Indirect Marketing für Pharmaunternehmen

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Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 1
Indirect Marketing für Pharmaunternehmen
DISSERTATION
der Universität St. Gallen
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Christoph Sandmann
aus
Deutschland
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Christian Belz
und
Prof. Dr. Sven Reinecke
Dissertation Nr. 4236
Difo-Druck GmbH, Bamberg 2014
Inhalt 19.12.13 22:38 Seite 2
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der
vorliegenden Dissertation ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen
Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 21. Oktober 2013
Der Rektor:
Prof. Dr. Thomas Bieger
Dieses Buch erscheint zugleich unter dem Titel "Indirect Marketing für Pharmaunternehmen"
beim Verlag Medprä GmbH, Düsseldorf unter der ISBN 978-3-98 15014-4-5.
© 2014 Christoph Sandmann
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 3
Empfehlung
Indirect Marketing schafft eine Kompetenz von Unternehmen, übergeordnet zu den
angebotenen Produkten und Services. Es wirkt nur indirekt auf den Verkauf der
Leistungen und deshalb besonders glaubwürdig. So ist beispielsweise Michelin mit
seinen Reisekarten oder den Führern für Hotels- und Restaurants für erfolgreiche
Reisen und Ausflüge kompetent, nicht nur für die Reifen. Zudem ist in diesem Fall aus
dem indirekten Marketing sogar ein attraktives Geschäftsfeld entstanden.
Bisher fehlen gründliche Forschungsprojekte zum wichtigen Thema. Es lohnt sich
dabei besonders, Indirect Marketing für Pharmaunternehmen zu untersuchen. Das
Pharmamarketing wird durch Gesetze und freiwillige Beschränkungen reguliert.
Indirect Marketing weist einen möglichen Weg, um Ärzte und Patienten neu und sinnvoll
anzusprechen. Damit lassen sich beispielsweise auch die grossen Themen des
Gesundheitswesens aufgreifen. Sie reichen vom Lebenszyklus der Patienten, Effizienz
im Gesundheitswesen, Prävention bis zur Lebensqualität der Menschen.
Diese Arbeit betritt Neuland. Erstmals erklärt und strukturiert der Verfasser die Thematik
fundiert. Er zeigt die Bedingungen und Arten des Indirect Marketing. Er entwickelt
Konzepte und zeigt kritische Erfolgsvariablen sowie erfolgreiche Massnahmen.
Hilfreich waren dabei die spezifischen Fachkenntnisse des Autors zum Pharmamarkt
und sein guter Zugang zu innovativen Unternehmen. Herz der Arbeit sind die Fallstudien pharmazeutischer Unternehmen mit Anwendungen des Indirect Marketing. Die
Fälle enthalten ein Füllhorn von praktischen Hinweisen, zeigen aber auch, wie schwierig
sich die langfristigen Wirkungen des Indirect Marketing festmachen lassen.
Die erfreuliche Dissertation von Christoph Sandmann habe ich als Referent der Universität
St. Gallen begleitet. Zwar ist das Buch ein Forschungsbericht, die Verantwortlichen im
Pharmamarketing tun aber gut daran, sich rasch mit diesen Vorschlägen zu befassen.
Kurz: Ich empfehle die Lektüre sehr. Übrigens sind die Erkenntnisse nicht nur für das
Pharmamarketing ergiebig, sie lassen sich auch leicht auf weitere Märkte übertragen.
Der Leserin oder dem Leser wünsche ich Impulse, die zu wirksamen eigenen Lösungen
führen.
St. Gallen, 18. November 2013
Prof. Dr. Christian Belz
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Vorwort des Verfassers
Für ein Dissertationsprojekt, welches sich über mehrere Jahre erstreckt, ist es für den
Verfasser von besonderer Bedeutung, sich mit einem gleichermaßen wissenschaftlichund praxisrelevanten Thema auseinander zu setzen, welches die Motivation birgt, sich
über die Jahre intensiv damit auseinanderzusetzen. Seit Beginn der Promotion hat die
Relevanz der vorliegenden Arbeit nicht an ihrer Aktualität verloren. Die steigende
Informationsflut erschwert es Marketingabteilungen nachwievor zunehmend zum
Unternehmenserfolg beizutragen. Jedoch begeht das Marketing dabei nicht nur im
Pharmamarkt häufig einen Systemfehler: Die Unternehmen bewerben sich und ihren
scheinbaren Mehrwert für den Kunden selber, statt den Kunden ihre Kompetenz durch
Leistungen indirekt zu belegen, so dass dieser die Vorteile für sich beurteilen und somit
selber die Initiative ergreifen kann.
Indirect Marketing greift als neuer, bisher wenig erforschter Forschungsbereich diese
Problemstellung auf und ermöglicht durch weitere Erkenntnisse die Generierung
neuer differenzierender Instrumente für das Pharmamarketing. Es fördert die wahrgenommene Kompetenz des Unternehmens durch übergeordnete indirekte Leistungen,
welche getrennt vom Erwerb der eigentlichen Kernleistungen sind.
„Managen bedeutet heute nicht mehr Druck, sondern Sog erzeugen.“ Genau zu dieser
Forderung von Prof. Dr. Götz Werner (Gründer der Drogeriemarktkette dm) liefern Leistungen des Indirect Marketing durchaus einen nachhaltigen Beitrag und tragen damit
zu einer Reduktion des beschriebenen Systemfehlers im Marketing bei. Gerade in
Zeiten einer zunehmenden Tendenz zu kurzfristigem, aktionistischem „Management
nach Quartalszahlen“ in den Konzernen zeigen die Erkenntnisse zu Indirect Marketing
auf, dass der steigende Erfolgsdruck nicht die langfristige, nachhaltige und kundenorientierte Ausrichtung der Marketingmaßnahmen beeinflussen darf, da sich hierdurch
sonst nur negative Effekte realisieren. Unternehmen, die diese Überzeugung auch
durch ihre Unternehmenskultur leben, generieren nachhaltig einen strategischen
Wettbewerbsvorteil und werden somit unaustauschbar in den Augen ihrer Kunden. So
zeigen die Ergebnisse deutlich, dass kundenorientierte, bedürfnisorientierte Leistungen
und wertschätzender Umgang nicht nur auf die Kundenloyalität, sondern auch durch
Übertragungseffekte auf die eigentliche Kernleistung der Unternehmen wirken können.
Die vorliegende Arbeit liefert somit einen weiteren Beleg dafür, dass Customer Value
den Shareholder Value schlägt.
Ein solches wissenschaftlich- und praxisrelevantes Forschungsthema zu untersuchen,
zu dem bisher wenige ausführliche Forschungsprojekte vorliegen und das Raum
für weitere vertiefende Forschung eröffnet, stellt eine große Herausforderung und
Motivation für einen Marketingforscher dar.
Mein Dank gilt daher in erster Linie meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christian Belz,
der mir ermöglicht hat, dieses hoch interessante und relevante Forschungsthema
bearbeiten zu dürfen. Zusammen mit Prof. Dr. Heinz Weinhold-Stünzi gilt er als
Mitbegründer, des dem Forschungsprojekt zu Grunde liegenden Verständnisses von
Indirect Marketing. Nicht nur aus diesem Grund, hat mich die Zusammenarbeit mit ihm
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 6
wissenschaftlich, sondern auch persönlich sehr geprägt. Unsere konstruktiven Gespräche
und Diskussionen waren für mich gleichermaßen inspirierend und wegweisend. Ebenso
hat er mich durch seine begründete Kritik dabei unterstützt, den Fokus und das Ziel
trotz berufsbegleitender Promotion nicht aus den Augen zu verlieren. Meinem Zweitkorrektor Herrn Prof. Dr. Sven Reinecke danke ich außerordentlich für die Übernahme
des Korreferats, die wichtigen wissenschaftlichen kritischen Diskussionen sowie die
flexible Betreuung während der Erstellung.
Dieses umfangreiche und zeitintensive Projekt wäre nicht möglich gewesen ohne die
zahlreichen Menschen, die auf unterschiedlichste Weise durch ihre großartige Unterstützung zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. An dieser Stelle möchte ich
die Gelegenheit nutzen, auch denjenigen recht herzlich zu danken.
Für die wertvollen, wissenschaftlichen und motivierenden Diskussionen, die mir geholfen
haben, die Dissertation erfolgreich zum Abschluss zu bringen, möchte ich vor allem bei
Dr. des. Stephan Reinhold, Dr. Susan Müller, Prof. Dr. Silke Lennerts, Meike Eberstadt,
Prof. Dr. Peter Fischer, Dr. Michael Reinhold, Dr. Markus Müllner sowie Prof. Dr. Björn
Ivens danken. Ihr wissenschaftlicher Input und ihr Feedback haben mir in den letzten
Jahren oft neue Perspektiven auf das Forschungsthema eröffnet und neue Wege
ermöglicht.
Von großer Bedeutung für das Forschungsprojekt waren die umfangreichen Gespräche
mit Praxisvertretern zu den Besonderheiten des Pharmamarketing. In oft stundenlangen
Diskussionen haben sie mich über die Jahre bei der Erstellung des vorliegenden
Buches mit Rat und Tat unterstützt und dazu beigetragen, dass die gewonnenen
Erkenntnisse weiter konkretisiert werden konnten. Mein besonderer Dank gilt
daher allen Beteiligten, insbesondere den Herren Harald Beez, Dr. Wolfgang Walter,
Thomas Rühle, Frédéric Duquesne, Prof. Dr. Darius Schindler, Oliver Boltze sowie
Dr. Manuel Solbach.
Ein Projekt dieses Umfangs und zeitlichen Intensität wäre nicht möglich, ohne die
ununterbrochene Unterstützung meiner Familie, die mich durch diese Jahre begleitet
und in schwierigen Phasen aufgemuntert und ermutigt hat, das Forschungsprojekt zu
finalisieren. Von ganzem Herzen danke ich daher meinen Eltern und meiner Alexandra
für ihre unermüdliche, andauernde und unvergleichliche Unterstützung während der
vergangenen Jahre. Durch ihren beständigen Rückhalt haben sie mir die intensive
Auseinandersetzung mit dem Thema und die Erstellung dieser Arbeit erst ermöglicht.
Ihnen widme ich diese Arbeit.
Karlsruhe, im November 2013
Christoph Sandmann
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Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 8
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 9
Für meine Familie
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite 10
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite I
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis
VI
Tabellenverzeichnis
X
Abkürzungsverzeichnis
XII
Zusammenfassung
XIV
Abstract
XV
1
Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
1.1
Herausforderung im Marketing
1
1.2
Einschränkungen des Pharmamarketing in Deutschland
3
1.3
1.4
2
1
1.2.1 Besonderheiten im Pharmamarketing
3
1.2.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen des Pharmamarketing
5
1.2.3 Zugangs- und produktbedingte Einschränkungen
für das Pharmamarketing
8
Stand der Forschung
9
1.3.1 Forschungsfelder im Pharmamarketing
9
1.3.2 Forschungsstand Indirect Marketing
11
Theoretische und praktische Relevanz der Arbeit
13
1.4.1 Theoretische Relevanz
13
1.4.2 Praktische Relevanz
14
1.5
Forschungsziel und Forschungsfragen
15
1.6
Forschungsansatz, -methodik und Struktur der Arbeit
16
1.6.1 Forschungsansatz
16
1.6.2 Forschungsmethodik
17
1.6.3 Aufbau und Struktur der Arbeit
20
Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
23
2.1
23
2.2
Begriffsdefinition und Einordnung des Indirect Marketing
2.1.1 Begriffsdefinition von Indirect Marketing
23
2.1.2 Abgrenzung von Indirect Marketing zu direktem Marketing
26
2.1.3 Kategorisierung der Leistungsarten des Indirect Marketing
29
Wissenschaftliche Beiträge zu Indirect Marketing
32
2.2.1 Customer Value: Kundenvorteil als Basis für den Kundenwert
33
2.2.2 Theoretische Einordnung in das Dienstleistungsmarketing
39
2.2.2.1
Psychologische Ansätze
45
2.2.2.2
Sozialpsychologische Ansätze
47
2.2.2.3
Ökonomische Ansätze
50
2.2.2.4
Organisationstheoretische Ansätze
54
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite II
II
3
Inhaltsverzeichnis
56
2.2.4 Word-of-Mouth Marketing zur Steigerung der Effektivität
des Indirect Marketing
63
2.2.5 Zusammenfassung und Würdigung der theoretischen
Ansätze auf ihren Erklärungsbeitrag zu Indirect Marketing
66
Empirisch konzeptionelle Grundlagen
69
3.1
Indirekte Leistungen als Untersuchungsobjekt
69
3.2
Die gewählte Methodik: Fallstudienforschung
72
3.2.1 Grundzüge der Fallstudienforschung
72
3.2.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
72
3.3
4
2.2.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Verschreibungsverhalten
Qualitativer Methodenmix im Forschungsprozess
74
3.3.1 Datenerhebung durch Kombination qualitativer Methoden
75
3.3.2 Auswahl der Fallstudien
80
3.3.3 Datenauswertung
85
Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
87
4.1
89
4.2
Bedürfnisstruktur und Wahrnehmung indirekter Leistungen
4.1.1 Bedürfnisstruktur der Ärzte
89
4.1.2 Beschreibung unterschiedlicher Ärztetypen
92
4.1.3 Generelle Wahrnehmung indirekter Leistungen
92
4.1.4 Wahrnehmung vorgegebener indirekter Leistungen
93
Analyseraster für Fallstudien zur Untersuchung indirekter Leistungen
97
4.2.1 Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen anhand des
St.Galler Customer Value Modells
4.2.2 Beurteilungskriterien der Wahrnehmung indirekter Leistungen
4.3
5
97
104
4.2.2.1
Beurteilung der Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
106
4.2.2.2
Beurteilung der Qualität der gesendeten Inhalte
110
4.2.2.3
Beurteilung des Kundenvorteils
112
4.2.3 Wirkungsfelder Indirekter Leistungen
117
Zusammenfassung und erste kausale Thesen
121
Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing im Markt für
verschreibungspflichtige Arzneimittel
125
5.1
Indirect Marketing zur Differenzierung im generischen Marktumfeld
125
5.1.1 Situatives Unternehmensumfeld
125
5.1.1.1
Beschreibung Unternehmen: Pharmacon GmbH
125
5.1.1.2
Produktportfolio der Pharmacon GmbH
126
5.1.1.3
Innovatives Pharmamarketing bei der Pharmacon GmbH 128
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite III
III
Inhaltsverzeichnis
5.1.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
5.1.2.1
Gestaltungsfaktoren „Medizinischer Beratungsservice“ 132
5.1.2.2
Gestaltungsfaktoren „Praxisrelevante Fortbildung“
135
5.1.2.3
Akzeptanz der indirekten Leistungen bei Pharmacon
137
5.1.3 Wahrnehmung und Wirkung der indirekten Leistung
5.2
139
5.1.3.1
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
5.1.3.2
Wahrnehmung der Qualität
142
5.1.3.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
144
5.1.3.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf
Kundenloyalität und Verschreibung
147
139
5.1.4 Zusammenfassung
150
Indirect Marketing in der Launchphase einer Kernleistung
151
5.2.1 Situatives Unternehmensumfeld
151
5.2.1.1
Beschreibung Unternehmen: Vaximed GmbH
151
5.2.1.2
Produktportfolio der Vaximed GmbH
152
5.2.1.3
Pharmamarketing bei Vaximed
153
5.2.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
154
5.2.2.1
Gestaltungsfaktoren „Aufklärungskampagne Impfung“ 155
5.2.2.2
Akzeptanz der Aufklärungskampagne bei Vaximed
5.2.3 Wahrnehmung und Wirkung der Aufklärungskampagne
5.3
131
158
159
5.2.3.1
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
159
5.2.3.2
Wahrnehmung der Qualität
161
5.2.3.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
162
5.2.3.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität
und Verschreibung
163
5.2.4 Zusammenfassung
165
Indirect Marketing als internetbasierte Informationsplattform
166
5.3.1 Situatives Unternehmensumfeld
166
5.3.1.1
Beschreibung Unternehmen: Respipharm GmbH
5.3.1.2
Produktportfolio der Respipharm GmbH
167
5.3.1.3
Klassisches Pharmamarketing bei Respipharm
168
5.3.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
166
168
5.3.2.1
Gestaltungsfaktoren „Internetinformationsplattform“
169
5.3.2.2
Akzeptanz der indirekten Leistungen bei Respipharm
170
5.3.3 Wahrnehmung und Wirkung der indirekten Leistung
171
5.3.3.1
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
171
5.3.3.2
Wahrnehmung der Qualität
172
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite IV
IV
Inhaltsverzeichnis
5.4
5.3.3.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
173
5.3.3.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf
Loyalität und Verschreibung
175
5.3.4 Zusammenfassung
175
Reisemedizinischer Service als praxisbezogenes Indirect Marketing
177
5.4.1 Leistungserstellung des praxisbezogenen
„Reisemedizinischen Service“
177
5.4.1.1
Gestaltungsfaktoren „Reisemedizinischer Service“
5.4.1.2
Akzeptanz des reisemedizinischen Service bei Vaximed 182
5.4.2 Wahrnehmung und Wirkung des reisemedizinischen Service
5.5
183
5.4.2.1
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
5.4.2.2
Wahrnehmung der Qualität des reisemedizinischen
Service
184
5.4.2.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
186
5.4.2.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität
und Verschreibung
187
183
5.4.3 Zusammenfassung
189
Notfalltraining als praxisbezogenes Indirect Marketing
190
5.5.1 Leistungserstellung des praxisbezogenen „Notfalltrainings“
191
5.5.1.1
Gestaltungsfaktoren „Notfalltraining“
5.5.1.2
Akzeptanz des Notfalltrainings bei Respipharm
5.5.2 Wahrnehmung und Wirkung des Notfalltrainings
5.5.2.1
5.6
178
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
192
198
198
198
5.5.2.2
Wahrnehmung der Qualität des Notfalltrainings
200
5.5.2.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
201
5.5.2.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf
Loyalität und Verschreibung
202
5.5.3 Zusammenfassung
204
kinderwelten Award als imagebezogenes Indirect Marketing
205
5.6.1 Leistungserstellung der imagebezogenen
„kinderwelten Award-Kampagne“
206
5.6.1.1
Gestaltungsfaktoren „kinderwelten Award“
207
5.6.1.2
Akzeptanz der imagebezogenen Leistung
bei Vaximed
209
5.6.2 Wahrnehmung und Wirkung der Benefizgala
5.6.2.1
Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
210
210
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite V
V
Inhaltsverzeichnis
5.6.2.2
Wahrnehmung der Qualität der Benefizgala
210
5.6.2.3
Wahrgenommener Kundenvorteil
211
5.6.2.4
Wirkung der indirekten Leistung in Bezug
auf Loyalität und Verschreibung
212
5.6.3 Zusammenfassung
6
Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
6.1
7
215
217
Aggregation der Wirkung, Wahrnehmung und Gestaltung
indirekter Leistungen
217
6.1.1 Wirkung der indirekten Leistungen
217
6.1.2 Wahrnehmung der indirekten Leistungen
220
6.1.3 Synthese der Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen
225
6.2
Erfolgsfaktoren für eine positive Wahrnehmung indirekter Leistungen
240
6.3
Finales Modell der Wahrnehmung und Wirkung
von indirekten Leistungen
245
Schlussbetrachtung
251
7.1
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
251
7.2
Implikationen
254
7.2.1 Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
254
7.2.2 Implikationen für die unternehmerische Praxis
256
Limitierungen und weitergehender Forschungsbedarf
258
7.3
Appendix
Literaturverzeichnis
XVII
LIV
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite VI
VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Kommunikationsdreieck im Markt für verschreibungspflichtige
Produkte
4
Abbildung 2:
Rechtliche Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit
der Industrie mit Mitarbeitern medizinischer Einrichtungen
und niedergelassenen Ärzten
5
Abbildung 3:
Schwerpunkte der Forschung im Pharmamarketing
10
Abbildung 4:
Vorhandene Definitionen für Indirect Marketing
12
Abbildung 5:
Forschungsleitende Fragestellung aus zwei Perspektiven
15
Abbildung 6:
Forschungsprozess und –methodik
18
Abbildung 7:
Struktur des Dissertationsprojektes
21
Abbildung 8:
Konzeptioneller Rahmen des Indirect Marketing
24
Abbildung 9:
Definition Indirect Marketing
24
Abbildung 10: Einbindung der Pharma-Leistungsstufen in Leistungssystem
32
Abbildung 11: Chronologische Entwicklung des Customer Value Begriffes
34
Abbildung 12: Zusammenhang zwischen Kundenvorteil und Kundenwert
35
Abbildung 13: Differenzierende Dimensionen des Dienstleistungsmarketing
aus Nachfragersicht
41
Abbildung 14: Transaktionsmarketing versus Relationship Marketing
43
Abbildung 15: Kosten- und Nutzenaspekte innerhalb der sozialen
Austauschbeziehung
49
Abbildung 16: Zusammenhänge zur Bestimmung der Attraktivität
von Beziehungen
50
Abbildung 17: Dimensionen zur informationsökonomischen Einordnung
von Leistungen
51
Abbildung 18: Screening und Signaling Aktivitäten aus Anbieter und
Nachfragerperspektive
52
Abbildung 19: Verschreibungsentscheidungsprozess und Ansätze des
Pharmamarketing
56
Abbildung 20: Kategorisierung der Instrumente des Pharmamarketing
58
Abbildung 21: Alternative Kategorien für Informationsquellen
59
Abbildung 22: Gegenüberstellung zweier Studien zur Bewertung von
Informationsquellen durch Ärzte
61
Abbildung 23: Einflussnetzwerk des Arztes
62
Abbildung 24: Hauptsächliche Einflussgrößen auf Verschreibungsverhalten
63
Abbildung 25: Kategorien des Indirect Marketing
71
Abbildung 26: Verteilung der Datenerhebungsmethoden im Forschungsprozess
74
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite VII
Abbildungsverzeichnis
VII
Abbildung 27: Prozess der Datenauswertung
85
Abbildung 28: Expertenaussagen zur Wirkung des Indirect Marketing
88
Abbildung 29: Basis-Wirkungsmodell Indirect Marketing
89
Abbildung 30: Gegenüberstellung Motivatoren vs. wahrgenommenen
Restriktionen im Praxisalltag
90
Abbildung 31: Voraussetzungen für einen gut funktionierenden Praxisalltag
90
Abbildung 32: Ableitung grundlegender Bedürfnisse in Zusammenhang mit dem
Selbstverständnis der Ärzte
91
Abbildung 33: Auszug aus den Nennungen zu Serviceleistungen der
Pharmaunternehmen
93
Abbildung 34: Wirkungsfelder indirekter Leistungen
97
Abbildung 35: Gestaltungsfaktoren der indirekten Leistung im S-O-R Modell
97
Abbildung 36: Bereiche der Situationsanalyse
Abbildung 37: Bewertungsskala für Ausprägungen der Akzeptanzkriterien
98
104
Abbildung 38: Beurteilungskriterien der Wahrnehmung indirekter Leistungen
im S-O-R Modell
104
Abbildung 39: Kumulierte Gewichtung der Beurteilungskriterien (Median)
106
Abbildung 40: Rahmen zur Erfassung der Werte-Arten
und Werte-Quellen von IL
111
Abbildung 41: Beurteilung des Kundenvorteils einer indirekten Leistung
113
Abbildung 42: Zuordnung der Bedürfniskategorien zu KV-Kategorien
114
Abbildung 43: Rahmen zur Erfassung der wahrgenommenen Kosten
115
Abbildung 44: Wirkungfelder Indirekter Leistungen im S-O-R-Modell
117
Abbildung 45: Wirkungsfelder auf das Verschreibungsverhalten der Ärzte
121
Abbildung 46: Detaillierte Beurteilungskriterien von indirekten Leistungen
im S-O-R Modell
122
Abbildung 47: Umsatzentwicklung der Pharmacon GmbH in % zum Vorjahr
von 1997 – 2010
126
Abbildung 48: Prozentuale Verteilung Produktanteile im Unternehmensportfolio
nach Umsatz
128
Abbildung 49: Marketingsystem der Pharmacon GmbH
129
Abbildung 50: Einteilung und Beitrag der indirekten Leistungen
der Pharmacon GmbH zur Bedürfnisbefriedigung
131
Abbildung 51: Prozess Medizinischer Beratungsservice der Pharmacon GmbH 133
Abbildung 52: Aufteilung der praxisrelevanten Fortbildungen
136
Abbildung 53: Marketingsystem der Vaximed GmbH
153
Abbildung 54: Beabsichtigter Beitrag der Aufklärungskampagne zur
Bedürfnisbefriedigung
155
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite VIII
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 55: Zielgruppenspezifischer Einsatz indirekter Leistungen
in Abhängigkeit der Launch-Phasen
157
Abbildung 56: Gestützte Awareness-Raten bei relevanten Zielgruppen
158
Abbildung 57: Wirkungsfelder des Indirect Marketing
164
Abbildung 58: Prozentuale Aufteilung des internationalen Portfolios nach
Produktbereichen in 2010
167
Abbildung 59: Zielgruppenspezifischer Einsatz der Internetplattformen
in Abhängigkeit der PLZ-Phasen
169
Abbildung 60: Gegenüberstellung der Informationskanäle der IL
von Respipharm und Vaximed
170
Abbildung 61: Genutzte Informationsquellen API in Deutschland
174
Abbildung 62: Bekanntheitsgrad verschiedener Internetplattformen
bei Ärztegruppen
175
Abbildung 63: Beabsichtigter Beitrag des reisemedizinischen Service
zur Bedürfnisbefriedigung
178
Abbildung 64: Vertriebskooperationen von ReiseMED
179
Abbildung 65: Leistungsbestandteile des ReiseMED Servicepaketes
180
Abbildung 66: Monetäre ReiseMED Kosten-Nutzen-Analyse
187
Abbildung 67: Beabsichtigter Beitrag des Notfalltrainings
zur Bedürfnisbefriedigung
192
Abbildung 68: Kontinuierlicher Kundenbetreuungsprozess anhand der
IL „Notfalltraining"
192
Abbildung 69: Pfeiler der Marketingerfolgsformel von Vaximed
214
Abbildung 70: Ausprägung der Wirkungsfelder
217
Abbildung 71: Ausprägung der angesprochenen Bedürfniskategorien
durch die IL
221
Abbildung 72: Ausprägung der wahrgenommenen Werte-Arten
221
Abbildung 73: Beiträge der Werte-Arten zur Bedürfnisbefriedigung
222
Abbildung 74: Ausprägung der wahrgenommenen Kostenarten
223
Abbildung 75: Ausprägung der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
224
Abbildung 76: Ausprägung der Kommunikationsstrategien
225
Abbildung 77: Ausprägung der Kommunikationsinhalte
227
Abbildung 78: Ausprägungen der Kommunikationskanäle
228
Abbildung 79: Ausprägung der Kompetenzen
229
Abbildung 80: Ausprägungen der Kooperationen
231
Abbildung 81: Ausprägung der Kommerzialisierung
233
Abbildung 82: Budgetverteilung der IL
234
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite IX
Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildung 83: Gegenüberstellung Best Case vs. Worst Case
235
Abbildung 84: Ausprägung der Akzeptanzkriterien
237
Abbildung 85: Ausprägung der situativen Faktoren
239
Abbildung 86: Erfolgsrelevante Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen
241
Abbildung 87: Bewertungskriterien einer IL aus Perspektive der Empfänger
245
Abbildung 88: Finales Modell der Wahrnehmung und Wirkung von IL
245
Abbildung 89: Potenzial zur Generierung eigenständiger Leistungssysteme
aus indirekten Leistungen
247
Abbildung 90: Thematische Entfernung zur Kernleistung
250
Abbildung 91: Interessens-Gap zwischen Pharmaunternehmen und Ärzten
253
Abbildung 92: Einordnung des Indirect Marketing in das Marketing Portfolio
257
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite X
X
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Einschränkungen bei gängigen Kommunikationskanälen
der Pharmaindustrie
Tabelle 2:
Forschungsfragen
16
Tabelle 3:
Auswahlkriterien der Indirect Marketing Fallstudien
19
Tabelle 4:
Direktes vs. Indirect Marketing
28
Tabelle 5:
Auflistung verschiedener Definitionen von Kundenlösungen
29
Tabelle 6:
Übersicht Value Ansätze
36
Tabelle 7:
Strategische Dimensionen zur Gestaltung der Erfolgsvariablen
für Leistungs- und Kundensysteme
38
Tabelle 8:
Ausgewählte Definitionen zum Relationship Marketing
42
Tabelle 9:
Theoretische Ansätze mit Erklärungsbeitrag zu Indirect Marketing
als Bestandteil der Dienstleistungsschale
44
4
Tabelle 10:
Stufen des Verordnungsentscheidungsprozesses
57
Tabelle 11:
Vorteile von WOM Kampagnen gegenüber traditionellem Marketing
64
Tabelle 12:
Übersicht Eigenschaften für effektive WOM-Kommunikation
65
Tabelle 13:
Erklärungsbeitrag theoretischer Ansätze für Bestimmungsfaktoren/
Determinanten der Wahrnehmung und Wirkung von IL
67
Tabelle 14:
Auswahl Interviewpartner Expertenbefragung Mai 2009
76
Tabelle 15:
Beiträge der einzelnen Forschungsmethoden
79
Tabelle 16:
Klassifizierung der zu untersuchenden Fallstudien
80
Tabelle 17:
Unternehmensbezogene situative Faktoren
81
Tabelle 18:
Produktbezogene situative Faktoren
82
Tabelle 19:
Auswahlkriterien der Indirect Marketing Fallstudien
82
Tabelle 20:
Übersicht der Expertenverteilung je Fallstudie
84
Tabelle 21:
Auflistung beispielhafter indirekter Leistungen für Ärzte
Tabelle 22:
Fragestellung zur Bewertung der persönlichen Relevanz
115
Tabelle 23:
Kriterien zur Bewertung der persönlichen Relevanz
115
Tabelle 24:
Kausale Thesen zur Wahrnehmung und Wirkung
indirekter Leistungen
123
Tabelle 25:
Akzeptanz der indikationsspezifischen IL bei Pharmacon
139
Tabelle 26:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle bei Pharmacon
142
Tabelle 27:
Akzeptanz von Indirect Marketing bei Pharmacon
159
Tabelle 28:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
160
Tabelle 29:
Akzeptanz der Internetinformationsplattform bei Respipharm
171
94
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite XI
Tabellenverzeichnis
XI
Tabelle 30:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
Tabelle 31:
Leistungspaket zur Unterstützung des patientenorientierten
Marketing in der Arztpraxis
181
Tabelle 32:
Akzeptanz von ReiseMED bei Vaximed
183
Tabelle 33:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
184
Tabelle 34:
Akzeptanz des Notfalltrainings bei Respipharm
198
Tabelle 35:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
200
172
Tabelle 36:
Zielsetzungen der Leistungen im IM-Portfolio der Vaximed
206
Tabelle 37:
Akzeptanz des kinderwelten Award bei Vaximed
209
Tabelle 38:
Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
210
Zusammenfassung weitergehender Forschungsbedarf
260
Tabelle 39:
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite XII
XII
Abkürzungsverzeichnis
Abs. = Absatz
AMG = Arzneimittelgesetz
AMNOG = Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
API = Allgemeinärzte, praktische Ärzte, Internisten
ATL = Above-the-line Kommunikation
BRIC = Staatengruppe bestehend aus Brasilien, Russland, Indien und China
BS = Brand Salience
CL = comparison level
CLalt = comparison level for alternatives
CME = Continuing Medical Education
COPD = Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
DGK = Deutsches Grünes Kreuz
DLM = Dienstleistungsmarketing
DMP = Disease Management Programm
DRK = Deutsches Rotes Kreuz
DtC = Direct-to-Consumer
DtP = Direct-to-Physician
EBIT = Earnings before interest and taxes
EV = Endverbraucher
F = Forschungsfrage
f. = folgende Seite
ff. = folgende Seiten
FSA = Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie
FSME = Frühsommer-Meningoenzephalitis
GKV = Gesetzliche Krankenversicherung
GoÄ = Gebührenordnung für Ärzte
GP = General Practicioner
HCR = Health Care Relations
HPV = Humane Papillomviren
HWG = Heilmittelwerbegesetz
IGeL = Individuelle Gesundheistleistungen
IB = Imagebezogene indirekte Leistung
IL = Indirekte Leistung
IM = Indirect Marketing
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite XIII
Abkürzungsverzeichnis
XIII
IN = Indikationsbezogene indirekte Leistung
KaV = Kassenärztliche Vereinigung
KK = Krankenkasse
KM = Kostenmanagement
KOL = Key Optinion Leader
KPI = Key Performance Indicator
KV = Kundenvorteil
MBO-Ä = (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte
MDS = Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
NPO = Non-Profit-Organisation
OC = Outcome
OTC = Over-the-Counter
PB = Praxisbezogene indirekte Leistung
PKV = Privatärztliche Krankenversichung
PLZ = Produktlebenszyklus
PM = Praxismanagement
PN = Aktive Patientennachfrage
PR = Public Relation
PWC = PricewaterhouseCoopers
RLM = Relationship Marketing
ROI = Return on Investment
Rx = lat. recipe; rezeptpflichtig
S. = Seite
S-R = Stimulus-Response-Paradigma
S-O-R = Stimulus-Organism-Response-Paradigma
STIKO = Ständige Impfkommission
TKT = Transaktionskostentheorie
UWG = Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
u.U. = Unter Umständen
Vs. = Versus
WE = Wahrgenommenes Engagement
WM = Wissensmanagement
WOM = Word-of-Mouth
z. B. = zum Beispiel
ZM = Zeitmanagement
Inhalt 15.12.13 15:23 Seite XIV
XIV
Zusammenfassung
Die steigende Informationsflut, auch bei Ärzten, erschwert es dem Marketing zunehmend zum Unternehmenserfolg beizutragen. Das Pharmamarketing unterliegt dabei
zusätzlichen rechtlichen, produktbedingten und Zugangseinschränkungen. Indirect
Marketing (IM) stellt als Bestandteil des Leistungsschalenmodells nach Belz eine
vielversprechende Möglichkeit zur Differenzierung und damit zur Kundenbindung
dar. Leistungen des Indirect Marketing (IL) umfassen Leistungen, welche nicht der
Hauptleistungserstellung und -verwertung entspringen, mit dieser jedoch in einem
thematischen Zusammenhang stehen. Die Dissertation beschäftigt sich daher mit dem
Potenzial von IL für das Marketing sowie deren Wahrnehmung und Wirkung bei Ärzten
im regulierten deutschen Pharmamarkt. Die Dissertation leistet anhand eines zweistufigen qualitativ-empirischen, induktiven Forschungsprozesses unter Einbeziehung
multipler Fallstudien einen Beitrag, die verschiedenen Ausprägungen und Determinanten
von IL für eine positive Wahrnehmung und Wirkung bei Ärzten zu beschreiben, zu
erklären und daraus Gestaltungsempfehlungen abzuleiten. Die Einordnung des Themas
in den theoretisch-konzeptionellen Rahmen, bestehend aus St.Galler Customer
Value-Ansatz, Leistungssystemen, Dienstleistungs- und Pharmamarketing, liefert
Erklärungsbeiträge für die untersuchten Prozesse. Darauf aufbauend dient die
explorative Phase dazu, potenzielle Erfolgsfaktoren, erste kausale Thesen und ein
Basismodell des IM herzuleiten. All diese werden anhand von sechs Fallstudien zu
allen identifizierten IM-Kategorien weiterentwickelt und präzisiert.
Drei IM-Kategorien wurden im Pharmamarkt mit den Themenschwerpunkten „Indikation“,
„Praxisleistung“ und „Image“ identifiziert. Diese erzielen sowohl eine direkte als auch
eine indirekte Wirkung. Direkt tragen IL durch Ansprache der relevanten praxis- und
persönlichkeitsbezogener Bedürfniskategorien zu einer Stärkung der Kundenloyalität
und Zahlungsbereitschaft bei. Entsprechend existieren IL, die über das Innovationspotenzial verfügen, eigenständige Leistungssysteme zu schaffen. Indirekt können IL
zu drei potenziellen Übertragungseffekten auf die Kernleistung führen. Ersterer erhöht
durch die positive „Wahrnehmung des Engagements“ des Unternehmens die Absicht
zu einer Gegenleistung. Der zweite Effekt bezieht sich auf die Steigerung der „Brand
Salience“ im Verschreibungsmoment. Diese arztorientierten Prozesse wirken moderierend
auf die Wahrnehmung der Kernleistung „Arzneimittel“. Erfüllt diese die Anforderungen
an Qualität und Glaubwürdigkeit und ist prinzipiell substituierbar, können IL mit einem
hohen Kundenvorteil zu einem Übertragungseffekt führen. Insbesondere die langfristige
Erbringung thematisch relevanter IL fördert deren Wirkung und führt zur Schaffung einer
übergeordneten Kompetenz des Unternehmens in den Augen des Arztes. Der dritte
Effekt ist patientenorientiert und führt zu einer Steigerung der „aktiven Patientennachfrage“.
Die erfolgsrelevanten Beurteilungskriterien der Ärzte, die für diese Wirkung erfüllt sein
müssen, fließen im Modell zur Wahrnehmung und Wirkung von IM zusammen. Sie
münden in der Formulierung von Hypothesen und Gestaltungsempfehlungen für die
Praxis, wie die optimale Kombination des direkten und indirekten Marketings im
Pharmamarketing. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bilden die Grundlage für
weitere qualitative und quantitative Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung sowie
zur Überprüfung der aktuellen Forschungsergebnisse zu IM.
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite XV
XV
Abstract
Information overload – not just among consumers, but also among physicians – has
made it more difficult for marketing to contribute to a company’s success. Pharmaceutical
marketing faces even more obstacles in the form of legal, product and access
constraints. Indirect marketing (IM) represents a promising solution. As an integral part
of the Belz “Leistungsschalenmodell”, IM allows companies to achieve differentiation
and foster customer loyalty. Indirect marketing services (IS) are services that are
thematically linked to the delivery and consumption of the primary service, but have
no direct relationship with it. This dissertation looks at the marketing potential of IS as
well as the perception and impact of IS among physicians in the regulated German
pharmaceutical market.
The dissertation uses an inductive, qualitatively empirical two-stage research process
integrating multiple case studies to describe and explain various IS types and determinants
that promote positive perceptions and effects among physicians and to recommend
ways to design IS for maximum impact. This subject is embedded in a theoretical
conceptual framework comprising the St. Gallen Customer Value approach, service
systems and service as well as pharmaceutical marketing in order to shed light on the
processes under investigation. Next, the exploratory phase aims to identify possible
success factors, develop initial causal hypotheses and set up a basic IM model. These
elements are refined and detailed in six case studies covering all identified IM categories.
Three IM categories were identified in the pharmaceutical market: indication, practice
services and image. These categories have both direct and indirect effects. IS contribute
directly to customer retention and willingness to pay by addressing personal and
practice-specific categories of needs. Indeed, some IS even have the innovative ability
to create independent service systems. In terms of indirect impacts, IS can have three
spillover effects on the core service. First, positive perceptions of company commitment
can increase the willingness to reciprocate. Second, IS can increase brand salience at
the time of prescription. These physician-centric processes tend to mediate perceptions
of the core pharmaceutical product. If the product meets all quality requirements, seems
trustworthy and is generally substitutable, IS with significant customer value can
produce spillover effects. The sustained delivery of thematically relevant IS enhances
their impact and increases the physician’s estimation of the company’s capabilities. The
third effect is patient-specific: IS can elevate active patient demand.
The IM perception and effect model incorporates key physician assessment criteria
that must be met to achieve the above effects. The model is used to formulate final
hypotheses and hands-on recommendations for effectively combining direct and indirect
pharmaceutical marketing. These findings lay the groundwork for further qualitative and
quantitative research projects that aim to build on and verify the current state of IM
research.
Inhalt 13.12.13 16:36 Seite XVI
1.2 13.12.13 16:36 Seite 1
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
1
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Pharmazeutische Unternehmen bewegen sich aufgrund des gesellschaftlich, ethischen
Anspruchs an ihre Leistung in einem besonderen Marktumfeld. Kern der Geschäftstätigkeit ist die Entwicklung und der Einsatz von Arzneimitteln zur Bekämpfung von
Krankheiten sowie zum Erhalt der Gesundheit. Wie in jedem anderen marktwirtschaftlich
ausgerichteten Unternehmen ist es das Ziel, durch erfolgreiche Vermarktung der Arzneimittel eine positive EBIT-Entwicklung zu erreichen und somit den Unternehmenswert
zu steigern. Hierzu gehört der Austausch mit den Zielgruppen, welche diese Produkte
einsetzen – in diesem Fall die Ärzteschaft.
“There has been a public outcry, especially in America, over the cozy relationship
between doctors and drug companies. Some practices are illegal, others are simply
part of the customary trio of food, flattery, and friendship” 1
Wie aus dem Zitat erkennbar, kämpfen Pharmaunternehmen bezüglich der Kommunikation mit ihren Zielgruppen jedoch unter erschwerten Bedingungen. Aufgrund gesetzlicher Restriktionen in der Pharmabranche ist es, im Gegensatz zu anderen Branchen,
nicht möglich, alle kommunikationspolitischen Instrumente anzuwenden. Die Unternehmen setzen als Folge verstärkt auf direkte Betreuung durch Pharmareferenten und
provozieren dadurch, dass die Reaktanz der Ärzte zunimmt.2 Somit scheint das
Pharmamarketing aktuell auch nur begrenzt in der Lage, einen Zusatznutzen für das
Unternehmen zu erbringen.
Weitere Einschränkungen durch die Gesundheitspolitik, das Verschreibungsverhalten
der Ärzte sowie die schwache Differenzierung aufgrund fehlender Innovationen
erschweren zusätzlich eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung.
Eine vielversprechende Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, stellen
Leistungen des Indirect Marketing dar. Indirect Marketing ist produktneutral und nutzt
entweder den Kontakt über die Netzwerkteilnehmer des Arztes, verwendet produktfremde Zusatzleistungen oder unternehmensneutrale Botschaften. Unternehmen sind
bei der Anwendung indirekter Marketingmaßnahmen unterschiedlich erfolgreich.3
Das vorliegende Dissertationsprojekt „Indirect Marketing für Pharmaunternehmen“
beschäftigt sich mit der Untersuchung indirekter Marketingmaßnahmen und deren
Wirkung bei Ärzten. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie es trotz aktueller
Entwicklungen und Einschränkungen am Markt gelingt, bei der Kaufentscheidung der
Kundengruppe positiv berücksichtigt zu werden.
1.1
Herausforderung im Marketing
Marketingverantwortliche aller Branchen stehen im 21. Jahrhundert ähnlichen Herausforderungen gegenüber. So steht das Marketing im Verdacht, immer seltener zu einer
1
2
3
The Economist 2005, S. 9.
Vgl. Gibson 2008, Expertenbefragung Mai 2009.
Vgl. Expertenbefragung Mai 2009.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 2
2
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
nachweislichen Steigerung der Umsätze beizutragen, da die angesprochenen Zielgruppen die vermittelte Botschaft aufgrund der hohen Anzahl an Werbekontakten
pro Tag nicht mehr aufnehmen.4 Leistungen gleichen sich zunehmend an und der
Handlungsspielraum des Marketing nimmt wegen des hohen Standards der bestehenden
Maßnahmen ab, so dass selbst ein großer Aufwand nur noch geringe Verbesserungen
erzielen kann.5 Weinhold bemängelte daher schon früh, dass das Marketing an seine
Wirkungsgradgrenze stößt und somit der Bedarf an innovativen Marketingmaßnahmen
steigt.6
Viele Marketingverantwortliche wählen eine hohe Penetration an Direktmaßnahmen,
in der Hoffnung, schnelle Erfolge bezüglich Umsatzsteigerung zu generieren. Diese
verstärkten direkten Marketingaktivitäten, die auf Beeinflussung des Kaufverhaltens
abzielen und als solche enttarnt werden, führen aber auch zunehmend zur Ablehnung
und Reaktanz der Kunden.7 Unter dem ständigen Druck, positive Quartalszahlen zu
erreichen, Umsätze und die Profitabilität zu steigern, entwickeln Marketingabteilungen
Aktivitäten und folgen Trends, welche die Wirkungsgradgrenze kurzfristig erhöhen.
Jedoch setzen sie dabei tendenziell auf vermeintlich „risikoarme“ Innovationen, welche
überschaubar, einschätzbar und rasch nutzbar sind. Damit laufen sie jedoch Gefahr,
gerade die Selektionskriterien auszublenden, welche für echte Innovationen maßgeblich sind.8 Dieser „Aktionismus“ birgt die Gefahr, am Kundenbedürfnis vorbei zu planen
und somit die Effektivität der Marketingaktivitäten zu reduzieren.
Gerade der Wille zur Informationsverarbeitung ist jedoch eng mit den Kundenbedürfnissen, dem Involvement, der Glaubwürdigkeit des Senders sowie der Bedeutung des versprochenen Mehrwertes verbunden. Auf Kundenseite unterscheidet man
zwischen aktiver und passiver Suche nach Informationen.9 So wollen Menschen nicht
pausenlos bearbeitet, sondern auch mal „in Ruhe gelassen“ werden.10 Häufig verlaufen
Marketingaktivitäten jedoch sehr abrupt, ohne das Interesse des Kunden an einer
Informationsaufnahme zu prüfen.11 In diesem Zusammenhang hebt die zunehmende
Informationsflut, auch aufgrund der steigenden Vielfalt der Medienlandschaft, die
Bedeutung der Aufmerksamkeitsökonomie hervor.12 Die Aufmerksamkeit der Zielgruppe
steht im Mittelpunkt. Vor allem diese gilt es sich zu verdienen. Sie ist die „Leitwährung“,
ohne die sämtliche Marketingaktivitäten keine Wirkung hätten.13 Ein wesentlicher Zweck
dieser Aktivitäten ist also das Erlangen von Beachtung, Bekanntheit und Anerkennung
durch andere Menschen.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Vgl. Brown/Hayes 2008, S. 5.
Vgl. Belz 1989, S. XXI.
Vgl. Weinhold 1988, S. 486ff.
Vgl. Wendlandt/Hansen 2005, Gibson 2008, Expertenbefragung Mai 2009.
Vgl. Belz 2012, S. 4ff.
Vgl. Unger/Fuchs 2005.
Vgl. Belz 2008, S. 21ff.
Vgl. Brown/Hayes 2008, S. 5.
Vgl. Franck 1998.
Vgl. Schmidt 2000, S. 5f.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 3
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
3
Das Marketing begeht dabei jedoch häufig einen Systemfehler: Die Unternehmen
bewerben sich und ihren anscheinend Mehrwert für den Kunden selbst, statt den Kunden
ihre Kompetenz durch Leistungen, indirekt zu belegen, so dass dieser die Vorteile für
sich beurteilen und somit selbst die Initiative ergreifen kann.14 Innovative Ansätze mit
denen die Effektivität des Marketing aufgrund erhöhter Aufmerksamkeit und gesteigerter
Eigeninitiative der Zielgruppe gesteigert werden kann, sind somit für Marketingabteilungen von großem Interesse.
1.2
Einschränkungen des Pharmamarketing in Deutschland
1.2.1 Besonderheiten im Pharmamarketing
Diesen übergreifenden Herausforderungen stehen ebenfalls Marketingabteilungen
der pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland gegenüber. Die pharmazeutische
Industrie in Deutschland unterliegt im Vergleich zur Konsumgüterindustrie zusätzlichen
Einschränkungen zur Etablierung eines „ethischen“ Pharmamarketing für verschreibungspflichtige Produkte.
Der Arzt trifft für diese Produkte die Entscheidung bezüglich der Produktauswahl.15 Der
Entscheidungsprozess differenziert sich daher von anderen Märkten, denn: „the chooser
is not the user“.16 Auch wenn Ärzte unter den neuen gesundheitsökonomischen
Rahmenbedingungen an Bedeutung verlieren, bleiben sie dennoch wichtige Entscheider
und haben die wichtigste Position inne.17 Nicht zuletzt, da sie neben Apotheken und
Klinikärzten als hauptsächliche Marketing-Ansprechpartner gelten, entfallen 60 % des
Marketingbudgets auf deren Ansprache.18 Zudem verfügen Ärzte über großes Vertrauen
bei Patienten im Vergleich zu anderen Gesundheitsdienstleistern.19
Der Pharmaindustrie ist es nur reaktiv möglich, den Patienten zu informieren und damit
Vertrauen zu gewinnen. Das Pharmamarketing ist daher darauf angewiesen, auf den
Informationsaustausch zwischen den Fachkreisen und deren Beratung der Patienten
zu vertrauen oder diesen, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, zu fördern.
Die Kommunikationswege für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind in Abbildung 1
vereinfacht dargestellt.
14
15
16
17
18
19
Vgl. Belz 2012, S. 102.
Vgl. Schöffski/Fricke/Guminski 2008, S. 211f.
Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 1.
Vgl. Harms 2007, S. 38-39.
Vgl. Mayer/Trommsdorf 2010, S. 197ff.
Vgl. Harms 2011, S. 19.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 4
4
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Kassenärztliche Vereinigung
Krankenkasse
Information
(reaktiv)
Pharmaunternehmen
Arzt
Information/
Fortbildung
Information/
Fortbildung
Patient
Behandlung
Apotheke
Information/
Beratung
Abbildung 1: Kommunikationsdreieck im Markt für verschreibungspflichtige Produkte
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Trilling 2003, S. 58.
Die Regulierung des Marktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel beeinträchtigt
jedoch auch stark die Kommunikation zum Entscheider „Arzt“. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die in der Praxis gängigsten Kommunikationskanäle und deren Einschränkungen, die daher auch in wissenschaftlichen Studien im Mittelpunkt stehen.20
Dedikationsartikel und sonstige Werbeabgaben
Nach dem HWG ist es grundsätzlich untersagt, Zuwendungen oder Werbeabgaben anzubieten, anzukündigen
oder zu gewähren. Lediglich wenn die Zuwendung oder Werbeabgabe zur Verwendung in der ärztlichen
Praxis und von geringem Wert ist, ist dieses gestattet (vgl. § 7 (1) Heilmittelwerbegesetz). Der monetäre Wert
des Gegenstandes darf keinen Anreiz zur Verschreibung des Produktes darstellen.
Abgabe von Arzneimitteln
Die Abgabe von Arzneimittelmustern bei Ärzten ist reguliert auf zwei Stück der kleinsten Packungsgröße pro
Jahr, pro Arzt und pro Produkt. Die Abgabe darf zudem nur auf schriftliche Anforderung und in Kombination mit
der Fachinformation erfolgen. Der pharmazeutische Unternehmer ist verpflichtet, die Abgabe zu dokumentieren.
(vgl. § 47 (3/4) Arzneimittelgesetz).
Wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltungen
Fortbildungsveranstaltungen von Pharmaunternehmen für medizinisches Personal haben einen berufsbezogenen, wissenschaftlichen Charakter zu besitzen. Einladungen sind nur erlaubt, wenn der wissenschaftliche
Anteil im Vordergrund der Veranstaltung steht und diese Zuwendung einen vertretbaren Rahmen nicht überschreitet. In diesem Rahmen ist auch das Indikationsgebiet des beworbenen Arzneimittels zu behandeln
(vgl. § 7 (2) Heilmittelwerbegesetz).
Print- & Pressearbeit
Die Fachpresse stellt einen wichtigen Baustein im Pharmamarketing dar. Über diesen Kanal können neue
Studienergebnisse, neue Produkte und weitere wichtige Informationen schnell verbreitet werden. Insbesondere bei Neueinführungen ermöglichen Anzeigen in der Fachpresse eine schnelle Steigerung des Bekanntheitsgrades.21 Bei Anzeigen für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx) ist der Werbefachpflichttext
beizufügen.
Tabelle 1: Einschränkungen bei gängigen Kommunikationskanälen der Pharmaindustrie
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an AMG, HWG, UWG und FSA-Kodex.
Die Einschränkungen sind neben der speziellen Struktur des Pharmamarktes auch der
sensiblen Thematik geschuldet und umfassen:
20
21
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, Venkataraman/Stremersch 2007, Mizik/Jacobson 2004,
Manchanda/Chintagunta 2004, Manchanda/Honka 2004, Dong/Manchanda/Chintagunta, 2004.
Vgl. Trilling 2003, S. 124 f.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 5
5
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
•
gesetzliche Rahmenbedingungen bzw. Einschränkungen,
•
Zugangseinschränkungen zu Kundengruppen sowie
•
produktbedingte Einschränkungen.
1.2.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen des Pharmamarketing
Das Pharmamarketing unterliegt spezielleren rechtlichen Anforderungen als andere
Branchen, an denen die Marketingaktivitäten auszurichten sind. Im Vergleich zum Konsumgütermarketing sind für die Bewerbung von Arzneimitteln besondere Verhaltensregeln
gesetzlich definiert. Diese dienen vornehmlich dazu, die „Unabhängigkeit der Ärztlichen
Entscheidung“ sicherzustellen.22 Abbildung 2 stellt die Rechtsdisziplinen dar, welche
einen Einfluss auf die Gestaltung der Leistungen und der kommunikationspolitischen
Instrumente des Pharmamarketing haben.
Strafrecht
Dienstrecht
Pharmaunternehmen
Sozialrecht
Arzt
Wettbewerbsrecht
Ärztliches Berufsrecht
Abbildung 2: Rechtliche Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit der Industrie mit Mitarbeitern
medizinischer Einrichtungen und niedergelassenen Ärzten
Quelle: Vgl. Dieners 2010, S. 10 ff.
Die ersten vier Disziplinen betreffen vornehmlich die Unternehmensseite.
Das Strafrecht umfasst verschiedene Straftatbestände, welche bei der Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Ärzten eine Rolle spielen.23 Hiervon stehen
insbesondere die Korruptionsdelikte im Vordergrund.
Das Dienst- und Hochschulrecht betrifft die Zusammenarbeit mit Ärzten medizinischer Einrichtungen, wie z. B. Kliniken. In Bezug auf das Pharmamarketing sind in erster
Linie Vorschriften zur Bekämpfung der Korruption maßgeblich.24
Das Sozialrecht bildet einen weiteren Baustein der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Mit Gesetzen, wie dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) und dessen Nachfolger, dem
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011, verfolgt der Gesetzgeber das
Ziel, die Teilnehmer des Gesundheitswesens auf den Handelsstufen in der Zusammenarbeit zu reglementieren und somit Fehlentwicklungen und Missbräuche zu verhindern. 25
22
Vgl. Dieners 2010, S. 6.
§ 263 StGB (Betrug), § 266 StGB (Untreue), § 299 (Bestechlichkeit und Bestechung
im geschäftlichen Verkehr), § 331 ff. StGB (Korruptionsdelikte).
24
Vgl. Dieners 2010, S. 26ff.
25
Vgl. ebd., S. 50ff.
23
1.2 13.12.13 16:36 Seite 6
6
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Das Wettbewerbsrecht umfasst, neben dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
(UWG), auch das Heilmittelwerbegesetz (HWG). 26
Das UWG dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer vor unlauteren und irreführenden Handlungen sowie vor vergleichender
Werbung und unzumutbarer Belastung.27
Das HWG als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG regelt zielgruppenspezifisch die Belange der Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte sowie anderer
Mittel gemäß § 1 Abs. 1 HWG. Unterschieden wird zwischen Werbung gegenüber Fachkreisen und Laien. Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen gemäß HWG ausschließlich gegenüber Fachkreisen beworben werden.28 In diesem Zusammenhang
regelt § 7 Abs. 1 HWG ein generelles Zuwendungsverbot. Dieses untersagt prinzipiell
das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren von (unentgeltlichen) Zuwendungen und
sonstigen Werbeabgaben jeder Art und erstreckt sich auf wirtschaftliche Vorteile jeder
Art. Dessen Anwendbarkeit hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine produkt- bzw.
leistungsbezogene Absatzwerbung mit Werbeabgaben oder Zuwendungen handelt.
Allgemeine Vertrauenswerbung, welche über Leistungen des Unternehmens informiert,
zielt hingegen nicht auf eine Absatzförderung von Wirtschaftsgütern im Sinne von § 1
HWG ab, sondern darauf, um Vertrauen zu werben. Daher soll diese Art der Werbung
gemäß Dieners grundsätzlich nicht von § 7 Abs. 1 HWG erfasst sein, wobei es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen kann.29
Weitere Ausnahmen umfassen geringwertige Reklamegegenstände sowie Zuwendungen
oder Werbeabgaben nur in „handelsüblichem Zubehör zur Ware“ oder in „handelsüblichen Nebenleistungen“ gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG.30 Voraussetzung ist die Verwendung von Werbeabgaben in der ärztlichen Praxis und nicht für private Zwecke des
Arztes.31 Ebenso fallen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, welche eine
wissenschaftlich-informative oder eine allgemeine Vertrauenswerbung zum Ziel haben,
nicht unter § 7 Abs. 1 HWG und können somit unterstützt werden.32
Auf Seiten der Ärzteschaft reguliert das ärztliche Berufsrecht in Form der MBO-Ä die
Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie. Hierbei geht es insbesondere
um Regelungen zur Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit
mit Dritten, den Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses bei Untersuchung und
Behandlung sowie die Unabhängigkeit der Ärzteschaft bei der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen.33 Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidung dürfen
nicht unlauter beeinflusst werden.34
26
Vgl. Dieners 2010, S. 36ff.
Vgl. § 1 UWG.
Vgl. § 10 HWG.
29
Dieners 2010, S. 38f.
30
Vgl. Räpple 2001, S. 171.
31
Vgl. Dieners 2010, S. 38f.
32
Vgl. ebd., S. 39ff.
33
Vgl. § 30, §§ 31-34, §35 MBO-Ä, 1997.
34
Vgl. Dieners 2010, S. 40ff.
27
28
1.2 13.12.13 16:36 Seite 7
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
7
In vielen Ländern existieren Verhaltenscodices, die festlegen, wie sich Pharmaunternehmen in ihrer Werbung zu verhalten haben.35 Von Seiten der deutschen Pharmaindustrie wird dieser Standpunkt durch die gemeinsame „Verhaltensempfehlungen
für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten“, der führenden
Verbände der deutschen Arzneimittelindustrie sowie dem Kodex des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA-Kodex) untermauert.36 Dieser
Verein dient der Definition gemeinsamer ethischer Bedingungen, gegründet 2004 durch
Mitglieder des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VfA).37 Aufgabe ist die
Überwachung der korrekten Zusammenarbeit von Ärzten, Apothekern und weiteren
Angehörigen medizinischer Fachkreise sowie die Sanktionierung von Fehlverhalten.
Seit 2004 ist der FSA-Kodex aufgrund der Genehmigung durch das Bundeskartellamt
in Kraft. Nach § 1 Abs. 2 FSA-Kodex findet dieser Anwendung auf produktbezogene
Werbung für Arzneimittel im Sinne des AMG, wenn es sich um verschreibungspflichtige
Arzneimittel für die Behandlung am Menschen handelt und die Werbung gegenüber
Fachkreisen erfolgt.
Seit der Novellierung der MBO-Ä in 2003 sind die Verhaltensstandards der Ärzteschaft
und des FSA-Kodex angeglichen worden und entsprechen sich nun weitgehend.38 Ein
wichtiges gemeinsames Ziel dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen ist die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Ärzte von der pharmazeutischen Industrie bezüglich
Therapiehoheit und Verordnungsverhalten.
Die Kernaussagen der dargestellten gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen sich in
vier prinzipielle Grundsätze für das Pharmamarketing zusammenfassen:39
1.
Trennungsprinzip: Zuwendungen an Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen
oder niedergelassene Ärzte dürfen nicht in Abhängigkeit von Umsatzgeschäften,
Beschaffungs-, Verordnungs- oder Therapieentscheidungen erfolgen.
2.
Transparenzprinzip: Demnach sind sämtliche Sach- oder Geldzuwendungen an
Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen, durch welche diese begünstigt werden,
schriftlich anzuzeigen und von Dienstherren und Krankenhausverwaltungen
genehmigungspflichtig. Niedergelassene Ärzte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 2
MBO-Ä über die Zusammenarbeit mit der Industrie schriftlich Verträge zu schließen
und diese auf Nachfrage bei der zuständigen Ärztekammer vorzulegen.
3.
Äquivalenzprinzip: Leistungen und Gegenleistungen müssen bei Vertragsbeziehungen mit medizinischen Einrichtungen oder deren Mitarbeitern sowie mit
niedergelassenen Ärzten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
4.
Dokumentationsprinzip: Zur Erleichterung der Nachvollziehbarkeit sind
sämtliche Leistungen schriftlich und vollständig zu dokumentieren.
35
Vgl. Gibson 2008.
Vgl. FSA Kodex Fachkreise 2011.
Vgl. Sussmann 2008, S. 235.
38
Vgl. Dieners 2010, S. 244.
39
Vgl. ebd., S. 89ff.
36
37
1.2 13.12.13 16:36 Seite 8
8
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Aufgrund der hohen Bedeutung der Pharmaunternehmen als Informationskanal für die
Ärzteschaft, ist „die Zusammenarbeit von Ärzten mit der pharmazeutischen Industrie
und Medizinprodukteherstellern wünschenswert, notwendig und zwingend erforderlich“
gemäß Flenker, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer.40
Deswegen ist es auch aus Sicht der Ärzteschaft wichtig, Rahmenbedingungen für eine
sinnvolle Kooperation zu schaffen.
1.2.3 Zugangs- und produktbedingte Einschränkungen
für das Pharmamarketing
Zu diesen rechtlichen Rahmenbedingungen sieht sich das Pharmamarketing Zugangseinschränkungen zur Kundengruppe sowie produktbedingten Einschränkungen gegenüber, die weitere Herausforderungen darstellen.
Der Kaufprozess verschreibungspflichtiger Arzneimittel unterscheidet sich maßgeblich
von dem anderer Märkte. Zunächst muss der Patient entscheiden, einen Arzt aufzusuchen. Dieser muss dann im Anschluss die Entscheidung treffen, welches spezifische
Medikament er zu Gunsten des Patienten verschreibt, der bzw. dessen Krankenkasse
hierfür auch die Kosten trägt.41
Während in den USA eine Bewerbung verschreibungspflichtiger Arzneimittel an
Endverbraucher seit einer Gesetzesänderung 1997 wieder möglich ist, ist Produktwerbung
im Sinne einer produktbezogenen Absatzwerbung in den meisten europäischen
Ländern untersagt, wie in Deutschland aufgrund § 1 Abs. 1 HWG.42 Der Arzt spielt als
Intermediär demnach eine entscheidende Rolle und steht im Mittelpunkt des Pharmamarketing.43
Aufgrund dieser Situation konzentrieren sich Pharmaunternehmen unter anderem auf
die direkte Ansprache des Kunden „Arzt“ durch den Pharmareferenten-Außendienst
sowie die Einbindung interner oder externer Call-Center und setzen auf eine hohe
Frequentierung des Kundenkontaktes. In den USA betragen die Kosten für diese Art
der Vermarktung und Bewerbung der Produkte beim Arzt 20 bis 25% des Umsatzes.
Diese sind damit höher als die Ausgaben für Forschung und Entwicklung.44 Die Folge
dieser Penetration der Direktmarketing- und Vertriebsmaßnahmen äußert sich nach
Aussage zahlreicher Branchenexperten zunehmend in einer steigenden Ablehnung der
Ärzte gegenüber dieser Marketingkommunikation der Pharmaunternehmen.45 Der
direkte Zugang für Unternehmen wird somit durch die Ärzte selbst immer stärker
beschränkt. Darüber hinaus bewerten Ärzte den Besuch von Vertretern niedriger als in
der Vergangenheit, zum Teil, weil sie bequemen Zugang zu einer Fülle glaubwürdiger
Informationen und Ressourcen haben.46 Die Unternehmen sehen sich somit einem
40
Vgl. Dieners 2010, S. 45, Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 80, Prosser/Almond/Walley 2003, S. 66.
Vgl. Xie 2004, S. 7.
Vgl. Manchanda/Honka 2005, S. 785.
43
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 79.
44
Vgl. Kirikoshi/Lim/Okano 2008, S. 196.
45
Vgl. Expertenbefragung Mai 2009.
46
Vgl. Fricker 2011, S. 11.
41
42
1.2 13.12.13 16:36 Seite 9
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
9
höheren Anspruchsniveau bei gleichzeitiger Zunahme relevanter Marktpartner und
Wettbewerbsdynamik der Hersteller gegenüber.47
Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen führen zu einer Verschiebung des
Einflusses der verschiedenen Stakeholder im Gesundheitswesen.48 So versuchen
europäische Regierungen, die steigenden Ausgaben der Gesundheitsversorgung einzudämmen.49 Der zunehmende Einfluss der Patienten sowie der Krankenkassen als „Zahler“
reduziert die Bedeutung des pharmazeutischen Außendienstes beim Arzt. Patienten
gewinnen einerseits einen immer größeren Zugang zu relevanten Informationen und
profitieren von der stärkeren Verbreitung der Communities.50 Gleichzeitig verlangen
Patienten bessere Informationen über den Wert ihres Gesundheitswesens, da sie
immer mehr Kosten selbst tragen müssen.
Produktpolitisch befindet sich die Pharmaindustrie ebenfalls in einem Wandel. So
repräsentieren 250 der wichtigsten Medikamente 90% des gesamten Arzneimittelbedarfs der Welt und von diesen sind 75% mittlerweile als Generika erhältlich. Hinzu
kommt, dass trotz der hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung 80% der
Aufwendungen nur marginale Verbesserungen bringen. Der Wettbewerb wird somit
zunehmend generisch und die Produkte austauschbar.51 In Hinblick auf den sehr langen
und kostenintensiven Entwicklungsprozess eines neuen Arzneimittels stellt sich daher
die Frage, ob diese Investitionen, auch in das Marketing, optimal eingesetzt werden.52
1.3
Stand der Forschung
Für das vorliegende Forschungsprojekt „Indirect Marketing für Pharmaunternehmen“
sind gemäß der beschriebenen Ausgangslage sowohl Forschungsfelder des Pharmamarketing als auch des Indirect Marketing (IM) von Interesse. Es gilt, einen Überblick
über die existierende Forschung und den Stand der wissenschaftlichen Diskussion in
diesen Bereichen zu generieren, um den aktuellen Forschungsbedarf abzuleiten.
1.3.1 Forschungsfelder im Pharmamarketing
Im Mittelpunkt der aktuellen Forschung im Pharmabereich stehen Instrumente des
Pharmamarketing und deren Wirkung auf das Verschreibungsverhalten des Arztes.
Innovative Leistungen sollen dazu beitragen, sich beim Arzt im neuen Marktumfeld besser
zu positionieren und zu differenzieren. Ziel der meisten Studien ist die Untersuchung
des Verschreibungsverhaltens. Der Großteil der Wissenschaftler konzentriert sich hierbei auf Teilbereiche des Prozesses.
Pharmaunternehmen konzentrieren sich bisher fast ausschließlich auf arztgerichtete
Instrumente (Direct-to-Physician Instrumente), wie Beratungsgespräche durch den
Pharmareferenten-Außendienst, Werbung in Fachmagazinen, Fortbildungs-
47
Vgl. Van Lier 2007, S. 1.
Vgl. Illert/Emmerich 2007, S. 24.
Vgl. Hahn 2006, S. 1.
50
Vgl. Meinhardt/Schweizer 2002, S. 99, Schögel/Tomczak/Wentzel 2007, S. 207.
51
Vgl. Harms 2011, S. 18ff.
52
Vgl. Schöffski/Fricke/Guminski, 2008 S. 110, S. 200.
48
49
1.2 13.12.13 16:36 Seite 10
10
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
veranstaltungen und -kongresse zur Bewerbung ihrer Produkte.53 Daher liegt es nahe, dass
der Schwerpunkt der Untersuchungen auf der Wirkung von Direct-to-Physician Instrumenten (DtP) liegt, speziell der Wirkung von Arztbesuchen durch Pharmareferenten
und die Abgabe von Mustern (Detailing & Sampling).54 Während sich einige Publikationen mit der optimalen Gestaltung des Marketing-Mix beschäftigen, konzentrieren sich
andere Studien auf die Wirkung einzelner DtP Instrumente.
Der dritte Bereich konzentriert sich auf Direct-to-Consumer Werbung (DtC) der Pharmaunternehmen, welche, wie oben erwähnt, in Deutschland für verschreibungspflichtige
Produkte nicht anwendbar ist.
Ein weiterer Forschungsbereich widmet sich den Netzwerken und Beeinflussern des
Arztes.55 Das Interesse dieser Studien liegt an der Untersuchung des Einflusses der
Netzwerkpartner, wie z. B. KOL und Patienten, auf die Produktwahl des Arztes.
Des Weiteren geht es um die Nachvollziehbarkeit der Word-of-Mouth (WOM) Effekte
innerhalb der Netzwerke des Arztes.
Abbildung 3 gibt eine Übersicht zu den verschiedenen Forschungsschwerpunkten hinsichtlich der Wirkung des Marketing auf das Verschreibungsverhalten. Eine Übersicht
zu weiteren Studien in diesem Forschungsbereich befindet sich im Appendix A. 3.
Marketingmix
Schöffski et al. (2008)
Pharmabetriebslehre
Direct-to-Physician
Instrumente (DtP)
Direct-to-Consumer
Instrumente (DtC)
Lim et al. (2008)
Modeling the effects
of physician-directed
promotion
Kravitz et al. (2005)
Influence of Patients’
Requests for Direct-toTrilling (2008)
Consumer Advertised
Pharmamarketing
Antidepressants
Manchanda
et
al.
(2004)
Campo et al. (2006)
Responsiveness
of
Finlayson/Mullner
Physicians' Decision
Physician Prescription
(2005)
Process for Drug
Behavior to Salesforce
Direct-to-consumer
Prescription and the
advertising of
Impact of Pharmaceutical Effort
prescription drugs
Marketing Mix Instruments Gönül et al. (2001)
Promotion
of
Prescription
Iizuka/Jin (2005)
Xiu (2004)
Drugs and its Impact
The Effect of Prescription
Essays on Promotion
on Physicians'
Drug Advertising on
Mix Management
ChoiceBehavior
Doctor Visits
Narayanan (2004)
Return on Investment
Implications for
Pharmaceutical
Promotional Expenditures:
The Role of MarketingMix Interactions
Netzwerke/
Beeinflusser
van Lier (2007)
Netzwerkorientiertes
Kundenmanagement
am Beispiel der PharmaBranche
Hahn (2006)
Patient Relationship
Management
Manchanda et al. (2005)
Understanding Firm,
Physician and Consumer
Choice Behavior in the
Pharmaceutical Industry
Prosser (2003)
Influences on GP´s
decision to prescribe new
drugs – the importance
of who says what
Abbildung 3: Schwerpunkte der Forschung im Pharmamarketing
Quelle: Eigene Darstellung
53
54
55
Vgl. Manchanda/Honka 2005, S. 785, Xie 2004, S. 7, Trilling 2003, S. 89f. van Lier 2007, S. 36.
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, Venkataraman/Stremersch 2007, Mizik/Jacobson 2004,
Manchanda/Chintagunta 2004, Manchanda/Honka 2004, Dong/Manchanda/ Chintagunta 2004.
Vgl. van Lier 2007, Venkataraman/Stremersch 2007, Witzel 2006, Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001,
Prosser/Almond/Walley 2003.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 11
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
11
Der größte Teil der Forschung bezieht sich jedoch auf den US-amerikanischen
Markt, der anderen Reglementierungen unterliegt als der deutsche Pharmamarkt.
Die Erkenntnisse sind daher auf den Kontext und deren Übertragbarkeit zu prüfen.
1.3.2 Forschungsstand Indirect Marketing
„Innovative Leistungen“ sind aus wissenschaftlicher Sicht Bestandteile der Suchfelder
im Marketing.56 Zu den konkreten Ansätzen innerhalb dieses Suchfeldes gehören auch
Leistungen des Indirect Marketing. Diese Leistungen stellen anscheinend eine Möglichkeit
dar, wie Unternehmen ihre umfassendere Kompetenz zur Lösung von Kundenproblemen untermauern und damit zur Nutzengenerierung beitragen können.57 Allerdings sind
sie bisher noch nicht intensiv wissenschaftlich untersucht worden, obwohl derartige
Leistungen schon längere Zeit Anwendung finden.58
Der Guide Michelin: Der Vater des Indirect Marketing
1900 - Michelin produziert und vertreibt erfolgreich als erstes Unternehmen luftgefüllte Reifen, ist auf den
Rennstrecken der Welt zu Hause und ständiger Begleiter einer zunehmenden Zahl an Automobilisten, die
in dieser Zeit noch zur wohlhabenden Oberschicht gehören. Die Brüder Michelin prägen das Marketing
dieser Jahre mit innovativen Neuerungen, um ihre Kunden von der Qualität der Marke Michelin zu überzeugen und zum Kauf zu begeistern.
Im Jahr 1900 kommen die Brüder André und Edouard Michelin auf die Idee, jedem Automobilisten der auf
Michelin Rädern unterwegs ist, mit praktischen Tipps für die Reise auszustatten und erfinden den „Guide
Michelin“. Ein kleines Buch, dass schnell zum ständigen Reisebegleiter und zu einem unverzichtbaren
Ratgeber für kulinarische Höhepunkte auf Reisen mit Michelin Reifen wird. Auszeichnungen mit den berühmten Michelin Sternen, die nach objektiven Kriterien vergeben werden, empfehlen bis heute mittlerweile
weltweit Restaurants mit besonderer Küche, die damit einen Höhepunkt der Reise mit Michelin darstellen.
Durch den Guide Michelin wurden Leser dazu animiert, weitere Strecken mit ihrem Automobil in Kauf zu
nehmen, um erstklassige Gastronomie zu erleben.
Zunächst als Kundenbindungsmaßnahme für Michelin Reifenkäufer entwickelt, etabliert sich der Guide
Michelin bald als eigenständige Leistung, als Business Unit und weiter als eigenes Geschäftsfeld. Ab 1920
ist der Guide kostenpflichtig und kostete sieben Francs. Durch den hohen Kundennutzen spielt die ursprüngliche Marketingmaßnahme seitdem einen finanziellen Gegenwert ein und trägt zur Steigerung des
Kundenwertes bei. Heute umfasst er in Deutschland 1.440 Seiten mit insgesamt 4.227 Hotels und 2.157
Restaurants, zeichnet 249 Restaurants mit einem bis drei Michelin Sternen aus und kostet 29,95€.
Zusätzlich trägt der hervorragende Ruf des Guide Michelin, von dessen Prüfern Spitzenköche weltweit
gerne ausgezeichnet werden, zum Premium-Ruf der Reifenmarke Michelin bei. Somit ist indirekt auch von
einem positiven Einfluss dieser ersten indirekten Leistung „Guide Michelin“ auf den Verkauf der Kernleistung „Reifen“ auszugehen. Michelin kreierte hiermit eine übergeordnete Kompetenz für das Thema
Reise, als Ergänzung zur innovativen und hochwertigen Qualität der Kernleistung „Reifen“.
Dadurch wurde auch ein weiterer Bereich für Leistungsinnovationen geschaffen, welche auf die Marke
und die Kernleistungen einzahlen. Mittlerweile gehören weitere indirekte Leistungen, wie die grünen Reiseführer für Landkarten und der Reiseplaner www.viamichelin.de zum Portfolio, welche die übergeordnete
Kompetenz „Reise“ der Marke Michelin untermauern.
Diese enge thematische Verknüpfung mit der Kernleistung sowie die Besetzung eines übergeordneten
verwandten Kompetenzbereichs „Reise“/“Mobilität“ trug im Nachhinein maßgeblich zur heutigen Markenstärke von Michelin bei und führte nebenbei zur Etablierung der ersten bekannten indirekten Leistung, in
einer Zeit, in der der Begriff Marketing noch nicht erfunden war.59
IM verfügt sowohl in der Praxis als auch in der Theorie über verschiedene Beschreibungen.
56
57
58
59
Vgl. Belz 2007, S. 116.
Vgl. Belz 1998, S. 199.
Vgl. Belz/Schögel/Tomczak 2007, S. 8 ff.
Vgl. http://guide.michelin-online.de/zeitreise.jsp, Stand: 16.01.2013.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 12
12
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Produktbezogene,
direkte Leistungen
Unternehmen
Unternehmen
Arzt
Arzt
Unternehmen
Grosshandel
Netzwerk
Produktunabhängige,
indirekte Leistungen
Apotheke
I. „Indirekt“ im Sinne von
Produktbezug
II. „Indirekt“ im Sinne von
Kommunikationsweg
III. „Indirekt“ im Sinne von
indirekter Distribution
Vgl. Belz, 1998, Weinhold, 1988,
Cherington, 2009
Vgl. van Lier, 2005,
Easton/Latham, 1980
Vgl. Kotler/Armstrong,
2010
Abbildung 4: Vorhandene Definitionen für Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte
& Marketingmanager 2011.
Die häufigsten Nennungen lassen sich in drei Themenschwerpunkte einteilen.
I.
„Indirekt“ im Sinne von Produktbezug:
Weinhold und Belz definieren „Indirect Marketing“ als produktunabhängige Leistung,
welche ergänzend zur eigentlichen „Produkt“-Leistung existiert:60 Wichtiger Bestandteil
ist die Trennung vom Verkauf des Kernproduktes. Indirekte Leistungen (IL) unterstützen
den Kunden in seinen übergeordneten Bedürfnissen und verpflichten ihn dabei nicht
unmittelbar zum Kauf. Kernprodukte pharmazeutischer Unternehmen sind z. B.
„Medikamente“. Das übergeordnete Bedürfnis nach Gesundheit lässt sich jedoch mit
zahlreichen anderen Leistungen fördern. Diese Trennung zum Verkauf führt zu einer
gesteigerten Vertrauensbasis und damit einer anderen Qualität der Zusammenarbeit
mit dem Kunden. Weinhold und Belz unterstellen IL übereinstimmend, dass gerade
diese Unabhängigkeit der Kunden vom Kauf des Kernproduktes die Wirkung dieser
Maßnahmen fördert.61
II.
„Indirekt“ im Sinne von Kommunikationsweg:
Sowohl in der Literatur als auch in der Praxis wird „Indirect Marketing“ auch als indirekte
Kommunikation einer Botschaft über einen Netzwerkpartner des eigentlichen Kunden
verstanden. Dieses Verständnis findet sich vor allem in wissenschaftlichen Themenbereichen wie WOM-Marketing sowie Netzwerkmanagement.62 Demnach handelt
es sich um eine „indirekte Ansprache“ an den Empfänger über dessen Netzwerk mit
netzwerkspezifischen Leistungen.63
60
Vgl. Belz 1998, S. 199.
Vgl. ebd., S. 199, Weinhold 1988, S. 495.
62
Vgl. Nyilasy 2006, S. 167, Panos 2009 S. 6.
63
Vgl. van Lier 2007, S. 174.
61
1.2 13.12.13 16:36 Seite 13
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
13
III. „Indirekt“ im Sinne von indirekter Distribution:
Der Begriff wird ebenfalls im Zusammenhang mit indirekter Distribution, also dem
Vertrieb von Produkten über eine zwischengeschaltete Handelsstufe, verwendet.64
Wirtz/Burmann (2006) liefern eine vierte Variante, welche sich jedoch nicht durch die
explorativen Gespräche wiederspiegelt. Sie definieren IM als Gegenstück des direkten
Marketing. IM entspricht laut ihnen dem Massenmarketing, welches die Steigerung des
Markenimages sowie die Bekanntheit der Produkte und Serviceleistungen zum Ziel
hat.65 Direktes Marketing zielt hingegen auf die direkte Kundenkommunikation.
Die Vielfalt der Definitionen und die geringe Anzahl an Literatur speziell zum Thema
„Indirect Marketing“ verdeutlichen den Forschungsbedarf.
1.4
Theoretische und praktische Relevanz der Arbeit
Im Anschluss an die beschriebene praktische Ausgangslage und dem Überblick über die
relevanten Forschungsbereiche folgt die Diskussion der theoretischen und praktischen
Relevanz der Arbeit, um im nächsten Schritt die Formulierung des Forschungsziels und
der Forschungsfragen abzuleiten.
1.4.1 Theoretische Relevanz
In den Marketingwissenschaften existieren Modelle, um die Verwendung kommunikationspolitischer Instrumente zu beschreiben.66 Das Pharmamarketing versucht anhand
dieser Modelle, Konzepte möglicher Kommunikationsinstrumente zu erstellen.67 Anhand
der steigenden Anzahl an Studien zum Thema Pharmamarketing wird die Aktualität des
Forschungsbereiches sowohl in der Theorie als auch in der Praxis ersichtlich.
Es sind jedoch viele Fragen in Bezug auf die Wirkung von Maßnahmen auf das
Verschreibungsverhalten der Ärzte ungeklärt. Die Studienlage im Hinblick auf das
Verschreibungsverhalten ist im deutschsprachigen Raum sehr dünn. Der Großteil der
Forschungsprojekte kommt aus dem angloamerikanischen Sprachraum, welche unter
anderen Rahmenbedingungen erfolgen. Erkenntnisse aus diesen Studien sind somit
im Kontext der Marktsituation in Deutschland zu untersuchen.
Wie in Kapitel 1.3.1 aufgezeigt, liegt der Großteil der Forschung im Bereich des
Pharmamarketing auf der Untersuchung des Verschreibungsverhaltens des Arztes.68
Die meisten Studien untersuchen Einflüsse von den beschriebenen direkten Maßnahmen. IL spielen in den bisherigen Studien eine eher untergeordnete Rolle. Bisher
sind sie nicht konzeptionell erfasst und nur rudimentär auf deren Wahrnehmung und
Wirkung sowie einen möglichen Übertragungseffekt auf das Verschreibungsverhalten
des Arztes im Kontext der Regulierungen auf dem deutschen Markt untersucht worden.69
64
65
66
67
68
69
Vgl. Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 1008f.
Vgl. Wirtz/Burmann 2006, S. 13.
Kotler/Bliemel 2007, S. 740.
Trilling 2003, S. 91.
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, Venkataraman/Stremersch 2007, Mizik/Jacobson 2004,
Manchanda/Chintagunta 2004, Manchanda/Honka 2004; Dong/Manchanda/Chintagunta 2004.
Vgl. van Lier 2007, Unger/Fuchs 2006.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 14
14
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Dieses Forschungsprojekt trägt daher dazu bei, IL in Abgrenzung zu direkten Marketingmaßnahmen zu beschreiben und einen Erklärungsbeitrag zu liefern, wie IM gestaltet
sein muss, um möglichst effektive Ergebnisse zu erzielen.
1.4.2 Praktische Relevanz
Aufgrund der aufgeführten Rahmenbedingungen und Reglementierungen ist das
Pharmamarketing gezwungen, sich den neuen Begebenheiten anzupassen. Pharmaunternehmen müssen die sehr hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung durch
effektives Marketing bei Ärzten einspielen. Durch Experimente im Marketing werden
oft hohe Kosten verursacht und der Erfolg der Produkte riskiert.70 Zudem nimmt die
Reaktanz der Ärzte gegenüber direkten Marketingmaßnahmen zu.71
Pharmazeutische Unternehmen haben somit ein gesteigertes Interesse an einem zielgerichteten und effektiven Einsatz der Marketinginstrumente.72 Vor diesem Hintergrund
ist in den nächsten Jahren von einer Veränderung der Bedeutung der MarketingInstrumente auszugehen.73 So deutet vieles darauf hin, dass der Produkterfolg nicht
mehr nur über den reinen Wirknutzen, sondern zunehmend über dienstleistungsorientierte Zusatznutzen generiert werden muss.74 Während die bisherige Kommunikation
verstärkt medizinisch-pharmakologische Vorteile in den Vordergrund stellt, wird die
zukünftige Kommunikation sehr viel komplexer, kunden- und patientenorientierter sein.
Es ist eine Verschiebung weg vom klassischen Pharmamarketing hin zu neuen Formen
der Kommunikation, wie am wissenschaftlichen Informationsmarketing erkennbar.75
Diese Veränderungen der Rahmenbedingungen sowie der veränderten Einflüsse der
Marktteilnehmer unterstreicht den Bedarf nach neuen Marketingrezepten bzw. - modellen,
um die Pharmaunternehmen auf am Weg vom reinen Arzneimittelhersteller zum
Gesundheitsdienstleister weiterzuentwickeln.76
