden
worden wären, kann nicht beantwortet werden, scheint jedoch wahrscheinlich.
Somit wäre auch eine größere genetische Suszeptibilität hinsichtlich der CFTR
Mutationen denkbar.
Abschließend ist zu sagen, dass das Pankreatitisrisiko bei Patienten mit pHPT ca.
10 fach erhöht ist. Dabei scheint die starke Assoziation der N34S SPINK1 und
CFTR Mutationen (inklusive des 5T Allel) bei 9 von 25 Patienten mit pHPTassozierter Hyperkalzämie und Pankreatitis, die These zu unterstützen, dass die
Hyperkalzämie lediglich das Risiko für die Entstehung einer Pankreatitis erhöht,
aber möglicherweise nicht als alleiniger kausaler Auslöser gelten kann. Inwieweit
weitere genetische und Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entstehung einer
Pankreatitis spielen ist bis zu jetzigen Zeitpunkt ungeklärt.
Es ist daher von Nöten, weitere Kollektive mit pHPT prospektiv auf die von uns
gestellte
Hypothese
einer
multifaktoriellen
untersuchen, um diese Ergebnisse zu validieren.
49
Genese
der
Pankreatitis
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