Die Etablierung einer indirekten Kompetenz der Pharmaunternehmen bei z. B. Ärzten,
spielt daher eine immer größere Rolle.77 So unterstützen sie zunehmend Patienten
beim Selbstmanagement ihrer Erkrankung mit Disease Management Programmen
(DMP), z. B. Support Services für Multiple Sklerose-Patienten.78 Diese dienen der
Unterstützung des Patienten bei der Anwendung von Arzneimitteln und tragen damit
zur Optimierung der Wirksamkeit durch Einhaltung der Dosierungsangaben (Patient
Compliance) bei. Sie erweitern ebenfalls ihre Leistungen für Ärzte, um diese in ihrer
täglichen Arbeit zu unterstützen. Hierzu gehören z. B. Fachfortbildungen des Personals,
Unterstützung bei der Organisation sowie der wirtschaftlichen Führung der Praxis,
Internetportale mit fachlichen Informationen oder Informationssystemen zur Reisemedizin. Insbesondere IL nehmen in diesem Zusammenhang zu.
70
Vgl. Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 295.
Vgl. Gibson 2008, Expertenbefragung Mai 2009.
72
Vgl. Expertenbefragung Mai 2009.
73
Vgl. Fricker 2011, S. 12, Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 298, Leeflang/Wieringa/Wittink 2005.
74
Vgl. Harms 2011, S. 18, Mayer/Trommsdorf 2010, S. 203.
75
Vgl. Sussmann 2008, S. 248f.
76
Vgl. Illert/Emmerich 2008, S. 24, Harms 2011, S. 20.
77
Vgl. Belz 2012, S. 103.
78
Vgl. Fricker 2011, S. 10, Harms 2011, S. 20.
71
1.2 13.12.13 16:36 Seite 15
15
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Allerdings unterscheiden sich die IL in Bezug auf deren Erfolg. Zudem werden diese
nur selten zielgerichtet und im Bewusstsein der zu erfüllenden Erfolgsfaktoren ausgeführt, aus Ermangelung wissenschaftlicher Untersuchungen und auch aufgrund
fehlender Erfahrung zu diesem Thema. Der Bedarf nach innovativen Leistungen, welche
den Rahmenbedingungen entsprechen und dazu beitragen, sich beim Arzt zu differenzieren, wird sowohl aus Publikationen zum Pharmamarketing als auch aus geführten
Expertengesprächen deutlich.79 Je früher es den Unternehmen gelingt, neue Fähigkeiten zu entwickeln und Kompetenzen des Managements und der Mitarbeiter auf die
neue Situation auszurichten, desto mehr Handlungsalternativen und Erfolgsaussichten
stehen ihnen offen.80 Das vorliegende Forschungsprojekt soll dazu beitragen, diese
Forschungslücke zu schließen.
1.5
Forschungsziel und Forschungsfragen
Anhand der beschriebenen Ausgangslage wird deutlich, dass ein Bedarf nach neuen
Marketinginstrumenten im Raum steht, mit welchen den aktuellen und zukünftigen
Herausforderungen im Pharmamarketing begegnet werden kann. In der Praxis ist
bereits ein Trend in Richtung einer stärkeren Dienstleistungsorientierung und insbesondere zu IL zu verzeichnen, welche bisher jedoch wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht worden sind.
Aufgrund dieser wissenschaftlichen und praktischen Forschungslücke bietet es sich
an, IL im regulierten pharmazeutischen Marktumfeld bei der immer noch wichtigsten
Marketing-Zielgruppe mit folgendem Forschungsziel zu untersuchen:
Ziel der Arbeit ist es, die verschiedenen Ausprägungen und Determinanten von
Leistungen des Indirect Marketing im regulierten Umfeld des Pharmamarktes in
Deutschland sowie deren Wahrnehmung und Wirkung bei Ärzten zu beschreiben
und zu erklären. Darauf aufbauend gilt es, Handlungsanweisungen zur Gestaltung
von Indirect Marketing Leistungen abzuleiten, die Ärzten einen größtmöglichen
Nutzen bringen und gleichzeitig zur Zielerreichung des Pharmaunternehmens beitragen.
Die Formulierung des Forschungszieles hebt die Bedeutung beider Perspektiven des
IM in Bezug auf Wahrnehmung und Wirkung hervor. Um die Lücke zwischen der
„inside-out“ und der „outside-in“ Perspektive zu schließen, erfolgt die Untersuchung
sowohl aus Sicht des Kunden als auch aus Sicht des Unternehmens.81 Im Mittelpunkt
steht daher einerseits die Unternehmens- und somit Sendersicht als auch die Empfängersicht der IL.
Perspektive Unternehmen
Untersuchung der Leistungsgestaltung
von Indirect Marketing im regulierten
Marktumfeld aus Sendersicht
Perspektive Arzt
Untersuchung der Wahrnehmung
und Wirkung der Leistungen aus
Empfängersicht
Abbildung 5: Forschungsleitende Fragestellung aus zwei Perspektiven
Quelle: Eigene Darstellung
79
80
81
Vgl. Harms 2011, S. 20, Illert/Emmerich 2007, S. 24, Expertenbefragung Mai 2009.
Vgl. Belz 1989, S. 213.
Vgl. Swain 2004, S. 48.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 16
16
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
Die Forschungsfragen sind aus beiden Perspektiven zu beleuchten, um IM möglichst
umfassend zu erfassen und mögliche Unterschiede in der Bewertung von IL,
die in der Vergangenheit zu Fehleinschätzungen geführt haben, aufzudecken. Die angesprochenen Bereiche des Forschungsziels werden durch die folgende forschungsleitende Fragestellung sowie die abgeleiteten fünf Forschungsfragen konkretisiert und
zusammengefasst.
Der Begriff der „Wirkung“ von IL bezieht sich sowohl auf die erneute Inanspruchnahme
der IL als auch auf einen möglichen Übertragungseffekt auf die Kernleistung des
Pharmaunternehmens. Im Falle pharmazeutischer Unternehmen handelt es sich hierbei
um die Verschreibung der Arzneimittel.
Forschungsleitende Fragestellung:
„Wie gelingt es durch den optimalen Einsatz von Indirect Marketing bei der
Verschreibungsentscheidung der Kundengruppe „Arzt“ positiv berücksichtigt
zu werden?“
F1
Welche Ausprägungen von IM existieren in Wissenschaft und Praxis?
F2
Welche theoretischen Ansätze liefern einen Erklärungsbeitrag für
einen Übertragungseffekt der IL auf die Kernleistung?
F3
Wie werden IL von Ärzten wahrgenommen und eingeschätzt?
F4
Welche Faktoren müssen IL erfüllen, um beim Empfänger „Arzt“
eine positive Wirkung im regulierten Marktumfeld zu erzielen?
F5
Welche IL sollte ein Pharmaunternehmen zur Ansprache
der Ärzte nutzen, um positiv berücksichtigt zu werden?
Tabelle 2: Forschungsfragen
Quelle: Eigene Darstellung
1.6
Forschungsansatz, -methodik und Struktur der Arbeit
1.6.1 Forschungsansatz
Ulrich (1981) unterscheidet in zwei Hauptrichtungen; der theoretischen bzw.
Grundlagenwissenschaft und die angewandte Wissenschaft. Während die Grundlagenwissenschaften Theorien entwerfen, mit denen Zustände und Ereignisse beschrieben
werden können, erfassen die angewandten Wissenschaften typische Praxisprobleme,
welche sie im Praxiszusammenhang überprüfen.82 Angewandte Wissenschaft betrachtet
die Praxis somit als Ort der Entstehung wissenschaftlich zu erforschender Probleme
und entwickelt hierfür Modelle und Lösungen.83
Zielsetzung der Arbeit ist auf theoriegeleitetem Wege praxistaugliche Handlungsempfehlungen zu „Indirect Marketing“ abzuleiten. Diese Arbeit verfolgt mit einem
82
83
Vgl. Ulrich 1981, S. 3 ff.
Vgl. Ulrich 1981, S. 3, Dyllick/Tomczak 2007, S. 67.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 17
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
17
anwendungsorientierten Wissenschaftsverständnis einen realitätsorientierten
Forschungsansatz mit dem auf explorativen Wege Erkenntnisse zu Leistungen des Indirect Marketing unter regulierten Rahmenbedingungen gewonnen werden.
Realitätsorientierte Marketingforschung versucht praktisch relevante Probleme durch
einen theoriegeleiteten Empirismus zu beschreiben, zu erklären und zu lösen.84
Um die Entwicklung von Theorien voranzubringen, sind laut Tomczak auf dem Wege
qualitativer Marketingforschung neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese in einen
heuristischen Bezugsrahmen einzubringen.85 Anforderungen sind somit sowohl die
theoretische Fundierung (rigour) als auch die praktische Relevanz (relevance) des
Forschungsprojektes.86 Nach dem realitätsorientierten Forschungsansatz besitzen
abgeleitete Handlungsempfehlungen keine Allgemeingültigkeit, sondern sind nur für
bestimmte Situationen gültig.87 Durch die Analyse von einzelnen Fällen gilt es, in
spezifischen Situationen bestimmte Muster zu erkennen und somit Lösungsansätze zu
formulieren. Diese induktive Vorgehensweise ermöglicht es wiederum, allgemeine
Erkenntnisse zu generieren, welche praxistaugliche Handlungsoptionen aufzeigen.
Als theoretische Perspektive wird daher der situative Ansatz gewählt, um eine möglichst
differenzierte, praxisnahe Betrachtungsweise betriebswirtschaftlicher Problem- und
Fragestellungen zu gewährleisten.88 Staehle betont in diesem Zusammenhang die
Bedeutung der Analyse konkreter Problemsituationen, welche durch eine bestimmte
Konstellation von Einflussgrößen definiert und unter Berücksichtigung der Ziele interpretiert werden.89 Der situative Ansatz trägt somit dazu bei, Handlungsalternativen zu entwickeln, welche unter den genau zu spezifizierenden Situationen erfolgreicher sind als
andere.90 Die Untersuchung der Wahrnehmung und Wirkung von IM erfolgt daher
gemäß der beschriebenen Ausgangslage in Kapitel 1 kontextbezogen im regulierten
Marktumfeld für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem deutschen Pharmamarkt
unter Einbeziehung der verordnenden Ärzte.
1.6.2 Forschungsmethodik
Die vorgestellte forschungsleitende Fragestellung sowie der aktuelle Forschungsstand
bedingen einen explorativen Forschungsansatz. Explorative qualitative Studien eignen
sich dafür, neue Wissenschaftsgebiete zu untersuchen, um wertvolle Einblicke und ein
besseres Verständnis zu generieren. Sie sind dabei besser geeignet als groß angelegte
quantitative Befragungen.91 Der qualitative Forschungsansatz ermöglicht es, Interpretationen und Erklärungen aus Zusammenhängen in ihrem natürlichen Kontext abzuleiten
und somit hypothesenbildend zu fungieren.92 Für das vorliegende Forschungsprojekt
wurden daher qualitative Fallstudien gewählt. Ziel dieser induktiven Vorgehensweise
84
Vgl. Belz 1991b, S. 9, Tomczak 1992, S. 83, Tomczak 1991, S. 30 ff.
Vgl. Tomczak 1991, S. 40f.
Vgl. Tomczak 1992, S. 83.
87
Vgl. Belz 1989, S. 8.
88
Vgl. Staehle 1976, S. 36.
89
Vgl. ebd., S. 36, Staehle 1977, S. 112.
90
Vgl. Staehle 1976, S. 36.
91
Vgl. Gable 1994.
92
Vgl. Dyllick/Tomczak 2007, S. 75.
85
86
1.2 13.12.13 16:36 Seite 18
18
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
ist die Generierung von Hypothesen zur Wahrnehmung und Wirkung von IM bei Ärzten,
welche in weiteren Forschungsprojekten quantitativ überprüft werden können.93 Der
Forschungsprozess besteht aus drei Phasen, um die Forschungsfragen zu beantworten.
Hierbei finden verschiedene Forschungsmethoden Anwendung. Vorgelagerte Expertengespräche dienen dabei zur Eingrenzung und zum besseren Verständnis des
Forschungsfelds.94 Abbildung 6 stellt den Forschungsprozess grafisch dar.
Explorative Phase: Herleitung der Hypothesen
Praktische Ausgangslage/
Explorative Studie mit Experten
(10 Pharmamanager/10 Ärzte)
Forschungslücke/Forschungsfragen
Forschungsziel/-fokus
•
•
•
Ableitung von Indirect Marketing Kategorien als Basis für Case Studies
Ableitung von kausalen Thesen
Ableitung des Basismodells zur Wahrnehmung und Wirkung von IM
Qualitativ-empirische Phase: Weiterentwicklung der Hypothesen
Multiple Fallstudien von IM in Pharmaunternehmen:
•
Expertengespräche mit beteiligten Managern in Unternehmen
•
Tiefeninterviews mit beteiligten Ärzten
•
Dokumentenanalyse
Analyse + Interpretation der Ergebnisse
•
Qualitative Analysen
•
Diskussion der Ergebnisse mit Ärzte Fokusgruppe (Empfängersicht)
•
Diskussion der Ergebnisse mit Experten Fokusgruppe (Sendersicht)
Abschlussphase: Formulierung finaler Hypothesen
Literaturanalyse & regelmäßige Abstimmung mit Experten
Theoretische Ausgangslage
Literaturanalyse
Zusammenfassung der Ergebnisse:
•
Ableitung und Formulierung finaler Hypothesen
•
Diskussion der Ergebnisse
•
Ableitung von Implikationen für Wissenschaft und Praxis
Abbildung 6: Forschungsprozess und -methodik
Quelle: Eigene Darstellung
1) Explorative Phase: In der ersten Phase wird die Ausgangslage des IM und der
aktuelle Forschungsstand erfasst. In einem iterativen Prozess gilt es, Forschungsziel,
Forschungsfragen sowie erste Thesen mit erfolgsrelevanten Eigenschaften zu entwickeln und Fallstudien herauszuarbeiten, die einen hohen Erkenntnisgewinn für das
vorliegende Forschungsprojekt versprechen. Diese Phase beginnt mit einer intensiven
Literaturanalyse sowie der Durchführung von Tiefeninterviews mit Branchenexperten
93
94
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 30ff.
Vgl. Expertengespräche Mai 2009.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 19
19
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
und Ärzten zu IM und themenverwandten Gebieten. Sie trägt damit zur Beantwortung
der Fragestellungen bei, welche Ausprägungen von IL existieren, wie sich diese gruppieren lassen und welche Eigenschaften für eine positive oder negative Wahrnehmung
und damit deren Erfolg verantwortlich zu sein scheinen. Ein Ziel der explorativen Phase
ist die Formulierung erster kausaler Thesen, welche im weiteren Verlauf zu finalen
Hypothesen weiterentwickelt werden. Ein weiteres Ziel ist die Herleitung der Fallstudien
und dem Basismodell für die Wahrnehmung und Wirkung anhand von Erkenntnissen
aus Literatur und Expertengesprächen, welches als Analyseraster für die nächste
Phase dient. Um die Thesen weiterzuentwickeln oder ausschließen zu können ist es
wichtig, Fälle mit unterschiedlichen Ausprägungen auszuwählen. Eisenhardt (1989)
betont, dass bei Fallstudien idealerweise entgegengesetzte Ausprägungen (Polar
Types) Berücksichtigung finden. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Untersuchung ein breites Spektrum möglicher Situationen berücksichtigt. Eine Übersicht der
ausgewählten Fallstudien und deren Auswahlkriterien findet sich in Tabelle 3. Die
detaillierte Herleitung ist in Kapitel 3.3.2 aufgeführt. Das Basismodell und damit das
abgeleitete Analyseraster für die folgende Untersuchung der ausgewählten Fallstudien
befindet sich in Kapitel 4. Im Analyseraster sind zu untersuchende Faktoren strukturiert
aufgeführt, welche die Fallstudie in einen Kontext einordnen und anhand bestimmter
Eigenschaften erläutern. Anhand dieses Rasters werden die Fallstudien im darauf
folgenden Kapitel analysiert.
Fallstudien/
Auswahlkriterien
Leistungsart
Firma 95
Unternehmensgröße96
Eigentumsverhältnis
Außendienstaktivität
Medizinischer
Beratungsservice
Indikationsbezug
Pharmacon
<140 MA 97
ca. 50 Mio.€
Familienunternehmen
Nein
Aufklärungskampagne Impfung
Indikationsbezug
Vaximed
300 MA
175 Mio.€
Aktiengesellschaft
Ja
Internetinformationsplattform
Indikationsbezug
Respipharma
400 MA
184 Mio.€
Private Equity
Ja
Reisemedizinischer
Service
Praxisbezug
Vaximed
300 MA
175 Mio.€
Aktiengesellschaft
Ja
Notfalltraining
Praxisbezug
Respipharma
400 MA
184 Mio.€
Private Equity
Ja
kinderwelten Award
Imagebezug
Vaximed
300 MA
175 Mio.€
Aktiengesellschaft
Ja
Tabelle 3: Auswahlkriterien der Indirect Marketing Fallstudien
Quelle: Eigene Darstellung
2) Qualitativ-empirische Phase: Aufbauend auf den Erkenntnissen der explorativen
Phase werden in der qualitativ-empirischen Phase die ausgewählten Fallstudien mit
Hilfe eines qualitativen Methodenmix erfasst, beschrieben und analysiert. Ziel ist das Verständnis für die Wahrnehmung und Wirkung von IM unter bestimmten Kontextfaktoren
zu verbessern und somit die kausalen A Priori-Thesen weiterzuentwickeln. Die ausgewählten Fallstudien werden zunächst einzeln anhand des Analyserasters untersucht
95
96
97
Die Unternehmensbezeichnungen sind anonymisiert und stehen in keinem Bezug zu möglichen existieren
den Unternehmen.
Angaben zu Marketing & Vertriebsgesellschaften; Umsatz bezogen auf Sell-Out 2010.
Angabe umfasst alle Mitarbeiter des Unternehmens inklusive Produktion. Ohne Produktion ca. 50 Mitarbeiter.
1.2 13.12.13 16:36 Seite 20
20
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
(Within-Case-Analyse) und anschließend auf Gemeinsamkeiten oder mögliche Unterschiede verglichen (Cross-Case-Analyse). Im Anschluss an die Analyse der Fallstudien
finden Fokusgruppen mit Ärzten und beteiligten Branchenexperten zur Überprüfung
der Erkenntnisse statt.
3) Abschlussphase: Die Erkenntnisse aus der explorativen und der darauf folgenden
qualitativ-empirischen Phase münden in die Formulierung von Hypothesen zur Wahrnehmung und Wirkung von IM, welche die Grundlage für zukünftige Forschungsprojekte
darstellen. In dieser dritten Phase des Forschungsprojektes werden die Ergebnisse
zusammengefasst, diskutiert und Implikationen für Wissenschaft und Praxis sowie
weiterer Forschungsbedarf abgeleitet.
1.6.3 Aufbau und Struktur der Arbeit
Die vorliegende Forschungsarbeit gliedert sich in insgesamt sieben Kapitel zur Beantwortung des Forschungsziels. Diese werden im Folgenden kurz erläutert.
In Kapitel 1 wird die Ausgangslage im Marketing generell und im regulierten Pharmamarketing erläutert sowie für das Forschungsprojekt relevante Forschungsbereiche
diskutiert, um die praktische und theoretische Relevanz der Arbeit herzuleiten. Weiterhin werden Trends im Pharmamarketing aufgeführt, die darauf hinweisen, dass sich in
der Praxis bereits neue Marketingansätze entwickeln, die bisher jedoch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht wurden. Aus dieser Forschungslücke leiten sich
Forschungsziel und Forschungsfragen ab und geben die Richtung für die Forschungsarbeit vor. Abschließend werden der gewählte qualitativ induktive Forschungsansatz,
die Forschungsmethodik sowie die Struktur der Arbeit vorgestellt.
Kapitel 2 stellt den theoretisch-konzeptionellen Rahmen der Arbeit vor. Zunächst
geht es darum, die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen zur Beantwortung der
Forschungsfragen zusammenzustellen und IM thematisch einzuordnen. Hierzu werden
Themenbereiche beleuchtet, die einen wissenschaftlichen Erklärungsbeitrag zum
Verständnis sowie der Wahrnehmung und Wirkung von IM liefern können. Darauf
aufbauend findet die Abgrenzung und Einordnung des Begriffes „Indirect Marketing“
statt. Der Schritt zur Abgrenzung von IM zu anderen Marketinginstrumenten dient dazu,
ein einheitliches Verständnis herzustellen. Es gilt, dem Leser Klarheit darüber zu
verschaffen, welche der geläufigen und verwendeten Interpretationen von IM als Basis
für die Forschungsarbeit relevant sind, wie sie eingeordnet werden und welche Arten
von IL bereits im Pharmamarkt Anwendung finden.
Kapitel 3 befasst sich mit den empirisch-konzeptionellen Grundlagen. Das Untersuchungsobjekt sowie der für die explorative Phase und die Fallstudienforschung
verwendete qualitative Methodenmix werden an dieser Stelle unter Bezugnahme auf
die eingesetzten Erhebungs- und Analysemethoden begründet.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Herleitung des konzeptionellen Rahmens sowie des
Analyserasters für die zu untersuchenden Fallstudien. Hierzu gehört die Darstellung
und Einordnung der ausgewählten Fallstudien, die Erläuterung situativer Faktoren
sowie vermuteter kausaler Zusammenhänge und damit genereller und spezifischer
Erfolgsfaktoren. Diese Herleitung erfolgt anhand von Erkenntnissen aus Theorie und
Empirie. Hier werden wiederum die Sender- als auch die Empfängerseite im Hinblick
1.2 13.12.13 16:36 Seite 21
21
1 Ausgangslage, Forschungsziel und Forschungsfragen
auf Wahrnehmung und Wirkung von IM beleuchtet, um herauszufinden, welche
Determinanten des IM über einen positiven Effekt verfügen. Als Ergebnis entsteht ein
Raster, welches zur Erklärung und Bewertung der Fallstudien dient. Zudem leiten sich
erste kausale Thesen ab, welche einen Erklärungsbeitrag zur Wirkweise von IM liefern.
In den weiteren Kapiteln werden diese durch weitere Erkenntnisse weiterentwickelt.
Kapitel 5 stellt die Ergebnisse der Fallstudien anhand des erarbeiteten Analyserasters
dar. Es beschreibt und erklärt die verschiedenen Ausprägungen der untersuchten Fälle
im Hinblick auf die postulierten Hypothesen. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Fallstudien sicherzustellen, verfügen diese über die gleiche Struktur. Nach der Darstellung des
situativen Umfeldes, in dem die IL erbracht wurde, liegt der Fokus auf den konkreten
Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren und damit der Senderperspektive. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf den jeweils für den Fall erfolgsrelevanten
Leistungsdimensionen. Im weiteren Verlauf wird die konkrete Wahrnehmung und die
daraus resultierende Wirkung und damit Empfängerperspektive beleuchtet. Durch diese
Gegenüberstellung können erfolgsrelevante Faktoren je Leistungsdimension identifiziert werden. Schlussfolgerungen je Fallstudie fassen die gewonnenen Erkenntnisse
zusammen.
Kapitel 6 richtet den Fokus auf die Synthese der in Kapitel 5 generierten Erkenntnisse.
Durch Gegenüberstellung der untersuchten Fälle können die in Kapitel 4 formulierten
Thesen weiterentwickelt bzw. verworfen werden, um so ein exakteres Verständnis für
die Wirkweise von IM zu erhalten und allgemeingültigere Aussagen treffen zu können.
In der Schlussbetrachtung in Kapitel 7 werden die relevanten Ergebnisse zusammengefasst und Implikationen diskutiert, welche sich aufgrund der Forschungsarbeit für
Wissenschaft und Praxis ergeben.
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2: Theoretisch-konzeptionelle
Grundlagen
Kapitel 3:
Empirischkonzeptionelle
Grundlagen
Kapitel 4
Untersuchungsobjekt und
Modellspezifikation
Kapitel 5: Ergebnisse der Fallstudien
Kapitel 6: Aggregation der Ergebnisse
Kapitel 7: Schlussbetrachtung
Abbildung 7: Struktur des Dissertationsprojektes
Quelle: Eigene Darstellung
1.2 13.12.13 16:36 Seite 22
2.2 13.12.13 16:37 Seite 23
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
23
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung
des Indirect Marketing
Für die bevorstehende Untersuchung wird in diesem Kapitel ein gemeinsames
Verständnis der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen zu IL entwickelt. Nach der
Definition, Abgrenzung und Einordnung des Begriffes „Indirect Marketing“ in Kapitel 2.1
werden verwandte Themengebiete konzeptionell erfasst, die einen Erklärungsbeitrag
zum anvisierten Forschungsziel leisten. Kapitel 2.2 gibt einen Überblick und diskutiert
die Auswahl der für das Forschungsprojekt „Indirect Marketing für Pharmaunternehmen“
verschiedenen relevanten wissenschaftstheoretischen Ansätze, die dazu beitragen den
Erkenntnisgewinn zu steigern.
2.1
Begriffsdefinition und Einordnung des Indirect Marketing
2.1.1 Begriffsdefinition von Indirect Marketing
Sowohl in der Literatur als auch in der Praxis existiert ein unterschiedliches Verständnis
von IM.98 Aussagen von befragten Branchenexperten innerhalb der explorativen Phase
sind vielfältig:
„Alle Maßnahmen, die ich über zwei Zielgruppen oder dritte Parteien lanciere.“
„Im Prinzip alle Services, die über normale Produktkommunikation hinausgehen“
„Maßnahmen, die halt nicht direkt einem Produkt zuzuordnen sind.“ 99
An diesen Äußerungen, welche sich in Abgleich mit der Literatur auf die drei Definitionen
unter Abbildung 4 (S. 12) zusammenfassen lassen, wird der Bedarf eines einheitlichen
Verständnisses, insbesondere für die vorliegende Arbeit, deutlich.
Ziel des Forschungsprojektes ist es, neue innovative IL zu beschreiben, zu erklären
und Handlungsanweisungen für das Pharmamarketing zu gestalten. Definition Nr. III,
die IM nach Kotler/Armstrong als indirekte Distribution versteht, ist demnach aus der
Betrachtung auszuschließen. Diese beschäftigt sich mit Fragen der Distributionswege
von Leistungen an Kunden und nicht mit der eigentlichen Leistungserbringung.
Zielführender sind die Definitionen I und II, welche IM im Sinne von Produktbezug und
Kommunikationsweg verstehen. Dieses Verständnis kommt auch den bereits im Markt
befindlichen Leistungen näher.
Weinhold und Belz verstehen unter IM indirekte Leistungen (IL). Diese umfassen
Leistungen, welche außerhalb der Hauptleistungserstellung und -vermarktung erzeugt
und vermarktet werden. Diese können sowohl Dienstleistungen als auch Produkte umfassen. Maßgeblich ist, dass sie unabhängig von der Vermarktung der Hauptleistung,
mit dieser jedoch kommunikatorisch, verhaltens- und imagemäßig verbunden sind.100
98
Vgl. Kapitel 1.3.2.
Vgl. Expertengespräche Pharmamanager Mai 2011.
100
Vgl. Weinhold 1988, S. 487ff.
99
2.2 13.12.13 16:37 Seite 24
24
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Gerade in einem zunehmend stagnierenden Marktumfeld, wie dem deutschen Pharmamarkt, ist es für Unternehmen wichtig, sich anzupassen, neue Fähigkeiten und
Leistungen zu entwickeln, um mehr Handlungsalternativen und Erfolgsaussichten zu
erlangen.101 Weinhold unterstreicht, dass gerade IM positive Entwicklungspotenziale
bietet, um dieser Situation zu begegnen: IM dient zur Weiterführung des durch
das klassische Instrumentarium bereits gesättigten Wirkungsbereiches durch die
Ausschöpfung neuer Innovationsräume und dem Zugewinn erweiterter Ausstrahlungsmöglichkeiten zur sicheren Erschließung komplexer, heterogener und schwieriger
Märkte, zu denen der Pharmamarkt zweifelsohne gehört.102
Er weist ausdrücklich darauf hin, dass IM auch Absatzpartner einbezieht.103 Für eine
ganzheitliche Darstellung des IM bietet es sich daher an, beide Verständnisse wie unter
Abbildung 8 zusammenzuführen.
I. „Indirekt“ im Sinne
von Produktbezug
Unternehmen
Arzt
Produktunabhängige,
indirekte Leistungen
II. „Indirekt“ im Sinne von
Kommunikationsweg
Unternehmen
Arzt
Netzwerk
I. + II.
direkt
Unternehmen indirekt
Arzt
Netzwerk
Abbildung 8: Konzeptioneller Rahmen des Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz 1998, S. 199, Explorative Expertengespräche
Ärzte & Pharmamanager 2011.
Aus diesem Grund liegt diesem Forschungsprojekt die folgende Definition für IM zu
Grunde:
„Indirect Marketing umfasst alle Maßnahmen zur Förderung des Verkaufs der
eigenen Marktleistung, welche über indirekte Leistungen erfolgen, d.h. über
Leistungen, welche nicht der Hauptleistungserstellung und -verwertung entspringen, mit ihr jedoch in einem kommunikatorischen, verhältnismäßigen oder imagemäßigen Zusammenhang stehen. Diese Leistungen können sowohl durch das
Pharmaunternehmen selbst, als auch über das Netzwerk des Kunden vermittelt
werden.“
Abbildung 9: Definition Indirect Marketing
Quelle: Ergänzt nach Weinhold in Belz 1998, S. 199.
101
102
103
Vgl. Belz 1989, S. 213.
Vgl. Weinhold 1988, S. 495.
Vgl. ebd., S. 487.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 25
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
25
Diese Definition eröffnet Unternehmen durch die Erweiterung ihres Leistungsportfolios,
ihre umfassendere Kompetenz zur Lösung von Kundenproblemen zu belegen und sich
somit auch zu differenzieren.104 Dieser Standpunkt findet sich auch in den Aussagen
der Experten wieder:
„Wenn man Grünenthal anschaut, die sich seit Jahrzehnten auf das Feld „Schmerz“
spezialisieren, ist es vielleicht schon möglich, über die Schmerzkompetenz, die die
Firma aufgebaut hat, dann darüber was zu reißen. Wenn wieder ein Schmerzprodukt
angeboten wird, dann wird man das der Firma Grünenthal eher abnehmen.“ 105
Die Definition konzentriert sich auf die Leistungserstellung und deren thematische
Verbundenheit mit der Kernleistung und versteht IM als Teil eines Leistungssystems.
Sie lässt jedoch Freiraum für die Gestaltung der Kommunikations- und Distributionswege.
Die existierende Literatur zur gewählten Definition beschreibt, dass Unternehmen durch
den Einsatz von IL das Ziel verfolgen, Sympathien, Vertrauen, Aufmerksamkeit und
Imagegewinn zu generieren.106 Die so erworbene Kompetenz zur Lösung von mit der
Hauptleistung themenverwandten Kundenproblemen führt somit unter Umständen zu
einer Förderung des Verkaufs der Hauptleistung. Die IL selbst können nach Weinhold
durchaus Produkte oder Dienstleistungen umfassen und gratis oder gegen Bezahlung
abgegeben werden.107 Maßgeblich ist die Unabhängigkeit der IL von deren Verknüpfung
mit dem Erwerb des Kernprodukts des Unternehmens und damit verbundenen
geschäftlichen Transaktionen.108 Die Verknüpfung entsteht vielmehr durch eine
thematische Verlinkung der IL mit dem Kernprodukt. Erst dadurch können die durch
die Literatur vermuteten und unterstellten Wirkmechanismen ausgelöst werden, wie
•
Verstärkungswirkung aufgrund der zusätzlichen Kontakte,
•
Intensivierungswirkung aufgrund der Ansprache der gleichen Zielpublika
aus anderen Blickpunkten heraus,
•
imagebildende Wirkung durch positive Assoziationen mit dem anbietenden
Unternehmen,
•
Einstellungsveränderung durch Abbau von Widerständen innerhalb einer
verkaufsunabhängigen Konsumsituation bis hin zu
•
Aktivierungswirkungen zur näheren Prüfung und zum Kauf eines bestimmten
Produktes.109
Die Tatsache, dass einige IL sich mittlerweile zu eigenständigen Profit Centern oder
gar selbstständigen Unternehmen entwickelt haben, untermauert die Existenz der
Wirkungseffekte, welche jedoch in der Literatur nicht hinreichend untersucht sind.
104
Vgl. Belz 1998, S. 199.
Vgl. Expertengespräch Pharmamanager Mai 2011.
Vgl. Weinhold 1988, S. 487.
107
Vgl. ebd., S. 491.
108
Vgl. Belz 1989, S. 259.
109
Vgl. Weinhold 1988, S. 495ff.
105
106
2.2 13.12.13 16:37 Seite 26
26
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
2.1.2 Abgrenzung von Indirect Marketing zu direktem Marketing
Wie aufgezeigt, ist das Verständnis von IM in Wissenschaft und Praxis sehr heterogen.
Es kursieren zahlreiche Missverständnisse, welche IM mit bestimmten Marketinginstrumenten in Verbindung bringen. Dies kann zu Verwechslungen und damit zu einem
falschen Einsatz mit unerwünschtem Ausgang führen. Aus diesem Grund ist es umso
wichtiger, die Thematik „Indirect Marketing“ einzuordnen und gegenüber anderer im
Marketing gebräuchlicher Begriffe abzugrenzen.
Indirect Marketing ist gemäß der formulierten Definition Bestandteil eines Leistungssystems und trägt somit zur Differenzierung durch Erweiterung der Kompetenzen des
Unternehmens bei. Die grafische Einordnung in das Leistungsschalenmodell nach Belz
ist in Abbildung 10 (S. 32) dargestellt.110 Wie oben erläutert, besteht lediglich eine
thematische Verbindung (kommunikatorisch, verhaltens- oder imagemäßig) zu der
Hauptleistung.
Der Gegenpol zu „Indirect Marketing“ ist damit nicht wie zu erwarten „Direct“ bzw.
„Direktmarketing“. Direktmarketingmaßnahmen konzentrieren sich auf den direkten
Kontakt und der Interaktion mit dem Kunden, um daraus direkte Verkäufe zu generieren.111
Als Gegensatz zu der deutschen Übersetzung „Indirektes Marketing“ wird daher der
Begriff „Direktes Marketing“ verwendet.112
Direktes Marketing umfasst die Kommunikations- und Absatzförderungsinstrumente
Werbung, Verkaufsförderung, Public Relation, Persönlicher Verkauf sowie Direktmarketinginstrumente.113 Im Gegensatz zu IM ist ein enger Hauptleistungsbezug zur
Förderung der Hauptleistungsvermarktung vorhanden. Der Anteil direkter Produktwerbung überwiegt demnach.
Die Zielsetzungen beider Bereiche unterscheiden sich entsprechend deutlich. Direktes
Marketing hat die Förderung von Kaufimpulsen durch Informationen zur Vorteilhaftigkeit
der Hauptleistung, des Kernproduktes bzw. der Marke zum Ziel.114 IM hingegen beabsichtigt durch IL den Aufbau einer umfassenden Kompetenz für Kundenprobleme
voranzutreiben und somit indirekt durch vermutete Übertragungseffekte, den Verkauf
der Hauptleistung zu fördern.115 Um dieses Ziel zu erreichen, können IL auch mit Hilfe
des direkten Marketing kommuniziert werden. Im Kern handelt es sich bei IM um theoretisch eigenständig vermarktbare Leistungen. Bei direktem Marketing handelt es sich
um Instrumente zur absatzfördernden Kommunikation.
Einzelne Marketinginstrumente und Leistungen des IM liegen zum Teil sehr nah
zusammen und verfügen über ähnliche Ausprägungen. Daher wird an dieser Stelle
explizit auf deren Abgrenzung eingegangen. Kotler definiert die fünf Instrumente zur
absatzfördernden Kommunikation wie folgt:116
110
Vgl. Belz 1991, S. 12.
Vgl. Dallmer 2002, Wirtz/Burmann 2006, McDonald 1998.
Vgl. Weinhold 1988, S. 485.
113
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 652.
114
Vgl. ebd..
115
Vgl. Belz 1989, S. 260, Weinhold 1988, S. 486.
116
Kotler/Bliemel 2007, S. 652.
111
112
2.2 13.12.13 16:37 Seite 27
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
27
•
„Werbung“: Jede bezahlte Form der nichtpersönlichen Präsentation und
Förderung von Ideen, Waren oder Dienstleistungen durch einen identifizierten
Auftraggeber. Hierunter fallen Instrumente wie TV-, Print-, Online-, Kino- oder
Outdoor-Werbung.
•
„Verkaufsförderung“: Kurzfristige Anreize zum Kauf bzw. Verkauf eines
Produktes oder einer Dienstleistung. Beispiele sind Preisausschreiben,
Gewinnspiele, Gutscheine oder Rabattaktionen.
•
„Persönlicher Verkauf“: Verkaufsgespräch mit einem oder mehreren möglichen
Käufern, um auf einen Verkaufsabschluss hinzuwirken. Dies umfasst Aktivitäten
wie Bemusterung, Fachmessen oder die direkte Verkaufspräsentation.
•
„Direktmarketinginstrumente“: Postsendungen, Telefon und sonstige nichtpersönliche Kommunikations- und Kontaktmittel, durch die gezielt mit ausgesuchten Kunden und potenziellen Kaufinteressenten kommuniziert wird zur
Auslösung einer Reaktion. Hierunter fallen Instrumente wie Telefonmarketing,
Postwurfsendungen oder Kataloge.
•
„Public Relations“ (PR): Eine Vielzahl von Möglichkeiten, auf indirektem
Wege das Image des Unternehmens und seiner Produkte im Bewusstsein
der Öffentlichkeit zu fördern. Presseunterlagen, Sponsoring oder Lobbyismus
zählen zu diesem Bereich.
Aus den Definitionen geht eindeutig der direkte Bezug zum Verkauf bzw. der beabsichtigten Förderung der PR auf. Die Formulierung „ auf indirektem Wege“ führt zu der Annahme einer Verwandtschaft mit IM. Weinhold beschreibt PR als Pflege der Beziehung
zum Öffentlichkeitskreis mittels öffentlicher Botschaften zur Erreichung eines möglichst
hohen Grades an Vertrauen. Bei der Zielausrichtung besteht somit eine gewisse Nähe.
Dennoch handelt es sich bei PR um ein Instrument der Kommunikationspolitik – bei IM
um eine Leistung. Instrumente der PR können somit auch verwendet werden, um eine
IL zu vermarkten. Um diesen Unterschied weiter herauszuarbeiten, wird dies an zwei
Instrumenten der PR, dem „Lobbyismus“ und dem „Sponsoring“ dargestellt.117
Lobbyismus – Interessenvertretung im Sinne der Unternehmen
Lobbyismus beabsichtigt, Kontakt zu staatlichen Institutionen zu halten, um politische
Entscheidungen, wie gesetzgeberische Vorhaben oder Verwaltungsvorschriften zu
unterstützen oder zu verhindern. Hierbei werden neben dem Marketing auch andere
Unternehmensbereiche einbezogen.118 Weinhold (1988) hebt hervor, dass es sich auch
beim Lobbyismus um die Akquisition staatlicher Aufträge handeln kann.
Sponsoring – kommerzielle Public Relation
Sponsoring dient dazu, dem Werbetreibenden ein zeitlich und sachlich verknüpftes
Aussagemonopol zu bieten, bei dem er besondere Aufmerksamkeit und Sympathie
gewinnen kann. Eine Sache, die unterstützungswürdig ist, soll gefördert werden. Diese
117
118
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 653, Weinhold 1988, S. 488.
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 774.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 28
28
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Förderung soll aber noch mit einem kommerziellen oder marketingmäßigen Nebeneffekt verbunden sein.119 Sponsoring bietet den Unternehmen daher auch meistens die
Möglichkeit, Produkte exklusiv anzubieten oder zu bewerben und so die gesponserte
Veranstaltung kommerziell zu nutzen.
Beide Instrumente verfügen über ähnliche Zielvorstellungen in Bezug auf Sympathie,
Aufmerksamkeit und Imagegewinn. Aus den Definitionen gehen jedoch deutlich die
Bedeutung des kommerziellen Nebeneffekts und – insbesondere beim Sponsoring –
die Verknüpfung mit sachlich produktbezogenen Aussagen hervor.
IM wird in der Regel aufmerksamer und unbefangener wahrgenommen, gerade weil
es bewusst diese Verlinkung vermeidet. Die Wirkung langfristiger sogenannter „softsell“-Kampagnen ist den „hard-sell“-Kampagnen überlegen, da jede Maßnahme, die
nicht frontal vom Empfänger aufgenommen wird, bezüglich der Überwindung von
natürlichen Kauf- und Empfangswiderständen bessere Voraussetzungen in Bezug auf
Image und Einstellungen aufweist.120 Besonderes Augenmerk liegt daher beim IM auf
der Trennung zum Verkauf, um diese negativen Effekte zu vermeiden. Entsteht beim
Empfänger der Verdacht einer verdeckten Verkaufsabsicht, kann dies durch den
sogenannten „Kippeleffekt“ zu Reaktanz und weiteren negativen Effekten führen.121 Auf
diese wird im Detail unter Kapitel 2.2.2 eingegangen. Diese Art des destruktiven
Marketing, welches in Misstrauen der Kunden gegenüber dem Unternehmen resultieren
kann, gilt es durch zielgerichtete Gestaltung und Vermeidung von Gelegenheitsmarketing - auch in Bezug auf IM - zu verhindern. 122
Tabelle 4 fasst die diskutierten Unterschiede von IM und direktem Marketing zusammen.
Kern der Differenzierung ist der Bezug zur Hauptleistung und deren Vermarktung, der
Anteil der hierfür verwendeten Werbeaussagen und die damit verbundene Zielsetzung.
Fallstudien/
Auswahlkriterien
Direktes Marketing
Indirect Marketing
Beschreibung
Instrumente zur absatzfördernden Kommunikation
Indirekte Leistungen zur Weiterführung des
durch das klassische Instrumentarium bereits
gesättigten Wirkungsbereiches
Unmittelbares Ziel
Förderung von unmittelbaren
Kaufimpulsen
· Aufbau einer umfassenden Kompetenz
für Kundenprobleme
· Mittelbare Generierung von Kaufimpulsen
Produkt-/Hauptleistungsbezug
Vorhanden
Kein Hauptleistungsbezug vorhanden
Unternehmensbezug
Vorhanden
Situations- und leistungsabhängig
Absender
Unternehmen
Unternehmen oder Kooperationspartner bzw.
neutraler Absender
Direkter Empfänger
Kunde
Kunde oder Netzwerkteilnehmer des Kunden
Direkte Vermarktungsabsicht
der Hauptleistung
Vorhanden
Nicht vorhanden
Tabelle 4: Direktes vs. Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung.
119
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 654, Weinhold 1988, S. 486.
Vgl. Weinhold, 1988, S. 495, Unger/Fuchs 2005, S. 537.
121
Vgl. Wendtland/Hansen 2005, S. 138, Weinhold 1988, S. 496, Brehm 1966, Brehm 1972, Brehm/Brehm, 1981.
122
Vgl. Belz 1989, S. 135.
120
2.2 13.12.13 16:37 Seite 29
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
29
2.1.3 Kategorisierung der Leistungsarten des Indirect Marketing
„The winners will be those who deliver solutions from the users’ point of view. That is a big part of
marketing’s job“. Jack Welch123
Jack Welch betont in seiner Aussage, dass Unternehmen, die Lösungen aus der Sicht
des Kunden entwickeln und liefern, am Markt erfolgreicher sein werden. Leistungssysteme gestalten das eigene Kundenlösungsangebot und bieten die Möglichkeit, dass
Kunden es im Wettbewerb um deren Bedürfnisbefriedigung besser beurteilen als das
der Konkurrenz.124 In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen von Kunden„Lösungen (=solutions)“, welche den Trend von reinen produktorientierten Angeboten
hin zu kundenorientierten Lösungen betonen. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die
Sichtweisen von Kundenlösungen.
Autor
Definition
Foote et al. (2001)
In all sorts of industries, companies that traditionally have made and sold
standalone products are changing their strategies. They are creating high-value
solutions by integrating various products and services (S. 84)
Galbraith (2002)
A recent trend in business strategy is to offer solutions to customers instead of
stand-alone products. The companies following a solution strategy bundle their
products together and add software and services (S. 194)
Johansson et al. (2003)
A solution is a combination of products and services that creates value beyond
the sum of its parts […]. It is the level of customization and integration that sets
solutions above products or services or bundles of products and services (S. 118)
Sawhney (2006)
I define a solution as an integrated combination of products and services
customized for a set of customers that allows customers to achieve better
outcomes than the sum of the individual components. (S. 369)
Sawhney et al. (2006)
A solution is a customized, integrated combination of products, services and
information that solves a customer´s problem (S. 78)
Tabelle 5: Auflistung verschiedener Definitionen von Kundenlösungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tuli/Kohli/Bharadwaj 2007, S. 4.
123
124
Kumar 2004, S. 84.
Vgl. Backhaus/Weiber 1989, S.2, Kuß/Tomczak/Reinecke 2009, S. 135f.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 30
30
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Für Pharmaunternehmen bieten innovative Leistungssysteme somit die Möglichkeit,
sich zu differenzieren. Der Erfolg von Unternehmen anderer Branchen, wie IKEA, Hilti
und Swatch, die sich aufgrund der speziellen Ausgestaltung der Leistungen innerhalb
der jeweiligen Branche unterscheiden, unterstreicht diese Aussage.125 Die vorliegende
Arbeit ordnet das Suchfeld „Indirect Marketing“ in den Bereich der Leistungssysteme ein.126
Definitionen von Leistungssystemen
Leistungssysteme stellen Querbeziehungen zwischen Leistungen eines Unternehmens
vom reinen Produktkern bis hin zum umfassenden Leistungspaket her. Teilleistungen
werden zusammengefasst, so dass daraus integrierte Problemlösungen für Kunden
entstehen. Ziel des Marketing ist es, durch eine Marktleistung in Form eines optimalen
Leistungspakets einen komparativen Konkurrenzvorteil zu generieren. Ansätze für die
Strukturierung von Leistungen eines Unternehmens in Form von Leistungssystemen
finden sich mehrfach in der Literatur.127
Kotler/Bliemel entwickeln ausgehend von ihrem Produktbegriff fünf Konzeptionsebenen
(Kernnutzen, Basisprodukt, erwartetes Produkt, augmentiertes Produkt, potenzielles
Produkt). Jede übergeordnete Ebene stellt einen weiteren Zusatznutzen für den
Kunden durch die weitere Ausgestaltung des Basisproduktes bereit. Sie gehen davon
aus, dass die Attraktivität des Angebotes sich lediglich aus den Leistungselementen,
der Qualität des Produktes, dem Leistungsmix (worunter der Produktmix verstanden
wird) und der Vorteilhaftigkeit des Preises gemäß folgender Produktdefinition generiert:
„Ein Produkt ist, was einem Markt angeboten werden kann, um es zu betrachten und zu
beachten, zu erwerben, zu gebrauchen oder zu verbrauchen und somit einen Wunsch
oder ein Bedürfnis zu erfüllen“.128. Dieser Ansatz verfolgt ein sehr produktorientiertes
Verständnis aufgrund der Ausgestaltung des Basisproduktes mit weiteren Produkteigenschaften und lässt die Kombination von unterschiedlichen Leistungen außer Acht.
Ein umfassenderes Leistungsverständnis findet sich in dem Konzept des erweiterten
Produktbegriffs nach Haller.129 Dieses Modell konzentriert sich auf drei verschiedene
Produktebenen, welche auch unterschiedliche Leistungsarten umfassen: „1. Kernprodukt“, „2. Kernmarktleistung“ und „3. Erweiterte Leistungen“. Hierbei werden insbesondere spezielle Serviceleistungen unter Ebene 3 betont, welche zur Bedürfnisbefriedigung durch einen weiteren Kundennutzen beitragen. Diese Sichtweise rückt
bereits ab von der zuerst beschriebenen produktorientierten Perspektive hin zu einer
kundenbeziehungsorientierten Perspektive.130
Das Leistungsschalenmodell nach Belz liefert schließlich einen detaillierteren
Leistungssystemansatz zur Gestaltung des Portfolios in Form eines Baukastensystems.131 Ähnlich dem Modell nach Kotler/Bliemel erweitern die Stufen 1 bis 5 (siehe
125
Vgl. Tomczak 1991, S. 9.
Vgl. Belz 1998, S. 180.
Vgl. Tomczak 1991, S. 7, Belz 1998, S. 177.
128
Kotler/Bliemel 2007, S. 492ff.
129
Vgl. Haller 2000.
130
Vgl. Haller 2004, S. 723ff.
131
Vgl. Belz 1997, S. 23.
126
127
2.2 13.12.13 16:37 Seite 31
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
31
Abbildung 10) die Leistung, beziehen jedoch zu einem Großteil Dienstleistungen und
weitere mehrwert-generierende Bereiche mit ein.132 Dieses Modell setzt ebenfalls am
Kernprodukt, der eigentlichen Hauptleistung an. Es verknüpft jedoch Produkte, Dienstleistungen und immaterielle Werte zu einem integrierten Gesamtkonzept zur umfassenden Lösung der Kundenprobleme133. Dementsprechend lassen sich um ein Produkt
verschiedene Schalen legen, um den Kundennutzen, damit den Kundenwert und den
Unternehmenserfolg zu steigern. Durch Weiterentwicklung des Portfolios in die äußeren
Leistungsschalen ist es Unternehmen möglich, den Zusatznutzen für den Kunden auszubauen und sich somit zu differenzieren. Zudem eröffnet ein solches Leistungssystem
die Möglichkeit von Cross-Selling zwischen den Leistungsschalen. Einzelne Leistungskomponenten, die für den Kunden relevant sind, können so mit anderen Grundleistungen verknüpft werden, um deren Attraktivität, insbesondere in gesättigten Märkten
wie dem Pharmamarkt, zu stärken.134
Die Erweiterung der Leistungskomponenten in die äußeren Stufen, also in Richtung
Marktleistung, steigert den Innovationsgrad. Nach innen gerichtete Leistungssysteme
erhöhen hingegen die Substituierbarkeit aufgrund der Vergleichbarkeit der Produkte.135
Exakt diesem Problem stehen zunehmend die Pharmaunternehmen auf dem deutschen
Pharmamarkt aufgrund der immer noch stark produktorientierten Marketingausrichtung
gegenüber.136 IL sind als Zusatzleistungen der Dienstleistungsstufe zuzuordnen.137
Gemäß der hergeleiteten Ausführungen bieten sie somit die Möglichkeit zur Differenzierung für das Pharmamarketing.
Schlegel präsentiert ein spezialisiertes Leistungssystem für die pharmazeutische
Industrie zur Arzt- und Patientenbetreuung.138 Ergänzend zum Kernprodukt „Medikament“ umfasst dieses Modell Leistungsstufen in Form von Informationen und Dienstleistungen zu den Bereichen „Indikation“, „Praxisleistung“ und „Lebenserfüllung“. Unter
„Indikation“ fasst Schlegel indikationsspezifische Informationen für Ärzte zusammen.
„Praxisleistungen“ bezeichnen tätigkeitsorientierte Serviceleistungen für die Arztpraxis.
„Lebenserfüllung“ beschreibt Leistungen, welche Lifestyle, Lust und Freude des Arztes
erhöhen sollen. Komponenten dieser Leistungsstufen sollen es dem Unternehmen
ermöglichen, der Zielgruppe eine übergeordnete Kompetenz in relevanten Themenbereichen zu vermitteln. Aufgrund der dargestellten situativen Veränderungen in der
Gesetzeslage seit 1991 sind diese Leistungsstufen nicht mehr vollständig anwendbar
und daher zu überprüfen sowie anzupassen.139 Sie können jedoch als theoretischkonzeptionelle Basis zur Weiterentwicklung innerhalb des Forschungsprojektes herangezogen werden.
Abbildung 10 stellt dar, wie IM und die beschriebenen Pharma-Leistungsstufen nach
Schlegel in das Leistungsschalenmodell nach Belz integriert werden können.
132
Vgl. Belz 1991, S. 95, Belz/Bieger 2004, S. 44ff.
Vgl. Belz/Tomczak 1991.
Vgl. Belz 1998, S. 177.
135
Vgl. Haller 2004, S. 725.
136
Vgl. Expertengespräche März 2011, Fricker 2011, S. 10, Harms 2011, S. 18, Danner 2011, S. 35.
137
Vgl. Belz 1991, S. 61ff.
138
Vgl. Schlegel 1991, S. 135.
139
Vgl. §7 Abs. 1 HWG, Dieners 2010, S. 36ff.
133
134
2.2 13.12.13 16:37 Seite 32
32
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
6 Emotionales Profil und Kundenerlebnis
5 Integriertes Projektmanagement
4 Integration der Leistung
3 Dienstleistungen
2 Sortiment
1Produktgruppe
0
Produkt
Produkt
Produktgruppe
Medikament
Sortiment
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Lebenserfüllung
Abbildung 10: Einbindung der Pharma-Leistungsstufen in Leistungssystem
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz 1991a, S. 102ff., Schlegel 1991, S. 135,
Belz/Bieger 2004, S. 45.
Die Leistungsstufe „Medikament“ umfasst die ersten drei Schalen vom Produkt bis zum
Sortiment. Pharmaunternehmen können sich durchaus über ein breiteres Arzneimittelsortiment zu einem Experten innerhalb einer bestimmten Indikation etablieren. Die
weiteren Leistungsstufen nach Schlegel lassen sich aufgrund deren Beschreibung der
Dienstleistungsstufe und dem IM zuordnen, da sie produktunabhängig und mit der
Absicht der Kompetenzerweiterung eingesetzt werden.
Die Grundlage für die Entwicklung der einzelnen Leistungskomponenten eines
Pharma-Leistungssystems ist der Kundennutzen bzw. Customer Value.140 Die weitere
theoretische Fundierung hierzu erfolgt im nächsten Kapitel.
2.2
Wissenschaftliche Beiträge zu Indirect Marketing
Gemäß des zu Grunde liegenden realitätsorientierten Forschungsparadigmas und der
Besonderheiten des IM ist die Herleitung und Prüfung einer tragfähigen theoretischen
Fundierung von hoher Bedeutung. Aufgrund des theoretischen Pluralismus werden in
diesem Kapitel verschiedene Theorien herangezogen, die in einer komplementären
Beziehung zueinander stehen und somit zu einer möglichst weitreichenden Klärung
des Sachverhaltes beitragen.141
140
141
Vgl. Belz 1991, S. 27.
Vgl. Feyerabend 1965, Fritz 1984, S. 3 ff., Schanz 1973, S. 137 ff.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 33
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
33
Gemäß der hergeleiteten Definition und Abgrenzung von IM handelt es sich dabei um
Leistungen, die als Bestandteil der Dienstleistungsschale von Pharma-Leistungssystemen kundenorientierte Lösungen für Ärzte beinhalten. Die folgenden Kapitel
konzentrieren sich daher auf Forschungsgebiete, welche wissenschaftstheoretische
Erklärungsbeiträge zur Wahrnehmung und Wirkung von IL und damit deren Gestaltung
liefern.
Kapitel 2.2.1 konzentriert sich auf die Erkenntnisse der Customer Value Forschung.
Kapitel 2.2.2 lenkt den Fokus auf theoretische Beiträge des Relationship Marketing als
Grundkonzept des Dienstleistungsmarketing zur Erklärung und Gestaltung von IM.
Kapitel 2.2.3 steuert aktuelle Erkenntnisse aus der Pharmamarketingforschung zum
Verschreibungsverhalten bei. Da IM wie erwähnt auch die Kommunikation über das
Netzwerk des Arztes beinhaltet, beschäftigt sich Kapitel 2.2.4 mit der Informationsweiterleitung in Netzwerken mit Fokus auf Erkenntnisse der WOM Forschung. Abschließend wird ein Zwischenfazit der Erkenntnisse in Kapitel 2.2.5 gezogen.
2.2.1 Customer Value: Kundenvorteil als Basis für den Kundenwert
Die beschriebene Entwicklung vom produktzentrierten hin zum kundenorientierten
Marketing steht im Einklang mit der wissenschaftstheoretischen Entwicklung. Diese
erfolgt nach Slater (1997) ausgehend von der neoklassischen internen Sichtweise und
Ausrichtung des Marketing über ressourcenorientierte Theorien, wie dem Transaktionskostenansatz und dem Resource-based View, hin zur Customer-Value-basierten
Theorie. Nach dieser verfügen Unternehmen über einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie
über Ressourcen verfügen, die es ihnen ermöglichen, einen einzigartigen und schwer
imitierbaren Customer Value zu liefern.142
Definition des Customer Value
Die Definition des Customer Value hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich
spezifiziert. Abbildung 11 stellt eine chronologische Übersicht dar.
142
Vgl. Slater 1997.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 34
34
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
2004
„Der Kundenvorteil besteht im wahrgenommenen Mehrnutzen des Kunden im Prozess
der Zusammenarbeit.” (Belz/Bieger)
2000
„…die vom Kunden wahrgenommene Diskrepanz zwischen dem (mehrdimensionalen)
wahrgenommenen Nutzen und den (mehrdimensionalen) wahrgenommenen Kosten im
Vergleich mit der Konkurrenz.” (Matzler)
1997
„…the customer’s perceived preference for and evaluation of those product
attributes, attribute performance, and consequences arising fromuse that facilitate
achieving the customer’s goals and purposes in use situations.” (Woodruff)
1996
„…perceived service quality relative to 1996 price.” (Hallowell)
1991
„…the satisfaction of purchase requirements at the lowest total cost in use.” (De Rose)
1988
„…the consumer’s overall assessment of the utility of a product based on perceptions of
what is received and what is given.” (Zeithaml)
1972
„…not (…) limited to goods, services, and money; (things of value) include other
resources such as time, energy and feelings.” (Kotler)
1960
„…firms should not focus on selling products but rather on fulfilling customer needs.” (Levitt)
Abbildung 11: Chronologische Entwicklung des Customer Value Begriffes
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Slater 1997, Woodruff 1997, Belz/Bieger 2004,
Von Bartenwerffer 2006.
Der Mehrwert einer Leistung für den Kunden wird in den Definitionen als Customer
Value oder Kundenvorteil (KV) umschrieben. Er besteht nach Matzler und Belz/Bieger
aus der Differenz zwischen dem wahrgenommenen Nutzen und den wahrgenommenen
Kosten einer Leistung im Vergleich zu alternativen Leistungen der Konkurrenz.143 Die
Nutzentheorie beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhalten von Konsumenten
in Bezug auf angebotene Leistungen. Je höher der Nutzen für den Kunden ist, desto
mehr konsumiert er von der Leistung gemäß dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Ein
Kunde geht demnach umso eher eine Beziehung mit einem Unternehmen ein, je höher
der Nutzen ist, den er daraus generiert bzw. je positiver sein subjektives Urteil über die
von ihm als wichtig erachteten Eigenschaften der Leistung ausfällt.144 Der Nutzen stellt
die Summe verschiedener Werte-Arten (Value) dar. Diese Werte-Summe liefert dem
Kunden einen Vorteil. Bei gleich bleibenden wahrgenommenen Kosten steigt somit der
KV. Steigende wahrgenommene Kosten reduzieren bei gleich bleibendem Nutzen
wiederum den KV und stellen somit einen Nachteil für den Kunden dar.
Existiert ein solcher KV, der von der Kundengruppe anerkannt und durch Loyalität sowie
eine erhöhte Zahlungsbereitschaft honoriert wird, resultiert dies in einem gesteigerten
Kundenwert, der als Ertrag für das Unternehmen abgeschöpft werden kann. Nach
Belz/Bieger (2004) umfasst der Kundenwert wiederum die Summe aller Beiträge eines
Kunden zu den Unternehmenszielen.
143
144
Vgl. Matzler 2000, Bieger/Reinhold 2011, S. 35.
Vgl. Pepels 2012, S. 40, Bruhn 2011a, S. 35.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 35
35
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Bieger/Reinhold bestätigen, dass der Ertrag sowohl über die Haupt- als auch Nebenleistungen in Form von Produkten oder Dienstleistungen innerhalb eines Leistungssystems geschaffen werden kann.145 Bezogen auf ein Pharma-Leistungssystem setzt
sich der Kundenwert also aus der zu verschreibenden Kernleistung „Arzneimittel“ und
möglichen Nebenleistungen innerhalb der Dienstleistungsschale, wie IL, zusammen.
Grafisch stellt sich dieser Zusammenhang wie in Abbildung 12 dar.
Wahrgenommener
Nutzen
Zahlungsbereitschaft
Kundenvorteil
Wahrgenommene
Kosten
Anzahl
Kunden
Umsätze
Kundenwert
Kundenloyalität
Abbildung 12: Zusammenhang zwischen Kundenvorteil und Kundenwert
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bieger/Reinhold 2011, S. 49.
Theoretische Ansätze zu Ausprägungen der Werte-Arten (Value)
Tabelle 6 gibt eine Übersicht zu unterschiedlichen Ansätzen für Werte-Arten aus der
Literatur, welche in Summe einen Nutzen darstellen können. Klassischerweise handelt
es sich um den funktionalen Wert, welcher durch das Unternehmen über das
Kernprodukt, das Produktprogramm sowie weitere Serviceleistungen erbracht und
kommuniziert wird.146 Der KV kann jedoch über verschiedene Ausprägungen und
Quellen verfügen, welche über die produktorientierte Sichtweise hinausgehen. Anhand
der unterschiedlichen Definitionen lässt sich der steigende Grad der Differenzierung
möglicher Customer Value Quellen und damit der Trend von ein- hin zu mehrdimensionalen Value Ansätzen erkennen. 147
145
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 42ff., Bieger/Reinhold 2011, S. 46ff.
Vgl. Belz 1997, S. 23.
147
Vgl. Boetsch 2008.
146
2.2 13.12.13 16:37 Seite 36
36
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Park/Jawarski/
MacInnis (1986)
Sheth/Newman/
Gross
(1991)
Three consumer
needs reflect
value:
Five types
of value:
Four types
of value:
Eight types
of value:
• Functional
value
• Product
value
• Efficiency
• Social value
• Value in use
• Functional
need
➝ Functional
value
• Emotional
• Symbolic need
value
➝ Symbolic
• Epistemic
value
value
• Experiential
• Conditional
need
value
➝ Experiential
value
Burns
(1993)
• Possession
value
• Overall value
Holbrook
(1999)
• Excellence
• Status
• Esteem
• Play
• Aesthetics
• Ethics
• Spirituality
Ulaga
(2003)
Woodall
(2003)
Smith/Colgate
(2007)
Five types of
Eight categories value:
of value:
Value for the
Customer (VC)
Four types of
value and five
sources of
value:
• Product
quality
Types of value:
• Delivery
• Net VC
(benefits/
sacrifices)
• Time tomarket • Derived VC
(use/
• Direct product
experience
cost
outcomes)
• Process costs • Market VC
(perceived
• Personal
product
interaction
attributes)
• Supplier
• Sale VC
know-how
(value as
• Service
an reduction
support
in sacrifice
or cost)
• Rational VC
(fairness
in the benefitsacrifice
relative
comparisaon)
• Functional/
instrumental
value
• Experiential/
hedonic value
• Symbolic/
expressive
value
• Cost/sacrifice
value
Sources of
value:
• Information
• Products
• Interactions
• Environment
• Ownership
Tabelle 6: Übersicht Value Ansätze
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Park/Jaworski/Macinnic 1988,
Sheth/Newman/Gross 1991, Burns 1993, Holbrook 1999, Ulaga 2003, Woodall 2003,
Smith/Colgate 2007.
Smith/Colgate (2007) unterscheiden vier mögliche Werte- bzw. Value-Arten („Types of
value“) und fünf Quellen („Sources of Value“). Die vier Value-Arten umfassen:
•
Funktionaler Wert („functional value“): Dieser bezieht sich auf den Grad
der Ausprägung, zu dem ein Produkt oder eine Dienstleistung gewünschte
Eigenschaften liefert oder eine nützliche, gewünschte Funktion erfüllt.
•
Wert durch Erlebniswelten („experiental/hedonic value“): Der Wert wird
durch entsprechende Erfahrungen, Gefühle und Emotionen geschaffen, die
das Produkt oder die Dienstleistung für den Kunden erschafft.
•
Symbolischer Wert („symbolic/expressive value“): Der Kunde ordnet dem
Produkt/der Dienstleistung einen persönlichen, psychologischen Wert zu.
•
Wert durch Kostenminimierung („cost/sacrifice value“): Kunden versuchen
die Kosten und Risiken, die mit dem Erwerb, Besitz und der Verwendung eines
Produkts verbunden sind, zu reduzieren. Werte dieser Art tragen dazu bei, diese
Kosten zu senken.
Als mögliche Quellen für die Werte-Arten heben sie neben den „Produkt- bzw. Serviceeigenschaften“ auch durch Werbung und Brand Management bereitgestellte „Informationen“,
„beziehungsorientierte Interaktionen“, das „Umfeld der Leistungserbringung“ sowie
2.2 13.12.13 16:37 Seite 37
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
37
„Prozesse der Eigentumsübertragung“ hervor.148 Kombiniert ergibt sich daraus ein
umfassendes Raster zur Analyse des KV von Produkten und Dienstleistungen und
deren Ausprägungen ebenfalls aus Leistungs- und Kundenperspektive (Customer Value
Framework).
Während Matzler sowie Belz/Bieger den KV als Differenz zwischen Nutzen und Kosten
beschreiben, addieren Smith/Colgate detailliertere Werte-Arten zu einem Gesamtnutzen und damit KV auf. Die Unstimmigkeit des Modells von Smith/Colgate liegt darin,
dass „cost/sacrifice value“ auf derselben Stufe der anderen Werte-Arten gesehen wird.
Der Nutzen dieser Werte-Art resultiert jedoch aus der Reduktion der wahrgenommen
Kosten.149 Hier entscheidet das Nicht-Vorhandensein kostensteigernder Leistungseigenschaften, wie des Preises oder Eigenschaften, die zu wahrgenommenen psychologischen oder persönlichen Risiken führen, über die Steigerung des KV. Die anderen
Werte-Arten hingegen liefern durch das Vorhandensein einer Leistungseigenschaft
einen Wert.
Die Zusammenführung beider Ansätze ermöglicht eine erleichterte Darstellung der Ausprägungen der Leistungen und verdeutlicht den Beitrag einzelner Werte-Arten zum KV.
Die drei Werte-Arten „funktional“, „symbolisch“ und „Erlebniswelten“ steigern durch ihre
Existenz additiv den Nutzenpegel. Kostengenerierende Faktoren, wie ökonomische,
psychologische Kosten, persönliches Investment oder generelle Risiken steigern den
Kostenpegel. Gemäß Matzler ergibt die Differenz zwischen dem höchsten Nutzen- und
höchsten Kostenpegelpunkt im Vergleich mit der Konkurrenz, den KV. Eine KV-Steigerung
für den Kunden kann somit sowohl durch die Minimierung des Kostenpegels als auch
die Vergrößerung des Nutzenpegels und damit Vergrößerung der Differenz erfolgen. Die
Kosten selbst sind jedoch nicht als eigene Werte-Art zu sehen. Vielmehr geht es bei
der Leistungskonfiguration und Beschreibung darum, für den Kunden kostengenerierende Faktoren zu identifizieren und wenn möglich zu reduzieren, um die gesamten
wahrgenommenen Kosten zu senken. Der Wert für den Kunden besteht somit in der
Kostenminimierung, z. B. eines Prozesses im Praxisalltag. Dieser Wert wiederum senkt
die Summe der wahrgenommenen Kosten und steigert damit wieder den KV.
Die Wertkategorien des Customer Value Frameworks tragen somit auf gegensätzliche
Weise zur Steigerung des KV bei. Funktionale und symbolische Werte sowie Erlebniswelten steigern den „wahrgenommenen Nutzen“. Werte zur Kostenminimierung hingegen senken die „wahrgenommenen Kosten“ und erhöhen dadurch die Differenz.
Durch die Einbeziehung verschiedener Werte-Arten und Quellen bietet sich dieser
Rahmen für die vorliegende Arbeit zur Untersuchung der Value-Ausprägungen von IL
an, um Erfolgsfaktoren herleiten zu können. Auf die konkrete Einbindung wird unter
Kapitel 4 eingegangen.
Gestaltung von bedürfnisorientierten Leistungskomponenten
Werte auf Kundenseite werden durch Leistungen von Unternehmen generiert. Um
deren Erfolgsfaktoren zu erklären, gilt es zu verstehen, wie Leistungsbestandteile
gestaltet sein sollten, um in einer positiven Wahrnehmung zu resultieren. Entscheidend
für die Leistungsgestaltung ist die Befriedigung von Kundenbedürfnissen mit hoher
148
149
Vgl. Smith/Colgate 2007, S. 15.
Vgl. ebd., S. 13.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 38
38
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Relevanz, um diese zu erfüllen oder gar zu übererfüllen und somit den wahrgenommenen Nutzen zu erhöhen bzw. die wahrgenommen Kosten zu reduzieren.150 Der
St. Galler Customer Value Ansatz nach Belz/Bieger liefert hierfür erfolgskritische Bausteine, um die Gestaltung und Vermarktung von Leistungen aus Unternehmenssicht
zu analysieren. Er umfasst strategische Dimensionen zur Gestaltung der Erfolgsvariablen für Leistungs- und Kundensysteme:151
Gestaltungsfaktor Beschreibung
Im Fokus dieses Faktors stehen die Betrachtung der Zielgruppe und deren Bedürfnisse
auf welche die Anstrengungen konzentriert werden. Gemäß Smith/Colgate (2007)
Kunden(orientierung)
können Quellen eines solchen Mehrwerts anstatt dem Produkt auch Informationen, reine
Interaktionen oder das Umfeld des Empfängers sein.
Konfiguration
Die Konfiguration beschäftigt sich mit der strategischen Festlegung der Leistungsselektion. Ziel ist ein integriertes Kundenangebot, um Synergiepotenziale zu nutzen. Es geht
um einen optimalen „Fit“ zwischen Kundenbedürfnissen und dem Leistungssystem, um
den wahrgenommenen Nutzen zu erhöhen.
Hier liegt der Fokus auf der Wertschöpfung des Unternehmens und damit der Erzielung
von zusätzlichen Erträgen durch das Leistungssystem. Gemäß den Prinzipien zur Gestaltung von Kunden- und Leistungssystemen sind Wege zu finden, wie die Leistungen
Kommerzialisierung
dem Kunden verrechnet werden können. Hierbei spielen Kostentransparenz, aber auch
kundengerechte Rationalisierung und Selektion von Leistungen eine entscheidende
Rolle, um kein Überangebot entstehen zu lassen.
Kommunikation
Dieser Baustein bündelt alle vorgelagerten Prozesse für erfolgreiche Leistungs- und
Kundensysteme und leitet diese an den Kunden weiter.152 Die Kommunikation ist ebenfalls intern auszurichten. Intern ist ein Verständnis für Dienstleistungen innerhalb der
Leistungssysteme zu etablieren, um mögliche Unsicherheiten abzubauen. Die Kommunikation stellt somit intern als auch extern einen kritischen Erfolgsfaktor dar.
Kompetenz
Leistungssysteme benötigen einen langfristigen Aufbau von Kompetenzen und Ressourcen in Bezug auf deren Entwicklung, Planung und Führung. Diese umfassen besonders
strategische Personalplanung und Mitarbeiterentwicklung, Out- und Insourcing von
Leistungen, Investitionen in Informatik sowie Logistik- und Produktionssysteme.
Kooperation
Im Zusammenhang mit der Leistungserstellung hat ein Unternehmen die Grenzen der
eigenen Ressourcen und Fähigkeiten über das eigene Unternehmen hinauszuziehen
und weitere Partner zu integrieren, um die Bedürfnisse der Kunden besser zu befriedigen,
wenn eigene bestimmte Kompetenzen nicht zur Verfügung stehen.153 Insbesondere
Kooperationen ermöglichen es dem Unternehmen Zusatzleistungen glaubwürdig zu
vermitteln.
Kontrolle
Ein strategisches Kontrollkonzept (Controlling) unterstützt bei der Umsetzung des
Leistungssystems und soll somit deren Effektivität und Effizienz sicherstellen.
Tabelle 7: Strategische Dimensionen zur Gestaltung der Erfolgsvariablen für Leistungsund Kundensysteme
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz/Bieger 2004, S. 166, Niepel 2005, S. 116.
150
Vgl. Bieger/Reinhold 2011, S. 36, Kano 1984, S. 39ff.
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 165.
152
Vgl. ebd., S. 256.
153
Vgl. ebd., S. 339.
151
2.2 13.12.13 16:37 Seite 39
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
39
Fünf Prinzipien fassen die erfolgskritischen Erkenntnisse zur Gestaltung von Kundenund Leistungssystemen über alle Dimensionen zusammen:154
1
Integration der Leistungskomponenten: Leistungssysteme sind so zu gestalten,
dass sich zwischen den einzelnen Stufen Synergien für den Kunden ergeben.
2
Verrechnung: Zusätzliche Leistungen im Rahmen des Leistungssystems sollten
verrechnet bzw. einen Gegenwert des Kunden generieren.
3
Partizipation und Dialog: Die Entwicklung von integrierten Leistungssystemen
bedingt die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern und Dialog mit Kunden.
4
Evolution: Leistungs- und Kundensysteme sind sich verändernden Kundenbedürfnissen und Wettbewerbsverhältnissen anzupassen.
5
Relevanz: Die angebotenen Leistungen sollten Werte für Kundenbedürfnisse mit
hoher Relevanz schaffen.
Die strategischen Dimensionen liefern ein fundiertes Analyseraster, anhand dessen die
verschiedenen Gestaltungsfaktoren zur Erstellung einer Customer Value-orientierten
IL aus Unternehmenssicht beleuchtet werden können.
2.2.2 Theoretische Einordnung in das Dienstleistungsmarketing
Auch im Pharmamarketing muss der Unternehmenserfolg zunehmend über dienstleistungsorientierte Zusatznutzen generiert werden.155 Die Dienstleistungsorientierung
und Ausrichtung der Leistungssysteme an den Kundenwünschen zur Stärkung der
Kundenbeziehung gewinnt somit zunehmend an Bedeutung. IM ist gemäß der
Herleitung in Kapitel 2.1.3 Bestandteil der Dienstleistungsschale des Leistungssystemansatzes und trägt in diesem Zusammenhang zur Steigerung des Kundenwerts bei
Pharmaunternehmen bei. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Dimensionen
und Begriffsdefinitionen des Dienstleistungsmarketing, ordnet IM ein und diskutiert
theoretische Beiträge dieser Forschungsrichtung, welche einen Erklärungsbeitrag
liefern können.
Einordnung des Indirect Marketing in den Dienstleistungsbegriff
Die Dienstleistungsmarketingforschung (DLM) verfolgt seit den 1960er Jahren insbesondere zwei Perspektiven.156 Während sich vor allem die amerikanische Literatur
auf die Abgrenzung und Entwicklung eines „reinen“, institutionellen Dienstleistungsmarketing aufgrund der Besonderheit von Dienstleistungen konzentrierte, beschäftigte
sich die Literatur im deutschsprachigen Raum auf produktbegleitende Leistungen in
Form von technischen Kundendienstleistungen.157 Die Bedeutung dieser Value Added
154
Vgl. Bieger/Reinhold 2011, S. 36.
Vgl. Harms 2011, S. 18, Mayer/Trommsdorf 2010, S. 203.
Vgl. Scheer/Grieble/Klein 2003, S. 21ff.
157
Vgl. Lovelock/Wirtz 2007, Meffert 1987, S. 93, Belz 1991, S. 65.
155
156
2.2 13.12.13 16:37 Seite 40
40
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Services in Form des industriellen Dienstleistungsmarketing nimmt seitdem stetig zu.158
Als weiterer relevanter Forschungsstrang beschäftigt sich die Zufriedenheitsforschung
mit Ansätzen zur Messung und Erfassung der Dienstleistungsqualität.159 Diese drei
Forschungsrichtungen führten zu einem integrierten Dienstleistungsmarketingansatz,
der sowohl institutionelle als auch industrielle Dienstleistungen umfasst. 160
Die Definition des Dienstleistungsbegriffes erweist sich dementsprechend als komplex.
So haben sich mit den enumerativen, negativen, und konstitutiven Definitionen drei
unterschiedliche Ansätze entwickelt. Während enumerative Definitionen den Dienstleistungsbegriff anhand von Beispielen erläutern, grenzen negative Definitionen diesen
von Sachgütern ab. Konstitutive Ansätze liefern hingegen explizite Definitionen, die
sich wiederum in vier Definitionsansätze unterteilen lassen, welche für die betriebswirtschaftliche Forschung geeignet und zu denen die gebräuchlichen Definitionen
zuzuordnen sind.161
Schüller (1967) stellt die tätigkeitsorientierte Definition (1) vor, in der er jede Tätigkeit
des Menschen, „[…] um seine physische und psychische Arbeitskraft mit oder ohne
Verbindung zur materiellen Güterwelt in den Zweckbereich der menschlichen Bedürfnisbefriedigung zu bringen […]“ als Dienstleistung bezeichnet.162 Aufgrund des hohen
Abstraktionsgrades dieser Abgrenzung bietet diese Definition jedoch wenig Potenzial,
konkrete Ableitungen für das Dienstleistungsmarketing zu ziehen.163 Die prozessorientierte Definition (2) beschreibt Dienstleistung als ,,[…] im weitesten Sinne der
Bedarfsdeckung Dritter dienende Prozesse mit materiellen und/oder immateriellen
Wirkungen, deren Vollzug und deren Inanspruchnahme einen synchronen Kontakt
zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer bzw. deren Objekten von der Bedarfsdeckung her erfordert“.164 Im Rahmen der ergebnisorientierten Definition (3)
beschreibt Maleri (1997), dass Dienstleistungen „[…] nicht als ein Prozess, sondern
nur als Ergebnis des Prozesses angesehen werden, denn nur dieses ist am Markt vertretbar“.165 Dieses Ergebnis kann sowohl immaterieller als auch materieller Art sein.166
Die potenzialorientierte Definition (4) schließlich umschreibt Dienstleistungen als
durch Menschen oder Maschinen geschaffene Potenziale eines Dienstleisters zur
Erbringung spezifischer Dienstleistungen bei Kunden.167 Meffert/Bruhn fassen die
158
Niepel, 2005, spricht in diesem Zusammenhang von der Entwicklung vom „Pure Goods Value“ zum
„Pure Service Value“. Die Marktleistung des Unternehmens lässt sich somit anhand der Value-Stufen vom
reinen Produkt zum reinen Service Value weiterentwickeln.In diesem Zusammenhang beschreibt er die
Trendentwicklung vom produktorientierten Transaktionsmarketing hin zum Relationship-Marketing und
damit den Trend vom Produkt bzw. Service zur ganzheitlichen Problemlösung und von der Transaktion zur
Kunden beziehung, welcher sich wie beschrieben auch im Pharmamarketing abzeichnet; Vgl. Niepel 2005,
S. 31, Meffert/Bruhn 2009, S. 12.
159
Vgl. Bruhn 1982, 1998, Bruhn 2008a, Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, 1988, Büker 1991, Burmann 1991,
Hentschel 1992, 2000, Bruhn/Stauss 2000, Georgi 2000, S.43, Meffert 1993.
160
Vgl. Hübner 1993.
161
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 16, Haller 2001, S. 5.
162
Vgl. Schüller 1967, S. 19.
163
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 16.
164
Vgl. Berekoven 1983 S. 23.
165
Vgl. Maleri 1997, S. 4.
166
Vgl. Schuh 2004, S. 9 f.
167
Vgl. Meyer/Mattmüller 1987, S. 187, Hentschel 1992, S. 19f.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 41
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
41
Definitionsansätze (2) bis (4) in einer kombinierten Definition zusammen und heben
dabei die Bedeutung aller drei Faktoren für Dienstleistungen hervor:168
„Dienstleistungen sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen
und deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“
Die nutzenstiftende Wirkung von Dienstleistungen kann gemäß diesem Dienstleistungsverständnis materieller oder immaterieller Natur sein. Dies trifft auch auf „Dienst“Leistungen des IM zu.169 Daher wird diese Definition als Grundlage für das vorliegende
Forschungsprojekt herangezogen. Basierend auf diesen Erkenntnissen und Modellen
aus der Literatur lassen sich insgesamt drei Dimensionen des Dienstleistungsmarketing
zur Differenzierung aus Nachfragersicht unterscheiden. Diese umfassen die markt-, die
unternehmens- und die leistungsgerichtete Dimension.
Die marktgerichtete Ebene bezieht sich auf die anvisierte Zielgruppe und unterscheidet
zwischen konsumtiven, die auf Konsumenten abgestimmt, und investiven Dienstleistungen, welche auf gewerbliche Unternehmen ausgerichtet sind. Die unternehmensgerichtete Ebene bezieht sich darauf, ob es sich bei der Hauptleistung des anbietenden Unternehmens um eine Dienstleistung oder ein Produkt handelt. Sie unterscheidet somit zwischen einem reinen Dienstleistungsunternehmen im Sinne einer
institutionellen und einem produzierenden Unternehmen im Sinne einer industriellen
Dienstleistung. Die leistungsgerichtete Ebene greift die erläuterten Ausprägungen
der Materialität auf. Sie bezieht sich darauf, ob die Zusatzleistung über einen höheren
materiellen oder immateriellen Anteil verfügen. Abbildung 13 fasst die erläuterten
Dimensionen zusammen und ordnet die Leistungen des IM im Pharmamarkt ein.
Dienstleistungen
Konsumtive Dienstleistungen
Nachfrager: Konsument
Institutionelle Dienstleistungen
Anbieter: Reines
Dienstleistungsunternehmen
Sekundärleistung:
Sachleistungen
Investive Dienstleistungen
Nachfrager: Unternehmen
Industrielle Dienstleistungen
Anbieter: Produzierendes
Unternehmen
Sekundärleistung:
Dienstleistungen
Marktgerichtete Dimension
Unternehmensgerichtete Dimension
Leistungsgerichtete Dimension
Abbildung 13: Differenzierende Dimensionen des Dienstleistungsmarketing aus Nachfragersicht
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bruhn/Meffert 2009, S. 14, Niepel 2005, S. 19,
Schuh/Friedli/Gebauer 2004, S. 18f.
168
169
Meffert/Bruhn 2009, S. 19.
Vgl. Weinhold 1988, S. 487ff.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 42
42
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Arztpraxen als Empfänger der IL können als gewerbliche Unternehmen gesehen werden.
Hauptleistung der anbietenden Pharmaunternehmen sind Arzneimittel. Da Initiator der
IL immer das Unternehmen ist, auch wenn ein kooperierender Dienstleister diese
erbringt, handelt es sich somit um industrielle, sekundäre Dienstleistungen mit einem
stärkeren materiellen bzw. sachleistungslastigen oder immateriellen bzw. dienstleistungslastigen Anteil. Hierbei ist noch einmal zu betonen, dass es sich bei der Sachleistung nicht um die Hauptleistung sondern um die Eigenschaft der indirekten (Dienst-)
Leistung handelt.
Relationship Marketing als theoretische Grundlage des Indirect Marketing
Das Relationship Marketing (RLM) steht als Ansatz der DLM Forschung im Einklang
mit der im Pharmamarketing beschriebenen Tendenz vom produkt- hin zum kundenorientierten Marketing. Dieser Paradigmenwechsel führt zu einer Weiterentwicklung
des traditionellen Transaktionsmarketing.170 Tabelle 8 stellt anhand ausgewählter Definitionen
die chronologische Weiterentwicklung des Begriffes „Relationship Marketing“ dar.
Berry, 1983
Grönroos, 1990
Möller, 1992
Morgan/Hunt, 1994
Sheth/Parvatiyar,
1995
Belz, 1998
Relationship Marketing is attracting, maintaining and enhancing customer
relationships.
The goal of relationship marketing is to establish, maintain and enhance relationships
with customers and other parties at a profit so that the objectives of the parties
involved are met.
Marketing is about understanding, creating and managing exchange relationships
between economic parties; manufacturers, service providers, various channel
members and final consumers.
Relationship marketing refers to all marketing activities directed toward
establishing, developing and maintaining successful relational exchanges.
Relationship marketing is a marketing orientation that seeks to develop close
interactions with selected customers, suppliers and competitors for value
creation through cooperative and collaborative efforts.
Management von Geschäftsbeziehungen umfasst Analysen sowie operative und
strategische Entscheide, um die persönlichen Transaktionen zu Kunden und
Anspruchsgruppen erfolgswirksam für aktuelle und zukünftige Geschäfte zu nutzen.
Bruhn, 2001
Relationship Marketing ist ein Prozess der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen – insbesondere zu
den Kunden – des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen.
Gummesson, 2002
Relationship marketing is marketing based on interaction within networks
of relationships.
Tabelle 8: Ausgewählte Definitionen zum Relationship Marketing
Quelle: Eigene Darstellung nach Bruhn, 2001 (ergänzt)
Aus den Definitionen wird die Bedeutung der Kundenorientierung und der weiteren
Anspruchsgruppen im Netzwerk des Kunden, z. B. des Arztes, deutlich. Bruhn (2001)
liefert eine für das Forschungsprojekt stimmige Definition, in dem er den „gegenseitigen
Nutzen“ als Ziel des RLM ausdrücklich hervorhebt.171 Diese gegenseitige nutzenorientierte
Ausrichtung der Aktivitäten steht im Einklang mit der Philosophie erfolgreicher IL.172 Als
170
171
172
Vgl. Gummesson 2002, Zineldin/Philipson 2007, Meffert/Bruhn 2009.
Vgl. Bruhn 2001 S. 9.
Vgl. Belz 1991, Weinhold 1988.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 43
43
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Unternehmensleistung verfolgen diese zwar ebenfalls übergeordnete monetäre Ziele,
erreichen diese jedoch nicht über verkaufsfördernde, opportunistische Aktivitäten mit
der Absicht der Verkaufsförderung. Vielmehr wirken sie indirekt über die Qualität des
gelieferten KV, indem sie den Kunden in seinen Bedürfnissen durch Zusatzleistungen
unterstützen, ohne diese mit einem direkten Kauf zu verknüpfen. Abbildung 14 stellt
die beiden Ansätze des produktorientierten Transaktionsmarketing und des kundenorientierten RLM gegenüber.
Transaktionsmarketing
Relationship Marketing



Marketingobjekte
Kundenakquisition

Leistungsdarstellung
Gewinn, Deckungsbeitrag,
Umsatz, Kosten
Kurzfristigkeit
Produkt
Produktlebenszyklus



Produkt und Interaktion
Dominierendes
Marketingziel

Kundenakquisition,
Kundenbindung,
Kundenrückgewinnung

Marketingfokus

Leistung und Dialog

Ökonomische
Erfolgs- und
Steuergrößen

Zusätzlich: Customer Value,
Customer Lifetime Value,
Kundendeckungsbeitrag
Ausrichtung
Denkschema
Langfristigkeit
Kundenlebenszyklus
Abbildung 14: Transaktionsmarketing versus Relationship Marketing
Quelle: in Anlehnung an Bruhn 2008b, S. 31.
RLM zielt durch eine langfristige Ausrichtung der Maßnahmen am Kundenlebenszyklus
auf Kundenbindung und Kundenrückgewinnung. Die zu vermarktenden Leistungen
gehen dabei über das reine Produkt hinaus und beziehen den Kunden durch Interaktion
stärker ein, um den KV zu steigern.173 Die erstrebten Erfolgsgrößen gehen daher entsprechend den Zielen des IM (siehe Kapitel 2.1.1) über rein monetäre Faktoren hinaus
und beziehen sich zusätzlich auf den Kundendeckungsbeitrag, Customer Value sowie
den Customer Lifetime Value.
Theoretische Erklärungsansätze für einen potenziellen Übertragungseffekt
des Indirect Marketing
Aufgrund der Einordnung von IM in diese Forschungsrichtung, werden aus dieser im
weiteren Verlauf theoretische Ansätze herangezogen und auf deren Erklärungsbeitrag
zur Beantwortung der Forschungsfragen geprüft. Diese lassen sich zwei Richtungen
zuordnen.
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze umfassen Theorien, die zur Erklärung der Wahrnehmung der IL aus Empfänger- bzw. Arztsicht und damit letztendlich zur Generierung
des Kundenwerts beitragen. Da dieser wie unter Kapitel 2.1.3 beschrieben aus dem
Arzneimittel als Kernprodukt und der IL bestehen kann, fallen zudem Erklärungsbeiträge
zu einem möglichen Übertragungseffekt zwischen den Leistungsschalen darunter.
Grundlage verhaltenswissenschaftlicher Ansätze sind Reiz-Reaktions-Schemata. Hierbei
173
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 51.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 44
44
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
kann in das S-R- und das S-O-R-Paradigma unterschieden werden. Während ersteres
sich ausschließlich auf beobachtbare Größen zur Klärung des Konsumentenverhaltens
konzentriert, bezieht letzteres auch nicht beobachtbare Verhaltensweisen im „Innern
des menschlichen Organismus“ (O) mit ein.174 Dabei ist von Interesse, diese internen
Abläufe zu verstehen, welche eine Reaktion als Antwort auf einen Stimulus zusätzlich
beeinflussen können.
Ökonomische Ansätze umfassen Theorien, welche Erkenntnisse zur erfolgreichen
Gestaltung von IL aus Sender- bzw. Unternehmenssicht beisteuern.
Tabelle 9 gibt einen Überblick über die für das Forschungsprojekt als relevant eingestuften Theorien mit potenziellen Erklärungsansätzen.
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze
Psychologische
Ansätze
• Lerntheoretisches
Verstärkerprinzip
Bower/Hilgard 1984
• Attributionstheorie
Kelley 1972, 1978
• Brand Salience
Romaniuk/Sharp 2004
Sozialpsychologische
Ansätze
• Reaktanztheorie
Brehm 1966
Ökonomische Ansätze
Ansätze der neuen
Institutionenökonomik
• Informationsökonomik
Spence 1976, Adler
1994, Göbel 2002,
Stiglitz 2003
Brehm/Brehm 1981
• Soziale Austauschtheorie
• TransaktionskostenHomans 1961, Bagozzi
theorie
1975, Meffert/Bruhn
Williamson 1975, 1985
1978
Organisationstheoretische Ansätze
• Ressource-Based-View
Barney 1991,
Wernerfeldt 1984
• RessourceDependenz-Theorie
Van de Ven 1976,
Pfeffer 1982
• Theorie des
wahrgenommenen
Risikos
Bauer 1960, 1967,
Cox, 1967
Tabelle 9: Theoretische Ansätze mit Erklärungsbeitrag zu Indirect Marketing als Bestandteil der
Dienstleistungsschale
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Meffert/Bruhn 2009, S. 84.
Somit werden sowohl psychologische und sozialpsychologische, als auch Ansätze
der neuen Institutionenökonomik und organisationstheoretische Ansätze beleuchtet.
Psychologische Ansätze konzentrieren sich auf Abläufe innerhalb eines Individuums,
welche das Verhalten einer Person beeinflussen und in Interaktionen münden.
Beziehungen und Interaktionen zwischen Kommunikationspartnern ist Thema der sozialpsychologischen Theorien. Sie können damit zum Verständnis beitragen, wie IL in
bestimmten Situationen im sozialen Kontext wahrgenommen werden und dadurch
Verhalten beeinflussen.175 Die Ansätze der neuen Institutionenökonomik befassen sich
mit der Wirkung von „Institutionen“ (z. B. Leistungen des Pharmamarketing) auf
„Wirtschaftseinheiten“ (z. B. Arztpraxen). Organisationstheoretische Ansätze hingegen
legen den Schwerpunkt auf das Unternehmen als Absender und dessen benötigten
Kompetenzen für erfolgreiche Beziehungen zu den relevanten Marktpartnern.
174
175
Vgl. Bruhn 2011b, S. 25ff.
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 12ff, Meffert/Bruhn 2009, S. 55.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 45
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
45
Die Theorie der kognitiven Dissonanz und Balancetheorie stellen weitere verhaltenswissenschaftliche sowie die Principal-Agent- und Property-Rights-Theorie weitere
ökonomische Erklärungsansätze dar. Ihr Beitrag fällt jedoch wesentlich geringer aus,
als der der aufgeführten Theorien. Deshalb wird an dieser Stelle auf die Fachliteratur
verwiesen.176
2.2.2.1 Psychologische Ansätze
Lerntheoretisches Verstärkerprinzip
In der Lernforschung existiert ein breites Spektrum theoretischer Ansätze, um die
Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas zu untersuchen. Diese reichen von
elementaren bis zu komplexen empirischen Lerntheorien.177 Zur Klärung der Abläufe
des IM sei in diesem Kontext auf das sogenannte „Verstärkerprinzip“ oder instrumentelle
Konditionierung verwiesen.178 Das „Verstärkerprinzip“ beschreibt die Reaktion
von Individuen auf einen bestimmten Stimulus durch nachfolgende Belohnung oder
Bestrafung. Belohnte Reaktionen werden tendenziell verstärkt (positiver Verstärker),
während bestrafte Reaktionen (negativer Verstärker) gemieden werden.179 Im Umfeld
des Forschungsprojektes bedeutet dies, dass ein Kunde, z. B. ein Arzt, der im Rahmen
der Geschäftsbeziehung positive Erfahrungen mit einem Produkt, einer Marke oder
einem Unternehmen gemacht hat und mit der Beziehung zufrieden ist, mit großer
Wahrscheinlichkeit seine „Kaufhandlung“ wiederholt.180 Im optimalen Fall kann diese
Wiederholung in ein habituelles Kaufverhalten übergehen und somit zu Kundenbindung
führen.181 Im Zusammenhang mit IL ist von Interesse zu erfahren, ob sich dieser Effekt
auch einstellt, wenn ein Arzt immer wieder mit nutzbringenden Serviceleistungen eines
bestimmten Unternehmens konfrontiert wird. Die Belohnung besteht in diesem Fall nicht
aus Boni, Geschenken oder anderen Belohnungen, sondern dem erbrachten KV der IL.182
Das Verstärkungsprinzip wird von weiteren Theorien aufgegriffen, wie dem Brand Salience Ansatz oder der sozialen Austauschtheorie, welche im weiteren Verlauf behandelt
werden.
Attributionstheorie
Die Attributionstheorie beschäftigt sich mit der Ursachenzuschreibung menschlichen
Verhaltens.183 Die Reaktion einer Person ist abhängig von der Ursache, die sie dem
Verhalten einer anderen Person zuschreibt. Die Ursachen werden gemäß der drei
Kategorien Personen, Umweltstimuli und Handlungsumstände in Bezug auf Situation
176
177
178
179
180
181
182
183
Vgl. Bergen/Dutta/Walker 1992, Picot/Reichwald/Wigand 2003 (Principal-Agent), Furubotn/Pejovich 1972,
Gobel 2002 (Property-Rights), Festinger 1957 (Kognitive Dissonanz), Heider 1958 (Balance).
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, Bower/Hilgard 1984.
Vgl. Berridge 2001, Skinner 1973.
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröpper-Klein 2009, S. 378ff., Homans 1972, S. 62.
Vgl. Homburg/Bruhn 2008, Weinberg, 1981.
Vgl. Kuß/Tomczak/Reinecke 2009, S. 39, 143, Engel/Blackwell/Miniard 2006.
Vgl. Dittrich 2000, S. 25.
Vgl. Weiner 1974.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 46
46
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
und Zeitpunkt zugeordnet. Die konkrete Zuordnung einer Ursache zu einem Verhalten
hängt von der Übereinstimmung der Interpretation und Attribution mit anderen Personen
(Konsensus), der Konsistenz der Beobachtung über einen längeren Zeitraum
(Konsistenz), sowie der deutlichen Abgrenzung der wahrgenommenen Ursache von
anderen Ursachen ab (Distinktheit).184 Es ist somit im Interesse der Unternehmen und
dessen Marken, positive personenbezogene Attributionen zu generieren, wie z. B. die
Wahrnehmung des Pharmareferenten als kompetenten, glaubwürdigen Ansprechpartner. Gelingt es diese Attribute konsistent aufzubauen, führt dies zu einer langfristigen Kundenbindung, während jedoch die Zuordnung z. B. einer IL zu situationsspezifischen, unregelmäßigen Attributen nicht zur Kundenbindung führt. 185 Diese
Erkenntnisse können auch auf IL übertragen werden. Es gilt somit, den Absender der
IL durch deren Erbringung mit positiven personenbezogenen Attributen auszustatten
und die Leistungserbringung langfristig anzulegen, um die Wahrscheinlichkeit auf eine
langfristige Kundenbindung zu erhöhen.
Kritiker der Theorie betonen, dass den Beurteilungen meist keine kognitiven Einsichten
zu Grunde liegen, sondern dass dem Verhalten erst später vernünftige Gründe zugeschrieben werden, wie Produktqualität oder Renommé. Sie gehen davon aus, dass
die Erklärungen gemäß der Attributionstheorie oft überschätzt werden.186
Der Standpunkt, dass die bewusste Aufnahme an Informationen limitiert ist und stattdessen automatische Prozesse ablaufen, die eine unbewusste Verarbeitung ermöglichen,
ist durch Studien belegt.187 Einer dieser automatischen Prozesse ist die Fähigkeit, die
Frequenz der Konfrontation mit einem bestimmten Ereignis unabhängig vom Inhalt der
übertragenen Information wahrzunehmen.188
Exkurs: „Brand Salience“ Ansatz
In diesem Zusammenhang sei an dieser Stelle auf den Ansatz der „Brand Salience“
verwiesen, welcher ebenfalls auf der Verlinkung mit Attributen beruht und die erwähnten
Kritikpunkte aufgreift.189 „Salience“ ist definiert als der Grad der Wahrscheinlichkeit, zu
der ein Kunde zu einem bestimmten Zeitpunkt an eine konkrete Marke denkt.190 Die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Marke aus dem Speicher in einer Wahlsituation abgerufen wird, hängt nicht ausschließlich von der „Top of mind“ Position ab, sondern von
der Stärke und Breite der Verbindungen mit Hinweisen auf die Marke. Je öfter eine
Marke im Zusammenhang mit einer breiten Anzahl an Attributen erwähnt wird, desto
höher ist die „Brand Salience“. Der Ansatz geht davon aus, dass mit einer steigenden
Anzahl an Attributen, die eine Person mit der aktuell verwendeten Marke verbindet, das
Risiko eines Markenwechsels sinkt.191 Der Fokus liegt somit auf der Anzahl an Attributen,
die mit einer Marke (z. B. einem Pharmaunternehmen) verbunden werden und der
Regelmäßigkeit, mit der der Empfänger der Marke und ihren Attributen ausgesetzt ist.
184
Vgl. Kelley 1967.
Vgl. Trommsdorff 2004, S. 291.
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 345ff.
187
Vgl. Miller 1956, Lynch/Srull 1982.
188
Vgl. Hasher/Zacks 1984.
189
Vgl. Sharp 2010, Romaniuk/Sharp 2003.
190
Vgl. Sutherland 1993.
191
Vgl. Romaniuk/Sharp 2003, S. 26ff.
185
186
2.2 13.12.13 16:37 Seite 47
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
47
Je besser diese Aspekte erfüllt werden, desto hervorgehobener ist die Marke im
Gedächtnis des Kunden und desto stärker tritt diese im Entscheidungsmoment (z. B.
dem Verschreibungsmoment eines Arzneimittels) in den Vordergrund.192
Theorie des wahrgenommenen Risikos
Die Theorie geht davon aus, dass Individuen versuchen, ihr subjektiv wahrgenommenes
Risiko möglichst gering zu halten.193 Das Risiko wird dabei bestimmt durch
die empfundene Bedeutung und die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit negativer
Konsequenzen für den Kunden.194 Risiken können in Bezug auf die zu erwartende IL
funktioneller, finanzieller, sozialer oder psychischer Natur sein.195 Übersteigt das Risiko
die vom Kunden akzeptierte Toleranzschwelle, wird er versuchen, das Risiko zu
minimieren.196 Zwei der Reduktionsstrategien verfügen über eine Relevanz für die
vorliegende Arbeit.
Eine Strategie beruht auf dem loyalen Verhalten gegenüber einer Marke oder einem
Anbieter. Mit zunehmender positiver Erfahrung mit einer Marke (Produkt- oder
Unternehmensmarke), steigt auch die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs durch
den Kunden.197 Eine weitere Strategie der Risikominimierung stellen zusätzliche
Informationsbeschaffungsmaßnahmen, wie Orientierung an Referenzpersonen, die
Reputation des Anbieters, Empfehlung durch Freunde oder bisherige Beziehungserfahrungen mit dem Anbieter dar.198 Auf Erkenntnisse des Empfehlungsmarketing in
Form von WOM wird im Kapitel 2.2.4 eingegangen.
2.2.2.2 Sozialpsychologische Ansätze
Theorie der psychologischen Reaktanz
In den vorangegangenen Ausführungen wurde bereits auf das Risiko einer negativen
Reaktion auf eine IL in Form von Reaktanz, z. B. beim Verdacht einer verdeckten
Verkaufsabsicht, hingewiesen. Insbesondere IM erfordert demnach ein überlegtes
Vorgehen, um destruktives Marketing zu vermeiden.199 Psychologische Reaktanz entsteht als komplexe Abwehrreaktion in Form eines motivationalen Erregungszustandes
mit dem Ziel, eine bedrohte oder abnehmende (Entscheidungs-)Freiheit wiederherzustellen.200 Herkner fasst die Inhalte der Theorie folgendermaßen zusammen:
„Wenn bisher verfügbare (oder als verfügbar angenommene) Verhaltens- oder
Ergebnisalternativen blockiert oder auch nur bedroht werden, entsteht Reaktanz.
Reaktanz ist ein Erregungs- oder Motivationszustand, der darauf abzielt, die bedrohte,
eingeengte oder blockierte Freiheit wieder herzustellen.“ 201
192
Vgl. Romaniuk/Sharp 2003, S. 27.
Vgl. Bauer 1967.
Vgl. Bruhn 1982, Bauer 1967, Cox 1967.
195
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 436.
196
Vgl. Cox 1967, S. 80.
197
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 396.
198
Vgl. Hentschel 1991, S. 25, Weinberg 1977, S. 116f.
199
Vgl. Belz 1989, XXI.
200
Vgl. Brehm 1966, Brehm/Brehm 1981.
201
Herkner 1991, S. 97.
193
194
2.2 13.12.13 16:37 Seite 48
48
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Brehm unterteilt die möglichen Reaktionen in vier Hauptklassen:
•
Direkte Wiederherstellung der Freiheit durch entgegengesetztes Verhalten,
•
Indirekte Wiederherstellung der Freiheit: Der direkten Bedrohung wird zwar
nachgegeben, jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit des entgegengesetzten
Verhaltens für zukünftige vergleichbare Situationen,
•
Instrumentelle Aggression bzw. unspezifische Aggressivität gegenüber der
freiheitseinengenden Instanz,
•
Attraktivitätsveränderung durch Abwertung der verloren gegangenen Freiheit
und Aufwertung der neuen Option.
Die Stärke der Reaktanz ist dabei abhängig von der Anzahl der bedrohten Freiheiten,
dem subjektiven Bedeutungsgrad und der Stärke der Freiheitsbedrohung. Dieser Effekt
kann ebenfalls auftreten, wenn die Einengung der Freiheit bei anderen Personen beobachtet wird oder Personen über eine beabsichtigte Manipulation vorabinformiert werden,
z. B. zum Kauf eines Produktes.202 Die Reaktanztheorie dient dementsprechend auch
als Erklärungsmuster für Widerstand gegenüber Kundenbindungsmaßnahmen.203 Eine
verstärkte Kommunikation und Motivationsaufforderung kann trotz nutzenorientierter
Inhalte zu einer Vielzahl negativer Effekte führen, die in der Ablehnung der Kundenbindungsanstrengung resultieren.204
Bei der Gestaltung und Kommunikation der IL, die durch die Einbindung in Leistungssysteme zur Kundenbindung beitragen können, ist auf diese Faktoren zu achten. Die
Herausforderung liegt darin, IM vom Verkauf der Kernleistung zu trennen, aber auch
so damit zu verbinden, so dass keine Reaktanz hervorgerufen wird. Insbesondere in
Zeiten eines wachsenden Ertrags- und Kostendrucks neigen Führungskräfte jedoch
dazu, IM stärker mit dem Geschäft zu verbinden, zerstören somit den besonderen
Zugang zum Kunden und provozieren Reaktionen gemäß der erläuterten Theorie.205
Es ist vielmehr ein nicht manipulatives Vorgehen gefragt, um die wahrgenommenen
Freiheiten nicht einzuschränken. Im Rahmen der Empirie ist zu untersuchen, inwieweit
die beschriebenen Abläufe für die Wahrnehmung und Wirkung von IL bei Ärzten
Gültigkeit haben.
Soziale Austauschtheorie
Die soziale Austauschtheorie liefert einen Erklärungsbeitrag zur Entstehung und Beibehaltung von Kundenbeziehungen.206 Austauschbeziehungen basieren auf dem Austausch von Werten und streben das Ziel der Gleichheit und Gerechtigkeit zwischen den
Austauschpartnern an.207 Ein gelieferter Wert wird demnach durch den Empfänger
mittelfristig durch die Lieferung eines Gegenwertes kompensiert. Eine Übervorteilung
eines Kunden, z. B. des Arztes, bringt hingegen die Beziehung aus dem Gleichgewicht
202
Vgl. Petty/Cacioppo 1979, Cialdini 1995.
Vgl. Wendlandt/Hansen 2005. S. 140, Stauss/Seidel 2002, 26ff.
Siehe hierzu für eine detaillierte Auflistung der negativen Effekte Wendlandt/Hansen 2005, S. 138.
205
Vgl. Belz 1998, S. 200.
206
Vgl. Blau 1964, Homans 1961.
207
Vgl. Bagozzi 1975, Homans 1961.
203
204
2.2 13.12.13 16:37 Seite 49
49
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
und führt zu negativen Konsequenzen für die Kundenbeziehung.201 Die Grundannahme
besagt, dass soziale Beziehungen nur dann stabil sind, wenn beide Seiten diese als
nutzenstiftend beurteilen.209
Den sozialen Austauschbeziehungen liegen gemäß Blau (1964) die Regeln ökonomischer
Transaktionen zu Grunde. Abbildung 15 stellt diesen Zusammenhang übertragen auf
die spezifische Situation des Forschungsprojektes dar. Der Kundenwert und damit die
Stabilität einer Beziehung sind von einem positiven und ausgeglichenen Verhältnis
zwischen Kosten und Nutzen abhängig, gemäß dem Ziel der Gleichheit und
Gerechtigkeit innerhalb der Beziehung.210
Perspektive Unternehmen
Perspektive Arzt
Kundenwert
Kundenvorteil/ Nettonutzen
Wahrgenommene Kosten, z. B.
-Zeitlicher Aufwand
-Psychische Kosten
Wahrgenommene Kosten, z. B.
-Risiko, fehlerhafte Informationen zu erhalten
- Negative Wahrnehmung als
„unwissend“ im sozialen Umfeld
Wahrgenommener Nutzen, z. B.
-Bestätigung bei Kaufentscheidung
-Sozialer Status und Macht
Wahrgenommener Nutzen, z. B.
-Zeitersparnis bei Informationssuche
-Soziale Anerkennung im sozialen Umfeld
-Hilfestellung bei Kaufentscheidung
Abbildung 15: Kosten- und Nutzenaspekte innerhalb der sozialen Austauschbeziehung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bieger/Knyphausen-Aufseß/Krys 2011, Belz/Bieger
2004, S. 42, Gatignon/Robertson 1986, S. 535 .
Die Theorie benennt den beschrieben KV als Nettonutzen bzw. „Outcome“ (=OC). Dieser
ergibt sich ebenfalls aus der Differenz zwischen dem Nutzen und den Kosten der erbrachten IL. Ist dieses Verhältnis positiv, wird die Beziehung beibehalten.211 Allerdings
erfolgt die Bewertung kontextbezogen anhand eines Vergleichsmaßstabs für die
erbrachte Leistung, dem „comparison level“ (=CL).212 Dessen Ausprägung unterliegt
Erfahrungen mit vergleichbaren Beziehungen und wird beeinflusst durch die subjektive
Wahrnehmung sowie die Häufigkeit positiver bzw. negativer Erfahrungen mit der
Leistungskategorie.213 Je häufiger positive Erfahrungen gemacht wurden, desto höher
ist der CL und umgekehrt. Der CL ist somit die Basis für die Kundenzufriedenheit und
damit Kundenloyalität, sowie den Kundenwert.
Neben der Beurteilung der eigenen Erfahrungen mit der Leistung bezieht die soziale
Austauschtheorie ebenfalls die Betrachtung des Marktumfeldes und damit möglicher
Alternativen des Kunden in der Leistungskategorie ein.214 Der „comparison level for
alternatives“ (= CLalt) beschreibt die Wertigkeit der verfügbaren Alternativen und damit
209
Vgl. von Wangenheim 2003, S. 80.
Vgl. Bieger/Reinhold 2011, S. 49, Homans,1961, Meffert/Bruhn 2009, S. 75, Staehle 1999, S. 311f.
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 75.
212
Vgl. Thibaut/Kelley 1986.
213
Vgl. ebd., S. 21.
214
Vgl. Thibaut/Kelley 1986.
210
211
2.2 13.12.13 16:37 Seite 50
50
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
auch die Wahlmöglichkeit des Kunden. Er kann somit auch als Untergrenze des
Nettonutzens interpretiert werden. Folgende Grafik veranschaulicht den Zusammenhang der drei Parameter.
CL
CLalt
CLalt
CLalt
CL
OC
OC
Kunde zufrieden
Beziehung freiwillig
OC
Kunde zufrieden
Beziehung unfreiwillig
CL
Kunde unzufrieden
Beziehung unfreiwillig
Abbildung 16: Zusammenhänge zur Bestimmung der Attraktivität von Beziehungen
Quelle: in Anlehnung an Peter 1997, S. 98.
Die Theorie geht von einem breiten Nutzenverständnis aus und stimmt daher mit den
aktuellen Entwicklungen und Erkenntnissen aus der Customer Value Forschung überein.215 Nutzen kann somit nicht nur aus funktionalen Elementen generiert werden.
Obwohl der Austauschtheorie ökonomische Transaktionen zu Grunde liegen, wird
ebenfalls die Relevanz sozialer Nutzenelemente wie Vertrauen, Anerkennung und
Zuneigung betont.216
Die soziale Austauschtheorie verfügt über eine zentrale Bedeutung zur Untersuchung
und Erklärung von IL in Bezug auf deren Wahrnehmung und Wirkung. In diesem
Zusammenhang ist zu prüfen, ob IL in der Lage sind, auch bei Ärzten den Nettonutzen
respektive den KV mit Blick auf das angebotene Leistungssystem zu erhöhen und damit
die Wechselbereitschaft zu reduzieren.
Für das vorliegende Forschungsprojekt sind daher gemäß der Theorie Determinanten
zu ermitteln, die den Nutzen einer IL erhöhen bzw. deren Kosten senken können, um
das wahrgenommene Verhältnis zwischen OC, CL und CLalt zu optimieren.
2.2.2.3 Ökonomische Ansätze
Die Informationsökonomik und die Transaktionskostentheorie sind Forschungsansätze
der neuen Institutionenökonomik. Diese geht von Informationsasymmetrien zwischen
den Marktteilnehmern aus, welche zu beseitigen sind. Das Marketing wird in diesem
Zusammenhang als „Institution“ wahrgenommen und hat dazu beizutragen, Unsicherheiten sowie Transaktionskosten zu senken.217 Die folgenden Forschungsansätze
215
216
217
Vgl. Kapitel 2.2.1, S. 34
Vgl. Klee 2000, Meffert/Bruhn 2009, S. 76.
Vgl. Hirschmann 1974, S. 34ff., Kaas 1995, S. 5, Woratschek 2001, S. 265ff.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 51
51
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
liefern somit Erklärungsbeiträge zur Bedeutung des IM und dessen Ausgestaltung zur
Festigung der Unternehmen-Arzt-Beziehung.
Informationsökonomik
Die Informationsökonomik beschäftigt sich mit der Überwindung von leistungs- und
transaktionsbezogenen Informationsproblemen.218 Dienstleistungen, wie IL, zeichnen
sich durch ein Informationsdefizit und damit einem gewissen Unsicherheitsgrad auf
Seiten des Empfängers in Bezug auf die Qualitätseinschätzung aus.219 Diese ist insbesondere bei Erst- oder Einzelkäufen stark ausgeprägt. Die Qualitätseinschätzung einer
Leistung durch den Kunden ist abhängig von der Ausprägung materieller bzw. immaterieller Anteile.220 Materielle und immaterielle Leistungen werden aus informationsökonomischer Sicht nach Such-, Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften unterteilt. 221
•
Sucheigenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass der Kunde deren Qualität
bereits im Vorfeld der Leistungserbringung einschätzen kann.
•
Erfahrungseigenschaften sind erst während oder nach Inanspruchnahme der
Leistung beurteilbar.
•
Vertrauenseigenschaften hingegen sind für den Empfänger nicht oder nur sehr
schwer zu beurteilen.222
Je nach Ausprägung können Leistungen innerhalb des informationsökonomischen
Dreiecks zugeordnet werden, wie am Beispiel der Leistung „Medikamente“ dargestellt.
Anteil an Vertrauenseigenschaften
100% Vertrauenskäufe
Medikamente
Anteil an
Sucheigenschaften
100% Suchkäufe
Anteil an
Erfahrungseigenschaften
100%
Erfahrungskäufe
Abbildung 17: Dimensionen zur informationsökonomischen Einordnung von Leistungen
Quelle: in Anlehnung an Meffert/Bruhn 2009, S. 57, Weiber/Adler 1995, S. 61.
218
Vgl. Adler 1994, S. 34, Kaas 1995, S. 4.
Vgl. Grund 1998, S. 87.
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 551f.
221
Vgl. Adler 1994, S. 52, Kotler/Bliemel 2007, S. 551.
222
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 57, Kaas 1991, S. 17ff.
219
220
2.2 13.12.13 16:37 Seite 52
52
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Eine gestiegene Kundenloyalität und damit eine stabile Kundenbeziehung führen
zu einer subjektiv wahrgenommenen Verschiebung der Bedeutung von Erfahrungs- und
Vertrauens- zu Sucheigenschaften.223 Die langfristige Ausrichtung von Leistungen führt
somit zu einem Abbau der wahrgenommenen Informationsprobleme durch den Abbau
der Beurteilungsproblematik. Dieser Effekt der zeitlichen Ausrichtung für den Erfolg von
IM, ist im weiteren Verlauf zu untersuchen.
Die Maßnahmen zum Abbau der Unsicherheit und des Kaufrisikos unterteilen sich
gemäß der Informationsökonomik auf Sender- und Empfängerseite in Aktivitäten zur
Informationssuche (Screening) und zur Informationsaussendung (Signaling). Signaling
dient dabei der besser informierten Seite, Informationen bereit zu stellen, während
Screening Aktivitäten der schlechter informierten Seite, zur Informationsgenerierung
umfasst.224 Eine Hybridform aus beiden stellt die „Selbstselektion“ dar. Der Empfänger
ordnet sich hierbei in ein implizit oder explizit vom Sender vorgegebenes Selbstwahlschema ein, worüber der Sender zusätzliche Informationen über den Empfänger
erhält.225 Entsprechend des Forschungskontextes handelt es sich somit auf Anbieterseite vornehmlich um Signaling-Aktivitäten und auf Seite der Ärzte als Nachfrager um
Screening-Aktivitäten.
Abbildung 18 gibt einen Überblick zu Screening und Signaling Aktivitäten aus Anbieter
und Nachfragersicht.
Anbieter
Informationen für den Nachfrager
• Leistungsqualität
Information
• Servicegarantien
• Reputation/Image
Signaling
Aktivität
Screening
•
•
•
•
Klassische Werbung
Direktmarketing
PR/Sponsoring
Indirect Marketing
Informationen über den Nachfrager
• Kundenzufriedenheit
Information • Kundenerwartungen
• Zahlungsfähigkeit
Aktivität
• Klassische Marktforschung
• Persönliche Kommunikation
• Beschwerdemanagement
Nachfrager
Informationen für den Anbieter
• Zahlungsfähigkeit
• Zuverlässigkeit
• Kooperationsfähigkeit
• Nachweis der
Zahlungsfähigkeit
• Persönliche Kommunikation
• Preisgabe von Informationen zum
Individualisierungsbedarf
Informationen über den Anbieter
• Leistungsfähigkeit
• Preis-Leistungs-Niveau
• Qualitätszertifikate
• Word-of-Mouth Kommunikation
• Qualitätsvergleiche
• Testzeitschriften/-institute
Abbildung 18: Screening und Signaling Aktivitäten aus Anbieter und Nachfragerperspektive
Quelle: in Anlehnung an Mann 1998, S. 111, Meffert/Bruhn 2009, S. 60.
223
224
225
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 58.
Vgl. Stiglitz 2003, S. 594ff, Spence 1976, S. 592ff.
Vgl. Traxel 1999, S.15.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 53
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
53
Signaling Maßnahmen dienen aus (Pharma-)Unternehmenssicht dazu, glaubwürdige
Informationen über die Fähigkeiten des Unternehmens zu verbreiten, die sich durch
Qualität und Vertrauenswürdigkeit abheben.226 IM verfolgt ebenfalls das Ziel, die übergeordnete Kompetenz des Unternehmens zu vermitteln und ist daher als Signaling
Instrument eingeordnet.227 Wiederholte Signaling-Effekte und damit wiederum eine
langfristige Ausrichtung resultiert gemäß der Literatur in einem möglichen Reputationsaufbau des Senders.228 Meffert/Bruhn führen aus, dass positive Erfahrungen mit einem
Leistungsanbieter dazu führen, dass Kunden ihr Wahrscheinlichkeitsurteil nach oben
korrigieren und zukünftig ähnliche Ergebnisse erwarten. Dies wiederum führt zu einer
gesteigerten Zahlungsbereitschaft.229
Die Informationsökonomik liefert somit Erklärungsbeiträge und Ansätze zur Überbrückung der Informationsasymmetrien zwischen Pharmaunternehmen und Arzt,
welche Chancen für IL im Rahmen des Marketingmix vermuten lassen.
Auf die WOM-Kommunikation als Screening-Aktivität für Ärzte als Nachfrager von IL
zur Schließung von Informationslücken wird im Detail unter Kapitel 2.2.3 eingegangen.
Transaktionskostentheorie
Ein weiterer relevanter Ansatz der neuen Institutionenökonomik ist die Transaktionskostentheorie (TKT). Die TKT beschäftigt sich mit der Koordination ökonomischer Austauschbeziehungen unter Berücksichtigung monetärer und nicht-monetärer Kostenaspekte.230 Hierbei geht es insbesondere um die Übertragung von Verfügungsrechten
bei einer Transaktion und die in diesem Zusammenhang anfallenden Transaktionskosten aufgrund von Informationsdefiziten und -asymmetrien.231 Diese umfassen Kosten
zur Verwirklichung des Leistungsaustausches in Bezug auf Anbahnung, Vereinbarung,
Abwicklung, Kontrolle sowie Anpassung der Leistungserbringung.232 Darunter fallen
auch schwer quantifizierbare „Kosten“ in Form von Zeit, Opportunitätskosten oder
kognitiven Anstrengungen.233 Die Höhe der Kosten ist von verschiedenen Einflussgrößen
abhängig. Im „Organizational Failure Framework“ werden die Bedingungskonstellationen
beschrieben, welche einen Einfluss auf die Informationsverteilung und damit Transaktionskosten haben.234
Die Theorie setzt als Verhaltensannahmen eine begrenzte Rationalität aufgrund begrenzter Kapazitäten zur Informationsverarbeitung sowie ein opportunistisches Verhalten
voraus, welches auf die Maximierung des eigenen Nutzens zum Nachteil anderer
abzielt.235 Weitere Einflussgrößen resultieren aus den Umweltbedingungen, wie der
Unsicherheit, der Häufigkeit, der strategischen Bedeutung sowie der Spezifität der
Transaktion.
226
Vgl. Roth 2001, S. 51ff., Kaas 1995, S. 29.
Vgl. Belz 1989, S. 260ff.
228
Vgl. Basdeo/Smith/Grimm/Rindova/Derfus 2006, Einen Überblick über mehrperiodische Signaling-Modelle
geben Woratschek 2001, Shapiro 1983.
229
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 59.
230
Vgl. Coase 1937, Williamson 1975.
231
Vgl. Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 49.
232
Vgl. Picot/Dietl/Franck 2008, S. 57.
233
Vgl. Roth 2001, S. 54, Picot/Dietl/Franck 2008, S. 57.
234
Vgl. dazu „Organizational Failure Framework“ in Mann 1998, S. 126, Picot/Dietl/Franck 2008, S. 58.
235
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 61, Picot/Dietl/Franck 2008, S. 58.
227
2.2 13.12.13 16:37 Seite 54
54
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Je größer die Wertdifferenzierung zwischen der beanspruchten Leistung und möglicher
Alternativen, desto höher die Spezifität der Transaktion. Diese ermöglicht durch
individualisierte Leistungsbestandteile somit eine stärkere Differenzierung und damit
größere Abhängigkeit des Empfängers vom Sender.236 Ein nachträglicher Anbieterwechsel ist folglich mit hohen Kosten in Form von Zeit und Geld verbunden.237 Zudem
führt die Transaktionshäufigkeit in Übereinstimmung der Informationsökonomik durch
gesteigertes Vertrauen zwischen den Marktpartnern zu einer Senkung der Kosten und
damit einer stärkeren Bindung.238 Gemäß der TKT besteht demzufolge die Möglichkeit,
dass IL im Rahmen eines abgestimmten Leistungssystems zur Steigerung der Spezifität
beitragen und somit das Wechselverhalten beeinflussen.
Einen weiteren reduzierenden Effekt auf die Transaktionskosten kann WOMKommunikation zwischen bestehenden und potenziellen Kunden haben, indem die
Kaufentscheidung vereinfacht wird (siehe Kapitel 2.2.3).239
2.2.2.4 Organisationstheoretische Ansätze
Bei den organisationstheoretischen Ansätzen steht das Unternehmen als Sender und
Ersteller der zu übermittelnden IL im Fokus. Sie leisten ebenfalls einen Erklärungsbeitrag zu den für IM relevanten Erfolgsfaktoren und dienen somit als Grundlage für
das weitere Forschungsprojekt.
Resource-Based-View
Der Resource-Based-View beschäftigt sich mit den unternehmenseigenen Ressourcen
und deren Beitrag zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil.240
Als Voraussetzung zur Schaffung eines anhaltenden Wettbewerbsvorteils dürfen mehrwertgenerierende Ressourcen nicht begrenzt, nicht imitier- oder substituierbar und
möglichst nicht handelbar sein. Barney (1991) beschreibt die Zusammenhänge dieser
Eigenschaften und deren Wirkung in einem theoretischen Rahmen.241 Dieser Rahmen
dient als Leitfaden, um zu verstehen, welche Ressourcen und Kompetenzen zur
Generierung eines strategischen Wettbewerbsvorteils dienen mit den Fragen:
•
Liefert diese Ressource einen Mehrwert?
•
Ist die Ressource begrenzt?
•
Ist die Ressource nur unvollständig kopierbar?
•
Ist die Ressource substituierbar?242
236
Vgl. Picot/Dietl/Franck, 2008, S. 59, Klein/Crawford/Alcian 1978.
Vgl. Schumann/Meyer/Strobele 2007.
238
Vgl. Grund 1998, S. 93f.
239
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S. 63.
240
Vgl. Barney 1986, Dierickx/Cool 1989, Barney 1990.
241
Vgl. Barney 1991, S. 112.
242
Vgl. ebd., S. 115.
237
2.2 13.12.13 16:37 Seite 55
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
55
Die Ressourcen und Kompetenzen sind somit strategisch, wenn es gelingt, die Leistungen
übereinstimmend am Mehrwert des Kunden auszurichten.243 Eine langfristige Ausrichtung trägt dabei effektiv zu einer nachhaltigen Stärkung der Ressourcen bei.244
In diesem Zusammenhang steht auch der Kernkompetenzenansatz. Kernkompetenzen
stehen für die Fähigkeiten eines Unternehmens, neue Leistungen, wie Produkte und
Dienstleistungen, mit einem wesentlichen Kundennutzen zu entwickeln.245 Verfügen
Unternehmen alleine über diese Kompetenzen und sind diese nicht leicht nachzuahmen, sichern sie sich ihren Wettbewerbsvorteil.246
Kompetenzen, die dazu führen durch IM einen strategischen Wettbewerbsvorteil zu
generieren, sind daher von Interesse für das Forschungsprojekt.
Resource-Dependence-Theorie
Mit der Fragestellung, ob ein Unternehmen in der Lage ist, sich mit den benötigten
Ressourcen selbst zu versorgen, beschäftigt sich die Resource-DependenceTheorie.247 Kern ist die begrenzte Ressourcenverfügbarkeit eines Unternehmens zur
langfristigen Existenzsicherung.248 Fehlende Ressourcen bzw. Kompetenzen sind über
andere Marktteilnehmer zu decken, wodurch ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht.249
Die Theorie unterscheidet hierbei in verhaltensbezogene und erfolgsbezogene
Abhängigkeit. Letztere wiederum unterteilt sich in kompetitive und symbiotische Abhängigkeit.250 Verhaltensbezogene Abhängigkeit beschreibt die Beeinflussung einer
Organisation durch das Verhalten einer anderen. Positives Verhalten eines Mitarbeiters,
z. B. Pharmareferenten, kann demnach die Unsicherheit des Kunden, z. B. des Arztes,
gegenüber der zu erbringenden IL reduzieren.251 Bei der kompetitiven Abhängigkeit
greifen mehrere Organisationen auf dieselbe Ressource zurück, während sich die
symbiotische Abhängigkeit mit der Einbindung des Kunden bzw. Marktteilnehmers in
den Leistungserstellungsprozess befasst.252
Wenn bestimmte Kompetenzen bzw. Ressourcen für erfolgreiches IM nicht oder nicht
ausreichend zur Verfügung stehen, spielen Kooperationen eine wichtige Rolle, um
diese Lücken passgenau zu füllen. Zur Deckung der benötigten Ressourcen entsteht
somit eine gegenseitige Abhängigkeit der Marktpartner.253
243
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S, 80.
Vgl. Dierickx/Cool 1989, S. 1507.
245
Vgl. Prahalad/Hamel 1990, S. 90f.
246
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 1176.
247
Vgl. hierzu auch Van den Ven 1976, Pfeffer 1972, Pfeffer/Salancik 1978.
248
Vgl. Pfeffer/Salancik 1978, S. 258.
249
Vgl. ebd., S. 68.
250
Vgl. ebd., S. 41.
251
Vgl. Pfeffer, 1982, S. 193, Woratschek 1998, S. 22.
252
Vgl. Pfeffer 1982, S. 198.
253
Vgl. Niepel 2005, S. 116. Meffert/Bruhn 2009, S. 79.
244
2.2 13.12.13 16:37 Seite 56
56
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
2.2.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Verschreibungsverhalten
Zur Beantwortung der forschungsleitenden Frage ist es nicht nur wichtig, die Wahrnehmung und Wirkung von IL an sich zu verstehen, sondern auch ein Verständnis für
die Einflussgrößen auf das Verschreibungsverhalten und damit die Kernleistung zu
generieren. Die Kenntnis des Entscheidungsprozesses ist daher von Bedeutung, um
zu analysieren, auf welcher Stufe die spezifischen Instrumente effizient eingesetzt werden
können.254
Abbildung 19 stellt den Verschreibungsentscheidungsprozess dar und ordnet darin
Aktivitätsbereiche des Pharmamarketing ein.
Kassenärztliche Vereinigung
Krankenkasse
HCR
Verschreibungsverhalten
DtP
DtC
Verschreibung
Keine
Verschreibung
Arzt
Entscheidung
Arzt
Kundenloyalität
Patienten
Patienten
Entscheidung
Abbildung 19: Verschreibungsentscheidungsprozess und Ansätze des Pharmamarketing
Quelle: In Anlehnung an Xie 2003, S. 17.
Der Prozess unterscheidet dabei zwei Teilschritte – die Patienten- und die Arztentscheidung. Patienten entscheiden über den Arztbesuch, der Arzt wiederum über
Therapie, Wirkstoff und Arzneimittel.255 An beiden Schnittstellen setzen Aktivitäten des
Pharmamarketing in Form von DtC bzw. DtP Maßnahmen an.256 „Kassenärztliche
Vereinigungen“ (KaV) sowie „Krankenkassen“ (KK) sind der Vollständigkeit halber als
an Bedeutung zunehmende Einflussnehmer auf das Verschreibungsverhalten ebenfalls
in das Modell integriert.257 Deren Betreuung durch das Unternehmen verläuft über
HealthCareRelation Maßnahmen (HCR). Der Fokus des Forschungsprojektes liegt
jedoch auf IL für die Zielgruppe „Arzt“.
Tabelle 10 verdeutlicht die einzelnen Stufen des Entscheidungsprozesses bis hin zu
einer Verschreibungsentscheidung.
254
Vgl. Guminski/Utsch 2008, S. 298.
Vgl. ebd., S. 300.
Vgl. Xie 2003, S. 17.
257
Vgl. §130 SGB V (Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen bzw. Regelung der Rabattverträge).
255
256
2.2 13.12.13 16:37 Seite 57
57
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Verschreibungsentscheidungsprozess
Arztentscheidung
Patientenentscheidung
Epidemiologie
Problembewusstsein
Konsultation des Arztes
Diagnosestellung
Therapieentscheidung
Wahl des Wirkstoffs
Wahl der Substanzklasse
Produktwahl/-verordnung
Rezepteinlösung
Anwendungs-Compliance
Wiederholungsverordnung
Tabelle 10: Stufen des Verordnungsentscheidungsprozesses
Quelle: In Anlehnung an Gumminski/Utsch 2008, S. 300.
Die wissenschaftliche Forschung zu Einflussgrößen auf das Verschreibungsverhalten
konzentriert sich vornehmlich auf drei Bereiche:
a)
die Wirksamkeit eingesetzter Marketinginstrumente,
b)
die Bedeutung und Eigenschaften von Informationsquellen und damit den
Personen, die als mögliche Beeinflusser fungieren, sowie
c)
die Einflüsse von subjektiven Erfahrungen des Arztes, z. B. im Zusammenhang mit Erfahrungen und Kenntnissen zur Qualität des Arzneimittels.
Wirksamkeit eingesetzter Marketinginstrumente
Instrumente des Pharmamarketing setzen idealerweise an den oben genannten
Entscheidungspunkten des Verschreibungsprozesses an. Durch die Verwendung ihres
Marketing-Mix versuchen Unternehmen, unter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, Einfluss auf das Verschreibungsverhalten zu nehmen.258 In den USA
ist Patientenansprache durch DtC-Werbung unter bestimmten Auflagen gestattet.
Interessant dabei ist, dass Werbung ohne Markenaussage in dortigen Studien einen
höheren Effekt auf Arztbesuche als markenspezifische Werbung mit Produktaussagen
erzielen konnte. 259 Markenspezifische Laienwerbung ist in Deutschland für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt. Auch wenn das situative Umfeld sich in
den USA somit vom deutschen Arzneimittelmarkt unterscheidet, verdeutlichen diese
Erkenntnisse dennoch das Potenzial patientenorientierter IL auf Arztbesuche.260
258
Vgl. Trilling 2003, S. 89f., Xie 2003, S. 16.
Vgl. Xie 2003.
260
Einen detaillierten Überblick zu Studien zu DtC geben Manchanda/Honka 2005.
259
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58
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Abbildung 20 liefert eine Kategorisierung der gebräuchlichen arztorientierten Instrumente
des Pharmamarketing anhand von drei Dimensionen.261
1
branded/unbranded
3
Medical Education/
Professional Promotion
2
persönlich/unpersönlich
Abbildung 20: Kategorisierung der Instrumente des Pharmamarketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sussmann 2008.
„Branded Marketing“ steht für produktspezifische Marketingmaßnahmen, während sich
„unbranded Marketing“ auf Informationen ohne Nennung des Produktes bezieht.262
Die zweite Dimension unterscheidet zwischen persönlicher (z. B. Kontakt durch
Pharmareferenten) und unpersönlicher (z. B. über Fachanzeigen) Präsentation von
Informationen.263 Die dritte Dimension unterteilt die gängigen Marketinginstrumente in
„Medical Education“ und „Professional Promotion“.264
Gemäß dieser Einteilung gehört IM in den Bereich des „unbranded Marketing“.265
Dahinter verbirgt sich jedoch ein anderes Verständnis für das Marketinginstrumentarium
als der dem Forschungsprojekt zu Grunde liegenden Definition. Bei IM handelt es sich
nicht um Instrumente der Kommunikationspolitik zur Förderung der Kernleistung,
sondern um eigenständige Leistungen, welche indirekt durch die Schaffung einer
übergeordneten Kompetenz auf die Kernleistung wirken. Die Kategorisierung nach
Sussmann dient vielmehr zur Einordnung von Instrumenten des „direkten Marketing“, zu
dem auch weitgehend „unbranded“ Instrumente, wie „PR“ oder „Lobbyismus“ gehören.
Die Studienlage bezüglich der Effektivität der Instrumente des Pharmamarketing
ist teilweise widersprüchlich. Während einige Wissenschaftler einen starken und positiven Einfluss durch die Instrumente nachweisen konnten, fanden andere lediglich
moderierende oder gar negative Effekte.266. Im Mittelpunkt stand lange Zeit der Außendienst, dessen Größe sich in den USA zwischen 1997 und 2002 um 90.000 Mitarbeiter
261
Vgl. Manchanda/Honka 2005, S. 785, Xie 2004, S. 7, Trilling 2003, S. 89f, van Lier 2007, S. 36.
Vgl. Sussmann 2008, S. 244.
Vgl. Friesewinkel/Schneider 1988, S. 255.
264
Vgl. Sussmann, 2008 S. 241f.
265
Vgl. ebd., S. 244f.
266
Vgl. Venkataraman/Stremersch 2007, S. 1688.
262
263
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59
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
mehr als verdoppelte267, während die Zahl der Arztpraxen lediglich um 26% stieg.268 Im
Laufe der Zeit führte die Übersättigung der Märkte an Pharmaaußendienst und der
damit verbundenen zunehmenden Reaktanz der Ärzteschaft gegenüber Pharmareferenten-Besuche zu einer steigernden Ineffizienz des Vertriebs. Gönül et al. (2001)
verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Häufigkeit, Länge der
Beratungsgespräche (=Detailing) sowie Sampling bewusst geplant werden muss, da
sonst kontraproduktive Effekte auftreten können.269 Dies führte zu einem in 2008
angekündigten Abbau von 53.300 Stellen im Vertrieb in den USA, der seitdem weiter
andauert.270
Des Weiteren stehen Detailing und DtC im Fokus der Forschung. Nach aktuellem Stand
verfügt Detailing über einen positiven, aber auch geringen Effekt auf das Verschreibungsverhalten.271 Ebenso verhält es sich mit DtC Werbung, welche allerdings für den
deutschen Markt von unbedeutender Relevanz ist.272 Gemäß der Studienlage ist das
Ziel von DtC Werbung, die Neugewinnung von Patienten für eine neue Kategorie und
weniger die Beeinflussung der Verschreibungsrate der Ärzte.273 Die Studien weisen bei
Detailing einen höheren ROI als bei DtC auf und bestätigen, dass der ROI bei Werbung
in Fachmagazinen am höchsten ist.274
Aufgrund der beschriebenen Negativtrends bezüglich Effektivität von klassischen
Instrumenten, wie Detailing und DtC, wird der Bedarf an der Analyse und Entwicklung
neuer Marketinginstrumente für das Pharmamarketing somit offenkundig.275
Bedeutung und Eigenschaften von Informationsquellen des Arztes
Für ein effektives Pharmamarketing ist es von Bedeutung, die Informationsquellen des
Arztes und deren Ausprägungen zu kennen.
Williams/Hensel (1991) ermitteln anhand einer Meta-Analyse von 17 Studien zu
Informationsquellen der Ärzte zum Thema Arzneimittel, Veränderungen anhand unterschiedlicher Kategorien. Sie schlagen zwei alternative Kategorien von Informationsquellen vor.276 Dabei wird die persönliche mit der kommerziellen Dimension erweitert.
Kommerzielle Quellen
Nicht-kommerzielle Quellen
Persönliche Quellen
Unpersönliche Quellen
Abbildung 21: Alternative Kategorien für Informationsquellen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Williams/Hensel 1991.
267
Vgl. Manchanda/Honka 2005, S. 785.
Vgl. PwC 2009, S. 3.
269
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasa 2001, S. 89.
270
Vgl. PwC 2009, S. 4.
271
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, Mizik/Jacobson 2004, Manchanda/Chintagunta 2004.
272
Vgl. Xie 2003, Narayanan/ Ramarao/Chintagunta 2004.
273
Vgl. Rosenthal /Berndt/Donohue/Epstein/Frank 2003, Xie 2003, Narayanan/ Ramarao/Chintagunta 2004,
Izuka/Jin 2005.
274
Vgl. Neslin 2001, Wittink 2002, Narayanan/Ramarao/Chintagunta 2004.
275
Vgl. Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 294.
276
Vgl. Williams/Hensel 1991, S. 47.
268
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60
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Im Rahmen der Meta-Analyse konnten Williams/Hensel feststellen, dass die Bedeutung
von kommerziellen Quellen für den Arzt, wie Direktmailings, Detailing oder Anzeigen in
Fachjournalen, abnahm. Währenddessen blieben nicht-kommerzielle Quellen in ihrer
Bedeutung gleich oder nahmen sogar zu. Obwohl die Bedeutung nicht-kommerzieller
Quellen steigt, konzentriert sich der Großteil der Literatur auf den Effekt direkter
kommerzieller Maßnahmen.277 Mit der Bedeutungszunahme nicht-kommerzieller
Quellen steigt auch das Interesse an Einflussnetzwerken und der darüber laufenden
WOM-Kommunikation (siehe Kapitel 2.2.4).
Informationen über persönliche, nicht-kommerzielle Quellen, wie Meinungsbildner
(KOL) oder kollegiale Kontakte, nehmen eine besondere Stellung im Gegensatz zu den
üblichen Informationskanälen über Kongresse, Journals oder die Medien ein.278
Ausschlaggebend ist dabei eine zuverlässige Quelle, die über eine ausgeprägte Glaubwürdigkeit verfügt. Nair et al. (2006) betrachten den Einfluss von KOL auf das
Verschreibungsverhalten. Sie zeigen auf, dass die Interaktionen innerhalb der Zielgruppe einen moderierenden Effekt auf die Wirkung der Marketingaktivitäten haben
und unterstreichen somit die zuvor dargestellte Bedeutung von KOL.279 Sie stehen somit
in einer Linie mit den Forschungsarbeiten von Coleman et al. (1966), die bereits sehr
früh Interaktionen unter Ärzten nachgewiesen haben, sowie den Erkenntnissen von
Van Lier (2007) zum netzwerkorientierten Kundenmanagement.
Die Bedeutung der Informationsquellen weichen je nach Themenschwerpunkt ab. So
betont eine Studie auf dem englischen Gesundheitsmarkt (Prosser, 2003) die Bedeutung
pharmazeutischer, kommerzieller Quellen, insbesondere des Außendienstes, bei
Informationen zu neuen Arzneimittelstudien.280 Die Studie untersucht die Bedeutung
von Quellen in Bezug auf den initialen Informationsbezug zu neuen Arzneimittelstudien.
Die Kommunikationskanäle der pharmazeutischen Industrie liegen in der Bedeutung
für den Arzt mit 49 % vorne. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Studienergebnisse zu den eigenen Produkten den Unternehmen zuerst vorliegen und
deren breite Kommunikation ein Hauptbestandteil des Pharmamarketings in Richtung
der Fachkreise darstellt. Dementsprechend ist der Außendienst meistens (33 %) die erste
Informationsquelle zu neuen Studienergebnisse. Erst im Anschluss folgen die akademische
Literatur sowie Fachpersonal, wie Krankenhausmediziner, die in der Ärzteschaft oft als
Meinungsbildner wahrgenommen werden. Hieraus erklärt sich die hohe Bedeutung
kommerzieller Quellen als initiale Informationsquelle für neue Arzneimittelstudien.
Van Lier (2007) hingegen untersucht die Bedeutung der Marktpartner des Arztes auf
dessen Verschreibungsentscheid durch direkte Befragung von Ärzten. Er bestätigt die
Erkenntnisse von Nair (2006) sowie Williams/Hensel (1991) in Hinblick auf die Bedeutungszunahme nicht-kommerzieller Quellen, wie KOL oder Netzwerkpartner, in Bezug
277
Vgl. Bower/Burkett 1987, Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, Manchanda/Chintagunta 2004,
Manchanda/Honka 2005.
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 80, Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67,
Coleman/Elihu/Menzel 1966, Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 297.
279
Vgl. Nair/Manchanda/Bathia 2010, S. 883f.
280
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003.
278
2.2 13.12.13 16:37 Seite 61
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
61
auf den Verschreibungsentscheid. Mit 88,3 % nehmen diese mit Abstand die wichtigste
Position als Informationsquelle ein, zählt man die pharmazeutische Industrie sowie die
Medien zu kommerziellen Quellen.281 Bezogen auf den Einfluss auf den eigenen
Verschreibungsentscheid sehen Ärzte gemäß eigener Wahrnehmung Vertreter des
Fachpersonals (51,1 %), wie die erwähnten Krankenhausmediziner, weit vorne, gefolgt
von den Fachmedien. Die Industrie verfügt nach den Erkenntnissen dieser Studie über
einen deutlich geringeren Einfluss aus der Perspektive der Ärzte. Dennoch tauchen
auch Pharma-Dienstleistungen (5,4 %) unter den Nennungen mit Bedeutung für den
Verschreibungsentscheid auf. Der Einfluss der Patienten auf den Verschreibungsentscheid der Ärzte liegt nach dieser Studie bereits auf Platz 3 (10,8 %). Als initiale
Quelle für Studienergebnisse spielen Patienten allerdings, auch gemäß der ProsserStudie, keine Rolle.
Prosser (2003)
Initial information sources
for new study drugs
(Basis: n=107; England)
Informationsquelle
Van Lier (2007)
Bedeutung der Marktpartner auf den
Verschreibungsentscheid im Netzwerk des GP
(Basis: n=579; Schweiz)
Einfluss in %
Pharmazeutische Industrie
Werbung/Mailings/Promotionmaterial
Außendienst
Industriegesponserte Veranstaltungen
49%
(94) 15%
(202) 33%
(7) 1%
Informationsquelle
Pharmazeutische Industrie
Aussendienst
Pharma-Dienstleistungen
Einfluss in %
9,7%
4,3%
5,4%
Fachpersonal
Krankenhausmediziner
Arztkollegen
Krankenschwester/Arzthelferin
Apotheker
Öffentlicher Gesundheitsdienst
Ehemaligen Treffen/Konferenzen
15% 282
(58) 10%
(9) 1%
(12) 2%
0%
(5) 1%
(5) 1%
Fachpersonal
Krankenhausmediziner
Arztkollegen
Ärztezirkel
Opinion Leader
Apotheke
Einkaufsgemeinschaft
Fachverband
Öffentlich. Institution
Krankenkasse
51,1%
8,5%
8,4%
8,3%
8,5%
2,4%
1,8%
6,2%
4,0%
3,0%
Akademische sowie Fachliteratur
Medizinische Journals (peer-reviewed)
Fachliteratur (Non-peer-reviewed)
17%
(5) 1%
(97) 16%
Akademische sowie Fachliteratur
Nationale Fachartikel
Internationale Fachartikel
Evidence Based Medicine
26,4%
10,1%
8,6%
7,7%
Medien
Patienten
(101) 16%
(18) 3%
Medien
Patienten
Patient
Angehörige
Patientenorganisationen
2,0%
10,8%
4,9%
4,4%
1,5%
Abbildung 22: Gegenüberstellung zweier Studien zur Bewertung von Informationsquellen durch Ärzte
Quelle: Vgl. Prosser 2003, S. 64, Van Lier 2007, S. 208.
Van Lier unterteilt die Informationsquellen in fünf Akteurbereiche: „Ärzte“, „Pharmaindustrie“, „Patient/Angehörige“, „Handel/Apotheke“ sowie „Medien & Institutionen“.283
281
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, S. 61, Van Lier 2007, S. 212.
Prozentangaben ergänzt durch Autor.
283
Vgl. Van Lier 2007, S. 64.
282
2.2 13.12.13 16:37 Seite 62
62
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Damit deckt er die Informationskanäle vorangegangener Studien umfassend ab.284 Er
ordnet die Marktpartner des Arztes und somit dessen Informationsquellen gemäß ihres
Einflussgrades ein, wobei er zwischen den Ärztegruppen „General Practitioner“ (API285),
„Spezialist“ und „Spitalarzt“ unterscheidet.286
Insbesondere der steigende Einfluss der Patienten auf das Verschreibungsverhalten
wird über mehrere Studien hinweg betont. Dieser kann positive Rückmeldungen,
Akzeptanz und Verträglichkeit der Arzneimittel, sowie einer aktiven Patientennachfrage
umfassen.287 Zudem entwickeln sich Patienten aufgrund umfassender Informationsund Serviceangebote zu mündigen Entscheidern, die ihr Mitspracherecht bei der
Therapieentscheidung vermehrt einfordern und somit immer mehr Einfluss nehmen.288
Misra (2004) unterscheidet hierbei zwei Ärztetypen – eine Gruppe, die die Meinung
ihrer Patienten sehr schätzt und diese ernst nimmt und jene, welche die Meinung
ihrer Patienten weniger berücksichtigen. Zwar führen individuelle Patientenwünsche
daher nicht unweigerlich zu einer Änderung des Verschreibungsverhaltens, dennoch
steigt die Bedeutung dieser wichtigen Gruppe aufgrund des besseren Zugangs zu
Informationen.289
Abbildung 23 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Marktpartnern des Arztes und damit auch der möglichen Einflussnehmer auf die Verschreibungsentscheidung. Gesetzgeber, KaV und KK setzen die Rahmenbedingungen unter denen
die weiteren Einflussgrößen Anwendung finden können.290 Gemäß der Definition von
Van Lier (2007) sind unter „Patient“ auch deren Angehörige erfasst. Das weitere
einflussnehmende Netzwerk umfasst Ärzte - sowohl KOL als auch Kollegen - sowie
Medien und Fachverbände und die versorgenden Apotheken. Schlussendlich sind auch
„Pharmaunternehmen“ als Marktpartner des Arztes aufgeführt.
Kassenärztliche Vereinigung
Krankenkasse
Verschreibungsverhalten
Pharmaunternehmen
Arzt
Patient
Netzwerk:
- Ärzte
-Medien/Institutionen
- Apotheke
Abbildung 23: Einflussnetzwerk des Arztes
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Van Lier 2007, S. 64.
284
Vgl. Gambrill/Bridges-Webb 1980, Bower/Burkett 1987,Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001.
API = Allgemeinmediziner, Praktische Ärzte, Internisten.
Vgl. Appendix A. 5.
287
Vgl. Venkataraman/Stremersch 2007, S. 1690, Prosser/Almond/Walley 2003, S. 61.
288
Vgl. Hahn 2005, S. 5ff., Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 295.
289
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67, Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 80,
Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 295, Venkataraman/Stremersch 2007, S. 168.
290
Vgl. Dieners 2010, Trilling, 2003, Guminski/Utsch 2008.
285
286
2.2 13.12.13 16:37 Seite 63
63
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Subjektive Erfahrungen des Arztes
Dieser Forschungsbereich befasst sich mit der subjektiven Situation des Arztes und
insbesondere mit seinen persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit der
Qualität von Arzneimitteln oder von übermittelten Informationen. Hervorzuheben sind
die eigenen klinischen Erfahrungen mit bestimmten Arzneimitteln.291 Positive Erfahrungen
fördern dabei den Effekt der Marketingaktivitäten, während negative Erfahrungen
diesen beeinträchtigen. Pharmakologische Eigenschaften, wie z. B. Wirksamkeit und
Nebenwirkungsprofil der Arzneimittel, können dabei zu positiven oder negativen Erfahrungen des Arztes führen.292 Positive Erfahrungen zahlen dabei auf das Bedürfnis
nach Risikovermeidung ein und führen somit zu einer Beibehaltung der Arzneimittelwahl.293
Das Verschreibungsverhalten unterscheidet sich zudem je nach Ärztegruppe. So
neigen spezialisierte Ärzte mit einem überschaubaren Therapie-Portfolio und einem
höheren Anteil an privat-versicherten Patienten dazu, stark beworbene Produkte zu
verschreiben, während API, welche vornehmlich gesetzlich-versicherte Patienten
betreuen, preissensitiver entscheiden.294 In diesem Zusammenhang bewerten Ärzte
zudem, ob die Qualität der übermittelten Information ihren Anforderungen in Bezug auf
Verständlichkeit und Zuverlässigkeit entspricht.295
Zusammenfassend stellt Abbildung 24 die relevantesten Einflussbereiche auf das
Verschreibungsverhalten dar, die in diesem Kapitel hergeleitet wurden.
Erfahrung/ persönl.
Kenntnisse
zu Kernprodukt
Verschreibungsverhalten
Aktive
Patientennachfrage
Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle
Abbildung 24: Hauptsächliche Einflussgrößen auf Verschreibungsverhalten
Quelle: Eigene Darstellung
Die theoretischen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Ausarbeitung der
empirischen Datenerhebung und -analyse, um mögliche Unterschiede bei der Wahrnehmung und Wirkung von IM herauszuarbeiten. Da diese jedoch im Umfeld unterschiedlicher Gesundheitsmärkte generiert wurden, gilt es sie im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts auf Plausibilität für den deutschen Pharmamarkt zu
untersuchen.
2.2.4 Word-of-Mouth Marketing zur Steigerung der Effektivität des
Indirect Marketing
Im vorangegangenen Kapitel wurde die steigende Bedeutung von Netzwerken für den
Einfluss auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten deutlich.296 Menschen in Netzwerken vertrauen dem persönlichen Informationsaustausch mehr, als der „hausge292
Vgl. Venkataraman/Stremersch 2007, S. 1690f, Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67.
Vgl. Manchanda/Wittink/Ching 2005, S. 298.
294
Vgl. Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001, S. 80, Azoulay 2002, S. 555.
295
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67.
296
Vgl. van Lier 2007, Prosser/Almond/Walley 2003, Gönül/Carter/Petrova/Srinivasan 2001,
Manchanda/Wittink/Ching 2005.
293
2.2 13.12.13 16:37 Seite 64
64
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
machten“ Information der Firmen.297 Aus diesem Grund werden Teilnehmer eines engen
Netzwerkes auf dessen Meinung die Kunden zählen, auch als „Influencer“ bezeichnet.
Andererseits ist die Informationsweiterleitung an dieses Netzwerk für IM auch wichtig,
um die Verstärkungswirkung, d. h. die Effektivität der Marketingmaßnahme, zu
erhöhen.298 So ermöglichen die persönlichen Netzwerke gemäß dem interaktionsorientierten Netzwerkansatz einen Zugriff auf weitere Informationen, Ressourcen und
Wahlmöglichkeiten.299
Mit Fragen zur Informationsweiterleitung beschäftigt sich die Literatur zur WOMKommunikation. Für das Forschungsprojekt ist von Interesse, welche theoretischen
Erklärungsbeiträge dieses Forschungsgebiet zu folgenden Bereichen liefern kann:
a)
Eigenschaften des Senders/Influencers, die zu einer positiven Wahrnehmung
der Information führen, sowie
b)
Eigenschaften der IL, welche die Empfehlungsbereitschaft der Ärzte an ihr
Netzwerk steigern.
Bei WOM geht es darum, Meinungen und Informationen über Unternehmen, Produkte
und Services zu teilen.300 Sowohl Marketingmanager als auch Wissenschaftler heben
die Einflusskraft der persönlichen Empfehlung auf das Kundenverhalten hervor.301 Nicht
ohne Grund unterstreichen Engel/Kegerreis/Blackwell die Effektivität von WOM in Übereinstimmung mit der Customer Value Forschung und betonten:
„Your best salesman is a satiesfied customer.“ 302
Panos/Siomkos (2009) fassen die Vorteile von WOM gegenüber traditionellem Marketing
folgendermaßen zusammen:
Parameter
Engagement der Konsumenten
Dominanz des Vermarkters
Budget
Überbringung der Botschaft
Vertrauen der Kunden
Traditionelles Marketing
WOM
Nein
Ja
Ja
Nein
Hoch
Niedrig
Unpersönlich
Persönlich
Gering
Hoch
Tabelle 11: Vorteile von WOM Kampagnen gegenüber traditionellem Marketing
Quelle: Vgl. Panos/Siomkos 2009, S. 65.
Der Vermarkter des Produkts oder der Dienstleistung gibt bei WOM zwar teilweise die
Kontrolle über die verbreiteten Informationen ab, hat jedoch die Chance auf einen
höheren Effekt und damit auf ein besseres Kosten-Nutzen Verhältnis.
297
Vgl. Herrmann/Brandenberg/Rösger 2007, S. 67, Cialdini 1995, S. 267.
Vgl. Weinhold 1988, S. 495ff. sowie Kapitel 2.1.1.
299
Im Fokus des interaktionsorientierten Netzwerkansatzes stehen Austauschbeziehungen zwischen den
Marktteilnehmern in komplexen Märkten, zu denen auch der Pharmamarkt gehört. Kernelemente sind
Netzwerkposition, Interaktion und Adaption. Netzwerkbeziehungen stellen in diesem Ansatz eine wichtige
Ressource dar, die den Netzwerkpartnern Zugriff auf weitere Ressourcen und somit Wahlmöglichkeiten gibt.
Siehe hierzu auch Hacker 2002, Hakansson 1989 sowie Johanson/Mattson 1987.
300
Vgl. Batler/Butman 2005.
301
Vgl. Buttle 1998, S. 241.
302
Vgl. Engel/Kegerreis/Blackwell 1969, S. 15.
298
2.2 13.12.13 16:37 Seite 65
65
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Interpersonelle Beeinflussung ist in verschiedenen wissenschaftlichen Kontexten
untersucht worden.303 Auch aufgrund der Unzufriedenheit und dem sinkenden Vertrauen
in eher traditionelle Werbeformen, ist das Interesse an Studien zu WOM gestiegen.304
IM bindet bewusst das Netzwerk des Arztes ein, um positive Empfehlungen durch WOM
in und aus Richtung Arzt zu generieren. Von besonderer Bedeutung für WOM ist dabei
der persönliche Kontakt, den der Empfänger als nicht-kommerziell in Bezug auf Marken,
Produkte oder Dienstleistungen wahrnimmt – entsprechend der Forderung des IM.305
Ziel ist die Zufriedenheit des Adressaten mit der übermittelten Information. Gelingt es
durch eine Leistung, auch in Form einer Information, Zufriedenheit oder Begeisterung
zu erzielen, führt dies zu positivem WOM.306 Gemäß Butler/Butman (2005) sind
Informationen glaubhaft, transparent, ansprechend und direkt zu gestalten, um eine
zufriedenstellende Botschaft zu senden. Sie definieren WOM dementsprechend als:
“[...] the honest, genuine sharing of real opinions and information about products and
services. It can be stimulated and accelerated, but it cannot be controlled.”
Tabelle 12 gibt eine Übersicht über die Erkenntnisse weiterer Studien in Bezug auf die
Eigenschaften einer Botschaft, welche förderlich sind, um WOM zu ermöglichen.
Gladwell
(2000)307
Evans/Patterson/
O’Malley
(2001)
Three laws
for development of social
events
Privacy:
Privacy is an issue
that does concern
some respondents,
Law of the few:
with physical privacy
There are a few, selected representing
people who encourage
an annoyance and
the spread of an idea.
information privacy
The stickiness factor:
representing a more
substantial worry.
Some small, often
unsuspected, aspect of
Relevance:
the idea or product is so There are four variations
intriguing or eye catching to the relevance issue
that it will initiate adoption. being: interest, timeliness,
This means that how the repetition, and the
message is presented
information processing
is important.
effect. Relevance can
The power of context:
The environment in which
the idea or message is
conveyed can influence
how well the message is
accepted.
Butler/Butman
(2005)
Panos/Siomkos
(2009)
• Clarity
1. Sticky message
• Credibility
2. Helping hand, a WOM
campaign from a few
people
• Transparency
• Directness
• Stickiness
Panos/Siomkos
(2009) adds:
• Appealing message
3. Context, the fertile
environment that
accommodates the
spread of the message
to a critical mass of
consumers.
• Familiar characters
& stories
only be achieved through
improvements in targeting.
Control:
Control as a dimension
valued by consumers.
Tabelle 12: Übersicht Eigenschaften für effektive WOM-Kommunikation
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gladwell 2000, Evans/Patterson/O’Malley 2001,
Butler/Butman 2005, Panos/Siomkos 2009.
303
Vgl. Katz/Lazarsfeld 1955, Arndt 1967, Buttle 1998.
Vgl. Carl 2008, S. 184.
305
Vgl. Arndt 1967.
306
Vgl. Homburg/Becker/Hentschel 2005, S. 97.
307
Vgl. Mason 2008, S. 210.
304
2.2 13.12.13 16:37 Seite 66
66
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Sowohl Gladwell, Evans/Patterson als auch Panos/Siomkos betonen in ihren Zusammenfassungen wichtiger Eigenschaften auch die Bedeutung des Umfelds, in dem die
Botschaft übermittelt wird. Butler/Butman, ergänzt durch Panos/Siomkos (2009), heben
ausschließlich die Eigenschaften der Botschaft hervor. Die Attraktivität (=stickiness)
bzw. Relevanz der Thematik für den Empfänger zieht sich dabei durch alle Artikel.
Buttle (1998) weist zudem darauf hin, dass WOM nicht unbedingt marken-, produktoder servicebezogen sein muss, sondern auch auf die Organisation ausgerichtet sein
kann.308 Hervorzuheben ist dabei, dass Informationsquellen, welche als (produkt-) unabhängig bzw. nicht kommerziell erscheinen, neutral vom Empfänger wahrgenommen
werden. Informationen aus solchen Quellen erscheinen zudem zuverlässiger und
vertrauenswürdiger als Informationen aus den Medien.309 Demnach verfügt IM unter
Einhaltung der Prämissen, durchaus über ein hohes Potenzial positives WOM zu erzeugen.
Zu Erläuterung der Prozesse, die zu positivem WOM führen, existieren mehrere
Modelle.310 Basis aller drei Modelle sind Aktivitäten des Marketing, die Erwartungen in
Form von Produktnutzen, Services oder Emotionen wecken sollen. Für Marketingmanager stellt sich die Frage, wann welche Marketingaktivität zum Einsatz kommt, um
positives WOM zu fördern und negatives zu verhindern. Gemäß der WOM-Modelle
nach Buttle und Niessing werden Informationen vom Empfänger validiert und führen je
nachdem zu positivem oder negativem WOM. Das Konstrukt „Zufriedenheit“ spielt in
diesem Zusammenhang eine elementare Rolle. Stimmt die wahrgenommene Qualität
der erbrachten Leistung mit der erwarteten Qualität überein (confirmation) oder übertrifft
diese (positive disconfirmation), entsteht Zufriedenheit. Liegt die Qualität unter den
Erwartungen (negative disconfirmation) besteht hingegen das Risiko von negativem
WOM.311
2.2.5 Zusammenfassung und Würdigung der theoretischen
Ansätze auf ihren Erklärungsbeitrag zu Indirect Marketing
Die dargestellten theoretischen Ansätze liefern Erklärungsbeiträge aus ihrem jeweiligen
Blickwinkel zur Wahrnehmung und Wirkung von IM. Sie steuern Determinanten
bei, auf die bei der Gestaltung von IL zu achten ist, um eine positive Wahrnehmung
bei Ärzten und somit eine entsprechende Wirkung zu erzielen. Tabelle 13 führt die
Erkenntnisse grafisch zusammen.
308
309
310
311
Vgl. Buttle 1998, S. 243.
Vgl. Panos 2009, S. 65; Zu beachten sind an dieser Stelle Erkenntnisse zum „Quellenvergessen“
(Vgl. Schnitzer, 2008, Blümelhuber/Schnitzer, 2006, Law 1995, Law 1998, Law et al. 1998). So verschwindet
die Erinnerung an die Informationsquelle schneller als die Erinnerung an die Botschaft selber (Vgl. Glisky et
al. 2001, Schacter et al. 1991). Fehler des Quellengedächtnisses (Source Memory Failure) unterteilen sich in
Quellenamnesie und Quellen- bzw. Absendervergessen (Vgl. Schacter et al. 1984, Shimamura/Squire, 1991).
Letzerer ist dabei besonders relevant für die Marketingforschung, da dieser Fehler unter Personen aller
Altersgruppen auftreten kann, im Gegensatz zur Quellenamnesie (Vgl. Blümelhuber/Schnitzer, 2006).
Ebenfalls von Bedeutung für die Wahrnehmung von Informationsquellen ist die „Misattribution von Quellen“.
Hierbei erinnert sich der Empfänger nicht mehr an die tatsächliche Quelle der Information und schreibt ihr
daher eine andere für ihn plausible Quelle zu (Vgl. Bornstein 1999, S. 162 ff.). In diesem Zusammenhang
verweisen mehrere Autoren auf regelmäßige Wiederholungen und damit Rezeption der Inhalte, um das Risiko
des Vergessens zu reduzieren (Vgl. Koch, 2008, Bilandzic 2002).
Vgl. Appendix A.4 sowie Bayus 1985, Buttle 1998, Niessing 2007.
Vgl. Niessing 2007, S. 117, Homburg/Becker/Hentschel 2005, S. 97.
2.2 13.12.13 16:37 Seite 67
67
Glaubwürdigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Wahrgenommener Nutzen (gegenseitig)

Persönliche Relevanz









Kosten-/Risikoreduktion
Persönliche Erfahrungen




Reputation







Transaktionskostentheorie
Interaktionsorientierter
Netzwerkansatz

Informationsökonomik

Soziale
Austauschtheorie

Reaktanztheorie
Brand Salience Ansatz

Risikotheorie
Attributionstheorie
Langfristige Ausrichtung
Lerntheorie
Bestimmungsfaktoren für Wahrnehmung von IL
Nutzentheorie
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing









Produktunabhängigkeit
Wahrgenommene Entscheidungsfreiheit









Wechselkosten
Bestimmungsfaktoren für Wirkung von IL
Kundenloyalität ggü. IL
Zahlungsbereitschaft f. IL
Weiterempfehlung d. IL
Übertragungseffekt auf Kernleistung



















Tabelle 13: Erklärungsbeitrag theoretischer Ansätze für Bestimmungsfaktoren/Determinanten
der Wahrnehmung und Wirkung von IL
Quelle: Eigene Darstellung
Die Bestimmungsfaktoren für die Wirkung von IL beziehen sich einerseits auf die
Vermarktung der IL an sich, andererseits auf den Übertragungseffekt auf die Kernleistung durch die IL gemäß dem Leistungsschalenmodell. Für das Forschungsprojekt
relevant ist, wie IL gestaltet sein müssen, um eine positive Wirkung auf die erneute
Inanspruchnahme der IL und damit auf die Kundenloyalität zu erzielen. Zudem zeichnet
sich die direkte Wirkung durch eine erhöhte Zahlungsbereitschaft, sowie positives
Empfehlungsverhalten gegenüber dieser Leistung aus.
Von besonderem Interesse ist der Übertragungseffekt auf die Kernleistung - in diesem
Fall das Verschreibungsverhalten des Arztes. Verschiedene theoretische Ansätze
liefern hierfür einen Erklärungsbeitrag. So können positive Erfahrungen, welche mit der
IL und deren Erbringer gemacht wurden, gemäß der Lern- und Attributionstheorie dazu
führen, dass diese Attribute auf die Kernleistung übertragen werden. Gemäß dem Brand
2.2 13.12.13 16:37 Seite 68
68
2 Theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Indirect Marketing
Salience Ansatz erfolgt der Übertragungseffekt aufgrund der langfristigen Ausrichtung
und Verknüpfung der Unternehmensmarke mit möglichst zahlreichen Attributen, so
dass im Entscheidungsmoment die Wahl auf das Absender-Unternehmen fällt. Einen
weiteren Erklärungsbeitrag liefert die soziale Austauschtheorie. Aufgrund des angestrebten Ziels der Gleichheit und Gerechtigkeit der Austauschbeziehung führt ein hoher
Nettonutzen der IL unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Übertragung auf die
Kernleistung.312
Als Voraussetzung für diese Wirkung verweisen die Theorien auf verschiedene
Bestimmungsfaktoren in Bezug auf die Wahrnehmung von IL. Die „langfristige Ausrichtung“ der IL ist die Grundlage, um positive Assoziationen mit einer anschließenden
Kundenloyalität bilden zu können. Die TKT argumentiert in erster Linie aus der
Kostensicht und betont in diesem Zusammenhang die Wechselkosten, welche mit
zunehmender Dauer der Geschäftsbeziehung steigen und somit direkt zu einer
wachsenden Kundenloyalität führen. Weitere Determinanten lassen sich in Übereinstimmung mit den Forschungserkenntnissen zum Verschreibungsverhalten in Eigenschaften der Informationsquelle und der Qualitätseigenschaften der gesendeten
Inhalte unterteilen.
In Bezug auf förderliche Eigenschaften der Informationsquelle betont insbesondere
die Risiko- und Transaktionskostentheorie die Bedeutung der Reputation und damit
der Vertrauenswürdigkeit als Basis für eine ausreichende Glaubwürdigkeit. Verfügen
Quellen über diese Eigenschaften trägt dies auch zur Reduktion der Transaktionskosten bei, in dem das Risiko minimiert wird. In Übereinstimmung mit den
Erkenntnissen der WOM-Forschung steigt hierdurch neben der Kundenloyalität
auch die Wahrscheinlichkeit der positiven Weiterempfehlung. Für eine positive
Wahrnehmung spielen auch die persönlichen Erfahrungen des Empfängers mit der
Informationsquelle eine große Rolle.
Die persönlichen Erfahrungen mit der erbrachten IL sind ebenfalls bei der Wahrnehmung der Qualität der Inhalte von Bedeutung. So stimmen mehrere Theorien
darin überein, dass Geschäftsbeziehungen nur dann beibehalten werden, wenn sie ein
Bedürfnis ansprechen und damit einen wahrgenommenen Nutzen vermitteln. Die
Reduktion der wahrgenommenen Kosten, auch in Form von Risiken, trägt zu einer
Stabilisierung bei der Kundenbeziehung bei. Auf die Bedeutung der „Produktunabhängigkeit“ und damit der Forderung nach einer nicht zu starken Verknüpfung der IL
mit einer Verkaufsabsicht, wird u.a. von der Reaktanztheorie hingewiesen. Erhält der
Empfänger den Eindruck einer Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit wird er
ablehnend reagieren bis hin zum Abbruch der Geschäftsbeziehung. Die Theorien
stützen somit die unter Kapitel 2.1 aufgeführten Anforderungen an IM.
Im weiteren Verlauf gilt es, diese theoretischen Erkenntnisse qualitativ-empirisch im
Kontext des IM im Pharmamarkt auf deren Plausibilität zu untersuchen und bei Bedarf
zu ergänzen.
312
Für Voraussetzungen zum Verschreibungsverhalten siehe Kapitel 2.2.3.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 69
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
69
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Die Untersuchungsmethode ist für den Forscher nicht beliebig wählbar, sondern hat
der Zielsetzung der Fragestellung Rechnung zu tragen.313 Die forschungsleitende
Fragestellung ist in erster Linie explorativer Natur. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der
Modellierung des Zusammenhangs zwischen IL und dem Verschreibungsverhalten des
Arztes. Es gilt, die Organisation und Anwendung von IM zu verstehen und zu erklären,
sowie Hypothesen zur Wahrnehmung und Wirkung dieser Maßnahmen zu generieren
und diese in ein IM-Modell zu integrieren. Wie unter Kapitel 1.6.2 verdeutlicht, eignet
sich hierfür ein qualitativ-explorativer Ansatz besser als ein quantitativ-prüfender.314
Kern des qualitativ-empirischen Methodenmix stellt die Forschung mittels Fallstudien
dar. Nachdem in Kapitel 3.1 das Untersuchungsobjekt vorgestellt wird, erläutert Kapitel
3.2 die Grundzüge der für das Forschungsprojekt relevanten Fallstudienforschung.
Kapitel 3.3 erläutert den mehrstufigen Forschungsprozess und beschreibt daraufhin
den Methodenmix zur Datenerhebung, die Auswahl und inhaltliche Struktur der untersuchten Fallstudien, sowie abschließend die Vorgehensweise zur Datenauswertung.
3.1
Indirekte Leistungen als Untersuchungsobjekt
Das Forschungsprojekt untersucht anhand der Forschungsfragen den Einfluss von IL
auf die Kundenbeziehung und weiterführend auf das Verschreibungsverhalten der
Ärzte. Bei dem Untersuchungsobjekt der Fallstudien handelt es sich daher nicht um
Unternehmen oder einzelne Individuen, sondern um konkrete IL von Pharmaunternehmen
für Ärzte, welche der Definition unter Abbildung 9 (S. 24) entsprechen.315. Die
Untersuchungsobjekte beziehen sich auf den deutschen Markt nach 2004.316 Dieser
Zeitraum ermöglicht es, IL nach Einführung des FSA-Kodex in Bezug auf die
Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit den Ärzten zu untersuchen.317
Die Untersuchung orientiert sich dabei am S-O-R-Paradigma (Stimulus-OrganismusResponse), welches in zahlreichen Modellen zum Kundenverhalten Anwendung
findet.318 Innerhalb der Fallstudien gilt es, die Gestaltung der IL, deren Einsatz unter
bestimmten Bedingungen (Stimulus), sowie deren Wahrnehmung (Organismus) und
Wirkung bei Ärzten (Response) zu untersuchen. In Kapitel 3.3.2 ist daher die Einbindung in die Fallstudien sowohl von beteiligten Marketingexperten als auch Ärzten
beschrieben.
Die unter Kapitel 2.1.3 in Anlehnung an die Literatur hergeleiteten IM-Kategorien
(Indikation, Praxisleistung, Lebenserfüllung) dienen als Ausgangspunkt der Studie und
werden im Rahmen der explorativen Phase auf ihre Aktualität geprüft. Wie ausgeführt,
hat sich die Situation für das Pharmamarketing in Bezug auf die Zusammenarbeit mit
313
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 49.
Vgl. Dyllick/Tomczak 2007, S. 75, Gerring 2007, S. 38, Gable 1994.
315
Vgl. Yin 2009, S. 29.
316
Nach Gründung des "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.", Vgl. Freiwillige
Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/ueber-den-fsa/,
Stand: 10.01.2013.
317
Vgl. Kapitel 1.2.2 bzgl. Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Dritten.
318
Vgl. Kuß/Tomczak 2004, S. 2ff.
314
3.2 13.12.13 16:37 Seite 70
70
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Dritten seit den 1990er Jahren erheblich geändert. Unter anderem untersagt § 7 Abs. 1
HWG grundsätzlich das Anbieten von Gegenständen, die ausschließlich eine private
Verwendungsbestimmung haben.319 Die von Schlegel (1991) definierte Leistungsstufe
„Lebenserfüllung“, die Leistungen umfasst, welche Lifestyle, Lust und Freude des
Arztes erhöhen sollen, ist demnach auf dem deutschen Markt nicht mehr zulässig und
somit zu streichen.
Die beiden anderen Leistungsstufen mit Inhalten zu „Indikation“ und „Praxisleistung“
sind je nach Ausgestaltung unter Einhaltung der genannten Prinzipien und Gesetze
durchführbar, finden in der Praxis Anwendung und können somit bestätigt werden.320
Durch Experteninterviews, Literaturrecherche sowie Dokumentenanalysen konnten
zahlreiche IL des Pharmamarketing identifiziert werden, welche der oben genannten
IM-Definition entsprechen und insgesamt drei Kategorien zuzuordnen sind.
Die Kategorie „Indikation“ umfasst Leistungen, welche den Arzt mit medizinischwissenschaftlichen Informationen versorgen, um ihn in seinen täglichen Patientenberatungsgesprächen zu unterstützen. Diese können sowohl arzt- oder patientenorientiert
sein, z. B. in Form neutraler Aufklärungskampagnen. Letztere entspricht dabei IL gemäß
Definition II unter Abbildung 8 (S. 24). Weitere Beispiele sind produktneutrale wissenschaftliche Fachportale, Fortbildungen oder Kongresse sowie die Herausgabe von
indikationsspezifischen Fachzeitschriften gemäß den zuvor beschriebenen Anforderungen
des § 7 Abs. 2 HWG.
Beispiel: Indirekte patientenorientierte Leistung - Die begehbare Prostata
Ein japanisches Pharmaunternehmen mit deutscher Vertriebsniederlassung stellt unter anderem
auch Arzneimittel zur Behandlung des Prostatakarzinoms her und vertreibt diese.
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor bei Männern. Jedes Jahr erkranken in Europa
circa 135.000 Männer daran, in Deutschland über 58.000. Trotz dieser hohen Zahl ist diese
Erkrankung oftmals ein Tabuthema. Um das Problembewusstsein in der Bevölkerung zu verbessern, über den Tumor sowie Diagnose und Therapiemöglichkeiten zu informieren und somit
Ärzte im Beratungsgespräch indirekt zu unterstützen, bietet das Unternehmen neben einer
patientenorientierten Internetseite (www.prostata.de) weitere aufmerksamkeitsstarke indirekte
Aktivitäten an, wie die bundesweite Tour mit dem Modell einer begehbaren Prostata.
Das begehbare Prostatamodell wurde von einem Ärzteteam entwickelt und ermöglicht die Darstellung komplexer Strukturen im männlichen Körper. Häufige Krankheitsbilder werden sichtbar
und ertastbar gemacht. Das Modell ist 4,80 Meter lang, 3,70 Meter breit und 2,30 Meter hoch
und wiegt gut eine halbe Tonne. Der Maßstab beträgt etwa 100:1. Arzneimittel oder Wirkstoffe
werden in diesem Zusammenhang auch aufgrund der rechtlichen Situation ausdrücklich nicht
genannt.
Auftakt der Tour war der „Europäische Prostata-Aktionstag 2005“ am 15. September 2005 in
Berlin, zu dem die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V., der Berufsverband der Deutschen
Urologen e.V., die European Association of Urology und der Bundesverband Prostatakrebs
Selbsthilfe e.V. eingeladen hatten. Aufgrund der großen Akzeptanz und des Interesses an dieser
IL läuft diese Aktion bis heute (2012).321
319
320
321
Vgl. Dieners 2010, S. 38.
Vgl. Kapitel 1.2.2, S.5ff.
Vgl. Verband der forschenden Arzneimittelunternehmen e.V., 2010,
http://www.vfa.de/de/patienten/beispiele-guterzusammenarbeit.html/, Stand: 02.11.2012.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 71
71
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Die zweite Kategorie bezieht sich auf „Praxisleistungen“ und umfasst Dienstleistungen
für die Arztpraxis. Beispiele sind Aktivitäten zur organisatorischen Unterstützung der Praxis,
wie ISO-Zertifizierungen, Erstellung von Internetseiten oder Schulungen des Praxispersonals. Kooperationen nehmen in dieser Kategorie eine besondere Stellung ein,
da Unternehmen i. d. R. nicht selbst über die benötigten Kompetenzen verfügen. Aus
rechtlicher Sicht ist allerdings immer darauf zu achten, dass diese IL über einen
wissenschaftlichen Bezug verfügen und zur Verwendung in der ärztlichen, tierärztlichen
oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sind.322
Eine neue dritte Kategorie wird mit dem Begriff „Image“ betitelt. Sie umfasst Leistungen,
welche unter den Bereich „Allgemeine Vertrauenswerbung“ fallen. Sie dienen dazu,
über Aktivitäten des Unternehmens zu informieren und damit das Image und die
Akzeptanz bei der Kundengruppe zu optimieren. Hierunter fallen z. B. geführte Werksbesichtigungen von Produktionsstätten der Pharmaunternehmen oder soziales
Engagement in Form von Charity Aktivitäten.323
Von Bedeutung für alle drei Kategorien ist, dass die wissenschaftlich-informative Zielsetzung und/oder allgemeine Vertrauenswerbung im Vordergrund stehen. Produkt- und
leistungsbezogene Absatzwerbung, die direkt auf den Absatz von Wirtschaftsgütern
i.S.v. § 1 HWG zielt, ist untersagt.324 Diese Art der Werbung ist jedoch bereits per
Definition des IM ausgeschlossen, da IL grundlegend nicht unmittelbar auf die Förderung
des Absatzes ausgerichtet ist. Abbildung 25 fasst die drei beschriebenen IM-Kategorien
im Pharmamarkt zusammen.
Leistungssystem im Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Produkt
Produktgruppe
Medikament
Sortiment
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Abbildung 25: Kategorien des Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schlegel 1991, Belz/Bieger 2004.
322
Vgl. § 7 HWG, § 20 FSA Kodex Fachkreise 2011.
Vgl. Explorative Expertengespräche Marketingmanager März 2011.
324
Vgl. Dieners 2010, S. 39.
323
Image
3.2 13.12.13 16:37 Seite 72
72
3.2
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Die gewählte Methodik: Fallstudienforschung
3.2.1 Grundzüge der Fallstudienforschung
Das Instrument „Fallstudie” (Case Study) wird im Rahmen der qualitativen Forschung
eingesetzt.325 Yin verweist auf folgende Definition:
„The essence of a case study, the central tendency among all types of case study, is
that it tries to illuminate a decision or set of decisions: why they were taken, how they
were implemented, and with what result.“ 326
Fallstudien tragen demnach dazu bei, ein Verständnis der Abläufe unter bestimmten
Situationen zu generieren, wie z. B. denen des IM im pharmazeutischen Marktumfeld.327Qualitative Fallstudien eignen sich besser zur Evaluation der Wirksamkeit von
Maßnahmen als quantitative Ansätze, wenn deren Wirkungsweise wie im Fall des IM
sehr komplex ist.328 Sie konzentrieren sich auf die interpretative Auswertung von Daten.
Die Fallstudienforschung untersucht ausgewählte Fälle, anhand derer im Anschluss
verallgemeinerbare Aussagen abgeleitet werden können. Der Auswahl der zu
analysierenden Fälle kommt dementsprechend eine besondere Bedeutung zu. Diesem
Forschungsprojekt liegt ein multipler Fallstudienansatz (Multiple Case Study Approach)
zu Grunde. Dieser Ansatz ermöglicht eine genauere Darstellung und ein besseres
Verständnis für ein Untersuchungsobjekt als Einzelfallstudien.329 Die Datenanalyse zieht
dabei Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen des zu untersuchenden Unternehmens als auch aus den Vergleichen der Fallstudien heran. Damit wird das Ziel
verfolgt, die Aussagekraft durch eine gesteigerte Validität der Daten zu maximieren.330
3.2.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
Die Form der Beantwortung der Fragestellung durch die gewählten Methoden hat den
Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens zu entsprechen. Quantitative Forschung
verlangt Erkenntnisse, die intersubjektiv überprüfbar (Objektivität), replizierbar unter
gleichen Untersuchungsbedingungen (Reliabilität) sowie kausal eindeutig interpretierbar
und über das Untersuchungsergebnis hinaus generalisierbar sind (Validität).331
Qualitative Forschung hingegen verfügt über eigene Gütekriterien, da die Maßstäbe
quantitativer Untersuchungen aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise nicht
einfach übernommen werden können.332 Eisenhardt (1989) betont, dass Fallstudien
der Ausgangspunkt für die Theoriebildung sein können. Hierfür ist jedoch die Ausrichtung des Forschungsprozesses an den qualitativen Gütekriterien notwendig.
325
Vgl. Yin 2009, S. 1.
Vgl. Yin 2009, S. 17.
327
Vgl. Eisenhardt 1989, S. 534.
328
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 110.
329
Vgl. Eisenhardt 1989, Yin 2009.
330
Vgl. Eisenhardt 1989, S. 538.
331
Vgl. Kromrey 1983, S. 196ff.
332
Vgl. Mayring 2002, S. 140ff.
326
3.2 13.12.13 16:37 Seite 73
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
73
Yin schlägt vier Kriterien in verschiedenen Stufen des Prozesses vor, um die Qualität
des Forschungsdesigns der Case Study sicherzustellen. Diese umfassen die externe
Validität (external validity), interne Validität (internal validity), Konstruktvalidität
(construct validity) und Reliabilität (reliability).333
Da qualitative Forschung die analytische Verallgemeinerung der Erkenntnisse beabsichtigt,
ist es wichtig, deren Gültigkeit auch außerhalb der untersuchten Fallstudie zu belegen.
Um einen möglichst hohen Grad an externer Validität zu erreichen, ist das Forschungsdesign theoriegeleitet zu erstellen. Zudem kann diese durch Einbeziehung mehrerer
Fallstudien (cross-case Analyse) gemäß Yin weiter gesteigert werden. Der Abgleich
der Erkenntnisse mit dem aktuellen Forschungsstand trägt zudem zur Plausibilität der
Ergebnisse bei.
Während der Analysephase ist auf interne Validität zu achten, indem kausale Beziehungen
zwischen Variablen und Ergebnissen nachgewiesen werden. Unterstützend kann hierbei der Abgleich der gewonnenen Erkenntnisse mit möglichen alternativen Erklärungsansätzen herangezogen werden.
Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Operationalisierung der zu Grunde liegenden
Konstrukte eine Zulässigkeit der Aussagen ermöglicht. Die Diskussion der Erkenntnisse
mit den Informationsträgern trägt laut Yin zu einer erhöhten Konstruktvalidität bei. Im
vorliegenden Forschungsprozess sind daher abschließende Fokusgruppen mit ausgewählten Pharmaexperten (Sender) sowie Ärzten (Empfänger) als erfahrene Austauschpartner innerhalb der Prozesse des IM integriert.
Letztendlich gilt es, die Reliabilität sicherzustellen, so dass die erlangten Ergebnisse
unter gleichen Bedingungen wieder erzielt werden können. Für diesen Punkt ist
die Replizierbarkeit der Daten anhand der Regelgeleitetheit der Methodik sowie die
Dokumentation der Ergebnisse von hoher Bedeutung.
An dieser Stelle ist auch auf die Herausforderungen qualitativer Forschung hinzuweisen.
So wird die geringe Stichprobengrösse als kritisch eingestuft. Weder Einzel- noch
multiple Fallstudien erlauben eine statistische Generalisierbarkeit.334 Die Erkenntnisse
sind demnach in Übereinstimmung mit der wissenschaftstheoretischen Ausrichtung
kontextbezogen zu verstehen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die generelle Subjektivität,
der die Fallstudienforschung unterliegt. Der Forscher erhebt, gewichtet und interpretiert
die Daten und hat somit einen nachhaltigen Einfluss auf die Qualität der Forschungsergebnisse. Um dieses Risiko zu vermeiden, werden daher Erkenntnisse und Interpretationen, wie erwähnt, anschließend mit Experten diskutiert. Die Einhaltung der
Gütekriterien qualitativer Forschung ist daher Vorraussetzung, um die qualitative
Studie optimal zu planen, durchzuführen und abschließend fundierte, praxisrelevante
Ergebnisse zu erzielen.335
333
Vgl. Yin 2009, S. 40.
Vgl. Yin 2009, S. 31.
335
Vgl. Eisenhardt 1989, Yin 2009, Mayring 2002.
334
3.2 13.12.13 16:37 Seite 74
74
3.3
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Qualitativer Methodenmix im Forschungsprozess
Die Empirie folgt zur Beantwortung der Forschungsfragen einem mehrstufigen Prozess.
Abbildung 26 verdeutlicht die Verteilung der Methoden innerhalb des Forschungsprozesses.
Vorabbefragung
Pharmaexperten
Explorative Phase
Qualitativ-empirische Phase
• Literaturreview
• Dokumentenanalyse
• Experteninterviews
(explorativ)
• Experteninterviews
(theoriegenerierend)
Abschlussphase
• Fokusgruppe Ärzte
• Fokusgruppe Pharmaexperten
Abbildung 26: Verteilung der Datenerhebungsmethoden im Forschungsprozess
Quelle: Eigene Darstellung
Eine dem Forschungsprojekt vorgelagerte Expertenbefragung (n = 5) mit Pharmamanagern dient zur Eingrenzung des Forschungsgebietes und Vorbereitung der explorativen Phase.336 Ziel der explorativen Phase ist die Herleitung zu untersuchender Arten
von IL, die Ableitung und Darstellung erster kausaler Thesen, sowie möglicher erfolgsrelevanter Bestimmungsfaktoren, welche in das Analyseraster eingehen.337 In der
qualitativ-empirischen Phase werden diese Faktoren innerhalb der sechs Fallstudien
analysiert (Within-Case-Analyse) und zwischen diesen verglichen (Cross-CaseAnalyse). Fokusgruppen dienen zur Steigerung der Konstruktvalidität der Erkenntnisse
und zur Formulierung finaler Hypothesen. In der Abschlussphase werden hiervon
Implikationen für Wissenschaft und Praxis abgeleitet. In allen Prozessschritten ist dabei
die Betrachtung beider Seiten – des Senders (Pharmaunternehmen) und des Empfängers
(Arzt) – von Bedeutung, um Diskrepanzen in der Wahrnehmung aufzudecken, IMErfolgsfaktoren zu identifizieren und Gestaltungsempfehlungen abzuleiten.338
Die Einbeziehung mehrerer Methoden und Datenquellen als Stärke der Fallstudienforschung ermöglicht eine Steigerung sowohl der Konstruktvalidität als auch der
Reliabilität durch die Triangulation der Ergebnisse. Diese sind weitaus präziser und
überzeugender, wenn sie auf mehrere Datenquellen fußen.339 Die gewählte pluralistische
Vorgehensweise umfasst qualitative Methoden mit explorativem Charakter, deren
induktiv hergeleitete Erkenntnisse in die Lösungskonzepte integriert werden. Experteninterviews stellen die Kernmethodik zur Datenerhebung sowohl in der explorativen als
auch der qualitativempirischen Phase dar.340 Diese werden durch Literaturreview,
Dokumentenanalyse sowie Fokusgruppen ergänzt.341
336
Vgl. Expertenbefragung Mai 2009.
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 380.
Vgl. Belz 1991, S. 44f.
339
Vgl. Yin 2009, S. 116f.
340
Vgl. Rousseau 1990.
341
Vgl. Yin 2009, S. 102.
337
338
3.2 13.12.13 16:37 Seite 75
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
75
3.3.1 Datenerhebung durch Kombination qualitativer Methoden
Die verwendeten Methoden zur Datengenerierung werden im Hinblick auf ihren
Erkenntnisbeitrag erläutert.
Literaturreview (Desk Research)
Dem Forschungsprojekt liegt gemäß der wissenschaftstheoretischen Einordnung der
theoriegeleitete Empirismus zu Grunde. Um neue Hypothesen in Bezug auf die
Wirkungsweise von IM abzuleiten, ist es zunächst wichtig, themenverwandte Wissenschaftsgebiete sorgfältig zu analysieren.342 So können anhand der theoretischen Grundlagen kausale Zusammenhänge und Ursachenzuschreibungen besser erklärt werden.
Aus diesem Grund wurde der Empirie eine ausführliche Literaturrecherche der
verwandten Themengebiete und hiermit die Herausarbeitung relevanter Theoriequellen
vorangestellt. Erkenntnisse themenverwandter wissenschaftlicher Forschungsbereiche
dienen demnach als Erklärungsbeitrag und Basis für die Erstellung der Hypothesen
sowie des Analyserasters der Fallstudien. Der regelmäßige Abgleich der empirischen
Erkenntnisse mit der Literatur dient des Weiteren zur Steigerung der Plausibilität der
Ergebnisse.
Dokumentenanalyse (Archival Analysis)
Die Dokumentenanalyse ist eine wichtige Quelle innerhalb der qualitativ-empirischen
Phase zur Erklärung menschlichen Verhaltens. Im Rahmen der Fallstudien dient sie
dazu, möglichst zahlreiche aussagekräftige Unterlagen zu untersuchen.343 Erkenntnisse
aus den zur Verfügung stehenden Dokumenten ergänzen die empirischen Daten, welche
aus den geführten Interviews gewonnen werden. Die so generierten Sekundärdaten
vervollständigen das Bild der untersuchten Fallstudien.344 Gemäß Mayring müssen
Dokumente im Rahmen dieser Methode interessante Schlüsse auf menschliches
Denken, Fühlen und Handeln zulassen und interpretierbar sein, da sie als Objektivation
der Psyche des Urhebers angesehen werden.345 Für die Analyse der Fallstudien wurden
dementsprechend Exemplare indirekter Sachleistungen (z. B. Reisemedizinisches
Handbuch), Kommunikations- und Werbematerialien der jeweiligen IL (z. B. Internetauftritte, Videomaterial), Publikationen, externe Berichterstattungen, Unternehmenspräsentationen sowie Umsatzzahlen und Jahresberichte herangezogen.
Diese Dokumente liefern einen erheblichen Erkenntnisgewinn zur Ausgestaltung und
Kommunikation sowie der unterschiedlichen Bedeutung und Akzeptanz von IM in den
Unternehmen. Diese Informationen ermöglichen Rückschlüsse auf Erfolg und Misserfolg der IL.
Interviews
Eine der wichtigsten Informationsquellen qualitativer Forschung, insbesondere der Fallstudienforschung, sind Interviews.346 Eine bestimmte Form stellen Experteninterviews
dar347, welche sowohl in der explorativen als auch der qualitativ-empirischen Phase
342
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 358ff.
Vgl. Yin 2009, S. 102f., Mayring 2002, S. 46.
344
Vgl. Bentz/Shapiro 1998, Scandura/Williams 2000, S. 1251.
345
Vgl. Mayring 2002, S. 47.
346
Vgl. Yin 2009, S. 106, Bogner/Littig/Menz 2005, S. 33.
347
Sammelbegriff für offene oder teilstandardisierte Befragungen von Experten zu einem vorgegebenen Thema.
343
3.2 13.12.13 16:37 Seite 76
76
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Anwendung finden, wenn auch mit unterschiedlicher Aufgabenstellung.348 Die Methode
dient zur Generierung von Spezialwissen über die zu erforschenden Sachverhalte.349
Gemäß der konstruktivistischen Definition handelt es sich bei Experten um Personen, die:
•
über relevantes Wissen über einen bestimmten Sachverhalt verfügen,
•
in irgendeiner Weise Verantwortung für Entwurf, Implementierung oder Kontrolle
einer Problemlösung tragen und
•
über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personen
oder Entscheidungsprozesse verfügen.350
Die konkrete Auswahl der Experten erfolgt gemäß dem Forschungsinteresse der
jeweiligen Phase des Forschungsprozesses. Da der Autor zur Zeit der Erhebung selbst
in der Pharmaindustrie tätig war, wurden die Ärzteinterviews von einem externen
Dienstleister durchgeführt, um mögliche Interessenskonflikte zu vermeiden.
Vorabbefragung
Die Auswahl der Interviewpartner der Vorabbefragung konzentriert sich auf Leitende
Angestellte der Pharma- oder Medizinproduktebranche mit über fünf Jahren Branchenerfahrung.
Funktion
Branchenzugehörigkeit351
Pharmakonzern 1 (> 10.000 MA)
Teamleiter Vertrieb
> 13 Jahre
Pharmakonzern 2 (>10.000 MA)
Leiter Key Account
Management Schweiz
> 6 Jahren
#
Unternehmen
1
2
3
Pharmakonzern 3 (>10.000)
Teamleiterin
Gesundheitsökonomie
> 5 Jahren
4
Medizinproduktehersteller (<500)
Geschäftsführer
> 18 Jahren
5
Pharmazeut. Lohnhersteller (<500)
Gesellschafter
> 15 Jahren
Tabelle 14: Auswahl Interviewpartner Expertenbefragung Mai 2009.
Quelle: Eigene Darstellung
Explorative Phase
Ziel der Experteninterviews in dieser Phase ist die thematische Sondierung der
aktuellen Situation und Ausgestaltung von IM in Pharmaunternehmen, um daraus erste
kausale Thesen im Abgleich mit den theoretischen Erkenntnissen abzuleiten. Die
Erhebung erfolgt mittels intensiver Expertengespräche in teilstrukturierter Form mit dem
Ziel, auch unbewusste Motive und Prozesse von IM aufzudecken.352 Diese explorativen
Interviews werden möglichst offen geführt, um freie Antworten zu erhalten und damit
einen größeren Einblick in das Forschungsfeld zu bekommen. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit der qualitativen Daten erfolgt die Befragung anhand von Leitfadeninterviews.353
348
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 314, Gläser/Laudel 2010, S. 111.
Vgl. Gläser/Laudel 2010, S. 11.
350
Vgl. Mayer 2008, S. 41, Bogner/Littig/Menz 2005, S. 40, Meuser/Nagel 1997, S. 484.
351
Zum Zeitpunkt der Expertenbefragung
352
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 315, Yin 2009, S. 107.
353
Vgl. Appendix A. 7.
349
3.2 13.12.13 16:37 Seite 77
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
77
Leitfäden dienen zudem als Orientierung und Gerüst für die Fragenstruktur und ermöglichen damit dem Interviewer Kompetenz in der Thematik zu demonstrieren. Dies
ist insbesondere im Umgang mit den hier befragten Experten aufgrund ihrer Position
und Berufserfahrung von Bedeutung.354
Um ein möglichst vollständiges Bild der aktuellen Situation in Bezug auf Gestaltung,
Wahrnehmung und Wirkung von IL zu erhalten, werden Interviews mit Experten der
Sender- und Empfängerseite durchgeführt.
Auf Senderseite handelt es sich bei den Befragten um Marketingexperten mit langjähriger Erfahrung (>10 Jahre) bei der Vermarktung verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf dem deutschen Markt (n=10). Ein weiteres Auswahlkriterium ist eine langjährige Führungserfahrung in diesem Bereich (>5 Jahre), so dass auch Wissen über
strategische Ausrichtung der Maßnahmen und damit auch der IL zu vermuten ist.
Ebenso von Bedeutung ist die Kenntnis und die Durchführung von bereits bekannten
Leistungsarten im Pharmamarketing, welche gemäß der theoretischen Erkenntnisse
der Desk Research dem IM zuzuordnen sind. Die Auflistung der Experten und deren
Auswahlkriterien befinden sich im Appendix A. 6. Die Durchführung der Interviews
erfolgte telefonisch.
Auf Empfängerseite werden Ärzte befragt, welche Kenntnis von IL der Pharmaindustrie
besitzen und mindestens zwei dieser Leistungen beansprucht haben (n=10). Deren
Aussagen dienen zur Herleitung möglicher Arten und Erfolgsfaktoren des IM. Bei den
Interviewpartnern handelt es sich um API, die mit 60.262 Ärzten (22.845 Internisten +
37.417 Allgemein und praktische Mediziner) die größte Arztgruppe in Deutschland
bilden.355 Ziel ist es, Experten auf der Empfängerseite zu befragen, die bereits mehrfach
mit IL in Kontakt gekommen sind und diese somit besser bewerten können. Daher
wurden nur Ärzte ausgewählt, die länger als fünf Jahre niedergelassen sind, eine
eigene Praxis führen und zwischen 35 und 60 Jahre alt sind. Ein deskriptives Kriterium
für die Arztpraxen ist die Rate an Privatpatienten (PKV) pro Praxis. In Deutschland sind
9 Mio. Personen privat und 69,7 Mio. Personen gesetzlich versichert.356 Praxen mit
hohem PKV-Anteil gelten allgemein als wirtschaftlich gesünder als Praxen mit
geringem PKV-Anteil. Für das Forschungsprojekt ist von Interesse, ob Unterschiede in
Wahrnehmung und Wirkung bezüglich dieser Eigenschaft erkennbar sind. Aus diesem
Grund finden sich Praxen unter und über einem PKV-Anteil von 20% in der Befragung.
Qualitativ-empirische Phase
Aufbauend auf den Erkenntnissen der explorativen Phase, sind Experteninterviews
ebenfalls Bestandteil der ausgewählten Fallstudien und erfüllen hier eine theoriegenerierende Funktion. Dabei geht es um die Erschließung und analytische Rekonstruktion der subjektiven Dimension des Expertenwissens in Bezug auf implizite
Entscheidungsmechanismen aus einem bestimmten fachlichen Funktionsbereich, in
diesem Fall der spezifischen IL. Die Vergleichbarkeit der Aussagen wird methodisch
wiederum durch das Leitfadeninterview und empirisch durch die organisatorisch354
Vgl. Bogner/Littig/Menz 2005, S. 37, Bortz/Döring 2006, S. 314, Mayer 2008, S. 37.
Vgl. Bundesärztekammer 2012, S. 12, 14.
356
Vgl. Verband der privaten Krankenversicherung 2012, http://www.pkv.de/zahlen/, Stand: 30.11.2012,
Bundesministerium für Gesundheit 2013, S. 4.
355
3.2 13.12.13 16:37 Seite 78
78
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
institutionelle Einbindung der Experten sichergestellt.357 Somit ist es durch die folgende
interpretative Generalisierung durch Vergleich der Fallstudien möglich, theoriegenerierende Aussagen bzw. Hypothesen abzuleiten.358 Der verwendete Leitfaden verfügt ebenfalls über offene, jedoch ausdifferenziertere Fragen, welche die Erkenntnisse
der vorangegangenen Stufe aufgreifen.
Wiederum sind Experten beider Seiten einbezogen: sowohl beteiligte Marketingexperten
(n=6), welche an der Gestaltung und Erbringung der untersuchten IL maßgeblich
beteiligt waren, als auch Ärzte (n=18), welche diese IL in Anspruch genommen haben.359
Sämtliche Interviews mit den Marketingexperten wurden telefonisch durchgeführt. Die
Experteninterviews mit den teilnehmenden Ärzten hingegen erfolgten persönlich. Nach
Zustimmung der Befragten erfolgte die Aufzeichnung der Gespräche auf Tonband. Zur
Sicherstellung einer vollständigen Auswertung der Informationen wurden ergänzend
zu den Gesprächsnotizen sämtliche Aufnahmen im Nachgang transkribiert.
Gruppendiskussionen (Fokusgruppen)
Eine weitere Interviewtechnik, welche im Forschungsprojekt Anwendung findet, ist die
Gruppendiskussion bzw. Fokusgruppe. Gruppendiskussionen werden zur Theoriebildung oder Hypothesenprüfung eingesetzt.360 Die abschließende Diskussion der
Erkenntnisse und hergeleiteten Hypothesen führt desweiteren zur Steigerung der
Konstruktvalidität. Die Technik der Gruppendiskussion ermöglicht es zudem, psychische
Sperren bezogen auf sensible Themen (z. B. IL und deren Auswirkung auf das Verschreibungsverhalten) zu durchbrechen.361 Die Erkenntnisse zu IM werden daher in
strukturierter Form anhand eines Leitfadens mit einer Ärzte-Fokusgruppe (n=8 Teilnehmer) und einer Marketingexperten-Fokusgruppe (n=3 Teilnehmer) moderiert
diskutiert.362
Aufgrund der besseren Erreichbarkeit der Teilnehmer erfolgte letztere in Form einer
Telefonkonferenz. Tabelle 15 gibt einen Überblick der Beiträge, welche die spezifischen
Methoden zur Beantwortung der Forschungsfragen liefern.
357
358
359
360
361
362
Vgl. Bogner/Littig/Menz 2005, S. 38.
Vgl. Yin 2009, S. 53, Bogner/Littig/Menz 2005, S. 38.
Vgl. Tabelle 20 in Kapitel 3.3.2.
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 320, Yin 2009, S. 41.
Vgl. Mayring 2002, S. 77.
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 319.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 79
79
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
F#
Forschungsfrage
Methode
Ergebnisse
Welche Ausprägungen
von Indirect Marketing
existieren in Wissenschaft
und Praxis?
Literaturreview
• Identifikation und Beschreibung von geeigneten theoretischen
Ansätzen und Modellen mit Erklärungsbeitrag zu IM
• Ableitung einer Definition und Kategorisierung von IL
in Pharmaunternehmen
Explorative
Experteninterviews
(Ärzte/
Marketingexperten)
• Identifikation und Beschreibung aktueller Ausprägungen
indirekter Leistungsarten in Pharmaunternehmen
• Erklärungsbeitrag zur Kategorisierung von IL
Dokumentenanalyse
• Ergänzung der empirischen Daten
Wie werden IL
wahrgenommen und
eingeschätzt?
Literaturreview
• Theoretische Fundierung und Erklärungsbeitrag zum
Übertragungseffekt von IM auf die Kernleistung
Wie werden IL
wahrgenommen und
eingeschätzt?
Literaturreview
1
2
3
Welche Faktoren müssen
IL erfüllen, um beim
Empfänger „Arzt“ eine
positive Wirkung im
regulierten Marktumfeld
zu erzielen?
4
• Identifikation wissenschaftlicher Erklärungsbeiträge
verwandter Forschungsgebiete zu Einflussgrößen auf
die Wahrnehmung und deren Verarbeitung beim Empfänger
Explorative
Experteninterviews
(Ärzte/
Marketingexperten)
• Identifikation von Bedürfnissen der Ärzte
• Ergänzung der Einflussgrößen auf die Wahrnehmung
• Identifikation von Gaps in der Wahrnehmung von
IM bei Ärzten und Marketingexperten
• Herleitung erster kausaler Thesen
Theoriegenerierende
Experteninterviews
(Fallstudien)
• Beschreibung und Erklärung der Wahrnehmung
und Wirkweise konkreter IL
• Ableitung von IL-Erfolgsfaktoren Weiterentwicklung
der kausalen Thesen zu Hypothesen
Fokusgruppen (Ärzte/
Marketingexperten)
• Überprüfung der Hypothesen zur Wahrnehmung von IL
Literaturreview
• Identifikation und Erklärung von Eigenschaften von
IL mit erfolgskritischer Bedeutung
Explorative
Experteninterviews
(Ärzte/
Marketingexperten)
• Bestätigung/Erweiterung der Erkenntnisse aus
dem Literaturreview
Dokumentenanalyse
• Identifikation von erfolgsrelevanten
Gestaltungsfaktoren von IL
Theoriegenerierende
Experteninterviews
(Fallstudien)
• Ermittlung der Ausprägungen der IL Gestaltungsfaktoren unter situativen Rahmenbedingungen
• Weiterentwicklung der kausalen Thesen zu Hypothesen
• Gestaltung eines IM-Konzepts
Fokusgruppen
• Überprüfung der hergeleiteten Hypothesen zur Wirkung von IL
(Ärzte/Marketingexperten)
5
Welche IL sollte ein
Pharmaunternehmen
zur Ansprache der Ärzte
nutzen, um positiv
rücksichtig zu werden?
Theoriegenerierende
Experteninterviews
(Fallstudien)
• Ableitung von wissenschaftlichen und praktischen
Implikationen aus den Erkenntnissen der Fallstudien
Tabelle 15: Beiträge der einzelnen Forschungsmethoden
Quelle: Eigene Darstellung.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 80
80
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
3.3.2 Auswahl der Fallstudien
Das Forschungsprojekt verfolgt einen ganzheitlich multiplen Fallstudienansatz zur
Untersuchung von IL der Pharmaunternehmen.363 Die ausgewählten Fallstudien müssen
einen guten Überblick und Einblick in Bezug auf gemeinsame und unterschiedliche
Ausprägungen der IL liefern, um hypothesengenerierend sein zu können. Gemäß der
„Replication logic“ nach Yin ist darauf zu achten, dass die Fallstudien entweder gleiche
(=literal replication) oder gegensätzliche Erkenntnisse (=theoretical replication) versprechen.364 Eisenhardt/Graebner (2007) verweisen in diesem Zusammenhang auf
„polar types“, also Fälle mit gegensätzlichen Ausprägungen oder Situationen. Für die
Analyse der Wahrnehmung und Wirkung von IM ist die Betrachtung unterschiedlicher
Ausprägungen von Interesse, um kausale Thesen bestätigen oder ausschließen und
diese somit zu robusten Hypothesen weiterentwickeln zu können.
Die Ergebnisse der explorativen Phase liefern mehrere Auswahlkriterien, deren konträre
Ausprägungen interessante Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfragen versprechen.365 Ziel ist es jede Ausprägung, zumindest in einem Fall, vertreten zu haben,
um deren Auswirkungen vergleichen zu können. Die Selektion der Fallstudien lehnt sich
an den Erkenntnissen der explorativen Phase an und erfolgt anhand folgender Kriterien.
Pharmamanager unterscheiden IL anhand der Zielgruppe für die sie erstellt werden.
Hierzu zählen Ärzte, Apotheker, Patienten als auch Zielgruppen mit Einfluss auf Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens wie die Politik, KK oder KaV. Da Ärzte, wie
beschrieben, als Hauptzielgruppe der Pharmaunternehmen gelten, konzentriert sich
das vorliegende Forschungsprojekt auf IL für diese Zielgruppe.
Um ein abgerundetes Bild des IM im Pharmaumfeld beschreiben zu können, sind Fälle
aus jeder der drei unter Kapitel 3.1 vorgestellten Leistungskategorien für die Zielgruppe „Arzt“ enthalten.
Klassifizierung IL
Zielgruppe
Arzt
Apotheke
Patient
Leistungskategorie
Indikation
Praxis
Image
Politik, KK, KaV
Tabelle 16: Klassifizierung der zu untersuchenden Fallstudien
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte
& Marketingmanager 2011.
Die Aussagen der geführten Experteninterviews, sowie die Häufigkeit der Nennungen
deuten auf eine unterschiedliche Bedeutung der Kategorien hin. Leistungen mit
Indikationsbezug verfügen anscheinend über die höchste Priorität, da sie gemäß der
Pharmamanager über eine bessere Differenzierungsmöglichkeit mit einem höheren
Erfolgspotenzial verfügen. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass sie, wie definitorisch
gefordert, thematisch näher an der Kernleistung angesiedelt sind, als die Leistungen
mit Praxis- oder Imagebezug. Um dem Rechnung zu tragen, umfasst die Stichprobe
drei indikations-, zwei praxis- und eine imagebezogene Leistung.
363
Vgl. Yin 2009, S. 46ff zu „holistic multiple-case designs“.
Vgl. Yin 2009, S. 54.
365
Vgl. Explorative Expertengespräche Ärzte Mai 2011, Explorative Expertengespräche Marketingmanager
März 2011.
364
3.2 13.12.13 16:37 Seite 81
81
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
IL sind in erster Linie Bestandteil des spezifischen Leistungssystems eines Unternehmens. Unternehmensbezogene situative Faktoren dienen daher dazu, anhand
deren unterschiedlicher Ausprägungen, Effekte auf den Erfolg von IL zu untersuchen.
Erstes polarisierendes Auswahlkriterium ist die Unternehmensgröße. Hier stellt sich
die Frage, ob der IL-Erfolg von diesem Faktor abhängig ist. Umsatz- und mitarbeiterstärkeren Unternehmen schreiben einige der Experten bessere Kompetenzen und
Kapazitäten zu, um IL zusätzlich zu dem üblichen Marketing-Mix zu initiieren. Im
Gegensatz hierzu verknüpfen andere Experten die Eigentumsverhältnisse mit dem
Erfolg über die langfristige Ausrichtung von IL:
„Die Marketingverantwortlichen denken kurzfristig. Wenn Sie aktiennotiert sind in Amerika, dann werden Sie gute Nachrichten generieren. Das entspricht nicht einem langfristigen Ansatz. Firma A und Firma B sind inhabergeführt, keine Aktiengesellschaften 366.
Typisch. Die können sich das leisten, weil der Inhaber sagt: „Ich will das so“. Das könnte
sich der Börsennotierte gar nicht leisten.“ 367
Ein weiteres polarisierendes Auswahlkriterium ist die Außendienstaktivität des Pharmaunternehmens. Das bisherige Pharma-Geschäftsmodell basiert auf dem Einsatz eines
wenn auch schrumpfenden aber dennoch großen Pharmareferenten-Außendienstes.
Dieser ist gleichzeitig für nahezu alle Unternehmen der Hauptkommunikationsweg
mit dem Kunden „Arzt“ und wird daher auch von einigen Experten als „teuerstes
Marketinginstrument gesehen.368 Im Zuge der explorativen Phase konnten Pharmaunternehmen identifiziert werden, welche auf den Außendienst gänzlich verzichten und
stattdessen ausschließlich IM einsetzen. Dies ermöglicht eine nahezu unverfälschte
und exaktere Analyse der Wirkung von IL ohne Störfaktoren anderer Marketing- oder
Vertriebsinstrumente. Zusammengefasst ergibt sich somit folgendes Raster relevanter
unternehmensbezogener situativer Faktoren zur Auswahl der Fallstudien.
Unternehmensbezogene situative Faktoren
Unternehmensgröße
Groß (Umsatz > 100 Mio €) Klein (Umsatz < 100 Mio €)
Eigentumsverhältnisse
Familienunternehmen
Aktiengesellschaft
Außendienstaktivität
Ja
Nein
Private Equity
Tabelle 17: Unternehmensbezogene situative Faktoren
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Marketingmanager
März 2011.
Des Weiteren wurden explizit produktbezogene situative Faktoren in der explorativen
Phase in Gesprächen mit Pharmamanagern genannt, welche einen Einfluss auf den
erfolgreichen Einsatz haben sollen. Produktbezug ist jedoch einerseits definitorisch für
IM ausgeschlossen. Andererseits beziehen sich die Leistungen, wie beschrieben, eher
auf eine übergeordnete Kompetenz des Unternehmens. Daher fließen diese Faktoren
nicht in die Auswahlkriterien für die Fallstudien ein. Um jedoch im Rahmen der qualitativempirischen Phase dennoch mögliche Effekte zu identifizieren, werden diese produktbezogenen Kategorien in das Analyseraster in Kapitel 4 integriert.
366
Unternehmensnamen von Autor anonymisiert.
Vgl. Explorative Expertengespräche Marketingmanager März 2011.
368
Vgl. ebd.
367
3.2 13.12.13 16:37 Seite 82
82
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Produktbezogene situative Faktoren
Produktlebenszyklus (PLZ)
Einführung
Wachstum
Sättigung
Degeneration
Einsatzbereich
des Arzneimittels
Prävention
akut/ungefährliche
Erkrankung
akut/gefährliche
Erkrankung
Chronische
Erkrankung
Wettbewerbssituation
Patentgeschützt
Generischer
Wettbewerb
Oligopol
Tabelle 18: Produktbezogene situative Faktoren
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Marketingmanager
März 2011.
Ebenfalls wurde darauf geachtet, typische als auch extreme Fälle in der Untersuchung
einzubeziehen.369 Unter Berücksichtigung der aufgeführten situativen Auswahlkriterien,
sowie des notwendigen vorhandenen Zugangs zu den Unternehmen, Interviewpartnern
und Daten umfasst das Forschungsprojekt die sechs Fallstudien. Diese sind im
Folgenden anhand ihrer Zugehörigkeit zur entsprechenden Leistungsart sortiert.
#
Fallstudien/
Auswahlkriterien
Leistungsart
Firma370
Unternehmens- Eigentumsgröße371
verhältnis
Außendienstaktivität
1
Medizinischer
Beratungsservice
Indikationsbezug
Pharmacon
< 140 MA372
< 100 Mio. €
Familienunternehmen
Nein
2
Aufklärungskampagne
Impfung
Indikationsbezug
Vaximed
300 MA
> 100 Mio. €
Aktiengesellschaft
Ja
3
Internetinformationsplattform
Indikationsbezug
Respipharma
400 MA
> 100 Mio. €
Private
Equity
Ja
4
Reisemedizinischer
Service
Praxisbezug
Vaximed
300 MA
> 100 Mio. €
Aktiengesellschaft
Ja
5
Notfalltraining
Praxisbezug
Respipharma
300 MA
> 100 Mio. €
Private
Equity
Ja
6
kinderwelten Award
Imagebezug
Vaximed
300 MA
> 100 Mio. €
Aktiengesellschaft
Ja
Tabelle 19: Auswahlkriterien der Indirect Marketing Fallstudien
Quelle: Eigene Darstellung
Indikationsbezogene Leistungen
Fallstudie 1 beschäftigt sich mit den indikationsbezogenen IL der Firma Pharmacon
GmbH. Diese umfassen den in dieser Form einzigartigen exklusiven medizinischen
Beratungsservice, sowie hochwertige Fortbildungsprogramme für Ärzte, welche
zusammen die Hauptinstrumente des Marketingmix repräsentieren. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um ein mittelständisches familiengeführtes Unternehmen,
welches auf Entwicklung, Produktion und Vertrieb von infektologischen Arzneimitteln
für die Pädiatrie spezialisiert ist.373 Ohne Außendienstaktivität, jedoch mit intensivem
Einsatz von IM, gelingt es dem Unternehmen nahezu jährlich, ein zweistelliges prozentuales
Umsatzwachstum zu generieren. Diese außergewöhnliche Erfolgsgeschichte durch
369
Vgl. Gläser/Laudel 2010, S. 98f.
Unternehmensnamen sind anonymisiert.
371
Angaben zu Marketing & Vertriebsgesellschaften; Umsatz bezogen auf Sell-Out 2010.
372
Angabe umfasst alle Mitarbeiter des Unternehmens inklusive Produktion. Ohne Produktion ca. 50 Mitarbeiter.
373
Pädiatrie = Kinderheilkunde
370
3.2 13.12.13 16:37 Seite 83
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
83
exklusiven Einsatz von IM ist in dieser Konstellation in Deutschland sehr selten, so
dass die Untersuchung dieses Falls für das Forschungsprojekt von besonderem
Interesse ist. Die Analyse der erfolgsrelevanten Eigenschaften erlaubt es in diesem
Fall, den Effekt der IL ohne Störeffekte anderer Marketinginstrumente optimal nachzuvollziehen. Da die IL bei nahezu allen Auswahlkriterien die konträre Ausprägung zu den
anderen Fallstudien einnimmt, können zudem Rückschlüsse auf deren Bedeutung gezogen werden. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit liegt daher auf dieser Fallstudie
als „Best Case“. Insbesondere die Betrachtung der Konfiguration des vermittelten
Kundennutzens dieser IL ist von Interesse.
Fallstudie 2 bezieht sich auf indikationsbezogene Leistungen im Rahmen einer breit
angelegten Launch- und Aufklärungskampagne für einen neuen Impfstoff der Firma
Vaximed GmbH gegen eine häufig tödlich verlaufende Krankheit. Diese Kampagne
umfasst innovative Ansätze des IM, wie die Einbindung der für Pharmamarketing
unüblichen Above-the-Line Kommunikation (ATL) in Form einer Laienkampagne sowie
speziell konzipierte Fortbildungsprogramme für Ärzte. Da für diese IL mehrere
Kommunikationskanäle Anwendung fanden, steht besonders der Faktor Kommunikation
im Fokus. Vaximed ist als einziges Pharmaunternehmen auf die Herstellung und den
Vertrieb von Impfstoffen in Europa spezialisiert. In Deutschland ist das Unternehmen
durch eine reine Marketing- und Vertriebsgesellschaft vertreten und betreut in erster
Linie Pädiater, API und Gynäkologen. Im Gegensatz zu Pharmacon verfügte das
Unternehmen über einen eigenen Arztaußendienst von ca. 300 Mitarbeitern zur Zeit
der Durchführung der IL. IM nimmt bei Vaximed eine exponierte Position im Marketingmix ein. Da sich IL in diesem Unternehmen über alle drei Leistungskategorien ziehen,
bietet sich zusätzlich die Möglichkeit des direkten Vergleichs der Erkenntnisse innerhalb
desselben Unternehmens an.
Fallstudie 3 befasst sich ebenfalls mit einer indikationsbezogenen IL in Form einer
Informationsplattform für Ärzte, welche im Vorfeld des Launch eines neuen Arzneimittels für schwere Atemwegserkrankung aktiviert wurde. Die Respipharma Deutschland GmbH ist in verschiedenen Rx-Bereichen und OTC aktiv. Das internationale
Pharmaunternehmen ist im Besitz von mehreren Private Equity-Gesellschaften. Mit 200
Pharmareferenten betreut Respipharma API sowie Spezialisten, wie Pneumologen.
In Bezug auf den Erfolg der IL repräsentiert dieser Fall die konträre Position des
Kontinuums und ist daher im Laufe des Forschungsprojekts ergänzt worden. Er ermöglicht
es, Hypothesen in Bezug auf erfolgsrelevante Faktoren im direkten Vergleich mit
erfolgreicheren Fällen zu schärfen.
Praxisbezogene Leistungen
Fallstudie 4 repräsentiert eine der beiden untersuchten Fallstudien der Kategorie
„Praxisleistung“. Diese stellt ein umfassendes reisemedizinisches Beratungsangebot
dar, welches in Kooperation mit der Vaximed GmbH entwickelt und Ärzten mit
Spezialisierung in Reisemedizin über mehrere Jahre angeboten wurde. Dieser Fall
erlaubt insbesondere die Beleuchtung der Bedeutung und Ausprägung von
Kooperationspartnern für IM.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 84
84
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
Fallstudie 5 beschreibt eine praxisbezogene IL der Respipharma Deutschland GmbH
in Form von eigens durchgeführten Notfalltrainings für medizinisches Personal in
Arztpraxen. Die Maßnahme wurde nicht flächendeckend vom Unternehmen eingesetzt, konnte jedoch in einigen Außendienstgebieten sehr erfolgreich angewendet
werden. Von besonderem Interesse ist daher in diesem Fall die Untersuchung der
benötigten Kompetenz des Unternehmens sowie der beteiligten Mitarbeiter, um IL
erfolgreich einsetzen zu können.
Imagebezogene Leistungen
Fallstudie 6 dient dazu, die dritte IL-Kategorie zu untersuchen. Wiederum handelt es
sich um eine IL der Vaximed GmbH, welche über mehrere Jahre unterstützt wurde. Beim
„kinderwelten Award“ handelt es sich um eine kontinuierliche soziale Marketingaktivität
einer unabhängigen Stiftung, welche neben Presseaktivitäten auch eine jährlich stattfindende Benefizgala mit geladenen Gästen umfasst. Da diese IL langfristig angelegt
war, ermöglicht sie die Untersuchung möglicher Effekte der am weitesten von der Kernleistung entfernten IL-Kategorie.
Wie erläutert, ist es das Ziel der Untersuchung, beide Seiten des Leistungserstellungsprozesses im Rahmen der Fallstudien zu beleuchten. Aus Sendersicht sind daher in
jeder Fallstudie Marketingexperten der jeweiligen Unternehmen (n=6) involviert, die mit
der jeweiligen IL vertraut sind und diese verantwortet haben. Auf der Empfängerseite
sind je nach Priorisierung der Fallstudie mehrere Ärzte unter Berücksichtigung des
Zugangs und Erhebungsaufwands im Verhältnis zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse
eingebunden (n=18). Tabelle 20 gibt einen Überblick der Verteilung der Interviewpartner
pro Fallstudie.
Empfänger „Ärzte“
#
Fallstudien
Unternehmen
API
Pädiater
5
Pharmacon
1
Vaximed
4
Respipharma
1
4
Medizinischer
Beratungsservice
Aufklärungskampagne
Impfung
Internetinformationsplattform
Reisemedizinischer
Service
Vaximed
5
Notfalltraining
Respipharma
6
kinderwelten Award
Vaximed
1
2
3
Pneumologe
Summe
„Ärzte“
Sender
„Marketingexperten“
6
1
4
1
2
1
3
3
1
2
2
1
1
1
1
1
Tabelle 20: Übersicht der Expertenverteilung je Fallstudie
Quelle: Eigene Darstellung
Je höher die Bedeutung der Fallstudie zur Gewinnung zusätzlicher Erkenntnisse für
das Forschungsprojekt, desto mehr Ärzte wurden befragt, um ein exakteres Bild der
Wahrnehmung und Wirkung zu erzielen. Des Weiteren werden auch Facharztgruppen
berücksichtigt, welche von der spezifischen IL angesprochen werden. Fallstudie 1 und
6 beziehen daher Pädiater als Facharztgruppe ein. Zudem ist bei Fallstudie 3 neben
einem API auch ein Pneumologe integriert. Die Rekrutierung erfolgte zufällig anhand
3.2 13.12.13 16:37 Seite 85
85
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
der Auswahlkriterien, unabhängig vom jeweiligen Unternehmen, um einer möglichen
Beeinflussung und positiven Verzerrung der Antworten vorzubeugen.
Die Durchführung der theoriegenerierenden Experteninterviews fand bei den Ärzten
face-to-face und bei den Pharmamarketingmanagern telefonisch im Zeitraum von
September bis Oktober 2011 statt. Die für die Erhebung verwendeten Interviewleitfäden
befinden sich im Appendix.
3.3.3 Datenauswertung
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt in beiden Erhebungsphasen mittels der
qualitativen Inhaltsanalyse, jedoch mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Ziel der
Inhaltsanalyse ist es, Daten systematisch zu analysieren, indem das Material anhand
des theoriegeleiteten Kategoriensystems bearbeitet und zur Beantwortung der
Forschungsfragen strukturiert wird.374 Abbildung 27 verdeutlicht das Vorgehen bei der
Datenauswertung grafisch. Die verarbeiteten Daten beziehen sich auf den jeweiligen
Zeitrahmen der IL-Erbringung bzw. der Datenerhebung. Der Schwerpunkt der Arbeit
liegt auf Fallstudie 1. Da dieses Unternehmen sich ausschließlich auf IM konzentriert,
verspricht dieser „Best Case“ die umfassendsten Einblicke und Erkenntnisse in die
Wirkweise des IM. Die weiteren Fallstudien liefern ergänzende Beiträge durch den
direkten Vergleich im Rahmen der Cross-Case-Analyse.
Explorative Phase
Theoretische
Vorüberlegungen
Qualitativ-empirische Phase
Abgleich mit
Theorie
Abgleich mit
Theorie
Abgleich mit
Theorie
Auswertung der
Erkenntnisse
In-Case
Analysen
Cross-Case
Analyse &
Synthese
Aufbereitung
der Ergebnisse
Aufbereitung
der Ergebnisse
Abgleich mit
Fokusgruppen
Extraktion
relevanter
Erkenntnisse
Extraktion
relevanter
Erkenntnisse
Explorative
Experteninterviews
Fallstudien
theoriegen.
Interviews
Abbildung 27: Prozess der Datenauswertung
Quelle: Eigene Darstellung
Als Datenquelle dienen die beschriebenen Experteninterviews und die Dokumente aus
der Dokumentenanalyse, wie Unternehmenspräsentationen, Marktdaten, Werbematerialien
sowie Exemplare materieller IL. Die Dokumente verfügen in erster Linie über eine
374
Vgl. Mayring 2002, S. 114, Gläser/Laudel 2010, S. 200.
3.2 13.12.13 16:37 Seite 86
86
3 Empirisch konzeptionelle Grundlagen
deskriptive Funktion zur Beschreibung der spezifischen Situation der jeweiligen Fallstudie. Im Anschluss an die Experteninterviews beider Phasen erfolgt die vollständige
Transkription als Basis für eine ausführliche interpretative Auswertung der Daten.375
Auf Basis der theoretischen Vorüberlegungen erfolgt die Auswertung der explorativen
Experteninterviews mit Hilfe der Inhaltsanalyse als Zusammenfassung, um das Material
zu reduzieren, so dass die wesentlichen Inhalte herausgefiltert werden. Diese induktive
Vorgehensweise dient zur Herleitung der unter Kapitel 3.1 dargestellten Kategorien der
IM-Typologie und somit als Basis für die Fallstudienauswahl. Darüber hinaus ergänzen
die Interviews die theoretischen Erkenntnisse zur Bestimmung von Beurteilungskriterien, anhand derer die Fallstudien analysiert werden können. Ebenso werden erste
kausale Thesen zur Wahrnehmung und Wirkung des IM abgeleitet. Diese Kontextfaktoren werden zu Kategorien zusammengefasst und fließen in das Analyseraster für
die zu untersuchenden Fallstudien ein.376
In der qualitativ-empirischen Phase findet die qualitative Inhaltsanalyse mit strukturierender Funktion Anwendung. Anhand des hergeleiteten Suchrasters werden bestimmte
Strukturen aus dem Material gefiltert und Erkenntnisse zu den Ausprägungen der
Kontextfaktoren extrahiert. Zu diesem Zweck werden sämtliche Transkripte der Experteninterviews innerhalb der Fallstudien codiert, um den Text indizieren und auswerten zu
können. Relevantes Material wird herausgefiltert, zusammengefasst und aufbereitet.
Die Ausprägungsbeschreibung und Analyse der Kontextfaktoren erfolgt interpretativ.
Ergebnis ist eine strukturierte Informationsbasis, welche die empirischen Ergebnisse
zusammenfasst und durch die Synthese finale Aussagen zu Kontextfaktoren sowie
kausalen Zusammenhängen ermöglicht.377
Zur Erhöhung der Plausibilität der Ergebnisse werden diese in jeder Phase mit dem
aktuellen Forschungsstand abgeglichen. Die Synthese der Erkenntnisse aus den Fallstudien erfolgt anhand des Abgleichs der Ausprägungen (pattern matching) und deren
Erklärung (explanation building) im Rahmen der Cross-Case Analyse und Synthese.
Diese Vorgehensweise ermöglicht die Stärkung der Ergebnisse auch in Bezug auf die
interne Validität.378
Ziel ist es anhand der gewonnenen Erkenntnisse, die kausalen Thesen weiterzuentwickeln, IM-Erfolgsfaktoren zu identifizieren und Gestaltungsempfehlungen für die Praxis
abzuleiten.
375
Vgl. Mayring 2002, S. 89.
Vgl. Gläser/Laudel 2010. S. 199ff., Mayring 2002, S. 115f.
377
Vgl. Gläser/Laudel 2010. S. 200ff., Mayring 2002, S. 118f.
378
Vgl. Yin 2009, S. 136, 141, 156.
376
4.2 13.12.13 16:37 Seite 87
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
87
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Im folgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen mit Erkenntnissen der
explorativen Phase ergänzt, um das Basismodell der Wirkungsweise von IM herzuleiten.
Es dient als Analyseraster für die Fallstudien und wird in der qualitativ-empirischen
Phase in Kapitel 5 weiter verfeinert.
Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes steht die Wahrnehmung und Wirkung der IL
beim Empfänger „Arzt“. Die Kenntnis derer Bedürfnisse und der aktuellen Wahrnehmung der IL sind elementar, um aktuelle Abläufe und die Reaktion auf IL besser zu
verstehen und damit Erfolgskriterien ableiten zu können. Kapitel 4.1 ergänzt daher
zunächst theoretische mit explorativen Erkenntnissen, um ein besseres Verständnis
für die Bedürfnisstruktur sowie die Wahrnehmung des Empfängers „Arzt“ zu entwickeln.
Wie vorher erwähnt, orientiert sich das erarbeitete Wirkungsmodell am S-O-RParadigma. Das Analyseraster umfasst zur Beantwortung der Forschungsfragen
Faktoren aller drei Bereiche, die unter Kapitel 4.2 hergeleitet werden. Die IL stellt dabei
den Stimulus (S) dar, der durch bestimmte Ausprägungen eine konkrete Wirkung
verursacht. Um diese unterschiedlichen gestalterischen Ausprägungen der Leistungen
zu beschreiben, bieten sich die strategischen Dimensionen gemäß dem Customer
Value-Modell an.379 Diese stellen ein optimales, bewährtes Analyseraster dar, um die
Organisation von IL in Unternehmen zu untersuchen und um zur Beantwortung der
Forschungsfragen beizutragen. Auf die Themenschwerpunkte dieser Gestaltungsfaktoren wird in Kapitel 4.2.1 eingegangen.
Im weiteren Prozessverlauf trifft die spezifisch gestaltete IL auf den Empfänger „Arzt“
(O), welcher die Information wahrnimmt, verarbeitet und bewertet, woraus eine
bestimmte Reaktion (R) resultiert. Entscheidend für die Wirkung der IL ist deren Wahrnehmung durch den Arzt (O). Aus den Ausführungen zu den theoretisch-konzeptionellen
Grundlagen wird deutlich, dass sowohl die „Qualität der IL“, als auch die „Glaubwürdigkeit des Senders“ eine besondere Rolle spielen.380 Diese können die Wahrnehmung und damit weitere Verarbeitung positiv wie negativ verstärken und fungieren
dementsprechend als Moderatoren. Kapitel 4.2.2 führt theoretische Erkenntnisse mit
den Ergebnissen der explorativen Expertengespräche zusammen, um Bestimmungsfaktoren der Wahrnehmung abzuleiten. Anhand dieser Bestimmungsfaktoren können
innerhalb der Fallstudien Qualität und Glaubwürdigkeit der konkreten IL beschrieben
und verglichen werden. Ebenso dienen sie dazu, besondere Auswirkungen auf die
Wahrnehmung zu untersuchen.
Kapitel 4.2.3 beschäftigt sich mit der Untersuchung der Reaktionen (R) des Arztes auf
die IL. Die Wirkung unterteilt sich einerseits in die Inanspruchnahme der IL aufgrund
eines ausgeprägten KV und damit der Chance auf nachhaltige Kundenloyalität in Bezug
auf die IL. Wie in Abbildung 29 dargestellt, liefern IL einen KV als Differenz zwischen
dem wahrgenommenen Nutzen und den Kosten der IL. Je höher diese Differenz ist, desto
379
380
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 126.
Siehe Kapitel 2.2.3.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 88
88
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
mehr konsumieren Kunden, also auch Ärzte, gemäß dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Ein hoher wahrgenommener KV resultiert wiederum in einer höheren
Zahlungsbereitschaft und Kundenloyalität.
Andererseits konzentriert sich die Untersuchung auf Erkenntnisse zum Verschreibungsverhalten bzw. zu Übertragungseffekten von IM auf das Kernprodukt „Arzneimittel“. Für
das Forschungsprojekt ist insbesondere der Übertragungseffekt auf diese Kernleistung
von Interesse. Die Ausführungen unter Kapitel 2.2.5 lassen einen solchen Effekt
theoretisch-begründet bereits vermuten. Expertenaussagen sowohl von Ärzten als auch
von Pharmamanagern untermauern ungestützt, dass Aktivitäten eines Herstellers
unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen einen Einfluss auf das Verschreibungsverhalten haben können.
Pharmamanager
„Indirekte Maßnahmen können vielleicht
sicherlich nochmehr ausrichten als die direkten
Marketingsachen“
„Derjenige, der den besten Service bietet rund
um das Thema „Impfen” und rund um das
Produkt herum, der ist eigentlich auch derjenige,
der letztendlich genommen wird vom Arzt.“
Ärzte
Bewusst:
„Der Außendienst ist immer sehr bemüht und
tut viel für mich. Dann versuche ich auch das
bei meinenerschreibungen zu berücksichtigen.“
Unbewusst:
„Wenn ich vor dem Patienten sitze und der soll ein
Sartan bekommen, dann fällt mir ein, dass vor
zwei Tagen der Vocado-Außendienst da war und
dann bekommt er Vocado, weil mir das dann
gerade als Erstes einfällt.“
Abbildung 28: Expertenaussagen zur Wirkung des Indirect Marketing
Quelle: Explorative Expertengespräche Ärzte & Marketingmanager 2011.
Faktoren, welche einen Einfluss auf das Verhalten der Kundengruppe haben, lassen
sich in subjektive, situative sowie relationale Faktoren zwischen dem Einstellungsobjekt
und dem Empfänger unterteilen.381 Dabei beziehen sich subjektive Faktoren auf den
Arzt selbst, situative auf die Rahmenbedingungen unter denen die Leistungserbringung
stattfindet und relationale auf das Zusammenspiel zwischen „S“ und „O“. Die Wahrnehmung kann u. U. durch subjektive und situative Faktoren beeinflusst werden. In den
folgenden Kapiteln wird daher das Analyseraster für die folgenden Fallstudien unter
Hinzuziehung explorativer Erkenntnisse zu diesen Faktoren entwickelt. Kapitel 4.1
konzentriert sich dabei auf die subjektiven Faktoren des Empfängers „Arzt“.
Die folgende Abbildung integriert die bisherigen Erkenntnisse zum IM Wirkmodell in
das Leistungsschalenmodell nach Belz.
381
Vgl. Bohner/Wänke 2002.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 89
89
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
3 Dienstleistungen: Indirect Marketing
Pharmaunternehmen
Arzt
S
O
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kooperationen
Kommunikation
Kompetenz
R
Beurteilung der
indirekten Leistung
Kundenvorteil
Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
Wahrgenommener
Nutzen
Qualität
der gesendeten
Inhalte
Wahrgenommene
Kosten
Zahlungsbereitschaft
Kundenwert
Kundenloyalität für
ind. Leistung
Übertragungseffekt
auf Kernleistung
2 Sortiment
1 Produktgruppe
0 Produkt
Verschreibungsverhalten
Abbildung 29: Basis-Wirkungsmodell Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz/Bieger 2004, S. 126ff, Bieger/Reinhold 2011, S. 49.
4.1
Bedürfnisstruktur und Wahrnehmung indirekter Leistungen
Empfänger des Stimulus „Indirekte Leistung“ ist im vorliegenden Forschungsprojekt
der Kunde „Arzt“. Entsprechend des kundenorientierten Marketingansatzes gilt es, die
Leistungen aus der Kundenperspektive heraus zu entwickeln und auf deren Bedürfnisse
abzustimmen, um einen hohen KV zu erzielen. Ein grundlegendes Verständnis für den
Arzt, seine subjektive Selbstwahrnehmung in Bezug auf situative berufliche Herausforderungen und die damit verbundenen Bedürfnisse tragen dazu bei, die erfolgreiche
Gestaltung von IL sowie deren Wirkungsweise besser nachvollziehen zu können.
Dieses Kapitel geht auf diese Bereiche ein und erfasst zudem explorativ die subjektive
Wahrnehmung von IL bei Ärzten. Es fasst die Erkenntnisse aus den explorativen Ärzteinterviews zusammen. Aufgrund der Stichprobengröße sind die Aussagen nicht
pauschal generalisierbar, tragen jedoch nachhaltig zu einem besseren Verständnis der
Bedürfnisstruktur der Kundengruppe bei.
4.1.1 Bedürfnisstruktur der Ärzte
Die befragten Ärzte nehmen sich selbst als lebenslange Begleiter eines Großteils ihrer
Patienten wahr. Neben der medizinischen Versorgung umfasst die Versorgung der
Patienten auch Hilfe und Beratung bei psychischen und familiären Problemen. Das
Leistungsportfolio geht somit weit über das Verschreiben von Medikamenten hinaus.
Vielfach sind solche Leistungen in Form zeitintensiver Gespräche jedoch nicht oder
4.2 13.12.13 16:37 Seite 90
90
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
nur erschwert über die Krankenkassen abrechenbar.382 Einer der befragten Ärzte
beschreibt die berufliche Zielsetzung: „Prinzipiell ist man natürlich Arzt geworden, um
Leuten zu helfen.“ Diese Aussage ist stellvertretend für alle geführten Arztgespräche.
Ärzte nehmen eine wichtige Rolle im Leben der Patienten durch diese umfassenden
Leistungen ein, erfahren dadurch oft deren Dankbarkeit und Anerkennung und somit
auch eine angesehene Position in der Gesellschaft. Dankbarkeit und Wertschätzung
nehmen für sie einen hohen Stellenwert ein. Allerdings erheben sie auch den Anspruch,
dass diese gehobene Position entsprechend entlohnt wird.383 Der Motivation der Ärzte
stehen die Herausforderungen und Restriktionen im Praxisalltag gegenüber. Abbildung
30 stellt die Motivatoren den Restriktionen gegenüber.
Motivation
Wahrgenommene Restriktionen
Guter Arzt sein wollen, d.h.:
• Zunehmende Verwaltungsaufgaben
 Weniger Zeit für die Patienten!
• Menschen helfen ! (medizinisch,
psychologisch, familiär, ...)
• Undurchsichtige Abrechnung von Leistungen
 Drohende Einkommensverluste!
• Eine gut funktionierende Praxis führen
• Immer auf dem aktuellen Stand sein
• Eigenes Auskommen / Verdienst sicherstellen
• Behandlung entlang gesetzlicher Vorgaben
 Therapieplan von außen vorgeschrieben!
Abbildung 30: Gegenüberstellung Motivatoren vs. wahrgenommenen Restriktionen im Praxisalltag
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Respipharma Studie Mai 2011 (unveröffentlichtes
Dokument).
Die Nennungen zu dem persönlichkeitsbezogenen Bedürfnis ein „guter Arzt sein“ zu wollen, lassen sich durch die vier aufgeführten Punkten beschreiben. Die Schwerpunkte
liegen bei jedem Arzt etwas anders. Dennoch lässt sich innerhalb der Nennungen eine
Zielhierarchie erkennen. So stellen „Menschen helfen“ und „eigenes Auskommen sicherstellen“ übergeordnete Ziele dar, für welche eine „gut funktionierende Praxis“ als auch
ein „aktueller Wissensstand“ in Bezug z. B. auf Arzneimittel oder Therapien notwendig
sind. Dementgegen stehen die wahrgenommenen Restriktionen in Form von wahrgenommenen Zeit-, Einkommens- sowie Therapiefreiheitsverlusten.
Eine gut funktionierende Praxis ist somit Voraussetzung zur Erreichung der übergeordneten Ziele. Die erwähnten Herausforderungen, die zu bewältigen sind, um eine
gut funktionierende Praxis zu realisieren, untergliedern sich wiederum in vier Bereiche.
Funktionierender
Praxisalltag
Wissensmanagement
Zeitmanagement
Kostenmanagement
Praxismanagement
Abbildung 31: Voraussetzungen für einen gut funktionierenden Praxisalltag
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte Mai, 2011.
382
383
Vgl. Schäffner 2012, S. 12f., Hermanns/Filler/Roscher 2012, S. 272f.
Dieser Anspruch wird deutlich durch die Verhandlungen zu den Honoraren der Kassenärztlichen Vereinigung
mit den Krankenkassen unter Androhung von Streikaktionen, Vgl. Süddeutsche.de 2012,
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ honorarstreit-mit-krankenkassen-aerzte-stimmen-fuer-streik-1.1
466833, Stand: 13.09.2012.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 91
91
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Aus Sicht der befragten Ärzte kommt es darauf an, die Stellschrauben der vier Bereiche
im Griff zu haben. So gilt es jederzeit das notwendige relevante Wissen bewusst auf
dem aktuellen Stand zu haben, um Patienten optimal versorgen zu können (Wissensmanagement). Die Komplexität und Bürokratie der Arbeit nimmt in den Augen der Ärzte
aufgrund der Gesetzesänderungen der letzten Jahre stetig zu und beansprucht immer
mehr Zeit. Die Herausforderung ist es, in diesem Umfeld dennoch ausreichend Zeit für
jeden Patienten zur Verfügung und Zeit für mehr „echte“ Medizin zu haben. Die Basis
hierfür sind ein funktionierendes Zeitmanagement, sowie optimierte Prozesse.
Eng damit verbunden ist der Bereich des Praxismanagements. Gut ausgebildetes,
verlässliches Personal, Material und Gerätschaften werden für eine effiziente Praxisorganisation benötigt. Diese Maßnahmen in Verbindung mit den Änderungen der
Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) führen zu einer gesteigerten Bedeutung des Kostenmanagements, um die Praxis durch Kostenminimierung oder Zusatzverdienste
profitabel zu halten.384
Aus diesen Herausforderungen im Praxisalltag leiten sich konkrete Bedürfnisse ab,
welche durch unterstützende Maßnahmen, wie auch IL, angesprochen werden können.
Forschende Pharmaunternehmen nehmen dabei eine wichtige Position in den Augen
mancher Ärzte ein, wie diese Aussage unterstreicht:
„Die forschenden Arzneimittelpharmazien sind einzig und allein noch unsere Freunde.
Das sind die einzigen, die uns hofieren.“ 385
Abbildung 32 fasst die Zusammenhänge dieser Erkenntnisse grafisch zusammen und
stellt die Herleitung der praxisbezogenen in Abhängigkeit der persönlichkeitsbezogenen
Bedürfnisse dar. Diese Bedürfnisse können als Ansatzpunkt für die Konfiguration von
IL dienen.
Persönlichkeits
bezogene
Bedürfnisse
Voraussetzung
Herausforderung
Praxisbezogene
Bedürfnisse
Relevantes medizinisches
Wissen für Diagnose
& Therapie
Wissensmanagement (WM)
Guter Arzt sein:
Dankbarkeit und
Wertschätzung
erfahren
Gut
funktionierender
Praxisalltag
Zeitmanagement (ZM)
Kostenmanagement (KM)
Praxismanagement (PM)
Möglichkeiten für Zeitersparnis
Möglichkeiten für Kostenreduktion und/oder Zuverdienst
Hilfestellung bei Schulung
des Praxispersonals,
Bereitstellung von Material und
Bewältigungdes bürokratischen
Aufwandes
Abbildung 32: Ableitung grundlegender Bedürfnisse in Zusammenhang mit dem
Selbstverständnis der Ärzte
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte Mai, 2011.
384
385
Vgl. Bundesministerium der Justiz, http://www.gesetze-im-internet.de/go__1982/, Stand: 16.03.2012.
Vgl. Explorative Expertengespräche Ärzte, Mai 2011.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 92
92
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
4.1.2 Beschreibung unterschiedlicher Ärztetypen
Diese Bedürfnisbereiche finden sich auch in den geführten Gesprächen mit Pharmamanagern wieder. Diese gehen von unterschiedlichen Ärztetypen aus, welche die
Bedürfniskategorien unterschiedlich gewichten und daher durch die Unternehmenskommunikation differenziert anzusprechen sind. Die herausgearbeiteten „Bedürfnistypen“ konnten durch anschließende Gespräche mit den Experten überprüft und qualitativ
bestätigt werden. Sie sind jedoch aufgrund der Anzahl der geführten Gespräche nicht
als Typologie im wissenschaftlichen Sinne zu verstehen. Hierfür bedarf es vielmehr
weiterer, insbesondere quantitativer Forschung, um die Beschreibung weiter zu
konkretisieren. Die „Ärztetypen“ sind nicht als trennscharf zu verstehen, sondern stellen
vielmehr drei „Dimensionen“ dar. Jeder Arzt verfügt dabei über eine bestimmte
Ausprägung jeder Dimension. Für die Unternehmenskommunikation ausschlaggebend
ist jedoch die Dimension mit der stärksten Ausprägung. Folgende drei Ärztetypen
lassen sich aus den Erkenntnissen der explorativen Expertengespräche ableiten.
Typ „Sicherheit“:
Dieser Arzt muss zunächst von der Sicherheit des Produktes überzeugt werden. Er legt
daher Wert auf möglichst zahlreiche ausführliche wissenschaftliche Studien mit Nachweisen der Wirksamkeit, um unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. Pharmamanager
schätzen ihn eher als konservativ und risikoavers ein.
Typ „Anerkennung“:
Dieser Arzt legt großen Wert auf soziale Geltungsbedürfnisse. Er will sich als Fachmann
gegenüber Patienten und Kollegen präsentieren und benötigt dafür immer die
aktuellsten Informationen. Als „Early Adopter“ sind ihm viele neue Erkenntnisse zu
Behandlungsmethoden, Therapien und Produkten wichtig.
Typ „Wirtschaftlichkeit“:
Ärzte mit dieser Ausprägung suchen nach Entlastung in der Praxis, um mehr Kapazität
für „echte“ Medizin zu erhalten. Die große Anzahl der zu beratenden Patienten und der
hohe wahrgenommene Verwaltungsaufwand führen zu akutem Zeitmangel. Arztpraxen
sind daher wirtschaftlich zu führen, in Bezug auf Kosten aber auch auf Effizienz.
Im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes dienen diese Typen und die Bedürfniskategorien dazu, zu untersuchen, ob Unternehmen Unterschiede in der Konfiguration
bzw. der Kommunikation der IL in Bezug auf die Zielgruppe vollziehen.
4.1.3 Generelle Wahrnehmung indirekter Leistungen
Zur Ansprache der praxisbezogenen Bedürfniskategorien nutzen Pharmaunternehmen
eine Vielzahl von Serviceleistungen mit und ohne Produktbezug. Ärzte unterscheiden
jedoch bei Serviceleistungen von Pharmaunternehmen nicht zwischen direkten produktbezogenen und indirekten produktunabhängigen Leistungen. Das genannte Leistungsspektrum ist sehr breit und vielfältig und umfasst neben direkten sowie indirekten
Leistungen auch den Außendienst der Unternehmen. Abbildung 33 gibt einen Auszug
der offenen Nennungen der befragten Ärzte wieder. Aufgrund des thematischen
Schwerpunkts sowie deren Zielsetzung sind grau hinterlegte eher indirekten und weiß
hinterlegte eher direkten Leistungen zuzuordnen.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 93
93
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
„Postalische
Aussendungen“
„Fortbildungen“,
„Schulungen“, „Kongresse“
Handbücher,
z. B. Reisemedizin, EKG
„Musterabgabe“
Serviceleistungen
von Pharmaunternehmen
„Broschüren für Patienten
und Ärzte“
„Außendienst“
„Disease Management
Programme“
„Infotelefone“
„Medizinische
Fachinformationen“
Abbildung 33: Auszug aus den Nennungen zu Serviceleistungen der Pharmaunternehmen
Quelle: Explorative Expertengespräche Ärzte Mai, 2011.
Der Außendienst wird, insbesondere in Zeiten rückläufiger Besuchsfrequenzen, als
wichtigste Dienstleistung der Pharmaunternehmen wahrgenommen.386 Der Außendienstmitarbeiter ist als „Gesicht der Firma“ für nahezu alle Informationen und
Leistungen der Überbringer, weshalb Ärzte den gewonnenen Nutzen in erster Linie ihm
zuordnen. Er informiert über anstehende Fortbildungen und Kongresse, gibt Muster
und Praxismaterial ab oder organisiert ärztliche Kolloquien. Er unterstützt die Ärzte bei
ihren Bedürfnissen insbesondere in den Bereichen Zeit-, Kosten- und Wissensmanagement und wird daher vielfach auch als Zeichen der Wertschätzung erlebt.
Die befragten niedergelassenen Ärzte sehen sich als Einzelkämpfer.
„Das ist nicht wie in einem normalen Büro. Ich habe keine Kollegen an meiner Seite,
wo ich um Rat fragen kann.“
In den Augen der Ärzte ist der Außendienst daher ein „Fenster zur Außenwelt“. Insbesondere der Bedarf an wissenschaftlichen Informationen (= Wissensmanagement) wird
über diesen Kanal gedeckt. Über den Außendienstmitarbeiter kann sich der Arzt schnell
einen Überblick über neue Präparate, Studien und Therapiemöglichkeiten verschaffen
und das im direkten, persönlichen Austausch. Gegenseitige Sympathie vorausgesetzt,
entwickelt sich der Außendienst somit bis hin zu einem Kontakt auf Augenhöhe.
Diese exponierte Stellung des Pharmareferenten-Außendienstes in den Augen vieler
Ärzte unterstreicht gleichermaßen die hohe Bedeutung der notwendigen Kompetenzen
und Fähigkeiten dieser Mitarbeiter in Bezug auf den bedürfnisgerechten Umgang mit
der Kundengruppe, auch im Hinblick auf die Kommunikation der IL.
4.1.4 Wahrnehmung vorgegebener indirekter Leistungen
Ziel dieses Abschnittes ist es, durch die Diskussion geläufiger IL mit den Ärzten positive
und negative Aspekte der Wahrnehmung herauszuarbeiten, welche als Grundlage für
die Herleitung potenzieller Erfolgsfaktoren und damit der Formulierung kausaler Thesen
dienen. Als Grundlage für die gestützten Nennungen im Rahmen der explorativen Ärzte-
386
Vgl. übereinstimmend mit Ergebnissen der „Pharma Trend 2012“ Studie, Kmitt 2013, S. 12.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 94
94
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Befragung (siehe Tabelle 21) dient eine beispielhafte Auflistung an gängigen IL aus der
Pharmabranche, welche in Vorabgesprächen mit Pharmaexperten zusammengestellt
wurden.
Kongress
Patientenbroschüre
Informationsplattform im
Internet für Fachpersonal
Wissenschaftliche Fortbildung
Patientenaufklärung
Informationsplattform im
Internet für Patienten
Weiterbildung/Schulung des
Praxispersonals
Praxissoftware
Indikationsspezifisches
Material
Fachbuch
Praxismaterial
Werbung
Tabelle 21: Auflistung beispielhafter indirekter Leistungen für Ärzte
Quelle: Eigene Darstellung
Die vorgelegten IL sind den befragten Ärzten zumindest vom „Hören-Sagen“ bekannt.
Um die Einstellung der Ärzte zu Werbung der Pharmaunternehmen zu untersuchen,
befindet sich unter den gestützten IL auch der Begriff „Werbung“. Aus der Diskussion
mit den befragten Ärzten geht hervor, dass klassische Werbung an sich, z. B. in Form
von Fachanzeigen, nicht als „Leistung“ gesehen wird, da sie keinen praktischen Nutzen
für den Arzt erbringt. In der Wahrnehmung der Ärzte sind echte Leistungen eng mit der
nutzenstiftenden Eigenschaft verbunden. Nutzenstiftende Leistungen wiederum sehen
die Ärzte als wirksamere Werbung für das Unternehmen. Bei erkennbarem Nutzen für
den Arzt wird der werbende Charakter echter Leistungen demnach akzeptiert.
Wichtigste wahrgenommene indirekte Leistungsart, welche neben dem Außendienst
„Top of Mind“ ist, sind „wissenschaftliche Fortbildungen“ und „Kongresse“.387
•
„Fortbildungen mache ich auch ganz gerne. Da wird zu einem Thema alles
gesagt: The State of the Art, ob es etwas Neues gibt. Und da muss man nicht
die ganzen Zeitschriften lesen.“
•
„Für mich ist es wichtig, dass sie auch drum herum was anbieten. Für Theater
würde ich auch selber aufkommen. Dass ich das nicht selber organisieren muss
ist wichtig.“
•
„Sie können soziale Kontakte knüpfen.“
•
„… da geht man hin, da sitzen alle anderen, die hat man lange schon nicht
mehr gesehen hat. Das ist immer so ein gesellschaftliches Ding.“
Aus den Äußerungen wird deutlich, dass gut gemachte Fortbildungen mehrere WerteArten liefern und sowohl praxisbezogene als auch persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse ansprechen. Neue, medizinisch relevante Informationen sowie der
Erfahrungsaustausch mit den Kollegen unterstützen Ärzte beim Wissensmanagement.
Die Überbringung bereits aufbereiteter Informationen durch den Außendienst führt zur
Zeiteinsparung (Zeitmanagement). Ist die Fortbildung zudem durch die jeweilige
Ärztekammer zertifiziert, hat der teilnehmende Arzt die Möglichkeit CME-Punkte zu
387
Zum Thema Kundenschulungen als erfolgreiches Instrument des Marketing vgl. auch Belz 1995.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 95
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
95
sammeln, die als Bestätigung für die gesetzlich geltende Fortbildungspflicht dienen.388
Somit können Fortbildungen auch einen Beitrag zum Praxismanagement liefern.
Neben dem funktionalen Nutzen stellen Fortbildungen auch ein soziales Erlebnis dar
und sprechen somit zudem eine weitere Nutzenkategorie an.
Weitere bekannte IL sind „Schulungen des Praxispersonals“, unterstützende Maßnahmen zur „Patientenaufklärung“ via „Patientenbroschüren“ sowie „Informationsplattformen im Internet“. Schulungen des Praxispersonals, wie Schulungen zu
Qualitätsmanagement in der Arztpraxis oder zu Hygieneplänen, unterstützen beim
Praxismanagement, indem Prozesse optimiert und vereinfacht werden. Gut gemachte
Maßnahmen zur Patientenaufklärung wirken hauptsächlich auf den Bereich des Zeitmanagements. Sie informieren Patienten vorab und reduzieren somit die Beratungszeit
des Arztes, da dieser auf Vorwissen setzen kann. Allerdings ist den befragten Ärzten
wichtig, dass trotz Vorabinformation die Kompetenz des Arztes nicht unterlaufen wird.
Dies würde wiederum als fehlende Wertschätzung und somit als kontraproduktiv im
Hinblick auf die eigene Selbstwahrnehmung verstanden. Wichtig ist daher zu allererst
die wissenschaftliche Qualität der Materialien, um das Vertrauen des Arztes zu
erlangen. Schlecht konzipierte IL können eher negative Wirkungen haben, wie diese
Aussage eines befragten Arztes unterstreicht:
„Meistens muss ich jede Patientenbroschüre einzeln durchgehen, weil da manchmal
falsche Sachen drin stehen. Das kostet mich auch wieder Zeit.“
Aufgrund des hohen Aufkommens an Leistungen der letzten Jahre haben sich Ärzte
nach Aussage einiger Manager zu einer „schwierigeren Zielgruppe“ entwickelt, gerade
weil sie jahrelang „hofiert und verwöhnt“ wurden. Zahlreiche Leistungen erhielten Ärzte
kostenlos, solange dies rechtlich möglich war. Verschiedene IL haben sich daher
gemäß der Abläufe des KANO-Modells in der Wahrnehmung der Ärzte zu Basisan-forderungen entwickelt.389 Unterstützung durch „Praxismaterial“, wie z. B. nützliches
Büromaterial, „indikationsspezifisches Material“ als auch „Fachbücher“ oder
„Internetplattformen für Fachpersonal“ sind zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Der Vorteil dieser Leistungen liegt vornehmlich auf einem Beitrag zu Wissens-,
Zeit- und Kostenmanagement. Im Gegensatz zu anderen Leistungsarten steht hier die
funktionale Nutzenkategorie im Vordergrund, während z. B. bei den Fortbildungen der
Nutzen auch symbolisch oder durch entsprechende Erlebniswelten, wie durch die vorherigen Zitate beschrieben, erbracht wird. In den geführten Gesprächen wird deutlich,
dass vor allem die funktionalen IL direkt mit dem Außendienst in Verbindung gebracht
werden. Unbemerkt findet so eine Auseinandersetzung mit dem Unternehmen und den
Themen für die der Außendienstmitarbeiter steht, statt. Je nach Konfiguration der IL
leistet diese somit einen Beitrag zur übergeordneten Kompetenz des Unternehmens
in der Wahrnehmung des Arztes.
388
CME = Continuing Medical Education; Seit 1.1.2004 besteht in Deutschland eine Fortbildungspflicht
für Fachärzte. Im SGB V ist festgelegt, dass sich sowohl niedergelassene (§ 95d) als auch in Kliniken
angestellte Ärzte (§ 137) im 5-jährigen Turnus fortbilden müssen. Der Fortbildungsnachweis ist über das
Ärztekammersystem zu erbringen. Die zu erbringende Punktezahl beträgt mind. 250 Punkte in 5 Jahren.
Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2011, http://www.kbv.de/9928.html, Stand: 15.04.2013.
389
Vgl. Kano 1984.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 96
96
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Einzig der Bereich „Praxissoftware“ ist derzeit nicht im Fokus der Wahrnehmung. In
der Vergangenheit vermittelten Pharmaunternehmen Software-Lösungen, welche den
Arzt bei der Verwaltung seiner Praxis unterstützen sollten. Den meisten Befragten ist
dieser Punkt in Zusammenhang mit Pharmaunternehmen jedoch kein Begriff, im
Gegensatz zu den anderen Leistungen.
„Die Software ist von einem ganz anderen Unternehmen. Das hat mit den Pharmaunternehmen nichts zu tun.“
Sie verbinden hiermit eher negative Aspekte, durch welche Software-Lösungen „in
Verruf geraten sind“. Ärzte sehen bei Annahme dieser IL ihr Ziel der Wertschätzung
gefährdet, durch das wahrgenommene Risiko selber ihren guten Ruf zu beschädigen.
Zudem wird deutlich, dass zumindest die Kommunikation der Pharmaunternehmen
den eigentlichen Nutzen dieser IL bei den befragten Ärzten nicht vermitteln konnte.
Vor allem ältere Ärzte sehen hierfür keinen Bedarf und greifen lieber auf bewährte
Verwaltungssysteme zurück, so dass diese IL über keine persönliche Relevanz verfügt.
Weitere allgemeine Erfolgsfaktoren sind anhand der Beschreibung negativer Aspekte
von Leistungen erkennbar. Den Ärzten geht es darum, ansprechende Leistungen zu
erhalten, für die es sich lohnt, Zeit zu investieren und die dabei nicht manipulativ in die
ärztliche Praxis eingreifen. Hervorzuheben ist dabei stets der Anspruch an deren
Qualität, welche die Wertschätzung für den Arzt unter Beibehaltung seiner Integrität
transportiert.
•
„…aber meinen freien Abend zu opfern, um in die verrauchte Pyramide in
Fürth zu gehen, werde ich nicht machen.“
•
„…ich habe die Fortbildungen am Wochenende. Und wenn sie dilettantisch
und nicht gut organisiert sind, ist das ein Grund zum Ärger.“
•
„Mit den Internetplattformen habe ich zu viel Aufwand. Alle Passwörter im Kopf
zu haben. Und dann hat man es wieder vergessen und kommt nicht ran, etc.“
•
„Fachbücher? Ich habe keine Zeit zum Bücherlesen.“
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass wahrgenommene Leistungen, die einen erkennbaren Nutzen unter Einhaltung der beschriebenen Anforderungen haben, über eine
positivere Wahrnehmung verfügen und somit einen höheren KV generieren können.
Abbildung 34 ordnet die in diesem Kapitel diskutierten und als relevant identifizierten
IL den Bedürfniskategorien zu, welche diese schwerpunktmäßig ansprechen und unterstützen.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 97
97
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Wissensmanagement
Zeitmanagement
Kostenmanagement
Fortbildung/
Kongress
Praxismanagement
Schulung
Praxispersonal
Patienteninformation/
-aufklärung
Indikationsspezifisches
Material
Fachbuch
Praxismaterial
Abbildung 34: Wirkungsfelder indirekter Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung
4.2
Analyseraster für Fallstudien zur Untersuchung
indirekter Leistungen
4.2.1 Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen anhand
des St. Galler Customer Value Modells
Ausgangspunkt des Prozesses und damit „Stimulus“ der relationalen Faktoren ist die
IL selbst. Im Rahmen der qualitativen Fallstudien gilt es zu beschreiben, wie der
„Stimulus“ des Wirkungsmodells (siehe Abbildung 35) in Form unterschiedlicher IL,
variierende Ergebnisse hervorbringt.
Pharmaunternehmen
Arzt
S
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kooperationen
Kommunikation
Kompetenz
O
R
Beurteilung der
indirekten Leistung
Kundenvorteil
Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
Wahrgenommener
Nutzen
Qualität
der gesendeten
Inhalte
Wahrgenommene
Kosten
Zahlungsbereitschaft
Kundenwert
Kundenloyalität für
ind. Leistung
Übertragungseffekt
auf Kernleistung
Verschreibungsverhalten
Abbildung 35:
Gestaltungsfaktoren der indirekten Leistung im S-O-R Modell
Quelle: Eigene Darstellung
Die Untersuchung der konkreten IL setzt sich aus Unternehmensicht aus drei Bereichen
zusammen.
Der erste Bereich umfasst die Beschreibung der situativen Faktoren in Bezug auf das
Marktumfeld und auf das Unternehmen an sich - soweit Daten zugänglich sind.
4.2 13.12.13 16:37 Seite 98
98
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Im zweiten Bereich bieten sich die Gestaltungsfaktoren des unter Kapitel 2.2.1 vorgestellten Customer Value Modells nach Belz/Bieger als Raster für die Darstellung der
IL an. Diese dienen dazu, die IL anhand deren Ausprägungen detailliert zu beschreiben.
Auf diese Weise können die Fallstudien und deren Wirkweise besser verglichen und
somit abgeleitet werden, welche Zusammensetzung unter welchen Bedingungen am
erfolgreichsten erscheint. In Kombination mit der Untersuchung der Wahrnehmung auf
Arztseite durch Erhebung der Bestimmungsfaktoren in Form von Beurteilungskriterien
bei Ärzten, können mögliche Zusammenhänge zu Hypothesen weiterentwickelt werden.
Der dritte Bereich beschäftigt sich mit der Akzeptanz der IL im eigenen Unternehmen.
Aus den geführten Gesprächen mit beteiligten Pharmamanagern wird deutlich, dass
die Akzeptanz im Management und bei den involvierten Mitarbeitern, z. B. Außendienst,
für die IL erfolgsrelevant ist. Dieser Bereich fasst daher Kriterien zusammen, die aus
Unternehmenssicht für die Akzeptanz relevant scheinen.
Erster Bereich: Situative Faktoren
Zu Beginn der Fallstudien wird die Ausgangssituation, in der das jeweilige Unternehmen
IM betreibt, erfasst. Um ein Verständnis für die Situation und das Umfeld der IL zu
generieren, liegt der Fokus der Betrachtung insbesondere auf drei Bereichen.
Zunächst erfolgt die generelle Beschreibung des Unternehmens in Bezug auf dessen
Entwicklung, Wettbewerbsumfeld und aktuelle Situation, um Unternehmensstrategie
und –philosophie besser zu verstehen.
Der zweite Bereich umfasst die Darstellung des Leistungsportfolios, in dessen
Rahmen auch die IL Anwendung findet. Hierunter fallen die Kernproduktbereiche, also
in welchen Indikationen das Pharmaunternehmen aktiv ist, als auch die darüber hinaus
reichenden Dienstleistungen. Ist die IL zur Förderung einer bestimmten Indikation oder
sogar eines Arzneimittels gedacht, liegt der Fokus der Betrachtung auf diesem.
Der dritte Bereich geht detailliert auf die Situation des IM im Unternehmen ein und
untersucht das Verständnis und die generelle Bedeutung von IM im Marketingmix.
Unternehmen
Situationsanalyse
Leistungsangebot
Abbildung 36: Bereiche der Situationsanalyse
Quelle: Eigene Darstellung
Indirect Marketing
4.2 13.12.13 16:37 Seite 99
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
99
Zweiter Bereich: Gestaltungsfaktoren der indirekten Leistung
Gestaltungsfaktor „Konfiguration“
Die Kernfrage dieses Gestaltungsfaktors bezieht sich darauf, wie die IL gestaltet ist
und welchen Nutzen sie durch Ausrichtung auf bestimmte Bedürfnisse erbringen soll.
Der Analysebereich „Konfiguration“ ist daher eng verbunden mit dem Bereich „Kunde“
des Customer Value Modells, um den Zusammenhang von Leistung, angesprochenem
Bedürfnis und Nutzen möglichst deutlich darzustellen.390 In Kombination mit den Erkenntnissen zu den Beurteilungskriterien der Ärzte als Empfänger der IL in Kapitel 4.2.2
können auf diese Weise auch Differenzen in der Wahrnehmung zwischen Sender und
Empfänger ermittelt werden. Die IL wird in ihre Leistungsart eingeordnet. Darüber hinaus
werden deren Leistungskomponenten, Themenfokus, sowie spezifische Ausprägungen
beschrieben.391
Gestaltungsfaktor „Kommerzialisierung“
Eng mit der erfolgreichen „Konfiguration“ der IL verbunden, ist der Gestaltungsfaktor
„Kommerzialisierung“.392 Unter diesem Punkt geht es darum, zu untersuchen, ob und
wie es gelingt für die erbrachte IL einen entsprechenden Gegenwert für das Unternehmen
zu erzielen. IL stellen per Definition eine kompetenzerweiternde Zusatzleistung dar.
Daher stellt sich auf Seiten des Unternehmens die Frage, ob und in welcher Höhe ein
Preis für diese verlangt wird. Ein beabsichtigter „Gegenwert“ kann jedoch auch nichtmonetärer Art sein, z. B. in Form eines gesteigerten Bekanntheitsgrades. Auf Seiten
der Ärzteschaft ist im nächsten Kapitel zu untersuchen, ob eine Zahlungsbereitschaft
für die IL aufgrund eines gesteigerten KV vorhanden ist.
In diesen Bereich fällt auch die Einschätzung des Unternehmens in Bezug auf einen
potenziellen Übertragungseffekt auf die Kernleistung, also das Verschreibungsverhalten. Eine Steigerung der Verschreibungsrate trägt auch zu einem Anstieg des
Kundenwerts bei. Damit steigt der Gegenwert der erbrachten IL gemäß dem Basismodell.
Die Herausforderung liegt jedoch darin, einen Nachweis für diesen direkten Zusammenhang zu erbringen. Somit umfasst dieser Bereich auf der Einnahmeseite nicht nur die
Kommerzialisierung der IL selber, sondern auch die Untersuchung weiterer Faktoren,
die zu einer Steigerung des Kundenwerts beitragen. Hierzu zählen mögliche Übertragungseffekte auf die Kernleistung, sowie weitere Multiplikatoreffekte, welche für das
Unternehmen von Nutzen sind.
Ein möglicher monetärer Gegenwert wird von drei Seiten beeinflusst, welche in den
Fallstudien ebenfalls beleuchtet werden:
1.
den umfassenden Nutzen für den Kunden, der einen Gegenwert rechtfertigt,
2.
den Preisen möglicher Konkurrenten und damit Ausweichmöglichkeiten, sowie
3.
den eigenen Kosten.393
390
Vgl. Kapitel 2.2.1
Vgl. Abbildung 32 (Wissens-, Kosten-, Praxis-, Zeitmanagement)
392
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 280.
393
Vgl. Reinecke 2004, S. 334ff.
391
4.2 13.12.13 16:37 Seite 100
100
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Die Generierung von Informationen zur Kostenseite ermöglicht es, im Zusammenhang
mit den zur Steigerung des Kundenwerts beitragenden Einnahmen, die Effizienz der IL
zu untersuchen – konkret: mit welchen Investitionen erzeugt das Unternehmen welche
Wirkung.
Gestaltungsfaktor „Kompetenz“
Für die erfolgreiche Gestaltung und Vermarktung von IL benötigt ein Unternehmen ausreichende und passende Kompetenzen. Der Begriff „Kompetenz“ bezieht sich in diesem
Zusammenhang auf das Set von Fähigkeiten, die zur Erbringung erfolgreicher IL notwendig sind.394 Gemäß dem unter Kapitel 2.2.2.4 beschriebenen Ressource-Based
View sind Kompetenzen von strategischer Bedeutung, wenn es gelingt, die Leistungen
übereinstimmend am Mehrwert des Kunden auszurichten.395 Gelingt es dem Pharmaunternehmen gemäß dem Kernkompetenzenansatz IL so zu gestalten, dass diese
zudem nicht leicht nachzuahmen sind, sichert es sich einen strategischen Wettbewerbsvorteil.396
Dieser Bereich beschäftigt sich demnach mit den Kompetenzen, über welche das
Unternehmen in Bezug auf die Erbringung von IL verfügt und mit deren Bedeutung für
eine positive Wahrnehmung der IL. Die Betrachtung der Kompetenzen kann auf drei
Ebenen erfolgen:397
1.
Individuelle Ebene: Hier stehen die Kompetenzen der beteiligten Manager
sowie Außendienstmitarbeiter im Fokus, welche die IL gestalten, umsetzen
und kommunizieren. Erfolgsrelevante Fähigkeiten sowie das Verständnis für
das Wirkprinzip von IM sind dabei von Interesse.
2.
Organisationale Ebene: Diese umfasst die Fähigkeiten des Unternehmens
IM durch die Vernetzung individueller Kompetenzen erfolgreich im Markt zu
etablieren. Faktoren wie die Philosophie, Schulungen beteiligter Mitarbeiter
und generell die Akzeptanz von IL im Unternehmen spielen hierbei eine Rolle.
Die Kriterien der Akzeptanz werden separat beleuchtet.
3.
Interorganisationale Ebene: Verfügt das Unternehmen selber nicht über die
Kompetenzen zur Erbringung erfolgsversprechender Leistungen in Bezug auf
fachliches Know-How, rechtliche Aspekte oder das notwendige Image, können
unter Umständen Kooperationspartner herangezogen werden. Daher ist zu
untersuchen, ob und wie ein Unternehmen in der Lage ist, Kompetenzen für
IM interorganisational zu verflechten.
Es gilt für die erfolgreiche Konfiguration, Kommerzialisierung und Kommunikation
der IM-Kompetenzen zur Verfügung zu stellen und fehlende Kompetenzen durch
Kooperationen zu ergänzen. Während die ersten beiden Ebenen unter dem Punkt
„Kompetenz“ direkt beschrieben werden, fällt die Analyse der dritten Ebene unter den
Bereich „Kooperation“.
394
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 308.
Vgl. Meffert/Bruhn 2009, S, 80.
396
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 1176.
397
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 312.
395
4.2 13.12.13 16:38 Seite 101
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
101
Gestaltungsfaktor „Kooperation“
In diesem Zusammenhang steht der vierte Gestaltungsfaktor: „Kooperation“. Stößt das
Unternehmen, wie vorne beschrieben, an seine Grenzen eigener Fähigkeiten aufgrund
fachlicher, gesetzlicher oder imagebezogener Einschränkungen, um die Bedürfnisse
der Kunden optimal zu erfüllen, integriert es weitere Kooperationspartner in den
Leistungserstellungsprozess.398
Aus den Gesprächen der explorativen Phase wird die Bedeutung von Kooperationen
für die Erstellung bzw. Konfiguration von IL deutlich. So wird z. B. aus rechtlichen Gründen
und Gründen der Glaubhaftigkeit häufig auf Referenten unabhängiger Institutionen
gesetzt, welche einen entsprechenden Expertenruf bei der Zielgruppe genießen.
Insbesondere bei IL, die per Definition ausdrücklich über keinen direkten Bezug zum
Kauf des Kernproduktes verfügen, benötigen Unternehmen besondere Kompetenzen
zu deren Vermarktung. Um überzeugender zu wirken und bedürfnisgerechte Leistungen
zu kreieren, haben sie sorgfältig zu bestimmen, welche Leistungen oder welchen
Leistungsbestandteil sie selber erbringen und wann sie Kooperationspartner hinzuziehen.
Bei IL in Pharmaunternehmen spielt der Bereich der Kooperationen eine große Rolle
und ist gerade in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Ärzten und klinischen
Einrichtungen durch Verhaltenscodices geregelt.399 Besonders von Interesse für das
Forschungsprojekt ist, ob die verwendeten Kooperationen einen positiven Einfluss auf
die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle und diese damit auf den wahrgenommenen
Erfolg haben.
Die Untersuchung des Gestaltungsfaktors „Kooperation“ innerhalb zu untersuchenden
IL beleuchtet folgende sieben Punkte.400
1.
Ziel und Definition der IL: Aus der Zielsetzung und der Ausrichtung auf
bestimmte Bedürfnisse der Zielgruppe ergibt sich der Bedarf an Kompetenzen,
die zur Erbringung der IL notwendig sind und damit deren Kooperationsbedarf.
2.
Eigener Leistungsbereich: Dieser Bereich beleuchtet die eigenen Fähigkeiten
des Unternehmens zur Erbringung der IL. Daraus ergibt sich, ob Kooperationen
geboten sind.
3.
Wahl der Partnerunternehmen und – institutionen: Zieht das Unternehmen
Kooperationspartner hinzu, werden diese und deren Kompetenzen beschrieben.
4.
Kooperationsintensität: Hierunter fällt die Art und Intensität der Zusammenarbeit
5.
Auftritt und Stellenwert: Dies betrifft die Außenwirkung der IL durch die
Kooperation im Hinblick darauf, wer diese nach außen repräsentiert.
6.
Inhalte der Kooperation: Die konkreten Aufgaben, welche die Kooperation
umfassen, werden beleuchtet. Je nachdem, um welche zu ergänzende Fähigkeit
es sich handelt, können Kooperationspartner die IL nach außen kommunizieren,
398
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 339.
Vgl. FSA-Kodex Fachkreise 2011.
400
Vgl. Belz/Bieger 2004, S. 347.
399
4.2 13.12.13 16:38 Seite 102
102
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
distribuieren oder die IL komplett selber erbringen. In den ersten beiden Fällen
vermarktet der Partner die IL des Pharmaunternehmens. Im letzteren Fall übernimmt das Pharmaunternehmen die Kommunikation, während die Leistungserstellung beim Kooperationspartner liegt.
7.
Kooperationsprozess: Abschließend liegt der Fokus auf dem Prozess der
Zusammenarbeit. Dieser umfasst die Dauer der Zusammenarbeit und damit
die sporadische, projektbezogene oder permanente und damit langfristige
Ausrichtung. Wie vorne beschrieben, würde eine langfristige Ausrichtung zu
einer nachhaltigen Stärkung der Ressourcen beitragen.401
Gestaltungsfaktor „Kommunikation“
Einer der wichtigsten Gestaltungsfaktoren für die IL mit hoher Erfolgsrelevanz ist die
„Kommunikation“. Hier bündeln sich alle vorgelagerten Prozessschritte, um die IL an
den Kunden zu transportieren, so dass dieser den Nutzen deutlich wahrnimmt. Im
Mittelpunkt steht die Beschreibung des Kommunikationsprozesses der IL.402 Welche
Informationsquelle (wer?) überliefert welche Inhalte zur IL (was?) über welchen
Kommunikationskanal (über welchen Kanal?) - persönlich vs. nicht persönlich,
kommerziell vs. nicht kommerziell - an den Arzt als Empfänger der IL (an wen?).
Die Darstellung der Ausprägung dieser Faktoren bei den verschiedenen IL und der
anschließende Vergleich dient dazu, weitere Erfolgsfaktoren herauszuarbeiten. Unter
diesen Gestaltungsfaktor fällt auch die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Budgets,
welches wiederum Einfluss auf die Effizienz der IL und damit den Gestaltungsfaktor
„Kommerzialisierung“ hat. Die Beschreibung der Kommunikationsstrategie der
jeweiligen IL erfolgt somit anhand folgender Bereiche, soweit Daten hierfür zugänglich sind:
•
der Zielsetzung,
•
der Informationsquelle,
•
der übermittelten Botschaft,
•
der Kommunikationswege,
•
der Auswahl der Zielgruppen,
•
der Höhe der eingesetzten Budgets.
Hierbei ist auch von Interesse, ob die IL flächendeckend an die komplette ÄrzteZielgruppe des Unternehmens oder nur ausgewählten Ärztegruppen kommuniziert wird
und welche Auswahlkriterien, wie z. B. mögliche Ärztetypologien, zu Grunde liegen.
Dritter Bereich: Akzeptanz der indirekten Leistung im Unternehmen
Die Akzeptanz der IL im Unternehmen hat eine große Auswirkung auf den Erfolg der
IL. In den Fallstudien werden die Kriterien erfasst und beschrieben, deren Erfüllung für
eine breite Unterstützung der IL notwendig sind. Aus den geführten explorativen
Gesprächen mit Pharmamanagern lassen sich folgende übergreifende Kriterien ableiten.
401
402
Vgl. Dierickx/Cool 1989, S. 1507.
Vgl. Lasswell 1948.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 103
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
103
Rentabilität: Für die Experten steht die kurz- bis maximal mittelfristige Rentabilität der
IL und damit deren Beitrag zur Steigerung des Kundenwertes im Mittelpunkt. IL werden
als Teil des „üblichen“ Marketinginstrumentariums gesehen. Die Abwägung des
Managements läuft gemäß dieser Mindestanforderung ab:
„Für jeden Euro, den ich investiere, möchte ich auch mindestens einen Euro zurück“.
Fokussierung: Um die Rentabilität und damit Effizienz einer IL zu erzielen, ist gemäß
der Experten eine Fokussierung im Hinblick auf die genaue Bestimmung der Zielgruppe
und der damit verbundenen zielgruppenspezifischen Bedürfnisse von Bedeutung.
Impliziter Produktbezug: Die Akzeptanz in den Unternehmen scheint umso höher zu
sein, je stärker der implizite Produktbezug ist. IL ohne impliziten Produktbezug werden
als risikoreicher im Zusammenhang mit Streuverlusten angesehen. Tendenziell werden
daher IL zum Thema Wissensmanagement bevorzugt, da diese über die thematische
Verknüpfung zur Indikation am besten in den Augen der Pharmamanager die übergeordnete Kompetenz des Unternehmens verdeutlichen.
Innovationsgrad: Innovative IL sind zwar erwünscht, um sich vom Wettbewerb zu
differenzieren, jedoch erhöht ein zu hoher Innovationsgrad das wahrgenommene Risiko
eines Misserfolgs und senkt somit die Akzeptanz.403 Bekannte, auf Erfahrung beruhende
IL hingegen, verfügen tendenziell über eine höhere Akzeptanz. Alle neuen, innovativen
Leistungsansätze, die somit zunächst über eine geringere Akzeptanz verfügen, stehen
dementsprechend vor der Herausforderung, sich zu beweisen.
Unternehmenskultur: Die Unternehmenskultur und damit Einstellung zu IM generell
ist ein grundlegendes Kriterium für die Akzeptanz im Unternehmen:
„Ich denke, eine derartige Geschichte in einem größeren Pharmaunternehmen […] über
viele Indikationen hinweg, kann ich mir nicht vorstellen, dass das funktioniert.“
Frequentierung der IL: Die Experten sehen in der Wiederholungshäufigkeit einer IL
ebenfalls einen Faktor zur Steigerung der Akzeptanz. So ist die IL den beteiligten
Mitarbeitern bekannt und das Vertrauen in die Erfolgssicherheit steigt. Verursacht die
Wiederholung zudem keine zusätzlichen Kosten ist dies förderlich.
Alle diese Kriterien tragen aus Sicht der befragten Pharmamanager zur Risikominimierung
im Hinblick auf Erfolgssicherheit und Kostenminimierung bei. IM, welches diese
Kriterien erfüllt, kann gemäß der Erkenntnisse aus der explorativen Phase von einer
hohen Akzeptanz im Unternehmen profitieren und hat damit eine bessere Aussicht
auf Erfolg. Die Bewertung dieser Kriterien pro IL zur Akzeptanz erfolgt anhand einer
dreistufigen Skala wie folgt:
403
Vgl. Dueck 2013.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 104
104
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Erkenntnisse weisen auf eine sehr positive Ausprägung des Kriteriums hin
Erkenntnisse weisen auf eine positive bis neutrale Ausprägung des Kriteriums hin
Erkenntnisse weisen auf eine negative Ausprägung des Kriteriums hin
Abbildung 37: Bewertungsskala für Ausprägungen der Akzeptanzkriterien
Quelle: Eigene Darstellung
Die Erhebung von Informationen zu den Gestaltungsfaktoren und Akzeptanzkriterien
innerhalb des Unternehmens erfolgt über alle Fallstudien hinweg, soweit Daten zugänglich sind. Dies ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit der einzelnen IL und damit
die Ableitung weiterer Zusammenhänge durch deren Aggregation unter Kapitel 6.
4.2.2 Beurteilungskriterien der Wahrnehmung indirekter Leistungen
Für eine optimale IL-Ausrichtung und -Gestaltung ist es wichtig, die Bestimmungsfaktoren der Ärzte zur Beurteilung der IL zu kennen, welche die Wahrnehmung beeinflussen und somit auch einen Effekt auf die Wirkweise haben können. Deren Kenntnis
erlaubt Rückschlüsse auf den Einfluss der Gestaltungsfaktoren. Wie vorne beschrieben,
setzt sich die Beurteilung der IL aus der „Glaubwürdigkeit der Informationsquelle“ und
der „Qualität der gesendeten Inhalte“ zusammen. Daher geht es im Folgenden darum,
die theoretischen mit den empirischen Erkenntnissen zu ergänzen, um die Kriterien
herzuleiten, welche die Beurteilung der IL im Prozess in Abbildung 38 potenziell beeinflussen. Zudem wird erläutert, wie die Ausprägung dieser Beurteilungskriterien erfasst
und bewertet wird. Die Erkenntnisse aus den folgenden Kapiteln münden in ersten
kausalen Thesen, welche durch die Fallstudien weiter ausgearbeitet werden.
Pharmaunternehmen
Arzt
S
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kooperationen
Kommunikation
Kompetenz
O
R
Beurteilung der
indirekten Leistung
Kundenvorteil
Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
Wahrgenommener
Nutzen
Qualität
der gesendeten
Inhalte
Wahrgenommene
Kosten
Zahlungsbereitschaft
Kundenwert
Kundenloyalität für
ind. Leistung
Übertragungseffekt
auf Kernleistung
Verschreibungsverhalten
Abbildung 38:
Beurteilungskriterien der Wahrnehmung indirekter Leistungen im S-O-R Modell
Quelle: Eigene Darstellung
4.2 13.12.13 16:38 Seite 105
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
105
Zunächst erfolgt eine offene Befragung der Ärzte, um die von ihnen bewusst als wichtig
wahrgenommenen Beurteilungskriterien zu erhalten. Aus den Experteninterviews mit
den Ärzten lassen sich fünf Kriterien zusammenfassen:404
•
Wahrung der Integrität: Den befragten Ärzten ist es wichtig, dass sie durch die
Maßnahme nicht in ihrer Selbstdarstellung als Arzt gefährdet werden. Der Arzt
will und muss in jeder Hinsicht vor Dritten frei vom Verdacht der Manipulation
sein. Solange diese Integrität nicht verletzt wird, wird auch der werbende
Charakter von Leistungen akzeptiert.
•
Persönliche Relevanz: Die angebotene IL muss auf einen konkreten Bedarf
treffen und damit Interesse wecken, wie z. B. Interesse für das Thema einer
Fortbildung oder an bestimmtem Büromaterial für die Praxis. Hiermit verbunden
ist die Frage nach dem konkreten Nutzen der IL.
•
Vertrauenswürdigkeit: Allen befragten Ärzten ist es wichtig, mit einer vertrauenswürdigen Quelle zu interagieren. Diese Vertrauenswürdigkeit wird hauptsächlich über den Außendienst hergestellt, da dieser in den meisten
Unternehmen die Hauptkontaktperson zwischen Unternehmen und Arzt ist.
•
Zeitpunkt: Einige Ärzte ziehen den Zeitbedarf als Kriterium heran, ob sie eine
IL in Anspruch nehmen: „Es kommt immer darauf an, ob ich Zeit dafür habe.“
•
Kosten: Leistungen sollen möglichst kostenlos angeboten werden. Jedoch ist
den meisten Befragten auch bewusst, dass dies auch aufgrund der geänderten
gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht immer realisierbar ist: „Möglichst
kostenlos, aber umsonst gibt es ja nichts mehr.“
Der „Zeitpunkt“ wirkt in den Gesprächen als Vorwand zur Ablehnung von Leistungen,
welche keinen wahrnehmbaren Nutzen liefern. Ebenso verhält es sich mit den Kosten.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen unter Kapitel 2.2.1 wird deutlich, dass es
sich vielmehr um die Differenz des wahrgenommenen Nutzens zu den wahrgenommenen
Kosten handelt. Zusammenfassend lässt sich somit folgendes Beurteilungsprinzip für
IL durch Ärzte als Ergebnis der offenen Befragung formulieren:
Möglichst hoher Nutzen bei möglichst geringem Aufwand
unter Wahrung der eigenen Integrität!
Ergänzend zu den ungestützten Nennungen wurden im Anschluss die theoretischfundierten Beurteilungskriterien in Bezug auf deren Ausprägung und Relevanz für die
IL-Wahrnehmung diskutiert und beschrieben.
Abbildung 39 stellt die kumulierte Gewichtung der zwölf Beurteilungskriterien als
Ergebnis der Rangreihenbewertung dar (1 = am wichtigsten; 12 = am unwichtigsten).
404
Vgl. Explorative Expertengespräche Ärzte Mai 2011.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 106
106
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
0
Vertrauenswürdigkeit
Glaubwürdigkeit
Wahrgenommene Qualität
Kompetenz
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Stärke der Argumente
Sympathiegrad
Persönliche Relevanz
Kosten
Unabhängigkeit
Reputation
Freundschaftsgrad
2
4
6
8
10
12
3
4
4
4,5
6
6,5
6,5
7
9
9,5
9,5
11
Abbildung 39: Kumulierte Gewichtung der Beurteilungskriterien (Median)
Quelle: Explorative Expertengespräche Ärzte Mai 2011.
Diese gibt eine erste Einschätzung der Beurteilungsfaktoren wieder und wird im weiteren
Verlauf der Befragung diskutiert. Sie stellt jedoch keine abschließende Priorisierung
dar, da die Befragten je Position in der Rangreihe nur ein Kriterium setzen konnten.
Dennoch wird deutlich, dass Kriterien wie Freundschaftsgrad, Unabhängigkeit oder
Kosten keine vorrangige Bedeutung zu haben scheinen. Kosten werden wie beschrieben
im Verhältnis zum Nutzen gesetzt. Aus den darauf folgenden Tiefeninterviews gehen
verschiedene Zusammenhänge hervor. So ist die „Reputation“ der Informationsquelle
gleichzeitig förderlich und sehr wichtig für deren „Glaubwürdigkeit“, auch wenn sie in
Abbildung 39 als weniger wichtig erscheint.
Die detaillierte Betrachtung der einzelnen Beurteilungskriterien erfolgt nun unterteilt
nach den übergeordneten Kriterien „Glaubwürdigkeit der Informationsquelle“ und der
„Qualität der gesendeten Inhalte“ sowie der „Beurteilung des Kundenvorteils“ zu denen
die Kriterien theoretisch und empirisch zugeordnet sind.
4.2.2.1 Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Die Bedeutung des Überbringers bzw. der Informationsquelle für die Glaubwürdigkeit
und damit Effektivität der Kommunikation wird in der Literatur fachgebietsübergreifend
betont. Im Rahmen des IM spielt diese eine noch größere Rolle, da Pharmaunternehmen
die Information oft nicht direkt, sondern über Kooperationspartner und/oder Netzwerkpartner des Arztes kommunizieren.
Die Glaubwürdigkeit, von der auch eine Wirkung auf die Gesamtzufriedenheit mit einer
IL erwartet wird, gilt in der Literatur als eine Quelle für die Verschreibungsentscheidung.405 Verfügen Botschaften und deren Überbringer über die Eigenschaft
glaubwürdig zu sein, besteht neben dem Einfluss auf die eigene Verschreibungsabsicht
des Arztes auch die Möglichkeit von positivem WOM.406 Mehrere Studien im Pharma405
406
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67.
Vgl. Butler/Butman 2005, Kotler/Bliemel 2007, S. 669.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 107
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
107
marketing unterstreichen die Bedeutung der Glaubwürdigkeit für die Akzeptanz von
Leistungen und für das Verschreibungsverhalten.407 Verfügt eine Quelle über dieses
positive Attribut „Glaubwürdigkeit“ kann sie durchaus das wahrgenommene Risiko
manipuliert zu werden, in den Augen der Ärzte reduzieren.408 Ärzte als auch Pharmamanager stimmen in der hervorgehobenen Bedeutung der Glaubwürdigkeit für die Wahrnehmung und deren Wirkung überein.
Folgende Kriterien scheinen dabei einen Einfluss auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von IL zu haben.
Unabhängigkeit
•
„Unabhängigkeit“ ist in drei Bereichen als Kriterium im Zusammenhang mit IL
relevant:
•
die „Unabhängigkeit der IL“ vom Erwerb des Kernproduktes409
•
die gesetzlich geforderte „Unabhängigkeit der Ärzte“ in Bezug auf deren
Therapiehoheit sowie Verordnungsverhalten (‗^ Wahrung der Integrität)410
•
als auch die „Unabhängigkeit der Informationsquellen“ als Überbringer der IL.411
Sowohl bei einer als unabhängig wahrgenommen Quelle als auch Leistung, ist von
einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit auszugehen, da Informationsquellen der Unternehmen gemäß dem Trend von kommerziellen hin zu nicht-kommerziellen Quellen
immer weniger Glaubwürdigkeit entgegengebracht wird.412 Die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der Ärzte findet sich auch in der oben erwähnten Nennung zur „Wahrung
der Integrität“ wieder. Ist die Unabhängigkeit nicht gewährleistet oder führt nicht zur
Glaubwürdigkeit und damit zur Zufriedenheit des Empfängers mit der gesendeten
Botschaft, ist die komplette Maßnahme gemäß der Abläufe der Reaktanz-Theorie
gefährdet.413 Aus diesem Grund messen auch die befragten Pharmamanager der
Unabhängigkeit der Informationsquelle als Basis für den Erfolg einer IL einen sehr
hohen Stellenwert zu, insbesondere da die eigene Glaubwürdigkeit als eher gering
eingeschätzt wird:
„Naja, wir kommen direkt nach den Banken und der Erdölindustrie und jetzt vielleicht
noch kurz vor der Atomindustrie“
Sie gehen davon aus, dass für die Erhöhung der Glaubwürdigkeit, neben der Lieferung
eines überzeugenden Produktnutzens, auch die Unabhängigkeit sowie die Neutralität
der Quelle bzgl. der Verkaufsabsicht maßgeblich sind. Zudem sind sie davon überzeugt,
dass das Kernprodukt über einen Neuigkeits- bzw. Innovationsgrad verfügen muss,
um ein Mindestmaß an Differenzierung zu liefern und damit zumindest Gesprächsbereitschaft des Arztes zu generieren.
407
Siehe Kapitel 2.2.3, S. 56ff.
Vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.1 (Attributionstheorie), Kapitel 2.2.2.3 (Informationsökonomik,
Principal-Agent-Theorie) sowie Kapitel 2.2.4, S. 63.
409
Vgl. Belz 1998, S. 199.
410
Vgl. Dieners 2010, S. 40ff.
411
Vgl. Panos 2009, S. 65.
412
Vgl. Xie 2003, Unger/Fuchs 2005, Williams/Hensel 1991, Brown/Hayes 2008.
413
Vgl. Brehm/Brehm 1981.
408
4.2 13.12.13 16:38 Seite 108
108
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
„Wenn der fünfte Betablocker-Verkäufer ankommt, hat der Arzt sicherlich keine Lust
mehr, sich mit dem zu unterhalten.“
Im Gegensatz zu den Pharmamanagern spielt die „Unabhängigkeit“ der IL für die
befragten Ärzte eine untergeordnete Rolle. Da jede Leistung der Pharmaunternehmen
in ihren Augen als Werbung erscheint, ist eine vollständige „Unabhängigkeit“ der IL vom
Kernprodukt oder Unternehmen per se nicht möglich. Viele der Befragten gehen davon
aus, dass auch IL nicht zum Selbstzweck sondern mit dem Ziel der Umsatzsteigerung
des Unternehmens angeboten werden. Gemäß eigener Aussage können Ärzte sehr
gut zwischen Fachinformationen und Werbung für ein Arzneimittel, z. B. im Rahmen
einer Fortbildung, unterscheiden. Solange IL die Bedürfnisse des Arztes adressieren,
keine zu hohe Abhängigkeit entsteht und die Integrität des Arztes nicht verletzt wird,
akzeptieren sie den werbenden Charakter dieser Leistungen. Eine strikte Trennung
und damit Unabhängigkeit der Quelle der IL vom Unternehmen sei daher aus Sicht der
Ärzte nicht notwendig, wenn ein beidseitiger Nutzen angestrebt wird.
Pharmamanager scheinen hingegen bestrebt zu sein, ihren eigenen Nutzen aus den
Maßnahmen zugunsten der unabhängigen Wahrnehmung verbergen zu wollen. Ärzte
wissen aber um den Nutzen der Pharmafirmen und sehen dies als nicht problematisch
an. Das Verbergen-Wollen des Nutzens hingegen wird eher kritisch gesehen. Im Rahmen
der Fallstudien werden diese Aussagen im Kontext der jeweiligen IL untersucht.
Vertrauenswürdigkeit
Eng verbunden mit der Unabhängigkeit der Informationsquelle ist deren Vertrauenswürdigkeit. Es ist von einem direkten Einfluss der Vertrauenswürdigkeit der Informationsquelle einer IL auf deren Glaubwürdigkeit auszugehen.414 Diese hängt eng mit dem
Ausmaß an Objektivität und Aufrichtigkeit des Senders und damit dem Anspruch der
Ärzte nach Wahrung der Integrität ohne Manipulationsversuch zusammen.415 Die hohe
Bedeutung der „Vertrauenswürdigkeit“ für IM wird über mehrere Theorien hinweg
betont, wie aus Kapitel 2.2.5 hervorgeht. Ärzte und Pharmamanager stimmen in diesem
Punkt überein. Gelingt es nicht Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit für eine IL
zu erlangen, besteht durchaus das Risiko des Verlusts eines bereits gegebenen
Vertrauensvorschusses und damit eine Gefährdung einer stabilen Kundenbeziehung.
Expertenkompetenz
Die wahrgenommene Kompetenz einer Informationsquelle, die „Expertenkompetenz“,
stärkt die Glaubwürdigkeit über die „Vertrauenswürdigkeit“ und über ein „sympathisches
Auftreten“.416
Das Vertrauen in die Expertenkompetenz des Anbieters beeinflusst die Wahrnehmung
des Arztes, ob der Sender in der Lage ist sein Leistungsversprechen in Form der
gelieferten Information zu halten.417 Zudem ist sie die Grundlage, um das Ziel von IM,
die übergeordnete thematische Kompetenz, zu erreichen. Im Zuge der heuristischen
414
Vgl. Cialdini 1995, S. 267, Roos 2007, S. 67, Kotler/Bliemel 2007, S. 669.
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 670.
416
Vgl. Unger/Fuchs 2005, Kotler/Bliemel 2007.
415
4.2 13.12.13 16:38 Seite 109
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
109
Informationsverarbeitung spielt die Kompetenz auch eine große Rolle für die Verlässlichkeit und damit die Motivation der weiteren Informationsverarbeitung. Die Expertenkompetenz der Informationsquelle kann daher einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit
des Empfängers haben, insbesondere unter heuristischen Gesichtspunkten.
Ärzte verknüpfen die Kompetenz in den Gesprächen direkt mit der Reputation des
Senders und Anbieters und damit der Glaubwürdigkeit sowie der wahrgenommenen
Qualität der IL. Die wahrgenommene Kompetenz zu der jeweiligen Thematik hat nach
ihren Aussagen einen unmittelbaren Einfluss auf die IL-Wahrnehmung.
Reputation
Cialdini (1995) beschreibt den Einfluss von Autoritäten mit einer entsprechenden
Reputation im Zuge des Autoritätsprinzips.418 Empfänger folgen somit eher Informationen
von Personen, die über eine legitimierte Autorität verfügen.
Ärzte oder Wissenschaftler verfügen per se in der Gesellschaft über eine hohe Reputation
aufgrund ihrer Expertenkompetenz in ihren Fachgebieten.419 Innerhalb der Ärzteschaft
haben KOL, wie Klinikärzte, eine hohe Reputation, so dass auf deren Äußerungen
Wert gelegt wird.420 Ob ein Arzt zu einem KOL wird, hängt maßgeblich von dessen
Reputation, z. B. innerhalb des Ärztenetzwerkes, ab. Es stellt sich demnach die Frage,
ob ein Experte konstant wissenschaftlich neutral arbeitet oder ob er im Verdacht steht,
ein Sprachrohr der Industrie zu sein.
Wie erwähnt, verknüpfen die befragten Ärzte die „Reputation“ ebenfalls direkt mit
der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der Informationsquelle. Bezüglich der Einschätzung des Pharmaunternehmens durch den Arzt zählt hierzu, neben seinen eigenen
Erfahrungen, auch das durch den Außendienst vermittelte Bild der Firma. Ebenso
tragen Medienberichte, positiv wie negativ, zum Bild des Unternehmens bei.
Freundschafts- und Sympathiegrad
Ein weiterer Faktor, der auch aufgrund der Studien zum Verschreibungsverhalten einen
großen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit vermuten lässt, sind der „Freundschaftsund Sympathiegrad“.421 In Zeiten der Informationsüberflutung steigt die Bedeutung
persönlicher Kontakte auch in der Ärzteschaft.422 Somit ist mit einer hohen Bedeutung
des „Freundschafts- und Sympathiegrads“ in Bezug auf die Wahrnehmung der
Informationsquelle und damit deren Glaubwürdigkeit zu rechnen. Es wird postuliert,
dass Empfängern damit eine schnelle und einfachere Entscheidung ermöglicht wird.423
417
Vgl. Ganesan/Hess 1997, S. 440.
Vgl. Cialdini 1995, S. 273.
Vgl. Kotler/Bliemel 2007, S. 670.
420
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, S. 67.
421
Vgl. Cialdini 1995, S. 267, Kotler/Bliemel 2007, S. 670.
422
Vgl. Prosser/Almond/Walley 2003, Manchanda/Wittink/Ching 2005, van Lier 2007, Roos 2007.
423
Vgl. Petty/Krosnick 1995, Cialdini 1995.
418
419
4.2 13.12.13 16:38 Seite 110
110
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Auch aus den explorativen Gesprächen geht hervor, dass der Sympathiegrad insbesondere gegenüber dem Außendienstmitarbeiter eine große Rolle spielen kann.
Sympathiegrad für das Unternehmen und für den jeweiligen Außendienstmitarbeiter
scheinen sich auch gegenseitig zu beeinflussen. Ist der Außendienst sympathisch, ist
auch der Hersteller sympathisch und umgekehrt. Der Begriff „Freundschaft“ geht den
befragten Ärzten dabei jedoch als Bezeichnung zu weit, da dieser Begriff zu stark mit
dem Verlust der eigenen Integrität in Verbindung gebracht wird.
4.2.2.2 Beurteilung der Qualität der gesendeten Inhalte
Der zweite Bereich zur Beurteilung und damit Wahrnehmung der IL ist die „Qualität der
gesendeten Inhalte“. In den theoretisch-konzeptionellen Grundlagen sowie den ungestützten Nennungen der Ärzte finden sich mehrere Eigenschaften einer Leistung, die
für die Beeinflussung der Wahrnehmung der Qualität der IL relevant sind.
Die wahrgenommene Qualität der Inhalte und damit der Werte der IL sind ein elementarer
Bestandteil des Überzeugungsprozesses. Kernelement der Qualität sind auf die
Bedürfnisse abgestimmte Werte, welche somit zu einem wahrgenommenen Nutzen
führen. Diesen gilt es zu liefern und ausdrucksstark zu präsentieren.424 Er ist so zu
wählen und zu gestalten, dass er attraktive, positive Erlebnisse vermittelt, welche auf
den Empfänger ansprechend wirken.425 Insbesondere für die Weiterleitung der
Information im Netzwerk und damit der Auslösung von WOM spielt dieser so gelieferte
Nutzen eine große Rolle.426
Ärzte und Pharmamanager stimmen darin überein, dass IL klare Werte liefern müssen,
die konkrete Bedürfnisse adressieren und damit für den Arzt „persönlich relevant“ sind.
Ärzte nehmen die hohe Qualität zudem als Wertschätzung von Unternehmensseite
wahr. Somit können diese auch persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse in Form der
„Wertschätzung“ für den Arzt ansprechen. Mit qualitativ hochwertigen Materialien kann
auch wiederum der Arzt selber Wertschätzung gegenüber Patienten oder dritten
Personen ausdrücken und erfährt auf diese Weise eine bessere Unterstützung bei
seinem eigenen Ziel, ein guter Arzt zu sein. Liefert die IL einen hochgradigen Nutzen
und ist ansprechend für die Zielgruppe gestaltet, wird somit ebenfalls ein positiver
Einfluss auf die Verschreibungsabsicht unterstellt.
Die folgenden theoretisch und explorativ hergeleiteten Beurteilungskriterien stellen
Bausteine zur Bewertung der IL-Qualität dar. Die Darstellung der Ausprägung der
Beurteilungskriterien erfolgt im Rahmen der Fallstudien ebenfalls anhand der dreistufigen Skala in Form eines Kreisdiagramms gemäß Abbildung 37.
Werte-Arten (Value)
Maßgeblich für die Bewertung des konkreten Nutzens ist die Zusammensetzung und
Ausprägung der Werte der IL. Die Analyse erfolgt in Anlehnung an den adaptierten
Customer Value-Framework nach Smith/Colgate. Dieser Rahmen bietet wie vorne erwähnt
424
Vgl. Smith/Colgate 2007, Kotler/Bliemel 2007, S. 668.
Vgl. Fazio 1995, Gladwell 2000, Butler/Butman 2005, Schögel/Tomczak/Wentzel 2007, Panos 2009.
426
Siehe Tabelle 12, S. 65, zur Bedeutung der Attraktivität der Botschaft für WOM.
425
4.2 13.12.13 16:38 Seite 111
111
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
die Möglichkeit zur Darstellung und Analyse der wahrgenommenen Werte-Arten sowie
Quellen von Leistungen. Die Qualität ist der Gradmesser für die Ausprägung der
einzelnen Wertekategorien.
In diesem Forschungsprojekt dient der Framework zur Beschreibung der Quellen und
der Arten der wahrgenommenen Werte pro IL, zur Ermittlung möglicher Schwerpunkte
der Ausrichtung, sowie des Beitrags zur Befriedigung der Bedürfniskategorien und
damit der Ableitung möglicher Erfolgsfaktoren. Wie unter Kapitel 2.2.1 dargestellt, stellen
die Kategorien „functional“, „experiental/hedonic“ und „symbolic/expressive“ Werte im
eigentlichen Sinne dar und zahlen dadurch auf den wahrgenommen Nutzen ein. Die
vierte Kategorie „cost-sacrifice“ dient mit ihren Unterkategorien zur Beschreibung der
wahrgenommen Kosten im folgenden Kapitel 4.2.2.3.
Abbildung 40 stellt das Raster schematisch dar, um mögliche Unterschiede und
mögliche Erfolgsfaktoren von IL ableiten zu können.
Werte-Arten
Werte-Quellen
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
Symbolischer Wert
(„experiental/hedonic“) („symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
Abbildung 40: Rahmen zur Erfassung der Werte-Arten und Werte-Quellen von IL
Quelle: Vgl. Smith/Colgate 2007.427
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Die Übereinstimmung mit der eigenen Erfahrung kann ebenfalls eine moderierende
Rolle in Bezug auf die Wahrnehmung von IL einnehmen. Stimmt die Botschaft der
gesendeten Information mit der eigenen Erfahrung überein, ist die Wahrscheinlichkeit
einer Beeinflussung als höher einzustufen.428
Der positive Effekt der eigenen Erfahrung auf eine positive Wahrnehmung und damit
eine Wiederinanspruchnahme der IL (Kundenloyalität) zieht sich durch eine Vielzahl
der vorgestellten Theorien. Positive Erfahrungen mit der (Unternehmens- und/oder
Produkt-) Marke führen gemäß der Risikotheorie zu einer Absenkung des Risikos und
erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit des Wiederkaufs. Weiterhin stützen Erkenntnisse
der sozialen Austauschtheorie und der Informationsökonomik den Effekt positiver
persönlicher Erfahrung auf die Inanspruchnahme einer Leistung.429 Die eigene Erfahrung
427
Detaillierte Beschreibung des Rahmens zur Erfassung des Kundenvorteils („Customer Value Framework“)
befindet sich in Appendix A. 2 gemäß Smith/Colgate 2007, S. 20.
Vgl. Cialdini 1995, Lavine/Snyder 2000.
429
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Kapitel 2.2.2
428
4.2 13.12.13 16:38 Seite 112
112
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
ermöglicht es Personen im Rahmen des Überzeugungsprozesses, Entscheidungen mit
geringerem kognitivem Aufwand zu treffen.430 Wenn alle internen und externen Faktoren
für ein bestimmtes Verhalten bekannt sind und diese sich nicht verändern, bleibt auch
das daraus resultierende Verhalten stabil.431 Ärzte mit langjährigen beruflichen Erfahrungen
können somit stärker auf ihren eigenen Wissensstand vertrauen und tendieren dadurch
weniger dazu, glaubwürdigen Quellen zu folgen, selbst wenn die Zufriedenheit mit der
gelieferten Information hoch ist. Diese Wirkweise wird auch gestützt durch Erkenntnisse
des Brand-Salience-Konzeptes. Die Aussagen der befragten Ärzte deuten insbesondere
auf diese Zusammenhänge hin. Da für das Suchen von Informationen und das
Abwägen von Alternativen im Praxisalltag in der Regel die Zeit fehlt, wird laut deren
Aussagen bei Verschreibungen auf eigene verfügbare Erfahrungen bzw. die erstbeste,
vertretbare Lösung zurückgegriffen.
Der persönlichen beruflichen Erfahrung wird daher sowohl ein Effekt auf die Wahrnehmung des KV aus der IL als auch auf die „Verschreibungsabsicht“ unterstellt.432
Eine langfristige Ausrichtung der Leistungen mit gleichbleibender Qualität ist somit von
Vorteil für eine positive Wahrnehmung und könnte den Entscheidungsprozess bei
Wiederinanspruchnahme vereinfachen bzw. abkürzen.
4.2.2.3 Beurteilung des Kundenvorteils
Diese so bewerteten Beurteilungskriterien der IL sind die Basis für die Einschätzung
des KV. Sind diese Basisanforderungen positiv erfüllt, durchläuft der Entscheidungsprozess weitere Schritte im Hinblick auf den Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung, bis eine
positive oder negative Entscheidung zur Inanspruchnahme der IL getroffen wird. Hierbei
wird bewertet, ob die IL einen relevanten KV liefert, der zur Befriedigung der praxisoder persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse gemäß Abbildung 32 (S. 91) führt.
Hauptkriterium ist dabei, inwiefern die bereitgestellten Werte der IL direkt oder indirekt
(über Befriedigung praxisbezogener Bedürfnisse) zur Befriedigung des übergeordneten
persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisses „Guter Arzt sein“ beitragen und damit über
„persönliche Relevanz“ und Nutzen verfügen. Zwar kann die IL als qualitativ hochwertig
und die Informationsquelle als glaubwürdig eingestuft werden, dennoch muss dies nicht
zur Folge haben, dass der Inhalt auch als relevant zur Bedürfnisbefriedigung durch den
Arzt wahrgenommen wird.
In diesem Zusammenhang wird in der Literatur auf die „Stärke der Argumente“ verwiesen.
Im Fall einer hohen persönlichen Relevanz führen starke Argumente zu einer höheren
Wahrscheinlichkeit der Überzeugung. Während schwache Argumente in derselben
Situation die Überzeugungswahrscheinlichkeit reduzieren. Eine geringe Relevanz der
IL führt dagegen trotz starker Argumentation des Nutzens der IL nicht zu deren
Inanspruchnahme, z. B. wenn der Arzt aktuell keinen Bedarf an einem Seminar zu
430
Vgl. Bohner/Wänke 2002, S. 118.
Vgl. Ajzen 1991, Kahnemann 2011.
432
Siehe Kapitel 4.2.3
431
4.2 13.12.13 16:38 Seite 113
113
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
„Therapieoptionen“ hat.433 Eine starke Argumentation zeichnet sich insbesondere durch
die bedürfnis- und damit nutzenorientierte Vermittlung der IL aus. Sie beschreibt also
den „Fit“ der erbrachten Werte mit den konkreten Bedürfnissen des Arztes. Unternehmen
haben demnach bei der Ausgestaltung von IL auf die Art und Weise der Kommunikation
sowie die Ausstattung der Außendienstmitarbeiter mit den notwendigen Kompetenzen
zu achten.
Beiträge zur Bedürfnisbefriedigung
Ob eine IL persönlich relevant und nutzengenerierend ist, hängt somit auch gemäß der
explorativen Erkenntnisse, neben der Erfüllung der Basisanforderung, insbesondere
vom Grad der Befriedigung der praxis- und persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse ab.
Wie zuvor erwähnt, zahlen die drei Werte-Arten auf den „wahrgenommenen Nutzen“
ein. Hingegen der Beitrag zur „Kostenminimierung“ bezieht sich auf die „wahrgenommenen
Kosten“. Die daraus resultierende Differenz ergibt wiederum den Kundenvorteil. Abbildung
41 stellt diese Zusammenhänge schematisch dar.
Kundenvorteil
Wahrgenommener Nutzen
Grad der persönlichen Relevanz
Bedürfnisse:
Praxis- &
persönlich.bezogene
Werte:
Functional
Experiental
Symbolic
./.
Wahrgenommene Kosten
Werte (cost/sacrifice):
Economic cost
Psychological cost
Personal investment
Risk
Abbildung 41: Beurteilung des Kundenvorteils einer indirekten Leistung
Quelle: Eigene Darstellung
Die ermittelten „praxisbezogenen Bedürfnisse“ können eher durch „funktionale Werte“
bedient werden und tragen über diese zur Erfüllung der „persönlichkeitsbezogenen
Bedürfnisse“ bei. Diese beiden Bereiche sind stark miteinander verbunden und
interagieren. So können funktionale Werte, die hauptsächlich Inhalte für die Bedürfnisse
zur Optimierung des „Wissens-“ und „Praxismanagements“ liefern, auch zur Reduktion
der Kosten und damit zur Befriedigung der Bedürfnisse bzgl. „Kosten-“ und „Zeitmanagement“ führen. Der Bereich „Kostenminimierung“ trägt zwar, wie vorne
beschrieben, auch zur Steigerung des KV bei, jedoch nicht als „Wert“, sondern
durch die Veränderung der Differenz zwischen wahrgenommenen Kosten und Nutzen.
433
Vgl. Petty/Krosnick 1995, S. 210, Bohner/Wänke 2002, S. 140.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 114
114
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Die beiden anderen Bereiche „Erlebniswelten“ sowie „symbolischer Wert“ zahlen hingegen eher direkt auf die „persönlichkeitsbezogenen“ Bedürfnisse ein. Im Rahmen der
Fallstudien geht es somit darum, herauszuarbeiten, welche Rolle die einzelnen Nutzenkategorien bei IL im regulierten Pharmamarkt in Bezug auf die Bedürfnisansprache und
-befriedigung spielen.
Abbildung 42 stellt die aus der explorativen Phase gewonnenen Bedürfniskategorien
(siehe Abbildung 32) den möglichen Werte-Arten gegenüber.
Produkt
Produktgruppe
Sortiment
Medikament
Gelieferte Werte der IL
Bedürfnisse
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Funktionaler
KostenWert
minimierung
WM
PM
KM
ZM
Erlebniswelten
Image
Symbolischer
Wert
Persönlichkeitsbezogene
Praxisbezogene
Abbildung 42: Zuordnung der Bedürfniskategorien zu KV-Kategorien
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schlegel 1991, Belz/Bieger 2004, Smith/Colgate
2007, Explorative Expertengespräche Ärzte Mai 2011.
Relevanz und Effizienz als Maßstab für den wahrgenommenen Kundenvorteil
Die wahrgenommene „persönliche Relevanz“ oder auch Wichtigkeit der Thematik für
den Empfänger beeinflusst direkt die Motivation einer Person über eine Botschaft nachzudenken.434 Je größer die persönliche Relevanz und damit das Interesse des Empfängers
an der Thematik, desto höher ist die Chance auf einen positiven Kontakt bzw. die
Inanspruchnahme der IL.435 Wie beschrieben, betont das Customer Value Modell daher,
dass Leistungen Werte für Kundenbedürfnisse mit hoher Relevanz schaffen sollen.
Die befragten Ärzte machen in ihren Äußerungen deutlich, dass die IL in jedem Fall
ein Bedürfnis ansprechen und über starke Argumente kommuniziert werden muss.
Leistungen, welche außerhalb des Bedarfs und damit persönlichen Interesses liegen,
werden nicht in Anspruch genommen. So landet Informationsmaterial ohne Bedarf in
der Schublade oder Fortbildungen werden nur besucht, wenn dafür z. B. eine Notwendigkeit im Sinne des Qualitätsmanagementsystems (Erlangung von CME-Punkten)
besteht, auch wenn die IL an sich qualitativ hochwertig ist. Bei der Konfiguration der IL
ist somit auf die bedürfnisorientierte Ausrichtung der Leistungsbestandteile und damit
der Werte zu achten, um die Anforderung an die „persönliche Relevanz“ für den Arzt
zu erfüllen. Auch gemäß der befragten Ärzte und Pharmamanager ist die „persönliche
Relevanz“ ausschlaggebend für die Bewertung des „wahrgenommenen Nutzens“.
434
Vgl. Petty/Cacioppo 1979, Johnson/Eagly 1989, Evans/Patterson/ O’Malley 2001, S. 21,
Petty/Krosnick 1995, S. 210.
435
Vgl. Unger/Fuchs 2005, Esch/Krieger/Stenger 2009.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 115
115
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Folgende Fragestellungen dienen zur Untersuchung der Überschneidung der Werte
mit den Bedürfnissen und damit der persönlichen Relevanz.
Fragestellung
Kriterium
Wahrgenommener Nutzen:
„Tragen die Werte der Leistung
zur Befriedigung von aktuellen
Bedürfnissen bei?“

Persönliche Relevanz
Tabelle 22: Fragestellung zur Bewertung der persönlichen Relevanz
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte & Marketingmanager 2011.
Um darüber hinaus die konkreten Beiträge der IL zur Erzielung von persönlicher Relevanz durch Bedürfnisbefriedigung herauszuarbeiten, dienen folgende Fragestellungen:
Fragestellung zur Bedürfnisbefriedigung
„Vereinfacht die Leistung die Arbeit
des Arztes?“
Kriterium

Vereinfachung
(Beitrag zur praxisbezogenen
Bedürfnisbefriedigung)

„Ist der Arzt ein besserer Arzt
(Fach- oder Kaufmann), wenn er
die Leistung in Anspruch nimmt?“

Verwirklichung
(Beitrag zur persönlichkeitsbezogenen
Bedürfnisbefriedigung)
Tabelle 23: Kriterien zur Bewertung der persönlichen Relevanz
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte & Marketingmanager 2011.
Während die „Vereinfachung“ auch auf die „Verwirklichung ein guter Arzt zu sein“ einzahlt, weisen mehrere Anzeichen darauf hin, dass auch IL, welche nur auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse (Verwirklichung) zielen, eine Wirkung hinsichtlich Zahlungsbereitschaft, Kundenloyalität und Übertragungseffekt haben könnten. Leistungen
dieser Art würden sich vor allem unter der Leistungskategorie „Image“ wiederfinden.
Quellen für wahrgenommene Kosten
Kostenminimierung
(„cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
Abbildung 43: Rahmen zur Erfassung der wahrgenommenen Kosten
Quelle: Vgl. Smith/Colgate 2007.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 116
116
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Gemäß Smith/Colgate können Kostenkategorien neben ökonomischen Kosten (z. B.
Preis), auch psychologische Kosten (z. B. Stress, Konfliktsituation), Risiken (z. B. finanziell,
persönlich) oder persönliches Investment (z. B. Zeit, Energie und Anstrengungen)
umfassen. Steigen diese wahrgenommenen Kostenkategorien an, reduzieren sie somit
die Differenz zum Nutzen und damit den wahrgenommenen KV. Somit beeinflussen
sie direkt die Bereitschaft des Arztes für eine Gegenleistung, z. B. die Wieder inanspruchnahme und damit Kundenloyalität oder die Zahlungsbereitschaft. Gelingt es
diese Bereitschaft zu steigern, wächst auch die Chance, zusätzlichen Umsatz und damit
eine höhere Effektivität der IL zu erzielen.
Beispiel: Ist die IL nicht produktunabhängig und vermittelt dem Arzt das Gefühl einem
Verschreibungsdruck als Gegenleistung zu unterliegen, reduziert sich die Glaubwürdigkeit. Die „psychologischen Kosten“ die eigene Integrität nicht wahren zu können,
steigen und damit das „persönliche Risiko“, dass die Praxis in Verruf geraten könnte.
Somit reduzieren sich wiederum der KV und damit das Interesse die IL in Anspruch zu
nehmen.
Entscheidend für eine Inanspruchnahme einer IL ist somit eine positive Wahrnehmung
•
der Beurteilungskriterien „Glaubwürdigkeit der Quelle“ + „Qualität der Inhalte“,
sowie
•
der „persönlichen Relevanz“ im Verhältnis mit
•
den „wahrgenommenen Kosten“.
Anhand dieser Kriterien wird daher die Wahrnehmung der Ärzte im Rahmen der Fallstudien untersucht und deren Einfluss auf den weiteren theoretisch-begründeten Prozess
im Zusammenhang mit der Einschätzung der jeweiligen (Leistungs-)Wirkung
(Erfolg/Misserfolg) interpretiert. Auf diese Weise ist es möglich, die Bedeutung der
theoretisch und explorativ hergeleiteten Kriterien im Modell zu bestätigen oder zu
entfernen. Je stärker die positive Wahrnehmung der Kriterien ist, desto wahrscheinlicher
ist demnach eine Inanspruchnahme der IL. Damit steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit eines Übertragungseffektes auf die Kernleistung.
Unterschiede in der subjektiven Wahrnehmung
Ärzte lassen sich anhand der explorativen Erkenntnisse in Bezug auf deren subjektive
Einschätzung der einzelnen Beurteilungskriterien insbesondere in zwei Richtungen
unterscheiden:
Rationaler Typ
Emotionaler Typ
Ärzte des „rationalen Typs“ bewerten rationale Kriterien, wie funktionale Werte oder
„Reputation“ tendenziell höher. Ärzte des „emotionalen Typs“ hingegen gewichten
Kriterien wie „Sympathie“ stärker. Eine eindeutige Gewichtung der Faktoren ist aufgrund
der Stichprobengröße jedoch nicht möglich. Ob und in welcher Form Unterschiede
zwischen den Arzttypen erkennbar sind, wird in den Fallstudien beleuchtet.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 117
117
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
4.2.3 Wirkungsfelder Indirekter Leistungen
Der dritte Bereich der Fallstudien beschäftigt sich mit der Wirkung (R), welche die IL
(S) durch eine bestimmte Wahrnehmung (O) beim Empfänger „Arzt“ auslöst
(Vgl. Abbildung 44). Aus der Kombination der Gestaltungsfaktoren der IL und deren
Beurteilung durch die Ärzte können durch die Analyse unterschiedlich erfolgreicher IL
Rückschlüsse auf deren Erfolgskriterien im Pharmamarkt gezogen werden.
Pharmaunternehmen
Arzt
S
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kooperationen
Kommunikation
Kompetenz
O
R
Beurteilung der
indirekten Leistung
Kundenvorteil
Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle
Wahrgenommener
Nutzen
Qualität
der gesendeten
Inhalte
Wahrgenommene
Kosten
Zahlungsbereitschaft
Kundenwert
Kundenloyalität für
ind. Leistung
Übertragungseffekt
auf Kernleistung
Verschreibungsverhalten
Abbildung 44: Wirkungfelder Indirekter Leistungen im S-O-R-Modell
Quelle: Eigene Darstellung
Die Wirkungsfelder unterscheiden sich in zwei Bereiche.
Im ersten Bereich wird untersucht, ob die IL in Abhängigkeit der Beurteilungskriterien
eine positive Reaktion durch eine erkennbare Zahlungsbereitschaft, Inanspruchnahme bzw. Kundenloyalität generiert und damit den Kundenwert steigert. Aus den
Gesprächen mit Pharmamanagern als Anbietern und Ärzten als Konsumenten geht
hervor, dass Differenzen in der Einschätzung der generellen Zahlungsbereitschaft
bestehen. Manager reagieren eher skeptisch bis ablehnend auf die Möglichkeit IL
kostenpflichtig anzubieten, da sie darin ein Risiko, oder zumindest eine Behinderung
für den Erfolg in Bezug auf die Akzeptanz der IL sehen. Da Ärzte vor den Gesetzesänderungen für Leistungen oft nichts bezahlen mussten, gehen Manager davon aus,
dass sie an kostenlose Leistungen gewöhnt sind und damit kostenpflichtige Leistungen
ablehnen würden.
Demgegenüber stehen die Erkenntnisse aus den Arztinterviews, welche durchaus
konträr dazu erscheinen. Wenn der Nutzen einer IL entsprechend groß ist, dann ordnen
sich für viele Ärzte die Kosten unter.
„… ich kann auch dafür zahlen, Hauptsache sie bieten mir etwas Interessantes an.“
Teilweise erfährt eine Leistung sogar eine Wertsteigerung bei entsprechenden Kosten.
Der zweite Bereich, der sich direkt auf die forschungsleitende Fragestellung bezieht,
beschäftigt sich mit dem Übertragungseffekt. Ein Hauptziel des Forschungsprojektes
4.2 13.12.13 16:38 Seite 118
118
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
ist die Untersuchung eines möglichen Übertragungseffektes auf das Kernprodukt und
damit auf das Verschreibungsverhalten. Es wird untersucht, ob Unternehmen oder
Ärzte einen Zusammenhang zwischen Inanspruchnahme der IL und Kernprodukt wahrnehmen und diesen möglicherweise durch Erfolgsmessung nachweisen können.
Aus diesem Grund wurden unter Kapitel 2.2.3 theoretische Erkenntnisse aus der
Literatur zu Einflussgrößen auf das Verschreibungsverhalten ermittelt. Diese werden
durch explorative Interviews ergänzt, um weitere mögliche Einflussgrößen, auch in
Hinblick auf die Aktualität der Erkenntnisse, zu generieren. Um möglichst viele neue
Erkenntnisse ergänzend zu der theoretischen Fundierung des Verschreibungsverhaltens zu erhalten und dabei den Arzt nicht vorab zu beeinflussen, wurde die Befragung
in zwei Stufen durchgeführt.436 Zunächst äußerten sich Ärzte offen dazu, welche
Kriterien ihrer Meinung nach einen Einfluss auf ihr Verschreibungsverhalten haben.
Erst im Anschluss wurden ihnen ergänzend theoretisch fundierte Faktoren vorgelegt,
um diese gemäß ihrer wahrgenommenen Einflussstärke in eine Rangfolge zu bringen.
Bestätigung der theoretischen Einflussfaktoren auf das Verschreibungsverhalten
Die theoretischen Erkenntnisse zum Verschreibungsverhalten spiegeln sich auch in
den Aussagen der explorativ-befragten Ärzte wieder.
Die Ärzte sind sich ihrer Pflicht bewusst, die Verschreibung an objektiven und rationalen
Aspekten auszurichten. Die weiteren Einflussfaktoren beziehen sich darauf, welche
Faktoren differenzierend wirken, wenn sich die Qualität der Arzneimittel gleicht.
Hauptsächliche Grundlage sind dabei die eigene Erfahrung und die Kenntnisse
über die Qualität des Kernprodukts – in diesem Fall des zu verschreibenden Arzneimittels. Die Verschreibung orientiert sich an der „Wirksamkeit“ und dem „Nebenwirkungsprofil“ des Arzneimittels, welche in möglichst zahlreichen klinischen „Studien“
fundiert belegt sein sollen. Kenntnis über die Studienlage erhält der Arzt vornehmlich
über die Informationsquellen „Außendienst“ oder „Fachliteratur“. Diese Faktoren
stellen Basisanforderungen für alle befragten Ärzte dar und werden daher auch von
allen genannt. Preis bzw. Erstattungsfähigkeit des Arzneimittels ist für den Großteil
der befragten Ärzte von nachgelagerter Bedeutung und wird lediglich von einem der
befragten Ärzte ausdrücklich erwähnt.
Relevant wird dieser Punkt erst in Zusammenhang mit der unter Ärzten weit verbreiteten
„Regressangst“.437
In den Gesprächen konnte diesbezüglich auch der Einfluss der Patienten durch
positive oder negative Rückmeldungen, Verträglichkeit und Akzeptanz des Arzneimittels bestätigt werden, also die „Patientennachfrage“.
Die Eigenschaften des Senders bzw. der Informationsquelle sind auch bei der Inanspruchnahme der Kernleistung von Bedeutung. Der Abgleich mit „Empfehlungen
und Vorgaben der Fachkollegen“ sowie der spezifischen „Leitlinien“ dient den Ärzten
436
437
Vgl. Appendix A. 7.
Regress beschreibt eine Strafzahlung, die von einer Prüfungskommission angeordnet werden
kann, wenn ein Arzt entweder im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt oder Richtgrößen
sein vereinbartes Bugdet für Arznei-, Hilfsoder Heilmittelbudget signifikant überschritten hat.
Vgl. Klement/Schroeder-Printzen/Bretschneider/ Lichte/Herrmann 2008.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 119
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
119
zur Absicherung der Verschreibungsentscheidung.438 In diesem Zusammenhang wird
ergänzend die „Reputation“ des Pharmaunternehmens von über der Hälfte der
befragten Ärzte angeführt. Verfügt das Unternehmen über eine gute Reputation
in der Ärzteschaft hat dies entsprechend der Interviewpartner einen nachgelagerten
positiven Einfluss.
In enger Verbindung mit der „Reputation“ des Pharmaunternehmens stehen die
„Sympathie für das Unternehmen“ und die „Sympathie für den betreuenden Außendienstmitarbeiter“ in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen zu IL. Gemäß der Priorisierung innerhalb der Befragung folgen diese Punkte direkt hinter den „Erfahrungen
und Kenntnissen über das Kernprodukt“ sowie die „Empfehlungen und Vorgaben
durch Fachkollegen“. Die beiden Sympathie-Faktoren sind nicht trennscharf, da die
Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung des Sympathiegrades besteht. Oft steht
dabei der Außendienstmitarbeiter im Fokus. Dessen Sympathiegrad überträgt sich
auf das Unternehmen, falls dem Arzt diese Verbindung überhaupt bewusst ist. Aus
den Gesprächen ergibt sich somit der dringende Bedarf für Pharmaunternehmen, die
Leistungen so zu kommunizieren, dass sie mit diesem assoziiert werden.
Alle diese Faktoren dienen in Übereinstimmung mit der Theorie des wahrgenommenen
Risikos, der Rückabsicherung der zu treffenden Entscheidung. Fachkollegen erfüllen
zudem die Forderungen nach einer nicht-kommerziellen Quelle, welche als glaubund vertrauenswürdiger erscheint.439 Die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
verfügt also auch bei der Kernleistung über eine hohe Bedeutung.
Ergänzende Einflussfaktoren
Ziel des IM ist es, den Arzt durch produktunabhängige Leistungen bedürfnisgerecht
zu unterstützen und somit eine stärkere Kundenbindung zu generieren. Aus der
Befragung wird deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener
Präsenz und Engagement des Unternehmens bzw. dessen Außendienst und dem
Verschreibungsverhalten besteht: „Mit denen habe ich viel zu tun“, „Mit denen arbeite
ich häufig zusammen“ oder „Zu denen habe ich eine enge Beziehung“ drücken eine
enge Zusammenarbeit aus.
Ärzte verstehen dabei unter Zusammenarbeit die Inanspruchnahme von Leistungen
(z. B. Schulungen, Büromaterial), die Häufigkeit der Außendienstbesuche sowie die Verschreibung der Arzneimittel. Aktivitäten eines Pharmaunternehmens scheinen demnach
über einen Einfluss auf das Verschreibungsverhalten zu verfügen. Eine Erklärung dafür
ist, dass Ärzte sich zunehmend als „Kaufmänner“ sehen und somit beidseitig sinnvolle
Geschäftsbeziehungen eingehen müssen. Aus den Gesprächen wird aufgrund der
geänderten Rahmenbedingungen ein Paradigmenwechsel vom „Heiler“ zum „Kaufmann“
438
Die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte
Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissen
schaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in
der Medizin, sollen aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die "Leitlinien" sind für Ärzte
rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende
Wirkung., Vgl. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.,
http://www.awmf-leitlinien.de/leitlinien.html, Stand 21.08.2012.
439
Vgl. Abbildung 21 sowie Kapitel 2.2.5.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 120
120
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
deutlich. So äußert sich einer der Ärzte unter Berücksichtigung der zuvor aufgeführten
Basisanforderungen so, dass der Einsatz von offerierten „Broschüren zur Hautkrebsvorsorge für das Wartezimmer“ durchaus einem Win-Win-Prinzip entspricht. Diese
helfen dem Arzt, Patienten von der Notwendigkeit dieser Vorsorgeleistung zu überzeugen.
Er kann diese dann leichter anbieten, durchführen und abrechnen. Somit wird er durch
die IL im Praxisalltag unterstützt.
Während die Wahrnehmung der Eigenschaften rund um das Kernprodukt durch direktes
Marketing übermittelt und beeinflusst wird, können IL auch dazu beitragen, das wahrgenommene Engagement aus Sicht des Arztes zu steigern und somit positiv auf die
Verschreibungsabsicht zu wirken. Ebenfalls scheinen die Intensität und damit Kontinuität
der Zusammenarbeit, z. B. durch IL, einen positiven Einfluss auf die Reputation und
Sympathie gegenüber dem Unternehmen direkt oder über dessen Außendienstmitarbeiter als direkten Ansprechpartner zu haben.
Zweifelsohne existieren, wie beschrieben, auch Interaktionseffekte zwischen diesen
Einflussfaktoren. Die Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Jedoch stellen sie einen weiteren hilfreichen Schritt zur Erklärung des Verschreibungsverhaltens und der direkten sowie indirekten Einflussfaktoren dar. Im Rahmen der Fallstudien gilt es demnach zu überprüfen, ob diese hergeleiteten Eigenschaften jeweils
erfüllt sind.
Erkenntnisse zur Verschreibungsentscheidung
Anhand der Erkenntnisse der explorativen Phase wird deutlich, dass in Abhängigkeit des Zeitpunkts der Verschreibung unterschiedliche Entscheidungsprozesse
Anwendung zu finden scheinen.
Die Erstverschreibung eines Arzneimittels beruht gemäß der vorher aufgeführten
Erkenntnisse hauptsächlich auf funktionalen und bezüglich des Risikos kostenminimierenden Werten. Dabei wird ein eher rational kognitiver Entscheidungsprozess
herangezogen. Bei wiederholten Verschreibungen kommen jedoch Entscheidungsprozesse zum Tragen, welche sich auf der Beschreibung der täglichen Situation im
Praxisalltag zurückführen lassen. Ärzte sehen in ihren Praxen täglich eine Vielzahl von
Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheiten, für welche mehrere vergleichbare
Präparate auf dem Markt vorhanden sind. Die Folge ist ein „Information overload“. Da
es gilt in diesem stressigen Praxisalltag kognitiven Aufwand zu minimieren, findet in
den meisten Fällen kein bewusstes Abwägen der verschiedenen Alternativen statt. Vielmehr wird auf Lösungen zurückgegriffen, welche schnell und thematisch-assoziativ zur
Verfügung stehen. Konkret handelt es sich dabei um zwei Prozesse, die aus den
Gesprächen herauskamen:
•
Verschreibung des gewohnten Arzneimittels (Erfahrung),
•
Verschreibung der erstbesten kognitiv verfügbaren Alternative (z. B. aufgrund
Ansprache auf Fortbildung, zeitnahe Besprechung durch Außendienst oder
Muster in der Schublade).
Letzterer Prozess deutet auf eine mögliche positive Übertragungswirkung durch IL anhand
des beschriebenen Brand Salience Ansatzes hin. Der Kauf- bzw. Verschreibungs-
4.2 13.12.13 16:38 Seite 121
121
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
entscheid wird demnach stark dadurch beeinflusst, welche Marke als erste aus dem
Langzeitgedächtnis ins Bewusstsein dringt und thematisch mit der aktuellen Aufgabe
assoziiert wird. Die Aussagen der geführten Gespräche lassen diese Wirkweise
vermuten, welche auch durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entscheidungsfindung gestützt wird.440
Abbildung 45 fasst die Einflussfaktoren auf das Verschreibungsverhalten zusammen
und veranschaulicht grafisch das Wirkungsfeld des IM, ergänzt durch explorative
Erkenntnisse, welche jedoch der Bewertung der Kenntnisse zum Kernprodukt nachgelagert sind.
Wirkungsfeld Indirect Marketing
Wahrgenommenes
Engagement
des Herstellers für den Arzt
Grad der Brand Salience
der Unternehmensmarke
Aktive
Patientennachfrage
Verschreibungsverhalten
Erfahrung/ persönliche Kenntnisse
zum Kernprodukt (Qualität)
Wirksamkeit, Nebenwirkungsprofil,
Studien, Preis/Erstattungsfähigkeit,
Patientenakzeptanz
Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle
Empfehlung und Vorgaben durch
Fachkollegen, Leitlinien, Sympathie
und gute Reputation
Wirkungsfeld Direktes Marketing
Abbildung 45: Wirkungsfelder auf das Verschreibungsverhalten der Ärzte
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Explorative Expertengespräche Ärzte
& Marketingmanager 2011.
Wer also die Basisanforderungen an das Arzneimittel erfüllt und darüber hinaus dem
Arzt einen Nutzen liefert, wird durch diesen anscheinend eher berücksichtigt. Allerdings
scheint eine Langzeitwirkung der Maßnahme nicht automatisch garantiert zu sein, wie
ein Pharmamanager betont:
„Die [Ärzte] verschreiben Dich so lange, bis sie selbst keinen Vorteil mehr haben und
dann bist Du wieder raus.“
Diese Aussage unterstreicht jedoch ein weiteres Mal den Bedarf, erfolgsrelevante
Faktoren der IL im Rahmen des Forschungsprojektes zu untersuchen.
4.3
Zusammenfassung und erste kausale Thesen
Kapitel 4.3 resümiert die Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Wirkung von IL im Modell
und stellt erste davon abgeleitete kausale Thesen für die kommende Untersuchung der
Fallstudien vor. Abbildung 46 ergänzt das S-O-R-Basismodell mit den erarbeiteten
440
Vgl. Kahnemann 2011 .
4.2 13.12.13 16:38 Seite 122
122
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
Beurteilungskriterien, welche aufgrund der bisherigen theoretischen und empirischen
Erkenntnisse für die Wahrnehmung des Empfängers „Arzt“ von Bedeutung sein könnten.
Durch die Fallstudien soll die Einflussstärke der jeweiligen Faktoren auf den Erfolg der
IL interpretativ beurteilt werden.
Pharmaunternehmen
Arzt
S
Gestaltung der IL
Konfiguration
Kommerzialisierung
O
Qualität der
Inhalte
- Ausprägung
Werte
(functional,
experiental,
symbolic)
- Abgleich mit
eigener
Erfahrung
Kompetenz
Kundenvorteil
Wahrgenommener Nutzen
Grad der persönlichen Relevanz
Werte:
Functional
Experiental
Symbolic
Zahlungsbereitschaft
Bedürfnisse:
Praxis- &
persönlichbezogene
Kundenwert
./.
Kooperationen
Kommunikation
R
Glaubwürdigkeit
der Quelle
- Unabhängigkeit
- Vertrauenswürdigkeit
- Expertenkompetenz
- Reputation
- Sympathiegrad
Wahrgenommener Nutzen
Werte (cost/sacrifice):
Economic cost
Psychological cost
Personal investment
Risk
Kundenloyalität
für ind.
Leistung
Übertragungseffekt
auf Kernleistung
Verschreibungsverhalten
Abbildung 46:
Detaillierte Beurteilungskriterien von indirekten Leistungen im S-O-R Modell
Quelle: Eigene Darstellung
Erste kausale Thesen konzentrieren sich auf die wissenschaftlichen Beiträge des
Forschungsprojekts zur Wahrnehmung und Wirkung von IL. Der Zusammenhang
zwischen KV und Kundenwert ist unter Kapitel 2.2.1 theoretisch beschrieben und fundiert,
so dass kein Bedarf an weiteren Thesen zu diesem Teil des Wirkmodells besteht. Die
Fragestellung konzentriert sich vielmehr auf die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren
der IL, die eine bestimmte Wahrnehmung anhand konkreter Beurteilungskriterien
verursachen, sowie die Existenz und Wirkweise eines möglichen Übertragungseffektes
auf die Kernleistung.
Folgende kausale Thesen lassen sich nach Abschluss der explorativen Phase des
Forschungsprojektes formulieren:
4.2 13.12.13 16:38 Seite 123
4 Basismodell der Wirkungsweise von Indirect Marketing
123
Wahrnehmung indirekter Leistungen:
•
Indirekte Leistungen, deren Inhalte als qualitativ hochwertig wahrgenommen
werden, erhöhen den Kundenvorteil.
•
Die wahrgenommenen Werte sowie die Übereinstimmung mit der eigenen
Erfahrung verfügen über einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der
Qualität der IL.
•
Indirekte Leistungen, welche über eine glaubwürdige Informationsquelle
transportiert werden, erhöhen den Kundenvorteil.
•
Die wahrgenommene Unabhängigkeit (vom Produkt und Unternehmen),
die Vertrauenswürdigkeit, die Expertenkompetenz, die Reputation, sowie der
Sympathie- und Freundschaftsgrad verfügen über einen positiven Einfluss
auf die Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle der IL.
•
Indirekte Leistungen, welche mit ihren Werten zur Befriedigung praxisbezogener und persönlichkeitsbezogener Bedürfnisse des Arztes beitragen,
steigern die persönliche Relevanz und damit den wahrgenommenen Nutzen.
Wirkung indirekter Leistungen:
•
Indirekte Leistungen tragen direkt und indirekt zu einer Steigerung des
Kundenwertes bei.
•
Indirekte Leistungen, die über einen hohen Kundenvorteil verfügen, steigern
die Zahlungsbereitschaft und sind damit an sich kommerzialisierbar.
•
Indirekte Leistungen ermöglichen einen positiven Übertragungseffekt auf
die Kernleistung, hier: das Verschreibungsverhalten.
•
Indirekte Leistungen verfügen über das Innovationspotenzial, eigene
vermarktbare Leistungssysteme zu erschaffen.
Tabelle 24: Kausale Thesen zur Wahrnehmung und Wirkung indirekter Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung
Diese kausalen Thesen werden im Rahmen der Fallstudien zur Beantwortung der
Forschungsfragen weiterentwickelt und konkretisiert. Anhand der Fallstudien werden
sowohl die Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der IL als auch die Wahrnehmung
und die Wirkung der IL beschrieben und untersucht. Die Aggregation der Erkenntnisse
aus den Fallstudien ermöglicht es im weiteren Verlauf, Aussagen zu den Abläufen und
Erfolgskriterien zu treffen und diese in finale Hypothesen zur Wirkweise des IM zu
formulieren.
4.2 13.12.13 16:38 Seite 124
5.2 13.12.13 16:38 Seite 125
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5
125
Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing im Markt
für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Die Erkenntnisse der explorativen Phase werden im Rahmen der Fallstudienforschung
der qualitativ-empirischen Phase weiterentwickelt und vertieft. Die Untersuchung erfolgt
anhand der zuvor beschriebenen Vorgehensweise. Die unter Kapitel 3.3.2 hergeleiteten
und vorgestellten Fallstudien zu IL in Pharmaunternehmen werden im Kontext des
jeweiligen Unternehmens behandelt. So können mögliche Unterschiede in Bezug auf
die Ausprägung der situativen Faktoren und deren Auswirkung auf den Erfolg der IL
deutlicher dargestellt werden.441
5.1
Indirect Marketing zur Differenzierung im generischen
Marktumfeld
5.1.1 Situatives Unternehmensumfeld
5.1.1.1 Beschreibung Unternehmen: Pharmacon GmbH
Die Pharmacon GmbH unterscheidet sich durch ihr Geschäfts- und Marketingmodell
deutlich von anderen Pharmaunternehmen und dem klassischen Pharma-Geschäftsmodell, welches vornehmlich auf den Einsatz von Pharmareferenten-Außendiensten
beruht. Dieses Unternehmen verzichtet seit der Gründung im Jahr 1988 vollkommen
auf einen eigenen Außendienst und setzt nach eigener Aussage auf „zukunftsweisende
Innovationen im Pharmamarketing“ insbesondere durch IL.442 Der Verzicht auf einen
eigenen Außendienst sowie die Konzentration auf IM ermöglicht eine störungsfreie
Untersuchung der Wirkung der angebotenen Leistungen und damit deren Erfolgsfaktoren. Bei anderen Pharmaunternehmen wird der Effekt der IL durch Einflussfaktoren
anderer Aktivitäten (z. B. Printwerbung, Außendienstaktivitäten) erschwert.
Die Pharmacon GmbH kann seit ihrer Gründung auf eine positive Entwicklung zurückblicken. Das Unternehmen wurde auf private Initiative gegründet und ist als familiengeführtes mittelständisches Unternehmen auf den Bereich der Kinderheilkunde
spezialisiert. Direkte Zielgruppen sind damit vor allem niedergelassene Kinder- und
Jugendärzte und seit kurzem auch Kliniken.
Das Portfolio umfasst Produkte für die pädiatrische und klinische Infektologie, Pneumologie, Dermatologie, sowie seit 2011 die Allergologie. Bei allen Produkten handelt es
sich um Premium-Präparate für Kinder, die über ein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal
verfügen. Mit diesem Portfolio erzielte das Unternehmen - hauptsächlich auf dem
deutschen Pharmamarkt - seit 1997 nahezu jährlich ein zweistelliges prozentuales
Umsatzwachstum.443 Somit wächst es entgegen der stagnierenden Geburtenrate in
Deutschland in Marktsegmenten, in welchen auch große pharmazeutische Konzerne
wie Boehringer Ingelheim, GSK, Bayer, Sanofi-Aventis oder ratiopharm aktiv sind.444
441
Namen der Unternehmen sind anonymisiert und verwendete Kennzahlen verschlüsselt.
Ausnahme: Spezialistenaußendienst für die klinische Betreuung seit 2010.
443
Interne Unternehmenspräsentation Pharmacon 2011 (unveröffentlichtes Dokument).
444
Vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S. 6f.
442
5.2 13.12.13 16:38 Seite 126
126
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
In jedem der vier größten Produktbereiche behauptet Pharmacon gegenüber diesen
Wettbewerbern einen der ersten beiden Plätze nach Marktanteil.
Abbildung 47: Umsatzentwicklung der Pharmacon GmbH in % zum Vorjahr von 1997 – 2010
Quelle: Pharmacon Interne Unternehmenspräsentation 2011 (unveröffentlichtes Dokument).
Mit über 145 Mitarbeitern verfügt das Unternehmen über eine eigene Produktentwicklung, jedoch über keine pharmazeutische Wirkstoffforschung. Die Weiterentwicklung bestehender Wirkstoffe erfolgt in enger Ausrichtung an den Bedürfnissen
der Kunden bzw. Patienten, für welche die Präparate vorgesehen sind. Diese Kundennutzenorientierung des gesamten Leistungsangebotes betont Pharmacon explizit
im Rahmen der Unternehmensphilosophie.
5.1.1.2 Produktportfolio der Pharmacon GmbH
Die Pharmacon GmbH ist weder unter Generikaherstellern noch unter den Big
Pharma-Konzernen einzuordnen. Sie bewegt sich vielmehr in einer Nische mit
Konzentration auf die Behandlung von Infektionskrankheiten, insbesondere bei Kindern
und Jugendlichen.
Das Unternehmen konzentriert sich dabei auf die patientengerechte Anpassung
gängiger patentfreier Wirkstoffe und forscht an kindgerechten Arzneimitteln. Dabei wird
der Fokus u. a. auf die Optimierung der Darreichungsform gelegt. Dabei handelt es
sich rein formell um generische Arzneimittel.
Beispiele für Produktinnovationen
Beispiel 1: Penicillin mit Geschmack
Kinder haben oft Abneigungen gegen bitter schmeckende Medikamente. Jedoch ist ein
Großteil der Medikamente bitter. Gerade kleine Kinder weigern sich häufig, diese
einzunehmen und erschweren somit die Therapie für Eltern und Ärzte. Penicillin ist
ein solches bitter schmeckendes Medikament, welches daher tendenziell eher auf
5.2 13.12.13 16:38 Seite 127
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
127
Ablehnung stößt. Um Kindern die Einnahme zu erleichtern, erforschte Pharmacon eine
Rezeptur, die Penicillin in der Wirkung nicht beeinträchtigt, es jedoch schmackhafter
macht. Heute schmeckt das Penicillin aus dem Hause Pharmacon nach Himbeere und
ist eines der umsatzstärksten Produkte des Unternehmens geworden.
Beispiel 2: Anti-Asthma-Tropfen
Bei der Behandlung von Asthmabeschwerden müssen betroffene Kinder den häufig
zur Behandlung eingesetzten Wirkstoff über eine Atemmaske inhalieren. Diese wirkt
auf Kinder oft sehr furchteinflößend. Wie im ersten Fall hat dies Hindernisse bei
der Therapie und somit eine sinkende Patienten Compliance zur Folge. Pharmacon
entwickelte eine neue Darreichungsform für dieses Arzneimittel in Form von Tropfen.
Diese Anti-Asthma-Tropfen sind mittlerweile unter den 50 meistverordneten Präparaten bei Kinderärzten.
Durch diese bedürfnisgerechte Anpassung der Arzneimittel gelingt es, die Abneigung
der Kinder zu reduzieren. Eltern und Kinderärzten wird es so ermöglicht, die Compliance
der Patienten zu erhöhen und damit mit weniger Widerstand eine erfolgreiche Therapie
durchzuführen. Es handelt sich also um ein „WIN-WIN-WIN“-Prinzip, welches das
Unternehmen durch diese Produktinnovation realisiert. Dennoch müssen auch
geschmacklich oder in der Darreichungsform veränderte Arzneimittel alle vorgeschriebenen Studien zur Zulassung durchlaufen und verursachen laut des Unternehmens
Kosten in Millionenhöhe.445 Das Unternehmen überzeugt die Kunden mit der Kernleistung durch die Ausrichtung der Produkte an den Bedürfnissen der Patienten und
die daraus resultierende Vereinfachung der Therapie. Mehrfache Auszeichnungen als
innovativstes Produkt in der Pädiatrie unterstreichen diese hohe Akzeptanz bei der
direkten Zielgruppe „Pädiater“.446 Allein in 2012 belegen Produkte des Unternehmens
Platz 1 und Platz 3 bei der Verleihung der „Goldenen Tablette“ für das innovativste
Produkt aus Sicht der Pädiater.447
Diese herausragende Position in diesem Marktsegment hat sich das Unternehmen über
die Jahre erarbeitet. So sind mittlerweile zehn Produkte der Pharmacon GmbH unter
den 50 meistverordneten Präparaten bei Pädiatern. Diese Produkte nehmen zudem
eine Top-Position im jeweiligen Segment ein.448 Dennoch verfügt das Unternehmen
über einen gesunden Produktmix in Form eines ausgeglichenen Portfolios mit rund 60
Produkten. Trotz der herausragenden Position und hohen Akzeptanz nimmt keines der
Produkte mehr als 10 % Anteil am Gesamtportfolio.
445
Vgl. Expertengespräch Marketingexperte Med.Beratungsservice August 2011.
Vgl. http://www.goldenetablette.de/home/innovativstes-produkt.html, Stand 08.11.2012.
Die Goldene Tablette ist eine jährliche Auszeichnung der Arzneimittelhersteller mit dem besten Image bei
niedergelassenen Ärzten. Sie wird in zehn Facharztgruppen vergeben, darunter auch Pädiater.
Die Befragung der Ärzte erfolgt durch ein Marktforschungsinstitut im Auftrag der Fachzeitschrift
PharmaBarometer. Einem repräsentativen Querschnitt der Ärztegruppe (n=80 – 300) wird folgende
Hauptfrage gestellt: „Welchem Pharmaunternehmen würden Sie für das Jahr 2012 die Goldene Tablette®
für den besten Arzneimittelhersteller verleihen?“. Neben der Goldenen Tablette für das beste Pharmaunternehmen wird auch das innovativste Produkt des Jahres aus Sicht der Ärzte ausgezeichnet.
448
Vgl. Pharmacon, Interne Unternehmenspräsentation 2011 (unveröffentlichtes Dokument).
446
447
5.2 13.12.13 16:38 Seite 128
128
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Abbildung 48: Prozentuale Verteilung Produktanteile im Unternehmensportfolio nach Umsatz
Quelle: Pharmacon Interne Unternehmenspräsentation 2011 (unveröffentlichtes Dokument)
Um diese Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben, verfügt das Unternehmen aktuell über
ein Dutzend Neuproduktprojekte in der Entwicklungspipeline.
5.1.1.3 Innovatives Pharmamarketing bei der Pharmacon GmbH
Seit der Gründung verfolgt das Unternehmen ein in der Pharmabranche nahezu einzigartiges Marketingsystem. Neben dem Außendienst verzichtet das Unternehmen auch
auf die im Pharmamarketing übliche DtP-Maßnahme der Fachanzeigenschaltung, um
Ärzte über Arzneimittel des Unternehmens zu informieren.
Wie bei der Entwicklung der Arzneimittel, richten sich gemäß der Unternehmensphilosophie die Marketingaktivitäten in Richtung Arzt an dessen Bedürfnissen aus. Ziel
ist es, den Arzt bestmöglich in seinem Praxisumfeld zu unterstützen. Entsprechend der
Produktentwicklung werden auch Marketingleistungen im Unternehmen von kundenorientierter und nicht von produktorientierter Seite aus entwickelt, wie in den meisten
anderen Unternehmen der Branche noch üblich.
Das Marketingsystem umfasst neben Direktmailings ausschließlich Leistungen, welche
dem IM zuzurechnen sind. IM verfügt von Anfang an in diesem Unternehmen über eine
exponierte Stellung. Lediglich die aktive Information der Zielgruppe über die Produkte
erfolgt über Direktmailings als einzige klassische DtP-Maßnahme. Der Schwerpunkt
liegt auf produktunabhängigen, indirekten Serviceangeboten für Ärzte, welche thematisch auf deren Bedürfnisse abgestimmt sind, um einen Kundensog zu erzeugen. Das
Pharmamarketingsystem von Pharmacon setzt sich folgendermaßen zusammen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 129
129
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Produktbezogenes
direktes Marketing
•
•
•
Außendienst
Fachanzeigen
Mailings
Unternehmen
Arzt
Produktunabhängiges
Indirect Marketing
•
Medizinischer Beratungsservice
•
Praxisrelevante Fortbildungen
•
Praxisbörse
•
Praxisforum
Abbildung 49: Marketingsystem der Pharmacon GmbH
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pharmacon Interne Unternehmenspräsentation
2011 (unveröffentlichtes Dokument)
Pharmacon setzt IL aller drei Kategorien mit Schwerpunkt auf Leistungen aus dem
Bereich „Indikation“ ein. Hierzu zählen der „medizinische Beratungsservice“ als
auch die „praxisrelevanten Fortbildungen“. Beide indikationsbezogenen IL bilden
den Inhalt der Fallstudie, da sie zusammen den wichtigsten Teil des Marketingmix ausmachen. Der erste Bereich bezieht sich auf einen durch Pharmacon entwickelten
wissenschaftlichen Frage-Antwort-Service in Zusammenarbeit mit führenden Experten.
Der zweite Bereich umfasst ein hochwertiges Fortbildungsprogramm für Ärzte. Dieses
besteht aus zwei jährlichen Symposien mit je über 1.000 teilnehmenden Kinderärzten,
sowie 20 bundesweit verteilten Seminaren zu medizinischen Themen der Pädiatrie mit
je ca. 100 Teilnehmern. Insgesamt nehmen ca. 4.000 der 6.647 in Deutschland niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte diese IL in Anspruch.449
Auch in der Kategorie „Praxisleistung“ ist das Unternehmen aktiv und unterstützt den
Arzt bei praxisbezogenen Herausforderungen. Die „Praxisbörse“ wurde auf Anregung
der Ärzteschaft ins Leben gerufen und bietet eine exklusiv für Pädiater zugeschnittene
Plattform, um Praxisinhaber und junge Kinderärzte, die sich niederlassen wollen, zu
vermitteln. Diese IL des Unternehmens ist für den Arzt kostenlos und wird in einem
passwortgeschützten Bereich angeboten, um eine vertrauensvolle Vermittlung sicherzustellen.
Ebenfalls unter „Praxisleistung“ fällt die IL „Praxisforum“. Diese stellt ebenfalls eine
internetbasierte, passwortgeschützte Plattform für Pädiater dar, auf der sich diese
exklusiv und kostenlos zu Themen rund um die Praxisführung austauschen können.
Beide Plattformen sind produktunabhängig, befinden sich jedoch auf der Internetseite
des Unternehmens, so dass ein direkter Bezug zum Anbieter, der diese unterstützende
Leistung offeriert, offenbart wird.
449
Vgl. Bundesärztekammer 2011, S. 16.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 130
130
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Selbst in der IM Kategorie „Image“ bietet das Unternehmen eine IL an, die nach
Aussage der interviewten Experten auch über eine gewisse Auswirkung auf die
Kundenbeziehung verfügt. Pharmacon kommuniziert daher auch aktiv, dass es das
kleinste Unternehmen ist, welches den eigenen Mitarbeitern und den Menschen in der
Region eine „eigene Kinderkrippe“ in Zusammenarbeit mit einem gemeinnützigen
Träger zur Verfügung stellt. Das Unternehmen unterstreicht damit seine Philosophie,
medizinische und soziale Verantwortung zu übernehmen und fördert somit das positive
Image auch auf Kundenseite. So wird eine Maßnahme, welche zur Mitarbeiterbindung
dient, aufgrund der thematischen Verknüpfung mit der Hauptzielgruppe über das
Thema „Kinder“ auch als IL genutzt. Allerdings ist der Abstand von der Kernleistung,
wie unter Abbildung 25 aufgezeigt, im Verhältnis zu den anderen IL am größten, so
dass die Wirkung auf die Kernleistung möglicherweise nicht stark ist.
Die schwerpunktmäßig eingesetzten indikationsspezifischen IL liegen nach Auffassung
der interviewten Pharmamanager thematisch näher an der Kernleistung als Leistungen
der anderen Kategorien. Sie gehen davon aus, dass der Übertragungseffekt der IL
schwächer wird, je weiter sich die IL thematisch von der Kernleistung entfernt, also von
„Indikation“ über „Praxisleistung“ bis hin zu „Image“.
Das Unternehmen visiert mit diesem IM Portfolio einen großen Teil der unter Kapitel
4.1.1 hergeleiteten Bedürfniskategorien an. Die IL, die wie beschrieben zum Teil auf
Anregung der Kundengruppe entwickelt wurden, sollen dem Arzt im Hinblick auf seine
praxisbezogenen Bedürfnisse einen nachhaltigen Nutzen liefern. Marketingmaßnahmen
werden seit jeher langfristig ausgerichtet, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Im Einklang
mit den theoretischen Erkenntnissen der Informationsökonomik fördert eine solche
langfristige Ausrichtung die Akzeptanz der IL, so dass diese sich für den Arzt von einem
Vertrauens- bzw. Erfahrungskauf zu einem Suchkauf entwickeln und somit die Kundenbindung stärken können. Durch diese Marketingphilosophie gelingt es dem Unternehmen, die rechtliche und die Kundensicht miteinander in Einklang zu bringen. Gemäß
dem gesetzlich vorgeschriebenen Trennungsprinzip sind die IL ohne Produktbezug
gestaltet und werden auch so kommuniziert. Somit soll sowohl der rechtliche als auch
der Anspruch der Ärzte auf Integrität erfüllt werden.
Aufgrund des breiten und erfolgreichen Einsatzes von IM im Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind die beiden Hauptleistungen des Unternehmens als „Best
Case“ im Fokus des Forschungsprojektes. Da das Unternehmen im Rahmen seines
für die Pharmabranche ungewöhnlichen Marketingansatzes fast ausschließlich auf IM
setzt, bietet es sich an, deren Erfolgskriterien in den folgenden Kapiteln zu untersuchen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 131
131
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5.1.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
Die beiden Hauptleistungen des IM im Unternehmen gehören zum Bereich „Indikation“
und konzentrieren sich auf „Medical Education“ des Fachpersonals. Dabei werden
beide IL unter der Bezeichnung „PharmaConsult“450 als Qualitätsmarke positioniert und
kommuniziert. Sie stellen also einen eigenständigen Bereich im Leistungsportfolio des
Unternehmens dar.
Bedürfnisse als Basis der Leistungserstellung
Die IL der Pharmacon GmbH sind auf konkrete Bedürfnisse ihrer Zielgruppe angepasst.
Die zu untersuchenden Leistungen beziehen sich dabei vornehmlich auf die folgenden
relevanten Bedürfnisse aus dem Bereich „Wissensmanagement“ wie in Abbildung 50
dargestellt.
Produkt
Produktgruppe
Sortiment
Medikament
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Image
• Medizinischer
Beratungsservice
• Praxisrelevante
Fortbildung
• Praxisforum
• Praxisbörse
• Firmeneigener
Kindergarten
WM
Bedürfnisse
ZM
KM
Praxisbezogene
PM
Persönlichkeitsbezogene
Abbildung 50: Einteilung und Beitrag der indirekten Leistungen der Pharmacon GmbH
zur Bedürfnisbefriedigung
Quelle: Eigene Darstellung
Bedürfnis A: Vermeidung von Wissenslücken in der täglichen Praxis (WM, ZM)
Niedergelassene Ärzte, wie die Zielgruppe der Pädiater, nehmen sich in der Regel
selbst als Einzelkämpfer in der Praxis wahr. Sie sind täglich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder konfrontiert. Nur selten haben Ärzte die Möglichkeit
spezifische Fälle mit Kollegen zu diskutieren oder ein Konsil eines Facharztes anzufordern, wenn sie eine mögliche interdisziplinäre Fragestellung klären möchten.451 Wie
aus den weiter geführten Interviews deutlich wird, kommt hinzu, dass einige Ärzte unter
Umständen eine mögliche Wissenslücke gegenüber Fachkollegen nicht eingestehen
möchten. Dieses Eingeständnis scheint aus deren Blickwinkel kontraproduktiv zur
Erfüllung des persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisses „ein guter Arzt sein“ zu wollen.
Die Inanspruchnahme der IL erfolgt daher dann, wenn der Arzt feststellt, dass seine
eigene Kompetenz endet oder sich bei zu treffenden Entscheidungen nicht sicher ist
und einen Rat benötigt.452
450
Bezeichnung anonymisiert.
„Konsil“ bezeichnet die patientenbezogene Beratung von Ärzten durch einen entsprechenden Facharzt.
452
Vgl. Expertengespräch Marketingexperte Med.Beratungsservice August 2011.
451
5.2 13.12.13 16:38 Seite 132
132
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Bedürfnis B: Aktualisierung des medizinischen Wissens (WM)
In diesem Zusammenhang steht auch das Bedürfnis, das persönliche medizinische
Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten. Dieses bei vielen Ärzten aus Eigeninteresse
verfolgte Bedürfnis wird zudem durch Vorgaben der Bundesärztekammer untermauert.
Diese fordert eine kontinuierliche berufsbegleitende Fortbildung, um den Erhalt und die
dauerhafte Aktualisierung der fachlichen Kompetenz der Ärzteschaft sicherzustellen.
Um dies zu dokumentieren sind CME-Punkte durch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in einem bestimmten Zeitraum zu erwerben.
Ergänzt werden diese Bedürfnisse durch die Ansprüche an IL, welche unter Kapitel 4.1
dargestellt wurden. Gemäß der zuvor beschriebenen Marketingphilosophie greift Pharmacon diese Bedürfnisse auf und richtet seine indikationsbezogenen IL auf diese aus.
5.1.2.1 Gestaltungsfaktoren „Medizinischer Beratungsservice“
Der bereits sehr früh entwickelte exklusive medizinische Beratungsservice in Form
eines Frage-Antwort-Dienstes für niedergelassene Ärzte konzentriert sich auf Bedürfnis
A. Ziel des Unternehmens ist es, den Arzt im Praxisalltag optimal zu unterstützen. Der
Anspruch besteht darin, „Wie macht man eigentlich“-Fragen zu rein fachlichen, indikationsspezifischen Themen zu beantworten. Diese beschränken sich dabei nicht nur auf
die vom Unternehmen bedienten Bereiche. Sie reichen thematisch von Fragen zur
Diagnostik über Impffragen und therapeutische Ratschläge bis hin zur Beurteilung von
Behandlungsmethoden. Fragen zum Praxismanagement fallen nicht unter diese IL.
Um diesen Anspruch zu erfüllen, gilt es gemäß dem Modell unter Abbildung 29 deren
Qualität und Glaubwürdigkeit der IL sicherzustellen.
Maßgeblich für die Qualität und Glaubwürdigkeit sind die zur Verfügung stehenden
Kompetenzen. Zwar verfügt das Unternehmen selbst auch über kompetente wissenschaftliche Mitarbeiter, jedoch decken diese nicht das breite Feld möglicher medizinischer Anfragen ab. Weiterhin ist die Glaubwürdigkeit von Pharmaunternehmen selbst
nicht besonders ausgeprägt im Zuge der sinkenden Bedeutung von kommerziellen
Informationsquellen. Hingegen spielen KOL aus dem medizinischen Umfeld des Arztes,
insbesondere Klinikärzte, dafür eine große Rolle und verfügen in der allgemeinen Wahrnehmung der Ärzteschaft über eine hohe Glaubwürdigkeit.
Um diese Kompetenzlücke in Bezug auf Fachwissen und Glaubwürdigkeit zu schließen,
etablierte das Unternehmen Kooperationen mit führenden Experten in Form einer
„hybriden Koordinationsform“.454 Diese Experten werden vom Unternehmen beauftragt,
die durch niedergelassene Ärzte gestellten Fragen zu beantworten. Mittlerweile unterhält das Unternehmen einen Experten-Pool mit über 300 Fachleuten der verschiedensten medizinischen Disziplinen mit Schwerpunkt auf Pädiatrie, wie Chefärzte, Oberärzte,
Professoren und Hochschullehrer. Hauptauswahlkriterium ist dabei die Expertise des
jeweiligen Experten in seinem Fach. Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit den
Fachkreisen erfolgt in Übereinstimmung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, wie
453
Vgl. Bundesärztekammer 2006,
http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.20.1828.2054.2143.2144, Stand: 14.11.2012.
454
Vgl. Picot/Dietl/Franck 2008, S. 68.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 133
133
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
der MBO-Ä und dem FSA-Kodex. So erhalten die Experten für die Erbringung einer
wissenschaftlichen Beratungsleistung in Form der Beantwortung der durch das Unternehmen gestellten Fachfrage eine vertraglich vereinbarte, angemessene Aufwandsentschädigung. Abbildung 51 verdeutlicht den Prozess.
Pharmacon
Anonymisierte
Weiterleitung
Expertenpool
Datenbank?
Medizinische
Fragestellung
Arzt
Nein
Ja
Beantwortung
Abbildung 51: Prozess Medizinischer Beratungsservice der Pharmacon GmbH
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte Med.
Beratungsservice August 2011.
Die Konfiguration betreffend, nimmt das Unternehmen eine zentrale Position bei der
Leistungserbringung ein. Die Fragen gehen schriftlich oder bei einer zentralen
kostenlosen Hotline telefonisch bei Pharmacon ein, werden von einer wissenschaftlichen
Mitarbeiterin gesichtet und an weitere interne medizinisch-wissenschaftliche Mitarbeiter
im Haus weitergeleitet. Diese beurteilen, prüfen und anonymisieren die Frage des
Arztes. Hierbei findet auch ein Gegencheck mit der eigenen bestehenden Datenbank
statt, die bereits Antworten zu zahlreichen Fachfragen enthält. Viele der Anfragen
können mittlerweile über diese Datenbank aufgrund der langfristigen Durchführung der
IL beantwortet werden. Existiert keine Antwort, wird die Frage sofort ohne Nennung
des Arztnamens an den geeignetsten Experten weitergeleitet. Dieser ist angehalten,
eine ausführliche Antwort innerhalb weniger Tage schriftlich an das Unternehmen
zurück zu schicken. Der Fragesteller bleibt also anonym und hat keinen Gesichtsverlust
zu befürchten. Die ausführlichen Antworten der Experten werden anschließend mit
dessen Nennung an den anfragenden Arzt gesandt, so dass dieser zeitnah eine Antwort
erhält und somit im Praxisalltag professionell unterstützt wird. Die Antworten sind mit
ein bis zwei Seiten inkl. Literaturangaben zur wissenschaftlichen Fundierung überschaubar gehalten. Die Vorauswahl der Fragen führt wiederum zu einer besseren
Zusammenarbeit der Kooperationspartner. Durch die langjährige Zusammenarbeit
haben die Experten das Vertrauen gewonnen, dass das Unternehmen als Filter fungiert
und nur sinnvolle Fragen weiterleitet.
Themen, welche für die Allgemeinheit der Ärzte von Interesse sein können, werden in
einer quartalsweise erscheinenden Zeitschrift publiziert. Hierbei fungiert das Unternehmen als Herausgeber, während die Fachredaktion ebenfalls bei einem der führenden
medizinischen Experten liegt. Mit einem weiteren Leistungsbestandteil im Rahmen der
Zeitschrift spricht Pharmacon Bedürfnis B der Ärzte an. So enthält jedes Heft einen
5.2 13.12.13 16:38 Seite 134
134
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
CME-zertifizierten Fragebogen. Füllt der Arzt diesen aus und sendet ihn ein, kann er
zwei CME-Punkte pro Heft erhalten. Allein diese Zeitschrift trägt somit zu einer regelmäßigen Fortbildung bei und kann im Laufe von 5 Jahren 40 der zu generierenden 250
Fortbildungspunkte beisteuern.
Diese Zeitschrift dient gleichzeitig zur Kommunikation der IL für das Unternehmen.
In jeder der quartalsweise verschickten Zeitschriften sind die Kontaktdaten angegeben,
über welche die Ärzte Fragen stellen können. Sie stellt einen der wichtigsten
Kommunikationskanäle dar, mit dem Pharmacon vor allem seine übergeordnete
Kompetenz als medizinischer Experte unterstreichen möchte. Aus diesem Grund wird
sie mit einer Auflage von ca. 10.000 Stück auch an sämtliche niedergelassene Kinderund Jugendärzte, die komplette Zielgruppe des Unternehmens, versandt. Ausgenommen
sind lediglich Ärzte, die einem Erhalt der Zeitschrift ausdrücklich widersprochen haben.
Eine weitere Unterteilung der Zielgruppe bezüglich einer differenzierten Ansprache
findet demnach nicht statt.
Die Nennung der beteiligten Experten in der Zeitschrift dient dazu, die Glaubwürdigkeit
zu steigern. Die komplette IL ist gemäß der IM Definition mit Unternehmenslogo als
Absender, jedoch ohne Bezug zu den eigenen Produkten, gestaltet. Präparate werden
generell nur im Zusammenhang mit direkten medizinischen, therapeutischen Fragen
erwähnt und strikt ohne werblichen Charakter. Diese Trennung ist fester Bestandteil
der Marketingphilosophie des Unternehmens zur Steigerung der Glaubwürdigkeit.
Durch produktneutrale Fortbildungen entsteht Vertrauen, welches wiederum auf die
Kernprodukte abstrahlt. Daher wird „Druckwerbung“ bei Fortbildungen unterbunden
und großer Wert auf neutrale wissenschaftliche Vorträge gelegt.
In Bezug auf die Kommerzialisierung der IL geht also das Unternehmen von einem
Übertragungseffekt aus. Da die IL einen der Hauptbestandteile des Marketingmix
darstellt, verfügt diese offensichtlich über einen sichtbaren Einfluss auf die Umsatzsteigerung. Dem Unternehmen gelingt es offensichtlich durch die offene und bedürfnisorientierte Vorgehensweise im Umgang mit den Kunden, ohne einen direkten Produktbezug und damit ohne aktiven Verschreibungsdruck, sicherzustellen, dass die
Einhaltung der eigenen Integrität vom Arzt positiv wahrgenommen wird. Dies wirkt sich
wiederum positiv auf die Wahrnehmung der Leistungen des Unternehmens aus.
Zunächst führt dies zur wiederholten Inanspruchnahme der IL. So nimmt die Zahl der
Arztpraxen, welche die IL nutzen, über die Jahre zu. Ebenfalls steigt im gleichen Maße
die Anzahl gestellter Fragen. Bezogen auf alle kinder- und jugendärztlichen Praxen
in Deutschland reicht die Anzahl gestellter Fragen pro Praxis von 0 bis 80 seit der
Einführung der IL. Die meisten Praxen stellen dabei zwischen 5 und 10 Anfragen. Im
gleichen Maße steigt die Intensität der Kundenbeziehung.
Die Kommerzialisierung des medizinischen Beratungsservices an sich steht nicht im
Vordergrund. Für sämtliche IL werden keine Preise als Gegenwert verlangt. Obwohl
auch dem Unternehmen eine tendenzielle Zahlungsbereitschaft von den Ärzten angedeutet wird, verfolgt es bewusst die Strategie, Serviceleistungen, soweit gesetzlich
5.2 13.12.13 16:38 Seite 135
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
135
möglich, kostenlos anzubieten. Das Unternehmen setzt stärker auf die langfristige
Etablierung eines positiven Images bei den Ärzten. Dies führt nach Einschätzung der
Manager unter Beibehaltung der hohen Qualität der IL auch zu positivem WOM und,
wie oben beschrieben, zu einem möglichen Übertragungseffekt. Dass dieser unter Einhaltung der zuvor beschriebenen Voraussetzungen existiert, wird sowohl von Aussagen
der befragten Pharmamanager als auch der Ärzte angenommen. Die steigende
Zustimmung zum Unternehmen korreliert mit der positiven Umsatzentwicklung, wie
man anhand der Ergebnisse bei der Verleihung der Goldenen Tablette vermuten kann.
Jedoch ist es nicht möglich die konkrete Verschreibung direkt auf die Inanspruchnahme
der IL zurückzuführen, da Verschreibungsdaten auf Arztebene nicht vorliegen.455 Ein
Erklärungsansatz für die Wirkweise dieses Übertragungseffektes erfolgt nach der
Darstellung der Wahrnehmung der IL durch die Ärzte in Kapitel 5.1.3.4.
Ein weiterer wichtiger Baustein für die Kommerzialisierung ist die Effizienz der IL, also
mit welchem Mitteleinsatz die Kundenwertsteigerung erreicht wird. Folgende Kostenblöcke fallen im Rahmen der Leistungserstellung an, für welche konkrete Zahlen
allerdings nicht zugänglich sind:
•
Aufwandsentschädigung für Experten,
•
Personalkosten beteiligter Mitarbeiter sowie
•
Druck- und Versandkosten für die quartalsweise erscheinende Zeitschrift.
Die langfristige Ausrichtung der IL hat einen kostensenkenden Effekt, da die Datenbank
fachlicher Antworten fortlaufend wächst und Fragen somit direkt ohne Einbindung
weiterer Experten beantwortet werden können. Die nachhaltige und langfristige Ausrichtung der IL ist zudem eine effektive Absicherung gegen mögliche Nachahmer,
welche zunächst die kritische Masse in Bezug auf Bekanntheitsgrad und Anfragen
erzielen müssen, um dieses Erfolgsmodell zu kopieren. Aus Sicht der befragten Manager
ist daher bei IL dieser Art erfolgsentscheidend „First-to-market“ zu sein, um einen
Vorsprung auf Nachahmer herauszuarbeiten.
5.1.2.2 Gestaltungsfaktoren „Praxisrelevante Fortbildung“
Die zweite auf Kontinuität ausgelegte indikationsspezifische IL umfasst ein bundesweites Fortbildungsprogramm für niedergelassene Ärzte der Kinder- und Jugendmedizin.
Thematisch umfassen die Fortbildungen medizinisch-wissenschaftliche Themen der
Pädiatrie, welche für die Ärzte praxisrelevant sind. Die IL richtet sich demnach stärker
an „Bedürfnis B“ aus, deckt jedoch auch in zweiter Linie „Bedürfnis A“ ab.
Die Konfiguration der IL umfasst Fortbildungen unterteilt in Symposien und Seminare.
455
Vgl. Wallenstein/Ziegler/Kreid 2006, S. 450.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 136
136
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Praxisrelevante
Fortbildungen
Regionale Seminare
20 x jährlich
ca. je 100 Teilnehmer
Fach-Symposien
2 x jährlich
ca. je 1000 Teilnehmer
Abbildung 52: Aufteilung der praxisrelevanten Fortbildungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pharmacon Interne Unternehmenspräsentation
2011 (unveröffentlichtes Dokument)
Entsprechend der vorgestellten Zeitschrift sind die Veranstaltungen zertifiziert, so dass
Ärzte für die Teilnahme CME Punkte erhalten. Laut Aussage der Experten handelt
es sich dabei mittlerweile um eine Basisanforderung, um Fortbildungen platzieren zu
können. Als Voraussetzung für die Zertifizierung und damit Vergabe der CME-Punkte
sind die Vorträge absolut produktneutral gehalten. Die Verknüpfung der IL erfolgt
lediglich zum Unternehmensnamen, insbesondere über die persönliche Begrüßung und
Verabschiedung der Teilnehmer durch Geschäftsführer und Führungskräfte.
Die Organisation der Veranstaltungen ist mit inhaltlichem Schwerpunkt auf wissenschaftlichen Themen möglichst straff gehalten. Zwar wird auch Wert auf die Interaktion
der Ärzte untereinander, der Ärzte mit den Referenten als auch mit Mitarbeitern
des Unternehmens gelegt. Ziel ist es jedoch den Teilnehmern in der zur Verfügung
stehenden Zeit ein Maximum an Wissen durch qualitativ hochwertige Vorträge zu vermitteln und Zeit nicht durch zu lange Pausen zu verlieren.
Über diesen funktionalen Nutzen hinaus, legt das Unternehmen bei dieser IL auch Wert
auf weitere Nutzenkategorien, mit denen vor allem übergeordnete persönlichkeitsorientierte Bedürfnisse angesprochen werden. So wird Wert auf ein angemessenes
attraktives Ambiente der Veranstaltung (experiental value) und eine intensive persönliche Betreuung der Teilnehmer vor und während der Veranstaltung (symbolic value)
gelegt. Die persönliche Betreuung beginnt mit der Anmeldung des Teilnehmers zu der
Veranstaltung. Er ist rechtlich dazu verpflichtet für die Anreise und Unterkunft selbst
aufzukommen. Das Unternehmen stellt jedoch vorverhandelte Kontingente zur Verfügung, so dass sich der Arzt mit der Anmeldung zur Fortbildung auch für ein Hotel
einschreiben kann. Das Unternehmen übernimmt die Koordination mit dem Hotel.
Vor Ort ist ein spezielles Kongresssekretariat eingerichtet, dass eine persönliche
Begrüßung und Betreuung der Teilnehmer garantieren kann und sich um die Belange
der Ärzte kümmert.
Der hohe Anspruch an die Qualität der IL ist in diesem Fall eng verbunden mit der
Qualität und Glaubwürdigkeit des Referenten. Dies wird als erfolgsrelevant gesehen.
„Das ist ein essentieller Bestandteil [für den Erfolg], diese Glaubwürdigkeit [des
Referenten].“
5.2 13.12.13 16:38 Seite 137
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
137
Bezüglich der benötigten Kompetenz sollen Referenten neben der fachlichen Qualifizierung und Expertise, methodischen Fähigkeiten, wie einer guten Didaktik und für den
Zuhörer „verdaulichen“ Präsentationsweise, auch über eine ausgewiesene Neutralität
verfügen. Das Management geht von einer hohen Bedeutung dieser Neutralität des
Referenten in Bezug auf Unternehmen und Produkte für die Glaubwürdigkeit aus. Da
das Unternehmen selber die Kompetenz in Verbindung mit wahrgenommener Neutralität nicht erbringen kann, werden insbesondere Referenten als Kooperationspartner
bevorzugt, welche für ihre neutrale Vortragsweise und kritische Einstellung gegenüber
der Pharmaindustrie bekannt sind. Aus Unternehmenssicht verfügen diese Kooperationspartner somit über „Expertenkompetenz“, „Reputation“, „Unabhängigkeit“ und
dadurch auch über „Vertrauenswürdigkeit“ sowie „Glaubwürdigkeit“. Zudem geht
das Management davon aus, dass eine eher kritische Haltung der Referenten einen
positiven Einfluss auf dessen „Sympathie“ bei den Teilnehmern hat.
Die Kommunikation dieser IL verläuft adäquat zur ersten dargestellten Leistung per
Mailing an alle Ärzte der Zielgruppe. Eine Unterscheidung nach Ärztetypen findet nicht
statt. Während die Symposien Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet ansprechen, sind die Seminare regional organisiert. Fünf der zwanzig regionalen Seminare
finden am Firmensitz des Unternehmens statt. Wie das Beratungsangebot, richtet sich
diese IL ebenfalls an alle Kinderärzte und damit potenzielle Kunden.
Entsprechend dem „Medizinischen Beratungsservice“ liegt auch der Fokus bei der
dieser IL nicht auf deren direkter Kommerzialisierung. Das Unternehmen trägt kodexkonform die Kosten für die reine wissenschaftliche Veranstaltung, während die Teilnehmer Anreise und Übernachtung selber bezahlen. Die wissenschaftliche Fortbildung
an sich ist für Ärzte kostenlos. Zwar äußern Ärzte eine Zahlungsbereitschaft, der
angegebene Preis wäre jedoch bei weitem nicht kostendeckend. Zudem reduziert ein
Preis auch in Höhe von nur 50 Euro die wahrgenommene Differenz des KV und hat
somit möglicherweise negative Auswirkungen auf den weiteren Prozess.
Ein direkter quantifizierbarer Nachweis des Übertragungseffektes bei teilnehmenden
Ärzten auf die Verschreibung ist nicht möglich, da trotz 1.000 Teilnehmern beim
Symposium der Verdünnungseffekt auf die gesamte Zielgruppe zu groß ist. Qualitative
Äußerungen in geführten Gesprächen lassen jedoch diesen Zusammenhang vermuten,
solange die Vorrausetzungen in Bezug auf Rechtslage und Arzneimittelqualität gegeben
sind, also dass es sich bei der Kernleistung auch um ein optimales Präparat handelt.
Bei den Teilnehmern handelt es sich mittlerweile aufgrund der langfristigen Ausrichtung
der IL weniger um Neukunden, sondern um Ärzte, welche die Leistungen seit Jahren
in Anspruch nehmen. Sie haben somit persönlich positive Erfahrungen mit der IL
gesammelt. Das Ergebnis ist eine gesteigerte Kundenloyalität.
5.1.2.3 Akzeptanz der indirekten Leistungen bei Pharmacon
Aus dem Aufbau des Marketingmix bei der Pharmacon wird deutlich, dass IM in diesem
Unternehmen über einen sehr hohen Stellenwert verfügt. Diese kundenorientierte, langfristig angelegte Geschäftspolitik wird, obwohl keine direkten Erfolgsnachweise erbracht
werden können, sowohl von Seiten der Geschäftsführung…
5.2 13.12.13 16:38 Seite 138
138
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
„Ich kann es [die Wirkung] nicht beweisen und würde wahrscheinlich, wenn ich mich
vor einem Aufsichtsrat rechtfertigen müsste, Schwierigkeiten haben, mein Tun zu
erklären und zu rechtfertigen. Aber da wir einen Inhaber haben, der an das Konzept
glaubt, machen wir das so weiter.“
…als auch von Seiten der Mitarbeiter getragen.
„Wir verstehen uns als Dienstleister, als Serviceabteilung. Jemand der in dieser
Serviceabteilung arbeitet, der muss auch diese Denke haben, dieses Gefühl für die
Dienstleistung.“
Die Unternehmenskultur ist demnach, im Hinblick auf die Akzeptanz von IM, als positiv
zu beurteilen.
Der implizite Produktbezug der IL ist zumindest bei den beiden dargestellten indikationsbezogenen Leistungen gegeben. Da das Portfolio des Unternehmens sich über
zahlreiche Indikationen der Pädiatrie erstreckt, fallen viele der wissenschaftlichen
Themen innerhalb der Seminare und der erscheinenden Zeitschrift in die Bereiche, in
denen das Unternehmen aktiv ist. Weiterhin handelt es sich bei beiden Leistungen um
medizinisch-wissenschaftliche Themen der Pädiatrie, so dass das Unternehmen eine
übergeordnete Kompetenz in diesem Bereich etablieren kann.
Die Leistungen sind, wie dargestellt, sehr genau auf die Bedürfnisse der Zielgruppe
Pädiater abgestimmt und verfügen somit über eine ausgeprägte Fokussierung.
Gleichzeitig ist eine hohe Frequentierung der IL gegeben. Seit über zehn Jahren
werden die Leistungen regelmäßig mit gleichbleibend hoher Qualität angeboten, so
dass von einem großen Bekanntheitsgrad der IL bei den angesprochenen Kunden auszugehen ist. In Übereinstimmung mit der Unternehmenskultur fördert diese Kontinuität
der Leistungserbringung die Akzeptanz der kundenorientierten Politik mit Instrumenten
des IM bei den Mitarbeitern.
Ein hoher Innovationsgrad kann laut Erkenntnissen der explorativen Phase kontraproduktiv für die Akzeptanz im Unternehmen sein und auf Ablehnung stoßen. In der
vorliegenden Fallstudie ist jedoch ersichtlich geworden, dass gerade dieser anfängliche
Innovationsgrad im Marketing und in Bezug auf das Geschäftsmodell des Unternehmens den Erfolg bedingt. Allerdings verfolgt das Unternehmen eine langfristige,
nachhaltige Strategie, so dass die IL, welche den Erfolg zu bringen scheinen, auch
bereits über zehn Jahre im Markt sind. Die Innovation hat sich mittlerweile bewährt, so
dass die mögliche anfängliche Kritik verflogen ist. Im Vergleich zum Marketing
der anderen Pharmaunternehmen ist dieses Vorgehen dennoch als sehr innovativ
einzustufen.
Ebenso ist die Einschätzung der Rentabilität des IM positiv, wie aus den aufgeführten
Aussagen und der anhaltenden Umsatzsteigerung erkenntlich wird. Insbesondere da
das Unternehmen auf weitere Ausgaben zur Verkaufsförderung, wie einen eigenen
Außendienst verzichtet, ist die Rentabilität im Verhältnis zu Pharmaunternehmen
mit dem üblichen Geschäftsmodell als sehr positiv einzustufen. Die hier dargestellten
Leistungen sind somit ein Beleg für die Wirksamkeit gut organisierter und geplanter IL.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 139
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
139
In Summe ergibt sich folgendes Bild in Bezug auf die Akzeptanz von IM im Unternehmen, welches eine sehr gute Basis für eine erfolgreiche Umsetzung darstellt.
Unternehmens- Impliziter
InnovationsUnternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Fokussierung
Frequentierung
Rentabilität
kultur Innovationsgrad
Produktbezug Rentabilität
grad
Frequentierung
Med.
Med.
Beratungs-service/
Beratungsservice/
Fortbildungen
Fortbildungen
•
• • • • •
Tabelle 25: Akzeptanz der indikationsspezifischen IL bei Pharmacon
Quelle: Eigene Darstellung
5.1.3 Wahrnehmung und Wirkung der indirekten Leistung
Im folgenden Kapitel wird dargestellt, wie Ärzte die konkrete IL in Bezug auf die hergeleiteten Beurteilungskriterien und Wertekategorien wahrnehmen und welche Auswirkungen dies auf die Beurteilung des KV mit sich bringt. Des Weiteren wird die Wirkung
der IL aus Sicht des Arztes auf Kundenloyalität, Zahlungsbereitschaft und Verschreibungsverhalten untersucht. Da es sich bei der Fallstudie zu IM bei Pharmacon um die
„Best Case“ – Fallstudie handelt, fließen insgesamt sechs Interviews mit Ärzte-Experten
ein, wie unter Kapitel 3.3.2 vorgestellt. Alle befragten Ärzte haben beide IL beansprucht.
Um ein vollständiges Bild der Wahrnehmung und damit auch Wirkung beider IL des
Unternehmens zu generieren, erfolgt daher eine gemeinsame Auswertung und
Darstellung im folgenden Kapitel.
5.1.3.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
Zunächst werden die Beurteilungskriterien zur Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle beleuchtet.
Wahrnehmung der Unabhängigkeit
Die befragten Ärzte betonen die Bedeutung der Unabhängigkeit auch im Hinblick auf
die Glaubwürdigkeit.
„Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas zu stark gefärbt ist, dann glaubt man irgendwann den Inhalt auch nicht mehr.“
Ihnen ist zwar bewusst, dass Unternehmen als Wirtschaftsbetriebe Leistungen nicht
zum Selbstzweck anbieten. Gerade deshalb ist jedoch die Unabhängigkeit der IL
bezüglich Produktbezug sowie Wahrung der Integrität von großer Bedeutung.
Pharmacon erfüllt diese Anforderung in beide Richtungen. In Übereinstimmung mit
der Beschreibung der Pharmamanager werden die Veranstaltungen als werbefrei
wahrgenommen. Ebenso fühlen sich teilnehmende Ärzte in keiner Hinsicht in ihrer Integrität oder in ihrer Therapiehoheit beeinträchtigt. Die Aussage eines teilnehmenden
Arztes unterstreicht, dass die Teilnehmer „mit einem vollkommen freien Gefühl, nicht
beeinflusst oder indoktriniert zu werden“ an der Veranstaltung teilnehmen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 140
140
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Ebenso wird die Unabhängigkeit der Informationsquellen, also der Referenten auf den
Kongressen und der Anfragen-beantwortenden Experten, als positiv eingestuft,
da diese sich offen, ehrlich positiv wie negativ äußern und somit einen unbeeinflussten
Eindruck hinterlassen. Die unabhängige Wahrnehmung resultiert auch insbesondere
aus kritischen Äußerungen der Referenten gegenüber der Präparate des Unternehmens.
Gemäß der Äußerungen der befragten Ärzte, welche die IL der Pharmacon GmbH in
Anspruch genommen haben, ist die wahrgenommene Unabhängigkeit der IL vom Kernprodukt, die gesicherte Integrität der Ärzte als auch der Informationsquelle positiv zu
bewerten.
Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit
Die beschriebene Unabhängigkeit stellt in den Augen der befragten Ärzte die Objektivität
des Senders sicher. So werden bei den IL, wie den wissenschaftlichen Vorträgen,
bewusst Vor- und Nachteile thematisiert. Die Präsenz und Ansprechbarkeit des
Managements auf den Kongressen, sowie die Möglichkeit kostenlos telefonische
Anfragen zu stellen, prägen die wahrgenommene Aufrichtigkeit des Unternehmens aus
Perspektive der Ärzte. Das Gefühl, dass man mit Leuten zu tun hat, mit denen man
reden kann, verstärkt laut der befragten Ärzte die Vertrauenswürdigkeit.
Der direkte, persönliche Kontakt mit Personen, die über eine hohe wahrgenommene
Expertenkompetenz verfügen, stärkt zudem die Vertrauenswürdigkeit. Die Kooperation
mit externen medizinischen Experten im Rahmen der IL, wie Chefärzten oder
Universitätsprofessoren, welche über ein tiefes und breites Wissen zu Therapieoptionen
verfügen und auch Alternativen objektiv bewerten können, wirkt sich positiv auf die
Vertrauenswürdigkeit aus.
Die Informationsquellen in Form der Unternehmensrepräsentanten sowie der externen
Experten verfügen gemäß der Auskünfte über eine hohe Vertrauenswürdigkeit, da sie
als objektiv und aufrichtig wahrgenommen werden und die Integrität der Ärzte nach
deren eigener Ansicht bewahren.
Wahrnehmung der Expertenkompetenz
Die Einbeziehung hochkarätiger Referenten bei den Kongressen als auch des Expertenpools bei dem medizinischen Beratungsservice führt zu einer hohen wahrgenommenen
Expertenkompetenz bei den Ärzten. Diese sind von der Qualität der IL des Unternehmens aufgrund der hohen Kompetenz der Wissensvermittler, auch im Hinblick auf
die wissenschaftliche Tiefe und Breite, überzeugt. Wären die Vorträge zu eng um ein
bestimmtes Therapiegebiet gestrickt, hätte dies hingegen vermutlich negative Auswirkungen auf Arztseite. Einer der befragten Ärzte beschreibt die IL als „super System
mit wirklich ausgezeichneten Referenten“ und hervorragend aufgearbeiteten Inhalten.
Der Anspruch des Unternehmens an eine gleichbleibend hohe Qualität dieser indikationsspezifischen IL durch die herausragende Kompetenz der Experten wird gemäß
der geführten Gespräche bei den Ärzten auch so wahrgenommen und führt zu einer
sehr hohen Akzeptanz bis hin zu Begeisterung für die IL.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 141
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
141
Die sehr hohe wahrgenommene Expertenkompetenz der IL wird durch die hochkarätigen
externen Kooperationspartner transportiert und weniger durch die Repräsentanten des
Unternehmens. Ein Unternehmen muss demnach nicht selbst über alle Kompetenzen
verfügen, sondern kann die durch externe Partner generierte positive Wahrnehmung
einer IL gemäß der Attributionstheorie auf sich verbuchen. So verbinden die Ärzte das
positive Erlebnis nicht mit dem jeweiligen Referenten, sondern mit dem Unternehmen
als Organisator bzw. Veranstalter der IL.
Wahrgenommene Reputation
Die ausgezeichnete Reputation des Unternehmens als Informationsquelle, welche
bereits durch die jährlichen Auszeichnungen mit der Goldenen Tablette belegt wird,
bestätigt sich auch in den Interviews mit teilnehmenden Ärzten. Bei der Bedeutung der
Reputation eines Unternehmens unterscheiden die Ärzte jedoch deutlich zwischen der
Wahl von Arzneimitteln und die Inanspruchnahme von IL. Bei Arzneimitteln stehen, wie
bereits vorne erläutert, funktionale Qualitätsaspekte absolut im Vordergrund.
„[…] wir verschreiben Medikamente und wissen gar nicht wer es herstellt. Also ich
könnte bei vielen Sachen gar nicht sagen, von wem es kommt. Aber wenn man dann
ein sehr gutes Medikament hat, da ist die Reputation sekundär. Weil entscheidend ist,
dass das Medikament wirklich sehr gut ist.“
Wohingegen bei IL die Reputation des Unternehmens durchaus eine Rolle bei der
Inanspruchnahme spielt. Die Reputation von Pharmacon und dessen IL sind bei der
Zielgruppe aufgrund der anhaltenden hochwertigen Qualität durch bedürfnisorientierte
Ausrichtung sehr hoch.
„Die [die Organisation] ist absolut auf Spitzenniveau. Das klappt nirgends so gut wie
bei denen.“
Die Erwartung der Teilnehmer wurde laut eigener Aussage jedes Mal erfüllt, so dass
eine positive Reputation sowie WOM und Kundenloyalität entstehen können.456
Wahrgenommener Sympathiegrad
Sympathie ist zunächst im Bewusstsein der Ärzte nicht ausschlaggebend für die Inanspruchnahme der IL. Nach vertiefender Diskussion relativiert sich diese Sichtweise
jedoch.
„Es ist natürlich so, dass der Sympathiefaktor bei uns Menschen immer eine große
Rolle spielt. Wenn ich die jetzt von Grund auf unsympathisch finde, dann nimmt man
da nicht so gerne Informationen an.“
456
Vgl. theoretische Erkenntnisse aus Kapitel 2.2.4, S. 63.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 142
142
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Die Sympathie für Pharmacon und die direkten Kontaktpersonen ist sehr ausgeprägt.
Dies ist vor allem auf den persönlichen Kontakt und die offenen Gespräche zurückzuführen, welche im Rahmen der IL direkt auch mit Führungskräften geführt werden
können. Die weiteren Aktivitäten des Unternehmens, wie die Unterhaltung eines
betriebseigenen Kindergartens, werden zudem als positiv und sympathiefördernd wahrgenommen. Den größten Beitrag zur Steigerung der Sympathie liefern jedoch die
positiven eigenen Erfahrungen bzw. Äußerungen der Kollegen zu den IL des Unternehmens.
„Also Sympathie entsteht auch durch Inhalte”.
Gemäß dieses Arztes entsteht die Sympathie mit den Menschen vor Ort über diese
Übereinstimmung der inhaltlichen Interessen sowie der emotionalen, psychologischen
Vorurteilsstruktur.
In Summe ergibt sich ein optimales Bild der Wahrnehmung der Beurteilungskriterien
für die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle.
Unabhängigkeit
Med.
Beratungsservice/
Fortbildungen
•
Vertrauenswürdigkeit
•
Expertenkompetenz
Reputation
•
•
Sympathiegrad
•
Tabelle 26: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit
der Informationsquelle bei Pharmacon
Quelle: Eigene Darstellung
5.1.3.2 Wahrnehmung der Qualität
Im folgenden Kapitel werden die wahrgenommenen Werte-Arten und deren Quellen
anhand des beschriebenen Rasters dargestellt, welche die IL der Pharmacon GmbH
in den Augen der befragten Ärzte liefern. Ob ein Wert einen Nutzen generiert, hängt
von dessen Passgenauigkeit auf die Bedürfnisse ab und dessen persönlicher Relevanz
für den Arzt. Die Bewertung der persönlichen Relevanz erfolgt im nächsten Kapitel. Es
wird dabei unterstellt, dass Werte, die nicht aus den Gesprächen hervorgehen, nicht
bewusst wahrgenommen werden. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass diese
generell nicht wahrgenommen werden, über keine ausreichende Relevanz verfügen
oder zumindest als Basisanforderung nicht erwähnenswert erscheinen. Daher fließen
ausschließlich Werte in die Analyse ein, welche aktiv genannt wurden. Bietet die IL aus
Sicht des Anbieters weitere Werte, werden diese dennoch nicht aufgeführt, wenn sie
aus den geführten Gesprächen nicht hervorgehen.
Die detaillierte Auflistung der Werte-Nennungen befindet sich im Appendix A. 10. Im
Folgenden werden die wichtigsten Werte-Arten und -Quellen erläutert.
„Medizinischer Beratungsservice“
Die wahrgenommenen Werte-Arten konzentrieren sich auf funktionale und symbolische
Werte. „Erlebniswelten“ spielen aufgrund der vornehmlich telefonischen Leistungserbringung aus Sicht der Ärzte keine Rolle bzw. wurden nicht erwähnt.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 143
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
143
Der funktionale Wertekern der IL ist die individuelle Beantwortung von medizinischen
Fachfragen. Ärzte, die sich als Einzelkämpfer verstehen, haben so die Möglichkeit
Auskünfte zu komplexen Themen einzuholen. Wichtige symbolische Werte aus dem
Bereich der „Interaktionen“ sind die Gewährleistung der Anonymität, sowie die Beantwortung der Fragen durch anerkannte Experten. Deren Glaubwürdigkeit aufgrund
ihrer guten Reputation und Expertenkompetenz vermittelt den Ärzten Sicherheit, so
dass sie sich auf die Antworten verlassen können. Wichtig ist in ihren Augen zudem
die garantierte Anonymität. Wäre diese nicht gewährleistet, würde die Befürchtung
eines möglichen Gesichtsverlustes als medizinischer Experte vorherrschen.
Bezüglich der wahrgenommenen Werte-Quellen spielt „Information“ in Form von
Werbung, PR oder Produktinformationen fallstudienübergreifend keine Rolle. Dienstleistungen, welche als Inhalt z. B. Fachinformationen zu Therapieoptionen transportieren,
fallen hier unter den Bereich „Produkt-/Dienstleistungseigenschaften“. Diese stellt
gleichermaßen die Hauptquelle für funktionale Werte dar. Das „Umfeld der Leistungserbringung“ ist in diesem Fall die eigene Praxis. Dieses wird jedoch nicht als WerteQuelle wahrgenommen. „Prozesse der Eigentumsübertragung“ stellen die Quelle für
den Wert „Zeitnahe Beantwortung der Frage“, also Schnelligkeit, dar. Dabei handelt es
sich ebenfalls um einen funktionalen Wert. So ist es dem Arzt möglich, im eigenen
Praxisalltag ohne allzu große Unterbrechung zu agieren. Würde die Beantwortung zu
viel Zeit in Anspruch nehmen, könnte dies unter Umständen wieder negative Folgen
für die eigene Wahrnehmung bei Patienten haben.
„Praxisrelevante Fortbildungen“
Bei dieser IL finden sich Werte-Arten aller drei Kategorien wieder.
Funktionale Werte generieren sich aus den „Produkt-/Dienstleistungseigenschaften“
als auch aus den „Interaktionen“. Die befragten Ärzte schätzen dabei insbesondere die
auf die zentralen pädiatrischen Themen und damit zielgruppenspezifische Aufbereitung
der Inhalte der Tagesveranstaltungen. Dass diese im Rahmen der Veranstaltung durch
Seminararbeit und Gespräche gefestigt werden, stellt zudem sicher, dass man „wirklich
etwas mitnimmt“. Ausdrücklich hervorgehoben wird das exakte Zeitmanagement der
Veranstaltungen. Ohne jegliche Überziehung können Ärzte somit ihre als knapp wahrgenommene Zeit optimal nutzen. Die Konstanz und Frequenz in der das Unternehmen
diese Fortbildungen anbietet, ist in den Augen der Interviewpartner einmalig und kreiert
damit unter Beibehaltung der hochwertigen Qualität über den Faktor Zeit einen klaren
Wettbewerbsvorteil.
„Es gibt niemanden, der in so einer Konstanz und Regelmäßigkeit solche Sachen
macht, wie Pharmacon.“
Im Gegensatz zur ersten IL liefern die Fortbildungen auch Werte aus dem Bereich
Erlebniswelten. Die Auswahl von Referenten, welche sowohl fachlich als auch methodisch versiert sind, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen und zu halten,
zahlt sich demnach bei der Wertegenerierung aus. Die als familiär wahrgenommenen
Interaktionen, bedingt durch den unkomplizierten, „sehr persönlichen“ Umgang mit
Eigentümern und Managern der Firma, steigern das Vertrauen zum Anbieter und
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144
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
fördern ein positives „Wohlfühlklima“. Die IL wird zudem als Plattform zum Austausch
mit Kollegen genutzt. Sie bietet die Möglichkeit für Ärzte, ihre beruflichen Netzwerke
zu pflegen und sich zu wissenschaftlichen Themen kollegial auszutauschen.
Für einen Teilnehmer spielt auch der Spaß daran, wissenschaftliche Hintergründe
aufzufrischen und mit „ein paar Kollegen darüber zu sprechen“ und Erfahrungen
auszutauschen, eine große Rolle.
Werte aus dem „Umfeld der Leistungserbringung“ werden zwar wahrgenommen, aber
stellen eher Hygienefaktoren dar. Diese betreffen das Ambiente und die Bewirtung. Die
funktionalen Inhalte der Veranstaltung werden höher gewichtet, so dass das Umfeld
als sekundär eingestuft wird. Die Einschätzung beider Werte ist dennoch positiv, so
dass sie zu der allgemein sehr guten Bewertung der IL beitragen.
Bei den Fortbildungen werden auch symbolische Werte wahrgenommen. So ist es
für die Ärzte wichtig, dass die IL produktneutral ohne direkte Produktempfehlung in
Richtung der Kernleistung des Unternehmens stattfindet, um so die eigene Integrität
und damit die Therapiehoheit als Arzt zu wahren. Die direkte Interaktion mit dem
Geschäftsführer und den Referenten generiert weitere symbolische Werte. Dieser
persönliche Umgang transportiert Wertschätzung für den teilnehmenden Arzt, der unter
Umständen auch Kunde der Kernleistung des Unternehmens ist und zahlt somit auf
die persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse ein.
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Die langfristige und qualitativ konstante Durchführung der IL führt zu einer sehr positiven Wahrnehmung des Unternehmens. Ärzte, welche bereits die IL in Anspruch
genommen haben, äußern sich sehr positiv und zu diesen hervorragenden „Veranstaltungen zu zentralen pädiatrischen Themen“ an denen die Ärzteschaft gerne teilnimmt.
„Das sind einfach die Spitzenfortbildungen in der Pädiatrie. Ich glaube, das wird fast
jeder so sagen.“
Diese Übereinstimmung mit eigenen positiven Erfahrungen fördert die positive Wahrnehmung und die Wahrscheinlichkeit der Wiederinanspruchnahme und damit Kundenloyalität für die IL.
5.1.3.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Die begeisterten Reaktionen der befragten Ärzte verdeutlichen einen KV als Differenz
zwischen einem hohen wahrgenommenen Nutzen durch hohe persönliche Relevanz
und den wahrgenommenen Kosten. Gemäß der Vorgehensweise unter Kapitel 4.2.2.3
wird analysiert, in welchem Maße die zuvor beschriebenen Werte zur Befriedigung von
praxis- und persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen beitragen und somit persönliche
Relevanz generieren.
Wahrgenommener Nutzen
Die funktionalen Werte beider IL tragen aus Sicht der Ärzte zur Vereinfachung des
Praxisalltags durch Fokussierung auf die praxisbezogenen Bedürfnisse „Unterstützung beim Wissens- und Zeitmanagement“ bei. Sowohl die „praxisrelevanten Fort-
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
145
bildungen“ als auch der „medizinische Beratungsservice“ unterstützen bei der Aufbereitung des medizinischen Fachwissens und ermöglichen es, Wissenslücken und
Unsicherheiten auf Seiten des Arztes zu schließen. Sie tragen zudem direkt und indirekt
zu einer Optimierung des Zeitmanagements der Praxis bei. Durch die direkte „zeitnahe
Beantwortung der Anfragen“ können Ärzte bei Bedarf im Tagesablauf schneller reagieren
und sparen zudem Zeit bei der eigenen Recherche. Hervorzuheben ist der Wert „aufgearbeitete und breite Wissensvermittlung“. Dieser ist dabei sowohl als Beitrag zum
Wissensmanagement als auch als Beitrag zur Befriedigung persönlichkeitsbezogener
Bedürfnisse zu sehen. So ermöglicht diese wissenschaftliche Breite die Wahrung der
Integrität, da dem Arzt ein neutrales Bild der Therapieoptionen aufgezeigt wird und er
somit nicht dem Eindruck einer Beeinflussung unterliegt. Diese praxisbezogenen Werte
tragen dazu bei, das persönlichkeitsbezogene Bedürfnis „ein guter Arzt zu sein“, zu
erreichen.
„Also in der Alltagsarbeit, wenn ich dann einen Patienten habe, bei dem es zu den
bestimmten Erkrankungen kommt, man denkt einfach noch mal ein Stück breiter. Es
fällt einem einfach noch viel mehr ein. Man kann noch mal das probieren oder das
probieren, so dass man das wirklich umsetzen kann. Das ist sehr praxisbezogen.“
Zusätzlich tragen beide IL durch deren Zertifizierung und damit Vergabe von CMEPunkten zur Optimierung des „Praxis- sowie Kostenmanagements“ bei. Durch die
regelmäßige Inanspruchnahme dieser Leistungen können Ärzte einen Großteil ihrer zu
erlangenden Fortbildungspunkte kostenlos erhalten. Allerdings werden die anderen
Werte-Arten als wichtiger eingestuft. Dennoch decken die IL alle vier Bedürfnisbereiche
(WM, ZM, KM, PM) ab.
Die aufgeführten Werte zu den beiden weiteren Kategorien (Symbolisch, Erlebniswelten)
zahlen hingegen direkt auf die persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse ein. Anonymität bei der Beantwortung der Fragen als auch die Produktneutralität ermöglichen es
dem Empfänger, dass er sowohl seine Integrität als Arzt wahrt als auch seinen Ruf als
medizinischer Experte nicht gefährdet sieht. Werte, wie die „Beantwortung der Fragen
durch KOL“, „Direkter Kontakt zu Geschäftsführer“ als auch der vertrauensvolle
aufmerksame Umgang im Umfeld der Veranstaltung werden als Wertschätzung wahrgenommen und befriedigen somit ebenfalls die persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse
zur Verwirklichung des Ziels „ein guter Arzt zu sein“ und als ein solcher wahrgenommen
zu werden.
Die Werte-Arten verfügen über eine qualitativ hochwertige Ausprägung. Deren Kombination
führt somit zu einem hohen wahrgenommenen Nutzen der IL.
„Ja, und das war einfach toll gemacht. Das war in sich überzeugend. Da waren gute
Vorträge. Man hat eine Zeit zu diskutieren. Man hat ein gemeinsames Gespräch. Dann
haben die an den Nachmittagen meistens Seminararbeit, dass man die Sachen gleich
noch mal ein bisschen nacharbeitet, so dass man wirklich etwas mitnimmt.“
Diese Einschätzung eines befragten Arztes bringt den Nutzen der „praxisrelevanten
Fortbildungen“ der Pharmacon GmbH für die Teilnehmer auf den Punkt und verdeutlicht
die persönliche Relevanz.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 146
146
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Wahrgenommene Kosten
Im Verhältnis dazu stehen die wahrgenommen Kosten der IL. Diese beziehen sich zum
einen auf direkte Kosten, z. B. in Form des Preises. Darüber hinaus können die aufgeführten Werte durch ihre Eigenschaften die wahrgenommenen Kosten reduzieren. Die
Zusammenfassung der ermittelten Faktoren, welche einen erkennbaren Einfluss auf
die Kostenwahrnehmung haben, befindet sich im Appendix A. 11. Beide IL haben einen
Einfluss auf alle vier Kostenarten: ökonomischen und psychologischen Kosten, wahrgenommenen Risiken, sowie persönliches Investment.
Die ökonomischen Kosten sind bei beiden IL gering gehalten. Sowohl die Kontaktaufnahme, die individuelle Beantwortung der Anfragen als auch der Erwerb der Zeitschriften mit medizinisch relevanten Fragestellungen sind beim „Medizinischen
Beratungsservice“ für den Arzt kostenlos. Ebenso verhält es sich bei den „praxisnahen
Fortbildungen“. Die Teilnahme an der wissenschaftlichen Fortbildung ist ebenfalls
kostenlos. Lediglich für die Unterkunft fallen Kosten für den Arzt an. Da dies jedoch
durch die gesetzlichen Regelungen bedingt ist, gilt dies unternehmensunabhängig für
alle medizinisch-wissenschaftlichen Fortbildungen.
Das angenehme Ambiente sowie der persönliche, vertrauenswürdige Kontakt zu den
Mitarbeitern steigern die Vertrauenswürdigkeit und wirken somit reduzierend auf die
psychologischen Kosten, indem ein mögliches Spannungsfeld bei der Wahrnehmung
vermieden wird. Hierzu tragen auch die als glaubwürdig wahrgenommenen Informationsquellen in Form der Referenten und medizinischen Experten bei. Die Expertenkompetenz, welche ihnen von den Empfängern zugesprochen wird, reduziert wiederum
deren psychologisches Risiko. Im Fall des Beratungsservices werden psychologische
Hürden zudem durch die Vereinfachung der Kontaktaufnahme, die Kontinuität und
Vermeidung möglicher Stressfaktoren reduziert.
Beide Leistungen tragen gleichermaßen zur Reduktion des persönlichen Investments
bezüglich Zeit und Aufwand zur Wissensgenerierung bei. Die wahrgenommene Produktneutralität und gute, thematisch breite Aufbereitung der wissenschaftlichen Themen
fördert dabei die Akzeptanz. Die gleichzeitige Vergabe von CME-Punkten durch Teilnahme an beiden IL, ermöglicht zudem eine Reduktion des für das Qualitätsmanagement der Praxis anfallenden Investments.
In Summe tragen all diese kostenreduzierenden Faktoren dazu bei, das wahrgenommene Risiko bei der Inanspruchnahme dieser IL zu verringern. Weitere Aspekte wie
die langfristige Ausrichtung mit konstanter Qualität, das perfekte Zeitmanagement bei
der Beantwortung der Fragen, sowie die Terminierung der Vorträge steigern das
Vertrauen in die IL und damit in den Anbieter. Das Risiko für einen teilnehmenden Arzt
im Fall einer wiederholten Inanspruchnahme falsch zu liegen und möglicherweise Zeit
und Geld zu verschwenden, wird somit minimiert.
Aufgrund der dargestellten Differenz zwischen wahrgenommenen Nutzen und Kosten
ist von einem hohen KV auszugehen. Einer der befragten Ärzte fasst die Grundstimmung aller zu diesen Leistungen befragten Ärzte zusammen:
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
147
„Ich würde das nicht so begeistert erzählen, das könnte man auch, glaube ich, gar nicht,
wenn man es nicht so wirklich erleben würde.
Das ist schon etwas Besonderes in der Richtung. […] Ich kenne da keinen, der das
nicht kennt oder sagt, nein, da gehe ich nie wieder hin.“
5.1.3.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Kundenloyalität
und Verschreibung
Die Wahrnehmung der beiden IL ist, wie ersichtlich geworden ist, durchweg positiv und
führt zu einem positiven KV. Gemäß den theoretischen Grundlagen des Basismodells
ist durch diesen positiven KV von einer weiterführenden positiven Wirkung auszugehen.
Ein Indikator für die hohe Zufriedenheit der Pädiater mit den erbrachten Leistungen ist
der wiederholte und damit durchgehende Gewinn der „Goldenen Tablette“ seit deren
Auslobung im Fachbereich der Pädiater. Pharmacon gewann diese Auszeichnung bei
Pädiatern zum elften Mal in Folge vor Unternehmen wie GlaxoSmithKline, Pfizer oder
Novartis. Die positive Rückmeldung nimmt jedes Jahr zu und liegt in 2012 bei 60 %
Zustimmung der befragten Pädiater, während keiner der Mitbewerber mehr als 5 %
erreicht.458 Laut der Initiatoren sind die hohe Qualität der Produktleistung, die Innovationskraft des Unternehmens, Service und transparente Informationen als Maßstab für die
bewertenden Ärzte zu sehen.459
Im weiteren Verlauf wird untersucht, welche Wirkung diese Wahrnehmung im Hinblick
auf die erneute Inanspruchnahme der IL hat und ob die unter Kapitel 4.2.2 vorgestellten
Kriterien erfüllt sind, um einen Übertragungseffekt auf die Kernleistung zu ermöglichen.
Kundenloyalität
Die durchweg guten Erfahrungen aufgrund des als hoch wahrgenommenen KV führen
zu einem positiven Image der IL und des anbietenden Unternehmens. Dieser ist
vor allem zurückzuführen auf die Objektivität und Produktneutralität zur Wahrung der
Integrität der Ärzte, als auch dem persönlichen Umfeld der IL. Dies führt wiederum zu
einer wiederholten Inanspruchnahme der IL und damit zur Kundenloyalität hinsichtlich
dieser konkreten Leistungen.
„Klar, weil ich war so oft dort gewesen und ich gehe da sehr gerne hin und da hat man
dann auch den Bezug dazu.“
Zahlungsbereitschaft
In Übereinstimmung mit dem theoretischen Modell unter Abbildung 12 (S. 35) bestätigt
sich anhand der Aussagen der befragten Ärzte ein positiver Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft für die IL. Obwohl beide IL kostenlos angeboten werden, äußern alle
Befragten eine positive Bereitschaft, wie bereits auch von Seiten des Unternehmens
vermutet.
458
459
Vgl. http://www.goldenetablette.de/gewinnerchronik.html, Stand: 08.11.2012.
Vgl. http://www.goldenetablette.de/home/goldene-tablette.html, Stand: 08.11.2012.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 148
148
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
„Also, da würde man sogar was dafür bezahlen, weil das einfach wirklich so gut ist.“
„Alles was sinnvoll ist und mir im Praxisalltag hilft. Warum soll man da nicht ein bisschen
was dafür bezahlen.“
Allerdings ist diese Bereitschaft in Abhängigkeit möglicher Alternativen zu sehen.
Existieren Leistungen, die als gleichwertig wahrgenommen werden, sinkt diese sofort.
Pharmacon gelingt es jedoch, eine exklusive Position in der Wahrnehmung der teilnehmenden Ärzte durch die dargestellte Wertekombination einzunehmen und wird
somit nur schwer austauschbar.
Übertragungseffekt auf Kernleistung
Bevor ein Übertragungseffekt durch IM eintreten kann, sind die Basisanforderungen
an Qualität des Kernprodukts und Glaubwürdigkeit dessen Informationsquelle zu erfüllen.460 Insbesondere die wissenschaftlichen Kenntnisse über das Kernprodukt sind
von großer Bedeutung. Erfüllt ein Kernprodukt, in diesem Fall ein Arzneimittel, nicht die
hohen Anforderungen und Erwartungen wie beschrieben, ist ein Übertragungseffekt
auch durch kundenvorteilsgenerierende IL unwahrscheinlich.
Wirkungsfeld Direktes Marketing
Bei der Pharmacon GmbH kann von einer hohen Glaubwürdigkeit für das Unternehmen ausgegangen werden. Neben den Ausführungen unter Kapitel 4 sprechen
auch die Äußerungen zu der sozialen Unternehmensphilosophie, welche durch die
Werte der IL transportiert wird, für eine positive Wahrnehmung des Arzneimittelanbieters. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem wahrgenommenen Engagement,
auf das später eingegangen wird.
„Das ist in unserer Gesellschaft echt etwas Seltenes. Also, ich habe keine Aktien bei
dem Unternehmen! […] Die haben wirklich [...] so etwas verwirklicht von dem was man
sich ein bisschen häufiger wünschen würde in der Gesellschaft.“
Die Qualität der Kernprodukte bezeichnen alle befragten Ärzte als sehr gut. Hervorgehoben wird insbesondere die kundenorientierte Anpassung der Arzneimittel. Zum
einen umfasst dies die geschmackliche Optimierung und Erhöhung der Konzentration
bekannter Wirkstoffe auf die Bedürfnisse der Kinder, was zu einer geringeren Einnahmefrequenz führt. Der bessere Geschmack erleichtert die Compliance. Zum anderen
werden ebenfalls die verständlichen kundenfreundlichen Beipackzettel insbesondere
für Eltern als Hauptansprechpartner der Ärzte genannt. Des Weiteren werden Arzneimittel des Unternehmens als preisgünstig im Vergleich zum Wettbewerb wahrgenommen.
Dies ist zwar kein Hauptvorteil, fördert jedoch die Akzeptanz in der Ärzteschaft,
da so die Ärztebudgets weniger belastet werden. Die Basisanforderungen an die
Verschreibung der Kernprodukte sind gemäß der Aussagen der befragten Ärzte erfüllt.
460
Vgl. Abbildung 45, S. 121.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 149
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
149
Wirkungsfeld Indirect Marketing
Wahrgenommenes Engagement
Die IL zahlt in dieser Fallstudie auf das „wahrgenommene Engagement“ ein. Pharmacon wird durch diese Leistungen als Unternehmen wahrgenommen, das in seine Kunden
investiert, um diese im Praxisalltag zu unterstützen. Dabei geht das Unternehmen sehr
bedürfnisorientiert vor und wahrt durch die Objektivität der Inhalte die Integrität der
Ärzte. Entsprechend der sozialen Austauschtheorie führt dies auch zu einer positiven
Berücksichtigung der Kernprodukte. Bedingt durch den hohen KV scheint dieser Effekt
noch verstärkt zu werden.
„Dafür, dass die mir helfen mache ich ja auch etwas. Ich schreibe jetzt nicht Produkt X
sondern Produkt Y auf. […] Ich sage denen [den Patienten] auch, nehmen sie das und
das schmeckt besser und das ist dann mein sozusagen Entgegenkommen.“
Brand Salience-Effekt
Im Gegensatz dazu verläuft das zweite Wirkungsfeld unbewusst. Die IL zahlen hierbei
auf die Steigerung der Brand Salience in Verbindung mit der Indikation ein, so dass
das Unternehmen im Entscheidungsmoment über eine höhere Wahrscheinlichkeit verfügt, in die Auswahl zu gelangen. Der Effekt selbst ist im Rahmen dieser Arbeit nicht
messbar. Allerdings kann anhand der geführten Gespräche davon ausgegangen werden,
dass sich teilnehmende Ärzte intensiv mit dem Unternehmen auseinander gesetzt
haben und die Marke somit präsent zu sein scheint. Dies wird u.a. dadurch deutlich,
dass alle Befragten, unabhängig voneinander, Details zu Unternehmenshistorie,
Leistungsportfolio und Eigentumsverhältnissen nennen konnten. Das Auftreten eines
„unbewussten“ Brand Salience Effektes im Entscheidungsmoment der Verschreibung
ist somit wahrscheinlich.
„Klar, weil ich so oft dort gewesen bin […] und ich gehe da sehr gerne hin [...] da hat
man dann auch den Bezug dazu. Die machen ganz viele Präparate, die wir als Pädiater
benutzen.“
„[Das Unternehmen ist mir] sehr präsent. Man bekommt einmal pro Monat Informationen.
Kann also Muster bestellen.“
Die Voraussetzungen beider Wirkungsfelder erscheinen gemäß der getroffenen Äußerungen erfüllt. Ein direkter Nachweis der Korrelation zwischen Inanspruchnahme einer
IL und Verschreibung ist nicht möglich, da Verschreibungsdaten nicht auf Praxis-,
sondern höchstens auf Clusterebene vorliegen.461 Dennoch spricht die Datenlage unter
Hinzuziehung der geführten Interviews für einen positiven Übertragungseffekt. Auch
aktuelle Umsatzentwicklungen belegen eine positive Wirkung. In 2012 gelingt es dem
Unternehmen erneut mit dem eingesetzten Marketingmix zweistellig im Vergleich zum
Vorjahr zu wachsen. Die Erfüllung der Basisanforderungen an das Arzneimittel in
Kombination mit der Schaffung eines positiven Umfeldes durch Unterstützung und
Wertschätzung der Kunden bedingt gemäß der befragten Ärzte übereinstimmend
461
Vgl. Wallenstein/Ziegler/Kreid 2006, S. 450.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 150
150
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
dieses Unternehmenswachstum. Durch die Überzeugung vom Gesamtkonzept des Unternehmens Pharmacon, welches durch IM geprägt ist, wird im Rahmen dieser
qualitativen Erhebung betont, dass die befragten Ärzte durchaus die Produkte empfehlen.
„Natürlich verordne ich auch die Präparate […]“
„[…] ich schreibe ausdrücklich schon dieses Präparat hin.“
Jedoch ist auch erkennbar, dass Ärzte ihren eigenen Einfluss relativieren. So kann ein
Arzt aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht immer garantieren, dass der Patient in
der Apotheke auch das verschriebene Präparat erhält. So ist der Apotheker auch bei
namentlicher Erwähnung des Präparates und Verzicht auf das „aut-idem“-Kreuz verpflichtet, ein anderes Präparat abzugeben, falls die Krankenkasse des Patienten über
einen Rabattvertrag zu dem Wirkstoff verfügt und dieses lieferbar ist.462 Ärzte, die nicht
hauptsächlich im pädiatrischen Bereich aktiv sind, verweisen zudem darauf, dass es
sich bei der Produktpalette des Unternehmens um einen Randbereich in ihrem Praxisalltag handelt.
Dennoch ist dieser wahrgenommene Win-Win-Ansatz durch Einsatz der Leistungen
des IM aus Sicht der Ärzte „eine tausendmal bessere Werbung als jeder Pharmareferent, wenn der sein Medikament anpreist.“
5.1.4 Zusammenfassung
Pharmacon hat als verhältnismäßig kleines Pharmaunternehmen durch den Verzicht
auf Außendienst und die Konzentration auf IM einen besonderen und erfolgreichen
Weg eingeschlagen. Die kundenorientierte Unternehmenskultur, die Top-Down durch
Gründer und Top-Management geprägt ist, spiegelt sich sowohl in Kern- als auch
Dienstleistungen wieder. Die kontinuierliche Kommunikation der Zielgruppe „Pädiater“
über die IL durch Mailings, fördert deren Verbindung mit dem Unternehmen und trägt
somit zur Markenbildung bei. Diese Unternehmenspolitik, die konstant auf den Einsatz
von IL setzt, führt nachweislich in einem generischen Marktumfeld mit hohem Wettbewerbsdruck zu einer sehr positiven Entwicklung.
Das Unternehmen setzt drei IM-Kategorien ein. In erster Linie konzentriert man sich
jedoch auf indikationsspezifische IL, welche thematisch näher an der Kernleistung
positioniert sind. Aufgrund der IM zugewandten Unternehmenskultur ist die Akzeptanz
dieser Leistungen durchweg positiv. Mit diesen IL unterstützt das Unternehmen den
Arzt vorranging beim WM mit direkten Auswirkungen auf das ZM der Praxis. Insbesondere beim „Medizinischen Beratungsservice“ wird auf individuelle und persönliche
Betreuung und Unterstützung Wert gelegt. Dabei transportieren vor allem die hochkarätigen „Kooperationspartner“ in Form von medizinischen Experten eine hohe Glaubwürdigkeit aufgrund ihrer hohen Fach- und Methodenkompetenz sowie ihrer Reputation.
Bei allen IL wird auf die Produktunabhängigkeit geachtet, so dass auch eher pharmakritische Redner eingebunden werden. Wichtig ist die Objektivität durch wissenschaftliche Breite und Neutralität. Die Verknüpfung des Unternehmens als Absender erfolgt
462
Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung 2011, http://www.kbv.de/ais/13595.html, Stand: 15.04.2013.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 151
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
151
lediglich durch Darstellung der Unternehmensmarke als Veranstalter bzw. Anbieter der
IL. Trotz angezeigter Zahlungsbereitschaft bietet das Unternehmen die IL im gesetzlichen Rahmen als Service kostenlos an. Der Gegenwert liegt auf der Kreation eines
positiven Images und damit einer Intensivierung der Kundenbeziehung.
Auf Arztseite wird dieses positive Image auch durchweg ungestützt bestätigt. Die
Wiedererkennungsrate des Unternehmens aufgrund dieses USP durch die IL ist in
den Gesprächen sehr hoch. Sämtliche Beurteilungskriterien zur Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle sind positiv. Die Begeisterung der Ärzte zieht sich durch alle Gespräche
und führt zu einem breiten Werte-Portfolio der IL. Neben den qualitativ hochwertigen
funktionalen Werten stehen insbesondere symbolische Werte im Fokus. Der persönliche
Kontakt zu Geschäftsführer und Managern sowie den eingebundenen Experten
vermittelt letztendlich einen hohen Grad an Wertschätzung. Die produktneutrale
Konfiguration der IL führt darüber hinaus zu einer wahrgenommenen Wahrung der
Integrität des Arztes. Werte aus dem Bereich „Erlebniswelten“ hingegen stellen eher
Basisanforderungen dar, die jedoch erfüllt sind. Das breite Werte-Portfolio, das sich
auch in der Erinnerung der Ärzte so darstellt, trägt somit sowohl zur Befriedigung
praxis- als auch persönlichkeitsbezogener Bedürfnisse bei.
Auf sämtliche wahrgenommene Kostenarten wirken sich die IL reduzierend aus. Neben
ökonomischen Kosten wird auch persönliches Investment zur Wissensgenerierung eingespart. Wichtiger erscheint jedoch die Reduktion des Spannungsverhältnisses und
damit der psychologischen Kosten durch die neutrale, wissenschaftlich kompetente,
kontinuierliche Ausrichtung der Leistungen.
Eine positive Zahlungsbereitschaft und Kundenloyalität bzgl. der wiederholten Inanspruchnahme ist daher wie dargestellt gegeben. Die im Wirkungsfeld „Direktes
Marketing“ aufgeführten Faktoren, insbesondere die Anforderungen an die Kernleistung,
sind aus Sicht der Ärzte erfüllt. Arzneimittel des Unternehmens werden aufgrund der
patientenorientierten Weiterentwicklung sehr geschätzt. Die IL zahlen zudem auf die
Faktoren des Wirkungsfelds „Indirect Marketing“ ein. Selbst bei Gesprächen zu anderen
Leistungen innerhalb des Forschungsprojektes wurden diese IL als positive Beispiele
erwähnt. Anhand dieser Erkenntnisse, kombiniert mit den Informationen zur Unternehmensentwicklung, einem Marketingmix, der ausschließlich auf IM beruht und der
steigenden Akzeptanz in der Kundengruppe durch den jährlichen Gewinn der goldenen
Tablette, ist somit von einem Übertragungseffekt auf die Kernleistung auszugehen.
5.2
Indirect Marketing in der Launchphase einer Kernleistung
5.2.1 Situatives Unternehmensumfeld
5.2.1.1 Beschreibung Unternehmen: Vaximed GmbH
Die Vaximed GmbH konzentriert sich als forschendes Unternehmen auf die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Impfstoffen auf dem europäischen Markt. Als
Joint-Venture zweier börsennotierter Pharmakonzerne hat sich das Unternehmen als
einziger Hersteller ausschließlich auf Impfstoffe spezialisiert. Auch wenn das Unternehmen selbst nicht börsennotiert ist, haben die Unternehmensformen der Mutter-
5.2 13.12.13 16:38 Seite 152
152
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
gesellschaften, laut Aussage der Experten, einen erheblichen Einfluss auf das
Geschäft. In Deutschland unterhält Vaximed eine Marketing- und Vertriebsgesellschaft,
während die Arzneimittel in europäischen und außereuropäischen Ländern produziert
werden. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die deutsche Niederlassung von
einem kleinen Unternehmen mit wenigen Millionen Euro Umsatz und einigen wenigen
Impfstoffen zu einem der Top-Anbieter von Impfstoffen auf dem deutschen Markt mit
einem Umsatz von über 300 Millionen Euro zur Zeit der Fallstudie.463 Laut der interviewten Experten ist dieses erfolgreiche Wachstum neben der Erweiterung der
Produktpalette insbesondere auf den ausgewogenen Marketingmix zurückzuführen,
auf den unter Kapitel 5.2.1.3 eingegangen wird.
Das Unternehmen betreut Arztgruppen, wie API, Pädiater und seit einiger Zeit auch
Gynäkologen direkt über einen eigenen Außendienst. Dieser umfasste in der Zeit der
Fallstudie über 300 Mitarbeiter mit einem Innendienst von über 100 Mitarbeitern.
Mittlerweile ist das Unternehmen einer der größten Impfstoffanbieter im deutschen
Markt und hält in vielen Produktbereichen die Marktführerposition inne.
5.2.1.2 Produktportfolio der Vaximed GmbH
Die drei Produktbereiche des Impfstoffspezialisten unterteilen sich der Umsatzstärke
nach in
•
Kinderimpfstoffe,
•
Impfstoffe für Jugendliche und Erwachsene,
•
Reiseimpfstoffe.
Insgesamt umfasst das Portfolio 45 Impfstoffe inkl. Mehrfachimpfstoffe gegen 20
Infektionskrankheiten. Mittlerweile machen die fünf größten Impfstoffe über 70% des
Portfolios aus. Im Gegensatz zu Pharmacon, die über eine breite und gut verteilte
Zusammensetzung verfügen, ist Vaximed somit abhängiger von diesen Präparaten und
damit anfälliger für mögliche Risiken.
Das Kernprodukt, in dessen thematischen Umfeld die IL der Fallstudie positioniert ist
und im Rahmen dessen Prämarketing-Mix diese IL Anwendung fand, ist mittlerweile
mit Abstand der umsatzstärkste Impfstoff des Unternehmens mit einem Portfolioanteil
von über 25 %. Bei diesem Impfstoff handelt es sich um den ersten Impfstoff gegen
bestimmte Typen des HP-Virus, welcher Gebärmutterhalskrebs verursachen kann.464
Im Gegensatz zum einzigen Wettbewerber, der jedoch über ein Jahr später auf den
Markt kam und gegen zwei HPV-Typen (16, 18) wirkt, deckt dieser tetravalente Impfstoff
vier HPV-Typen (6, 11, 16, 18) ab. Die Impfung gegen die HPV-Typen 16 und 18 wird
von der STIKO zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs für Mädchen von 12 bis 17
Jahren empfohlen.465 Dieser Impfstoff entwickelte sich in Deutschland zeitweise zum
umsatzstärksten Medikament überhaupt.466
463
Vgl. Expertengespräch Marketingexperte Vaximed November 2011. (ehem. CEO Deutschland
und Vice President Vaximed Europa).
464
HPV = Humane Papillomviren; HPV-Typen 16 und 18 verursachen die meisten Zervixkarzinome,
465
Vgl. Robert Koch-Institut 2012, S. 285.
466
Vgl. Biopro 2010, http://www.bio-pro.de/magazin/thema/04883/index.html?lang=de&artikelid=/artikel/
04760/index.html; Stand: 15.03.2010.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 153
153
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5.2.1.3 Pharmamarketing bei Vaximed
Das Pharmamarketing der Vaximed GmbH unterscheidet sich im Vergleich zu
Pharmacon durch den Einsatz klassischer Instrumente wie Fachprint, Mailings oder
produktbezogener Fortbildungen. IL spielten jedoch insbesondere vor und zu Zeiten
der Einführung des beschriebenen Impfstoffes eine große Rolle. Da Impfstoffe als
Arzneimittel präventiv und nicht wie andere Arzneimittel therapeutisch eingesetzt
werden, ist es ebenfalls eine Aufgabe des Marketing Impfaufklärung zu betreiben, um
einer möglichen Impfmüdigkeit aufgrund fehlender akuter Betroffenheit vorzubeugen.
Ziel des gesamten Marketingkonzeptes war es, aus Sicht der befragten Führungskräfte,
Ärzten die Unternehmensphilosophie konzeptionell zu vermitteln. Ärzte sollten
Vertrauen in das Unternehmen bekommen und sich dort gut „aufgehoben fühlen“.
Direkte Produktwerbung und -erläuterung, insbesondere durch den Außendienst, stellte
die Basis dar, war jedoch nicht primärer und einziger Fokus. IL fanden sowohl permanent als auch situativ Anwendung.
Abbildung 53 gibt einen Auszug der direkten und indirekten Maßnahmen wieder.
Ähnlich wie Pharmacon deckt das Unternehmen IL aller drei Kategorien des IM ab.
Produktbezogenes
direktes Marketing
• Außendienst
• Fachanzeigen
• Fortbildungen
Unternehmen
Arzt
Produktunabhängiges Indirect Marketing
• Aufklärungskampagne (situativ)
• Reisemedizinischer Service (permanent)
• Impfmanagement (permanent)
• kinderwelten Award (permanent)
Abbildung 53: Marketingsystem der Vaximed GmbH
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte Aufklärungskampagne, November, 2011.
Als einzige situative IL ist die „Aufklärungskampagne“ in der Prämarketingphase
Inhalt der folgenden Fallstudie, um den Beitrag von IL vor Einführung eines Kernproduktes zu untersuchen. Im Gegensatz zu Pharmacon liegt der Schwerpunkt
permanenter IL auf dem Bereich „Praxisleistung“, in dem Ärzte in den praxisalltäglichen
Prozessen mit dem „reisemedizinischen Service“, sowie mit der Optimierung des
„Impfmanagements“ unterstützt werden. Aufgrund der langjährigen intensiven Durchführung ist ersterer Fall (siehe Kapitel 5.4, S. 177) ebenfalls Bestandteil des vorliegenden Forschungsprojektes.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 154
154
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Als Tochterunternehmen börsennotierter Konzerne, welche tendenziell eher direkte
Maßnahmen mit kurzfristigen, leichter nachweisbaren Erfolgen favorisieren, setzt das
Unternehmen dennoch auf IM. Sowohl Top-Management, als auch Marketingleitung
sind von der Marketingphilosophie, auch aufgrund der sehr positiven Unternehmensentwicklung, überzeugt.
5.2.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
Ziel der IL „Aufklärungskampagne“ ist aufgrund des präventiven Arzneimitteleinsatzes
die Schaffung von Aufmerksamkeit (Awareness) bei Ärzten und nachgelagert bei
Patienten. Sie unterteilt sich also in je einen arzt- und patientenorientierten Kanal
und umfasst dementsprechend beide definitorischen Ausprägungen des IM.441 Dabei
handelt es sich um die wichtigsten Bausteine der Prämarketing- und Launchphase.
Aufgrund dieser Konstellation ist diese IL von Interesse, um das Zusammenspiel beider
Kanäle des IM in Bezug auf Wahrnehmung und Wirkung, auch im Vergleich zu rein
arztorientierten IL zu vergleichen.
Bedürfnisse als Basis der Leistungserstellung
Breit angelegte, vorgeschaltete Fortbildungen für Ärzte, sowie eine Laienkampagne
dienen der Befriedigung der folgenden Bedürfnisse.
Bedürfnis A: Aktualisierung des medizinischen Wissens (WM)
Ärzten ist es wichtig, im Vorfeld der Einführung von neuen Arzneimitteln und Therapien
über diese informiert zu sein. Sie möchten nicht in die Situation geraten, auf Patienten
zu treffen, welche über einen besseren Kenntnisstand verfügen als sie. Die IL dient
somit dazu, den Ärzten neues Wissen über Indikation und Therapieoptionen zu vermitteln und diese aufzufrischen.
Bedürfnis B: Vereinfachung der Patientengespräche (ZM)
Üblicherweise ist der Arzt in der Situation, dass er auf Patienten trifft, die er insbesondere
bei Präventivmaßnahmen von deren Notwendigkeit überzeugen muss. Eine patientenorientierte Laienkampagne zur Aufklärung über die Möglichkeit einer HPV- Impfung
kann dazu beitragen, dass Patienten vorinformiert einen Arzt aufsuchen und sich aktiv
erkundigen. So erhält der Arzt zusätzliche Patientenanfragen und spart persönliches
Investment in Form von Zeit, um Patienten auf die Thematik anzusprechen und von
der Sinnhaftigkeit einer Impfung zu überzeugen. Auch bei der patientenorientierten IL
handelt es sich somit um eine unterstützende Maßnahme für den Arzt. Die IL konzentriert
sich dabei auf die Bedürfnisbereiche zur Unterstützung von „Wissens- und Zeitmanagement“.
467
Vgl. Kapitel 2.2.1, S. 33.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 155
155
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Produkt
Produktgruppe
Sortiment
Medikament
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Image
• Aufklärungskampagne
Impfung
(Prämarketing)
• Reisemedizin.
Beratung
Benefizgala
WM
Bedürfnisse
ZM
KM
Praxisbezogene
• Impfmanagement
PM
Persönlichkeitsbezogene
Abbildung 54: Beabsichtigter Beitrag der Aufklärungskampagne zur Bedürfnisbefriedigung
Quelle: Eigene Darstellung
5.2.2.1 Gestaltungsfaktoren „Aufklärungskampagne Impfung“
Die Konfiguration der IL „Aufklärungskampagne Impfung“ setzt sich aus zwei Kanälen
zusammen, der arztorientierten „Fortbildungen“ sowie den patientenorientierten „TVKampagne“.
Kanal I: Patientenorientierte IL: „TV-Kampagne“
Kern der Kampagne ist die Aufklärung der Laien durch Above-the-Line Kommunikation
(ATL) über das Krankheitsgebiet per se, zunächst über TV, später auch über Print und
Radio. Die IL visiert Bedürfnis B an, um Laien aufzuklären und Aufmerksamkeit zu
erhöhen und damit Ärzten Interessenten für Informationsgespräche zuzuführen. Sie
entspricht somit der IM Definition II „Indirekt im Sinne von Kommunikationsweg“
über das Netzwerk des Arztes, hier: über die Patienten. Übergeordnetes Ziel dabei
ist nach Aussage der befragten Experten einen möglichst breiten Impfschutz in der
Bevölkerung herzustellen.
Da es sich um einen neuen, sowie den ersten und zunächst einzigen Impfstoff gegen
HPV handelt, ist es dem Unternehmen aus rechtlichen Gründen nicht möglich, eine
solche Kampagne unter eigenem Namen zu führen. Da Laienwerbung gemäß HWG
für verschreibungspflichtige Medikamente grundsätzlich verboten ist, darf weder das
Unternehmen, noch die Indikation genannt werden, da beide aufgrund der exklusiven
Marktsituation Rückschlüsse auf ein konkretes Produkt zulassen würden. Das Unternehmen ist somit in seiner Kompetenz zur Durchführung einer solchen Kampagne eingeschränkt. Neben potenziellen Patienten sind auch Fachkreise Zielgruppe der ATL
Kampagne. Dementsprechend ist ebenfalls die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle,
also des Absenders, von Bedeutung. Daher gilt es eine Kooperation mit einem glaubwürdigen Absender zu etablieren, der ein eigenes hohes Interesse an der Aufklärung
der Bevölkerung zu neuen Vorsorgemaßnahmen hat und der bereits eigene groß
angelegte Aufklärungskampagnen durchführt. Das Deutsche Grüne Kreuz (DGK)
ist als älteste Vereinigung (e.V.) zur Förderung der gesundheitlichen Vorsorge und
5.2 13.12.13 16:38 Seite 156
156
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Kommunikation in Deutschland unabhängig und keiner politischen, religiösen oder kommerziellen Gruppe verpflichtet.468 Diese Institution plant aufgrund ihrer eigenen Zielsetzung
eine Aufklärungskampagne zu diesem innovativen Thema und erfüllt aus Sicht der befragten Pharmamanager die Anforderungen der Fachkreise an die Glaubwürdigkeit
optimal. Daher wird diese breit angelegte Kampagne des DGK unterstützt. Sie stellt
somit aus Sicht des Marketing eine patientenorientierte IL unter Einbindung von
Kooperationspartnern dar.
Um die Awareness bei den Laien als Empfänger der IL zu garantieren, setzt die Kampagne auf den Einsatz eines Testimonials, welches die Botschaft einer notwendigen
Vorsorge transportieren und mit der sich die Zielgruppe möglichst optimal identifizieren
kann. Aufgrund der Thematik und Zielgruppe handelt es sich um eine junge Mutter mit
einem hohen Bekanntheitsgrad. Der Text der TV-Kampagne, welche später auch über
Radio und Print kommuniziert wurde, lautete aufgrund der rechtlichen Situation durch
die exklusive Marktsituation wie folgt:
„Als Mutter erlebe ich wie schnell meine Tochter groß wird und schon bald ihr
eigenes Leben führt. Ich will nicht, dass Gebärmutterhalskrebs dieses Leben in
Gefahr bringt. Deshalb schütze ich meine Tochter schon heute vor dem Virus,
der den Krebs verursachen kann. Tun Sie`s auch. Fragen Sie ihren Arzt. Weitere
Informationen unter DGK.de“.469
Kanal II: Arztorientierte IL: „Fortbildungen in der Prämarketingphase“
Im Vorfeld der Laienkampagne in der Einführungs- bzw. Launchphase gilt es sicherzustellen, dass Ärzte über die neue Indikation informiert sind. In der Prämarketingphase
finden daher flächendeckende medizinische Aus- und Fortbildungen auf regionaler und
bundesweiter Ebene statt, die über einen hohen fachlichen Anspruch verfügen. Die
Fortbildungen selbst finden in Mittelklasse-Hotels statt. Zusätzliche Schulungen führt
der Außendienst in den Arztpraxen durch. Im Rahmen der Fortbildungen für Fachkräfte
werden tiefer gehende und teilweise neue Erkenntnisse zur Krankheit vermittelt. Es
geht dabei z. B. um vertiefendes Wissen zu Infektion, Häufigkeit, Folgen, Diagnose,
Therapie, Wirkstoffen etc. Die Fortbildungen finden in Kooperation mit der entsprechenden ärztlichen Fachgesellschaft statt. Alle Fortbildungen sind zertifiziert, so
dass teilnehmende Ärzte CME-Punkte erhalten.
Die Kommunikation dieser IL an die Zielgruppen erfolgt über das zentrale Marketing
und den Außendienst vor Ort, um eine persönliche Ansprache sicher zu stellen. Neben
bewährten Impfärzten, wie Pädiatern und API mit jugendmedizinischem Hintergrund,
fallen auch erstmalig Gynäkologen unter die Zielgruppen, da diese bei ihren täglichen
Praxisgesprächen mit ihrem Klientel insbesondere von der Wissensauffrischung profitieren können. Um die beabsichtigte Awareness für die Thematik zu realisieren, ist es
das Ziel, jeden Arzt vor Einführung mit zehn Kontakten über Schulungen zu erreichen.
Inhaltlich wird großer Wert auf eine breite wissenschaftliche Basis unter Einbeziehung
des gesamten Indikationsgebietes und weiterer Therapieoptionen gelegt. Dies ist
468
469
Vgl. http://dgk.de/das-dgk.html, Stand: 03.01.2013.
Deutsches Grünes Kreuz 2007, http://www.youtube.com/watch?v=8OfR01eO8WM, Stand: 03.01.2013.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 157
157
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
einerseits dadurch bedingt, dass vor der Zulassungserteilung keine Aussagen über das
Produkt getroffen werden dürfen. Andererseits ist es der Unternehmensphilosophie
geschuldet, dem Arzt ein möglichst neutrales, wissenschaftlich umfassendes Bild des
Gebietes zu vermitteln. Die fachlichen Inhalte sind auf die Kenntnisse der Facharztgruppen abgestimmt und in Gesprächsleitfäden für die Mitarbeiter verankert, um arztspezifisch persönlich relevante Aussagen zu vermitteln. Zur Sicherstellung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter finden vorgelagerte intensive Schulungen statt. Eine
Unterscheidung in der Ansprache der Ärzte im Hinblick auf persönlichen Arzttypus
erfolgt nicht zentral. Dies liegt im Verantwortungsbereich des jeweiligen Pharmareferenten.
Nach Zulassungserteilung wandeln sich die Fortbildungen, welche zuvor als IL durchgeführt wurden, in direkte Maßnahmen durch konkrete Einbindung des Kernproduktes
und dessen Eigenschaften. Abbildung 55 verdeutlicht diesen situativen Einsatz in
Abhängigkeit der Launch-Phasen des Arzneimittels.
Zielgruppe
Phase
Prämarketingphase
Patienten
Ärzte
Launchphase
Indirekt: TV-Kampagne
Indirekt: Fortbildungen
Direkt + Indirekt:
Fortbildung
Abbildung 55: Zielgruppenspezifischer Einsatz indirekter Leistungen in Abhängigkeit
der Launch-Phasen
Quelle: Eigene Darstellung
Eine direkte Kommerzialisierung der arztorientierten IL findet nicht statt. Da das
Unternehmen für ein Jahr den einzigen Impfstoff zu dieser Indikation verfügbar hatte,
profitiert es nach Ansicht der befragten Experten von fehlenden Streuverlusten der Leistungen auf mögliche Wettbewerber. Zwar trägt das Unternehmen damit auch sämtliche
Kosten für den Aufbau der Indikation, kann jedoch auch davon ausgehen, dass die
Investition auf die eigene Marke einzahlt.
Mit einem Anteil von 60 % nehmen beide IL-Kanäle den größten Teil des verwendeten
Budgets in der Launch-Phase ein. Dies ist zum Großteil darauf zurückzuführen, dass
die patientenorientierten IL zur Steigerung der Awareness mit einem 2,5 monatigen TVFlight alleine 40 % des Gesamtbudgets von 20 Mio. Euro beansprucht.
Die Kommerzialisierung und damit der Gegenwert für das Unternehmen beziehen sich
mehr auf die „Steigerung der Awareness“ bei den Zielgruppen. Abbildung 56 gibt einen
Überblick über die gestützten Awareness-Raten innerhalb der definierten PatientenZielgruppe, die für die Impfung in Frage kommt, sowie innerhalb der relevanten Ärztegruppen. Diese wurden im Anschluss an die IL erhoben. Laut Aussage der beteiligten
Manager wurden in diesem Fall die Erwartungen weit übertroffen.
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Abbildung 56: Gestützte Awareness-Raten bei relevanten Zielgruppen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte Aufklärungskampagne, September 2011.
5.2.2.2 Akzeptanz der Aufklärungskampagne bei Vaximed
Diese hohen Investitionen setzen eine große Akzeptanz der IL im Unternehmen voraus.
Anhand der Aussagen der Pharmamanager ist von einer hohen IM-Akzeptanz im
Unternehmen auszugehen, trotz börsennotierter Muttergesellschaften. Dies ist hauptsächlich auf die Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit des Top Managements
in Deutschland zurückzuführen, welches von einem ausgewogenen Marketing-Mix
zwischen direkten und indirekten Maßnahmen überzeugt ist.
„[…] ich propagiere immer wieder, dass ein ausgewogener Mix an verschiedenen
Aktivitäten letztendlich kumulativ die Summe und letztendlich auch den Erfolg definiert.
Da kann mir keiner sagen, wenn ich einen Zuwachs habe von 13 %, dass davon 2 %
PR war, 5 % Direktmarketing, 6 % Vertrieb und x % Anzeigen und x % Mailings. Das kann
keiner sagen. Weil die Anzahl der Kontakte gibt Ausschlag für das Verordnungsverhalten,
aber nicht die einzelne Maßnahme.“ 470
Allerdings werden die IL im Gegensatz zu Pharmacon als nachranging zu den direkten
Maßnahmen gesehen, insbesondere in Zeiten, in denen „man schauen muss, ob
überhaupt noch Gelder zur Verfügung stehen“. Die Unternehmenskultur ist dennoch
aufgrund der Top-Management Haltung sehr positiv. Durch die „only in class“ Marktsituation ist, wie beschrieben, auch ein impliziter Produktbezug gegeben. Die Fokussierung auf die drei Ärztezielgruppen mit unterschiedlichen Fortbildungsleitfäden wird
als bewältigbar eingestuft. Die Frequentierung, welche bei permanenten IL dazu dient,
die Verknüpfung der IL mit der Unternehmensmarke sicherzustellen, wird bei dieser
situativen Maßnahme durch die hohe Anzahl der Fortbildungskontakte (mind. 10), als
auch durch die massive Laien-TV-Kampagne sichergestellt. Daher ist die Einschätzung
des Managements ebenfalls positiv. Die Kombination aus bewährten, erfolgreichen
arzt- mit innovativen patientenorientierten IL stellt eine optimale Mischung für die
Akzeptanz des Innovationsgrads dar. So arbeitet insbesondere der Außendienst mit
bewährten, bekannten Instrumenten und auch das Top-Management ist nicht durch zu
viele neue unbekannte innovative Ansätze verunsichert. Desweiteren wird die Renta470
Vgl. Expertengespräch, Marketingexperte kinderwelten Award, November 2011.
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
bilität des gesamten Projektes, insbesondere aufgrund der alleinigen Marktpräsenz,
als sehr positiv eingestuft. In Summe ergibt sich auch hier ein sehr positives Bild.
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Frequentierung
Innovationsgrad
Rentabilität
Med.
Beratungsservice/
Fortbildungen
Tabelle 27: Akzeptanz von Indirect Marketing bei Pharmacon
Quelle: Eigene Darstellung
5.2.3 Wahrnehmung und Wirkung der Aufklärungskampagne
Die Betrachtung der Wahrnehmung und Wirkung bezieht sich auch bei dieser IL ausschließlich auf die Perspektive der Ärzte als eigentliche Zielgruppe der gesamten Maßnahme. Patienten wurden in diesem Zusammenhang nicht einbezogen, auch aufgrund
des zeitlichen Abstandes der Erhebung zur Durchführung der Kampagne, welcher keine
aussagekräftigen Ergebnisse erwarten lässt.
5.2.3.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
Bezogen auf die Aufklärungskampagne handelt es sich bei den Informationsquellen
um den Außendienst, welcher die Fortbildungen teilweise selber durchführt aber auch
vermittelt, die Referenten der größeren Veranstaltungen und indirekt um den Absender
der TV-Kampagne. Bei letzterem ist es von Interesse, ob die Kampagne als unternehmensunabhängig oder als IL des Unternehmens wahrgenommen wird und ob
daraus eine positive oder negative Wirkung resultiert.
Wahrnehmung der Unabhängigkeit
Der TV-Spot wird von jedem der vier befragten Ärzte wahrgenommen und dem DGK
zugeordnet. Teilweise sind die Ärzte in der Lage, den Text des Spots exakt wiederzugeben. Thematisch wird dieser mit der Impfung verbunden, jedoch nicht in einen direkten
Zusammenhang mit Vaximed als möglichem Absender gesehen. Nachfragen von
Patienten nach der Impfung werden in erster Linie nicht dem TV-Spot zugeordnet.
„Nicht dass sie den Spot gesehen haben und deshalb jetzt sagen, jetzt will ich meine
Kinder impfen lassen […]Und es kamen halt Leute, die von der Impfung gehört haben
und sich informieren wollten.“
Diese fehlende direkte Zuordnung ist allerdings gemäß wissenschaftlicher Erkenntnisse
zur Selbstdarstellung und auch zur sozialen Erwünschtheit nicht verwunderlich, da
Patienten vermutlich eine Ablehnung erwarten würden, wenn sie Ärzte aufgrund einer
TV Werbung ansprechen.471 Die (unternehmens-)unabhängige Wahrnehmung der TV
Kampagne hat jedoch auch zur Folge, dass die gestiegene Anzahl an interessierten
Patienten nicht bewusst dem Unternehmen gutgeschrieben wird. Die Verknüpfung mit
dem Unternehmen erfolgt über die Fortbildungen im Rahmen der Kongresse und in
den Arztpraxen. Die teilnehmenden Ärzte schätzen dabei insbesondere die thematische
471
Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 232f.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 160
160
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Unabhängigkeit der Fortbildungsveranstaltungen. Eine Beeinflussung der Therapiehoheit bzw. Nachdruck auf gewünschte Verschreibung wird von den Befragten nicht
wahrgenommen, so dass die Unabhängigkeit der Ärzte auch gewährleistet ist.
„Es wird versucht, immer recht wissenschaftlich, recht produktfern das Ganze erst
einmal vorzustellen.“
Die Unabhängigkeit der Informationsquelle ist hingegen nur teilweise gegeben, da der
Außendienst als nicht komplett unabhängig wahrgenommen werden kann. Dies ist u.a.
darauf zurückzuführen, dass nicht jeder Außendienstmitarbeiter über die Kompetenzen
zur Vermittlung von IM verfügt und zu stark produktbezogener Kommunikation tendiert.
Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit
Die langjährige gute Zusammenarbeit der befragten Ärzte mit dem Außendienst des
Unternehmenes führt gleichermaßen zu einer gesteigerten Vertrauenswürdigkeit
aufgrund der positiven Erfahrungen mit erbrachten Leistungen.
Wahrgenommener Sympathiegrad
Diese guten Erfahrungen haben ebenfalls einen Einfluss auf die Sympathie zu dem
jeweiligen Außendienstmitarbeiter. Insbesondere der persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern ist den befragten Ärzten sehr wichtig.
„Ich habe einen guten Bezug zu der Pharmareferentin und dementsprechend war das
sympathisch.“
Die Sympathie kann jedoch, je nach Arzt-Pharmareferenten-Beziehung, subjektiv
unterschiedlich ausfallen.
Wahrnehmung der Expertenkompetenz
Das Unternehmen Vaximed verfügt zumindest in der Zeit der Erbringung der IL
über eine ausgewiesene Expertenkompetenz rund um das Thema Prävention und
Impfungen. Die Aussagen aus den geführten Ärztegesprächen zeigen auch, dass diese
Kompetenz auch auf die IL bezogen wird.
Wahrgenommene Reputation
Demzufolge verfügt das Unternehmen auch über eine ausgewiesene wissenschaftliche
Reputation. Vaximed argumentiert nach Auffassung vieler Ärzte wissenschaftlich
fundierter, objektiver und damit auch korrekter als die Wettbewerber. Bis auf die eingeschränkte Unabhängigkeit aufgrund der Durchführung einiger Fortbildungen durch den
Außendienst verfügt auch diese IL über eine positive wahrgenommene Glaubwürdigkeit.
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
Aufklärungskampagne
Tabelle 28: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Quelle: Eigene Darstellung
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
161
5.2.3.2 Wahrnehmung der Qualität
Bei der Beurteilung der Wahrnehmung der Qualität der Aufklärungskampagne sind die
beiden Bestandteile der IL zu unterscheiden: Die unterstützte patientenorientierte TVKampagne als auch die arztorientierten Fortbildungen. Erstere wird von den befragten
Ärzten, wie erwähnt, nicht als Leistung des Unternehmens verstanden. Zudem unterscheidet sie sich von anderen IL, da sie nicht aktiv in Anspruch genommen werden
kann. Dennoch finden sich Aussagen zu Werten, welche dieser IL zugeordnet werden
und darüber dem Arzt einen Nutzen liefern können. Daher sind beide Leistungsbestandteile separat in Appendix A. 12 aufgeführt.
Im Gegensatz zu den IL der Firma Pharmacon, welche aktuell noch angeboten werden,
handelt es sich bei der Aufklärungskampagne von Vaximed um eine IL, die mehrere
Jahre in der Vergangenheit liegt. Diese retrospektive Betrachtung des Falls führt auch
methodisch dazu, dass die Äußerungen der Ärzte zu wahrgenommenen Werten reduzierter und weniger ausführlich sind. Auffallend ist dabei, dass sich die erinnerten Werte
auf funktionale Werte, sowie Kostenkategorien konzentrieren. Werte anderer Kategorien
scheinen im Gedächtnis der Befragten über die Jahre zu verblassen, wenn sie nicht
exorbitant aus der Masse hervorragen. Es ist zwar in Arzt- und Managerkreisen
bekannt, dass Fortbildungen, an denen Vaximed direkt oder als Sponsor beteiligt ist,
im Allgemeinen über eine sehr hohe Qualität verfügen. Aus den erhobenen Daten der
qualitativ geführten Leitfadeninterviews konnten jedoch nur die ausgewiesenen Werte
ermittelt werden.
„TV-Kampagne“
Funktionale Werte der vom DGK durchgeführten TV Kampagne sehen befragte Ärzte
durchaus in der „vereinfachten Generierung neuer Patienten“ und der „aktiven Nachfrage“ nach Möglichkeiten zur Prävention. Die durch die Kampagne gesteigerte
Awareness führte bei allen befragten Ärzten zu einer gesteigerten Patientennachfrage,
so dass sich der Aufwand und damit das persönliche Investment für die Patientenberatung reduzieren.
„Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. [...] Selten denken die Leute selber daran [an den
Impfschutz]. Ich meine, wir haben schon immer so Flyer und Poster im Wartezimmer
mit Impfschutz und so etwas. [...] Aber das ist natürlich eine Sache, wie spricht man
die Leute an, wie spricht man die Mütter auch an?“
„Praxisspezifische, regionale und bundesweite Fortbildungen“
Insbesondere bei den Fortbildungen wird das reduzierte Erinnerungsvermögen und die
damit verbundene Reduktion auf funktionale Werte deutlich. So werden bereitgestellte
Werte, wie die Vergabe von CME-Punkten bei jeder Veranstaltung, nicht ausdrücklich
erwähnt. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die Vergabe dieser Punkte
mittlerweile als Basisanforderung und damit als Selbstverständlichkeit angesehen wird.
Die betonten Werte beziehen sich auf die „Vermittlung von Hintergrundinformationen“,
sowie die „thematische Einführung in den neuen Impfbereich“. Von besonderer Wichtigkeit ist die rechtzeitige Aufklärung über die Indikation vor der Laienkampagne. Somit
5.2 13.12.13 16:38 Seite 162
162
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
ist es Ärzten möglich, ihr Selbstverständnis eines gut informierten Arztes vor den
Patienten sicherzustellen und damit dem persönlichkeitsbezogenen Bedürfnis „ein guter
Arzt zu sein“ gerecht zu werden. Zusätzlich wird lediglich der symbolische Wert des
„netten Rahmens“ von wenigen Ärzten erwähnt.
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Wie aus den Äußerungen zur Reputation des Unternehmens hervorgeht, haben Ärzte
überwiegend positive Erfahrungen mit Fortbildungen gemacht, welche durch Vaximed
angeboten oder vermittelt werden. Tendenziell ist das Bild des Unternehmens positiv,
so dass der Faktor „Eigene Erfahrung“ keinen negativen Einfluss zu haben scheint.
5.2.3.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Die Bestandteile der Aufklärungskampagne werden zwar von Ärzten thematisch mit
der Impfung verbunden, aber nicht alle Vaximed als Absender zugerechnet. Die Darstellung des wahrgenommenen KV erfolgt dennoch interpretativ anhand der Aussagen
zu den einzelnen Bestandteilen, um ein möglichst exaktes Gesamtbild des Nutzens
und der persönlichen Relevanz der IL zu zeichnen.
Wahrgenommener Nutzen
Beide Bestandteile tragen zur Vereinfachung des Praxisalltags durch Einzahlung auf
praxisbezogene Bedürfnisse, als auch direkt und indirekt auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse bei. Auch wenn bei der TV-Kampagne keine aktive Inanspruchnahme möglich ist, werden dem Arzt interessierte Patienten zugeführt. Somit optimiert
dies sein „Zeit- und Kostenmanagement“. Bevor Patienten über die TV-Kampagne
aktiviert werden, erhält er wissenschaftlich breite, neutrale Informationen.
Diese Kombination durch den abgestuften Einsatz der Leistungsbestandteile versetzt
den Arzt in die Lage sich als Experte mit aktuellem wissenschaftlichem Know-How vor
seinen bestehenden und neuen Patienten zu positionieren und zu profilieren. Diese
Einzahlung der Werte auf die Bedürfnisse ist für die befragten Ärzte von persönlicher
Relevanz, da sie zur übergeordneten Zielerreichung und damit der Verwirklichung
beitragen. Aufgrund der hohen Aktualität der bevorstehenden Markteinführung bezieht
sich die persönliche Relevanz allerdings nur auf diese konkrete Situation. IL zum selben
Themenbereich würden zum jetzigen Zeitpunkt keinen weiteren Nutzen liefern und
damit auch nicht genutzt werden. Da diese IL jedoch auch situativ angedacht war,
stimmt dies mit den Zielen des Unternehmens überein.
Wahrgenommene Kosten
Durch die Kombination beider Bestandteile lassen sich aus den Gesprächen Einflüsse
auf alle vier Kostenkategorien erkennen.
Die ökonomischen Kosten sind in den Augen der Ärzte überschaubar, da die Veranstaltungen an sich kostenlos sind und lediglich Kosten für Anfahrt und Unterkunft
getragen werden müssen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 163
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
163
Die IL trägt zudem dazu bei, das persönliche Investment in Bezug auf Zeit und Kosten
bei der Wissensgenerierung zu reduzieren, welche sonst aufwändig selbst zu leisten
wäre. Die gute Qualität der Veranstaltungen senkt das wahrgenommene Risiko. Zudem
wird durch die vorgezogenen Informationsveranstaltungen das Risiko reduziert, im
Patientengespräch auf besser informierte Patienten zu stoßen. Aufgrund glaubwürdiger
Referenten und neutraler, produktunabhängiger Vorträge, welche damit auch die
Integrität der Ärzte bewahren, reduzieren sich ebenfalls die psychologischen Kosten
einer möglichen Beeinflussung.
Separat trägt die TV-Kampagne zur Vereinfachung der Praxisabläufe durch die Zuführung
interessierter Patienten bei und senkt somit psychologische Kosten. Auf der anderen
Seite trägt die Massivität der Maßnahme teilweise zu einer Zunahme des wahrgenommenen Drucks und damit wiederum zur Steigerung dieser Kostenart bei. Des Weiteren
wird das persönliche Investment durch Reduktion des Zeitbedarfs für Akquise neuer
Patienten verringert. Allerdings hat dieser letzte Bereich keinen Einfluss auf die
Inanspruchnahme der zeitlich vorgelagerten Fortbildungen. Die Beiträge zur Kostensenkung durch die patientenorientierte IL sind lediglich zur Vollständigkeit aufgeführt.
5.2.3.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität und Verschreibung
Die Wirkung der beschriebenen IL unterscheidet sich insbesondere aufgrund des
situativen Einsatzes in der Prämarketing-Phase von den IL der Firma Pharmacon. Ziel
ist es demnach nicht, durch permanenten Einsatz Kundenloyalität für die Fortbildungen
zu generieren. Die kombinierte arzt- und patientenorientierte IL soll vielmehr als
Bestandteil des Marketingmix den Launch unterstützen.
Kundenloyalität, also eine erneute Inanspruchnahme der IL, steht demnach nicht im
Fokus dieser IL. Aufgrund des zeitlich begrenzten Einsatzes in der Prämarketingphase,
als auch aufgrund der Aussagen der Ärzte ist diese auch nicht zu erwarten, da sich die
Fortbildungen intensiv nur mit dem Themenbereich HPV befassten.
Zahlungsbereitschaft
Den befragten Ärzten ist noch bewusst, dass die IL bis auf Anfahrt und Unterkunft
kostenlos angeboten wurden. Dennoch ist aufgrund der eigenen positiven Erfahrungen
der befragten Ärzte mit Fortbildungen des Unternehmens eine Zahlungsbereitschaft
erkennbar. Diese bewegt sich anhand der Aussagen in einem ähnlichen Umfang wie
bei Pharmacon zwischen 50 und 100 Euro.
Übertragungseffekt auf Kernleistung
Im Folgenden werden die Ausprägungen der Faktoren beschrieben, welche einen
Einfluss auf das Verschreibungsverhalten zu haben scheinen.
Wirkungsfeld Direktes Marketing
Die Glaubwürdigkeit für das Unternehmen ist gemäß der befragten Ärzten gegeben.
Teilweise verschreiben sie bereits seit Jahren die Produkte des Unternehmens und
vertrauen auf deren Qualität. Aufgrund der wissenschaftlichen Ausrichtung verfügt das
Unternehmen, wie erwähnt, über einen ausgezeichneten Ruf.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 164
164
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
„Die haben immer gute Impfstoffe. Ich habe jetzt auch den Grippeimpfschutz von
denen. Also recht gute Erfahrungen, das passt schon.“
Auch der neue Impfstoff als Kernprodukt verfügt als einziges Arzneimittel in diesem
Bereich zunächst über eine sehr positive Bewertung. Beeinträchtigt wird dieses positive
Bild lediglich durch drei Punkte:
•
Zu hoher Preis führt zu höherem Zeitaufwand in der Beratung,
•
Meldungen über schwere Nebenwirkungen verunsichern Patienten und Ärzte,
•
Wahrgenommene Aussage „Impfung gegen Krebs“ wird als unwissenschaftlich,
zu aggressiv und damit als unglaubwürdig wahrgenommen.
Diese Einwände können zu einer Reduktion des Übertragungseffektes beitragen,
da sie das wahrgenommene Risiko steigern. Eine der Hauptaufgaben des Marketing
in der Launch-Phase war es daher, durch proaktive Information diesem negativen
Einfluss entgegenzuwirken.
Wirkungsfeld Indirect Marketing
Da diese IL sowohl arzt- als auch netzwerkorientierte IM Kanäle abdeckt, unterteilt
Abbildung 57 in arztorientierte und patientenorientierte Wirkungsfelder. Die „TVKampagne“ des DGK führt zu einer steigenden Nachfrage nach ärztlicher Aufklärung
zu der Thematik. Wie unter Kapitel 4.2.3 erläutert, kann diese aktive Patientennachfrage auch Einfluss auf das Verschreibungsverhalten haben.
Arztorientiert
Wirkungsfeld
Indirect Marketing
Wahrgenommenes
Engagement
Patientenorientiert
Grad der Brand
Salience
Aktive
Patientennachfrage
Verschreibungsverhalten
Wirkungsfeld
Direktes Marketing
Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle
Kenntnisse
zu Kernprodukt
Abbildung 57: Wirkungsfelder des Indirect Marketing
Quelle: Eigene Darstellung
Die Kombination der beiden IM Kanäle führt zu einer intensiveren Beschäftigung mit
der Thematik auf Seiten der Ärzte. Mehrere Aussagen weisen daher auf eine hohe
Brand Salience hin. Die folgende Äußerung eines befragten Arztes verdeutlicht die
Wirkweise in eigenen Worten repräsentativ für alle geführten Gespräche.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 165
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
165
„Also, ich denke mal, wären diese ganzen Fortbildungen und diese ganzen Informationen
nicht gewesen, hätte man sich vielleicht gar nicht mit dem Thema [...] befasst,
sondern dann wäre das im Prinzip so nebenbei gelaufen. Und dadurch, wenn man halt
wirklich von jeder Seite so ein bisschen damit konfrontiert wird, beschäftigt man sich
mehr und es wird einem präsent. [...] Es wird einfach in den Vordergrund dadurch
gerückt.“
Anhand dieser Erkenntnisse wird deutlich, dass die patienten- und arztorientierten IL
eine wichtige Rolle zur Steigerung der Effektivität der Launch-Kampagne übernommen
haben. Zudem haben sie maßgeblich dazu beigetragen, eine neue Arztgruppe, die
Gynäkologen, zumindest für den neuen Impfstoff gegen HPV zu Impfärzten aufzubauen.
5.2.4 Zusammenfassung
Im Gegensatz zu Pharmacon setzt Vaximed als Konzern auf klassisches Pharmamarketing inklusive eigenem Arztaußendienst. IM sind direkten Maßnahmen zwar nachgeordnet, spielen jedoch trotz der Unternehmensstruktur eine große Rolle. Als einziges
Unternehmen, welches sich auf Impfstoffe spezialisiert hat, setzt Vaximed ebenfalls
Leistungen aller drei IM Kategorien situativ, als auch permanent ein. Dies hängt vor
allem mit der Überzeugung des deutschen Managements zusammen, welches auf
einen ausgewogenen und kundenorientierten Marketing-Mix setzt. Da Impfstoffe
generell präventiv eingesetzt werden, ist der Bedarf an Aufklärungskampagnen für die
Vorsorgemaßnahme relevanter als bei akuten Erkrankungen.
Der situative Einsatz der IL „Aufklärungskampagne“ ist während der Prämarketing- und
Launch-Phase stufenweise organisiert und umfasst patienten- sowie arztorientierte
Kanäle, die auf WM und ZM einzahlen. Zunächst aktualisieren neutral ausgerichtete
Fortbildungen medizinisches Wissen, als Vorbereitung der Ärzte auf die Patientengespräche. Die anschließende patientenorientierte Laienkampagne ist auf eine Vereinfachung der Patientengespräche durch Reduktion der Überzeugungsarbeit und Zuführung vorabinformierter Patienten ausgerichtet. Diese Reihenfolge ist die Grundlage
für den Erfolg der Kampagne, um dem Arzt nicht unangenehme Gespräche mit besser
informierten Patienten zu bescheren und das damit verbundene wahrgenommene
„Risiko“ zu steigern.
Aufgrund der rechtlichen Lage ist eine Kooperation einer unabhängigen Institution notwendig, welche ähnliche Aufklärungsziele verfolgt. Eine Nennung von Wirk-, Impfstoffoder Unternehmensname würde einen direkten Rückschluss auf das Arzneimittel
aufgrund der exklusiven Marktstellung ermöglichen und ist somit rechtlich untersagt.
Die Kommunikation in Richtung Arzt ist auf die angesprochenen Fachgruppen und
deren Kenntnisstand angepasst. Eine weitere Unterteilung der Ansprache nach Arzttypen erfolgt jedoch nicht. Um die individuelle (Fach-) Kompetenz der Mitarbeiter für
die Vermittlung der Fortbildungen sicherzustellen, werden fachgruppenspezifische
Leitfäden verwendet. Die patientenorientierte Kampagne ist kein Bestandteil der Arztkommunikation.
Erfolgskritisch ist die Kompetenz der Mitarbeiter in Bezug auf die neutrale Vermittlung
der IL. Eine ökonomische Kommerzialisierung der IL findet bei allen Bestandteilen nicht
5.2 13.12.13 16:38 Seite 166
166
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
statt. Vaximed erreicht das Ziel der Aufmerksamkeitssteigerung für die neue Indikation
über alle Zielgruppen, belegt durch nachgelagerte Umfragen. Das Unternehmen verwendet für die IL ein außergewöhnlich hohes Budget von über 10 Mio. Euro und damit
den Großteil des Launchbudgets. Diese IL belegt, dass IM eine wichtige Rolle für
Pharmaunternehmen in Launchphasen spielen kann. Das Budget verdeutlicht außerdem die hohe Akzeptanz im Unternehmen.
Die Arztsicht auf die IL des Unternehmens beschränkt sich auf die Fortbildungen. Die
Laienkampagne wird aufgrund der speziellen Konfiguration nicht als Vaximed Leistung
wahrgenommen, mit allen Konsequenzen auf die Wirkweise. Die Glaubwürdigkeit aller
eingebundenen Informationsquellen ist sehr positiv. Lediglich das Auftreten des Außendienstes zu dieser IL wird als nicht „unabhängig“ wahrgenommen. Dies ist auf die zuvor
beschriebenen individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter zurückzuführen, welche nicht
alle über ein optimales Verständnis der Vermittlung von IL verfügen. Die Qualität der IL
wird ebenfalls als positiv wahrgenommen. Jedoch ist es der retrospektiven Betrachtung
dieser situativen und damit zeitlich begrenzten IL geschuldet, dass lediglich funktionale
Werte aufgeführt werden. Andere Werte scheinen über die Zeit zu verblassen.
Wie beabsichtigt, zahlen diese Werte - passend zu der Launch-Situation - auf praxisbezogene Bedürfnisse ein und führen somit zu einem situativen Nutzen. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre der Nutzen dieser IL aufgrund fehlender Aktualität und bereits
vorhandenem Wissen zur Thematik hinfällig gewesen. Die Kosten werden ebenfalls
als gering wahrgenommen. Obwohl die Laienkampagne nicht dem Unternehmen
zugeordnet wird, trägt diese dennoch bewusst zu einer Reduktion des persönlichen
Investments in Bezug auf Patientenakquise und Beratung bei.
Arzneimittel des Unternehmens werden grundlegend positiv wahrgenommen. Jedoch
führten Nebenwirkungsmeldungen nach Launch zu Störeffekten, auf welche das
Marketing zu reagieren hatte.
Aufgrund des situativen Einsatzes spielt in diesem Fall die „Kundenloyalität“ für die IL
eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist eine Zahlungsbereitschaft in ähnlichem
Rahmen wie bei Pharmacon zu erkennen. Der Übertragungseffekt erfolgt bei dieser IL
stärker durch Einzahlung auf die Brand Salience, durch intensivere Beschäftigung mit
der Thematik aufgrund der hohen Kontaktzahl, sowie der Steigerung der Patientennachfrage durch die Laienkampagne. Die soziale Austauschtheorie scheint bei situativen IL weniger zu greifen. Das Engagement wird zwar wahrgenommen, jedoch stärker
dem bevorstehenden Launch und damit Eigeninteressen zugeordnet. Somit entsteht
gemäß der Theorie auch kein Bedürfnis der Erbringung eines Gegenwertes.
5.3
Indirect Marketing als internetbasierte Informationsplattform
5.3.1 Situatives Unternehmensumfeld
5.3.1.1 Beschreibung Unternehmen: Respipharm GmbH
Die Respipharm GmbH ist ein global agierendes Pharmaunternehmen in privater Hand,
welches neben einer eigenen Forschung auch Forschungskooperationen unterhält.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 167
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
167
Größere Anteile des Unternehmens gehören Private Equity Banken. Der Fokus der
Geschäftstätigkeit liegt auf dem Ausbau der „emerging markets“ insbesondere der
BRIC-Staaten, sowie der Einlizensierung neuer Arzneimittel.472 Mit über 12.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern weltweit generiert das Unternehmen einen Umsatz
von über 3,2 Mrd. Euro (2010).473 Es ist damit die Nummer 28 der Pharmaunternehmen
weltweit. Europa ist zwar nach wie vor der größte Umsatzbringer, jedoch mit abnehmender Tendenz. Währenddessen gewinnen Wachstumsmärkte in Asien oder
Lateinamerika an Bedeutung, so dass der globale Fokus auch mehr und mehr auf diesen
Ländern liegt. In Deutschland befinden sich zum Zeitpunkt der Fallstudie zwei Produktionsstandorte, der Standort der Arzneimittelforschung, sowie der Sitz der deutschen Marketing- und Vertriebsgesellschaft. Mit ca. 100 Innendienst- und 300 Außendienstmitarbeitern generiert das Unternehmen einen Umsatz von 184 Mio. Euro (2010) auf
dem deutschen Markt. Dabei betreut der Außendienst in erster Linie API. Zudem
werden Spezialisten, wie Pneumologen direkt besucht.
5.3.1.2 Produktportfolio der Respipharm GmbH
Das Produktportfolio setzt sich aus verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Rx) für
mehrere Indikationen als auch OTC-Präparaten zusammen, welche international 11,8 %
des Umsatzes ausmachen.
Der größte Rx-Bereich verliert stark mit -27,8 % zum Vorjahr bedingt durch den Patentablauf des größten Arzneimittels des Unternehmens. Deutschland trifft diese kritische
Situation hart, da dort dieser Bereich nahezu 50 % des Portfolios in 2010 umfasst.
Wachstumsbereiche liegen vor allem im Bereich „Respiratory“ (+36,6 %).
Abbildung 58: Prozentuale Aufteilung des internationalen Portfolios nach Produktbereichen in 2010
Quelle: Respipharm, Interne Unternehmenspräsentation „Facts & Figures“ 2011
(unveröffentlichtes Dokument).
Dem Einbruch des größten Produktsegment, versucht das Unternehmen durch Zukäufe
und der Einführung neuer Arzneimittel entgegenzuwirken. In diesen Zusammenhang
fällt auch ein neues Arzneimittel zur Behandlung von Patienten mit schwerer Atemwegserkrankung, in dessen Marketingmix die IL der Fallstudie anzusiedeln ist. Das neue
472
473
BRIC = Brasilien, Russland, Indien, China.
Vgl. Respipharm, Interne Unternehmenspräsentation „Facts & Figures“ 2011 (unveröffentlichtes Dokument).
5.2 13.12.13 16:38 Seite 168
168
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Produkt trägt als Bestandteil der Therapie zu einer verminderten Entzündung der
Lungen bei und verringert die Verengung der Atemwege. Allerdings bewegt es sich in
einem kompetitiven Wettbewerbsumfeld, da zahlreiche andere Therapieoptionen zur
Verfügung stehen und das Marketing diese neue Option erst im Markt etablieren muss.
5.3.1.3 Klassisches Pharmamarketing bei Respipharm
Respipharm setzt in Deutschland wie die meisten großen Pharmakonzerne auf klassisches Rx-Marketing mit Konzentration auf direktes Marketing. Im Mittelpunkt stehen
dabei der verhältnismäßig große Außendienst, sowie das klassische Instrumentarium
in Form von Fachprint, Mailings, Fortbildungen und Kongressen.
IM verfügt dementsprechend über keinen großen Anteil am gesamten Marketingmix
des Unternehmens. Wenn IL eingesetzt werden, handelt es sich um situative Aktivitäten,
z. B. im Rahmen von Launchkampagnen. Ein permanenter Einsatz von IM, wie bei den
zuvor vorgestellten Unternehmen, ist bei Respipharm seit der Übernahme durch Private
Equity Banken nicht zu erkennen. Unter diesen Eigentumsverhältnissen kombiniert
mit der schwierigen Wirtschaftslage setzt das Management stärker auf direkte Maßnahmen, von denen es sich einen schnelleren ROI erwartet als von IM.
Speziell für den Launch des neuen Arzneimittels geht das Unternehmen eine Marketingund Vertriebskooperation mit einem weiteren größeren Pharmakonzern ein, um durch
eine noch stärkere Präsenz den Erfolg der Produkteinführung sicherzustellen. Die
Herausforderung besteht hierbei jedoch in der exakten Abstimmung der Marketing- und
Vertriebsprozesse beider Unternehmen.
5.3.2 Erstellung der indikationsspezifischen indirekten Leistung
Die IL der nächsten Fallstudie finden im Rahmen der Prämarketing- und Launchphase
des neuen Arzneimittels statt. Mit dem Ziel über die Indikation zu informieren und aufzuklären, nutzt Respipharm den Kommunikationskanal „Internet“ und richtet Plattformen
ein, über die sich sowohl Fachkreise, als auch Patienten separat informieren können.
Über beide PLZ-Phasen richten sich die Plattformen an die gleichen Bedürfniskategorien
wie die IL bei Vaximed. In der Prämarketingphase dient die produktneutrale Internetplattform dazu, Wissenslücken bei Ärzten zu beseitigen und diese über die Thematik
aufzuklären. Der Schwerpunkt liegt demnach auf Befriedigung des Bedürfnisses zur
Unterstützung des „Wissensmanagements“. Die Fallstudie konzentriert sich auf diese
produktneutrale, arztgerichtete „Internetinformationsplattform“.
Eine weitere Internetplattform für die Fachkreise übernimmt nach Produktlaunch diese
Aufgabe, allerdings mit klarem produktzentriertem Fokus. Des Weiteren dient eine dritte
produktneutrale, patientenorientierte Informationsplattform dazu, Patienten Hintergrundinformationen zu der Erkrankung, einem Selbsttest, therapeutischen Übungen sowie
Informationsmaterial bereitzustellen. Vorrangiges Ziel ist die Unterstützung des Arztes
bei der Patientenberatung, in dem dieser durch vorinformierte Patienten Zeit spart. Der
Schwerpunkt liegt hierbei auf dem „Zeitmanagement“.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 169
169
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Eine spezielle Herausforderung stellt die Ko-Existenz weiterer Internetplattformen dar,
die ebenfalls von Respipharm unterstützt werden. Zum einen handelt es sich dabei
um ein Fortbildungsportal für Ärzte des kooperierenden Pharmaunternehmens, über
welches auch CME Punkte generiert werden können und welches bereits von über
25.000 Abonnenten genutzt wird. Zum anderen unterstützt das Unternehmen eine unabhängige Plattform zu dieser schweren Atemwegserkrankung, auf welche hochwertige
Präsentationen und Mediainhalte für Ärzte zur Verfügung stehen, welche diese Inhalte
für ihre eigenen Fortbildungen nutzen können. In diesem Umfeld gilt es, für das Unternehmen ausreichend Aufmerksamkeit für die eigenen IL zu generieren. Abbildung
59 gibt einen Überblick zum Einsatz der eigenen Internetplattformen im Rahmen der
Launchkampagne und verdeutlicht grafisch die Wettbewerbssituation zu weiteren
unternehmensgeförderten Plattformen.
Zielgruppe
Launchphase
Zielgruppe Phase Prämarketingphase
Phase
Prämarketingphase
Launchphase
Patienten
Patienten
Ärzte
Ärzte
II. Neutrale Indikationsseite
I. Neutr. Respiph. Indikationsseite
Produktorientierte Seite
I. CME Plattform
I. CME Plattform
I. Unabh. Fortbildungsplattform
I. Unabh. Fortbildungsplattform
Abbildung 59:
Zielgruppenspezifischer Einsatz der Internetplattformen in Abhängigkeit der PLZ-Phasen
Quelle: Eigene Darstellung.
5.3.2.1 Gestaltungsfaktoren „Internetinformationsplattform“
Die eigene Internetinformationsplattform für Fachkreise stellt gemäß der Marketingexperten eine „wesentliche Säule für unsere Prälaunch-Aktivitäten“ dar. Die Konfiguration stellt sich wie folgt dar. Innerhalb eines für Fachkreise passwortgeschützten
Bereiches bietet sich die Möglichkeit, grundlegende Informationen inkl. Animationen
und Videos zu Wirkmechanismen zum Thema abzurufen. Dabei liegt der Schwerpunkt
auf der Erläuterung, dass es sich bei den Atemwegserkrankungen um unterschiedliche
Entzündungsmechanismen handelt, die verschiedene antientzündliche Therapien
benötigen. Im Gegensatz zu den IL der anderen Unternehmen sind diese Seiten sehr
spezifisch auf das Thema des bevorstehenden Launchs zugeschnitten. Die wissenschaftliche Breite bezieht sich hier lediglich auf den Ausschnitt der durch die Kernleistung abgedeckten Indikation. Der Schwerpunkt liegt somit wiederum auf der Aufmerksamkeitssteigerung. Eine Kommerzialisierung der IL findet nicht statt. Alle
Bestandteile dieser wissenschaftlichen Aufklärungskampagne über die Internetplattformen, sowie Abgabekarten werden kostenlos zur Verfügung gestellt.
Absender und Betreiber der drei eigenen Internetseiten ist das Unternehmen selbst.
Inhalte werden durch Mitarbeiter des Unternehmens organisiert und koordiniert, welche
über die entsprechende Kompetenz verfügen. Somit werden Kooperationen weder
im Sinne von Unterstützung bestehender Fachportale noch bei der Kommunikation der
IL eingegangen.
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170
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Die Kommunikation der arztorientierten Internetplattform erfolgt über Hinweise in
Fachanzeigen, sowie über Abgabekarten, welche der Außendienst in den Arztpraxen
verteilt. Zunächst werden Pneumologen als Spezialisten, dann im Anschluss API informiert. Dieser Kommunikationsweg wird auch bei der patientenorientierten Seite eingeschlagen. Hier setzt das Unternehmen ebenfalls auf Anzeigen in der EV-Presse mit
hoher Affinität zum Thema, sowie Abgabekarten in den Arztpraxen, welche der Arzt
wiederum informativ an seine Patienten verteilen kann. Der Kommunikationsprozess
mit den Kunden Arzt und Patient erfolgt damit in entgegengesetzter Richtung zu Vaximed.
Informationskanäle der IL bei Respipharm
Fachseite
Patientenseite
Informationskanäle der ILbei Vaximed
Passiv
Passiv
Arzt
Unternehmen
Arzt
Aktiv
Passiv
Aktiv
DGK TV Spot
Aktiv
Patient
Passiv
Aktive
Nachfrage
Patient
Abbildung 60: Gegenüberstellung der Informationskanäle der IL von Respipharm und Vaximed
Quelle: Eigene Darstellung
Die bereitgestellten Internetseiten ermöglichen es Patienten und Ärzten, aktiv Informationen einzuholen. Zudem kann der Arzt einen Teil der Beratungsleistung „outsourcen“,
in dem er dem Patienten den Hinweis auf die Atemwegserkrankung-Patientenseite gibt.
Diese aktive Informationssuche und Aushändigung der Abgabekarten verursacht jedoch
zusätzlichen Zeitaufwand für den Arzt. Im Gegensatz dazu erhalten Ärzte und Patienten
durch die Vaximed-IL Informationen passiv ohne eigenen Einsatz. Patienten kommen
aufgrund der Aufklärungskampagne ohne Zutun des Arztes in die Praxis (Aktive
Patientennachfrage). Im weiteren Verlauf ist daher zu untersuchen, wie sich dieser
zusätzliche Aufwand auf die Wahrnehmung der IL von Respipharm auswirkt.
5.3.2.2 Akzeptanz der indirekten Leistungen bei Respipharm
Wie erwähnt, ist die Position von IM bei Respipharm nicht sehr stark ausgeprägt. Das
Rx-Marketing konzentriert sich eher auf produktorientierte, bewährte Maßnahmen,
welche in den Augen der Marketingmanager schnelle Erfolge kreieren. Langfristige
Maßnahmen sind, bedingt durch die Unternehmenskultur, insbesondere aufgrund der
Eigentumsverhältnisse, eher selten.
Der implizite Produktbezug ist in diesem Fall sogar etwas ausgeprägter gegeben, als
bei den vorangegangenen Fallstudien. Die Inhalte der IL konzentrieren sich auf den
Indikationsbereich und insbesondere auf die Bedeutung eines neuen antientzündlichen
Therapieansatzes. Die Inhalte sind somit zwar produktneutral, jedoch thematisch näher
am Kernprodukt als die beiden anderen IL. Die Fokussierung der IL auf die konkreten
Zielgruppen ist sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten gemäß der Marketingmanager-
5.2 13.12.13 16:38 Seite 171
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Aussagen gegeben. Die Fachkommunikation konzentriert sich, wie erläutert, auf
Pneumologen und API mit einem ausgeprägten Patientenstamm dieser Indikation.
Der Einsatz der arztorientierten IL erfolgte lediglich in der „relativ kurzen Prämarketingphase“ von knapp sechs Monaten. Dabei war sie laut Marketingmanagement flankierend zu anderen Maßnahmen aktiv, wie z. B. PR. Die Laienkampagne wiederum nutzt
fokussiert Printmedien mit hoher Affinität für Patienten der Indikation. Die Frequentierung ist unter diesen Voraussetzungen und aufgrund des situativen Einsatzes als
geringer einzustufen als bei den anderen vorgestellten IL.
Internetplattformen in diesem Stil sind allen Beteiligten im Unternehmen bekannt. Der
Innovationsgrad ist somit nicht zu hoch, um gerade in diesem Unternehmensumfeld
auf Ablehnung zu stoßen. Jedoch führt der geringe Innovationsgrad auf der anderen
Seite nicht zu einer überzeugteren Unterstützung der IL im Unternehmen. Insbesondere
macht sich dies beim Außendienst bemerkbar, der sich durch eine eher bekannte IL in
einem starken Wettbewerbsumfeld beim Arzt nur schwer differenzieren kann.
Zur Rentabilität und zum Erfolg der IL sind von Respipharm keine Messungen durch
Erhebung etwaiger KPI unternommen worden. Zwar gehen die befragten Manager
davon aus, dass die IL flankierend zum Erfolg beigetragen hat. Jedoch ist aufgrund der
höheren Wettbewerberdichte im Bereich Atemwegserkrankung auch von Streuverlusten
auszugehen. Des Weiteren ist es aufgrund der Wettbewerbssituation bei den Internetplattformen fraglich, ob die IL einen großen Beitrag zur Steigerung des Kundenwerts
verspricht und leistet. Aus diesem Grund wird dieser Faktor mit 0 bewertet.
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Frequentierung
Innovationsgrad
Rentabilität
Unternehmens- kultur
Impliziter Produktbezug Fokussierung
Med.
Frequentierung
Innovations-grad
Rentabilität
Beratungsservice/
Akzeptanz
Internet-informations-plattform
Fortbildungen
Tabelle 29: Akzeptanz der Internetinformationsplattform bei Respipharm
Quelle: Eigene Darstellung
5.3.3 Wahrnehmung und Wirkung der indirekten Leistung
5.3.3.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
Für beide befragten Ärzte ist der Außendienstmitarbeiter der Überbringer der IL. Als
Absender bzw. Betreiber der arztorientierten Internetseite erkennen beide Respipharm
als Informationsquelle. Hierin liegt auch die Problematik bei der Wahrnehmung der
Unabhängigkeit. Zwar sehen sie nicht ihre Therapiehoheit gefährdet oder ihre Unabhängigkeit als Arzt beeinflusst, jedoch wünscht man sich eine größere wissenschaftliche
Breite, da diese Seite zwar als produktneutral, jedoch nicht als wissenschaftlich neutral
wahrgenommen wird.
„Aus meiner Sicht verfolgen die damit natürlich einen Zweck: ihr Produkt zu verbreiten
oder zu vertiefen.“
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5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Die Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit und der Reputation des Unternehmens
ist anhand der Aussagen nicht negativ, aber auch nicht ausgesprochen positiv. Sowohl
bei API als auch Pneumologen ist Respipharm als forschendes Pharmaunternehmen
nicht top-of-mind und verfügt eher über einen durchschnittlichen Ruf. Andere Unternehmen, wie Vaximed oder Böhringer Ingelheim, verfügen hingegen über eine bessere
Reputation bei den befragten Ärzten.
„Da ist „Respipharm“ schon in Ordnung, ein renommiertes Pharmaunternehmen. Ich
denke, die wissen schon, was sie tun.“
In diesem Zusammenhang wird die Expertenkompetenz sowohl des Unternehmens
als auch des Außendienstmitarbeiters positiv gesehen und bewertet. Gemäß der Ärzte
ist zum Großteil die hohe Sympathie gegenüber dem Pharmareferenten als Überbringer der IL dafür verantwortlich, dass sich die Ärzte die Internetplattform zumindest
ansehen.
In Summe ergibt sich ein etwas negativeres Bild als bei den zuvor dargestellten IL.
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
Aufklärungskampagne
Tabelle 30: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Quelle: Eigene Darstellung
5.3.3.2 Wahrnehmung der Qualität
Die Inanspruchnahme der IL, also der Besuch der Internetplattform, lag bei beiden
befragten Ärzten zum Zeitpunkt der Befragung zwischen einem halben und einem Jahr
zurück. Dennoch sind aus den Gesprächen sehr wenige Wertearten zu extrahieren.474
Dies verstärkt wiederum den Eindruck einer mangelnden Relevanz für den Arzt.
Der Fokus liegt wiederum auf funktionalen Werten, wie der „Bereitstellung wissenschaftlicher Hintergrundinformationen zur Indikation“. Dieser Wert generiert sich der
Werte-Quelle „Produkt-/ Dienstleistungseigenschaften“. Die Art und Weise der
Beschreibung der IL in eigenen Worten verdeutlicht die nicht zu positive Wahrnehmung
der Qualität.
„Also das ist [...] so eine Information für Ärzte und auch Patienten. Was man unter dieser Indikation sich vorstellen kann, so ein bisschen wird das erläutert. Und da wird man
[...] in dieses Krankheitsbild eingeführt und [...] die Möglichkeiten der Behandlung.“
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Die persönliche Erfahrung mit Leistungen von Respipharm stellt zumindest in den
beiden geführten Gesprächen keinen negativ moderierenden Einfluss dar. Die Erfahrungen mit den Inhalten der Internetplattform, welche vielen Ärzten hingegen bereits
bekannt zu sein scheinen, reduziert die wahrgenommene persönliche Relevanz der IL.
474
Vgl. Appendix A. 14.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 173
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
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5.3.3.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Die Qualität der bereitgestellten Informationen wird nicht in Frage gestellt. Jedoch tragen
die Inhalte nicht durch neue Erkenntnisse im Bereich des „Wissensmanagements“ oder
in anderen Bereichen zur Befriedigung der praxisbezogenen Bedürfnisse bei. Somit
verfügen sie auch über keine persönliche Relevanz.
Wahrgenommener Nutzen
Die funktionalen Werte der Internetseiten, welche auf praxisbezogene Bedürfnisse
zielen, stoßen bei den befragten und wahrscheinlich bei einer Vielzahl vorinformierter
Ärzte auf keine persönliche Relevanz. Sie können keinen Nutzen aus der IL ziehen, da
keine neuen Informationen für die Zielgruppe bereit gestellt werden. Die IL umfassen
Inhalte, welche in Arztkreisen, insbesondere bei Pneumologen, zum größten Teil schon
bekannt sind.
„Sagen wir mal das sind eher Sachen, die für Pneumologen bekannt sind und uns
darüber hinaus nicht unbedingt weiterführen. Das ist im Prinzip bekannt. Als Pneumologe
beschäftigt man sich doch intensiver damit und hat Fortbildungen besucht und
Kongresse und weiß darüber Bescheid.“
„Da gab es einen Kongress und da wusste ich eigentlich schon alles. Also, da bin ich
jetzt bloß noch einmal reingegangen, um zu sehen, wie ist das aufgemacht und so
weiter. Das hat mir jetzt nichts Neues mehr gesagt.“
Die IL zahlt somit nicht auf Bedürfnisse des „Wissens-“ oder „Zeitmanagements“ ein
und damit auch nicht weiterführend auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse. Ärzte
haben nicht den Eindruck durch Inanspruchnahme dieses Angebotes, zur Optimierung
ihres Praxisalltages „ein besserer Arzt“ werden zu können. Bei einer Informationsplattform legen die Ärzte vor allem Wert auf eine schnelle Beantwortung ihrer Fragen. Aus
den Arztgesprächen geht hervor, dass sie daher eher eine aktiv kommunizierte Hotline
oder Mailadresse, wie bei Pharmacon, bevorzugen würden.
„Wenn eine Frage [...] auftauchen würde, dann würde ich wahrscheinlich eher die Firma
anschreiben oder anrufen.“
Ebenso wären Möglichkeiten zum Download von Grafiken und Vorträgen von Interesse.
Dieses Angebot existiert allerdings auf der separat vorhandenen und ebenfalls von
Respipharm unterstützten unabhängigen Plattform. Eine Zusammenführung beider
Angebote auf einer Plattform hätte persönlich relevante Werte ergänzt und somit die
Möglichkeit einer positiven Reaktion erhöht.
Wahrgenommene Kosten
Im Verhältnis zu dem wahrgenommenen Nutzen erscheinen die wahrgenommenen
Kosten der IL relativ hoch. Die ökonomischen Kosten werden zwar sowohl für die
Nutzung der Internetplattform, als auch für die Verteilung der Abgabekarten mit Hinweis
auf die Laien-Plattform als kostenlos wahrgenommen. Jedoch führt die verringerte
wahrgenommene Unabhängigkeit der IL, aufgrund des Verdachts einer möglichen
Beeinflussung, zu einer zumindest geringen Steigerung der psychologischen Kosten.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 174
174
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Hinzu kommt der Aufwand bei der Informationsgenerierung, der als Stressfaktor zur
Kostensteigerung beiträgt. Schwerwiegender ist auch das persönliche Investment in
Form von Zeit aus Sicht der befragten Ärzte. Im Vergleich zu anderen Informationsquellen ist diese Variante sehr zeitaufwändig und bedarf ggf. die Hinzuziehung weiterer
Quellen, da die Internetseite eventuell die gesuchten Wissensbereiche nicht alle abdeckt.
Generell scheint das Internet nach Aussage der Interviewpartner aufgrund dieses Zeitaufwandes nicht die erste Wahl zu sein. Dies steht in Übereinstimmung mit einer
aktuellen Befragung zu Informationsquellen von Ärzten. So erscheinen Internetlösungen
als Informationsquelle gemäß Abbildung 61 erst auf Rang 6 hinter Fachzeitschriften,
Tagungen/Kongressen oder direkten Gesprächen mit Kollegen. Mit Ausnahme der
Pharmareferenten nehmen auch hier nicht kommerzielle Quellen die wichtigsten
Positionen bei der Informationssuche ein. Dabei ist zu beachten, dass mit „Fachzeitschriften“ die wissenschaftlichen Beiträge und nicht die produktbezogene Werbung
gemeint ist.
Abbildung 61: Genutzte Informationsquellen API in Deutschland
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf LA-MED API-Studie 2011 (n = 1.016); Vgl.
Arbeitsgemeinschaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e. V. 2011,
http://www.la-med.de/index.php?id=20&type=2, Stand: 08.01.2013.
Ein weiteres Problem der Wahrnehmung dieser IL liegt gemäß einer unternehmensinternen Studie von 2011 im geringen Bekanntheits- und damit Nutzungsgrad bei Ärzten.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 175
175
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
37
42
22
7
52
32
10
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26
61
39
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14 2
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3 20
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10
26
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31
27
64
37
53
011
86
52
93
Abbildung 62: Bekanntheitsgrad verschiedener Internetplattformen bei Ärztegruppen
Quelle: Interne Studie zum Bekanntheitsgrad von Internetplattformen bei Ärzten Juni 2011.
(unveröffentlichtes Dokument)475
Gemäß dem dargestellten Verhältnis von wahrgenommenen Nutzen und Kosten, ist
der KV durch die IL als gering einzustufen. Demzufolge sind weitere Prozessschritte
eher unwahrscheinlich.
5.3.3.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität und Verschreibung
Die geringe Aufmerksamkeit und Bekanntheit der Internetinformationsplattform, kombiniert mit den geringen Werten, welche diese IL liefert, resultiert in einer entsprechend
geringen Inanspruchnahme und damit einer geringen Kundenloyalität. Abbildung 62
unterstreicht diese geringe Nutzung im Vergleich zum Wettbewerb deutlich. Aufgrund
der fehlenden Relevanz und dem geringen KV ist auch keine Zahlungsbereitschaft
für diese IL vorhanden.
Aufgrund der geringen Kundenloyalität ist im weiteren Verlauf auch nicht von einem
Übertragungseffekt auf die Kernleistung durch die Internetinformationsplattform auszugehen. Im besten Fall zahlt diese IL bei der geringen Anzahl an Nutzern, aufgrund
der Verknüpfung der Indikation mit der Marke Respipharm, auf deren Brand Salience
ein. Jedoch wird ein solcher Effekt bei der geringen Kundenloyalität auch eher gering
ausfallen. Die überwiegende Nicht-Erfüllung der ermittelten Beurteilungskriterien führt
somit zu einer geringen Effektivität der IL.
5.3.4 Zusammenfassung
Als Unternehmen von Private Equity Eigentümern setzt Respipharm auf klassisches
Pharmamarketing mit vornehmlich direkten Maßnahmen, sowie einem größeren Arztaußendienst. Diese Rahmenbedingungen tragen zum Teil dazu bei, dass vor allem
Aktivitäten mit kurzfristigen Ergebnissen präferiert werden. IM spielt im MarketingPortfolio des Unternehmens eine untergeordnete Rolle. Die Unternehmenskultur
475
Fragestellung: Welche der folgenden Internetplattformen mit Informationen zu schweren Atemwegserkrankungen sind Ihnen, zumindest dem Namen nach, bekannt? Und welche davon nutzen Sie
zumindest ab und zu?
5.2 13.12.13 16:38 Seite 176
176
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
ermöglicht keine langfristige, kontinuierliche Ausrichtung von IL. Das Management steht
IL tendenziell kritisch gegenüber, aufgrund von Befürchtungen, zu viele Streuverluste
zu erleiden. In diesem Zusammenhang wird der IL auch generell keine hohe Rentabilität
unterstellt. Der Druck auf das Management aufgrund des Patentablaufs des größten
Präparates und fehlender Nachfolgeprodukte verstärkt die Tendenz zu kurzfristigen
Aktivitäten, die zunächst einen schnelleren ROI versprechen. Die Akzeptanz ist im
Vergleich zu den beiden anderen vorgestellten Unternehmen somit negativ.
Mit der dargestellten IL verfolgt das Marketing einen vergleichbaren Ansatz zu Vaximed.
Allerdings steht die beschriebene Plattform im Wettbewerb mit mehreren anderen
Internetseiten, die vom Unternehmen ebenfalls gefördert werden. Aus den Gesprächen
wird der Drang zur Umwandlung der indirekt konzipierten Seite in eine direkte Maßnahme deutlich. Es besteht ein großes Interesse daran, die Inhalte direkt mit der
Produktmarke zu verknüpfen. Für die Plattform werden daher auch keine Kooperationen
eingegangen. Betreiber ist und bleibt das Unternehmen. Die Kommunikation dieser IL,
mit der Ärzte beim Wissensmanagement zur Indikation unterstützt werden sollen, läuft
über Außendienst und Fachanzeigen. Im Gegensatz zur proaktiven Bereitstellung von
Informationen, mit dem Anspruch, den Aufwand des Arztes weitestgehend zu reduzieren,
wird deutlich, dass der Aufwand zur Informationsgenerierung für Ärzte bei dieser IL
erhöht ist. Auch wenn die IL kostenlos angeboten wird, besteht somit das Risiko der
Steigerung der wahrgenommenen Kostenarten.
Diese Ausrichtung und Konzentration auf direkte Maßnahmen spiegelt sich auch aus
Arztperspektive wieder. So wird die IL nicht als neutral und unabhängig, sondern stets
im Zusammenhang mit der monetären Zielsetzung des Unternehmens gesehen. Die
Reputation des Unternehmens und der Kernprodukte ist in Ordnung. Jedoch scheint
der einzige Auslöser für die Inanspruchnahme der IL der „Sympathiegrad“ gegenüber
dem jeweiligen Außendienstmitarbeiter zu sein. Wahrgenommene Werte sind dementsprechend gering. Auch hier konzentrieren sich die Äußerungen auf rein funktionale
Werte. Aufgrund der Tendenz zu direkten Maßnahmen ist die Internetplattform thematisch eng um die neue Therapieform gestrickt. Aus Arztperspektive ist die IL damit nicht
wissenschaftlich breit und objektiv genug. Zudem sind die meisten Informationen bei
Ärzten, welche in diesem Therapiebereich aktiv sind, bekannt, so dass diese über keine
Relevanz verfügen. Die Werte generieren auf diese Weise keinen wahrgenommenen
Nutzen. Hingegen sind die wahrgenommenen Kosten im Hinblick auf persönliches
Investment, in Form von Zeit, sowie der psychologischen Kosten, aufgrund der fehlenden
Unabhängigkeit, hoch. Neben dem Kanal „Internet“ ist zudem auch die generelle Wahrnehmung der Plattform im Vergleich zu anderen Angeboten zu niedrig, so dass von
keiner großen Inanspruchnahme auszugehen ist.
Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch diese spezifische Maßnahme
ein Übertragungseffekt ausgeübt wurde, sehr gering.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 177
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5.4
177
Reisemedizinischer Service als praxisbezogenes
Indirect Marketing
Die Vaximed GmbH ist mit eigenen, wenigen Impfstoffen im reisemedizinischen Umfeld
vertreten. Aufgrund eines Arzneimittelrückrufes reduzierte sich die Anzahl der Produkte
zeitweise auf zwei, so dass die Position in dem Marktsegment stark litt und dort
auch keine führende Position etabliert werden konnte. Der Marketingmix für den reisemedizinischen Bereich umfasst, neben direkten Aktivitäten wie Mailings, Fachanzeigen
und Einsatz des Außendienstes, vor allem den folgenden „Reisemedizinischen Service“.
Vaximed bestrebt mit dieser IL, neben einer Stärkung der Position im reisemedizinischen
Segment, vor allem die Schaffung einer produktübergeordneten Kompetenz als Impfexperte in den Augen der Ärzte und einer nachhaltigen Kundenbindung durch die
Bereitstellung von dem - aus Manager-Perspektive - praxisrelevanten Service. Reisemedizin bietet sich als verwandtes und dem Kernportfolio nahestehendes Thema an,
da es für nahezu jede Arztpraxis (API) aufgrund des unterschiedlich starken, aber überall anfallenden Beratungsbedarfs von Relevanz ist.
Die genannten Ziele sollen durch diese permanent angelegte, über zwölf Jahre andauernde IL zur Etablierung des Themas „Reisemedizin“, welche zur Unterstützung
der Ärzte im Praxisalltag dient, erreicht werden. In diesem Zeitraum nimmt die IL einen
festen Bestandteil des Marketing-Mix ein, während sich Vaximed von einem sechs
Mann zu einem 500 Mitarbeiter starken Unternehmen entwickelt.
5.4.1 Leistungserstellung des praxisbezogenen
„Reisemedizinischen Service“
Aus Sicht des Unternehmens stellt diese IL eine wichtige, elementare, vertrauensbildende Maßnahme dar, um das Ziel einer nachhaltigen Kundenbindung zu erreichen.
Um eine übergeordnete Kompetenz und damit einen positiven Zugang zu der Zielgruppe zu erlangen, konzentriert sich die IL auf mehrere praxisrelevante Bedürfnisse.
Dies geschieht mit dem Anspruch an die Einhaltung eines hohen, neutralen Niveaus
der Maßnahme in Übereinstimmung mit der damaligen Unternehmensphilosophie.
Mit dieser komplexen IL werden vor allem Bedürfnisse zur Unterstützung im Praxismanagement (PM) angesprochen. In erster Linie geht es darum, Ärzte und Praxispersonal
mit qualitativ hochwertigen, wissenschaftlich neutralen Informationen, sowie Material
zur reisemedizinischen Beratung in der Praxis fortzubilden und auszustatten. Reisemedizinische Beratung fällt in den Bereich der IGeL-Leistungen.476 Der Medizinische
Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) beschreibt den
Nutzen, den Ärzte aus IGeL ziehen auf seiner Internetseite wie folgt:
476
IGeL = Individuelle Gesundheitsleistung. Bei IGeL handelt es sich um Leistungen, welche gemäß
§12 SGB V über die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Patientenversorgung hinaus gehen
und somit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Ärzte können solche
Leistungen gesetzlich krankenversicherten Patienten gegen Selbstzahlung anbieten. Reisemedizinische
Vorsorge gehört ebenfalls in diese Kategorie. Vgl. Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der
Krankenkassen e.V. (MDS) 2013, http://www.igel-monitor.de/IGeL_A_Z.php, Stand: 10.01.2013.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 178
178
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
„Ärzte bieten IGeL an, weil sie die Leistungen für sinnvoll halten, weil sie die Wünsche
ihrer Patienten nach besonderen Leistungen erfüllen möchten, weil sie ihrer Praxis
damit ein besonderes Profil geben wollen und weil sie damit Geld verdienen können.“ 477
Diese praxisbezogene IL kann damit zur Erweiterung des Leistungsportfolios der Arztpraxis dienen und durch zielgerichtete Beratung, mit Hilfe der Leistungsbestandteile,
zu einer Optimierung des Kosten- und Zeitmanagements beitragen. Da dies neben
organisatorischen, auch medizinische Informationen umfasst, werden auch WM Bedürfnisse angesprochen.
Produkt
Produktgruppe
Sortiment
Medikament
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Image
• Aufklärungskampagne
Impfung
(Prämarketing)
• Reisemedizin.
Beratung
Benefizgala
WM
Bedürfnisse
ZM
KM
• Impfmanagement
PM
Praxisbezogene
Persönlichkeitsbezogene
Abbildung 63: Beabsichtigter Beitrag des reisemedizinischen Service zur Bedürfnisbefriedigung
Quelle: Eigene Darstellung
5.4.1.1 Gestaltungsfaktoren „Reisemedizinischer Service“
Um diese Bedürfnisse bestmöglich ansprechen zu können, werden neben MethodenKompetenzen für die Vermittlung von IL, auch entsprechende Fachkompetenzen benötigt. Von besonderer Bedeutung ist zudem, laut der befragten Manager, die Fähigkeit,
IL unabhängig von den Kernprodukten zu kommunizieren. Die getrennte Kommunikation dieser Leistungen ist für Vaximed wichtig. Diese Kompetenzen zur Vermarktung
von IL sind gemäß der Unternehmensphilosophie und der verhältnismäßig großen
Anzahl an IL im Marketingmix weitestgehend vorhanden.
Das Unternehmen verfügt jedoch auf organisationaler Ebene nicht über ausreichende
Fachkompetenz und vor allem Ressourcen, um eine solche IL alleine anbieten zu können. Zur interorganisationalen Ergänzung der Kompetenzen geht das Unternehmen
eine Kooperation mit dem reisemedizinischen Spezialisten „ReiseMED“ ein, in dem
es dessen Angebot unterstützt.
„ReiseMED“ bietet als Dienstleister für reisemedizinische Beratung und Praxismarketing
ein umfassendes Portfolio an Leistungen für Fachkreise an. Der Dienstleister unterhält
dabei wiederum selber eigene Kooperationen bezüglich „Produktion der Inhalte“ und
„Vertrieb“ der Leistungen.
Die wissenschaftliche Unterstützung und damit die für die Dienstleistung unablässigen
aktuellen Inhalte bezieht ReiseMED exklusiv vom Institut für Reisemedizin (IRM).
477
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) 2013,
http://www.igelmonitor.de/IGeL-Markt_Aerzte.htm, Stand: 10.01.2013.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 179
179
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Dieses Institut verfügt als privatwirtschaftliches Institut über eine ausgezeichnete
Reputation in den Fachkreisen. Dies ist auch bedingt durch die hohe fachliche Reputation
des Gründers und Geschäftsführers, der in Kreisen der Reisemedizin weithin als
Koryphäe gilt. So wird u.a. das umfassende, qualitativ hochwertige reisemedizinische
Handbuch des Instituts gemäß der befragten Experten als „Bibel der Reisemedizin“
angesehen.
Für den Vertrieb der Leistungen wiederum unterhält ReiseMED exklusive Kooperationen
mit Firmen, welche mit eigenen Außendienstmannschaften die für die Reisemedizin
relevanten Zielgruppen (Ärzte, Apotheken, Reisebüros) direkt betreuen. Diese stellen
somit für ReiseMED die wichtigsten Vertriebskanäle zur Ansprache der Zielgruppe
„Reisende“ dar, welche Abbildung 64 veranschaulicht.
Zielgruppe Reisebüro (Partner: Reiseversicherungsgesellschaft)
Zielgruppe
Reisende
Zielgruppe Apotheke
(Partner:
Apothekengroßhandel)
Zielgruppe Arzt
(Partner:
Vaximed)
Systemansatz zur Verbesserung und Förderung qualifizierter reisemedizinischer Beratung
Abbildung 64: Vertriebskooperationen von ReiseMED
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte ReiseMED,
August 2011.
Auf der anderen Seite ermöglicht ReiseMED den Unternehmen, wie z. B. Vaximed, sich
mit dem umfassenden, hochwertigen Portfolio bei den Zielgruppen exklusiv zu positionieren und zu differenzieren. Die Reisebüros stellen aus der Vaximed Perspektive einen
zusätzlichen patientenorientierten Kanal der IL dar, um Aufmerksamkeit für reisemedizinische ärztliche Leistungen, wie Reiseimpfungen, zu erwecken. Die Vernetzung
der Ärzte, Apotheken und Reisebüros wiederum nutzt allen Exklusivpartnern, da hiermit
die Qualität des Angebotes durch Multiplikatoren gesteigert wird. Durch diese Zusammenarbeit entsteht ein informatives, reisemedizinisches Netzwerk. Die Kooperationsform
ermöglicht somit Vorteile für beide Seiten und entspricht einem klassischen „Win-Win“Prinzip.
Die Partner im jeweiligen Bereich sind auf den Materialien von ReiseMED mit dem Hinweis „mit freundlicher Unterstützung von“ gekennzeichnet. Durch diese zielgruppenübergreifende Vernetzung ist eine Ansprache der Reisenden an den drei wichtigsten
reisemedizinischen Kontaktstellen möglich.
Die Konfiguration des kompletten ReiseMED Services in Richtung Arzt, in Zusammenarbeit mit Vaximed, umfasst neun Leistungsbestandteile (siehe Abbildung 65), welche
im Rahmen des Jahresabonnements erhältlich sind.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 180
180
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Portfolio an
Materialien zur
MarketingUnterstützung
Exklusiver
Konsiliar-Service
für reisemed.
fortgebildete
Ärzte“
Infodienst
„Reisemedizin
aktuell“
Reisemedizinische
Beratungssoftware
Handbuch
Reisemedizin
Listung
reisemed.
geschulter
Ärzte auf
reisemed.de
Geschlossene
exklusive
Internetplattform für
Abonennten
Arbeitshilfen
für
die Praxis
Abbildung 65: Leistungsbestandteile des ReiseMED Servicepaketes
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte ReiseMED,
August 2011.
Kern des arztorientierten Servicepaketes ist das „Handbuch Reisemedizin“. Dabei
handelt es sich um ein halbjährlich erscheinendes Nachschlagewerk für die ärztliche
Reiseberatung mit reisemedizinischen Informationen zu allen Ländern der Welt. Die
Inhalte werden durch die Experten des IRM zur Verfügung gestellt. Ärzten wird dieses
Handbuch auf drei Wegen zugänglich gemacht. Sie können es
1)
kostenpflichtig separat erwerben,
2)
erhalten es kostenpflichtig im Rahmen des abonnierten Servicepaketes oder
3)
erhalten es als „geringfügige“ Vergütung für die Teilnahme an vereinzelten
Marktforschungsaktivitäten.
Abonnenten erhalten zusätzlich die weiteren Leistungsbestandteile aus Abbildung 65.
Zur Sicherstellung der Aktualität der reisemedizinischen Beratung wird der Arzt postalisch mit dem Infodienst alle 14 Tage über aktuelle Meldungen zu Krankheitsausbrüchen, z. B. im Fall von Malaria- oder Gelbfieberausbrüchen in bestimmten Reiseländern,
informiert. Online erhält er diese Informationen ebenfalls aktuell und exklusiv über
die geschlossene Internetplattform reisemed.de. Des Weiteren umfasst die Plattform
Vortragsmanuskripte, Formulare und den aktuellen Stand der Malaria- sowie Impfprophylaxe. Eine Beratungssoftware für die Praxis fasst diese Informationen auf CDROM zur Vorort-Anwendung zusammen. Zudem enthält sie Tools zur erleichterten
Erstellung des Impfplans unter Berücksichtigung von Impfstatus, Reiseziel, Reisestil
und Reisedauer des Patienten. Online Updates erfolgen parallel zum Handbuchversand
zwei Mal jährlich. Zusätzlich stehen diese zum Download bereit. Bei reisemedizinischen
Fragen, die sich nicht aus den genannten Medien beantworten lassen, steht dem
Arzt der telefonische Konsiliar-Service zur Verfügung mit direktem Kontakt zu reisemedizinisch fortgebildeten Kollegen. Thematisch ist diese IL demnach wesentlich breiter
aufgestellt, als nur zum Thema Reiseimpfungen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 181
181
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Zur weiteren Unterstützung beim Praxismanagement stehen Arbeitshilfen für die Beratung, sowie eine umfassende Unterstützung der Arztpraxen für patientenorientiertes
Marketing, zur Verfügung. Hierin enthalten sind zahlreiche Instrumente mit denen sich
der Arzt als Experte für reisemedizinische Beratung positionieren kann. Tabelle 31 gibt
einen Überblick über die abrufbaren Leistungen.
•
Patienteninformationen
zu reisemed.
Themen (DIN lang)
•
ReiseMED Newsletter
zu Praxismarketing
Themen
•
Kooperationsmöglichkeit mit
Reisebüros
•
Kooperationsmöglichkeit mit
Reisebüros
•
ReiseMED
Magnet-Tafel für
Wartezimmer
•
Erläuterungen zu
Leistungen und Kosten
reisemed. Beratung
•
Folienvorträge zum
Themasemedizin
und Impfung
•
Einbindung der ReiseMED
Länderinformationen
für Patienten auf
Praxis-Homepage
•
Versand CD-ROM
„Reisen & Gesundheit“
an alle dt. Reisebüros
inkl. Listen mit reisemed.
fortgebild. Ärzten
Tabelle 31: Leistungspaket zur Unterstützung des patientenorientierten Marketing in der Arztpraxis
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte ReiseMED
August 2011.
Flankierend bietet ReiseMED produktneutrale, reisemedizinische Fortbildungen,
durchgeführt durch Experten des IRM, sowie Praxismarketing-Seminare an. Dabei
handelt es sich um mehrtägige Seminare mit unabhängigen reisemedizinischen
Experten, die Arzt und Praxispersonal intensiv zu Themen rund um die Reisemedizin
qualifizieren. Nach Abschluss der Fortbildung erhalten Teilnehmer ein Zertifikat sowie
CME-Punkte. Auf Wunsch und Zustimmung des Arztes veröffentlicht ReiseMED über
die eigene Homepage, als auch über die CD-ROM „Reisen & Gesundheit“ die Adressen
reisemedizinisch fortgebildeter Ärzte. Somit trägt das Service-Paket zusätzlich zur
Werbung für die Arztpraxis bei.
Die Kommunikation dieses umfangreichen IL-Paketes an die Ärzte erfolgt über drei
Kanäle. Der wichtigste Kanal ist dabei der Vaximed Außendienst (1). Vaximed nutzt
diese IL in den Arztgesprächen, um über die Jahre eine übergeordnete Kompetenz
durch ein professionelles Image im Impfstoffbereich aufzubauen. Indem Ärzten diese
hochwertige IL vermittelt wird, dient sie als Türöffner und vertrauensbildende Maßnahme zur nachhaltigen Kundenbindung. Voraussetzung ist jedoch ein umfassendes
Verständnis der Mitarbeiter für IM sowie für den Nutzen, welche diese Leistungsbestandteile dem Kunden „Arzt“ liefern können. Weitere eigene Kommunikationskanäle
von ReiseMED umfassen Mailings (2) sowie persönliche Gespräche mit potenziellen
Kunden auf Kongressen (3).
Eine Unterteilung der Kommunikation nach Arzttypen anhand deren Einstellung erfolgt
in allen drei Kanälen nicht. Die Zielgruppe, welche mit dieser IL angesprochen wird,
umfasst alle 45.000 Impfärzte, also Ärzte, welche im größeren Umfang Impfungen
vornehmen. Der Fokus liegt dabei etwas stärker auf Ärzten mit reisemedizinischem
5.2 13.12.13 16:38 Seite 182
182
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Beratungsschwerpunkt. Dabei handelt es sich um ca. 11.000 niedergelassene Ärzte.
Aus diesem Grund beläuft sich die Auflage des Handbuchs Reisemedizin auf jährlich
2 x 45.000 Stück. 20.000 Stück werden davon über den Vaximed Kanal distribuiert.
Den höchsten Anteil an Abonnenten in Höhe von über 3.000 Praxen generiert der
Vaximed Außendienst. Allerdings ist diese Zahl im Verhältnis zur Größe des Außendienstes von 300 Mitarbeitern relativ gering. Gründe hierfür können im fehlenden Verständnis der Wirkung von IM und damit in der fehlenden Kompetenz der jeweiligen
Mitarbeiter liegen, welche eine rein produktzentrierte Kommunikation mit dem Arzt vorziehen, anstatt kundenorientiert vorzugehen. Der Erfolg in Bezug auf die Effektivität
einer IL, erscheint auch hier wiederum von der individuellen Kompetenz der Außendienst- mitarbeiter als Mittler abzuhängen. Dies ist besonders wichtig bei einer IL, für
welche als eine der Hauptaktivitäten über mehrere Jahre Budgets von über 1 Mio. Euro
pro Jahr investiert wurden.
Ein Grund dafür, dass sich einige Mitarbeiter bei der Vermittlung schwerer tun könnten,
ist die Kommerzialisierung der IL. Im Gegensatz zu den anderen vorgestellten IL wird
diese nicht kostenlos angeboten, sondern bewusst mit einem Preis belegt. Lediglich
im Rahmen der Teilnahme an erwähnten Marktforschungsaktivitäten erfolgt eine
„kostenlose“ Abgabe des Handbuchs Reisemedizin. Diese erfolgt jedoch als Gegenleistung für die Teilnahme an einer Marktforschung. Die Preise für Handbuch und
Mitgliedschaft betragen:
Handbuch Reisemedizin = 36,- Euro zzgl. MwSt.
ReiseMED Servicepaket = 120,- Euro zzgl. MwSt.(Mitgliedschaft für ein Jahr)
Diese Preise können durch die Unterstützung von Vaximed verhältnismäßig niedrig
angeboten werden.
„Wir haben das ganz klar ausgewiesen gehabt „mit Unterstützung von „Vaximed““ […],
so dass der Arzt also auch wusste, okay ich bekomme hier ein System entsprechend
vergünstigt, durch die Unterstützung der Pharmaindustrie.“
Die Inanspruchnahme des Services ist dabei nicht exklusiv Vaximed Kunden vorbehalten
oder abhängig vom Umsatz der Praxis mit den Kernprodukten. Somit können auch
Kunden, die bisher nicht viel Kontakt mit dem Unternehmen unterhalten, an die Marke
herangeführt werden. Die Kommerzialisierung für Vaximed liegt, wie beschrieben, in
der Etablierung einer übergeordneten Kompetenz als Impfexperte zur Generierung
einer langfristigen Kundenbindung. Aufgrund des umfassenden Leistungspaketes und
der bewussten Gestaltung aller Leistungsbestandteile, gemäß der Erfolgsfaktoren des
IM, sticht diese IL aus dem Umfeld der untersuchten IL hervor.
5.4.1.2 Akzeptanz des reisemedizinischen Service bei Vaximed
ReiseMED wird in einer IM-fördernden Unternehmenskultur durchgeführt und auch
Top-Down propagiert. Der implizite Produktbezug zum Thema „Impfungen“ ist gegeben. Ebenso wird die Fokussierung und Frequentierung der IL positiv eingeschätzt.
Aufgrund der positiven Unternehmenskultur wird der hohe Innovationsgrad von vorneherein akzeptiert. Bestätigung erfahren die Mitarbeiter auch durch die positiven Rück-
5.2 13.12.13 16:38 Seite 183
183
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
meldungen der Kunden. Einzig in der Kritik steht die wahrgenommene Rentabilität.
Da die IL insbesondere im Bereich Reisemedizin positioniert ist und sich nicht durch
die alleinige Umsatzentwicklung in diesem Produktsegment rechnet, sehen einige
Manager die IL kritisch.
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Frequentierung
Innovationsgrad
Rentabilität
Akzeptanz
ReiseMED
Tabelle 32: Akzeptanz von ReiseMED bei Vaximed
Quelle: Eigene Darstellung
5.4.2 Wahrnehmung und Wirkung des reisemedizinischen Service
Die Bereitstellung und damit auch Inanspruchnahme dieser umfangreichen IL liegt
bereits einige Jahre zurück. Die Suche nach Ärzten als mögliche Interviewpartner,
welche die IL nach dieser Zeit noch kennen und genutzt hatten, stellte eine Herausforderung dar. Da sich viele Ärzte nach der Nutzung nicht mehr aktiv mit der damals
beanspruchten Leistung beschäftigen, können somit auch Details in Vergessenheit
geraten. Hierbei handelt es sich jedoch um ein generelles Problem bei retrospektiver
Fallstudienforschung.
Bei den drei befragten Ärzten liegt die Inanspruchnahme mehr als sieben Jahre zurück,
wodurch das Erinnerungsvermögen reduziert ist. Dennoch ist die Erinnerung an wesentliche Leistungsbestandteile noch vorhanden. Auch viele der zu anderen Leistungen
befragten Ärzte nennen den reisemedizinischen Service unaufgefordert als positives
Beispiel einer Dienstleistung. Allerdings fällt die Zuordnung der IL zum anbietenden
Pharmaunternehmen tatsächlich schwerer. So beschreibt einer der Ärzte die Leistung
zwar detailliert (Handbuch, CD-ROM etc.) und erachtet sie für sehr gut, ordnet diese
allerdings dem Wettbewerber zu, mit dessen Kernprodukten er insbesondere in der
Reisemedizin viel arbeitet. In diesem Einzelfall gelang es offenbar nicht, den Absender
Vaximed durch den zuständigen Außendienstmitarbeiter kommunikativ zu transportieren.
Dies unterstreicht wiederum die besondere Bedeutung der individuellen Kompetenz
und Kommunikation der IL, sowie deren langfristiger Ausrichtung. Je langfristiger und
nachhaltiger die IL angelegt ist, um regelmäßige Kontaktpunkte zum Kunden „Arzt“ zu
etablieren, desto eher können die als positiv wahrgenommenen Leistungskomponenten
und damit Werte der IL anscheinend mit dem Unternehmen attribuiert werden.
5.4.2.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit
Informationsquelle dieser IL sind sowohl Vaximed Außendienstmitarbeiter als Erstkontakt und Vermittler, als auch ReiseMED als Erbringer der IL.
Die Erkenntnisse aus den Interviews zur Fallstudie „Aufklärungskampagne“ in Bezug
auf die positive Glaubwürdigkeit treffen auch in diesem Fall zu. Wohl auch durch diese
Konstellation nehmen die Ärzte die IL als unabhängig, ohne verdeckte Hinweise auf
den Nutzen der Firma wahr, wie es bei der ersten untersuchten Fallstudie des Unter-
5.2 13.12.13 16:38 Seite 184
184
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
nehmens der Fall war. Aus den geführten Gesprächen geht hervor, dass die wahrgenommene (Produkt-) Unabhängigkeit in diesem Fall stärker als bei der ersten Vaximed
Fallstudie ausgeprägt ist.
Hervorgehoben wird insbesondere die Sympathie zu den Außendienstmitarbeitern. In
diesem Zusammenhang führt einer der Ärzte näher aus, dass fehlende Sympathie,
insbesondere durch Fehlverhalten der Pharmareferenten, auch zur Unterbindung von
Besuchen führen kann.
Die Expertenkompetenz in Bezug auf fachliche Inhalte, als auch auf Organisation der
Prozesse ist auch bei dieser IL sehr ausgeprägt. Folgendes Zitat eines befragten Arztes
summiert die Haltung der befragten Teilnehmer.
„Das war alles wirklich […] professionell und [...] war keine verschwendete Zeit und lief
alles sehr gut muss ich sagen.“
Insgesamt ergibt sich beim „Reisemedizinischen Service“ ein etwas besseres Bild, als
bei der zuvor beschriebenen „Aufklärungskampagne“ aufgrund der uneingeschränkten
Wahrnehmung der Unabhängigkeit der IL, insbesondere von ReiseMED.
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
Reisemedizinischer
Service
Tabelle 33: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit der InformationsquelleQuelle: Eigene Darstellung
5.4.2.2 Wahrnehmung der Qualität des reisemedizinischen Service
In Zusammenhang mit der Marke „ReiseMED“ erinnern sich Ärzte auch an etwaige
Leistungsbestandteile. Allerdings haben sie in den meisten Fällen keine exakte Kenntnis
des Unternehmens mehr, welches ihnen diese Leistung vermittelt hatte.
Vergleichbar mit den Nennungen zu Werten der Fallstudie „Aufklärungskampagne“,
liegt der Schwerpunkt sowohl auf funktionalen Werten als auch auf Faktoren mit
Einfluss auf die wahrgenommenen Kosten. Des Weiteren lassen sich jedoch auch
Werte zu beiden anderen Werte-Arten extrahieren.
Die funktionalen Werte umfassen die Vermittlung von wissenschaftlich hochwertigem
reisemedizinischem Wissen durch die Fortbildungen, sowie die Bereitstellung aktueller
Informationen zu allen Reiseländern der Welt über die Kanäle „Reisehandbuch“,
„Online“ und „Newsletter“. Der Online-Kanal spielt tendenziell eher bei jüngeren Ärzten
eine Rolle. Diese Werte tragen in erster Linie zur Befriedigung der Bedürfnisse bezüglich
WM bei, indem Wissenslücken geschlossen werden.
„Das lernt man ja nicht im Studium, also reisemedizinische Beratungen usw.“
Weiterhin wird die Vermittlung von Praxiswissen zu Abrechnungsmöglichkeiten der IGeL
im Rahmen des Portfolios ausdrücklich positiv erwähnt. Durch IGeL erweitert sich das
Leistungsprofil der Praxis, wodurch sich der Arzt als lokaler Spezialist im Gebiet
„Reisemedizin“ etablieren und somit differenzieren kann. Für einen der befragten Ärzte
5.2 13.12.13 16:38 Seite 185
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
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stellen die reisemedizinischen Patientenbroschüren eine weitere nennenswerte Unterstützung bei der Patientenberatung dar. Diese Werte-Arten zahlen somit auf den
Bereich PM ein und helfen sowohl das Leistungsportfolio zu erweitern, als auch die
Prozesse im Praxisalltag zu optimieren.
In den Bereich der Werte durch Erlebniswelten fallen die als qualitativ hochwertig und
glaubwürdig wahrgenommenen Referenten. Diese scheinen trotz des vergangenen
Zeitraums einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben, insbesondere durch
deren Vortragsstil sowie durch die vermittelten Inhalte in Kombination mit deren hohen
Bekanntheitsgrad und Reputation. Ein Arzt, welcher im Rahmen des Interviews zur
„Aufklärungskampagne“ auch auf den „Reisemedizinischen Service“ als vorbildliche
Leistung zu sprechen kommt, hebt die Möglichkeit hervor, zeitnah direkt während des
Patientengesprächs in der Praxis online auf reisemedizinische Informationen zuzugreifen.
Wie bereits betont, ist die Online-Nutzung jedoch nicht bei allen befragten Ärzten
erkennbar und wird im Zusammenhang mit dieser IL auch nur von diesem einen Arzt
explizit erwähnt. Aus den Gesprächen ergibt sich hierbei auch die Herausforderung,
die erbrachten Werte verständlich zu transportieren. Die meisten befragten Ärzte sehen
in der Internetlösung als Bestandteil des kostenpflichtigen Leistungspaketes keinen
Mehrwert für sich. Sie vergleichen die IL mit kostenlosen, frei zugänglichen Patientenplattformen. An dieser Stelle wird deutlich, dass es zumindest bei diesen befragten
Ärzten nicht gelungen zu sein scheint, den Mehrwert der geschlossenen, fachlichen,
reisemedizinischen Online-Plattform zu kommunizieren.
„[…] vielleicht war es mir zu umständlich oder irgendwas hat mich davon abgehalten.
D. h. wenn ich rein gehe, dann gebe ich unter Google „Reisemedizinische Impfungen
Peru” und was weiß ich immer und dann kommen ja automatisch immer […]“
Symbolische Werte, die Wertschätzung in den Augen der Ärzte vermitteln, werden
durch die hohe Reputation des Handbuchs, sowie durch die Sicherstellung der Integrität
des Arztes aufgrund durchgängiger Produktneutralität und -unabhängigkeit transportiert. Insbesondere das positive Image, welches man als Arzt durch die Weiterqualifikation als reisemedizinischer Experte erhält, ist in den Augen der Befragten ein
wichtiger Aspekt.
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Die eigenen Erfahrungen mit den vermittelten Inhalten als auch mit den Absendern
haben zumindest keinen einschätzbaren negativen Einfluss auf die Inanspruchnahme,
ähnlich der zuvor vorgestellten IL. Da die IL sowohl langfristig in Anspruch genommen
und auch ausdrücklich gelobt wird, ist von einer positiven Erfahrung auszugehen. Eine
negative eigene Erfahrung mit IL dieses Anbieters hätte sonst Störfaktoren verursacht.
„Die eigenen Erfahrungen spielen natürlich immer eine Rolle, klar. Und je älter man
wird, je länger man [...] auch Arzt ist, desto mehr spielt das wahrscheinlich auch eine
Rolle. Weil ganz am Anfang nach dem Studium ist das noch unwichtig. Aber je mehr
man an eigenen Erfahrungen hat, dann ist man auch vorsichtiger und auch eher
skeptischer.“
5.2 13.12.13 16:38 Seite 186
186
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5.4.2.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Anhand der dargestellten wahrgenommenen Eigenschaften der IL, ist auch der KV
positiv einzustufen. Dabei spielt es anscheinend eine besondere Rolle, dass die IL durch
ein unabhängiges Unternehmen erbracht wird, wie die Äußerungen des Marketingexperten betonen.
„Da waren immer wieder Ärzte, die [...] „Vaximed“ gelobt haben, dass sie [...] das
unterstützen, auch uns, dass wir [...] vernünftig neutral sind.“
Diese Tatsache beeinflusst, wie dargestellt, nachhaltig die Glaubwürdigkeit der IL.
Gerade in Bezug auf die Wissenschaftlichkeit kreiert ReiseMED einen Mehrwert
gegenüber den Wettbewerbern und profitiert von deren, als schlechter wahrgenommenen
Qualität. ReiseMED profitiert hierbei von fehlenden Updates und Wissenschaftlichkeit,
welche zum Teil bei Wettbewerbsangeboten in Frage gestellt werden.
„Negativ wäre es aufgenommen worden, wenn man dort [...] seine eigenen Produkte
nur noch in den Vordergrund gestellt hat. [...] So etwas kommt bei den Ärzten sehr,
sehr negativ an.“
Wahrgenommener Nutzen
Zwar sind die erinnerten Werte der IL nicht sehr umfangreich, jedoch decken sie insbesondere praxis- und persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse mit Konzentration auf
PM und WM ab. Da die Thematik „Reisemedizin“ zudem, gemäß eigener Aussagen
der Ärzte, sehr häufig in der Praxis vorkommt, ist dieser Bereich für sie auch persönlich
relevant.
„Ja, das ist sozusagen die Erfahrung mit der ReiseMED-CD. Es hat funktioniert, hat
nicht zu viel Zeit gekostet, wurde angenommen. Es war ein Pluspunkt für die Praxis.“
Der Arzt wird durch diese IL weiterqualifiziert und sowohl aus Sicht der Patienten, als
auch in den eigenen Augen, ein besserer Experte im Bereich Reisemedizin (WM). Zugleich ermöglicht ihm diese IL, sich in der Region zu positionieren und anhand der IGeL
zusätzlichen Umsatz zu generieren (PM). Diese Kombination aus reisemedizinischen
Know-How und deren Abrechnung überzeugt die befragten Ärzte.
„Damals hatte ich mir einfach das versprochen, dass ich weiß, wie ich das abrechnen
kann. Das ist ja auch wichtig. Und dann zum Anderen der einfache Effekt über diese
Tatsachen als solches zu hören. Da kriegt man ja auch so Landkarten.“
Diesen Aspekt greift ReiseMED auch in der Kommunikation der IL auf und kommuniziert
über die Werbematerialien deutlich eine Kosten-Nutzen-Analyse im Fall der Inanspruchnahme des kompletten Paketes in Kombination mit reisemedizinischen Fortbildungen.
Hierbei werden auch Hinweise zu Abrechnungsmodalitäten beispielhaft an 60 und 120
Beratungen pro Jahr gegeben, um den ökonomischen Nutzen für die Praxis zu unterstreichen.
5.2 13.12.13 16:38 Seite 187
187
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
ReiseMED Kosten-Nutzen-Analyse
Kosten
ReiseMED
Service
Service und
Qualifizierung
Nutzen
60
Beratungen
pro Jahr
120
Beratungen
pro Jahr
Gebühr
139,20 €
139,20 €
Beratungsgebühr
1.200,00 €
2.400,00 €
430,00 €
GOÄ Ziffer 3 (2,3fach)
EUR 20,-
900,00 €
1.800,00 €
1.500,00 €
3.000,00 €
3.600,00 €
7.200,00 €
Fortbildung*
2 Impfungen
pro Reisender GOÄ
Ziffer 375 (1,2fach)
Nebenleistungen
Bescheinigungen,
Vorsorge-Untersuch.
EKG u.a.m.,
Kassenleistungen
Kosten** einmalig pro Jahr
139,20 €
569,20 €
Einnahmen pro Jahr
* Teilnahmegebühr IRM Fachseminar Reise- und Tropenmedizin
** alle Kosten sind als Betriebsabgabe steuerlich absetzbar
Abbildung 66: Monetäre ReiseMED Kosten-Nutzen-Analyse
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Werbematerial ReiseMED.
Neben der fachlichen Sicherheit bei der reisemedizinischen Beratung, trägt die IL somit
auch indirekt durch die Weiterqualifikation zur ökonomischen Entwicklung der Praxis bei.
Wahrgenommene Kosten
Die befragten Ärzte können sich aufgrund des Zeitabstandes nicht an ökonomische
Kosten erinnern bzw. sind sich derer nicht mehr bewusst. Im Verhältnis zum erbrachten
Nutzen scheinen diese als akzeptabel wahrgenommen worden zu sein. Wären die Kosten
als zu hoch wahrgenommen worden, wären Hinweise der Ärzte zu vermuten gewesen,
adäquat zu den Interviews der explorativen Phase. Insbesondere im Hinblick auf die
Darstellung unter Abbildung 66 wird deutlich, dass die Preisakzeptanz auch eng mit
der erfolgreichen Nutzenkommunikation verknüpft ist.
Die IL reduziert vielmehr die persönlichen Investments des Arztes in Bezug auf Zeit
und Kosten, die für Recherchen zur Patientenberatung aufgebracht werden müssten.
Die IL vermittelt durch deren wissenschaftliche, neutrale und umfassende Ausrichtung
auch eine Sicherheit bei der Durchführung reisemedizinischer Beratungen in der eigenen Praxis. Somit trägt sie dazu bei, psychologische Kosten durch Vermeidung von
Konfliktsituationen und Stressaufgrund falscher Beratung zu reduzieren. Zu deren Senkung trägt des Weiteren die Neutralität und hohe Glaubwürdigkeit der Referenten durch
deren Unabhängigkeit bei, da so vermieden wird, sich in der Therapiehoheit eingeschränkt zu fühlen. Somit wird auch das damit verbundene finanzielle Risiko reduziert.
5.4.2.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität und Verschreibung
Aus der Vaximed Perspektive stellt die IL eine vertrauensbildende Maßnahme dar, um
einen einfacheren Zugang, eine stärkere Kundenbindung und ein positives Image zu
generieren. Im Fokus steht demnach eher die Kundenloyalität als die Zahlungsbereitschaft. Wie zuvor beschrieben, ist die interne Akzeptanz für IL aufgrund der
5.2 13.12.13 16:38 Seite 188
188
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Unternehmenskultur und dem Vertrauen in die Wirksamkeit von IM gegeben, so dass
dieser Service über Jahre hinweg angeboten wurde.
Für den Erfolg der IL sprechen folgende Kennzahlen. Innerhalb weniger Jahre stieg
die Anzahl der Abonnenten und damit „Mitglieder“ von ReiseMED von 700 auf 4.300
an. Durch die breiten Kommunikationskanäle konnten nahezu 100% aller Reisemediziner in Deutschland angesprochen werden und kamen somit mit dieser IL in
Kontakt. Parallel dazu nahmen über 5.000 Ärzte an den vermittelten reisemedizinischen
Fortbildungen teil. Diese Zahlen ergeben, in Kombination mit den Aussagen aus den
qualitativen Interviews, ein insgesamt positives Bild der IL. Lediglich die Internetangebote
unterliegen den beschriebenen Einschränkungen in Bezug auf Nutzung in den Praxen.
„Ich habe in meiner Praxis auch kein Internet, vielleicht würde ich es dann auch mehr
nutzen.“
Zumindest in der Zeit als die IL angeboten wurde, aber auch noch darüber hinaus, hat
das Unternehmen sein Ziel der Steigerung der Kundenloyalität erreicht. Dass die IL
dazu beiträgt, einen besseren Zugang zu den Ärzten zu bekommen, wird durch folgende
ungestützte Äußerung der Ärzte deutlich.
„Das hat natürlich die Auswirkungen, [...] dass ich die [...] empfange und vielleicht mehr
Zeit nehme.“
Jedoch verblassen die Erinnerung und damit auch die Nutzung der Leistungsbestandteile mit der Zeit. Der „Reisemedizinische Service“ wird seit einigen Jahren nicht mehr
über Vaximed besprochen und angeboten. Kontinuität durch eine langfristige Ausrichtung der IL ist also von Bedeutung.
Auch wenn keine Hinweise auf wahrgenommene ökonomische Kosten aus den Daten
hervorgehen, ist aufgrund des hohen Nutzens sowie den ergänzenden Äußerungen
von einer positiven Zahlungsbereitschaft auszugehen. So untermauern die folgenden
Äußerungen die theoretisch-konzeptionell hergeleitete Wirkweise.
„Und so wie ich heute für manche Fortbildung was zahlen muss, würde ich auch für
einen guten Service zahlen“
Wichtig ist den befragten Ärzten, dass „Nutzen und Kosten in einer gesunden Relation“
stehen sollten. Dabei sind für sie laut eigener Aussage Themengebiete wesentlich wertvoller, die bisher unbekannte Informationen liefern. Erhalten sie hier Hilfestellung, sind
sie auch eher bereit mehr zu zahlen, als bei Themengebieten, welche sie nach eigener
Wahrnehmung selber erschließen können.
Die Äußerungen bestätigen im Umkehrschluss auch das schlechtere Abschneiden der
Respipharm Internetplattform, da diese wenig neue Informationen bereitstellt.
Übertragungseffekt auf Kernleistung
Das Reiseimpfstoffsegment war und ist, wie beschrieben, relativ klein. Die befragten
beteiligten Manager gehen daher bei dieser IL von einem Übertragungseffekt auf das
5.2 13.12.13 16:39 Seite 189
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
189
gesamte Impfstoff-Sortiment aus und weniger ausschließlich auf die Reiseimpfstoffe.
Wie unter Kapitel 5.2.3.4 dargestellt, verfügt Vaximed über eine herausragende
Reputation in Bezug auf die Kernleistung und erfüllt die Anforderungen an das
Wirkungsfeld „Direktes Marketing“.
Der „Reisemedizinische Service“ zahlt ebenfalls auf die Faktoren des Wirkungsfeld
„Indirect Marketing“ ein. Die befragten Ärzte können die IL trotz der dazwischen
liegenden Jahre gut replizieren und ordnen es zumindest zum Teil dem Unternehmen
zu. Es ist davon auszugehen, dass das wahrgenommene Engagement des Unternehmens in der Zeit der Leistungserbringung stärker ausfiel. Aufgrund der IL führten
zumindest einige der befragten Ärzte im Anschluss Reiseberatungen durch, so dass
auch ein Bedarf an Impfstoffen generiert wurde.
„Gut z. B. diese reisemedizinische Fortbildung, da habe ich am nächsten Tag in der
Praxis schon mit losgelegt. Das hat mich einfach [...] ermutigt so was anzubieten, weil
ich [...] angefangen habe, mich dafür zu interessieren und da haben die mir noch so
einen Impuls gegeben [...] dass ich jetzt auch eine schwerpunktmäßige Beratung
Reisemedizin anbieten kann.“
Allerdings bestätigt sich hier zumindest zum Teil die Befürchtung einiger Manager durch
Nennung von Wettbewerbsprodukten, dass zumindest teilweise auch Wettbewerber,
insbesondere der Marktführer, von der IL profitierten. In einigen Fällen scheint es
demnach nicht gelungen zu sein, Brand Salience bei den Ärzten zu generieren,
so dass im Entscheidungsmoment die Wahl auf Impfstoffe mit gleicher Qualität von
Vaximed fällt.
Ob die IL eine aktive Patientennachfrage ausgelöst hat, ist anhand der geführten
Interviews aufgrund der zurückliegenden Zeit nicht ermittelbar. Jedoch ist aufgrund der
breiten Distribution über die Kanäle Arzt, Apotheke und Reisebüro und der ReiseMEDDaten davon auszugehen, dass das Ziel, das Thema „Reisemedizin“ in der Bevölkerung
weiter zu etablieren, erreicht und auf diese Weise auch direkte oder indirekte Nachfrage
bei Ärzten geschaffen wurde.
5.4.3 Zusammenfassung
ReiseMED zeigt als eine der Hauptleistungen des IL-Portfolios der Vaximed weitere
Potenziale des IM auf. Die geschaffene, übergeordnete Kompetenz und Unterstützung
im Praxisalltag führt zur Stärkung der Kundenbindung und durch die Relevanz der
Thematik auch zu mehr wertvoller Gesprächszeit beim Arzt. Die IL bietet dem Pharmareferenten somit die Möglichkeit, die Kundenbeziehung zu intensivieren.
Diese permanente, praxisbezogene IL verdeutlicht jedoch auch, dass ein situativer Einsatz keine großen Erfolgschancen hätte, da sich durch geringere Kontaktraten keine
Verlinkung zum Erbringer der IL schaffen lässt. Somit besteht das Risiko, dass die
Leistung nicht Vaximed, sondern dem Marktführer im Bereich reisemedizinische Impfstoffe zugeordnet wird. Situative IL scheinen damit ihre Existenzberechtigung hauptsächlich im thematischen Umfeld von Launch-Aktivitäten als indikationsspezifische
Leistungen zu haben.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 190
190
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
ReiseMED stellt ein umfassendes und komplexes eigenes Leistungssystem dar und
belegt somit gleichzeitig, dass die Schaffung eines selbstständigen Leistungssystems
aus einer IL möglich ist. Ebenso stellt die IL hohe Anforderungen an die Fähigkeiten
der Mitarbeiter von Vaximed, welche dieses Paket als IL beim Arzt platzieren müssen.
Sie müssen nicht nur die Leistungsbestandteile verstehen und bedürfnisgerecht
kommunizieren, sondern auch die kundenorientierte, (produkt-) neutrale Kommunikation
und Wirkung verstehen. Die Herausforderung für das Management liegt darin, dem
produktorientierten Pharmaaußendienst das umfassende Verständnis für Leistungen
dieser Art zu vermitteln und sie dafür zu motivieren. Auch wenn die IL an sich erfolgreich
war, ist an den Abonnenten-Zahlen erkennbar, dass nicht alle Pharmareferenten
ReiseMED genutzt haben. Dabei reduziert die Kommerzialisierung der IL auch die
Akzeptanz mancher Mitarbeiter, da aus deren Perspektive der wahrgenommene
Aufwand der Vermittlung steigt. Dies wiederum ist häufig auf das fehlende Nutzenverständnis zurückzuführen.
ReiseMED ist eine erfolgreich, selbstständig vermarktete IL. Zwar sind die Preise durch
Sponsoren für Ärzte reduziert, dennoch müssen diese einen Betrag investieren. Dieser
scheint jedoch angemessen und nicht zu exorbitant, da befragte Ärzte sich nicht bewusst an die Höhe bzw. negative Einflüsse erinnern können. Aus rechtlichen Gründen
wäre es nicht möglich, diese IL nach 2004 weiterhin kostenlos anzubieten. Somit stellt
sich auch nicht die Frage, ob die Wirkung bei einer kostenlosen IL höher wäre.
Die Akzeptanz für diese IL ist im Unternehmen hoch. Die negative Einschätzung der
Rentabilität ist dabei wiederum auf das fehlende Verständnis zurückzuführen, dass
diese praxisbezogene IL nicht alleine als Maßnahme für den Bereich Reiseimpfstoffe
zu sehen ist, sondern vielmehr als eine unternehmensübergreifende, vertrauensbildende Maßnahme. Dies spiegelt sich auch in der positiven Wahrnehmung auf Arztseite wieder. Die neutrale, unabhängige Präsentation, unter Einbindung anerkannter
Experten, trägt wiederum zur Steigerung des wahrgenommenen Nutzens bei. Wie dargestellt, zahlt die praxisbezogene IL auf das wahrgenommene Engagement ein und
weist somit auch anhand der getätigten Äußerungen auf eine Wirkweise gemäß der
sozialen Austauschtheorie hin.
Auch bei diesem Fall wird die Bedeutung der Kontinuität für die Schaffung von Brand
Salience und damit die Verknüpfung der Leistung mit dem Unternehmen deutlich.
Binden die Mitarbeiter die IL aufgrund des fehlenden Verständnisses für die Wirkweise
nicht kontinuierlich in Gespräche ein, können Leistungen, welche weiter von der Kernleistung entfernt sind, schwerer zielgerichtet Brand Salience erzeugen.
5.5
Notfalltraining als praxisbezogenes Indirect Marketing
Bei der IL „Notfalltraining“ für Arztpraxen handelt es sich um eine praxisbezogene IL,
die von der Respipharm GmbH bis 2006 aktiv unternehmensweit eingesetzt wurde. Im
Zusammenhang mit der reduzierten Akzeptanz für den Einsatz von IL im Unternehmen
findet seitdem kein zentral organisierter flächendeckender Einsatz der IL mehr statt.478
Die Trainings werden vielmehr von vereinzelten Pharmareferenten im Außendienst
478
Vgl. Kapitel 5.3.2.2, S. 170f.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 191
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
191
eingesetzt, die von deren Wirkweise und Erfolg überzeugt sind und separat als
Rettungssanitäter ausgebildet sind. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Fällen
kommt der Impuls zum Einsatz der IL damit von Vertriebs- und nicht von Marketingseite.
Im Zuge dessen bietet sich diese IL für das Forschungsprojekt an, um Erfolgsfaktoren,
insbesondere im Hinblick auf die vorhandenen Kompetenzen des Außendienstes,
zu untersuchen. Die Fallstudie beschäftigt sich daher mit dem Einsatz der IL in einem
bestimmten Außendienstgebiet, in dem sie laut Aussage der Vertriebsleitung mit
großem Erfolg zum Einsatz kommt.
5.5.1 Leistungserstellung des praxisbezogenen „Notfalltrainings“
Das Notfalltraining für Praxispersonal konzentriert sich auf die Vermittlung von Abläufen
und Maßnahmen im akuten medizinischen Notfall in der Arztpraxis, der z. B. auch im
Zusammenhang mit pneumologischen Erkrankungen auftreten kann.
Hauptziel ist, wie bei ReiseMED, die Stärkung der Kundenbindung. In vielen Fällen
stellt die IL aus Sicht des Pharmareferenten die „Eintrittskarte in die Praxis“ dar.
„Es ist einfach diese Eintrittskarte in die Praxis. Das stellt mich als kompetenten Partner
vor in der Praxis, auch wenn ich in dem Moment nicht über Orthopädie oder Pneumologie spreche, nicht mein Produkt anpreise oder darüber diskutiere. In dem Moment
nimmt mich der Arzt als kompetenten, medizinischen Partner war, weil es ihnen einen
Mehrwert bietet, den sie so nicht gehabt hätten und da ist einfach die Akzeptanz viel
größer.“
Dieser Mehrwert bzw. KV rührt von der Ansprache konkreter ärztlicher Bedürfnisse mit
Fokus auf „Praxismanagement“. Dabei handelt es sich hauptsächlich um zwei Bedürfnisse, welche sich auch aus den geführten Gesprächen ergeben.
1)
Sicherheit im Notfall: Notfälle in der Praxis kommen laut befragten Ärzten 1-2mal im Jahr vor. In diesen Fällen wollen Ärzte und Praxispersonal vorbereitet sein.
Da aufgrund der seltenen Inzidenz vieles in Vergessenheit gerät, sind Notfalltrainings willkommen. Diese zahlen auf praxisbezogene, aber auch direkt auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse ein, da sie dem Arzt auch im Notfall
ermöglichen, sich als „medizinischer Experte“ und damit „guter Arzt“ zu profilieren.
2)
Nachweis für ISO Zertifizierung: Streben Arztpraxen eine Zertifizierung ihres
Qualitätsmanagements, z. B. nach DIN EN 15224:2012 an, ist der Nachweis eines
Notfalltrainings notwendig
Das im Rahmen des Trainings vermittelte Wissen dient somit nicht zum Einsatz bei
der Therapie und der Patientenberatung. Vielmehr geht es um Wissen, welches zur
Optimierung der Praxisprozesse eingesetzt wird.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 192
192
Produkt
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Produktgruppe
Sortiment
Dienstleistung / Indirect Marketing
Medikament
Indikation
Praxisleistung
• Internetinformationsplattform
• Notfalltraining
WM
Bedürfnisse
ZM
KM
Image
PM
Praxisbezogene
Persönlichkeitsbezogene
Abbildung 67: Beabsichtigter Beitrag des Notfalltrainings zur Bedürfnisbefriedigung
Quelle: Eigene Darstellung
5.5.1.1 Gestaltungsfaktoren „Notfalltraining“
Der Pharmareferent setzt die IL langfristig als kontinuierliche Maßnahme bei der
Kundenbetreuung ein und auch als Entree bei der Neukundenakquise.
„Das dauert immer ein halbes Jahr, Jahr, bis die Ärzte mich akzeptieren und dass sie
mir vertrauen können. Jedes Mal diese Aufbauarbeit.“
Abbildung 68 zeigt die Konfiguration dieses Prozesses, in Form einer kontinuierlichen
Betreuung durch diese IL mit insgesamt sechs Kontaktpunkten.
I.
Vorbesprechung
Erstgespräch
V.
Reminder +
Angebot
IV.
Abschluss
II.
Durchführung
vor Ort
III.
Nachbesprechung
Abbildung 68: Kontinuierlicher Kundenbetreuungsprozess anhand der IL „Notfalltraining“
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte Notfalltraining
November 2011.
Erstgespräch:
Die IL wird im Rahmen von Kundengesprächen als zusätzlicher Service angeboten.
Dabei wird Wert darauf gelegt, keinen Druck aufzubauen, sondern dem Arzt die freie
Wahl unter situativer Einbindung von kollegialen Referenzen zu lassen. Diese haben
gemäß den zuvor dargestellten Erkenntnissen eine hohe Bedeutung im Netzwerk der
Ärzte.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 193
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
193
„Kein Problem, es ist nur ein Angebot. Viele Ärzte nehmen es gerne an, sind begeistert.
Ich kann Ihnen gerne mal eine Referenz geben. […] Die haben das schon mal mitgemacht. Ich glaube die waren ganz zufrieden, aber reden Sie mal mit denen. Sie müssen
nicht, es ist nur ein Angebot. Einfach ein Service, den ich Ihrer Praxis bieten würde.“.
Hierdurch wird Druck aus der Situation genommen, um Reaktanz zu vermeiden.
I. Vorbesprechung:
Im Rahmen einer Vorbesprechung bespricht der Pharmareferent, der als Trainer auch
gleichzeitig Erbringer der IL ist, die Trainingsinhalte und Abläufe mit dem Arzt. Als
Praxisinhaber wird er von Anfang an aktiv in die inhaltliche Planung eingebunden. Dabei
geht es z. B. um die Festlegung von Codes, die in der Praxis im Notfall verwendet werden sollen, um andere Patienten nicht zu beunruhigen und dennoch die Notfallprozesse
auszulösen. Bereits an dieser Stelle wird proaktiv auf Befürchtungen des Arztes bzgl.
eines möglichen Gesichtsverlustes vor den eigenen Mitarbeitern eingegangen. Somit
wird bereits an dieser Stelle zur Senkung der psychologischen Kosten beigetragen und
dem Arzt Wertschätzung als medizinischen Experten entgegengebracht.
„Herr Doktor, Sie können das Notfalltraining bestimmt genauso gut machen, […] ich
komme auch gerne dazu und unterstütze Sie. Wenn Sie wollen kann ich es aber auch
von mir aus machen, denn oftmals ist es ja so, es wird von jemand Fremden besser
angenommen als vom eigenen Chef. […] Sie dürfen natürlich jederzeit eingreifen und
Ihre Erfahrung mit einbringen.“
II. Durchführung vor Ort:
Das Training zu Notfallmaßnahmen in der Praxis findet in den Räumen der jeweiligen
Praxis statt, möglichst unter Einbeziehung des kompletten Praxispersonals inkl. des
Arztes. Wie schon beim Erstgespräch wird die Produktunabhängigkeit des Services als
eigenständige Leistung ausdrücklich betont. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da
der Erbringer der IL auch gleichzeitig Pharmareferent für die Respipharm Arzneimittel
ist.
„Herzlich Willkommen zum Notfalltraining in der eigenen Praxis. Mein Name XXX für
die die es nicht wissen, […]. Ich komme regelmäßig hier in die Praxis mit dem und dem
Medikament für schwere Atemwegserkrankung. Sie haben es bestimmt schon gehört
und wenn nicht, dann werden Sie es bestimmt demnächst mal hören, aber heute
beschränke ich mich komplett nur auf das Notfalltraining.“
Gleichzeitig wird somit jedoch auch die Grundlage für eine Verknüpfung der IL mit dem
Unternehmen und dem Pharmareferenten gelegt.
Besonderen Wert wird auf die aktive Integration aller Teilnehmer bei den Übungen inkl.
des Arztes gelegt, um aus der Inhaltsvermittlung auch eine teambildende Maßnahme
zu kreieren. Ebenso achtet der Trainer wiederum auf die Gesichtswahrung aller Teilnehmer, insbesondere des Arztes als Vorgesetzten und „vermeintlichen“ Experten. Die
letztendlichen Entscheidungen zur beschlossenen Vorgehensweise in Notfällen trifft
der Arzt.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 194
194
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
III. Nachbesprechung:
Die Nachbesprechung findet mit allen Teilnehmern direkt im Anschluss an das Training
statt. In Absprache mit dem Arzt findet diese im Rahmen eines Arbeitsessens in der
Praxis oder einem „nahegelegenen Restaurant“ in „gemütlicher Atomsphäre“ statt. Die
Bewirtungskosten übernimmt in der Regel der Trainer im Rahmen der vorgegebenen
Richtlinien. Dieser Rahmen ermöglicht weitere themenbezogene Rückfragen und
detailliertere Gespräche.
IV. Abschluss:
Als Rettungssanitäter ist der Pharmareferent befugt, Notfalltrainings durchzuführen und
dafür Teilnahmezertifikate auszustellen. Diese benötigt die Praxis für ihr QM-System.
Des Weiteren wird ein Bilderrahmen mit Fotos des Trainings zusammengestellt und
überreicht, auf dem alle Teilnehmer abgebildet sind unter der Überschrift „Notfalltraining
2011 - bei uns sind Sie in sicheren Händen“. Dieser Leistungsbestandteil dient als
Kundenbindungstool, da es üblicherweise in der Praxis aufgehängt wird und somit
durchweg präsent ist.
„Die Bilder, die Erinnerung ist nochmals da und dann sage ich „Mensch, hängt das doch
irgendwo hier auf, entweder im Badezimmer oder hier vorne an der Anmeldung“ und
man sieht es jeden Tag. Also da ist dann immer die Erinnerung da „Mensch, das war
ganz nett mit dem Pharmareferent, das hat Spaß gemacht.““
V. Reminder/Angebot:
Gemäß der langfristigen Ausrichtung der IL erfolgt nach einigen Monaten ein weiterer
Kontakt, bei dem an ein weiteres Notfalltraining erinnert wird. für den Kunden „Arzt“
bietet sich die Möglichkeit, die Trainingsinhalte situativ an seine Bedürfnisse anzupassen.
„Wollen Sie ein erweitertes Training haben, wo wir spezielle Notfälle behandeln?
Natürlich noch mal Reanimation, Erste Hilfe kurz zusammengefasst oder wie wollten
Sie es gerne?“
Dieser Prozess ermöglicht innerhalb eines halben Jahres mehrere relevante Kontaktpunkte mit der Praxis zu einem produktunabhängigen Thema, welches jedoch aus Sicht
des Experten seine übergeordnete Kompetenz und damit das gegenseitige Vertrauen
stärkt. Dabei trägt der Bilderrahmen in der Praxis dazu bei, die positive Grundhaltung
zum Erbringer der IL zu festigen und möglicherweise die „Brand Salience“ zu stärken.
Die Kommunikation der IL läuft ausschließlich über den Pharmareferenten. Daher
fungiert dieser sowohl als exklusiver Kommunikationskanal, als auch als Informationsquelle in Form des Leistungserbringers.
Die Zielsetzung der IL umfasst ebenfalls die Vertrauensbildung und damit verbesserte
Kundenbeziehung, welche wiederum zu einer nachhaltigen Kundenbindung führt. Die
Konzentration liegt auf potenzialstarken Ärzten. Dies liegt vor allem an den begrenzten
zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die es nicht erlauben die IL jedem Arzt anzubieten. Inhaltlich legt der befragte Manager großen Wert auf Produktunabhängigkeit
5.2 13.12.13 16:39 Seite 195
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
195
der IL und betont nachdrücklich die Beibehaltung der Therapiehoheit und damit Wahlfreiheit des Arztes.
„Wir machen ein Training […] und der Arzt entscheidet, welches Medikament in welcher
Notfallsituation aufgezogen wird, auf Spritze oder gegeben wird aus dem Notfallkoffer.“
Dies trägt auch aus seiner Perspektive zur Steigerung der Glaubwürdigkeit bei, als
Basis für eine gute Kundenbeziehung. Die Unternehmensmarke wird lediglich zu Beginn genannt mit Hinweis auf „Respipharm sponsert“. Hierin liegt für das Unternehmen
wiederum das Risiko, dass die IL eher mit dem Pharmareferenten, als mit dem Unternehmen verbunden wird und damit stärker auf die Außendienst-Arzt-Beziehung, als auf
die Unternehmen-Arzt-Beziehung einzahlt. Die kommunikative Einbindung der zuvor
beschriebenen kollegialen Referenzen dient dazu, Sicherheit zu vermitteln und dabei
die Glaubwürdigkeit zu stützen.
Die Kommerzialisierung der IL bezieht sich hier ebenfalls nicht auf eine direkte Vermarktung. So bietet der ausgebildete Rettungssanitäter die IL kostenlos an. Dennoch
erkennt der Sender eine erhöhte Zahlungsbereitschaft durch die Empfänger.
„Da haben die Arzthelferinnen dann auch gefragt „Ja und, kriegen Sie dafür jetzt was?“
oder „Kostet das was?“ oder der Arzt fragt auch.“
Der konkrete Wunsch zur Erbringung einer Gegenleistung in Form von Zahlungsbereitschaft scheint aufgrund eines hohen KV durch bedürfnisorientierten Nutzen und
die als gering wahrgenommenen Kosten auf Kundenseite zu entstehen. Dies äußert
sich in aktiven Zahlungsvorschlägen oder Übernahme der Kosten des Essens für alle
Teilnehmer im Rahmen der Nachbesprechung, welche sonst der Sender tragen würde.
Dieser beschriebene Ablauf bestätigt wiederum die Wirkweise der sozialen Austauschtheorie, um ein ausgeglichenes Verhältnis innerhalb der Geschäftsbeziehung herzustellen.
Auch Kundenloyalität im Hinblick auf die spezifische IL ist aus Sendersicht vorhanden.
So fragen Arztpraxen, z. B. nach längerer Zeit seit dem letzten Training oder aufgrund
von Personalwechseln aktiv an. Dies bezieht sich nicht nur auf Kunden aus dem
aktuellen Kundenstamm des Pharmareferenten, sondern auch auf Kunden, welche
aufgrund von Außendienstgebietsreformen nicht mehr besucht werden. Anhand dieser
IL gelingt es demnach auch über die Dauer der aktiven Kundenbeziehung hinaus, einen
Sogeffekt bzw. Kundennachfrage zu generieren. Dies führt auch zu WOM, so dass die
IL demnach in Ärztekreisen aktiv weiterempfohlen wird.479
„Es ist wirklich Empfehlungsmarketing. Ich bekomme manchmal Anrufe von irgendwelchen Praxen, die ich noch nie im Leben besucht habe, [...] die einfach anfragen.“
Das Ziel der vertrauensbasierten Kundenbeziehung und somit einem bessere Zugang
ist aus Perspektive des Senders eindeutig erreicht.
479
Vgl. Kapitel 2.2.4, S. 63f.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 196
196
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
„Die Auswirkung ist die, man ist gerne gesehen in der Praxis. Man kommt leichter rein,
auch ohne Termin. Wenn man noch mal Termine braucht, dann bekommt man die
schneller, auch mal auf eigenen Wunsch, nicht weil der Doktor immer nur Mittwoch um
20 Uhr empfängt oder Freitag 20 Uhr, sondern man bekommt dann auch mal Freitagmorgen um 8 Uhr einen Termin, wo sonst kein anderer Pharmareferent einen Termin
bekommt.“
Durch die Ausrichtung der IL an den praxisbezogenen Bedürfnissen und damit der
Unterstützung der Praxis bei den täglichen Herausforderungen, verfügt der Sender
über diese Vorzüge. Sie können demnach auch als Form einer „Gegenleistung“ für die
Unterstützung interpretiert werden. Aufgrund der hohen Nachfrage und der Zahlungsbereitschaft verfügt diese IL auch über das Potenzial einer eigenständig vermarktbaren Leistung.
„Also zwischenzeitlich hätte ich mich sogar selbständig machen können mit diesen Notfalltrainings. Es kamen ständig Anfragen, die ich natürlich irgendwann mal abschmettern
musste und sagen musste „tut mir leid, ich kann es nicht überall machen“.“
Des Weiteren sind Übertragungseffekte auf die Kernleistung gemäß dem Pharmareferenten und der Vertriebsleitung erkennbar. Auch Gebiete mit geringem Potenzial
für die Kernprodukte entwickelten sich nach kontinuierlichem Einsatz der IL positiv. So
erreichte der befragte Experte selbst in Gebieten mit geringen Erwartungen so große
Erfolge, dass er dieses nach 1 bis 1,5 Jahren zum umsatzstärksten Gebiet in Deutschland entwickelte.
Dabei ist die Investition für IL „Notfalltraining“ überschaubar. Neben der investierten
Zeit in die Ausbildung des jeweiligen Außendienstes, fällt lediglich die aufzubringende
Arbeitszeit für die Trainings ins Gewicht. Voraussetzung ist die Fachkompetenz des
jeweiligen Trainers zur Durchführung von Notfalltrainings. Bei einem flächendeckenden
Einsatz durch das Unternehmen und bei der Wahl eigener Mitarbeiter als Trainer kommt
dementsprechend die Investition für die Ausbildung hinzu. Im Verhältnis zu dem zu erwartenden Output, auch im Vergleich zu anderen IL, ist der Kostenblock dennoch sehr
gering. Nachteil dieser Leistungsart ist jedoch aufgrund der Erbringung durch den AD,
dass die Bindung tendenziell eher zum Pharmareferenten anstatt zum Unternehmen
entsteht. Von daher ist an dieser Stelle auch über die Einbindung von Kooperationspartnern nachzudenken, welche als kompetente, unabhängige Institution die Trainings
erbringen.
In der Konstellation der Fallstudie wird keine Kooperation unterhalten und benötigt,
da der Mitarbeiter über die notwendigen Kompetenzen verfügt und die IL nicht als
konzertierte zentrale Maßnahme zu verstehen ist. Sowohl Wettbewerber als auch
Respipharm in der Vergangenheit (vor 2006) nutzen Kooperationen. Der Vorteil liegt
darin, dass professionelle, spezialisierte Anbieter auch die Anforderung der Vergabe
von CME-Punkten erfüllen. Der Wettbewerbsdruck ist dementsprechend hoch, insbesondere bei API.
„Da sind schon einige, die das einfach anbieten. Entweder auch selbst durch Mitarbeiter, die mal so eine Ausbildung gemacht haben oder dass sie einfach so Firmen
engagieren.“
5.2 13.12.13 16:39 Seite 197
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
197
Im vorliegenden Fall wird der Nachteil der fehlenden CME-Punktevergabe durch die
anderen Qualitätsaspekte ausgeglichen, so dass sich die Situation eher wie folgt
darstellt.
„Also die Ärzte akzeptieren das und sagen „Es ist für meine Praxis, mein Team, für den
Ablauf wichtig“. Dann müssen nicht unbedingt die CME Punkte dabei sein.“
Grundlage für diesen Erfolg ist die individuelle Kompetenz des Senders. Dieser verfügt
dabei über alle drei Bausteine der Handlungskompetenz.480
Fachkompetenz:
Als ausgebildeter Rettungssanitäter ist der Pharmareferent fachlich und inhaltlich
qualifiziert, diese Trainings durchzuführen.
Methodenkompetenz:
Durch Ausbildung und jahrelange Erfahrung hat der Sender die Methodenkompetenz
für die Planung, Durchführung und Nachbetreuung von Trainings erworben. Die
Beschreibung des strukturierten Prozesses verdeutlicht diese Fähigkeiten.
Sozialkompetenz:
Die Empathie und das Fingerspitzengefühl ermöglichen es dem Experten, laut eigener
Aussage, auf die Teilnehmer gezielt einzugehen. Er bindet alle Teilnehmer optimal in
das Training ein.
„Das fördert auch den Teamkontakt und das Vertrauen in der Praxis untereinander.“
Dieses Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppe ist auch Grundvoraussetzung
für das Verständnis der IM-Philosophie. Obwohl Vertriebsmitarbeiter tendenziell stärker
dazu neigen, produktbezogene Kommunikation vorzuziehen, legt dieser Experte
besonderen Wert auf die Faktoren, welche Ärzten wichtig sind. Durch produktunabhängige Kommunikation und Durchführung des Trainings vermittelt er Sicherheit für
die Therapiehoheit und Wertschätzung für den Empfänger gleichermaßen. Die von
Experten geforderte Entwicklung des Pharmavertriebs, weg vom reinen Pharmareferenten hin zum Praxisberater, ist in diesem Fall nahezu realisiert.
Gleichzeitig handelt es sich hierbei um den limitierenden Faktor. Nicht alle Pharmareferenten verfügen über diese Handlungskompetenz. Hierfür wäre eine flächendeckende Qualifizierung der Mitarbeiter als Trainer von Nöten. Dies findet jedoch bei
Respipharm aufgrund der fehlenden Akzeptanz und organisationalen Kompetenz in
Bezug auf IM nicht statt. Über die übergeordnete Kompetenz verfügt somit in den Augen
des Arztes der Mitarbeiter aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten. Dies führt zu einer
stärkeren Bindung an ihn anstatt an das Unternehmen:
„Der Arzt schätzt einen auch aufgrund dessen, dass man doch einen gewissen Hintergrund hat, einen speziellen Service hat, was nicht jeder bieten kann. Und dann ist man
nicht einfach ein Pharmareferent, der ein Produkt anpreist und der jetzt Umsatz machen
480
Vgl. Bader/Müller 2002, S. 177.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 198
198
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
will, sondern der bietet auch was und bietet einen speziellen, kompetenten Service der
auch fundiert ist.“
5.5.1.2 Akzeptanz des Notfalltrainings bei Respipharm
Die Akzeptanz der IL „Notfalltraining“ ist auf das Gesamtunternehmen gesehen aufgrund der Rahmenbedingungen eher negativ. Dies liegt vor allem an der IM-kritischen
Unternehmenskultur. Ein impliziter Produktbezug ist bei der praxisbezogenen IL
nicht gegeben. Dies ist wie dargestellt zwar beabsichtigt, reduziert jedoch in diesem
Unternehmensumfeld die Akzeptanz. Fokussierung und Frequentierung sind bei
Durchführung gemäß dem dargestellten Prozess erfüllt. Der geringere Innovationsgrad verfügt über eine akzeptanzfördernde Ausprägung, da die IL an sich bereits zuvor
unternehmensweit in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern durchgeführt wurde.
Allerdings ist diese IL u. a. aufgrund der negativen Einschätzung der Rentabilität
auf Unternehmensebene, wie viele andere IL, eingestellt worden. Diese negative
Akzeptanz verhindert auch einen flächendeckenden Roll-Out für den, wie dargestellt,
eine Sicherstellung der Kompetenzen notwendig wäre. Zusammenfassend ergibt sich
folgendes Bild.
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Frequentierung
Innovationsgrad
Rentabilität
Akzeptanz
Notfalltraining
Tabelle 34: Akzeptanz des Notfalltrainings bei Respipharm
Quelle: Eigene Darstellung
Dass diese IL dennoch kontinuierlich in einzelnen Gebieten funktioniert, hängt damit
zusammen, dass a) ausführende Pharmareferenten diese Faktoren für sich positiv
beantworten und b) die Unternehmensführung ihnen dennoch den Freiraum zum
Einsatz lässt.
5.5.2 Wahrnehmung und Wirkung des Notfalltrainings
Bei der IL „Notfalltraining“ finden die Erkenntnisse aus zwei Interviews mit Ärzten Eingang, welche die Leistung des spezifischen Pharmareferenten in Anspruch genommen
haben. Im Gegensatz zu Leistungen, welche länger zurückliegen oder geringe
Aufmerksamkeit generierten, sind die Aussagen zum „Notfalltraining“ sehr spezifisch
und durchgehend positiv, obwohl auch deren Erbringung bis zu einem Jahr zum Zeitpunkt der Befragung zurücklag.
5.5.2.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Diese positive Einschätzung beginnt bereits bei den Kriterien zur Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle, in diesem Fall dem Pharmareferenten.
Expertenkompetenz
Beide Ärzte betonen die herausragende Fachkompetenz des Pharmareferenten als
Trainer in diesem Bereich.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 199
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
199
„Ja, diese Kompetenz war [...] perfekt. Ein guter Rettungssanitäter ist so wie dieser
Pharmareferent war.“
Reputation
Die Reputation ist eng mit der Kompetenz verbunden. Aus den Gesprächen geht hervor,
dass der Ruf des Senders bei der Zielgruppe sehr positiv ist. Dabei ordnet sich sogar
die Reputation des Unternehmens in den Augen der Ärzte unter. Diese ist nach deren
Aussage weniger wichtig.
Vertrauenswürdigkeit
Die Vertrauenswürdigkeit des Senders entsteht aufgrund der guten Erfahrungen mit
der kontinuierlich hohen Qualität der Trainings. Diese wiederum ist bedingt durch die
hohe Kompetenz des Pharmareferenten aufgrund seiner ausgeprägten Handlungskompetenz. Ein Arzt bestätigt, dass das Vertrauen in diesem Fall durch das „fundierte
Wissen“ des Pharmareferenten aufgrund dessen „fundierter Ausbildung“ als Rettungsassistent gefördert wird.
Sympathie
Sympathie entsteht für diese beiden Ärzte durch eine freundliche, dem Arzt zugewandte
Verhaltensweise des Pharmareferenten. Eine objektivere wissenschaftliche Argumentation trägt ebenfalls dazu bei.
„Jemand der sagt „ich habe das non plus ultra“ schneidet nicht so gut ab. [...] Da ist
mir jemand lieber, der über seinen eigenen Schatten springt.“
Die wissenschaftlich breite und neutrale Kommunikation des Pharmareferenten entspricht somit genau dieser Anforderung der Ärzte.
„Es ist ein freundlicher, netter Herr, der das mit Spaß macht und professionell betreibt.
Der führt das aus.“
Unabhängigkeit
Auch die kommunizierte Unabhängigkeit der IL vom Kernprodukt oder einer möglichen
Gegenleistung wird entsprechend wahrgenommen, obwohl der Sender gleichzeitig
Pharmareferent des Unternehmens ist.
„Das [Notfalltraining] war unabhängig.“
In diesem Zusammenhang betont einer der beiden Ärzte noch einmal die Wichtigkeit
dieses Punktes, der auch eine rechtliche Grundanforderung an die Unternehmen stellt.
„Wenn jemand sagt „Ich biete Ihnen diese Fortbildung an, dafür müssen Sie …“, dann
bin ich an dieser Fortbildung überhaupt nicht interessiert.“
Die Produktunabhängigkeit der IL wird jedoch wiederum aus Sicht der befragten Ärzte
als eher unwichtig eingestuft.
In Summe ergibt sich das folgende Bild der Beurteilungskriterien zur Glaubwürdigkeit
für diese IL. Obwohl die IL auch in diesem Fall vom Außendienst selber erbracht wird,
5.2 13.12.13 16:39 Seite 200
200
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
ist die „Unabhängigkeit“ der Kommunikation hier als hoch einzustufen. Der Pharmareferent legt aus eigener Überzeugung großen Wert auf die unabhängige Erbringung
der IL, da er von der Wirkweise des IM überzeugt ist und begründet dies sehr authentisch.
Diese Konstellation ergibt somit eine stärkere Wahrnehmung der Unabhängigkeit auf
Empfängerseite als bei der Fallstudie „Aufklärungskampagne“.
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
Notfalltraining
Tabelle 35: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Quelle: Eigene Darstellung
5.5.2.2 Wahrnehmung der Qualität des Notfalltrainings
Aus den zuvor genannten Zitaten geht bereits hervor, dass die Qualität der Notfalltrainings durch diesen Pharmareferenten als sehr hochwertig bewertet wird. Die Ärzte,
welche die IL beansprucht haben, wirken begeistert. Diese Begeisterung spiegelt sich
auch in den Werte-Nennungen wieder. Die Art und Weise der Durchführung des Notfalltrainings liefert neben funktionalen Werten, wie der „leitlinienkonformen Schulung
der Mitarbeiter“, auch Erlebniswelten und symbolische Werte. Ebenfalls existieren
mehrere Werte-Quellen. Die Quelle „Produkt-/Dienstleistungseigenschaften“ liefert
somit neben den funktionalen Werten, wie „Sicherheit durch Professionalität und Ruhe
für den Notfall“ und „Teilnahmezertifikat für das QM-System“, auch symbolische Werte
in Form von „Integrität durch Produktneutralität“.
Die bewusste Konzentration auf die „beziehungsorientierte Interaktion“ führt zu Werten
wie einer „sympathischen, offenen und freundlichen Atmosphäre“, einem gewissen
Grad an „Spaß und Entertainment“ und somit auch zu einer „Stärkung des TeamZusammenhalts“ innerhalb der Praxis. Das „Training durch einen echten Rettungssanitäter“ und der „individuelle Bilderrahmen aller Teilnehmer“ liefern symbolische
Werte. Diese Beziehungsorientierung trägt zusätzlich zur Vertrauensbildung bei. Hierzu
zählt auch das „Umfeld der Leistungserbringung“. Die Durchführung in der eigenen
Praxis als vertrauten Ort und täglichen Arbeitsplatz, an dem das erlernte im Notfall auch
direkt angewendet wird, vermittelt zusätzlich Sicherheit, wie aus den Gesprächen
hervorgeht.
Diese IL verfügt demnach gegenüber den anderen Fallstudien über ein ausgewogeneres
Bild in der Werte-Matrix.
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Die Inanspruchnahme der IL wird nicht durch negative Erfahrungen blockiert. Die vermittelten Inhalte stimmen mit den eigenen Erfahrungen der Ärzte überein und sind somit
aus deren Sicht „validiert“.
„Es war eine gute Wiederholung für mich und ich weiß, dass das Handling so ist wie er
das gemacht hat. Aber eben, ich hatte keine praktische Erfahrung darin und wenn er
mir was Neues erzählt hätte, dann hätte ich das bestimmt registriert. Aber [...] ich hätte
es im Internet nachgeprüft, ob es stimmt.“
5.2 13.12.13 16:39 Seite 201
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
201
Die positive Erfahrung mit den bereits durchgeführten Trainings führt bei beiden Ärzten
dazu, dass sie die Notfalltrainings dieses Pharmareferenten sofort wieder in Anspruch
nehmen würden. Dies hat somit einen direkten Einfluss auf die Kundenloyalität.
5.5.2.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Notfalltrainings haben generell für Ärzte eine hohe Relevanz aufgrund der oben
genannten Bedürfnisse. Dies zeigt sich auch darin, dass Notfalltrainings auch innerhalb
anderer geführter Interviews mit Ärzten als positive Beispiele für Serviceleistungen von
Pharmaunternehmen genannt wurden.
Wahrgenommener Nutzen
Die IL wirkt durch die funktionalen Werte direkt auf die praxisbezogenen Bedürfnisse
zur Unterstützung bei Praxis- und Wissensmanagement. Abläufe und Wissen für den
Notfall werden interaktiv trainiert und durch das Zertifikat für das QM-System bestätigt.
Für einen der befragten Ärzte besteht der wahrgenommene Nutzen vor allem daraus:
„ [...] dass meine Damen im Notfall gut gerüstet sind, kein Zittern und kein Rennen
entsteht, dass sie mit Professionalität und Ruhe mit der Situation umgehen können.“
Dementsprechend ist die persönliche Relevanz des spezifischen Notfalltrainings für
Ärzte als sehr hoch einzustufen.
„ [...] das finde ich sehr wichtig. Sehr, sehr wichtig. Das sollte öfters gemacht werden.“
„Notfalltraining ist eine hoch zu bewertende Geschichte, die wir zum Glück selten
brauchen. Aber wenn wir sie brauchen, dann müssen wir perfekt sein.“
Darüber hinaus zeichnet sich diese IL aus, in dem sie die Veranstaltung auch zu einem
Erlebnis für die Teilnehmer macht. Die genannten Werte dieser Kategorie fördern dabei
das Miteinander im Team. Diese Intensivierung der Beziehung überträgt sich augenscheinlich auch auf den Sender „Pharmareferent“. Praxisbezogene Bedürfnisse des
Arztes zum Praxismanagement werden somit befriedigt, da die Zusammenarbeit im
Team und damit die Prozesse optimiert werden. Ebenso zahlen symbolische Werte,
wie der persönliche, praxisindividuelle Bilderrahmen, der das Erinnerungsvermögen
fördert, auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse ein.
Wahrgenommene Kosten
Die Reduktion der Kostenarten hat bei dieser IL einen großen Einfluss auf die Steigerung des KV. Durch die Inanspruchnahme wird den teilnehmenden Ärzten und dem
Praxispersonal insbesondere „Sicherheit“ und „Risikoreduktion“ vermittelt.
„Es ist eine Kann-Leistung, aber für meine Damen ist es eine wichtige Leistung, weil
es einfach Sicherheit gibt.“
Nicht nur die ökonomischen Kosten sind niedrig, da kein Preis für die Veranstaltung
zu bezahlen ist. Auch das Risiko, im Notfall zu versagen und insbesondere vom Standpunkt des Arztes als eigentlicher „Experte“, das Gesicht zu verlieren (psychologische
5.2 13.12.13 16:39 Seite 202
202
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Kosten), wird stark reduziert. Auch während des Trainings tragen die Einbindung des
Arztes und der respektvolle Umgang durch den Trainer dazu bei, dass sich der „Chef
der Praxis“ sicher fühlen kann, keinen Gesichtsverlust aufgrund möglicher Wissenslücken zu erleiden. Indem der Pharmareferent das Training direkt in der Praxis anbietet
und auch dort durchführt, wird das persönliche Investment der Praxis insbesondere
in Bezug auf „Zeit“ reduziert.
In Kombination von wahrgenommenem Nutzen im Verhältnis zu den als gering wahrgenommenen Kosten ergibt sich als Differenz ein hoher KV im Verhältnis zu anderen
vorgestellten IL.
5.5.2.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität und Verschreibung
Die Zufriedenheit, die mit dem hohen KV dieser IL einher zu gehen scheint, führt gemäß
der Aussagen beider Seiten zu einer gesteigerten Kundenloyalität. Die intensivere
Zusammenarbeit mit den Praxismitarbeitern im Rahmen des Trainings führt zu einer
freundlicheren Atmosphäre, so dass sich sowohl der Name des Pharmareferenten als
auch des Unternehmens eingeprägt hat („Aha, der Herr XXX von Respipharm“). Situativ
führt dies auch dazu, dass mehr Zeit für Gespräche eingeräumt wird. Die Loyalität in
Bezug auf diese IL zeigt sich vor allem durch aktive Anfragen von Praxen für eine
erneute Durchführung.
Die Begeisterung für diese Leistung zeigt sich auch durch Empfehlungen anhand
WOM. Gemäß den unter Kapitel 2.2.4 (WOM) dargestellten Prozessen empfehlen auch
Ärzte gute Leistungen an Kollegen weiter. Folgendes Beispiel des Pharmareferenten
verdeutlicht dies:
„Als ich noch in der Osteoporoselinie gearbeitet habe, da haben mich Kunden [...]
darauf angesprochen, als ich als ganz normaler Pharmareferent mit meinem Produkt
da war: „Ja, Herr XXX, Sie haben ja bei einem Arzt in Freiburg ein Notfalltraining
gemacht und das war ja recht gut, so wie wir gehört haben und würden Sie denn das
auch für uns machen?“.“
Die IL ermöglicht es dem Außendienst also nicht nur in Erinnerung, bei bestehenden
Kunden zu bleiben, sondern führt ihm auch neue Kunden zur Betreuung zu. Allerdings
ebbt dieser Effekt mit der Zeit ab, wenn keine neuen Anstöße kommen. Die IL gibt dem
Außendienst somit die Möglichkeit nach einiger Zeit wieder mit einem triftigen Grund
auf den Arzt zuzugehen, auch um das Erinnerungsvermögen und damit auch die
Verknüpfung der IL mit ihm und der Unternehmensmarke zu stärken.
„So nach einem halben Jahr verblasst das Ganze [...] da erinnere ich dann aktiv an
dieses Training und sage: „Mensch, wann haben wir das das letzte Mal gemacht?“.
Und wenn das Jahr rum ist und sie es dann bald mal wieder machen wollen: „Sie
wissen, ich bin gerne dafür bereit. Sie dürfen sich gerne an mich wenden“.
An diesem Beispiel wird wiederum die Bedeutung einer langfristigen und kontinuierlichen
Ausrichtung des IM deutlich. Der hohe KV führt auch in diesem Fall zu einer gesteigerten
Zahlungsbereitschaft, wie die Antwort eines befragten Arztes auf die Frage nach dem
Preis verdeutlicht.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 203
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
203
„So im Nachhinein dachte ich, eigentlich hätte er doch was verlangen müssen. Aber er
hat nichts verlangt, nein, es hat nichts gekostet.“
Dies wird auch durch den Pharmareferenten bestätigt, der öfter von Ärzten auf eine
monetäre Gegenleistung angesprochen wird. Die Preisbereitschaft bewegt sich auch
hier wiederum laut Experten um die 100,- Euro. Ähnlich wie bei den Fallstudien zuvor,
entspricht dieser Betrag jedoch nicht den marktüblichen Kosten. Laut dem befragten
Pharmareferenten belaufen sich die Kosten für ein solches Training in einer Arztpraxis
durch einen externen Anbieter zwischen 500,- und 1500,- Euro pro Tag. Ausnahmen
stellen Ortsvereine z. B. des DRK dar, welche ca. 350 Euro verlangen. In der vorliegenden
Situation stellt die IL ausdrücklich einen Service eines zusätzlich qualifizierten Pharmareferenten dar und wird daher kostenlos angeboten.
Übertragungseffekt auf Kernleistung
Durch die hohe Zahlungsbereitschaft und damit dem Wunsch nach einer Gegenleistung
ist ein möglicher Übertragungseffekt sehr wahrscheinlich, wenn die zuvor beschriebenen
Anforderungen an die Kernleistung erfüllt sind. Bei qualitativ vergleichbaren Kernleistungen könnte demnach die Produktpalette von Respipharm den Vorzug bekommen.
Wirkungsfeld direktes Marketing
Die vorliegende IL ist eine Praxisleistung, welche sich somit nicht mit indikationsspezifischen Themen befasst und auch thematisch weiter von der Kernleistung entfernt ist.
Bei einem Übertragungseffekt ist somit eher von einem Effekt auf das gesamte Portfolio
bzw. auf präferierte Kernprodukte des Arztes auszugehen, anstatt auf einem thematisch
verbundenen Kernprodukt. Während das Kernprodukt aus dem größten Rx-Bereich
mittlerweile das Mittel der Wahl in Kliniken und Arztpraxen ist, hat das neue Produkt
für schwere Atemwegserkrankung ein Nebenwirkungsprofil, welches einiger Aufklärung
bedarf. Die Voraussetzungen sind demnach nicht so optimal wie z. B. bei den Kernprodukten von Vaximed.
Wirkungsfeld Indirect Marketing
Das IM-Wirkungsfeld konzentriert sich in diesem Fall stärker auf das wahrgenommene
Engagement des Pharmareferenten des Unternehmens und dem damit verbundenen
Wunsch einer Gegenleistung. Dies entspricht den Abläufen der sozialen Austauschtheorie, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen.
Bei gleicher Qualität der Kernleistung scheint auch der Faktor „Sympathie“ gegenüber
dem Pharmareferenten als Erbringer der IL, eine große Rolle zu spielen.
„Es hat automatisch diesen positiven Miteffekt, wenn der Arzt entscheidet: „Ich habe
zwei Medikamente, die wirken gleich, die kosten beide ziemlich ähnlich“, vielleicht das
andere sogar etwas günstiger, meine Güte, aber welcher Pharmareferent ist mir
sympathischer. Das ist das.“
Zwar ist es laut Experten nicht eindeutig nachvollziehbar, jedoch sind Tendenzen,
welche diese Vermutung stützen, in den Gebieten erkennbar. Ärzte bestätigen diese
Sichtweise. Die positiven Attribute werden demnach eher dem Außendienst zugeordnet
5.2 13.12.13 16:39 Seite 204
204
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
als dem Unternehmen. Wie von der Vertriebsleitung bestätigt, handelt es sich bei
diesem konkreten Pharmareferenten auch um einen der erfolgreichsten Außendienstmitarbeiter von Respipharm in Deutschland. Das Risiko für das Unternehmen wird an
dieser Stelle offenbart. Wechselt der Mitarbeiter das Unternehmen, wechseln auch die
vermeintlich „loyalen Kunden“ mit ihm.
Die IL wirkt somit über das „wahrgenommene Engagement“ auf die „Sympathie“ und
führt des Weiteren zu einer höheren Toleranzschwelle bezüglich Herausforderungen
in der täglichen Zusammenarbeit. So sind einige Nebenwirkungen zwar tolerierbar,
erschweren jedoch für den Arzt die Kommunikation mit dem Patienten und erhöhen
damit sein persönliches Investment. Die durch die IL gestärkte Kundenbeziehung und
Sympathie führt an diesem Punkt, statt zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung, zu
einer offenen, konstruktiven Vorgehensweise.
„Also das kratzt alles am Arzt [...] Image. Und trotzdem sind die Ärzte geneigt es noch
mal zu probieren und versuchen eher die Patienten bei der Stange zu halten, sich eher
mehr Zeit zu nehmen, weil sie ja eine doppelte Verpflichtung haben.“
Somit können laut dem Pharmareferenten auch kritische Situationen abgefedert
werden, ohne die Kundenbeziehung zu verlieren.
Zusammenfassend ermöglicht die IL, die Kontaktrate mit Kunden hochzufahren und
somit eine engere Kundenbeziehung zu etablieren. Diese engere Beziehung aufgrund
der kontinuierlichen Erbringung nutzenstiftender Leistungen führt gemäß der sozialen
Austauschtheorie, aber auch aufgrund der höheren Brand Salience zu einem Übertragungseffekt. Allerdings ist insbesondere der Brand Salience Effekt bei Praxisleistungen schwerer zu erreichen, als bei indikationsspezifischen Leistungen, die thematisch
näher an der eigentlichen Kernleistung liegen.
5.5.3 Zusammenfassung
Diese praxisbezogene IL wird zwar nur in einer Region eingesetzt. Sie belegt jedoch
nachdrücklich die Effekte, welche aufgrund gut konfigurierter und gut durchgeführter
IL möglich sind. Obwohl die Akzeptanz für diese IL im Unternehmensumfeld nicht groß
ist, nutzt der Pharmareferent seine Freiheiten.
Er verfügt dabei nicht nur über die umfassende Handlungskompetenz zur erfolgreichen
Durchführung der Notfalltrainings, sondern auch über die Fähigkeit, die IL erfolgreich
zu platzieren. Durch die kundenorientierte Vorgehensweise, in dem er seine Kunden
mit relevanten Services unterstützt, gelingt es ihm, eine übergeordnete Kompetenz und
ein differenzierendes Image aufzubauen. Hervorzuheben ist dabei das umfassende
Verständnis für die Erfolgsfaktoren in diesem speziellen Marktumfeld. So deckt er durch
die IL ein breites Spektrum an praxis- und persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen ab.
Großer Wert wird dabei auf die Produktunabhängigkeit des Services und damit auf
die Therapiehoheit und Wahlfreiheit des Arztes gelegt. An jedem Punkt innerhalb der
Leistungserbringung wird dem Arzt das Gefühl gegeben, die letztendliche Entscheidung
über den Ablauf zu haben. Dies trägt dazu bei, das Gesicht und das Image als „guter
5.2 13.12.13 16:39 Seite 205
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
205
Arzt“ zu bewahren und zu fördern. Äußerungen beteiligter Ärzte belegen, dass es dem
Pharmareferenten auf diese Weise auch ohne Kooperationspartner gelingt, dass die
IL als (produkt-)unabhängig und als qualitativ hochwertig wahrgenommen wird. Das
breite Portfolio an Werten, insbesondere deren beziehungsorientierte Komponente,
sowie die positive Bewertung der Beurteilungskriterien der Glaubwürdigkeit unterstreichen
dies. Die positive Wahrnehmung resultiert in einem hohen Nutzen für den Arzt bei
gleichzeitiger Senkung der wahrgenommenen Kosten. Der Aufwand für den Arzt wird
so gering wie möglich gehalten, bei gleichzeitiger Wahrung seiner Integrität. Dieser
hohe KV resultiert wiederum nicht nur in der Loyalität bestehender Kunden, sondern
löst auch positives WOM aus. Ebenso der Wunsch der Ärzte nach Erbringung eines
Gegenwertes, z. B. der Zahlungsbereitschaft, wird deutlich. Da die IL jedoch durchgehend kostenfrei angeboten wird, ist gemäß der sozialen Austauschtheorie von einem
Übertragungseffekt auf die Kernleistung bei Erfüllung der Basisanforderungen auszugehen. Dies geht auch aus den Äußerungen der Ärzte hervor. Selbst negative Einflüsse
der Kernleistung können durch diese IL abgefedert werden.
Daher ist das dargestellte Notfalltraining ein gutes Beispiel für weitreichende Potenziale
gut konfigurierter IL. Der Fall bestätigt nicht nur die Möglichkeit Kundenzugang und –
loyalität zu steigern und über das „wahrgenommene Engagement“ auf die Kernleistung
zu wirken, sondern zeigt auch Möglichkeiten auf, wie durch WOM neue Kunden
generiert werden und IL über Potenziale zu eigenständigen Leistungen verfügen können.
5.6
kinderwelten Award als imagebezogenes Indirect Marketing
Die letzte Fallstudie des Forschungsprojekts beleuchtet mit dem „kinderwelten Award“
einen Vertreter der dritten IM-Kategorie „Image“. Die Fallstudie dient daher dazu, neben
der IL an sich, auch mehr über diese Kategorie in Erfahrung zu bringen. Imagebezogene
IL sind thematisch am weitesten von der Kernleistung entfernt. Dennoch unterstützte
Vaximed diese Kampagne kontinuierlich über sieben Jahre hinweg. Dies ist vor allem
auf die hohe dargestellte Akzeptanz von IM bei Vaximed, durch die Überzeugung der
Wirkung dieser Leistungen, zurückzuführen. Der befragte Marketingexperte dieser Fallstudie war Initiator, jahrelanger CEO und Vice President Europe der Vaximed GmbH
und daher maßgeblich verantwortlich für den jahrelangen erfolgreichen Einsatz
indirekter Leistungen aller drei Kategorien, welche gemäß seiner Aussage nachhaltig
zur positiven Entwicklung des Unternehmens beigetragen haben.
„Wir haben viele Konzepte entwickelt, wo der Arzt wusste, dass dieser Service von
Vaximed kommt und dass er bei uns [...] im Vergleich zum Mitbewerber einfach besser
aufgehoben ist. Und auch für mich war es das Geheimnis meines Erfolges, dass wir bei
Produkten, wie dem „HPV-Impfstoff“, auch heute noch über 80 % Marktanteil haben.“ 481
Dabei ordnet er den jeweiligen IM-Kategorien unterschiedliche Zielsetzungen zu.
481
Vgl. Expertengespräch Marketingexperte kinderwelten Award November 2011.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 206
206
Vorrangige Zielsetzung
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Indikation
Praxisleistung
Image
Kundenbindung
Kundenbindung
Soziale Verantwortung
Tabelle 36: Zielsetzungen der Leistungen im IM-Portfolio der Vaximed
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte kinderwelten
Award, November 2011.
Imagebezogene IL konzentrieren sich stärker auf die soziale Komponente. Dabei geht
es darum, dem Arzt zu verdeutlichen, dass Vaximed nicht nur über gute Produkte und
Leistungen verfügt, die ihn in der täglichen Arbeit unterstützen. Das Unternehmen setzt
sich darüber hinaus für gesellschaftlich und auch für den Arzt relevante Themen ein.
Es verdeutlicht somit seine soziale Verantwortung und vermittelt dem Gegenüber die
Sicherheit, dass es sich um ein seriöses Unternehmen mit einer verantwortungsvollen
Einstellung handelt:
„Vaximed ist ein Partner, der sich über die guten Leistungen hinaus auch für gute Dinge
einsetzt.“
Im Vordergrund steht dabei immer die gemeinsame Initiative von Unternehmen und
Kunden für ein verbindendes soziales Thema. Indem Unternehmen und Arzt sich in
einem gemeinsamen Sinne für eine soziale Aktivität engagieren und an einem Strang
ziehen, entsteht aus Sicht des Experten automatisch ein gutes Image und eine mentale
Bindung.
Die dritte Kategorie verfügt demnach über verwandte Ziele zu Social Marketing.482 Da
Vaximed als kommerzielle Organisation mit dieser IL eine nicht-kommerzielle Organisation unterstützt, ist diese Leistung aus Sicht von Vaximed dem IM zuzuordnen. Aus
Sicht des Kooperationspartners hingegen, handelt es sich um klassisches Social
Marketing. Die Leistung ist ebenfalls nicht unmittelbar mit dem Umsatz von Produkten
verbunden und daher auch nicht in den Bereich des Cause-Related Marketing einzuordnen.483 Gemäß der Definition handelt es sich somit aus Sicht des Unternehmens
um eine IL.
5.6.1 Leistungserstellung der imagebezogenen
„kinderwelten Award-Kampagne“
Die Zielsetzung der IL ist nicht völlig unabhängig vom Geschäftsmodell des Unternehmens zu sehen. Durch die Unterstützung sozialer Marketingaktivitäten wird eine
übergeordnete Kompetenz des Unternehmens in diesem Bereich etabliert. Kernkompetenz von Vaximed ist die Prävention gegen Krankheiten durch Impfungen.
„Prävention ist die günstigste Möglichkeit, gesund zu bleiben“
Das Unternehmen hat sich der Prävention durch geeignete Impfprogramme verschrieben.
Somit trägt es letztendlich dazu bei, den Impfstatus und damit die Immunität der Kinder
482
„Social Marketing ist die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Marketingstrategien undaktivitäten nichtkommerzieller Organisationen, die direkt oder indirekt auf die Lösung sozialer Aufgaben
gerichtet sind“ Bruhn/Tilmes 1994, S. 23.
483
Vgl. Meffert/Holzberg 2009, S. 47.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 207
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
207
aber auch der Erwachsenen zu steigern und diese somit vor Infektionskrankheiten zu
schützen. Vaximed positioniert sich somit in Übereinstimmung mit der Kernleistung bei
dem Thema „Prävention“. Der Fokus liegt dabei auf der Unterstützung von Maßnahmen
für Kinder zur Erlangung wertvoller Grundlagen für ein eigenständiges, selbstbestimmtes
Leben. Die Grundlagen hierfür sind Gesundheit, Bildung und soziale Kompetenz.
Aus diesem Grund unterstützt Vaximed konstant Organisationen, wie das DGK oder
die kinderwelten Stiftung, welche sich für präventive Maßnahmen in diesem Bereich
(Gesundheit und Bildung) einsetzen, um o. g. Grundlagen zu schaffen.
5.6.1.1 Gestaltungsfaktoren „kinderwelten Award“
Die Erbringung der eigentlichen IL erfolgt durch die kinderwelten Stiftung, welche
Vaximed unterstützt wird. Im vorliegenden Fall übernimmt die Stiftung die Funktion einer
Kooperation, die es aus Unternehmensperspektive ermöglicht, sich in diesem Feld zu
engagieren. Organisator und verantwortlicher Veranstalter aller Aktivitäten in diesem
Rahmen ist die Stiftung. Vaximed ist Hauptsponsor. Diese IL wird jedoch aktiv über
zahlreiche Kanäle über Jahre hinweg in das Marketing von Vaximed eingebunden.
Die Konfiguration der sozialen Marketingmaßnahme der kinderwelten Stiftung setzt
sich wie folgt zusammen. Die Stiftung wurde 2002 auf Initiative von Vaximed und
weitere Initiatoren als wohltätige Initiative ins Leben gerufen. Seit 2009 firmiert sie als
eingetragener Verein. Sie konzentriert sich seit ihrer Gründung auf die präventiven
Maßnahmen als Grundlagen zur Förderung für ein eigenständiges, selbstbestimmtes
Leben und definiert die Aufgaben wie folgt:
•
Motivation und Förderung von sozialem und gesellschaftlichem Engagement
von Kindern und Jugendlichen und Vernetzung sozial aktiver Menschen,
•
Engagement in der Gesundheitsfürsorge im In- und Ausland,
•
Unterstützung des Zugangs zu Bildung als Prävention gegen Armut.484
Ziel ist die Verbesserung der Zukunftsperspektiven junger Menschen in Deutschland
und der ganzen Welt. Um diese Ziele zu verwirklichen, ist die Stiftung auf Spenden
angewiesen. Kern der Maßnahmen zur Spendenakquise ist die jährliche Vergabe des
kinderwelten Awards im Rahmen einer exklusiven Benefizgala, der mit 50.000,- Euro
dotiert ist. Mit dem Award werden bundesweit allgemeinbildende Schulen für soziale
oder auch ökologisch herausragende Projekte und damit das über den Schulalltag
hinausgehende Engagement ausgezeichnet.
Die Benefizgala dient neben der Überreichung des Awards, auch zur Generierung
weiterer Spenden, in Form von Einzelspenden und dem Erlös einer regelmäßigen
Benefiz-Auktion. Um auf eine höhere Spendenbereitschaft zu treffen, findet die Veranstaltung am Jahresende „acht Wochen vor Weihnachten“ statt. In einem ansprechenden Ambiente nehmen bis zu 400 geladene Gäste exklusiv an der Veranstaltung teil.
Um die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit der Institution in den Augen der Spender
sicherzustellen, legt die Stiftung großen Wert auf Transparenz bei der Verwendung der
Spenden. Dies reicht laut Aussage des Experten bis hin zu der Installation von
484
Vgl. kinderwelten e.V. 2013, http://www.kinderwelten-ev.de/index.php?article_id=2, Stand: 21.01.2013.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 208
208
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Vorortkameras, welche z. B. die Fortschritte auf Baustellen zur Errichtung von Schulen
in Drittweltländern übertragen.
Die Kommunikation des Awards erfolgt zum Großteil unter Einbindung in die Kommunikationsstrategie von Vaximed. Neben Informationsschriften, Mailings und „Thanks
Magazinen“, die über Kundenzeitungen verteilt werden, ist der kinderwelten Award und
das Engagement des Unternehmens auch als eigenes Besprechungsprodukt in die
Außendienstgespräche beim Arzt integriert. Die IL wird zunächst ausschließlich bei
Pädiatern, dann bei API und Gynäkologen auf dritter, zeitweise auf zweiter Position
besprochen, gemäß dem befragten Marketingexperten.
„Also kinderwelten wurde auch besprochen beim Arzt. Und das fanden die Ärzte ganz
toll, dass ein Pharmareferent kommt und nicht unbedingt nur Umsatz machen will und
Produkte propagieren, sondern dass hier tatsächlich über soziales Marketing und Hilfe
in der Dritten Welt gesprochen wurde. Hat einen riesigen Anklang gefunden, gerade
speziell auch beim Pädiater und auch bei den pädiatrisch orientierten Praktikern und
dass das soziale Engagement letztendlich eine Selbstverständlichkeit wurde im Unternehmen.“
Durch diese intensive Besprechung fungiert die IL als Kundenbindungsinstrument,
sowie zur Differenzierung von anderen Pharmaunternehmen, welche sich nicht in diesem Umfang für solche gesellschaftlich relevanten Themen einsetzen. Somit kann die
IL durchaus auch als Bestandteil der Kundenbindungsmaßnahmen gesehen werden,
auch wenn der Fokus auf der sozialen Verantwortung liegt.
Auch die Einladung der Gäste erfolgt in erster Linie über den Hauptsponsor. Die Verknüpfung des Unternehmensnamens mit dem Anlass ist dabei von Bedeutung. Diese
Verbindung wird einerseits in Reden im Laufe des Abends, als auch durch die persönliche Betreuung der Gäste sichergestellt. So werden Gäste der Benefizgala persönlich
durch den Geschäftsführer begrüßt. Desweiteren sind zwischen sechs bis acht
Außendienstmitarbeiter vor Ort, um die geladenen Gäste zu betreuen. Jedoch wird
größter Wert auf produktunabhängige Kommunikation in diesem Rahmen gelegt.
„Es sollte ja keine Verkaufsshow sein oder Product Placement, sondern es sollte
wirklich einem sozialen Zweck dienen.“
Die Einladungen der Ärzte zur Benefizgala erfolgen in einem Radius von 200km um
den jeweiligen Veranstaltungsort herum, um den Anfahrtsaufwand im Rahmen zu
halten. Dabei obliegen die Auswahl der Gäste und die persönliche Einladung dem
jeweiligen Außendienstmitarbeiter.
Um die Kompetenz der Mitarbeiter für die zielgenaue Kommunikation, das Verständnis
für die Maßnahme und deren Einsatz sicherzustellen, erhalten alle Außendienstmitarbeiter eine Schulung zu kinderwelten. Wie bei regelmäßigen Gesprächstrainings
für Arzneimittel werden Inhalt, Stärken und Schwächen, sowie die Verwendung der
Spenden thematisiert. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen soll in die Lage gebracht
werden, die wichtigsten Key-Facts in Kürze zu vermitteln.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 209
209
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Die Kommerzialisierung bezieht sich bei dieser IL der dritten Kategorie auf die Zielerreichung, das Thema „Prävention“ zu etablieren und die soziale Verantwortung des
Unternehmens hervorzuheben. Damit verbunden ist die Generierung von Spenden.
Die direkten Spenden aus der Benefizgala erreichten in den Jahren von 2002 bis 2009
von 130.000,- bis zu 180.000,- Euro pro Veranstaltung und generierte sich durch Einzelspenden und Erträgen aus der Benefiz-Auktion. Der Eintritt zur Gala war für Ärzte
kostenlos. Lediglich Anfahrt und Unterkunft wurden durch die Ärzte selbst getragen.
Zudem wurde bei Teilnahme eine freiwillige Spende erwartet.
Die Auswirkungen der IL auf die Verbindung zwischen kinderwelten und dem Unternehmen wurden 2009 im Rahmen einer repräsentativen Umfrage unter Pädiatern überprüft. Laut Expertenaussage konnten dabei 40 % aller Pädiater den Zweck der Stiftung
inhaltlich beschreiben und nennen. Des Weiteren verband ein Großteil der befragten
Ärzte die Initiative mit Vaximed, so dass dieses Ziel aus Sicht des Unternehmens
erreicht wurde.
„Das war Response für soziales Marketing, mehr kann man sich eigentlich nicht
wünschen.“
Das Budget von Vaximed als Hauptsponsor lag bei 200.000,- Euro pro Jahr und
reduzierte sich in 2009 auf 150.000,- Euro. Damit deckte das Unternehmen nahezu die
Hälfte der Gesamtkosten der Stiftung für die unterschiedlichen Maßnahmen ab. Aus
dieser IL und der Kooperation mit der Stiftung generierte das Unternehmen wiederum
hochwertige Besprechungsinhalte bei den Kundengesprächen, um sich mittel- bis
langfristig zu differenzieren.
5.6.1.2 Akzeptanz der imagebezogenen Leistung bei Vaximed
Die Akzeptanz der Unterstützung des kinderwelten Awards ist insbesondere aufgrund der Unternehmenskultur hoch. Auch die thematische Fokussierung auf den
Interessensbereich der Zielgruppe, sowie die Regelmäßigkeit (Frequentierung) der
Leistungserbringung sind positiv einzustufen. Dennoch hat es diese imagebezogene
IL schwerer als Leistungen anderer IM-Kategorien. Hierzu fallen vor allem der fehlende
implizite Produktbezug, sowie die für viele schwer nachvollziehbare Rentabilität ins
Gewicht. Hier ist die Kompetenz und das Verständnis jedes einzelnen Mitarbeiters
gefragt, um die Wirkweise und damit alle Bereiche, auf die diese IL einzahlt, nachvollziehen zu können. Bei imagebezogenen IL ist dieser Zusammenhang gemäß der
geführten Gespräche für viele Manager schwerer nachvollziehbar, als bei den anderen
Kategorien.
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung Frequentierung
Akzeptanz
kinderwelten
Award
Tabelle 37: Akzeptanz des kinderwelten Award bei Vaximed
Quelle: Eigene Darstellung
Innovationsgrad
Rentabilität
5.2 13.12.13 16:39 Seite 210
210
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
5.6.2 Wahrnehmung und Wirkung der Benefizgala
Die Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Wirkung begründen sich auf ein Expertengespräch mit einem Arzt, welchem sowohl die IL, als auch die dazugehörige soziale
Marketingkampagne bekannt sind, aber der nicht an der Benefizgala teilgenommen
hat. Um das Bild der IL abzurunden, fließen daher auch Erkenntnisse aus Erfahrungen
des Marketingexperten, sowie aus vorangegangenen Fallstudien zu Vaximed in die
Betrachtung ein.
5.6.2.1 Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Ähnlich wie bei der praxisbezogenen IL mit ReiseMED, sind die Vaximed Außendienstmitarbeiter die Informationsquelle, welche über das soziale Projekt informiert. Die
eigentliche „Leistungserstellung“ erfolgt über den Kooperationspartner kinderwelten
Stiftung. Die Glaubwürdigkeit von Vaximed als Informationsquelle ist, wie in den anderen Fallstudien aufgezeigt, sehr hoch. Bei der vorliegenden IL stellt sich insbesondere
die Frage, ob auch in diesem Fall sowohl die Unabhängigkeit, als auch die Vertrauenswürdigkeit ähnlich hoch eingestuft wird wie bei den anderen Vaximed Fallstudien.
Hierunter fällt zudem, ob die gesendete Botschaft verstanden oder ob diese in eine
negative Richtung gedeutet wird.
Die Aussagen des befragten Arztes zeigen jedoch aufgrund der kontinuierlichen Ausrichtung ein sehr positives Bild des Unternehmens als Absender. Obwohl Pharmaunternehmen generell als kapitalgetrieben mit ausschließlich monetären Absichten
gesehen werden, führt die Kontinuität der Leistungserbringung dazu, dass sich das Bild
von Vaximed ins Positive wandelt. Für das Unternehmen sieht er eher einen ideellen
Wert in Form eines positiven Erscheinungsbildes als einen möglichen materiellen
Nutzen, da er nicht von einem dadurch bedingten Übertragungseffekt in Form einer
bewussten Verschreibung ausgeht. Die nachhaltige Unterstützung einer solchen
sozialen Kampagne führt zu einer sehr positiven Bewertung dieser „Informationsquelle“
durch den Arzt:
„Wenn jetzt die Pharmafirmen das machen, finde ich super, finde ich sehr ehrbar.“
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
kinderwelten
Award
Tabelle 38: Wahrnehmung der Beurteilungskriterien für Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Quelle: Eigene Darstellung
5.6.2.2 Wahrnehmung der Qualität der Benefizgala
Die genannten Werte der IL beziehen sich, bedingt durch den sozialen, gesellschaftlichen
Schwerpunkt, hauptsächlich auf symbolische Werte.
„Da habe ich mich engagiert, weil ich so etwas gut finde. Deswegen, denke ich, ist das
auch eine gute Sache.“
5.2 13.12.13 16:39 Seite 211
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
211
Die symbolischen Werte generieren sich ausschließlich aus der Quelle „Beziehungsorientierte Interaktion“.
Der einzige funktionale Wert besteht in den jährlich stattfindenden Benefiz-Gala Veranstaltungen zur Verleihung des kinderwelten Awards. Quelle ist somit die „Produkt-/
Dienstleistungseigenschaft“.
Das Engagement für Kinder und Jugendliche liefert den Pädiatern „social-“ als auch
„personal meaning“, aufgrund der Themenverwandtschaft zu ihrer täglichen Arbeit mit
derselben Zielgruppe.
Durch die exklusive Einladung, sowie die persönliche Begrüßung durch den Geschäftsführer wird dem Empfänger „Arzt“ Wertschätzung entgegengebracht. Diese erfährt
er zudem durch Werte aus dem Bereich der Erlebniswelten, welche aufgrund des
Umfelds in gehobenem Ambiente und des ansprechenden Rahmenprogramms
erbracht werden. Werte-Quelle ist ausschließlich das „Umfeld der Leistungserbringung“.
Anhand dieser beispielhaften Fallstudie wird deutlich, dass IL der imagebezogenen
Kategorie stärker auf symbolische Werte einzahlen, welche sich wiederum tendenziell
stärker auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse richten.
Übereinstimmung mit eigener Erfahrung
Auch bei dieser IL wirkt sich die eigene Erfahrung nicht negativ auf die Wahrnehmung
aus. Die Kontinuität trägt hingegen dazu bei, die Vertrauenswürdigkeit und damit Glaubwürdigkeit des sozialen Engagements aus Sicht des Arztes zu stärken.
„Die schreiben jedes Jahr die Preise aus. Das ist immer wiederkehrend. Die sagen
nicht irgendwie nach zwei Jahren, […] das kostet viel Geld, wir hören wieder auf.“
5.6.2.3 Wahrgenommener Kundenvorteil
Wahrgenommener Nutzen
Den Nutzen aus der imagebezogenen IL ziehen engagierte Ärzte aus der Übereinstimmung der vermittelten Werte mit persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen.
Der Praxisbezug spielt in diesem Fall eine untergeordnete Rolle.
Die persönliche Relevanz ist bei den Interessengruppen, Pädiater und Patienten bzw.
Eltern, situationsbedingt höher als bei anderen Ärztegruppen, wie der Marketingexperte
betont:
„Ein Kinderarzt ist von sich aus schon relativ sozial dem Kind gegenüber eingestellt.“
Dies wird weiter unten auch durch den Pädiater bestätigt (siehe folgendes Zitat).
Trifft die Thematik des sozialen Projektes die persönliche Relevanz des Arztes, ist dieser auch eher bereit, sich zu beteiligen bzw. die soziale Marketingkampagne der NPO
kinderwelten als weiterer kleinerer Sponsor bzw. Spender zu unterstützen.485 Bei dem
Expertengespräch wird jedoch deutlich, dass die thematische Nähe, insbesondere
485
NPO = Non-Profit-Organisation
5.2 13.12.13 16:39 Seite 212
212
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
aufgrund der Affinität des befragten Arztes zu den Ländern, wie Südafrika und deren
Bevölkerung, liegt, da er sich selber dort medizinisch engagiert. Hierdurch entsteht die
hohe persönliche Relevanz der Thematik gemäß seiner eigenen Aussage. Jedoch
besteht hier das Risiko, dass andere Pädiater, welche keine so starke Affinität zu diesen
Ländern haben, auch keine hohe Relevanz der Thematik verspüren.
Die Möglichkeit der Spendensammlung in der Praxis durch Aufstellen einer Spendenkasse, so dass interessierte Patienten ebenfalls spenden können, nutzt auch der
Praxis, ihr Image positiv aufzuwerten. Auf diese Weise kann der Arzt seinem Ziel als
„guter Arzt“ wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, näher kommen. Die Wirkung
durch diese Spendenakquise in der Praxis nimmt der befragte Arzt nicht bewusst wahr.
Zumindest engagiert er sich anonym und führt keine aktiven Spendenaufrufe unter
seinen Patienten durch, was die Aktion aus seiner Sicht unglaubwürdig machen würde.
Dennoch profitiert die Praxis von dieser Wirkung.
„Liegt vielleicht daran, dass ich ja auch Kinderarzt bin, dass mir das sehr am Herzen
liegt. Ich würde jetzt nie für ein Altenheim oder so spenden. Das würde ich nicht
machen, sondern eher in die Jugend investieren.“
Wahrgenommene Kosten
Die wahrgenommenen Kosten für diese IL sind in allen Bereichen gering. So belaufen
sich ökonomische Kosten ausschließlich bei Teilnahme an der Benefizgala auf Hotel
und Fahrtkosten. Die Spenden sind zum einen auf freiwilliger Basis und zum anderen
auch steuerlich absetzbar, wie ein befragter Arzt erwähnt.
Das persönliche Investment bezieht sich lediglich auf die Zeit der Teilnahme an der
Benefiz-Gala, welche jedoch nicht als beeinträchtigend wahrgenommen wird. Die hohe
Glaubwürdigkeit der Informationsquelle und die als unabhängig wahrgenommene
Stiftung reduzieren die psychologischen Kosten bezüglich einer möglichen negativen
Beeinflussung.
5.6.2.4 Wirkung der indirekten Leistung in Bezug auf Loyalität und Verschreibung
Die Wirkung der IL wird anhand der Kundenloyalität, bezogen auf die Teilnahme an
der Benefiz-Gala, sowie der Zahlungsbereitschaft, welche sich in diesem Fall auf die
Spendenbereitschaft bezieht, ermittelt.
Die Kundenloyalität in Bezug auf die Teilnahme an der jährlichen Benefiz-Gala ist laut
Marketingexperten sehr hoch. Anhand der Namenslisten lässt sich erkennen, dass zahlreiche Besucher der Veranstaltung über Jahre treu blieben und sich mit Spendenbeiträgen beteiligten. Wichtige Faktoren sind der Wiedererkennungswert bzw. das
Erinnerungsvermögen, sowie die Attribuierung der IL zum Unternehmen als Hauptsponsor und damit die Steigerung einer möglichen Brand Salience. Gemäß der zuvor
erwähnten Befragung ist diese Attribuierung bei einem Großteil der Pädiater vorhanden.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 213
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
213
Ein weiterer Indikator für die Akzeptanz der IL bei der Zielgruppe ist die Zahlungs- bzw.
Spendenbereitschaft der Teilnehmer der Benefiz-Gala, sowie die Höhe des gesamten
Spendenaufkommens. Laut Experten liegen die Einzelspenden des Großteils der
Besucher weit über den erwarteten 20,- Euro bis hin zu Einzelspenden von 1000,- Euro.
Desweiteren verzeichnen die Veranstalter regelmäßig eine rege Teilnahme bei der
Auktion, als auch Tombolas zur Generierung weiterer Spenden im Rahmen der Gala.
Diese Erfahrungen der Experten weisen auf eine positive Wirkung der IL hin. So
erreichten die gesamten Spendenvolumina, d. h. während und im Nachgang der Veranstaltung, 300.000,- bis 400.000,- Euro. In den Jahren dieser IL konnten international
Schulplätze für über 50.000 Kinder mitfinanziert werden.
Übertragungseffekt auf Kernleistung
Ein bewusster Übertragungseffekt auf das Verschreibungsverhalten lässt sich anhand
der Aussagen des befragten Arztes nicht erkennen.
„Jetzt nicht materiell, weil niemand […] kauft jetzt speziell deswegen bei Vaximed
irgendetwas ein.“
Da die IL thematisch weiter vom Kernprodukt entfernt ist, als die anderen Kategorien,
ist eine Verknüpfung gemäß den Abläufen der sozialen Austauschtheorie eher unwahrscheinlich. Für partizipierende Ärzte übernimmt die getätigte Spende zumindest unterbewusst die Funktion einer Gegenleistung, so dass kein Ungleichgewicht empfunden
wird. Zudem handelt es sich, wie beabsichtigt, um ein soziales Engagement, so dass
die Verschreibung der Kernprodukte zu weit entfernt ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass IL der imagebezogenen Kategorie über Einzahlung auf die Wirkungsfelder
„Sympathie“, „Glaubwürdigkeit“ und durch eine gesteigerte „Brand Salience“ aufgrund
der höheren Kontaktzahl auf das Verschreibungsverhalten wirken. Voraussetzung ist
hierbei wiederum, dass es gelingt, die Attribuierung von IL und Unternehmensmarke
zu realisieren.
Ein Blick auf die Wirkungsfelder unter Einbeziehung der Erkenntnisse des Marketingexperten verdeutlicht diese Schlussfolgerung.
Wie bei den beiden anderen Vaximed Fallstudien betont, sind die Anforderungen
an das Wirkungsfeld „Direktes Marketing“ bei dem Unternehmen positiv erfüllt.
Auch aus diesem Arztgespräch sind keinerlei Hinweise auf negative Einflüsse durch
mangelnde Qualität der Kernleistung erkennbar.
Aus Sicht des Unternehmens zahlt diese imagebezogene IL ebenfalls auf das
Wirkungsfeld „Indirect Marketing“ ein und damit implizit auf das Verschreibungsverhalten. Aufgrund der Rückmeldungen, die das Unternehmen über den Außendienst
und direkt auf den Veranstaltungen erhielt, kann davon ausgehen werden, dass das
Engagement zumindest bei den involvierten Pädiatern wahrgenommen wurde, wie der
Marketingexperte bestätigt.
„Ich glaube, das war eigentlich vielen, vielen Ärzten dann auch klar und das ist auch
uns, meiner Meinung nach, honoriert worden. Bei den Produkten […] die wir beim
Pädiater haben, sind wir absoluter Marktführer. Ich denke, dass da kinderwelten ganz
klar dazu beigetragen hat.“
5.2 13.12.13 16:39 Seite 214
214
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
Zwar ist dieser Übertragungseffekt nicht monetär messbar und signifikant der IL zuzuordnen. Dennoch sprechen die Ergebnisse der zuvor erwähnten Befragung für einen
gesteigerten Bekanntheitsgrad der IL in Zusammenhang mit der Unternehmensmarke.
Hierdurch ist auch von einer Einzahlung auf die Brand Salience in Bezug auf das
Unternehmen auszugehen, wobei die Verbindung zur Indikation hier nicht vorhanden
und damit die Attribuierung im Entscheidungsmoment nicht wahrscheinlich ist.
Durch den aktiven Einsatz, auch im Rahmen der Außendienstgespräche, trägt die IL
zur Differenzierung und zur Steigerung des „Sympathiegrades“ für das Unternehmen bei.
„kinderwelten war oftmals ein Door Opener in der Praxis. Ganz klar.“
Die Bereitschaft der Ärzte, vor allem der Pädiater und Jugendmediziner, über diese
produktneutrale, soziale und damit differenzierende „Leistung“ zu sprechen, erscheint
aus Expertensicht und aufgrund der langjährigen Erfahrung als sehr hoch. Dies liegt
vor allem an der thematischen Ausrichtung an deren Hauptklientel „Kinder“ und damit
an ihrem Interessenbereich. Der Pharmareferent gewinnt auf diese Weise wertvolle
Gesprächszeit durch diese IL beim Arzt. Verfügt er über die notwendige Kompetenz
der Gesprächsführung ermöglicht es ihm dieser Zeitgewinn, auch weitere Themenbereiche zu involvieren. Das vorrangige Ziel, über die Vermittlung der sozialen Verantwortung ein positives Unternehmensimage zu generieren und sich damit bei den
Kunden zu differenzieren, ist aus Sicht des Experten erreicht worden. Man war von
dem Erfolg überzeugt und daher wurde weiter in die IL investiert :„kinderwelten“ waren
jeden Cent Wert, den wir investiert haben. Hat sich vielfach gelohnt.“
Kampagnen wie diese, zur Steigerung des Images, sind einer der Pfeiler der Marketingerfolgsformel bei Vaximed und damit auch die Begründung für den kontinuierlichen und
breiten Einsatz des IM gemäß Aussage des Experten.
Marketingerfolg
Gute
Produkt PR
Gute ImageKampagnen
Vernünftige
Kundenbindungskonzepte
Herausragende Produkteigenschaften
der Kernleistung
Abbildung 69: Pfeiler der Marketingerfolgsformel von Vaximed
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Expertengespräch Marketingexperte kinderwelten
Award, November 2011.
5.2 13.12.13 16:39 Seite 215
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
215
Die Basis des Erfolgs stellt auch in dieser Definition die herausragende Produkteigenschaft des Arzneimittels dar. Wichtigster Pfeiler des direkten Marketing ist die
Produkt-PR. Eine hervorgehobene Bedeutung haben die IL, welche als Kundenbindungskonzepte und Imagekampagnen verstanden werden, in dem sie den Arzt in
seiner täglichen Organisation und Arbeit unterstützen.
Vaximed verfügt in dieser Zeit über eine ähnliche Unternehmenskultur und -philosophie
wie Pharmacon: Kundenorientierung steht bei beiden Unternehmen im Mittelpunkt. Der
Anspruch ist es, Ärzte im täglichen Geschäft zu unterstützen, auch wenn es sich um
Themenbereiche handelt, die zwar verwandt aber nicht mit der eigenen Kernleistung
verbunden sind.
„Wenn ein Arzt Hilfe gebraucht hat für FSME, wo das Produkt nicht in unserem Portfolio
stand, dann haben wir ihm eine Karte gegeben, Informationen gegeben, weil wir uns
einfach verstanden haben, als Helfer des Arztes, ganzheitlich und nicht nur auf unsere
Produkte beschränkt.“
Ziel und damit Inhalt des Marketing ist gemäß dieser Philosophie, dass die Unternehmen dem Arzt konzeptionell die Philosophie des Unternehmens durch eine übergeordnete Kompetenz vermitteln sollten, mit dem sich der Arzt identifizieren kann.
Dies führt zu einer hinreichenden Differenzierung und gemäß des Experten auch
automatisch zu einem entsprechenden Verschreibungsverhalten.
Die folgende Aussage des Marketingexperten verdeutlicht Ziele und Philosophie, die
hinter dem Einsatz dieser IL stehen. Zum einen ist das Management vom Übertragungseffekt der IL auf das Verschreibungsverhalten überzeugt. Zum anderen
spiegelt sich in der Betonung der „moralischen Befriedigung“ auch die Unternehmenskultur wieder, welche nach aktuellen Erkenntnissen eine Basis für dessen Erfolg ist.
„Der Profit ist die eine Sache, dass sie einen hohen Erkennungswert haben und damit
auch einen gewissen Einfluss auf das Rezeptverhalten. Und das zweite ist ja auch die
moralische Befriedigung, dass sie auch wirklich jeden Euro, den sie investieren in eine
Sache, auch bei denen ankommt, die es nötig haben und nicht in irgendwelchen
Verwaltungskosten verschwindet.“
5.6.3 Zusammenfassung
Die imagebezogene IL ist nicht als Einzelmaßnahme, sondern als Bestandteil eines ILPortfolios des Unternehmens zu sehen, aus welchem in diesem Forschungsprojekt
drei Fälle untersucht wurden. Dabei verfolgen die Kategorien unterschiedliche Zielsetzungen. Bei der zuletzt untersuchten dritten Kategorie „Image“ geht es darum, auf
persönlichkeitsbezogener Ebene ein gemeinsames Werte-Verständnis zu vermitteln
und darüber Kundenbindung zu generieren.
Daher ist die übergeordnete thematische Relevanz für den Empfänger „Arzt“ wichtig.
In diesem Fall handelt es sich um die Unterstützung von „Präventivmaßnahmen“ für
Kinder als Patientenklientel der angesprochenen Kinder- und Jugendärzte. Allerdings
ist aus dem geführten Gespräch ersichtlich, dass die Relevanz für den befragten Arzt
auch aus seiner eigenen aktiven Tätigkeit für Kinder im Ausland rührt. Diese Überein-
5.2 13.12.13 16:39 Seite 216
216
5 Empirische Fallstudien zu Indirect Marketing
stimmung mit der eigenen Erfahrung wird beim Großteil der Zielgruppe nicht gegeben
sein. Aktivitäten, welche thematisch mit dem eigenen Interessengebiet übereinstimmen,
könnten somit auf breitere Akzeptanz und damit Übereinstimmung stoßen. In diesem
Fall wäre z. B. die Unterstützung präventiver Maßnahmen für Kinder vor Ort und damit
näher am direkten Klientel des Arztes, förderlich.
Obwohl die IL weit von der Kernleistung entfernt ist, ist sie neben weiteren Kernleistungen ein eigener Besprechungspunkt des Außendienstes. Vaximed behandelt
diese IL also wie ein eigenständiges Kernprodukt, da man von der differenzierenden
Wirkung überzeugt ist. Die intensive Vorbereitung des Außendienstes auf diese
Gespräche und die Einbindung in die Gesprächsrunden erhöht auch die Akzeptanz
bei den Mitarbeitern. Dies zeigt sich wiederum in den hohen Awareness-Raten, der
Loyalität der Gala-Teilnehmer und der generierten Spenden, sowie in längeren
Gesprächszeiten in den Praxen. Dies ist gelungen, obwohl der thematische Abstand
zur Kernleistung groß ist. Entscheidend ist in diesem Unternehmen, wie erwähnt, die
vom Top-Management geförderte positive Unternehmenskultur im Hinblick auf IM.
Organisationale, als auch individuelle Kompetenzen sind absolut erfolgsrelevant.
Wiederum zahlt die Kontinuität der IL über Jahre hinweg auf die Glaubwürdigkeit ein.
Die Werte-Arten finden sich vermehrt im Bereich Erlebniswelten und symbolische Werte
und zahlen damit auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse ein. Sie tragen also dazu
bei, dass der Arzt sein eigenes Image positiv entwickeln kann und zahlen damit auf
dessen übergeordnetes persönlichkeitsbezogenes Ziel ein.
Diese IL fördert somit, über das „wahrgenommene Engagement“ und die Übereinstimmung mit der eigenen Überzeugung, den Anstieg der „Sympathie“ und damit der
„Glaubwürdigkeit“ des Unternehmens. Ebenso trägt diese imagebezogene IL auf die
Brand Salience durch die höhere Kontaktrate und die Verknüpfung des Unternehmens
mit positiven Attributen wie „soziale Verantwortung“ bei.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 217
217
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
6
Cross-Case-Analyse der Fallstudien
zu Indirect Marketing
Nach der In-Case-Analyse der Einzelfallstudien in Kapitel 5 erfolgt in Kapitel 6 die
Synthese der gewonnenen Erkenntnisse durch deren Aggregation und Gegenüberstellung
anhand einer interpretativen Vorgehensweise. Bei der In-Case-Analyse wurden die
Fallstudien in der Reihenfolge von Sender in Richtung Empfänger analysiert. Die Vorgehensweise bei der Cross-Case-Analyse erfolgt nun in entgegengesetzter Richtung,
also kundenseitig. So kann deutlich dargestellt werden, welche vorgelagerten Prozessschritte und Faktoren den schlussendlichen Erfolg oder Misserfolg der IL beeinflusst
haben. Basis der Auswertung sind ausschließlich Erkenntnisse, welche sich aus den
Fallstudien ableiten.
6.1
Aggregation der Wirkung, Wahrnehmung und Gestaltung
indirekter Leistungen
6.1.1 Wirkung der indirekten Leistungen
Die dargestellten IL unterscheiden sich in ihrer Wirkung. Sie bestätigen und ergänzen
die von Weinhold postulierten Wirkungsweisen (siehe Kapitel 2.1.1).486 Abbildung 70
stellt die Ausprägungen der direkten Wirkungsfelder und Übertragungseffekte der IL
gegenüber.
Wirkung IL
Fallstudien
Zahlungsbereitschaft
Kundenloyalität
Übertragungseffekt
WOM
Wahrgenom.
Engagement
Brand
Salience
Patientennachfrage
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Internetplattform (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Viele Nennungen;
Positive Erfüllung
Einzelnennungen;
Schwächere Erfüllung
Keine Nennungen;
Keine Erfüllung
Abbildung 70: Ausprägung der Wirkungsfelder
Quelle: Eigene Darstellung
Die direkte Wirkung der IL wird anhand von Äußerungen zur „Zahlungsbereitschaft“,
„Kundenloyalität“ und Anzeichen für deren Weiterempfehlung an Kollegen („WOM“) eingestuft. Kundenloyalität steht dabei für Hinweise einer Wiederinanspruchnahme der
IL. Diese Intensivierung der Kundenbeziehung führt wiederum zu einem besseren
Kundenzugang und damit zu einer besseren Position in kritischen Situationen (z. B.
erhöhte Nebenwirkungsmeldungen). Die Wirkungsfelder des Übertragungseffektes auf
486
Vgl. Weinhold 1988, S. 495ff.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 218
218
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
die Kernleistung umfassen die ermittelten Ausprägungen des „wahrgenommenen
Engagements“ des Unternehmens, dem Grad der „Brand Salience“, sowie der Steigerung
einer potenziellen „Patientennachfrage“. Erstere beschreibt dabei den Wirkungsablauf
gemäß der sozialen Austauschtheorie, wie zuvor beschrieben. Die Einstufung erfolgt
anhand der bereits verwendeten Dreierskala.
Über das breiteste Wirkungsprofil verfügt die indikationsbezogene Leistung (IN)
„Medizinischer Beratungsservice“ von Pharmacon. In Bezug auf die Wirkungsbreite
folgt direkt dahinter die praxisbezogene Leistung (PB) „Notfalltraining“, welche jedoch
nicht unternehmensweit durchgeführt wurde. Die „Internetplattform“ von Respipharm
(IN) schneidet dagegen beim Wirkungsprofil am schlechtesten ab und zeigt als einzige
IL keinen Effekt auf eines der ermittelten Wirkungsfelder.
Wirkung IL
Mit Ausnahme der „Internetplattform“ ist bei allen IL eine Zahlungsbereitschaft
erkennbar. Auf Nachfrage liegt diese überall zwischen 50,- und 100,-Euro. Lediglich für
die wissenschaftlichen Fortbildungen im Rahmen der IN „Aufklärungskampagne“ ist sie
schwächer ausgeprägt. Diese situative IL wird im thematischen Zusammenhang mit
dem bevorstehenden Launch und somit als Werbung mit Eigennutz für die Firma wahrgenommen. Daher ist die Bereitschaft für einen zu erbringenden Gegenwert geringer.
Bei allen IL mit positiver „Zahlungsbereitschaft“ ist, in Übereinstimmung mit Aussagen
der Experten, von einem Potenzial für die Eigenvermarktung auszugehen. Insbesondere bei der IN „Medizinischer Beratungsservice“ und den beiden PB ist dieses Potenzial in Übereinstimmung mit deren wahrgenommenen KV besonders groß.
Kundenloyalität in Bezug auf die jeweilige IL ist bei allen permanent ausgerichteten
IL gegeben. Die beiden situativen IL „Aufklärungskampagne“ und „Internetplattform“
entwickeln hingegen keine Loyalität, da diese nach Launch der Kernleistung eingestellt
bzw. in direkte Maßnahmen umgewandelt wurden. Allerdings deuten die Erkenntnisse
bei der „Internetplattform“ selbst bei permanenter Ausrichtung nicht auf eine wiederholte
Inanspruchnahme hin.
Gemäß den theoretischen Grundlagen unter Kapitel 2.2.4 führt auch in den Fallstudien
eine hohe Kundenzufriedenheit und damit - loyalität zu WOM. Dieser Multiplikatoreffekt
für die Absendermarke ist insbesondere beim „Medizinischen Beratungsservice“ sowie
dem „Notfalltraining“ erkennbar. Die Begeisterung für die Leistungen ist hier so groß,
dass selbst in Gesprächen zu anderen Fallstudien Hinweise zu diesen IL zu finden sind.
Der WOM-Effekt bei der „Aufklärungskampagne“ hingegen, ist eher auf die massive
Präsenz durch die Laienkampagne und den bevorstehenden Launch des patentierten
Impfstoffes zurückzuführen. Die Fortbildungen werden weniger genannt, sondern eher
die massive Präsenz des Themas in der Laienpresse, welche zu WOM bzgl. Fortbildungsbedarf für die neue Thematik zwischen Arztkollegen führt. Bei der imagebezogenen IL (IB) „kinderwelten Award“ ist zumindest bei den geführten Gesprächen
kein WOM-Effekt erkennbar.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 219
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
219
Übertragungseffekt
Bei Erfüllung der Anforderungen an die Kernleistung „Arzneimittel“, sowie der möglichen
vollständigen Substituierbarkeit der Produkte mit Wettbewerbsprodukten oder anderen
Therapieoptionen, ist bei den meisten dargestellten IL von einem Übertragungseffekt
auszugehen. Dabei interagieren die drei Wirkungsfelder untereinander. Ausnahme ist
wiederum die „Internetplattform“ von Respipharm, welche von Ärzten wenig bis gar
nicht beansprucht wird und somit auch keinen weiteren Effekt auslösen kann.
Die Äußerungen der Ärzte bestätigen die Wirkweise des wahrgenommenen Engagements
für die Praxis oder im Fall von imagebezogene IL für einen gemeinsamen Zweck. Dadurch
entsteht der Wunsch, einen Gegenwert zu erbringen. Die spezifische Gestaltung der
IL führt dazu, dass diese als wichtige, relevante Unterstützung wahrgenommen wird.
Dabei fällt auf, dass IL mit dieser Wirkweise, gemäß der sozialen Austauschtheorie,
vermehrt in den Kategorien Praxis- und Imagebezug auftreten. Ausnahme ist die IN „Med.
Beratungsservice“. Anders als bei praxisbezogenen, handelt es sich bei imagebezogenen
IL jedoch mehr um das „wahrgenommene soziale Engagement“ für einen gemeinsam
zu verfolgenden Zweck als um das Engagement für die Unterstützung im Praxisalltag.
Dementsprechend ist hier auch von einem geringeren Einfluss auf das Verschreibungsverhalten auszugehen. Der „Gegenwert“ besteht eher in der Spenden- bzw. Zahlungsbereitschaft für eine förderungswürdige Aktivität. Ein Bedarf, dem Unternehmen für das
Engagement eine Gegenleistung in Form der Verschreibung zu erbringen, ist nicht
erkennbar. Die Wahrnehmung des sozialen Engagements zahlt vielmehr auf die Markenbildung des Unternehmens und damit die „Brand Salience“ ein. Die IN „Aufklärungskampagne“ wird weniger als „Engagement“ für die Praxis wahrgenommen. Ärzte sehen
darin eine notwendige Maßnahme im Vorfeld des Produktlaunch, die in erster Linie
aus Eigeninteresse des Unternehmens durchgeführt wird. Obwohl die IL (produkt-)
unabhängig gestaltet ist, vermittelt sie jedoch auch aufgrund der hohen Aufmerksamkeitsrate diesen Eindruck und reduziert somit den Effekt auf dieses Wirkungsfeld. Derselbe
Effekt ergibt sich bei der zweiten situativen IL „Internetplattform“.
Die Ausprägung des Wirkungsfeldes Brand Salience und damit die Erinnerung bzw.
Wiedererkennung im Verschreibungsmoment ist bei IN stärker ausgeprägt als bei den
thematisch weiter entfernten IL. Pharmacon profitiert von dem durch die IL generierten
Begeisterungsfaktor. Bei der Vaximed „Aufklärungskampagne“ führt hingegen die
gesteigerte Patientennachfrage und Diskussion in Ärztekreisen aufgrund der groß
angelegten Laienkampagne zu einer Steigerung der Awareness und damit der „Brand
Salience“. Die Generierung eines hohen Grades an „Brand Salience“ scheint hingegen
bei Praxis- und Imagebezug schwieriger zu sein. Bei allen untersuchten Fällen sind die
Erbringer der IL in erster Linie nicht die Unternehmen, sondern einzelne Außendienstmitarbeiter oder Kooperationspartner wie ReiseMED oder die Stiftung. Dennoch kann es
gelingen, diese IL mit dem Unternehmen zu verbinden. Je weiter sich die IL thematisch
vom Kernprodukt entfernen, desto höher sind jedoch die Anforderungen an die Kompetenz
der Außendienstmitarbeiter, welche sie zu platzieren haben. Bei ReiseMED gelang diese
Verknüpfung nicht flächendeckend, so dass einzelne Ärzte die IL dem Wettbewerber
zuordnen. Der lange Zeitabstand zur Leistungserbringung spielt bei dieser Zuordnung
jedoch auch eine Rolle. Der „Brand Salience“-Effekt nimmt demnach ab, wenn eine IL
6.2 13.12.13 16:39 Seite 220
220
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
nicht kontinuierlich in Verbindung mit der Unternehmensmarke als Erbringer gebracht
wird. ReiseMED gelingt es hingegen durch die Breite des Leistungsangebots, der
Kommunikationskanäle und Partner auf die Patientennachfrage zu Reiseimpfungen
zu wirken. Dies ist ebenfalls bei der „Aufklärungskampagne“ von Vaximed der Fall.
Wichtig dabei ist jedoch die zeitliche Abfolge. Damit die „Patientennachfrage“ auch
einen gezielten Übertragungseffekt auslösen kann, ist im Vorfeld eine arztorientierte
IL, z. B. in Form einer Fortbildung zur Thematik, notwendig. Somit kann die Verknüpfung
mit der eigenen Marke gesteigert werden. Generell ist davon auszugehen, dass sich
eine gesteigerte Patientennachfrage für eine bestimmte Thematik in einem generischen
bzw. einem Markt mit substituierbaren Therapieoptionen, auf die im Markt vertretenen
Produkte und Unternehmen gemäß deren Marktanteile verteilt. Somit profitiert ein
Unternehmen auf jeden Fall von einer solchen Aktion. Gelingt es jedoch im Vorfeld die
„Brand Salience“ für das Thema in Verbindung mit dem Unternehmen zu steigern, ist
das Risiko einer Förderung des Wettbewerbs geringer.
Auffällig ist, dass indikationsbezogene IL stärker auf die „Brand Salience“ wirken. IL, welche
thematisch weiter von der Kernleistung entfernt sind, haben es aus beschriebenen
Gründen schwerer diese Verbindung herzustellen. Praxis- und imagebezogene wirken
tendenziell stärker auf das „wahrgenommene Engagement“ für die Praxis. Bei gleichzeitiger hoher „Zahlungsbereitschaft“ aufgrund des hohen KV ist von einem Übertragungseffekt als eine Form der Gegenleistung auszugehen. Die thematische Nähe
zur Kernleistung stellt für die indikationsbezogene IL bezüglich dieses Wirkungsfelds
allerdings ein mögliches Risiko dar. Liefern sie nicht einen außerordentlichen KV, wie
im Fall des „Med. Beratungsservice“, können sie, bei gleichzeitig schlechter Kommunikation
über den Außendienst, Reaktanz auslösen, wie z. T. bei der „Aufklärungskampagne“
geschehen. Dies liegt daran, dass die Leistung in erster Linie dem Eigeninteresse des
Unternehmens zugeordnet wird. Bei korrekter Konfiguration und Kommunikation
ermöglichen IL einen Übertragungseffekt auf die Kernleistung. Wie der Best Case „Med.
Beratungsservice“, als auch das „Notfalltraining“ zeigen, ist dabei auch eine Aktivierung
mehrerer Wirkungsfelder möglich, die zudem auch untereinander interagieren.
6.1.2 Wahrnehmung der indirekten Leistungen
Die Wirkung der IL resultiert gemäß dem dargestellten Modell aus einem hohen KV,
der über das Kosten-Nutzen-Verhältnis zustande kommt. Wahrgenommene Werte
tragen dabei zur Schaffung eines Nutzens durch Ansprache der Bedürfniskategorien
bei. Die erfolgreichen Fallstudien decken sowohl praxis- als auch direkt persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse ab. IL mit einem schwächeren Übertragungseffekt verfügen hingegen über eine geringere Wirkbreite. Abbildung 71 verdeutlicht, dass Leistungen der
drei IM-Kategorien erfolgreich sein können, auch wenn sie über unterschiedliche
Schwerpunkte in der Bedürfnisansprache verfügen. So konzentrieren sich Leistungen
mit Indikationsbezug stärker auf die praxisbezogenen Bedürfnisse WM und ZM,
wohingegen Leistungen mit Praxisbezug zusätzlich KM und PM ansprechen. Bei PB
liegt die Konzentration vor allem auf PM und WM, da im Zusammenhang mit der
Vermittlung praxismanagement-relevanter Themen auch gleichzeitig medizinisches
Wissen vermittelt wird. Durch die Unterstützung bei Praxisabläufen haben sie zudem
einen Einfluss auf ZM und KM. Leistungen mit Imagebezug adressieren dagegen
6.2 13.12.13 16:39 Seite 221
221
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
direkt persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse. Allgemeine Ausnahme ist hierbei wiederum
die „Internetplattform“ als negativer Case.
Praxisbezug
Fallstudien
Wissensmanagement
(WM)
Zeitmanagement
(ZM)
Kostenmanagement
(KM)
Praxismanagement
(PM)
Persönlichkeitsbezug
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Internetplattform (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Abbildung 71: Ausprägung der angesprochenen Bedürfniskategorien durch die IL
Quelle: Eigene Darstellung
Wahrgenommene Qualität und Werte-Arten der indirekten Leistungen
Die Einbeziehung der wahrgenommenen Werte-Arten der IL verdeutlicht die unterschiedliche Ansprache von Bedürfniskategorien. Abbildung 72 verdeutlicht die Schwerpunkte der Werte-Arten pro IL. Die Darstellung erfolgt anhand einer vierstufigen Skala,
welche die Anzahl verschiedener Nennungen pro Werte-Art unterteilt. Weiße und hellgraue Bereiche verfügen dabei über keine bzw. Einzelwertenennungen und haben
keinen ersichtlichen Einfluss auf die Nennungen zur Relevanz und damit zum Nutzen.
Wahrgenommene Werte-Arten
Fallstudien
Funktionale Werte
Erlebniswelten
Symbolischer Wert
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Internetplattform (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Sehr viele Nennungen
Mehrere Nennungen
Einzelnennungen
Abbildung 72: Ausprägung der wahrgenommenen Werte-Arten
Quelle: Eigene Darstellung
Keine Nennung
6.2 13.12.13 16:39 Seite 222
222
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Funktionale Werte zahlen über alle Fallstudien hinweg direkt auf praxisbezogene
Bedürfnisse ein. Die IB „kinderwelten Award“ verfügt über keinen großen genannten
funktionalen Wert und damit auch nicht über einen hohen praxisbezogenen Beitrag.
Vielmehr wird deutlich, dass Leistungen, welche über ausgeprägte symbolische Werte
und Werte im Bereich Erlebniswelten verfügen, auch einen starken direkten Einfluss
auf persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse haben. Die „Internetplattform“ als auch die
„Aufklärungskampagne“ verfügen über keine wahrgenommenen symbolischen Werte
und damit auch über keine Nennungen in diesem Bereich. Insbesondere die „Aufklärungskampagne“ trägt daher nur indirekt durch die Ansprache praxisbezogener
Bedürfnisse (WM, ZM) zur Erfüllung der übergeordneten persönlichkeitsbezogenen
Bedürfniskategorie bei.
Abbildung 73 fasst diese Zusammenhänge grafisch zusammen und verdeutlicht,
welche Werte-Arten bei den analysierten IL auf welche Bedürfniskategorien einzahlen.
Werte:
Functional
Bedürfnisse:
Praxisbezug
Wissensmanagement
Zeitmanagement
Praxismanagement
Experiental
Kostenmanagement
Persönlichkeitsbezug
Symbolic
Abbildung 73: Beiträge der Werte-Arten zur Bedürfnisbefriedigung
Quelle: Eigene Darstellung
Bei den genannten Werte-Quellen der untersuchten IL ergibt sich folgende absteigende Reihenfolge: „Produkt-/Dienstleistungseigenschaften“ (P/D), „Beziehungsorientierte Interaktionen“ (BI), „Umfeld der Leistungserbringung“ (UL), „Prozess der
Eigentumsübertragung“ (PE) und „Information“ (I). Letztere steuert in keiner der Fallstudien Werte bei.
P/D verfügen über die meisten Werte-Nennungen, vornehmlich funktionaler und symbolischer Natur. Nennungen zum Bereich „Erlebniswelten“ beschränken sich auf die
Einbindung hochwertiger Referenten.
UL kreiert hingegen ausschließlich Erlebniswelten-Werte durch den jeweiligen Veranstaltungsort. Ein besonderes Ambiente oder auch die Vertrautheit der eigenen Praxis
werden als positive Werte wahrgenommen.
PE liefert als Quelle funktionale Werte mit Zeitbezug. Sowohl beim „Med. Beratungsservice“, als auch bei der situativen „Aufklärungskampagne“ liegt der Wert in der schnellen
Beantwortung bzw. Vorabinformation des Arztes vor dem patientenorientierten Bestandteil der IL. Diese beiden Werte erklären den Beitrag zum ZM der beiden IL unter Abbildung 71.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 223
223
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Auffallend bei den Nennungen ist, dass die beiden erfolgreichsten IL, „Med. Beratungsservice“ und „Notfalltraining“, welche bei den Ärzten auch am besten in Erinnerung
geblieben sind und eine hohe Kundenloyalität inkl. WOM erzeugt haben, viele Werte
aus dem Bereich BI ziehen. Diese Quelle schafft hauptsächlich symbolische Werte,
aber auch Werte im Bereich Erlebniswelten und trägt somit zur Befriedigung der
persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse, wie Wertschätzung, bei.
Wahrnehmung der Kostenarten und Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Die Werte einer IL, die durch die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren geschaffen werden,
wirken sich auch gleichzeitig minimierend oder steigernd auf die Wahrnehmung der
Kostenarten aus. Diese Kostenbeiträge liefern einen weiteren Erklärungsansatz für den
Erfolg der jeweiligen IL, da diese direkt auf den wahrgenommenen KV Einfluss haben.
Abbildung 74 stellt die Wahrnehmung der Kostenarten der Fallstudien gegenüber. Sie
dient dem Verständnis für den Beitrag kostensteigernder und kostensenkender Faktoren
auf den KV. Um einen Vergleich zwischen den Fallstudien zu ermöglichen, erhalten
kostensenkende Pfeile den Wert -1, kostensteigernde Pfeile den Wert +1 und waagrechte, kostenneutrale Pfeile den Wert 0. Da sich die Abbildung ausschließlich auf
genannte Werte bezieht, bezeichnen schwarze Kreise Felder ohne Nennungen. Somit
können sie aufsummiert werden. Je niedriger die Summe, desto stärker wirkt sich die
IL kostensenkend aus. Die Angaben sind dabei nicht als absolute Zahlen zu verstehen,
sondern geben die Entwicklungstendenz der Kostenarten wieder.
Wahrgenommene Kostenarten
Fallstudien
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Internetplattform (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Tendenz
Ökonomische
Kosten
Psychologische
Kosten
Persönliches
Investment
Risiko














O
-4





O


O
-4
-3
1
-2
0
Abbildung 74: Ausprägung der wahrgenommenen Kostenarten
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 74 verdeutlicht, dass die beiden erfolgreichsten IL auch gleichzeitig über das
höchste wahrgenommene Kostensenkungspotenzial verfügen. IL, welche über eine
geringe oder keine direkte Wirkung, sowie über keinen Übertragungseffekt verfügen,
haben dagegen kostenneutrale oder –steigernde Werte, welche damit auch den KV
reduzieren. Ob eine IL im Endeffekt in Anspruch genommen wird, liegt in der subjektiven
Bewertung der Ärzte des wahrgenommenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
Die Wahrnehmung der Kostenarten ist wiederum auf die jeweiligen Gestaltungsfaktoren
6.2 13.12.13 16:39 Seite 224
224
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
zurückzuführen. Leistungseigenschaften der Kommerzialisierung, wie der Preis, wirken
auf die Wahrnehmung der ökonomischen Kosten, wie an den Fällen „ReiseMED“ und
„kinderwelten Award“ deutlich wird.
Von besonderem Interesse für IL sind die psychologischen Kosten. Bis auf die
„Internetplattform“ und die „Aufklärungskampagne“ wirken alle IL darauf kostenreduzierend. Die Äußerungen zu diesen Bereichen konzentrieren sich auf die Unabhängigkeit, die damit verbundene Neutralität der Informationsquelle und damit deren
Glaubwürdigkeit.
Aus Abbildung 75 wird ersichtlich, weshalb gerade diese beiden IL über Defizite in
Bezug auf die Glaubwürdigkeit verfügen. So vermitteln diese den Ärzten keine explizite
(Produkt-) Unabhängigkeit, sowie Trennung vom Verkauf. Die IL von Respipharm ist,
bis auf den „Sympathiegrad“ zum jeweiligen Außendienst und zum Unternehmen,
negativ ausgeprägt und wirkt sich somit steigernd auf die psychologischen Kosten aus.
Alle anderen IL erfüllen die Anforderungen an die Glaubwürdigkeit und haben somit
eine reduzierende Wirkung auf diesen Bereich.
Fallstudien
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Sympathiegrad
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Internetplattform (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Abbildung 75: Ausprägung der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
Quelle: Eigene Darstellung
Die Konfiguration der IN „Internetplattform“ und der damit verbundene zeitliche Aufwand
für den Arzt steigern dessen persönliches Investment und reduzieren somit den KV. Im
Vergleich dazu achten die anderen Unternehmen bzw. der Pharmareferent von PB
„Notfalltraining“ darauf, das persönliche Investment des Arztes möglichst gering zu
halten. In diesem Zusammenhang steht auch die Beeinflussung des wahrgenommenen
Risikos. Durch hohe Qualität der gelieferten Werte in Kombination mit einer hohen
Glaubwürdigkeit kann es gelingen, das Risiko des Arztes in Bezug auf Verschwendung
von Zeit, Geld und Ressourcen durch Etablierung einer Vertrauensbasis zu verringern.
Die Kontinuität der Erbringung spielt bei mehreren IL bei der Etablierung der Vertrauenswürdigkeit und damit Glaubwürdigkeit eine große Rolle. Insbesondere den beiden
erfolgreichsten Leistungen gelingt es so, eine andauernde Wirkung zu erzeugen.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 225
225
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
6.1.3 Synthese der Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen
Das folgende Kapitel beleuchtet Gestaltungsfaktoren, welche einen Einfluss auf den
Erfolg von IL haben und damit deren Wahrnehmung und Wirkung beeinflussen. Durch
die Gegenüberstellung der verschiedenen Leistungsausprägungen werden Erklärungsbeiträge zu den Zusammenhängen hergeleitet. Dabei fallen Faktoren in den Fokus der
Betrachtung, welche in vorangegangenen Kapiteln einen Einfluss vermuten lassen.
Kommunikation
Der Gestaltungsfaktor „Kommunikation“ bündelt alle vorgelagerten Schritte der Leistungserstellung und bildet somit die Schnittstelle zum Kunden „Arzt“. Drei Teilbereiche der
Kommunikation sind zur Generierung von Erklärungsbeiträgen von Interesse. Dabei
handelt es sich um die „Kommunikationsstrategie“, die Ausprägung der „Kommunikationsinhalte“, sowie die Wahl des „Kommunikationskanals“. Diese drei Teilbereiche werden
in dieser Reihenfolge einzeln behandelt.
Die Kommunikationsstrategie umfasst dabei das „vorrangige Ziel“, die zeitliche „Ausrichtung“ und die „Kontakthäufigkeit“ der IL mit dem Arzt. Abbildung 76 fasst die unterschiedlichen Ausprägungen zusammen.
Kommunikationsstrategie
Fallstudien
Vorrangiges Ziel
Ausrichtung
Kontakthäufigkeit
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Kundenbindung
Langfristig
Hoch
Aufklärungskampagne (IN)
Aufmerksamkeit
Situativ
Hoch
Internetplattform (IN)
Aufmerksamkeit
Situativ
Mitarbeiterspezifisch
Notfalltraining (PB)
Kundenbindung
Langfristig
Hoch, Mitarbeiterspezifisch
ReiseMED (PB)
Kundenbindung
Langfristig
Hoch, Mitarbeiterspezifisch
kinderwelten Award (IB)
Differenzierung
Langfristig
Hoch, Mitarbeiterspezifisch
Abbildung 76: Ausprägung der Kommunikationsstrategien
Quelle: Eigene Darstellung
Die IL unterscheiden sich in Bezug auf ihr vorrangiges Ziel. Die Hälfte der untersuchten
Leistungen hat „Kundenbindung“ durch eine gesteigerte Kundenloyalität und der damit
verbundenen positiven Effekte zum Ziel. Dieses verfolgen IL der Kategorien Indikationsund Praxisbezug. Ausnahmen sind situative IL, welche im Rahmen von Prämarketingund Einführungsphasen eingesetzt werden. Sie zielen auf die Schaffung von Aufmerksamkeit für eine bestimmte medizinische Thematik ab. Die IB „kinderwelten Award“ verfolgt vorrangig die thematische „Differenzierung“ der Marke, um nachgelagert das Ziel
der „Kundenbindung“ zu erreichen. Imagebezogene IL dienen dazu, eine thematische
Verbundenheit für ein gemeinsames Thema bzw. soziales Ziel zu etablieren. Durch
dieses gemeinsame, langfristig angelegte Engagement entsteht wiederum Kunden-
6.2 13.12.13 16:39 Seite 226
226
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
bindung, die automatisch zu mehr Gesprächszeit und einem besseren Zugang
führt, indem sich Unternehmen und Arzt zusammen für einen gemeinsamen Zweck
einsetzen. Die anderen IL konzentrieren sich hingegen auf die aktive Unterstützung
des Arztes im Praxisalltag.
Die langfristige Ausrichtung steht im Einklang mit dem Ziel von IM, eine übergeordnete Kompetenz für die Unternehmensmarke zu kreieren. Situative IL stehen diesem
Ziel entgegen. Der situative Einsatz von IN bietet sich nach den gewonnenen Erkenntnissen ausschließlich im Rahmen einer Prämarketingphase an, um im Vorfeld der
Produkteinführung Aufmerksamkeit für eine bestimmte Indikation zu erhöhen und kurzfristig „Brand Salience“ zu generieren. Dies ist durch die thematische Nähe der IL zur
Kernleistung möglich, bedarf jedoch einer sehr hohen Kontaktrate. Im Anschluss an
den Launch versprechen diese jedoch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse
und sind somit obsolet. Bei entfernteren IL aus den Bereichen PB und IB ist ein
situativer Einsatz nicht empfehlenswert. Situative IL sind langfristig angelegten IL in der
Wirkung unterlegen, da sie weniger Zeit haben, thematische Attributionen zur Marke
herzustellen und damit „Brand Salience“ zu schaffen. Dies wird bei der Darstellung der
Übertragungseffekte unter Abbildung 70 deutlich. So schafft die „Aufklärungskampagne“
die notwendige „Brand Salience“ für den Übertragungseffekt zu allererst durch die
massive Laienkampagne und weniger durch die arztorientierten Bestandteile.
Ein weiterer erfolgskritischer Faktor ist die Kontakthäufigkeit der Zielgruppe mit der
IL. Dies ist für alle Wirkungsfelder relevant, damit der KV der IL mit dem Unternehmen
als Sender in Verbindung gebracht werden kann. Bei Fallstudien, in denen das Marketing
den Einsatz der IL zentral steuert, ist die Kontaktrate hoch. Andere IL, welche auf die
dezentrale Kommunikation über den Außendienst setzen, unterliegen dem Risiko, dass
die Häufigkeit der Besprechung mitarbeiterspezifisch stattfindet. Die Kontakthäufigkeit
hängt also von der Überzeugung des jeweiligen Mitarbeiters ab. Des Weiteren hängt
von dessen Fähigkeiten, im Fall der Kommunikation über den Außendienst, auch die
kundenspezifische Ausrichtung der Argumentation am jeweiligen Arzttyp ab.
Einen Überblick über den Teilbereich „Kommunikationsinhalte“ liefert Abbildung 77.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 227
227
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Kommunikationsinhalte
Fallstudien
Nennung
Kundenspezifische
Argumentation
Wissenschaftliche
Breite
Wissenschaftliche
Objektivität
Sehr hoch
Sehr hoch
Produkt
Unternehmen
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Nein
Ja
Aufklärungskampagne (IN)
Nein
Arzt: Ja
Laien: Nein
Facharztgruppe: Ja
Arzttyp: Mitarbeiterspezifisch
Nein
Nein
Internetplattform (IN)
Nein
Ja
Facharztgruppe: Nein
Arzttyp: Mitarbeiterspezifisch
Nein
Nein
Notfalltraining (PB)
Nein
Ja
Facharztgruppe: Nein
Arzttyp: Mitarbeiterspezifisch
Sehr hoch
Sehr hoch
ReiseMED (PB)
Nein
Ja
Facharztgruppe: Ja
Arzttyp: Mitarbeiterspezifisch
Sehr hoch
Sehr hoch
kinderwelten Award (IB)
Nein
Ja
Facharztgruppe: Ja
Arzttyp: Mitarbeiterspezifisch
Facharztgruppe: Ja
Arzttyp: Nein
Abbildung 77: Ausprägung der Kommunikationsinhalte
Quelle: Eigene Darstellung
Eine zentral gesteuerte kundenspezifische Argumentation erfolgt bei vier von sechs
Fällen anhand der Facharztgruppen und deren Wissensstand. Arzttypen werden bei
keinem Unternehmen zentral einbezogen. Da es sich bei den IL um Leistungen handelt,
die hauptsächlich praxisbezogene Leistungen und damit Fachthemen ansprechen,
die für den Großteil der Ärzte beruflich relevant sind, wird sich auf die fachbezogene
Argumentation konzentriert. Auf zentrale vom Marketing vorgegebene, typenspezifische
Argumente wird verzichtet. Dennoch besteht Verbesserungspotenzial in der Ansprache,
auch um das Risiko einer Ablehnung durch eine falsche Kundenansprache zu verringern. Dies kann durch eine auf den Arzttypus zugeschnittene Argumentation erreicht
werden.
Eine Produktnennung findet gemäß der IM-Definition bei keiner IL statt. Jedoch werden
die jeweiligen Unternehmensmarken in unterschiedlichen Kontexten, mit Ausnahme
der Laienansprache bei Vaximed, aufgeführt. Unterschiede bestehen in der Positionierung entweder in der Rolle des Unterstützers bei „ReiseMED“ oder beim „kinderwelten
Award“ oder als eigentlicher „Erbringer“ bzw. Veranstalter der IL beim „Notfalltraining“,
„Internetplattform“, „Aufklärungskampagne“ oder „Med. Beratungsservice“. Diese
Positionierung hat jedoch keinen erkennbaren Einfluss auf die Wirkung. Allerdings
scheint eine stärkere Einbindung der eigenen Mitarbeiter, zu einer deutlicheren
Verknüpfung der IL mit dem Unternehmen zu führen.
Wichtige inhaltliche Faktoren für Indikations- und praxisbezogene IL sind die wissenschaftliche Breite und wissenschaftliche Objektivität. Sind diese aus Sicht der Ärzte
nicht sichergestellt, kann dies Auswirkungen auf die wahrgenommenen Kosten haben.
So steigen die „psychologischen Kosten“, da eine zu enge thematische Ausrichtung
der Leistungen als mögliche Beeinflussung und Einschränkung der Therapiehoheit
wahrgenommen werden kann. Ebenso steigt das „persönliche Investment“, da Ärzte nicht
6.2 13.12.13 16:39 Seite 228
228
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
alle relevanten Informationen über diese IL erhalten und somit gezwungen sind, weitere
Angebote zu nutzen. Somit steigt der zeitliche Aufwand zur Informationsgenerierung.
Über diese Problematik verfügen die beiden situativen IL, die aufgrund des Kommunikationsziels und der zeitlichen Nähe zum bevorstehenden Launch nicht sehr breit aufgestellt
sein können. Die anderen langfristig angelegten IL hingegen legen besonderen Wert
auf wissenschaftliche Breite und Objektivität. Dies zahlt auf die Wahrnehmung der
„Unabhängigkeit“ ein und trägt damit zu einer höheren „Glaubwürdigkeit“ bei. Die situativen
IL schneiden wiederum schlechter ab, gerade aufgrund dieser als geringer wahrgenommenen wissenschaftlichen Objektivität und damit Neutralität. Die IB „kinderwelten
Award“ transportiert aufgrund der Zielsetzung keine wissenschaftlichen Inhalte, so dass
diese Aspekte hier keine Relevanz haben.
Die Ausprägungen des dritten Teilbereichs „Kommunikationskanal“ werden in Abbildung
78 gegenübergestellt.
Kommunikationsstrategie
Fallstudien
Informationskanal
Zielgruppe
Informationsquelle
Sender
Arztorientiert
Kinder- und
Jugendärzte
Unabhängige Experten
Mailing
Aufklärungskampagne (IN)
Arzt- &
patientenorientiert
Kinder- und
Jugendärzte, API,
Gynäkologen, Laien
Unabhängige Experten
Außendienst
Internetplattform (IN)
Arzt- &
patientenorientiert
API, Pneumologen
Unternehmen
Außendienst
Arztorientiert
API, Pneumologen
Unternehmen
Außendienst
Arzt- &
patientenorientiert
Reisemediziner (API)
Unabhängige Experten
Außendienst
Arztorientiert
Kinder- und
Jugendärzte
Unabhängige Experten
Außendienst
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Notfalltraining (PB)
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Abbildung 78: Ausprägungen der Kommunikationskanäle
Quelle: Eigene Darstellung
Die Hälfte der untersuchten IL, sowohl Indikations- als auch Praxisbezug, nutzen
arzt- und patientenorientierte Informationskanäle. Bis auf die IN „Internetplattform“
spiegelt sich dies auch im Wirkungsfeld „Patientennachfrage“ wieder. Da diese IL zwar
mit einer eigenen Seite an Patienten gerichtet, aber nicht nachdrücklich kommuniziert
wurde, ist hier keine Wirkung zu verzeichnen.
Die Kommunikation der meisten Fallstudien ist auf eine spezifische ärztliche Zielgruppe ausgerichtet. Dies ermöglicht eine fokussierte Ansprache und Argumentation.
Die meisten Arztgruppen werden durch die IN „Aufklärungskampagne“ angesprochen,
um alle relevanten Impfärzte über die Indikation des bevorstehenden Launch zu informieren. Da diese Arztgruppen über unterschiedliche Wissensstände verfügen, stellt
Vaximed eine differenzierte Ansprache durch spezifische Leitfäden sicher. Respipharm
nutzt hingegen eine einheitliche Ansprache der Arztgruppen und stößt damit auf Ablehnung, da die mit der IL bereitgestellten Informationen, insbesondere bei Fachärzten
6.2 13.12.13 16:39 Seite 229
229
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
wie Pneumologen bekannt sind und damit über keine Relevanz verfügen. Bei der
situativen IL profitiert Vaximed eindeutig vom Neuigkeitsfaktor der neuen Präventivmaßnahme.
Als Informationsquelle nutzen alle Unternehmen, mit Ausnahme von Respipharm,
unabhängige Experten und damit Kooperationen. Die Begründung hierfür liegt in den
Kompetenzprofilen der jeweiligen Unternehmen.
Bis auf Pharmacon nutzen alle Unternehmen den eigenen Außendienst als Sender
und Überbringer der IL. Dennoch erreicht die IN „Med. Beratungsservice“ den breitesten
Wirkungsgrad bei Ärzten. Der Außendienst ermöglicht zwar eine direkte, persönliche
und intensivere Ansprache, erhöht jedoch die Komplexität und das zuvor erwähnte
Risiko in der Kommunikation, wenn es nicht gelingt die Kompetenz und das Involvement
der Mitarbeiter sicherzustellen. Die Verantwortung der Mitarbeiter für die zielgruppenspezifische Kommunikation vor Ort verdeutlicht die hohe Bedeutung der Sicherstellung
von Kompetenz und Akzeptanz der IL im Kommunikationskanal „Außendienst“.
Kompetenz
Fallstudien
Medizinischer Beratungsservice (IN)
Aufklärungskampagne (IN)
Vorbereitende
Schulungen
IM Kompetenz
Vertrieb
Nein
Marketing
Thematische
Fachkompetenz
Ja
Ja
Ja
z. T.
Ja
Ja
Internetplattform (IN)
Nein
z. T.
z. T.
Ja
Notfalltraining (PB)
Nein
z. T.
z. T.
Ja
ReiseMED (PB)
Nein
z. T.
Ja
Nein
Ja
z. T.
Ja
Nein
kinderwelten Award (IB)
Abbildung 79: Ausprägung der Kompetenzen
Quelle: Eigene Darstellung
Obwohl die Sicherstellung einer korrekten Kommunikation zur Risikovermeidung
gerade bei IL über den Außendienst unabdingbar ist, finden vorbereitende Schulungen
nur bei zwei von fünf betroffenen IL statt. Das „Notfalltraining“ nimmt hierbei eine
Sonderstellung ein, da diese IL nicht flächendeckend eingesetzt wird. Der Mitarbeiter,
der sie durchführt, ist jedoch optimal vorbereitet. Hingegen ist bei den IL „Internetplattform“ und „ReiseMED“ von einem negativen Einfluss der fehlenden Vorbereitung
auszugehen. Insbesondere letztere verfügt über eine hohe Komplexität aufgrund zahlreicher Leistungsbestandteile und sticht so aus den aufgeführten IL hervor. Da sie jedoch
im Verhältnis über eine negative „Brand Salience“ verfügt und einige Äußerungen auf eine
mögliche Substituierbarkeit der IL durch kostenlose Internetangebote hinweisen, ist davon
auszugehen, dass der eigentliche Wert dieser IL nicht bei allen Ärzten angekommen
ist. Ein Faktor kann der Außendienst sein, der zum Teil nicht über die notwendigen
Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Jedoch weist auch die Zahl der akquirierten Ärzte
darauf hin, dass nicht alle Außendienstmitarbeiter die IL optimal einsetzten.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 230
230
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Gerade wenn die IM-Kompetenz im Vertrieb nicht flächendeckend gegeben ist, sind
vorbereitende Schulungen wichtig, um die „Glaubwürdigkeit“ nicht durch zu produktorientierte Argumentation zu beeinträchtigen. Anhand der Expertenaussagen wird deutlich,
dass Vertriebsmitarbeiter generell produkt- und verkaufsförderungsnahe Aktivitäten
bevorzugen, um einen „schnelleren“ Erfolg zu erzielen. Der Einsatz langfristiger Kundenbindungsmaßnahmen, wie IL, bedarf jedoch einer genaueren Kenntnis der IL-Erfolgsfaktoren. Im Marketing sind bei Pharmacon und Vaximed IM-Kompetenzen vorhanden,
so dass IM breiter eingesetzt wird. Diese Kompetenzen spiegeln sich auch im Erfolg
der Maßnahmen in Bezug auf Wirkung und Übertragungseffekt wieder. Respipharm
hingegen tendiert zu einem produktorientierteren Marketing. Im Vergleich zu Managern
der beiden anderen Unternehmen werden die Abläufe des IM eher kritisch gesehen.
Das „Notfalltraining“ bestätigt den Einfluss der IM-Kompetenz über welche dieser
Pharmareferent verfügt, um eine optimale Wahrnehmung und Wirkung zu erreichen.
Ein weiterer Kompetenzbereich für die Erbringung der IL ist die jeweilige benötigte
thematische Fachkompetenz. Diese ist bei den ersten vier IL vorhanden. Beim „Notfalltraining“ bezieht sich die vorhandene Fachkompetenz wiederum nur auf den durchführenden Manager. Bei einem unternehmensweiten Roll-Out wäre die Fachkompetenz
nicht flächendeckend vorhanden, so dass Kooperationen hinzugezogen werden müssten.
Die IM-Kompetenz dient demnach vorrangig zur Sicherstellung einer hohen wahrgenommenen Glaubwürdigkeit. Die Fachkompetenz hingegen ist die Grundlage für die
Qualität der zu erbringenden Werte. Das Nicht-Vorhandensein einer dieser beiden
Kompetenzbereiche führt zur Notwendigkeit, Kooperationen mit Partnern zu etablieren,
welche über diese Eigenschaften verfügen. Ein weiterer Aspekt für die Etablierung von
Kooperationen, wie die Unterstützung anderer Institutionen am Beispiel der patientenorientierten Laienkampagne, sind rechtliche Einschränkungen, die es dem Unternehmen nicht ermöglichen, selbst aktiv zu werden.
Kooperation
Das Ziel bei der Wahl von Kooperationspartnern ist bzw. sollte es somit sein, Kompetenzdefizite auszugleichen. Die Kooperationspartner übernehmen damit als unabhängige
Experten die Rolle der Informationsquelle. Die Unabhängigkeit und damit (Produkt-)
Neutralität sind neben der Expertenkompetenz und Reputation der Quelle Basisanforderungen, um die Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Die Erkenntnisse der Fallstudien
zeigen klar auf, dass diese drei Faktoren sowohl funktionale, als auch symbolische
Werte generieren. Zudem wirken sie über eine gesteigerte Glaubwürdigkeit reduzierend
auf Kostenarten, insbesondere „psychologische Kosten“ und „Risiken“ bzgl. einer möglichen
Fehlentscheidung. Neben praxisbezogenen Bedürfnissen, die über funktionale Werte
angesprochen werden, ermöglicht die Einbindung von Experten mit hoher Reputation
zudem die Befriedigung persönlichkeitsbezogener Bedürfnisse. Die Möglichkeit zum
persönlichen Kontakt und die Beantwortung individueller Fragen durch anerkannte
Experten werden als Wertschätzung und damit als symbolischer Wert wahrgenommen.
Diese Faktoren bedingen wiederum die Vertrauenswürdigkeit der Quelle.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 231
231
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Abbildung 80 verdeutlicht, dass gerade die erfolgreichen IL über Kooperationen mit
Partnern verfügen, welche einen hohen Stellenwert aus der Perspektive der Ärzte
aufgrund der Erfüllung dieser Faktoren haben.
Fallstudien
Eigener
Leistungsbereich
Medizinischer
Organisation
Beratungsservice
+ Vertrieb
(IN)
Stellenwert
Intensität
Kooperationspartner
Unabhängigkeit
Expertenkompetenz
Reputation
Kooperationsprozess
Partiell
Einzelne
Fachexperten
Permanent
Fachgesellschaften /
Institution
Projektbezogen
Aufklärungskampagne (IN)
Vertrieb
Komplett
Internetplattform
(IN)
Komplett
Keine
Kooperation
Notfalltraining
(PB)
Komplett
Keine
Kooperation
ReiseMED (PB)
Vertrieb
Komplett
Firma / Institut
Permanent
kinderwelten
Award (IB)
Vertrieb
Komplett
Firma / Stiftung
Permanent
Abbildung 80: Ausprägungen der Kooperationen
Quelle: Eigene Darstellung
Eine Ausnahme stellen die „Internetplattform“ und die „Aufklärungskampagne“ dar, die
aufgrund ihrer thematischen Nähe zur Kernleistung die Verfolgung von Eigeninteressen
vermuten lässt und somit die wahrgenommene Unabhängigkeit reduziert.
Die Kooperationsintensität unterscheidet sich zwischen den Unternehmen. Während
Pharmacon Wert darauf legt, die IL selbst zu organisieren und nur partiell kooperiert,
konzentriert sich Vaximed auf komplette Kooperationen. Die vollständige Leistungsproduktion überlässt Vaximed dem Kooperationspartner und konzentriert sich ausschließlich auf den Vertrieb der IL.
Entsprechend der strategischen Ausrichtung ist der Kooperationsprozess auch
permanent bei langfristigen oder projektbezogen bei situativen IL angelegt. Die
Etablierung einer permanenten Kooperation zahlt wiederum auf die wahrgenommene
Kontinuität der IL ein.
Dieser hohe eigene Leistungsbereich an der IL führt wie beim „Notfalltraining“ zu
einem stark ausgeprägten „wahrgenommenen Engagement“. Die Zuordnung der IL
zum Unternehmen als Erbringer wird somit deutlich vereinfacht. Allerdings sind der
Aufwand und die Anforderung an die IM-Kompetenz der organisierenden Mitarbeiter
entsprechend höher. Die „Internetplattform“ kann davon nicht profitieren, da sie in
Bezug auf Anforderungen an Qualität und Glaubwürdigkeit scheitert.
Die positive Wahrnehmung der kooperierenden Experten als Informationsquelle und
damit deren hohen Stellenwert ist bei Pharmacon auch darauf zurückzuführen, dass
6.2 13.12.13 16:39 Seite 232
232
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
man großen Wert auf eher kritische und damit wissenschaftlich objektive Referenten
legt. Obwohl sie einen Großteil der IL selbst organisieren und stärker als Absender auftreten als die anderen beiden Unternehmen, gelingt es Pharmacon somit dennoch, eine
sehr hohe Glaubwürdigkeit zu generieren.
Die Kooperationspartner von Vaximed verfügen ebenfalls über eine hohe Reputation.
Insbesondere ReiseMED und das damit kooperierende IRM verfügen über eine
hervorragende Reputation, bedingt durch die gleichbleibend hohe Qualität und das
dadurch generierte positive Image des Inhabers. Jedoch wird deutlich, dass die schwächere Bindung zum Unternehmen durch die komplette Übertragung der Leistungserstellung auf den Kooperationspartner dazu führt, dass die Aufgabe der Verknüpfung
zur Unternehmensmarke allein beim Vertrieb als Vermittler der IL und Kontaktstelle zum
Arzt liegt. Verfügt dieser jedoch nicht über ausreichende Kompetenzen, wird es schwierig,
die IL als vertrauensbildende Maßnahme zur Unterstützung der Praxis und damit
als Alleinstellungsmerkmal der Firma zu etablieren. Dieser Zusammenhang wird, wie
erwähnt, bei ReiseMED als umfangreichste IL deutlich, die im Verhältnis zu deren
objektivem Nutzen für den Arzt eine relativ geringe Wirkung erzielt.
Respipharm nutzt als einziges Unternehmen keine Kooperationen, sondern übernimmt
bei beiden IL den kompletten Erstellungsprozess selber. Allerdings unterscheiden
sich die Gründe deutlich. Während das „Notfalltraining“ aufgrund der IM- und Fachkompetenz des Pharmareferenten keine Kooperationen benötigt, sind bei der „Internetplattform“ Defizite zu erkennen. Sowohl bei der wahrgenommenen „Unabhängigkeit“,
als auch bei der „Expertenkompetenz“ sind die Ausprägungen aus Perspektive der
Ärzte negativ. Gefördert wird dieser Eindruck durch die geringere wissenschaftliche
Breite und Objektivität. Kooperationspartner, welche diese Defizite ausgleichen, wären
somit an dieser Stelle angebracht gewesen.
Bei einem unternehmensweiten Roll-Out würde das Bild jedoch auch für die erste IL
anders aussehen. Stattdessen reduziert die Ausgestaltung der „Internetplattform“ die
Glaubwürdigkeit, reduziert funktionale und symbolische Werte und wirkt sich kostensteigernd, insbesondere auf „psychologische Kosten“, aus. Im Fall von Defiziten bei
den eigenen Kompetenzen ist es somit bei der Wahl von Kooperationspartnern wichtig,
auf die Ausprägung der erläuterten Eigenschaften zu achten.
Kommerzialisierung
Bis auf zwei von Vaximed unterstützte IL wird keine der Leistungen direkt monetär
vermarktet. Der Gegenwert für die IL wird übergreifend als Erfüllungsgrad der jeweiligen
Ziele verstanden.487
487
Vgl. Abbildung 76 auf S. 225.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 233
233
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Kostenpflichtig Ziel
IL Wettbewerb
Potential zur
Eigenvermarktung
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Nein
Beratung: Nicht vorhanden;
Fortbildung: Hoch (Best in class)
Erkennbar
Aufklärungskampagne (IN)
Nein
Nicht vorhanden
Nicht erkennbar
Internetplattform (IN)
Nein
Hoch
Nicht erkennbar
Notfalltraining (PB)
Nein
Hoch (Best in class)
Erkennbar
Ja
Hoch (Best in class)
Erkennbar
Nein / freiwillig
Nicht vorhanden
Erkennbar
Fallstudien
ReiseMED (PB)
kinderwelten Award (IB)
Abbildung 81: Ausprägung der Kommerzialisierung
Quelle: Eigene Darstellung
Bei PB „ReiseMED“ sind die Leistungsbestandteile kostenpflichtig und werden an
ReiseMED entrichtet. Bei der IB „kinderwelten Award“ handelt es sich dagegen um
freiwillig zu entrichtende Spenden der Teilnehmer. Diese monetären Kosten führen
direkt zur Steigerung der wahrgenommenen „ökonomischen Kosten“. Die spezifische
Situation bei „ReiseMED“ führt jedoch dazu, dass der Preis einen reduzierenden Effekt
auf das Wirkungsfeld „wahrgenommenes Engagement“ hat. Die IB verfügt, wie oben
dargestellt, über andere Wirkmechanismen.
Um den KV trotz steigender Kosten zu erhalten, ist eine effektive Nutzenargumentation
von IL als „Best in class“ im Markt notwendig. Aufgrund der erwähnten fehlenden Vorbereitung, sowie Defiziten bei IM-Kompetenzen, ist diese jedoch nicht flächendeckend
garantiert. Der Preis der IL erhöht demnach den Anspruch an die Argumentation des
Außendienstes, so dass eine intensive Vorbereitung anhand von kundenspezifischen
Gesprächsleitfäden notwendig wäre. Ziel muss es sein, in den Augen der „Ärzte“ als
„Best in class“ wahrgenommen zu werden und somit die Zahlungsbereitschaft weiter
auszubauen. So wie es im Fall des „Notfalltrainings“ gelungen ist. Stattdessen sinkt,
laut Expertenaussagen, die Akzeptanz für kostenpflichtige IL bei Teilen des Vertriebs,
da der Aufwand zu deren Vermittlung aus ihrer Sicht steigt. Gelingt es nicht den überlegenen Nutzen zu kommunizieren, steigt das Risiko, substituierbar oder mit anderen
Anbietern verwechselt zu werden. So ist z. B. ReiseMED zwar mit den dargestellten
Leistungsbestandteilen und deren Wertequalität „Best in class“, bewegt sich jedoch in
einem kompetitiven Marktumfeld. Dies führt dazu, dass die IL „ReiseMED“ von einigen
Ärzten anderen Anbietern zugeschrieben wird.
Den anderen IL, die sich auch in einem Markt mit hohem Wettbewerb bewegen, gelingt
es offenbar besser, den Nutzen und Mehrwert gegenüber der Konkurrenz darzustellen.
Somit werden sie nicht mit anderen Anbietern verwechselt. Ausnahme ist wiederum die
„Internetplattform“, welche aufgrund der attraktiveren Wettbewerbsangebote Kunden
nicht begeistert. Diese Erkenntnis unterstreicht wiederum die Bedeutung der Kompetenzen beim Sender und der vorbereitenden Fortbildungen im Fall der flächendeckenden
Einbindung des Außendienstes.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 234
234
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Ein Potenzial zur Eigenvermarktung ist bei den meisten IL erkennbar. Gelingt es, die
Anforderungen an die erfolgreiche Nutzenkommunikation und Vermarktung zu erfüllen,
könnten eigenständige Leistungssysteme unter Einhaltung der rechtlichen Anforderungen
etabliert werden. Im Fall von „ReiseMED“ handelt es sich bereits um eine eigenständig
vermarktete IL, welche durch Vaximed unterstützt wird.
Abbildung 82 gibt das Verhältnis der investierten Budgetrahmen wieder. Die Darstellung
dient weniger dazu IL gegenüberzustellen, welche inhaltlich auch nicht miteinander
vergleichbar sind, da diese sowohl situative und permanente, als auch patienten- und
arztorientierte Leistungen umfassen. Die Abbildung verdeutlicht vielmehr, dass es auch
mit sehr geringen Investitionen möglich ist, durch IL Übertragungseffekte auszulösen.
Die Kosten der Aufklärungskampagne zur Generierung einer hohen Patientennachfrage
sind aufgrund der massiven Laienkampagne mit mehreren Millionen Euro Budget am
höchsten. Insbesondere Pharmacon erzielt mit einem verhältnismäßig geringen Budget
und ohne Kosten für einen eigenen Außendienst eine sehr effektive und nachhaltige
Wirkung mit dem „Med. Beratungsservice“. Die Darstellung unterstreicht, dass IL auch
mit geringen Investitionen nachhaltige Effekte erzielen können.
Abbildung 82: Budgetverteilung der IL
Quelle: Eigene Darstellung
An der Höhe der Investitionen ist auch die Akzeptanz von IM in den drei Unternehmen
zu erkennen. Während Vaximed und Pharmacon hohe Budgets einsetzen, sind die
geringen Investitionen bei Respipharm eher auf die geringe Akzeptanz von IM, als auf
die effektive Organisation zurückzuführen.
Konfiguration
In diesem Bereich werden Faktoren beleuchtet, die aus der Gegenüberstellung der IL
über Erfolgsrelevanz verfügen. Dabei handelt es sich um die inhaltlichen Schwerpunkte.
Eine Gegenüberstellung des Best Case (IN „Med. Beratungsservice“) und Worst Case
(IN „Internetplattform“) verdeutlicht die Unterschiede am deutlichsten.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 235
235
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Med. Beratungsservice
Internetplattform
Kundenseitig
Unternehmensseitig
Breite, objektive,
wissenschaftliche Unterstützung
Konzentration auf
unternehmensrelevante Themen
Verwendetes
Werte Portfolio
Funktional, Erlebniswelten und
symbolische Werte
Konzentration auf funktionale
Werte
Angesprochene
Bedürfnisse
WM, ZM (Praxisbezug)
Persönlichkeitsbezug
Entwicklung
Inhalt
Resultat für
Kunden „Arzt“
Vereinfachung des Praxisalltags
Zusatzaufwand
Abbildung 83: Gegenüberstellung Best Case vs. Worst Case
Quelle: Eigene Darstellung
Pharmacon entwickelt die IL kundenseitig als Teil eines Gesamtkonzeptes. Teilweise
entstehen IL sowie Kernleistungen auf Kundeninitiative. Respipharm dagegen nutzt IL
lediglich situativ als Einzelmaßnahmen, wenn es unternehmensseitig zur Förderung
der Kernleistung notwendig erscheint.
Da der „Med. Beratungsservice“ aus der Perspektive des Arztes heraus entwickelt ist,
konzentriert sich die IL inhaltlich nicht nur auf infektologische Themen. Vielmehr unterstützt sie den Arzt auch bei medizinischen Themenbereichen, welche nicht durch
Produkte im eigenen Portfolio repräsentiert sind. Das Unternehmen schafft hiermit eine
übergeordnete Kompetenz im Bereich Infektologie, jedoch auch darüber hinaus zu
medizinisch-pädiatrischen Themen. Respipharm hingegen strukturiert die Inhalte
thematisch sehr eng an der Kernleistung aufgrund der Befürchtung, Streuverluste zu
erleiden. Ziel ist die Kreation einer übergeordneten Kompetenz im Bereich der Therapie
der schweren Atemwegserkrankung. Jedoch führt diese enge Ausrichtung vielmehr zu
einer Reduktion der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit, da sie als Maßnahme im
Rahmen der Prämarketingphase erkannt wird und somit zusätzlich auf Ablehnung bzw.
Reaktanz stößt.
Die IN „Internetplattform“ vermittelt ausschließlich funktionale Werte, welche jedoch
nicht optimal auf die Vorkenntnisse der Zielgruppe, speziell der Pneumologen, abgestimmt sind. Somit werden damit auch keine praxisbezogenen Bedürfnisse angesprochen und wiederum kein Nutzen generiert. Die IL repräsentiert damit keine echte
Unterstützung für den Arzt. Pharmacon hingegen deckt bei seinen IL als hauptsächliche
Marketingaktivitäten alle Werte-Arten ab und achtet dabei auf qualitativ-hochwertige
Ausprägungen. Durch Einbindung von fachlich und methodisch versierten Experten
wird die funktionale Wertigkeit der Fortbildungen als auch des Frage-Antwort-Dienstes
sichergestellt. Ärzte werden so im Bereich Wissens- und Zeitmanagement praxisbezogen
unterstützt, um im Praxisalltag Wissenslücken schnellstmöglich zu schließen und um
Patienten als „guter Arzt“ optimal beraten zu können. Darüber hinaus tragen symbolische Werte wie die Beantwortung anonymisierter, individueller Fragen durch wissenschaftliche Koryphäen oder der persönliche Kontakt zum Top-Management sowie Werte
6.2 13.12.13 16:39 Seite 236
236
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
durch Erlebniswelten, wie ein ansprechendes Ambiente, zu einer wahrgenommenen
Wertschätzung und damit zur Befriedigung persönlichkeitsbezogener Bedürfnisse bei.
Während der „Med. Beratungsservice“ somit dazu beiträgt, den Praxisalltag zu vereinfachen und den Arzt bei der Erreichung seines übergeordneten Ziels unterstützt, bedeutet die „Internetplattform“ aus Perspektive der Ärzte Zusatzaufwand. Der Best Case
wird vornehmlich als IL zur „Unterstützung der Praxis“ wahrgenommen, wohingegen
der Worst Case tendenziell stärker zur „Unterstützung eigener Interessen“ des Unternehmens erscheint.
Einer ähnlichen Wirkweise unterliegt die situative IN „Aufklärungskampagne“. Wie beschrieben liegt auch hier die Konzentration auf kernleistungsnahen, funktionalen Themen
ohne weitere symbolische Ausprägungen. Diese fehlenden wahrgenommenen Werte
führen zu einem schwächeren Beitrag zu persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen und
in Kombination mit der verringerten „Glaubwürdigkeit“ zu einem geringeren KV
und damit einer schwächeren Wirkung. Der Übertragungseffekt ist weniger der IL
Konfiguration, als der hohen Aufmerksamkeit durch die Laienkampagne und dem
hohen Innovationsgrad der neuen Präventivmaßnahme geschuldet. Die anvisierte übergeordnete Kompetenz dieser IL ist damit die „HPV Prävention“. Situative IL, welche
thematisch eng mit der Kernleistung verknüpft sind, eignen sich demnach nicht optimal
als Kundenbindungsinstrument.
Der Zusammenhang zwischen einem breiteren wahrgenommenen Werte-Portfolio,
insbesondere mit Fokus auf symbolische Werte, die Wertschätzung vermitteln, und
dem Wirkungsgrad auf das „wahrgenommene Engagement“ ist auch bei den praxisund imagebezogenen Kategorien und erkennbar. Wie zuvor dargestellt ist dabei die Art
und Weise der Kommunikation der Inhalte maßgeblich, weshalb im Fall von „ReiseMED“ eine schwächere Wirkung ersichtlich ist. Während sich die indikationsbezogene
thematisch auf Bedürfnisse der Bereiche WM und ZM konzentrieren, liegt der Fokus
bei Praxisbezug auf PM und WM. Dies hat vor allem damit zu tun, dass auch Praxisleistungen einen Bezug zu medizinisch-wissenschaftlichen Themen haben müssen.488
Die vermittelte übergeordnete Kompetenz von praxisbezogenen IL ist prinzipiell
thematisch weiter von der Kernleistung entfernt. Die Einbindung der medizinischwissenschaftlichen Themen ermöglicht eine stärkere thematische Verknüpfung mit der
Kernleistung und damit eine Förderung der „Brand Salience“. So handelt es sich bei
den vermittelten, übergeordneten Kompetenzen der praxisbezogenen Fallstudien
um die Bereiche „Notfalltraining für med. Notfälle in der Praxis“ sowie „Reisemedizin“.
Gelingt es jedoch Inhalte unter Beibehaltung der geforderten wissenschaftlichen Breite
und Objektivität in den Vordergrund zu stellen, wie „Notfälle bei COPD- oder AsthmaPatienten“ oder „Präventive Maßnahmen der Reisemedizin“, wird der Wiedererkennungseffekt im Verschreibungsmoment („Brand Salience“) gestärkt.
Beide dargestellten IL liefern jedoch auch Werte zur Prozessoptimierung. Beispiele
sind Kosteneinsparungen im Qualitätsmanagement der Praxis, schnellerer Zugriff auf
Informationen, Risikominimierung im Notfall, sowie Eröffnung neuer Einnahmequellen
für die Praxis durch IGeL in Form von reisemedizinischer Beratung. Praxisbezogene
IL decken damit ein breiteres Portfolio an praxisbezogenen Bedürfnissen als indikationsbezogene ab. In Märkten, die nicht den gesetzlichen Einschränkungen unterliegen,
488
Vgl. § 7 HWG, §20, FSA Kodex Fachkreise 2011.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 237
237
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
können Praxisleistungen somit auch dann eine Übertragung auf die Kernleistung auslösen,
wenn die thematische Nähe weniger ausgeprägt ist. Wichtig sind in diesem Fall die
hohe Relevanz der Thematik für den Kunden, die Verknüpfung mit dem Unternehmen
als Absender, sowie die zusätzliche Bereitstellung symbolischer Werte.
Die IB „kinderwelten Award“ verfügt ausschließlich über wahrgenommene symbolische
und Erlebniswelten-Werte und somit über keinen Praxisbezug. Der thematische Bezug
zu den Eigeninteressen der Pädiater zur Förderung von Präventivmaßnahmen für
Kinder und damit zu persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen führt zu einem „wahrgenommenen Engagement“. Wie zuvor beschrieben, liegt der Zweck dieser Kategorie
weniger in der direkten Kundenbindung und möglichen Wirkung. Vielmehr führt das
Engagement für ein für den Arzt relevantes Thema und das gemeinsame Engagement
von Unternehmen und Arzt für den sozialen Zweck zur Vertrauensbildung. Dies
resultiert in einer differenzierten Wahrnehmung als seriöses, verantwortungsvolles
Unternehmen und schlussendlich, im optimalen Fall für das Unternehmen, in der
Festigung der Kundenbeziehung.
Akzeptanz der IL im Unternehmen
Die interne Akzeptanz der IL hat einen großen Einfluss auf deren erfolgreiche Umsetzung. Sie erklärt auch das Engagement des Außendienstes für eine IL. Abbildung
84 stellt die Erkenntnisse gegenüber und bildet eine Akzeptanz-Summe. Für jedes
Akzeptanzkriterium werden Werte von 0, 0,5 oder 1 vergeben. Die Summe ist wiederum
nicht absolut zu verstehen, sondern soll lediglich die Gesamtausprägung der ILAkzeptanz im Unternehmen verdeutlichen und einen Vergleich erlauben.
Fallstudien
Unternehmenskultur
Impliziter
Produktbezug
Fokussierung
Frequentierung
Innovationsgrad
Rentabilität
Summe
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
6
Aufklärungskampagne
(IN)
6
Internetplattform (IN)
3
Notfalltraining
(PB)
3
ReiseMED
(PB)
5,5
kinderwelten
Award (IB)
4,5
Abbildung 84: Ausprägung der Akzeptanzkriterien
Quelle: Eigene Darstellung
Die höchste Akzeptanz ist in Unternehmen mit IM-freundlicher Unternehmenskultur,
bei möglichst hohem impliziten Produktbezug, zu finden. Die Unternehmenskultur
und damit die Vorgaben des Top-Managements sind erfolgsentscheidend für einen
flächendeckenden Einsatz. Während Pharmacon und Vaximed verstärkt IL einsetzen,
konzentriert sich Respipharm auf direkte produktbezogene Aktivitäten. Selbst im
6.2 13.12.13 16:39 Seite 238
238
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Management und Marketing bestehen Zweifel an der Wirkung. Stattdessen werden
Streuverluste befürchtet. Als Private Equity Unternehmen liegt der Fokus eher auf kurzfristigen und nachweisbareren Erträgen. Dass das „Notfalltraining“ dennoch erfolgreich
durchgeführt wird, liegt am Engagement des Pharmareferenten, dem das Unternehmen
die Freiheit der Durchführung lässt. Da damit keine großen Investitionen verbunden
sind, geht das Unternehmen kein großes Risiko ein, nutzt jedoch die Potenziale dieser
IL bei weitem nicht aus. Obwohl die Summe der Akzeptanzkriterien auf Unternehmensebene nur mit „3“ bewertet wird, ist die Summe auf Ebene der Mitarbeiter, welche diese
IL durchführen, jedoch mit „6“ zu bewerten.
Bei Vaximed als börsennotiertem Unternehmen ist die positive Unternehmenskultur der
Überzeugungskraft des Top-Managements zu verdanken. Dessen Unterstützung trägt
maßgeblich zum breiten Einsatz von IL bei, welche wiederum einen Beitrag zum positiven Image des Unternehmens in dieser Zeit leisten. Bei Pharmacon als Familienunternehmen sind die Akzeptanzkriterien durchweg positiv, da IM zur Unternehmensphilosophie und dem Kern des Geschäftsmodells gehört.
Neben der Unternehmenskultur spielen insbesondere der intern wahrgenommene
„implizite Produktbezug“ sowie die Einschätzung der „Rentabilität“ eine Rolle. Je näher
eine IL thematisch an der Kernleistung ausgerichtet ist, desto höher ist die Akzeptanz
vor allem im eher produktorientierten Pharmavertrieb. Aufgrund der beschriebenen
Befürchtungen fehlender Effektivität oder möglicher Streuverluste und dem häufig
fehlenden Verständnis für die Abläufe des IM wird ein fehlender Produktbezug auch
gleichgesetzt mit schlechter Rentabilität der IL. Dies wird deutlich bei der IN „Notfalltraining“, sowie bei der IB „kinderwelten Award“, welche thematisch am weitesten von
der Kernleistung entfernt sind. Die Förderung durch das Top-Management führt bei
letzterer jedoch zu einer besseren Ausprägung der eingeschätzten Rentabilität. Dieses
ist auch der Grund für die bessere Bewertung des Kriteriums bei „ReiseMED“. Da diese
IL von vielen internen Stellen als Leistung zur Förderung der Reiseimpfungen und nicht,
wie beabsichtigt, als Leistung zur Förderung der übergeordneten Kompetenz des Unternehmens gedacht ist, führen die niedrigen Wachstumsraten im Bereich „Reiseimpfstoffe“ zu Kritik und teilweiser Ablehnung dieser IL. Hier fehlt das Verständnis dafür,
dass der korrekte, kontinuierliche Einsatz von IM zur Steigerung der übergeordneten
Kompetenz des Unternehmens und damit der Kundenbindung führt. Eine zu große
thematische Nähe ist hingegen kontraproduktiv, wie bei den situativen IL ersichtlich.
In einem ersten Schritt verfügen dementsprechend IL mit einem impliziten thematischen
Produktbezug über eine höhere Akzeptanz und damit auch über größere Erfolgsaussichten in einem solchen Unternehmensumfeld. Je geringer die interne Akzeptanz,
desto schwerer wird es, die IL breit und erfolgreich einzusetzen.
Situative Faktoren
Die interne Akzeptanz steht in Zusammenhang mit den situativen unternehmens- und
produktbezogenen Faktoren und wird durch diese beeinflusst. Situative Faktoren, welche
im Rahmen der untersuchten Fallstudien über einen Einfluss auf die Wahrnehmung
und Wirkung von IM haben, werden im Folgenden diskutiert.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 239
239
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Unternehmensbezug
Produktbezug
Unternehmensgröße
Eigentumsverhältnisse
Medizinischer
Beratungsservice (IN)
Klein
Familienunternehmen
Nein
Sehr
hoch
Fast
100%
Kontinuierlich
Aufklärungskampagne
(IN)
Groß
Aktiengesellschaft
Ja
Hoch
> 50%
Prämarketing
FokusPrävention
+ Einführung
produkt
Patent
Internetplattform (IN)
Groß
Private
Equity
Ja
Niedrig
< 10%
Prämarketing
+ Einführung
Patent
Notfalltraining
(PB)
Groß
Private
Equity
Ja
Niedrig
< 10%
Kontinuierlich
Gesamtes Produktportfolio
ReiseMED
(PB)
Groß
Aktiengesellschaft
Ja
Hoch
< 50%
Kontinuierlich
Gesamtes Produktportfolio
kinderwelten
Award (IB)
Groß
Aktiengesellschaft
Ja
Hoch
< 10%
Kontinuierlich
Gesamtes Produktportfolio
Fallstudien
Anteil an
Außen- Status
Promotion
dienst
IL
Budget
Position PLZ
Einsatzbereich
Position WettbwerbsPortfolio
situation
Gesamtes Produktportfolio
Chronisch
Fokusprodukt
Abbildung 85: Ausprägung der situativen Faktoren
Quelle: Eigene Darstellung
Von besonderem Interesse sind die Faktoren mit Unternehmensbezug. Während die
„Unternehmensgröße“ keinen großen Einfluss auf Wahrnehmung und Wirkung der IL
zu haben scheint, sind die „Eigentumsverhältnisse“ wichtiger. Diese haben einen
direkten Einfluss auf die Unternehmenskultur und damit auf die Akzeptanz von IM im
Unternehmen. Pharmacon erzielt somit auch ohne den breiten Einsatz von einem Arztaußendienst diese hohen Wachstumsraten im Kerngeschäft und kann dieses innovative
Geschäftsmodell im Pharmamarkt für sich etablieren. Familienunternehmen unterliegen
nicht dem Druck der Shareholder und können damit langfristiger planen. Sie haben es
somit einfacher, IL kontinuierlich durchzuführen. Unter anderen Eigentumsverhältnissen
wäre ein alleiniger Einsatz von IM, wie bei Pharmacon, nicht möglich, auch aufgrund
fehlender Kenntnisse zu Gestaltung, Wahrnehmung und Wirkung. Ein alleiniger Einsatz
ist jedoch auch nicht das Ziel. Vielmehr geht es um die gezielte Einbindung von IM in
den Marketingauftritt des Unternehmens.
Der „Arztaußendienst“ stellt einen u. U. zusätzlichen effektiven Kommunikationskanal
zum Kunden „Arzt“ dar. Für den Erfolg einer IL ist er jedoch, wie von Pharmacon
gezeigt, nicht notwendig. Vielmehr bedarf es einer intensiven Vorbereitung zur Sicherstellung der fachlichen und IM-Kompetenz, um die Kommunikation beim Arzt korrekt
durchzuführen und keine Reaktanz auszulösen. Mitarbeiter müssen, wie am Beispiel
des „Notfalltrainings“, über umfassende Kenntnisse der Prozesse und der Wirkweise
von IM verfügen. Dies gilt es durch entsprechende Fortbildungsmaßnahmen sicherzustellen.
Im Zusammenhang mit einer kundenorientierten Marketingausrichtung steht auch der
„Status“ des IM im Unternehmen. Der Status korreliert mit dem Anteil der Investitionen
am Gesamtbudget. Ein hohes Verständnis für kundenorientiertes Marketing im Gegen-
6.2 13.12.13 16:39 Seite 240
240
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
satz zu produktorientiertem Marketing zahlt wiederum auf einen positiven Status ein.
Pharmacon und Vaximed verfügen über dieses Verständnis und entwickeln daher die
Leistungen aus Sicht der Kundenbedürfnisse und nicht wie bei Respipharm in erster
Linie aufgrund situativer Unternehmensentscheidungen.
Der Produktbezug ist bereits definitorisch bei IM ausgeschlossen. Durch kontinuierlichen Einsatz ermöglichen es IL, Glaubwürdigkeit und Kundenbindung zu stärken und
einen Übertragungseffekt auszulösen. IL unterstützen dabei weniger einzelne Kernprodukte, sondern das Sortiment, also die direkt benachbarte Leistungsschale.489
Gemäß der Einordnung im Leistungsschalenmodell sind IL dafür gedacht, eine übergeordnete Unternehmenskompetenz zu etablieren und damit die Unternehmensmarke
beim Kunden „Arzt“ zu festigen. Der thematische Bezug zu einem einzelnen Kernprodukt ist daher nicht relevant und eher kontraproduktiv. Eine situative und thematisch
enge Ausrichtung der IL erscheint nur in Prämarketing- und Einführungsphase sinnvoll
zur thematischen Vorbereitung eines bevorstehenden Launch. Dementsprechend sind
situative IL ausschließlich in der Kategorie Indikationsbezug angesiedelt. Andere
Kategorien wären für diese Zielsetzung inhaltlich zu weit entfernt. Die kontinuierliche
Durchführung in Kombination mit einer regelmäßigen Kontaktfrequenz zahlt stärker auf
die Etablierung der übergeordneten Kompetenz und damit auf einen Übertragungseffekt
im Entscheidungsmoment ein.
Solange der Arzt die Entscheidung der Arzneimittelwahl hat und keine Kassenverträge
zu Wirkstoffklassen geschlossen sind, zeigen die Fallstudien, dass eine Wirkung durchaus auch bei generischen Präparaten, wie die von Pharmacon, gegeben ist. Voraussetzung sind die beschriebenen Basisanforderungen an die Kernleistung. Sind diese
erfüllt und das Produkt theoretisch medizinisch substituierbar, kann die kontinuierliche
Erbringung von IL den Ausschlag für das Präparat des Unternehmens geben. Gelingt
es den Unternehmen die Rahmenbedingungen einzuhalten und die Erfolgskriterien umzusetzen, stellen IL somit eine vielversprechende Erweiterung des Leistungsportfolios
und des Marketingauftritts des Unternehmens dar.
6.2
Erfolgsfaktoren für eine positive Wahrnehmung indirekter
Leistungen
Aus der Aggregation der Erkenntnisse der einzelnen Fallstudien ergeben sich Faktoren,
welche für den IL-Erfolg relevant sind und damit auch einen Übertragungseffekt auf die
Kernleistung ermöglichen können. Die folgende Abbildung ordnet diese Faktoren den
Gestaltungsfaktoren zu.
489
Vgl. Belz 1991a, S. 12.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 241
241
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Pharmaunternehmen
S
O
Arzt
Situativ unternehmensbezogene Faktoren
Akzeptanzkriterien
Konfiguration:
• Kundenorientierte
Entwicklung
• Breites Werteportfolio
• Qualitativ hochwertige
funktionale und symbol. Werte
• Ansprache von praxis- &
persönlichkeitsbezogenen
Bedürfnissen
Kommerzialisierung
Kostenlos (soweit möglich)
Kompetenz
IM Handlungskompetenz im
Innen- & Außendienst
Kooperationen
• Unabhängigkeit
• Expertenkompetenz
• Reputation
• Kontinuität
• Partielle Kooperation
Qualität der
Inhalte
Kommunikation
Strategie:
• Kontinuität
• Verknüpfung mit
Unternehmensmarke
Inhalte:
• Produktunabhängigkeit &
Trennung vom Verkauf
• Wissenschaftliche
Breite, Objektivität
und Neutralität
• Zielgruppenspezifische
Argumentation
Kanal:
• Glaubwürdigkeit
des Senders
• Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle
• Persönlicher Kontakt
- Ausprägung
Werte
(functional,
experiental,
symbolic)
- Abgleich mit
eigener
Erfahrung
Kundenvorteil
Wahrgenommener Nutzen
Grad der persönlichen
Relevanz
Werte:
Functional
Experiental
Symbolic
Bedüfnisse:
Praxis- &
persönlichk.bezogene
./.
Glaubwürdigkeit
der Quelle
- Unabhängigkeit
- Vertrauenswürdigkeit
- Expertenkompetenz
- Reputation
- Sympathiegrad
Wahrgenommener Nutzen
Werte (cost/sacrifice):
Economic cost
Psychological cost
Personal investment
Risk
Abbildung 86: Erfolgsrelevante Gestaltungsfaktoren indirekter Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung
Anhand dieser ermittelten Faktoren werden die kausalen Thesen aus der explorativen
Phase zu finalen Hypothesen weiterentwickelt, sowie anschließend durch Fokusgruppen mit Managern und Ärzten diskutiert und angepasst. Diese Hypothesen sind
durch Umrahmungen hervorgehoben.
Wie dargestellt, beeinflusst auch das situative, unternehmensbezogene Umfeld den ILErfolg. Börsennotierte Unternehmen mit Managern, welche ihre Aktivitäten ausschließlich an kurzfristigen, quartalsbezogenen Zielen ausrichten, haben dabei einen klaren
Nachteil gegenüber familiengeführten Unternehmen, welche Marketing langfristig und
kontinuierlich ausrichten können. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse beeinflusst diese
Unternehmenskultur auch direkt die Akzeptanzkriterien einzelner Leistungen, welche
damit in der Umsetzung je nach Situation gefördert oder behindert werden können.
Akzeptanzkriterien:
„Die Erfüllung der Akzeptanzkritierien hat einen positiven Effekt auf die erfolgreiche
Umsetzung der IL.“
Unternehmenskultur:
„Eine kontinuierliche, kundenorientierte Unternehmenskultur hat einen positiven
Einfluss auf die Akzeptanz von IM im Unternehmen und erhöht die Chancen auf eine
erfolgreiche Umsetzung.“
6.2 13.12.13 16:39 Seite 242
242
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Die hohe Bedeutung der IM-Kompetenz und das Verständnis für die Wirkweise wird an
den Akzeptanzkriterien „Impliziter Produktbezug“ und „Rentabilität“ deutlich. Die interne
Wahrnehmung steht dabei im Gegensatz zur externen Wahrnehmung durch die Ärzte.
Je näher sich die IL an der Kernleistung befindet, desto höher ist die interne Akzeptanz,
da ihr auch eine höhere Rentabilität unterstellt wird. Jedoch sinkt gleichermaßen der
KV aus Perspektive der Ärzte. Bei der Gestaltung ist somit auf eine ausgewogene
thematische Nähe zur Kernleistung zu achten, um beide Ansprüche zu erfüllen.
Impliziter Produktbezug:
„Je weiter die IL thematisch von der Kernleistung entfernt ist, desto stärker sinkt die
interne Akzeptanz und desto schwieriger wird die Generierung eines Übertragungseffektes.“
Rentabilität:
„Eine positive Einschätzung der Rentabilität der IL erhöht die Akzeptanz der IL im
Unternehmen.“
Während die beiden äußeren Schalen die Rahmenbedingungen für den Sender der IL
beschreiben, enthält die innere Schale Gestaltungskriterien, die eine positive Wahrnehmung auf Empfängerseite ermöglichen. Im Rahmen der Kommunikation sind diese
Kriterien an den Arzt zu vermitteln.
In Übereinstimmung mit den theoretischen Grundlagen, insbesondere des RLM,
ermöglicht dabei die Kontinuität in der Leistungserbringung die Etablierung positiver
Attribute in Verbindung mit der Unternehmensmarke. Um diesen Effekt zu erzielen, sind
IL am Kunden- und nicht am Produktlebenszyklus auszurichten. Sie wirken somit auf
das im Leistungsschalenmodell darunter liegende Sortiment. Gemäß Definition liefern
sie ohnehin eine produktübergeordnete Kompetenz, so dass die zu nahe Verknüpfung
mit dem Kernprodukt eher kontraproduktiv wirkt. Wenn IL über eine ausgewogene
thematische Nähe zur Kernleistung verfügen, erhöhen sie den KV. Eine zu enge
thematische Verknüpfung führt über den Manipulationsverdacht zu Reaktanz. Eine zu
große thematische Entfernung hingegen verschlechtert die „Brand Salience“ und
reduziert die Wahrscheinlichkeit auf einen Übertragungseffekt.
Diese Erkenntnisse beziehen sich ebenfalls auf potenzielle Kooperationen. Kontinuität
ist auch hier von Vorteil. Des Weiteren ermöglicht eine partielle Kooperation eine einfachere Verknüpfung mit der Unternehmensmarke.
Kontinuität & ausgewogene thematische Nähe:
„Die langfristige, kontinuierliche Ausrichtung, die ausgewogene thematische Verknüpfung mit indikationsverwandten Themen, sowie die Generierung eines hohen
KV der IL, steigern die Verknüpfung der IL mit der Unternehmensmarke und die
Wahrscheinlichkeit auf einen positiven Übertragungseffekt.“
6.2 13.12.13 16:39 Seite 243
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
243
Die aufgeführten inhaltlichen Faktoren sind dabei für eine positive Wahrnehmung sehr
wichtig. Sie stehen jedoch dem natürlichen Interesse der Unternehmen entgegen, den
Verkauf der eigenen Produkte zu fördern. Aus Kundensicht liefern dagegen gerade die
Produktunabhängigkeit und die neutrale Präsentation durch wissenschaftliche Breite
und Objektivität einen klaren Nutzen, der auch im weiteren Verlauf zu Kundenloyalität
und zu einem Übertragungseffekt führt. Die Herausforderung besteht also darin, diese
Lücke zu überwinden.
Produktunabhängigkeit & Trennung vom Verkauf:
„IL, die als inhaltlich produktunabhängig und getrennt vom Verkauf der Kernleistung
wahrgenommen werden, senken die wahrgenommenen Kosten und steigern damit
den KV.“
Wissenschaftliche Breite & Objektivität:
„Wissenschaftliche Breite, Objektivität und damit Neutralität der Inhalte erhöhen die
Qualität der wahrgenommenen funktionalen Werte, senken die wahrgenommenen
Kosten und steigern somit den KV.“
Gleichermaßen ist auch die Sicherstellung einer unternehmensweiten, kundenorientierten IM-Kompetenz für eine erfolgreiche Implementierung von IL förderlich.
Die IM-Kompetenz umfasst die genaue Kenntnis der IL, sowie die Kenntnis des resultierenden Nutzens für den Arzt (Fachkompetenz) und deren zielgerichtete und richtige,
nicht manipulative Kommunikation (Methoden- und Sozialkompetenz).
IM-Handlungskompetenz:
„Je besser die Eigenschaften der IM-Kompetenz erfüllt sind, desto höher ist der
positive Effekt auf den KV.“
Ein unabhängiges Auftreten von Sender und Informationsquelle, z. B. durch Präsentation
medizinisch-wissenschaftlicher Optionen und deren kritischer Betrachtung, zahlt zudem
auf die Beurteilungskriterien zur Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit ein. Die beschriebenen Kriterien zur Glaubwürdigkeit sind bei eigener Leistungserbringung, sowie unter
Einbeziehung von Kooperationspartner, zu berücksichtigen. Bei der Einbindung von
Kooperationspartnern sind gerade die „Unabhängigkeit“, die „Expertenkompetenz“ und
die „Reputation“ ebenso wie die „Kontinuität“ wichtig. Neben funktionalen Werten, die
wiederum auf praxisbezogene Bedürfnisse einzahlen, können so auch über symbolische Werte, persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse in Form wahrgenommener Wertschätzung angesprochen werden.
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6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Glaubwürdigkeit:
„Die wahrgenommene Unabhängigkeit (vom Produkt und Unternehmen), die
Vertrauenswürdigkeit, die Expertenkompetenz, die Reputation, sowie der Sympathiegrad beeinflussen die Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
positiv.“
Glaubwürdige Informationsquellen:
„IL, die von glaubwürdigen Informationsquellen transportiert werden, erhöhen
symbolische Werte, senken psychologische Kosten und steigern damit den Kundenvorteil.“
IL, die über ein breites, qualitativ-hochwertiges und relevantes Werte-Portfolio verfügen
und damit zur Ansprache beider Bedürfnisebenen dienen, sind wie dargestellt erfolgreicher. Vor allem symbolische Werte, wie die persönliche Betreuung, Kontakt zu
renommierten Experten oder Vertretern des Unternehmens, sowie die Wahrung der
eigenen Integrität und Entscheidungsfreiheit, haben einen positiven Einfluss auf die
Wahrnehmung der Leistungen durch die Ärzte.
Persönlicher Kontakt:
„Der persönliche Kontakt mit Informationsquellen (Top-Management und/oder
unabhängige Experten), die über eine hohe Glaubwürdigkeit verfügen, erhöht die
Qualität der symbolischen Werte.“
Werte-Qualität:
„Eine hohe Werte-Qualität der IL, sowie eine positive Übereinstimmung mit der
eigenen Erfahrung haben einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der IL.“
Funktionale & symbolische Werte:
„Insbesondere funktionale und symbolische Werte von IL, die als qualitativ hochwertig wahrgenommen werden, erhöhen den Kundenvorteil.“
Die einzelnen Leistungsbestandteile sind demnach im Detail auf deren qualitative Ausprägung, Relevanz und ihren Einfluss auf die wahrgenommenen Kosten zu prüfen. Ziel
muss es sein, durch die IL zu einer Vereinfachung des Praxisalltags beizutragen und
nicht zusätzlichen Aufwand zu generieren. Somit kann das Unternehmen den Arzt bei
der Verwirklichung seines beruflichen Ziels, ein „guter Arzt zu sein“ und als solcher
wahrgenommen zu werden, unterstützen. Hieraus können, wie dargestellt, „Kundenloyalität“ und die weiteren Prozessschritte resultieren.
Abbildung 87 fasst die Bewertungskriterien einer IL aus Perspektive der Ärzte zusammen
und unterteilt diese aufbauend auf den Basisanforderungen an die Qualität der Kernleistung in drei Entscheidungsstufen.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 245
245
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Kundenloyalität
Stufe 3:
Vereinfachung
Verwirklichung
(praxisbezogene Bedürfnisse)
(persönlichkeitsbezogene Bedürfnisse)
Persönliche Relevanz
Effizienz
(wahrgenommener Nutzen)
(wahrgenommene Kosten)
Stufe 1:
Glaubwürdigkeit der
Informationsquelle
Breites qualitativ
hochwertiges Werte-Portfolio
Basis:
Med. Anforderungen
an Kernprodukt
Glaubwürdigkeit
des Herstellers
Stufe 2:
Abbildung 87: Bewertungskriterien einer IL aus Perspektive der Empfänger
Quelle: Eigene Darstellung
6.3
Modell der Wahrnehmung und Wirkung
von indirekten Leistungen
Abbildung 88 verdeutlicht vereinfacht das finale Modell der Wahrnehmung und Wirkung
von IL und die Potenziale für einen Übertragungseffekt auf die Kernleistung. Diese ist
hier durch die inneren Leistungsschalen „Produkt“, „Produktgruppe“ und „Sortiment“
repräsentiert und bezieht sich entsprechend auf Arzneimittel des Unternehmens. Die
obere Ebene stellt die IL als Bestandteil der Leistungsschale „Dienstleistung“ und deren
Wirkprozess mit arzt- und patientenorientierten Kanälen (schwarze Pfeile) dar.
Pharmaunternehmen
Arzt
S
O
R
Wahrnehmung
IL
Dienstleistung:
Indirekte Leistung
Wirkung
IL
Patienten
BS
WE
Sortiment
Produktgruppe
Wahrnehmung
Kernleistung
Verschreibungsverhalten
Produkt
PN
BS
= Brand Salience
WE
= Wahrgenommenes Engagement
PN
Abbildung 88: Finales Modell der Wahrnehmung und Wirkung von IL
Quelle: Eigene Darstellung
= Aktive Patientennachfrage
6.2 13.12.13 16:39 Seite 246
246
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Bei positiver Erfüllung der ermittelten Umfeld- und Erfolgsfaktoren haben die Fallstudien
gezeigt, dass IL direkt in Bezug auf die erneute Inanspruchnahme der IL und eine
gesteigerte Kundenbindung wirken können. Des Weiteren erhöht sich dadurch das
Potenzial für eine indirekte Wirkung und damit für den Übertragungseffekt auf die Kernleistung, wodurch ein zweifacher Beitrag zur Steigerung des Kundenwertes für das
Unternehmen geleistet wird.
Steigerung des Kundenwertes:
„IL tragen direkt und indirekt zu einer Steigerung des Kundenwertes bei.“
Dabei unterscheiden sich der arzt- und patientenorientierte Kanal in ihrer Wirkweise.
Arztorientierte Leistungen unterstützen den Arzt durch einen Beitrag zur Vereinfachung
des Praxisalltags und führen damit auch zu einem gesteigerten Markenbewusstsein
des Empfängers. Patientenorientierte Leistungen nutzen das Netzwerk des Arztes, um
die Nachfrage nach Beratungsgesprächen zu bestimmten Indikationen zu erhöhen, wie
bei der Fallstudie „Aufklärungskampagne“ oder dem Beispiel „Die begehbare Prostata“.
Um eine indirekte Wirkung für die eigene Kernleistung sicherzustellen, sind in diesem
Fall vorgelagerte arztorientierte IL notwendig, um Markenbewusstsein und damit „Brand
Salience“ zu stärken. Ohne diese vorgelagerten IL führen solche Maßnahmen zu einer
generellen Förderung der Beratungsgespräche zur Indikation und damit zu einer
potenziellen Verschreibungsrate gemäß der bestehenden Marktanteile. Je nach Position
der eigenen Kernprodukte kann sich eine solche Aktion somit dennoch im Hinblick auf
den Kundenwert rechnen.
Der Schwerpunkt des Forschungsprojektes gemäß der forschungsleitenden Frage liegt
jedoch auf arztorientierten Leistungen, deren Wirkweise anhand der Fallstudien vornehmlich untersucht wurde. Die theoretischen Erkenntnisse zur direkten Wirkung von
Leistungen, welche über einen hohen KV verfügen, konnten auch in den vorliegenden
Fällen beobachtet werden.
Kundenloyalität, Zahlungsbereitschaft und Empfehlungsbereitschaft:
„IL, die über einen hohen Kundenvorteil verfügen, steigern Kundenloyalität,
Zahlungsbereitschaft und Empfehlungsbereitschaft der Ärzte.
Die „Kundenloyalität“ bezieht sich dabei auch auf eine erneute Inanspruchnahme der
IL und eine Stärkung der Kundenbeziehung. Des Weiteren sind auch Anzeichen für
eine gesteigerte „Empfehlungsbereitschaft“ (WOM) zu erkennen, in dem Kriterien erfüllt
werden, welche gemäß der theoretischen Erkenntnisse für WOM von Bedeutung sind.
Anhand der „Zahlungsbereitschaft“, die bei IL mit hohem KV deutlich ist, wird auch das
Potenzial zur eigenen Vermarktung der IL und damit Generierung eines eigenen
Leistungssystems deutlich.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 247
247
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Kundenloyalität, Zahlungsbereitschaft und Empfehlungsbereitschaft:
„IL, die über einen hohen Kundenvorteil verfügen, steigern die Zahlungsbereitschaft
und sind damit an sich kommerzialisierbar.“
IL verfügen dementsprechend durchaus über das Innovationspotenzial, neue
Leistungsbereiche für das Unternehmen zur Stärkung der Unternehmensmarke und
des damit verbundenen „Emotionalen Profils“ zu generieren. Wie am Beispiel der IL
„ReiseMED“ erkennbar ist, sind so auch vollständige, eigenständige Leistungssysteme
möglich. Ebenfalls verfügt die IL „Notfalltraining“ in ihrer dargestellten Form über das
Potenzial, einen eigenen Leistungsbereich zu etablieren, wie die folgende Abbildung
veranschaulicht.
Emotionales Profil
Integriertes Projektmanagement
Integriertes Projektmanagement
Integration der Leistung
Integration der Leistung
Dienstleistungen: Indirekte Leistung
Sortiment
Dienstleistungen
Sortiment
Produktgruppe
Produkt
Produktsystem
Indirekte
Leistung
Abbildung 89:
Potenzial zur Generierung eigenständiger Leistungssysteme aus indirekten Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz, 1991a, S. 102ff.
Um einen Übertragungseffekt auf die Kernleistung auslösen zu können, sind jedoch,
insbesondere bei Arzneimitteln, die hohen Anforderungen an deren Qualität im Hinblick
auf Leitlinienkonformität, Wirkungs-, Neben- und Wechselwirkungsprofil zu erfüllen. IL
können dann moderierend auf die Wahrnehmung der Kernleistung wirken, wenn diese
in ihrer Qualität oder Therapieform substituierbar sind.
Basisanforderung: Qualität der Kernleistung:
„Ist die Basisanforderung an die KL erfüllt, haben die indirekten Wirkungsfelder einen
verstärkenden Effekt auf die positive Wahrnehmung der Kernleistung.“
Arztorientierte IL verfügen dabei über die zwei hergeleiteten Wirkungsfelder.
Übertragungseffekte: Brand Salience (BS) & Wahrgenommenes Engagement (WE):
„Je höher Zahlungsbereitschaft und Kundenloyalität für die IL, desto höher die „Brand
Salience“ und das „wahrgenommenes Engagement“.“
6.2 13.12.13 16:39 Seite 248
248
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
So zahlen gut konfigurierte IL auf die Wahrnehmung der Unternehmensmarke und
damit auf die „Brand Salience“ ein. Zudem sind zahlreiche Reaktionen der Ärzte gemäß
der sozialen Austauschtheorie durch das „Wahrgenommene Engagement“ erkennbar.
Brand Salience:
„Das Wirkungsfeld „Brand Salience“ führt durch die thematische Verknüpfung der
Unternehmensmarke mit der übergeordneten Kompetenz des Unternehmens zu
einem Übertragungseffekt.“
Wahrgenommenes Engagement:
„Das Wirkungsfeld „Wahrgenommenes Engagement“ führt zu einem Übertragungseffekt gemäß der sozialen Austauschtheorie und stärkt die Kunden-Lieferantenbeziehung.“
Unterschiede in der Wirkweise sind anhand der untersuchten Fallstudien, zwischen
den IM-Kategorien zu beobachten. So wirken arztorientierte IN aufgrund ihrer thematischen Nähe zur Kernleistung stärker über das Wirkungsfeld „Brand Salience“.
Wirkung arztorientierte IN:
„Arztorientierte IN haben durch die größere thematische Nähe zur Kernleistung einen
stärkeren Effekt auf die „Brand Salience“ als PB.“
Patientenorientierte IL mit potenzieller Wirkung auf die Kernleistung über das Wirkungsfeld „Patientennachfrage“ (PN) sind ebenfalls ausschließlich unter der Kategorie
Indikationsbezug anzutreffen. Imagebezogene IL, die sich auch an Patienten richten,
wurden im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht explizit auf deren Übertragungspotenzial untersucht. Jedoch ist aufgrund der Entfernung zur Kernleistung und der
generell geringen Bekanntheitsgrade von Pharmaunternehmen beim Patienten von
einem - wenn überhaupt - schwächeren Effekt auszugehen. IL, die dabei aktiv auf
Patienten zugehen, wie die „Die begehbare Prostata“- oder Vaximed-Kampagnen,
ermöglichen diesen Effekt. Passive IL, wie die Internetseite von Respipharm, dienen
hingegen eher zur Unterstützung der Patientenberatung. Werden diese Seiten nicht
aktiv beworben, ist von diesen passiven IL auch kein Effekt auf die „Patientennachfrage“
zu erwarten.
Patientenorientierte IL sollten generell immer im thematischen und zeitlichen Zusammenhang mit arztorientierten IL erfolgen. Eine hohe Kontaktfrequenz ist notwendig, um die
Aufmerksamkeit für die Thematik und damit einen Einfluss auf die „Patientennachfrage“
zu schaffen. Der KV, den der Arzt aus dieser patientenorientierten Unterstützung in
Form einer Vorabinformation oder Vereinfachung der Beratungsgespräche zieht, wiegt
dabei höher als der Effekt auf die „Patientennachfrage“.
6.2 13.12.13 16:39 Seite 249
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
249
Wirkung patientenorientierte IN:
„Patientenorientierte IN mit einer hohen Kontaktrate haben einen positiven Effekt
auf die „Aktive Patientennachfrage“.“
PB, wie „Notfalltraining“ und „ReiseMED“, verfügen über eine stärkere Wirkung auf
das Feld „Wahrgenommenes Engagement“ als auf „Brand Salience“. Ärzten wird
bei korrekter Kommunikation das Engagement für die eigene Praxis deutlich, was
wiederum auch von Empfängerseite wertgeschätzt wird.
Wirkung PB:
„PB haben einen stärkeren Effekt auf das „Wahrgenommene Engagement“.
IB nehmen eine Sonderstellung ein, da ihr vorrangiges Ziel weniger in der Generierung
eines potenziellen Übertragungseffekts, sondern in der Stärkung der „Kundenloyalität“
durch Engagement für gemeinsame, relevante, soziale Themen besteht. Je näher dabei
das unterstützte Projekt an den Interessen und damit der persönlichen Relevanz des
Arztes liegt, desto höher scheint die Bereitschaft zu sein, sich ebenfalls zu engagieren.
Ist die Thematik zu weit entfernt und damit irrelevant, wird die Aktivität zwar wahrgenommen, resultiert jedoch nicht in einem Engagement oder gar einem Übertragungseffekt.
IB Beitrag:
„IB befriedigen vor allem über symbolische Werte persönlichkeitsbezogene
Bedürfnisse.“
Kundenrelevante Thematik:
„Thematisch kundenrelevante IB tragen zu einer Stärkung der Kundenloyalität bei.“
Die Wahrscheinlichkeit eines Übertragungseffektes ist anhand des untersuchten Falles
eher gering. Imagebezogene IL sind vielmehr als Bestandteil eines IM-Mix zu sehen,
dessen Wirkung sie unter Einhaltung der Erfolgsfaktoren verstärken. Sie zahlen auch
auf das Wirkungsfeld „Wahrgenommenes Engagement“ ein.
Wirkung IB:
„IB zu kundenrelevanten Themen haben einen stärkeren Effekt auf das „Wahrgenommene Engagement“.“
6.2 13.12.13 16:39 Seite 250
250
6 Cross-Case-Analyse der Fallstudien zu Indirect Marketing
Jedoch ist davon auszugehen, dass einzelne IB, aufgrund der von der Kernleistung
weiter entfernten Thematik, über schwächere Effekte als IN oder PB verfügen. Die
folgende Abbildung verdeutlicht die thematische Entfernung der IL von der Kernleistung
in Zusammenhang mit den jeweiligen Beiträgen zu arztrelevanten Themen.
Produkt
Produktgruppe
Sortiment
Dienstleistung / Indirect Marketing
Indikation
Medikament
Arzt
Medizinisches
Fachwissen
Praxisleistung
Praxiswissen
Image
Persönliche
soziale
Interessen
Abbildung 90: Thematische Entfernung zur Kernleistung
Quelle: Eigene Darstellung
IL verfügen demnach durchaus, unter Einhaltung der ermittelten Erfolgsfaktoren,
über das Potenzial, Kundenbindung zu steigern und Übertragungseffekte auf die Kernleistung unter Einhaltung der Reglementierungen in diesem Marktumfeld zu generieren.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 251
7 Schlussbetrachtung
7
251
Schlussbetrachtung
Dieses Kapitel fasst die zentralen Erkenntnisse des Forschungsprojektes zusammen
und leitet davon Implikationen für die wissenschaftliche Forschung und unternehmerische
Praxis ab. Abschließend werden Limitierungen der Arbeit diskutiert und der weitere
Forschungsbedarf abgeleitet.
7.1
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war die Untersuchung der verschiedenen
Ausprägungen und Gestaltungsfaktoren von IL und deren Wahrnehmung und Wirkung
bei Ärzten. Das regulierte Umfeld des Marktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel
bedingt einerseits einen hohen Bedarf an neuen Marketinginstrumenten zur Differenzierung und stärkeren Kundenbindung. Andererseits ermöglicht es, aufgrund des im
Vergleich zu anderen Branchen überschaubaren Marketingmix, eine störungsfreiere
Untersuchung der IL.
Die praktische Relevanz von IM wurde in zahlreichen explorativen Gesprächen mit
Experten der Sender- und Empfängerseite betont. Ebenso zeigte der Literaturreview
zum Stand der Forschung zu IM im pharmazeutischen Marktumfeld Forschungslücken
auf. Bisher existiert in der wissenschaftlichen Literatur ein unterschiedliches Verständnis
zur Thematik. Des Weiteren sind erfolgsrelevante Faktoren, sowie die Abläufe, welche
zu einer positiven Wirkung führen könnten, bisher nicht hinreichend untersucht worden.
Dieses uneinheitliche wissenschaftliche Verständnis von IM führt, gemäß der explorativen Erkenntnisse, wiederum zu einem eher situativen und aktionistischen Einsatz von
IL in der Praxis. Der Erfolg eines solchen Einsatzes ist wie am Beispiel der „Internetplattform“ kritisch zu beurteilen. Aufgrund solcher Erfahrungen eines fehlenden
Verständnisses, sowie falscher Erwartungen an die Wahrnehmung und Wirkweise von
IM wird der IL-Einsatz von Teilen des Pharmamarketingmanagements wegen des
Risiko eines Misserfolgs kritisch gesehen. Von besonderem Interesse für das Marketing
sind dabei die Effekte auf die „Kundenloyalität“, das Innovationspotenzial zur eigenständigen Vermarktung der IL und insbesondere der „Übertragungseffekt“ auf die Kernleistung.
Das Forschungsprojekt dient dazu, diese praktische und theoretische Forschungslücke
zum Verständnis von IM zu schließen. Als Leitlinie fungierten dabei die Forschungsfragen, die sich an der forschungsleitenden Frage orientieren: „Wie gelingt es durch
den optimalen Einsatz von IM bei der Verschreibungsentscheidung der Kundengruppe
„Arzt“ positiv berücksichtigt zu werden?“.
F1 Welche Ausprägungen von Indirect Marketing existieren
in Wissenschaft und Praxis?
F2 Welche theoretischen Ansätze liefern einen Erklärungsbeitrag
für einen Übertragungseffekt der IL auf die Kernleistung?
F3 Wie werden IL von Ärzten wahrgenommen und eingeschätzt?
7.2 13.12.13 16:39 Seite 252
252
Schlussbetrachtung
F4 Welche Faktoren müssen IL erfüllen, um beim Empfänger „Arzt“
eine positive Wirkung im regulierten Marktumfeld zu erzielen?
F5 Welche IL sollte ein Pharmaunternehmen zur Ansprache der Ärzte nutzen,
um positiv berücksichtigt zu werden?
Als Ergebnis der explorativen Phase konnte anhand theoretischer Grundlagen und der
explorativen Befragung von Pharmamarketingmanagern und Ärzten eine einheitliche,
zielführende IM-Definition aus den verschiedenen in Theorie und Praxis geläufigen
Verständnissen festgelegt werden. Die begriffliche Abgrenzung und theoretische Einordnung des IM als Bestandteil des Leistungsschalenmodells im Vergleich zu „Direct
Marketing“ sowie „Direktem Marketing“ stärkt in diesem Zusammenhang das einheitliche Verständnis. Insgesamt konnten anhand dieser Definition im Abgleich mit
theoretischen Erkenntnissen drei thematische IM-Kategorien (Indikation, Praxisleistung,
Image) identifiziert, welche über arzt- und patientenorientierte Kanäle kommuniziert
und in unterschiedlichen Zeiträumen (situativ vs. permanent) eingesetzt werden.
Die Einordnung des IM in einen theoretisch-konzeptionellen Rahmen aus themenverwandten Forschungsgebieten ermöglichte die Ableitung erster Erklärungsansätze
für Abläufe und potenzielle Übertragungseffekte von IL. Im Abgleich mit den empirischen Erkenntnissen konnten so erste kausale Thesen in Bezug auf erfolgsrelevante
Faktoren, sowie das Basismodell der Wahrnehmung und Wirkung hergeleitet werden.
Auf Empfängerseite ermöglichten die gewonnenen Erkenntnisse zur Bedürfnisstruktur
der Ärzte eine genauere Erklärung des Erfolges einzelner IL. Die Erfüllung praxisbezogener Bedürfnisse stellt dabei die Vorrausetzung für die Erfüllung persönlichkeitsbezogener Bedürfnisse und damit der übergeordneten Zielerreichung des Empfängers
als „guter Arzt wahrgenommen und geschätzt zu werden“ dar.
Auf Senderseite konnten neben situativen Faktoren und internen Akzeptanzkriterien
auch Gestaltungsfaktoren beschrieben werden, welche über Erfolgsrelevanz verfügen
und im Rahmen der Fallstudien weiter untersucht wurden.
Im Rahmen der qualitativ-empirischen Phase wurden anhand von sechs Fallstudien
Vertreter aller IM-Kategorien auf deren Gestaltung, Wahrnehmung und Wirkung untersucht, darunter auch „best case“- und „worst case“-Beispiele. Dabei konnten Erfolgsfaktoren, die für eine positive Wahrnehmung relevant sind, herausgearbeitet und damit
der Prozess der Wahrnehmung und weiteren Verarbeitung beschrieben und erklärt
werden. In Bezug auf die forschungsleitende Fragestellung konnte aufgezeigt werden,
dass IL einen Übertragungseffekt auf die Kernleistung haben können. Insgesamt
existieren drei mögliche Prozesse, die einen moderierenden Einfluss auf das Verschreibungsverhalten erklären, wie (1) die Einzahlung auf das Markenbewusstsein
„Brand Salience“, (2) die Wirkung über das „Wahrgenommene Engagement“, sowie (3)
die Steigerung der „Patientennachfrage“ durch patientenorientierte IL“. Die Synthese
der Erkenntnisse der Fallstudien ermöglichte die Erklärung von Abhängigkeiten und erfolgsrelevanter Zusammenhänge. So liegt das Potenzial für das Unternehmen in der
7.2 13.12.13 16:39 Seite 253
253
7 Schlussbetrachtung
Steigerung des Kundenwerts. Dies kann direkt durch die Kommerzialisierung einer IL
im Falle einer hohen „Zahlungsbereitschaft“ erfolgen oder indirekt aufgrund der
Steigerung der „Kundenloyalität“ durch einen hohen KV und damit einem folgenden
„Übertragungseffekt“ auf die Kernleistung. Des Weiteren zeigen die empirischen
Erkenntnisse in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der WOM-Forschung, dass
IL über positives WOM-Potenzial verfügen und damit dem Unternehmen neue Kunden
zuführen können. Diese Wirkweise ist selbst in einem generischen Marktumfeld, wie
im Falle Pharmacon, beobachtbar.
Hervorzuheben ist dabei, dass alle drei IM-Kategorien einen Beitrag liefern, wenn auch
mit Unterschieden in Bezug auf Wirkungsfelder und Intensität. Übergeordnete erfolgsrelevante Faktoren für eine positive Wirkung umfassen die „Trennung vom Verkauf“,
um Therapiehoheit und Unabhängigkeit des Arztes sicherzustellen, „wissenschaftliche
Breite und Objektivität“ sowie eine ausgewogene „thematische Nähe“ und „Kontinuität“
bei der Durchführung, um die Verknüpfung des erlangten KV mit der Unternehmensmarke und damit die Wahrscheinlichkeit eines Übertragungseffektes zu stärken. Bei
Nicht-Erfüllung der ersten beiden Faktoren und damit einer wahrgenommenen Beeinträchtigung der eigenen Unabhängigkeit entsteht Reaktanz, gemäß der erläuterten
Theorie. Diese Anforderungen stehen jedoch im Widerspruch zum natürlichen Interesse
zahlreicher Unternehmen, den Anteil produktorientierter Kommunikation hoch zu halten.
Dies spiegelt sich auch in den erfolgsrelevantesten Akzeptanzkriterien „Unternehmenskultur“, „impliziter Produktbezug“ und „Rentabilität“ wieder. Stellt die „Unternehmenskultur“ keine kontinuierliche, kundenorientierte Marketingausrichtung sicher, fördert ein
größerer Produktbezug der IL zur Kernleistung die Akzeptanz. Diesen „Gap“ zwischen
Interessen der Unternehmen einerseits und dem Interesse der Ärzte andererseits, gilt
es beim Einsatz von IM zu überwinden.
Pharmaunternehmen
Höheres Risiko
durch wissenschaftliche
Breite und Objektivität
Größerer Nutzen
durch impliziten
Produktbezug
Arzt
Größerer Nutzen
durch wissenschaftliche
Breite und Objektivität
Höheres Risiko
durch zu engen impliziten
Produktbezug
Abbildung 91: Interessens-Gap zwischen Pharmaunternehmen und Ärzten
Quelle: Eigene Darstellung
Basis für den Erfolg des IM ist auch hier der KV für den Arzt, welcher durch relevante
Werte geschaffen wird. Anhand des angepassten Customer Value Frameworks490
konnte gezeigt werden, dass neben funktionalen, insbesondere symbolische Werte
490
Vgl. Smith/Colgate 2007.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 254
254
Schlussbetrachtung
einer IL und damit die Kombination der Befriedigung von praxis- und persönlichkeitsbezogenen Bedürfnissen eine positive Wirkung ermöglichen. Insbesondere die Wertschätzung für den Kunden „Arzt“, welche über solche symbolische Werte transportiert
wird, bleibt nachhaltig in Erinnerung und stärkt die Kundenloyalität. Werte der Erlebniswelten hingegen stellen eher einen Hygienefaktor dar. Sind die Basisanforderungen an
die Qualität der Kernleistung ebenfalls erfüllt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer positiv
moderierenden Wirkung der IL auf das Verschreibungsverhalten. Diese Erkenntnisse
wiederum führten zur Weiterentwicklung der kausalen Thesen der explorativen Phase
zu konkretisierten Hypothesen, welche in weiteren Forschungsprojekten quantitativ
überprüft werden können. Die grafische Darstellung der ermittelten Abläufe in Modellen
dient zur Stärkung des Verständnisses der gewonnenen Erkenntnisse.
Die Erkenntnisse der Fallstudien lieferten Erklärungsbeiträge zur Beantwortung der
forschungsleitenden Fragestellung, um zu beschreiben und zu erklären, wie Unternehmen
durch den optimalen Einsatz von IM auf Seiten der Ärzte positiv berücksichtigt werden
können. Es konnte aufgezeigt werden, dass durch die Schaffung einer übergeordneten
Kompetenz des Unternehmens, unter Einhaltung der regulierten Rahmenbedingungen,
Übertragungseffekte auf die Kernleistung möglich und IL an sich kommerzialisierbar
sind. Sie tragen damit nicht nur zur Differenzierung der Unternehmensmarke in einem
regulierten Marktumfeld bei, sondern bieten auch Innovationspotenzial im Hinblick auf
neue Geschäftsfelder und unterstützen damit aktiv die Trendentwicklung vom reinen
Arzneimittelhersteller zum Gesundheitsdienstleister.
7.2
Implikationen
Im folgenden Kapitel werden die Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
sowie für die unternehmerische Praxis im Pharmamarketing aufgeführt und diskutiert.
7.2.1 Implikationen für die wissenschaftliche Forschung
Die Konzentration der wissenschaftlichen Literatur lag auf themenverwandten
Forschungsfeldern zu IM, sowie auf Forschungsfeldern im Pharmamarketing. Dementsprechend fokussieren die folgenden Ansätze diese Forschungsgebiete. Das
Forschungsfeld „Indirect Marketing“ war bisher gemäß der zu Grunde liegenden
Definitionen, nicht detailliert untersucht worden. Anhand der vorliegenden Definition und
der Erkenntnisse der Arbeit konnte IM zu anderen Marketinginstrumenten abgegrenzt,
sowie thematische Kategorien für die Anwendung im Pharmamarkt herausgearbeitet
und beschrieben werden. Die Darstellung der Wahrnehmung und Wirkung sowie des
Übertragungseffektes anhand des S-O-R Modells fördert dabei das Verständnis für die
Abläufe und damit Potenziale von IL.
IM stellt nach den Ergebnissen der Arbeit ein interessantes Feld für die Marketingforschung dar. Als Bestandteil der Dienstleistungsschale des Leistungsschalenmodells491
ermöglichen IL die Generierung differenzierender Merkmale für die Unternehmensmarke aus Perspektive der Kunden. Durch Etablierung einer produktübergeordneten
491
Vgl. Belz 1991a, S. 12.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 255
7 Schlussbetrachtung
255
Kompetenz durch Ansprache der praxis- und persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse
kann IM zu einer Stärkung der Kundenloyalität beitragen. Die Marketingwissenschaft
trägt somit durch weitere Forschung in diesem Bereich dazu bei, dass Unternehmen
gerade in generischen, wettbewerbsintensiven Märkten weniger austauschbar werden.
Die qualitative Untersuchung von IM als Teil des Leistungsschalenmodells in anderen
Marktumfeldern ist ebenfalls von Interesse, um Zielsetzung und Rollen, sowie Wahrnehmung, Wirkung und das Potenzial dieser Leistungskategorie zu erforschen.
Untersuchungen weiterer IL in anderen Märkten sind dabei von Bedeutung, um die
Generalisierbarkeit der Ergebnisse weiter zu stärken bzw. die gewonnenen Erkenntnisse
situativ anzupassen.
Für das Forschungsfeld „Pharmamarketing“ sind weitere Studien zur Wahrnehmung
und Wirkung von Marketinginstrumenten auf dem deutschen Markt relevant. So existieren
hierzu weiterhin wenige publizierte Studien. Die vorliegende Arbeit liefert durch Untersuchung der Bedürfniskategorien weitere Erklärungsbeiträge zum Verschreibungsverhalten, sowie zur Wahrnehmung und Wirkung von Leistungen der Pharmaindustrie
bei Ärzten. IL stellen eine interessante Möglichkeit dar, sich in diesem regulierten und
wachsenden generischen Marktumfeld zu differenzieren, die Kundenloyalität zu stärken
und dadurch weniger austauschbar zu werden, wie das Beispiel „Pharmacon“ verdeutlicht. Die Fallstudien haben gezeigt, dass auf Senderseite des „Unternehmens“
bestimmte Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren, der internen Akzeptanzkriterien,
sowie situativer Faktoren eine Rolle für den Erfolg spielen. Aufgrund des hohen
Potenzials für das Pharmamarketing bieten sich daher weitere ausdifferenzierende,
qualitative Studien zu diesen IL-Bereichen im pharmazeutischen Marktumfeld an.
In Zeiten, in denen die Reizüberflutung ständig steigt, ist es von Interesse die Wahrnehmung auf der Empfängerseite „Arzt“ differenzierter zu untersuchen. Weitere
qualitative Fallstudien zu aktuellen IL können dazu beitragen, die Erkenntnisse im Hinblick auf Bedürfnisstrukturen, mögliche Unterschiede bei Arzttypen, sowie Erfolgsfaktoren zu verfeinern, zu ergänzen und somit die Validität der Ergebnisse weiter zu
stärken. Anschließende quantitative Forschung kann wiederum dazu genutzt werden,
die induktiv gewonnenen Erkenntnisse deduktiv zu falsifizieren.
Das Forschungsprojekt konzentrierte sich auf arztorientierte IL. Patientenorientierte IL
wurden lediglich im direkten Zusammenhang mit diesen behandelt. Da Studien die
Bedeutung des Netzwerks für Ärzte hervorheben, sind vertiefende Studien zu netzwerkorientierten IL für Patienten und für weitere Netzwerkpartner von Interesse. Aktuell ist
zudem eine leichte Liberalisierung der Regulierung, in Bezug auf Laienwerbung
aufgrund der EU-Harmonisierung zu beobachten.492 Diese Änderungen des situativen
Umfeldes und deren Auswirkungen auf patientenorientierte IL liefern weiteren
Forschungsbedarf.
492
Vgl. Schmidt 2011.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 256
256
Schlussbetrachtung
7.2.2 Implikationen für die unternehmerische Praxis
Das vorliegende Forschungsprojekt konnte aufzeigen, dass IM, in Zeiten der beschriebenen Herausforderungen und Einschränkungen des Pharmamarketing dazu beitragen
kann, die Marktposition von Unternehmen zu festigen und zu verbessern. Reizüberflutung auf Kundenseite, steigende Anzahl austauschbarer Produkte und die schwindende
Effektivität altgedienter Marketinginstrumente493 verleiten gerade das Pharmamarketing
unter dem steigenden Kosten- und Quartalsergebnisdruck zu kurzfristigen Aktionen.
IM stellt auch in diesem Umfeld die Möglichkeit dar, sich als Unternehmen nachhaltig
im Einklang mit Kundenbedürfnissen unter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Wahrung der Integrität und mit einem grundlegenden wertschätzenden
Umgang, zu positionieren. IM leistet somit einen Beitrag zur Trendentwicklung vom
Arzneimittelhersteller zum Gesundheitsdienstleister. Die Schaffung einer übergeordneten Kompetenz zur Unterstützung der Ärzte im Praxisalltag durch IL zahlt direkt
auf diese Entwicklung ein und hilft, das Unternehmen neu zu positionieren.
Für den richtigen Einsatz von IM in der Praxis sind insbesondere die kundenorientierte
Unternehmenskultur und -philosophie, die Kontinuität, sowie der richtige IM-Mix von
Bedeutung. Die Ausrichtung der Leistungen an den Kundenbedürfnissen, auch im Hinblick auf wissenschaftliche Breite und Objektivität, bedarf dieser kundenorientierten
Unternehmenskultur. IL dürfen thematisch nicht zu nah, aber auch nicht zu weit von
der Kernleistung entfernt liegen. Erfolgsrelevant ist zudem die Kontinuität der Leistungen,
auch im Hinblick auf die Qualität und deren langfristiger Ausrichtung. Insbesondere
bei börsennotierten und ausschließlich kapitalgesteuerten Unternehmen stellt
diese Kontinuität eine Herausforderung dar. Um IM erfolgreich zu etablieren und das
Potenzial der beschriebenen Effekte zu erzielen, gilt es, die „Quartalsdenke“ beim
Einsatz des Marketinginstrumentariums zu überwinden.
Dies wird auch deutlich beim Vergleich situativer vs. permanenter IL. Die Schwäche
der untersuchten situativen IL besteht in der Ansprache der arztorientierten Wirkungsfelder, auch aufgrund der ausgeprägten thematischen Nähe zur jeweiligen Kernleistung
und der fehlenden Kontinuität. Der zeitlich begrenzte Einsatz erschwert zudem die
Etablierung und Verknüpfung positiver Attribute mit der Unternehmensmarke.
In Prämarketing-Phasen vor Einführung neuer Arzneimittel bieten sich situative,
indikationsbezogene IL an, um die neue Thematik zu etablieren. Viele Unternehmen,
wie Respipharm, brechen die IL jedoch nach Einführung ab und konzentrieren sich
dann auf direkte Marketingmaßnahmen. Vielmehr sollten Unternehmen die Möglichkeit
nutzen, situative iL in permanente IL zu überführen und zu etablieren, um somit das
Innovationspotenzial auszuschöpfen.
Situative IL in der Praxis sind jedoch aufgrund dieses gängigen Vorgehens und aufgrund ihres vorrangigen Ziels „Aufmerksamkeit“ für eine neue Indikation zu generieren,
eher den direkten Maßnahmen zuzuordnen. Sie verfügen zwar über das Potenzial zu
einer echten IL weiterentwickelt zu werden. Jedoch dienen sie in erster Linie zur
493
Vgl. Kotler/Armstrong./Wong/Saunders 2011, S. 73ff. sowie Ausführungen unter Kapitel 1.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 257
257
7 Schlussbetrachtung
Vorbereitung der Bewerbung eines neuen Produktes und weniger dem Ausbau der
Kundenbindung. Somit sind sie vornehmlich produktorientiert und mehr als „unbranded“
Instrumente des Kommunikationsmix, wie als IL einzustufen.494
Eng damit verbunden ist der richtige Einsatz des beschriebenen IM-Instrumentariums.
Die folgende Abbildung führt dazu, die Erkenntnisse der Arbeit zu einer optimalen
Kombination der Instrumente des Pharmamarketing zusammen.
Marketingerfolg
Indirect Marketing
Kundenbindungs- & Imagekampagnen
Indikation
Praxisleistung
Image
Direktes Marketing
Produktmarketing
DtP
Fachwerbung
Produkt PR
Abbildung 92: Einordnung des Indirect Marketing in das Marketing Portfolio
Quelle: Eigene Darstellung
Beim Einsatz geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung. Direktes Produktmarketing ist immer notwendig, um Kunden über das Sortiment zu informieren. Selbst
Unternehmen wie Pharmacon, die IL verstärkt einsetzen, verfügen über DtP-Maßnahmen in Form von Mailings. Als Kundenbindungs- bzw. Imagekampagnen stellen IL
vielmehr einen weiteren Schritt zur Differenzierung und Etablierung der übergeordneten
Expertenkompetenz dar und wirken aufgrund ihres Übertragungseffektes als Katalysator
der direkten Maßnahmen.
Auch innerhalb des IM ist ein Einsatz aller drei Kategorien zu befürworten, um die
Potenziale auf die Wirkungsfelder optimal zu nutzen. Allerdings erfolgt der Einsatz der
IM-Kategorien, gemäß der Logik der Leistungssysteme, abgestuft entsprechend der
thematischen Entfernung zur Kernleistung von (1) „Indikation“ über (2) „Praxisleistung“
bis abschließend zu (3) „Image“-Leistungen. Durch diese stufenweise Entwickelung
können Unternehmen ihre Kunden Schritt für Schritt auf die nächste thematische
Leistungsebene mitnehmen und entwickeln. Bei erstmaligem Einsatz von Leistungen
der äußeren Kategorien, die thematisch weiter von der Kernleistung entfernt sind, steigt
der Anspruch an die Kommunikation bezüglich der Verknüpfung mit der Marke.
Die erwähnten rechtlichen Änderungen könnten des Weiteren neues Potenzial für
die Ausgestaltung der IL im regulierten Marktumfeld geben und schaffen somit Raum
494
Vgl hierzu Abbildung 20.
7.2 13.12.13 16:39 Seite 258
258
Schlussbetrachtung
für neue Forschungsprojekte. Generell ist es bei der Ausgestaltung neuer Marketingaktivitäten aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen wichtig, IL in enger Abstimmung
mit der Rechtsabteilung durchzuführen.
Die Arbeit zeigte auf, dass IM auch für andere Branchen von Interesse sein kann.
Die grundlegende Herausforderung für die Umsetzung in der Praxis liegt dabei im
Verständnis für IM und Marketing generell, wie dieses Zitat des ehemaligen CEO
Vaximed unterstreicht.
„[…] viele Manager machen oftmals den Fehler, dass sie sagen „Ich möchte für jede
Marketing Aktivität vorne, hinten wissen was rauskommt“ und das geht halt nicht.
Diejenigen, die das sagen, haben einfach Marketing als Ganzes nicht verstanden. […]
Natürlich kann ich eine Telefonaktion machen für 100.000 Euro wo ich 500.000 Euro
Umsatz raus bekomme, aber das ist nicht das was ich meine. Ich meine der optimale
Mix von verschiedenen Aktivitäten ist eigentlich für den Erfolg verantwortlich. Da kann
ich nicht jede Aktion einzeln bewerten, sondern ich kann nur das Gesamte bewerten.
Dass die eine oder andere Aktion bewertbar ist, ist eine ganz andere Geschichte.“
7.3
Limitierungen und weitergehender Forschungsbedarf
Der qualitative Forschungsansatz ermöglicht es, weitreichende Einblicke in den
Forschungsbereich zu gewinnen, Erklärungen aus Zusammenhängen in ihrem
natürlichen Kontext interpretativ abzuleiten und somit hypothesengenerierend zu
fungieren. Da IM bisher noch nicht im Detail untersucht wurde und somit auf keine
weitreichenden Voruntersuchungen zurückgegriffen werden konnte, eignete sich diese
explorative Vorgehensweise. Dennoch unterliegt das Forschungsprojekt Limitierungen
im Hinblick auf den Untersuchungsfokus, sowie auf den empirischen Daten.
Limitierungen im Untersuchungsfokus
Der Untersuchungsfokus der Arbeit lag auf dem deutschen Pharmamarkt, da dieser
aufgrund seines regulierten Umfeldes über ein überschaubares Portfolio an Marketinginstrumenten verfügt. Dieser bietet sich somit für eine qualitative Untersuchung an, um
IM ohne große Störeffekte, wie z. B. Verkaufsförderungsmaßnahmen am POS oder ATL
Kommunikation wie TV, zu beleuchten. Des Weiteren führen die rechtlichen Einschränkungen, als auch der beschriebene steigende Druck auf das Marketing zu einem
besonders großen Bedarf an neuen Marketinginstrumenten. Daraus ergeben sich
gleichzeitig auch die Limitierungen des Forschungsprojektes. So konzentrieren sich
die Fallstudien ausschließlich auf ausgewählte zugängliche Fälle, welche die drei IMKategorien repräsentieren. Um die Erkenntnisse auszuweiten und weiter zu vertiefen,
bieten sich weitere Fallstudien im pharmazeutischen Marktumfeld in Deutschland an.
Um die Komplexität der Arbeit zu reduzieren, konzentrierte sich die Studie auf arzt- und
zugehörige patientenorientierte IL. Aus den explorativen Erkenntnissen ergeben sich
jedoch auch Hinweise auf IL für weitere Netzwerkpartner, wie z. B. Apotheken, welche
dazu dienen die übergeordnete Kompetenz des Unternehmens zu untermauern. Die
Untersuchung der Wahrnehmung und Wirkung solcher IL eröffnet weiteren Forschungs-
7.2 13.12.13 16:39 Seite 259
7 Schlussbetrachtung
259
bedarf, um die Erkenntnisse zu dem umfassenden Potenzial von IM zu komplettieren.
IM ermöglicht durch die aufgezeigten Effekte auch Lösungsansätze für die generellen
Herausforderungen des Marketing. IL anderer Branchen sind beispielhaft erwähnt,
so dass Raum für weitere IL-Fallstudien unter anderen Marktumfeldern und damit
- bedingungen gegeben ist. IL werden bereits in vielen anderen Branchen zur Differenzierung herangezogen, um die übergeordnete Kompetenz des Unternehmens
zu stärken, wie Vorträge von Anwaltskanzleien zu Rechtsthemen, Newsletter von
Beratungsunternehmen zu betriebswirtschaftlichen Themen oder das Maggi Kochstudio.
Die Untersuchung der Wirkungsprozesse und Beiträge zum Unternehmenserfolg dieser
IL bietet sich für weiterführende Forschungsprojekte an.
Limitierungen der empirischen Daten
Die Erhebung der empirischen Daten erfolgte innerhalb dieses qualitativen Forschungsprojektes in zwei sequentiellen Stufen. Während die explorative Phase einen Überblick
über das Forschungsgebiet und erste Erkenntnisse zur Wirkweise von IM generiert,
dienen die Fallstudien zu deren Vertiefung und Herleitung finaler Hypothesen. Die
Untersuchung der insgesamt sechs Fallstudien (3 x IN, 2 x PB, 1 x IB) und Einbeziehung von Vertretern aller IM-Kategorien, ermöglichte durch deren Vergleich und
Synthese, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, welche Regelmäßigkeiten aufzeigen.
Einige IL lagen in der Vergangenheit. Somit bleibt ein Restrisiko bestehen, dass Daten
nicht mehr zugänglich oder Erinnerungsvermögen verblasst waren. Somit ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der zeitlichen Distanz zu einigen IL relevante Faktoren
unentdeckt oder unberücksichtigt blieben. Somit wären weitere Fallstudien in derselben
Branche nützlich. Daher sind, nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Änderungen im
Marktumfeld, Untersuchungen aktueller Fälle relevant, um die Erkenntnisse weiterzuentwickeln und ggf. anzupassen.
Sämtliche Fallstudien beziehen sich auf den deutschen Pharmamarkt mit den spezifischen
rechtlichen Einschränkungen und Marktbedingungen. So kann die Übertragbarkeit der
Erkenntnisse auf andere Länder bisher nicht schlussendlich beantwortet werden.
Neben einer Untersuchung von IL in anderen Märkten sind ebenfalls Studien zu IL in
anderen Weltregionen von Interesse, um die Internationalisierbarkeit der
Erkenntnisse sicherzustellen. Es ist zwar wahrscheinlich, dass IL auch unter anderen
Begebenheiten Wirkung entfalten, wenn es ihnen in einem stark regulierten Marktumfeld gelingt. Diese Annahme ist jedoch durch weitere wissenschaftliche Forschung
zu untersuchen.
Schließlich bieten sich quantitative Studien an, um die generierten Hypothesen durch
eine deduktive Vorgehensweise zu prüfen und ggf. zu falsifizieren.
Weitergehender Forschungsbedarf
Die folgende Abbildung fasst abschließend den sich aufgrund der Limitierungen der
Arbeit ergebenden zukünftigen Forschungsbedarf zu IM zusammen.
7.2 13.12.13 16:40 Seite 260
260
Schlussbetrachtung
Weitergehender
Forschungsbedarf:
Beispiel: Indirekte
patientenorientierte Leistung - Die begehbare Prostata
•
Analyse weiterer Einflussfaktoren durch Replikationsstudien aktueller
Fallstudien auf dem deutschen Pharmamarkt zur Ergänzung und Verifikation
der Erkenntnisse
•
Durchführung weiterer Fallstudien zu netzwerkorientierten IL im Umfeld
des deutschen Pharmamarktes
•
Durchführung weiterer IL-Fallstudien in anderen pharmafremden Märkten
und Branchen
•
Durchführung weiterer IL-Fallstudien auf anderen ausländischen Pharmamärkten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zur Ermittlung weiterer
erfolgsrelevanter Faktoren und möglicher Unterschiede in der Wirkungsweise
zur internationalen Verwendung der Ergebnisse
•
Durchführung quantitativer Studien im Pharmamarkt, um Hypothesen
zu prüfen und zu falsifizieren
Tabelle 39: Zusammenfassung weitergehender Forschungsbedarf
Quelle: Eigene Darstellung
Zahlreiche geführte Gespräche im Rahmen des Forschungsprojektes, insbesondere in
Kreisen der Pharmaindustrie, zeigen ein großes Interesse an neuen Erkenntnissen zu
diesem Forschungsthema und damit an der Generierung neuer differenzierender
Instrumente für das Pharmamarketing. Wie aufgezeigt, ist das Potenzial von IM gerade
in Märkten mit starken Einschränkungen hoch. Abschließend ist festzuhalten, dass
„Indirect Marketing“ ein für die Marketingtheorie und -praxis relevantes und interessantes
Forschungsfeld darstellt, insbesondere aufgrund des Potenzials im Hinblick auf den
Übertragungseffekt der IL auf die Kernleistung.
Anhand des Forschungsprojektes wurde aufgezeigt, dass es durch eine kundenorientierte Vorgehensweise und Ansprache übergeordneter Bedürfniskategorien gelingt,
Vorteile für alle Beteiligten unter Einhaltung der Rahmenbedingungen zu ermöglichen.
Eine positive Erkenntnis der Fallstudien ist dabei, dass der wertschätzende Umgang
zwischen „Sender“ und „Empfänger“ oder auch „Lieferant“ und „Kunde“, in diesem Fall
„Pharmaindustrie“, „Ärzte“ und „Patienten“, zu einem positiven Effekt für alle Teilnehmer
führen kann. Insbesondere Pharmacon generiert durch den massiven Einsatz von
bedürfnisorientierten IL im Umfeld einer entsprechend kundenorientierten Unternehmenskultur einen Kundensog, wie an den Aussagen der geführten Expertengespräche im
Hinblick auf die Weiterempfehlung der IL deutlich wird. IM kann in diesem Zusammenhang gerade in weiten Teilen der Pharmaindustrie zu einem Paradigmenwechsel des
produkt- und unternehmensgeprägten, auf Quartalsergebnisse fixierten Marketing hin
zu einem kundenorientierten, langfristig agierenden Pharmamarketing sein.
„Managen bedeutet heute nicht mehr Druck, sondern Sog erzeugen.“ 495
495
Werner 2007, S. 124.
7.2 13.12.13 16:40 Seite 261
7 Schlussbetrachtung
261
Auch wenn die kundenorientierte, bedürfnisgerechte Ausrichtung seit Jahrzehnten in
Theorie und Praxis propagiert wird, ist diese längst nicht in allen Branchen und Unternehmen adäquat umgesetzt. Insbesondere für das Marketing kapitaldominierter Unternehmen ist es schwierig bis unmöglich, Marketingaktivitäten langfristig am Kunden
auszurichten.
„Da hat man von Quartal zu Quartal gelebt […], denn hier wurden auch wichtige Entscheidungen zu Investitionen, Portfolios und guten Marketingideen einfach verworfen,
aus Budgetgründen, damit der Quartalsumsatz stimmte. Das war im Familienunternehmen nie denkbar. Und das ist auch der Tod, meiner Meinung nach, vieler Unternehmen. Mit einer der Hauptpunkte warum viele Unternehmen mittlerweile von der
Margenentwicklung her wirklich rückläufig sind.“ 496
Die dargestellten erfolgreichen IL sind Bestandteile einer ganzheitlichen Marketingkommunikation, welche dazu beiträgt die Wahrnehmung der kundenorientierten
Philosophie als „Partner des Kunden“ zu festigen. Die Kontinuität der Erbringung des
indirekten Leistungsportfolios, welches sich durch die Trennung vom Verkauf, wissenschaftliche Objektivität und Neutralität auszeichnet, fördert die Glaubwürdigkeit. Dies
stellt jedoch eine Herausforderung dar, da es dem Selbstverständnis und der kurzfristigen Zielausrichtung der meisten Unternehmen möglichst viel über die eigenen
Produkte zu erzählen, entgegensteht. Diesen Widerspruch und den damit verbundenen
zu vollziehenden Wechsel in der Marketingdenkweise betont folgendes Zitat des
Gründers der Drogeriemarktkette dm, Prof. Götz Werner.
„Denn je mehr er [der Unternehmer] sich dem Kunden zuwendet und seinen Egoismus
ausblendet, desto besser wird das Unternehmen funktionieren und sich entwickeln.
Selbstsüchtiges Verhalten ist nichts anderes als Sand im Getriebe.“ 497
Die Arbeit zeigte anhand der Fallstudien auf, dass der korrekte Einsatz von IL über das
Potenzial verfügt, Kundenwert und damit Unternehmenswert zu schaffen, auch und
gerade wenn die Leistungen vom Verkauf der eigentlichen Kernleistung getrennt sind.
IM ermöglicht durch die Erweiterung der Unternehmenskompetenz eine nachhaltige
Differenzierung in der Wahrnehmung der Kunden und somit eine Stärkung der
Kundenbindung. Des Weiteren zeigen zahlreiche IL das Potenzial für die Ableitung
eigener Leistungssysteme auf, um das Leistungsportfolio der Unternehmen im Sinne
des Innovationsmanagements zu erweitern. Somit eröffnet dieses Forschungsfeld auch
Potenzial für zukünftige Forschungsprojekte.
496
497
Vgl. Expertengespräch Marketingexperte kinderwelten Award November 2011.
Werner 2007, S. 122.
7.2 13.12.13 16:40 Seite 262
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XVII
Appendix
XVII
Appendix
A. 1 Sozio-ökonomische Trends in der Pharmabranche498
1
Die Last für das Gesundheitssystem durch chronische Erkrankungen wie
Diabetes wird in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. Zwar verbessern
sich auch die Behandlungsmöglichkeiten, dennoch wird die Pharmaindustrie
zu günstigen Preislösungen gezwungen sein.
2
Gesundheitspolitik und Kostenträger verstärken ihren Einfluss auf
das Verschreibungsverhalten der Ärzte. Die Industrie wird demnach die
Zusammenarbeit mit Kostenträgern und der Gesundheitspolitik intensivieren
müssen.
3
„Pay-for-Performance“-Verträge nehmen zu. Zahlreiche Länder messen
die pharmaco-ökonomische Performance von verschiedenen Arzneimitteln,
bewerten und entscheiden über die Höhe bzw. weitere Erstattungsfähigkeit.
In Deutschland übernimmt diese Funktion das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
4
Die Grenzen zwischen den verschiedenen Gesundheitsversorgungsbereichen
verschwimmen laut PwC. Der Bereich für die Selbstmedikation wächst,
aufgrund der steigenden Zahl an vorher verschreibungspflichtigen Produkten,
die in den frei verkäuflichen „Over-the-Counter“-Status (OTC) wechseln499.
5
Die Gesundheitssysteme der Entwicklungs- und Wachstumsmärkte variieren
zu einem hohen Maße und verfügen über eine sehr hohe Nachfrage nach
Arzneimitteln, welche in den nächsten 13 Jahren weiter steigen wird.
6
Viele Regierungen konzentrieren ihre Aktivitäten stärker auf Prävention als
auf Behandlung von Krankheiten, obwohl bisher nicht viel in diesen Bereich
investiert wird.
7
Das Risikobewusstsein der Regulierungsbehörden nimmt ab.
Im Zuge von Problemen mit Neuzulassungen, wie z. B. der Fall Vioxx,
sind Zulassungsbehörden vorsichtiger geworden.
498
499
Vgl. PwC 2009.
OTC= Bezeichnung für Arzneimittel (OTC = over the counter), die nicht verschreibungspflichtig sind
(Selbstmedikation). Je nach Status der Apothekenpflicht für das jeweilige Produkt, sind sie auch im
Einzelhandel außerhalb von Apotheken frei verkäuflich. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz werden
die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich nicht mehr von den Krankenkassen
übernommen.
500
Smith/Colgate 2007, S. 20.
How a product is delivered
(such as gift wrapped or via
a ceremony) and by whom
(such as the manager of a
car dealership) can create
symbolic value.
Fulfilling delivery promises and
how a product is delivered
(such as the presentation of
a meal) can enhance the
customer experience – as can
pride of ownership and product
potency (future potential).
Correct, accurate, and timely
fulfillment processes (such as
order taking, picking/packing,
and delivery) provide
functional/instrumental value.
Ownership/
Possession
Transfer
Where a product is purchased
or consumed can provide
personal, social, or sociocultural
meaning and can enhance
self-worth and expression –
a cup of coffee at an outdoor
café may have more symbolic
value than coffee at home
Features and attributes of the
purchasing or consumption
environment such as music,
ambiance, and atmosphere
can create sensory, emotional,
and epistemic experiences
for customers.
Environment
(purchase and
Consumption)
Furniture, fixtures, lighting,
layout and other decorative
features and attributes of the
purchasing or consumption
environment contribute to
functional/instrumental value
by enhancing or detracting
from product performances
and outcomes.
Sales call frequency and
duration, service interactions
and responsiveness, and
interactions with systems
(such as the telephone, billing,
or customer support system)
provide or enhance desired
performances and outcomes.
Interactions
(with employees
and systems)
Products enhance consumer
self-concepts (e.g., Mac
cosmetics), provide personal
meaning (e.g., Campbell´s
soup), offer self-expression
(e.g., Gap dothes),
and provide social meaning
(e.g., Hallmark cards).
Staff and system interactions
can make customers feel better
about themselves and provide
personal meaning to customers;
privileged interactions support
status and prestige.
Equity policies can enhance
sociocultural meaning.
They provide sensory
(e.g., restaurants), emotional
(e.g., Six Flags), relational
(e.g., board games), and
epistemic (e.g., Disney Land)
experiences: augmenting goods
(e.g., IKEA) or as the focal
product (e.g., Club Med).
Products directly provide
features, functions, and
characteristics that allow
performances and outcomes
Products
Can position a product, help
consumers identify with the
product, help them make
associations, and interpret
meaning.
Service attributes, such as
staff politeness, friendliness,
or empathy, create sensory
emotional, relational, and
epistemic experiences for
customers, as do service
recovery, customer support,
and other systems.
Copy and creativity can provide
or enhance sensory, emotional,
relational, and epistemic
experiences.
Information informs, educates,
and helps customers realize
performance and outcomes.
Self-identity/worth
Personal meaning
Self-expression
Social-expression
Conditional meaning
•
•
•
•
•
•
•
•
•
• Correct/accurate attributes
• Appropriate performances
• Appropriate outcomes
Sensory
Emotional
Social/relational
Episterric
Symbolic/Expressive
Value
Types of Value
Experiental/Hedonic
Value
Functional/Instrumental
Value
Information
Sources
of Value
Customer Value Creation Framework
Economic
Psychological
Personal investment
Risk
Can be enhanced with
Payment terms, delivery
Options, return policies,
Billing accuracy, order tracking
Systems, access to supplier
Personnel, and dispute
Resolution procedures.
Contributes to the economic
coast of a product (e.g., popcorn
at a movie theater),
psychological cost (such as
finding parking downtown),
personal investment (how
much searching is required),
and risk (personal safety).
Interactions with people and
systems (such as electronic
data interchange) add to or
reduce the economic and
psychological cost of a product
and increase or reduce the
personal investment required to
acquire and consume the product.
Product price and augmented
product considerations, such
as operating costs, assembly,
ease of use, warranty, and
service terms, help to reduce
coast and sacrifices.
Helps consumers evaluate
alternatives; make more
informed, faster, and less
stressful decisions; helps lower
prices by greater competition.
•
•
•
•
Cost/Sacrifice
Value
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XVIII
XVIII
Appendix
A. 2 Customer Value Framework500
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XIX
XIX
Appendix
A. 3 Übersicht der Forschungsthemen im Pharmamarketing501
Forschungsthema
Publikationen
Marketingmix
Chintagunta, P. K. und Ramarao D. (2005): Strategic Pricing and Detailing
Behavior in International Markets.
(Relative
Bedeutung
der Instrumente
des Pharmamarketing)
Gehring, W. (1992): Pharma-Marketing : Instrumente, Organisation und Methoden
Manchanda, P. and Honka, E. (2005): The Effects and Role of Direct-to-Physician
Marketing in the Pharmaceutical Industry: An Integrative Review
Mizik, N. und Jacobson, R. (2004): Are Physicians „Easy Marks“? Quantifying
the Effects of Detailing and Sampling on New Prescriptions
Moss, G. und Schuiling, I. (2004): A brand logic for pharma?:
A possible strategy based on FMCG experience
Wadman, R. und Hütt, R. (2004): The need for a new go-to-market strategy in
Europe: How to survive and thrive in the new more complex healthcare marketplace
DtP & DtC
Instrumente
Venkataraman, S. und Stremersch, S. (2007): The debate on influencing doctors`
decisions: Are drug characteristics the missing link?
(Response
Funktionen
von Ärzten auf
Aktivitäten des
Pharmamarketing)
Bhatia, T., Manchanda, P. und Nair, H. (2006): Asymmetric Peer Effects in
Physician Prescription Behavior: The Role of Opinion Leaders
Manchanda, P. et al. (2005): Understanding Firm, Physician and Consumer Choice
Behavior in the Pharmaceutical Industry
Leeflang, P., Wieringa, J. E. and Wittink, D. R. (2005): Modeling the Effects
of Promotion Expenditures on the Sales of Pharmaceuticals
Manchanda, P. und Chintagunta, P.K. (2004): Responsiveness of Physician
Prescription Behavior to Salesforce Effort: An Individual Level Analysis
Manchanda, P., Rossi, P.E. und Chintagunta, P.K. (2004): Response Modeling
with Nonrandom Marketing-Mix Variables
Mizik, N. und Jacobson, R. (2004): Are Physicians „Easy Marks“? Quantifying the
Effects of Detailing and Sampling on New Prescriptions
Gönül, F., Carter, F., Petrova, E. und Srinivasan, K. (2001):
Promotion of Prescription Drugs and Its Impact on Physicians’ Choice Behavior
Rizzo, J. A. (1999). Advertising and Competition in the Ethical Pharmaceutical
Industry: The Case of Antihypertensive Drugs
Parsons, L. J. und Abeele, P.V. (1981): Analysis of Sales Call Effectiveness
Netzwerke
und Beeinflusser
Van Lier, M. (2007): Netzwerkorientiertes Kundenmanagement am Beispiel der
Pharma-Branche
Burke, M. A., Fournier, G.M. und Prasad, K. (2007): The Diffusion of a Medical
Innovation: Is Success in the Stars?
Manchanda, P. et al. (2005): Understanding Firm, Physician and Consumer Choice
Behavior in the Pharmaceutical Industry
Sun, B., Xie, J. und Cao, H.H. (2004): Product Strategy for Innovators in Markets
with Network Effects
Berndt, E. R., Pindyck, R.S. und Azoulay, P. (2003): Consumption Externalities
and Diffusion in Pharmaceutical Markets: Antiulcer Drugs
Prosser, H., Almond, S. und Walley, T.(2003): Influences on GP`s decision
to prescribe new drugs – the importance of who says what
Van Den Bulte, C. und Lilien, G.L. (2001): Medical Innovation Revisited:
Social Contagion versus Marketing Effort
501
Eigene Darstellung.
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XX
XX
Appendix
A. 4 Übersicht WOM-Modelle470
Word of Mouth und Marketing Aktivitäten in einem Marketingsystem nach Bayus503
In seinem Modell stellt Bayus (1985)
die WOM-Prozesse dar, die durch
gezielte Marketingaktivitäten zwischen
Käufern, Marktteilnehmern, wie
Meinungsbildnern, sowie anderen
Beeinflussern ausgelöst werden.
WOM findet nicht nur zwischen,
sondern auch innerhalb dieser
Gruppen statt. Bayus führt bei den
Marketingaktivitäten auch Public
Relation auf, welche auch als
Bestandteil indirekter Marketingmaßnahmen wahrgenommen werden
können.
Buyers
Other Influential
Populations
▪ reference groups
▪ others (e.g., parents)
Target Market
▪ opinion leaders
▪ followers
Marketing Efforts
▪ advertising
▪ personal selling
▪ promotion
▪ public relations
Word-of-Mouth Modell nach Buttle504
Buttle unterscheidet zwischen Input
und Output WOM, welches die Person
erhält bzw. weitergibt. Zudem ergänzt
er den situativen Kontext in Form
des extrapersonellen Umfelds sowie
anderer Einflussfaktoren, welche
Erwartungen wecken. Im Gegensatz
zu Bayus beleuchtet Buttle das intrapersonelle Umfeld in Form des
„Disconfirmation Process“. Durch
Abgleich von Erwartung und Wahrnehmung bewertet die Person die
Information mit Zufriedenheit,
Unzufriedenheit oder Begeisterung.
SOCIAL
NETWORKS
CULTURE
BUSINESS
CLIMATE
INCENTIVES
INTRAPERSONAL ENVIRONMENT
seeking
giving
delight
INPUT
WOM
OUTPUT
WOM
giving
seeking
DISCONFIRMATION
PROCESS
Expectation: Perception
OTHER
INFLUENCES ON
EXPECTATION
satisfaction
OTHER
BEHAVIOURS
dissatisfaction
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma nach Niessing505
Niessing, 2007, nimmt den
„Disconfirmation Process“ auf
und entwickelt ihn weiter zum
C/D-Paradigma. Anhand des Abgleichs
von Soll- und Ist-Leistung des
Produktnutzens erfolgt wie im Modell
nach Buttle die Bewertung in Form
von Begeisterung, Zufriedenheit und
Unzufriedenheit. Niessing ergänzt
den nächsten Schritt und leitet daraus
ab, welche WOM-Form bzw. welche
Kundenreaktion erfolgt.
Produktnutzung
Ist-Leistung
>
Soll-Leistung
Ist-Leistung
=
Soll-Leistung
Ist-Leistung
<
Soll-Leistung
positive
Disconfirmation
Confirmation
negative
Disconfirmation
Begeisterung
Zufriedenheit
Unzufriedenheit
Wiederkauf
positive Mundwerbung
(Weiterempfehlung)
negative
Mund- Abwanderung Beschwerde
werbung
World-of-Mouth
502
Vgl. Eigene Darstellung in Anlehnung an Bayus, 1985, Buttle, 1998, Niessing, 2007.
Vgl. Bayus, 1985, S. 33.
504
Vgl. Buttle, 1998, S. 245.
505
Vgl. Niessing, 2007, S. 117 in Anlehnung an Homburg/Becker/Hentschel, 2005, S. 97.
503
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXI
Appendix
XXI
A. 5 Qualifikationsabhängige Einflussnetzwerke:
Bedeutung der Marktpartner auf den Verschreibungsentscheid im Netzwerk von GP, Spitalarzt und Spezialist506
506
Vgl. van Lier, 2007, S. 178 (Basis: Ärztebefragung; n=579).
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXII
XXII
Appendix
A. 6 Auflistung Gesprächspartner der explorativen
Expertengespräche
Gesprächspartner „Marketingexperte“
#
Unternehmen
1
ReiseMED
2
Respipharma
3
Respipharma
4
A
5
Vaximed
6
B
7
Vaximed
8
Respipharma
9
C
10
D
Unternehmensgröße
Funktion
Interview
Datum
Dokumentation
< 50
Marketingleiter (bis 2010)
telefonisch
05.03.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
Marketingleiter Rx
telefonisch
10.03.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
Business Unit Director
telefonisch
10.03.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
Marketingleiter
telefonisch
11.03.2011
Notizen + Transkript
< 5000
CEO
telefonisch
13.03.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
CEO
telefonisch
14.03.2011
Notizen + Transkript
< 5000
Marketingleiter (bis 2010)
telefonisch
16.03.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
CEO (bis 2011)
telefonisch
01.04.2011
Notizen + Transkript
< 5000
Marketingleiter
telefonisch
06.04.2011
Notizen + Transkript
> 10.000
Medical Director
telefonisch
14.04.2011
Notizen + Transkript
Gesprächspartner „Arzt“
Niedergelassen Alter
über
35-59
5Jahre
PKV
Anteil
Beanspruchte
Leistungen
Interview
Datum
Dokumentation
Ja
<10%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.-Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
Ja
Ja
10-20%
Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen +Transkript
API
Ja
Ja
<10%
Wissenschaftl.
Fortbildung, Pat.- Aufklärung/
-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
4
API
Ja
Ja
20-35%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
5
API
Ja
Ja
20-35%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/
-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
6
API
Ja
Ja
20-35%
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
7
API
Ja
Ja
20-35%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
8
API
Ja
Ja
35-50%
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
9
API
Ja
Ja
<10%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
10
API
Ja
Ja
35-50%
Unterstützung im PM,
Wissenschaftl. Fortbildung,
Pat.- Aufklärung/-broschüren
persönlich
11.05.2011
Notizen + Transkript
#
Arzt
1
API
Ja
2
API
3
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXIII
XXIII
Appendix
A. 7 Leitfäden für explorative Expertengespräche
Leitfaden explorative Expertengespräche „Marketingmanager“
Vorabinformation an Marketingmanager
Forschungsprojekt „Indirect Marketing“
Inhalt:
Pharmazeutische Unternehmen stehen bezüglich der Kommunikation mit
einer ihrer Hauptzielgruppen, den niedergelassenen Ärzten, vor massiven Herausforderungen. Aufgrund gesetzlicher Restriktionen und neuer Entwicklungen in der Pharmabranche ist es im Gegensatz zu anderen Branchen nicht
möglich, alle kommunikationspolitischen Instrumente anzuwenden.
Marketing trägt zudem immer seltener zu einer nachweislichen Steigerung
der Umsätze bei, da die angesprochenen Zielgruppen die vermittelte Botschaft aufgrund der hohen Anzahl an Werbekontakten pro Tag nicht mehr aufnehmen. Leistungen gleichen sich an und der Handlungsspielraum des
Marketing nimmt aufgrund des hohen Standards der bestehenden Maßnahmen ab. Selbst mit einem großen Aufwand können nur noch geringe Verbesserungen erzielt werden. Die verstärkten direkten Marketingaktivitäten zur
Erhöhung der Kundenbindung führen zunehmend zur Ablehnung und Reaktanz der Kunden gegenüber dieser Maßnahmen, die auf Beeinflussung des
Kaufverhaltens abzielen und als solche enttarnt werden.
Somit ist das Pharmamarketing auch nur begrenzt in der Lage, einen Zusatznutzen für das Unternehmen zu erbringen. Für Pharmaunternehmen stellt sich
demnach die Frage, wie es trotz dieser Einschränkungen gelingt, Marketingmaßnahmen zu entwickeln und anzuwenden, um die Kaufentscheidung dennoch zu beeinflussen.
Eine vielversprechende Möglichkeit stellen Maßnahmen des Indirect Marketing dar. Indirect Marketing umfasst alle Maßnahmen zur Förderung des Verkaufs der eigenen Marktleistung, welche über indirekte Leistungen erfolgen,
d.h. über Leistungen, welche nicht der Hauptleistungserstellung und -verwertung entspringen, mit ihr jedoch in einem kommunikatorischen, verhaltensmässigen oder imagemässigen Zusammenhang stehen (Vgl. Weinhold,
1984).
Bisher sind allerdings keine Modelle vorhanden, welche diejenigen Maßnahmen erfassen und beschreiben, die in einem gesetzlich regulierten und eingeschränkten Markt wie dem Pharmamarkt Anwendung finden können.
Ziel des Forschungsprojektes ist es daher, indirekte MarketingMaßnahmen
innerhalb regulierter Märkte zu untersuchen, Möglichkeiten für Pharmaunternehmen eines gezielten Einsatzes zu ermitteln, deren Wahrnehmung
und Wirkung bei der Zielgruppe „Arzt“ zu analysieren, sowie adäquate
Management-Lösungen abzuleiten.
Konstanz im März 2011
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXIV
XXIV
Appendix
Interviewleitfaden
(60 – 75 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Ziel des Interviews
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
1.
Einführung
•
Für welchen Aufgabenbereich sind Sie im Unternehmen zuständig?
•
Seit wann sind Sie im Marketing (für verschreibungspflichtige Arzneimittel) tätig?
•
Wie sieht Ihr bisheriger beruflicher Werdegang aus?
2.
Ausgangslage
Wie ist die Ausgangslage in Bezug auf Reglementierungen in Ihrem Markt?
•
In welchem Markt sind sie aktiv? Welches Indikationsgebiet?
•
Welche Zielgruppen sprechen Sie an? Ärzte, Patienten, Apotheker, Payer
•
Welchen Einschränkungen unterliegt Ihr Unternehmen im Marketing?
Vermarktung der Produkte, Gesetze, Widerstände der Kunden, neue
Verhaltensweisen der Kunden, Konkurrenzdruck, etc.
•
Was ist Ihrer Meinung nach das Problem des Pharmamarketing in der heutigen
Zeit?
•
Welche Probleme/Schwierigkeiten können bei der Kommunikation mit dem
Kunden „Arzt“ durch den Einsatz bestimmter Marketingaktivitäten auftreten?
konkrete Situationen
•
Welche Probleme/Schwierigkeiten können bei der Kommunikation mit dem
Kunden „Patient“ durch den Einsatz bestimmter Marketingaktivitäten auftreten?
konkrete Situationen
3.
Kundenbedürfnisse
Welche Bedürfnisse haben Ihre Kunden, die Ärzte?
•
Über welche Grund- und Zusatzbedürfnisse verfügen Ärzte? Was denken Sie,
ist einem Arzt wichtig? außer dem wirksamen und sicheren Medikament
•
Welche Bedürfnisse müssen erfüllt werden, um eine Beeinflussung der
Zielgruppe zu erreichen?
•
Durch welche zusätzlichen Maßnahmen der Pharmaindustrie und deren
Partner können diese befriedigt werden? Durch welche Services erfüllen
Pharmaunternehmen diese Erwartungen?
•
Durch welche Maßnahmen gelingt/gelang es, Ärzte vom Unternehmen und
den Produkten zu begeistern? Services/Leistungen ohne Produktbezug
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXV
XXV
Appendix
4.
Arten von Indirect Marketing
Welche Arten von Indirect Marketingmaßnahmen kennen Sie und setzen Sie ein?
•
Was verstehen Sie unter indirektem Marketing?
falls andere Definition, Weinhold Definition erläutern
•
Welche indirekten Marketingmaßnahmen kennen Sie?
eigene Firma, andere Pharmaunternehmen, andere Unternehmen außerhalb
Pharma (Leistungen ohne Produktbezug)
•
Haben Sie bereits Erfahrungen mit indirekten Marketingmaßnahmen sammeln
können?
•
Welche Bedeutung haben indirekte Marketingmaßnahmen für die
Marketingplanung Ihres Unternehmens? Über welchen Anteil verfügen
indirekte Maßnahmen in Ihrem Marketing-Mix?
•
Welche Ziele verfolgen Sie generell mit indirektem Marketing?
monetär vs. nicht monetär, Image, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung,
Verschreibungsrate
•
Welche indirekten Marketingmaßnahmen setzen Sie ein?
Fragen auf genannte Maßnahmen beziehen und konkretisieren
I.
Verwenden Sie unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Kunden?
Weshalb?
II.
Verwenden Sie unterschiedliche Maßnahmen in unterschiedlichen
Konsumphasen?
III.
Wie schätzen Sie folgende Einteilung der indirekten Marketingmaßnahmen ein: Medikament/Indikation/Praxisleistung/Lebenserfüllung?
Leistungsschalen nach Schlegel
IV.
Fehlen Ihrer Meinung nach weitere Arten?
•
Welche der genannten Bedürfnisse, denken Sie, konnten Sie mit diesen
Maßnahmen befriedigen?
•
Was sind für Sie Erfolgskriterien einer Indirect Marketingmaßnahme?
Denken Sie zurück an eine vergangene indirekte Maßnahmen, die erfolgreich
war. Woran lag es Ihrer Meinung nach? Was muß passieren, damit eine
indirekte Maßnahme einen Einfluss auf die Verschreibung hat? Kennen Sie
eine Maßnahme die das kann?
5.
Erfolgsfaktoren
Was sind für Sie Erfolgsfaktoren der unterschiedlichen indirekten
Marketingmaßnahmen?
Fragen pro Art indirekter Maßnahme durchgehen
•
Für welches Ziel setzen Sie diese Art indirekter Maßnahmen ein?
•
Wann sind Ihrer Meinung nach indirekte Marketingmaßnahmen dieser Art
erfolgreich in Bezug auf…
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXVI
XXVI
6.
Appendix
I.
die Konfiguration/Zusammenstellung der indirekten Maßnahme?
Wie gelingt es, die spezifischen Kundenerwartungen durch indirekte Maßnahmen zu erfüllen? Wie gelingt es Kunden zu begeistern?
II.
die Kommerzialisierung der indirekten Maßnahme?
Wie gelingt es indirekte Maßnahmen zu vermarkten? Wie gelingt es durch
indirekte Maßnahmen den Abverkauf/die Verschreibung der Arzneimittel
zu erhöhen?
III.
die Kommunikation der indirekten Maßnahme?
Über welche Kanäle werden indirekte Maßnahmen wirksam nach innen
und außen kommuniziert? Wie läßt sich Mund zu Mund-Kommunikation
initialisieren und ausbauen? Auf was ist bei der Kommunikation zu achten?
Absender? Inhalt der Botschaft?
IV.
Kooperationen?
Welche Bedeutung haben Kooperationen mit externen Partnern für eine
erfolgreiche Umsetzung indirekter Maßnahmen? Mit welchen externen
Partnern haben Sie indirekte Maßnahmen gestaltet und durchgeführt?
Worauf ist bei der Gestaltung der Kooperationsprozesse zwischen den
Unternehmen zu achten?
V.
benötigte Kompetenzen und Ressourcen?
Über welche Kompetenzen und Ressourcen muss das Unternehmen
verfügen, um indirekte Maßnahmen erfolgreich zu vermarkten?
Zukünftige Entwicklungen des indirekten Marketing
Wie können zukünftige Entwicklungen des indirekten Marketing in Ihrem Markt
aussehen?
•
In welche Richtung entwickelt sich Ihr Markt? Nehmen die Reglementierungen
zu oder werden diese beseitigt, z. B. aufgrund europäischer Richtlinien?
•
Wo sehen Sie Entwicklungspotenziale in Bezug auf die Anwendung und das
Management indirekter Maßnahmen?
7.
Abschluss
•
Möchten Sie aus Ihrer Sicht noch Aspekte zu der Thematik nennen, die im
Interview zu wenig berücksichtigt wurden?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXVII
Appendix
XXVII
Leitfaden explorative Expertengespräche „Ärzte“
Interviewleitfaden
(60 – 70 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Ziel des Interviews
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
•
Hinweis auf Meldungspflicht von Nebenwirkungen
1.
Einführung
•
Wie alt sind Sie?
•
Wo arbeiten Sie? Art und Größe der Praxis
•
Beschreiben Sie bitte kurz Ihren Patientenstamm? PKV vs. GKV, städtisch vs.
ländlich, akut vs. chronisch
2.
Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen
Um einen Einblick in Ihre tägliche Arbeit zu bekommen, möchte ich thematisch gern
wie folgt in dieses Interview einsteigen: Wenn wir einmal über Herausforderungen
im Arztalltag reden...
•
Welchen Herausforderungen sehen Sie sich als Arzt gegenüber?
Insbesondere aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen,
wie AMNOG usw.
•
Was machen Sie, um sich diesen Herausforderungen zu stellen? Wie gehen Sie
diese Herausforderungen an? Wo suchen Sie sich persönlich Unterstützung?
Sie haben ja im Alltag auch mit vielen Pharmaunternehmen zu tun. Manche dieser
Unternehmen schätzen Sie sicherlich mehr, andere weniger.
•
Warum schätzen Sie einige Pharmaunternehmen mehr und andere weniger?
Welche?
•
Inwiefern können Pharmaunternehmen Sie dabei unterstützen die Herausforderungen Ihres Praxisalltages zu meistern?
INTERVIEWER: BLATT A vorlegen
Ich habe hier eine Liste mit einer beliebigen Auswahl von verschiedenen Pharmaunternehmen. Bitte schauen Sie sich diese Liste einmal an und sagen mir, mit
welchen dieser Unternehmen Sie viel zu tun haben. Sie können diese Liste auch
gern ergänzen.
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXVIII
XXVIII
Appendix
•
Warum haben Sie gerade mit diesem Unternehmen viel zu tun? Woran
liegt das? Warum haben Sie mit anderen Unternehmen weniger zu tun?
Gründe ausführlich explorieren
•
Wie würden Sie die Beziehung zu den Unternehmen beschreiben, mit denen Sie
zusammenarbeiten? Zu welchem Unternehmen haben Sie eine besonders gute
Beziehung? Woran liegt das?
•
In welchen Bereichen wünschen Sie sich persönlich eine größere Unterstützung
durch die Pharmaunternehmen? In welcher Form wünschen Sie sich diese
Unterstützung?
3.
Serviceleistungen von Pharmaunternehmen
•
Wie können Pharmaunternehmen Sie in Ihrem Alltag unterstützen?
•
Was geht Ihnen spontan durch den Kopf, wenn Sie von „Serviceleistungen von
Pharmaunternehmen“ hören? Was für Leistungen fallen Ihnen da spontan ein?
•
Welchen Nutzen haben Sie davon? Welche dieser Leistungen haben einen
besonders großen Nutzen für Sie persönlich? Warum? Auf welche(s) Ihrer
Bedürfnisse wird hier eingegangen? Welche Kriterien muss eine solche Leistung
erfüllen, damit auf dieses Bedürfnis durch die Leistung eingegangen wird?
Was ist generell wichtig bei Leistungen dieser Art? Welche Kriterien müssen Sie
erfüllen? Warum? Was ist der Mehrwert für Sie, wenn diese Kriterien erfüllt sind?
INTERVIEWER: BLATT B vorlegen
Ich habe hier eine Liste vorbereitet mit verschiedenen Themenbereichen, die
Serviceleistungen von Pharmaunternehmen abdecken können. Schauen Sie sich
diese Liste doch bitte einmal an.
•
Ist diese Liste Ihrer Meinung nach vollständig oder müssen noch andere
Themenbereiche ergänzt werden? Welche?
•
In welchem dieser Bereiche wurden Ihnen schon einmal Serviceleistungen von
einem Pharmaunternehmen angeboten? Was genau waren das für Leistungen?
•
In welchem dieser Bereiche haben Sie schon einmal Serviceleistungen von einem
Pharmaunternehmen in Anspruch genommen? Warum? Was hat Sie motiviert
diese Leistung(en) in diesem Fall / in diesen Fällen in Anspruch zu nehmen?
•
Können Sie sich an eine Leistung aus einem dieser Themenbereiche erinnern,
die für Sie persönlich besonders hilfreich oder wertvoll war? Welche? Warum
war diese Leistung besonders hilfreich/wertvoll für Sie?
•
Und können Sie sich auch an eine Leistung aus diesen Themenbereichen
erinnern, die am Ende nicht Ihren Erwartungen entsprach? An welche? Warum
entsprach diese nicht Ihren Erwartungen? Was hätte man daran ggf. verbessern
müssen?
•
Was ist mit Leistungen von Pharmaunternehmen, die nicht direkt Ihnen,
sondern beispielsweise den Kollegen, den Patienten, usw. angeboten werden?
Wie bewerten Sie diese im Hinblick auf Ihren Nutzen?
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXIX
XXIX
Appendix
•
Welche Leistungen wünschen Sie sich? Wo sehen Sie im Arztalltag Raum
für weitere Unterstützung? Warum gerade in diesem Bereich?
•
Schauen wir doch noch einmal auf diese Liste mit den Pharmaunternehmen
(Blatt A): Welche dieser Unternehmen bieten
◦
besonders viele
◦
besonders hilfreiche
Serviceleistungen in diesen Themenbereichen an?
•
Verschreiben Sie die Präparate dieser Unternehmen auch öfter, wie die anderer
Unternehmen? Warum? Präparate welcher Unternehmen verschreiben Sie
stattdessen? Warum?
•
Aus Sicht eines Pharmaunternehmens: Welche Leistungen würden Sie
selbst den Ärzten verstärkt anbieten? Warum? Würden Sie diese Leistungen
kostenpflichtig anbieten? Warum?
4.
Evaluation potenzielle Erfolgsfaktoren
Ich möchte jetzt noch einmal etwas allgemeiner zu sprechen kommen auf die
Gesamtheit von Serviceleistungen von Pharmaunternehmen, die keinen direkten
Produktbezug haben. Wir haben einige Punkte schon an konkreten Beispielen
diskutiert. Lassen Sie uns doch bitte noch einmal zusammenfassen:
•
Was glauben Sie persönlich hat alles Einfluss darauf, dass solche
Serviceleistungen einen Mehrwert für Sie darstellen?
INTERVIEWER: Begriffe von Blatt C auf Karteikarten vorlegen
Ich habe mir vor diesem Interview auch schon ein paar Gedanken gemacht und einige
Faktoren, die über den Erfolg oder Misserfolg solcher Serviceleistungen entscheiden
können, aufgeschrieben. Bitte schauen Sie sich diese Punkte doch einmal an.
Für jeden einzelnen Faktor diskutieren:
◦
Verständnis des Faktors
◦
Ausprägung des Faktors (Je mehr, desto ... ?)
◦
Relevanz des Faktors in Bezug auf die Gesamtzufriedenheit
•
Welcher dieser Faktoren ist für einen Erfolg der jeweiligen Leistung am
wichtigsten? Warum?
•
Welcher dieser Faktoren ist für einen Erfolg der jeweiligen Leistung am
wenigsten wichtig? Warum?
5.
Beschreibung des Verschreibungsverhaltens
Wenn wir jetzt einmal über die Verschreibung von Präparaten reden…
•
Gibt es ein Pharmaunternehmen, dessen Produkte Sie häufiger verschreiben?
Welches? Warum?
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXX
XXX
Appendix
INTERVIEWER: BLATT A zum Vergleich vorlegen.
•
Gibt es besondere Kriterien, welche die freie Auswahl der medikamentösen
Behandlung einschränken?
Herleitung anderer Zielgruppen, die Einfluss auf die Entscheidung haben:
Apotheker, Patienten, KV, Gesundheitspolitik.
•
Inwiefern spielen folgende Kriterien eine Rolle? Welches Kriterium ist das
Wichtigste?
INTERVIEWER: Auf Karteikarten vorlegen und Rangreihe bilden lassen.
◦
Wirksamkeit, Wirkmechanismus des Präparats
◦
Nebenwirkungsprofil
◦
Studien
◦
Leitlinien
◦
Vorgaben der (Fach-)Kollegen
◦
Preis / Erstattungsfähigkeit
◦
Regressangst
◦
Reputation des Anbieters/Herstellers
◦
Sympathie des Anbieters/Herstellers
◦
Sympathie des Pharmareferenten
INTERVIEWER: BLATT A vorlegen
Ich habe hier noch einmal die Liste mit einer beliebigen Auswahl von verschiedenen
Pharmaunternehmen. Bitte schauen Sie sich diese Liste einmal an und sagen mir,
von welchem dieser Unternehmen Sie (gefühlt) besonders häufig Präparate verschreiben. Gern können Sie die Liste auch noch ergänzen.
•
Warum verschreiben Sie die Präparate dieses Unternehmens besonders häufig?
Gibt es dafür einen besonderen Grund? Welchen?
6.
Zusammenfassung und Abschluss
•
Wir haben jetzt lange über Serviceleistungen, die von Pharmaunternehmen
angeboten oder vermittelt werden gesprochen.
•
Was glauben Sie vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen: Werden
solche Leistungen von den Ärzten (auch in Zukunft) eher begrüßt oder eher
abgelehnt?
•
Wie müssten diese Leistungen angeboten/vermittelt werden, so dass diese eher
begrüßt werden?
•
Gibt es noch einen Punkt, den Sie persönlich zu diesem Thema noch einbringen
möchten? Haben wir einen Themenbereich Ihrer Meinung nach zu kurz oder gar
nicht besprochen?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXI
Appendix
Blatt A:
Auflistung von 21 Pharmaunternehmen auf dem deutschen Pharmamarkt in
alphabetischer Reihenfolge. Zur Gewährleistung der durchgehenden Anonymität
der untersuchten Unternehmen, wird diese Liste hier nicht aufgeführt.
Blatt B:
Kongress
Wissenschaftliche Fortbildung
Weiterbildung/Schulung des Praxispersonals
Patientenbroschüre
Patientenaufklärung
Fachbuch
Praxissoftware
Praxismaterial
Informationsplattform im Internet für Fachpersonal
Informationsplattform im Internet für Patienten
Indikationsspezifisches Material
Werbung
Sonstiges, und zwar: __________________________________
Blatt C:
Unabhängigkeit
Vertrauenswürdigkeit
Kompetenz
Reputation
Freundschaftsgrad
Sympathiegrad
Persönliche Relevanz
Stärke der Argumente der vermittelten Botschaft
Übereinstimmung der Botschaft mit den eigenen Erfahrungen
Wahrgenommene Qualität
Glaubwürdigkeit
Kosten
XXXI
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXII
XXXII
Appendix
A. 8 Auflistung Gesprächspartner Fallstudien Interviews
Gesprächspartner „Marketingexperte“
#
Fallstudie
Unternehmen
Funktion
Interview
Datum/Uhrzeit
Dokumentation
Notizen + Transkript
1
Med. Beratungsservice
Pharmacon
Marketingleiter
telefonisch
23.08.2011/
17 Uhr
2
Aufklärungskampagne
Vaximed
Marketingleiter
telefonisch
12.09.2011/
18 Uhr
Notizen + Transkript
3
Internetinformationsplattform
Respipharma
Senior Brand
Manager
telefonisch
22.09.2011/
18 Uhr
Notizen + Transkript
Vaximed
Marketingleiter
Reisemed
telefonisch
22.08.2011/
13 Uhr
Notizen + Transkript
Notizen + Transkript
4
Reisemed. Service
5
Notfalltraining
6
kinderwelten Award
Respipharma
Pharmareferent
telefonisch
16.09.2011/
17 Uhr
Vaximed
CEO
telefonisch
11.10.2011/
17 Uhr
Notizen + Transkript
Gesprächspartner „Arzt“
Arzt
Leistung
beansprucht
Interview
Datum/Uhrzeit
Dokumentation
Med. Beratungsservice
Pädiater
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
13 Uhr
Notizen + Transkript
Med. Beratungsservice
API
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
14.30 Uhr
Notizen + Transkript
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
16 Uhr
Notizen + Transkript
12.10.2011/
16 Uhr
Notizen + Transkript
#
Fallstudie
1
2
3
Med. Beratungsservice
Pädiater
4
Med. Beratungsservice
Pädiater
Ja
Frankfurt,
persönlich
5
Med. Beratungsservice
Pädiater
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
14.30 Uhr
Notizen + Transkript
6
Med. Beratungsservice
Pädiater
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
16 Uhr
Notizen + Transkript
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
17.30 Uhr
Notizen + Transkript
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
17.30 Uhr
Notizen + Transkript
14.10.2011/
17.30 Uhr
Notizen + Transkript
7
8
Aufklärungskampagne
Aufklärungskampagne
API
API
9
Aufklärungskampagne
API
Ja
München,
persönlich
10
Aufklärungskampagne
API
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
19 Uhr
Notizen + Transkript
11
Internetinformationsplattform
API
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
14.30 Uhr
Notizen + Transkript
12
Internetinformationsplattform
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
19 Uhr
Notizen + Transkript
12.10.2011/
14.30 Uhr
Notizen + Transkript
API
13
Reisemed. Service
API
Ja
Frankfurt,
persönlich
14
Reisemed. Service
API
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
19 Uhr
Notizen + Transkript
15
Reisemed. Service
API
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
16 Uhr
Notizen + Transkript
Ja
Frankfurt,
persönlich
12.10.2011/
19 Uhr
Notizen + Transkript
Notizen + Transkript
Notizen + Transkript
16
Notfalltraining
17
Notfalltraining
18
kinderwelten Award
API
API
Ja
telefonisch
07.11.2011/
13 Uhr
Pädiater
Ja
München,
persönlich
14.10.2011/
13 Uhr
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXIII
Appendix
XXXIII
A. 9 Leitfäden für Fallstudien Interviews
Leitfaden Fallstudien Interviews „Marketingmanager“
Interviewleitfaden
(60 – 90 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Ziel des Interviews
(Definition des jeweiligen Cases als eine Leistung des indirekten Marketing)
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
1.
Einführung und Hintergrundinformation
•
Bitte beschreiben Sie das Unternehmen in dem Sie tätig sind/waren.
•
Beschreiben Sie bitte das Indikationsgebiet, in dessen Rahmen die IL stattfand.
•
Bitte beschreiben Sie Rahmenbedingungen/Ausgangslage/Wettbewerbslage.
generisch, patentgeschützt etc.
•
Bitte beschreiben Sie die angesprochene IL: Was genau ist/war die IL, die Sie
anbieten/angeboten haben?
2.
Situative Faktoren
•
Wie ist die Position des Produktes, der Kernleistung, im Produktlebenszyklus?
•
Wie ist die Indikation einzustufen, z. B. Prävention, akut gefährlich, akut
ungefährlich, chronisch gefährlich, chronisch ungefährlich?
•
Welche Eigentumsverhältnisse herrschen im Unternehmen? Familie oder AG
•
Welche Philosophie verbirgt sich hinter Familie vs. AG?
•
Existieren eigene Außendienstaktivitäten?
•
Bitte beschreiben Sie den gesamten Marketingmix des Unternehmens.
•
Fallen Ihnen noch weitere situative Faktoren ein, welche einen Einfluss auf
den Erfolg der IL haben können?
3.
Erfolgsmessung: qualitativ und quantitativ
•
Was ist für Sie Erfolg im Unternehmen?
•
Was bedeutet Erfolg einer IL?
•
Wie messen Sie Erfolg? Warum qualitativ? Warum quantitativ?
•
Qualitativ: Rückmeldung von Innen- und Außendienstmitarbeitern, Rückmeldung
von Ärzten, Optimierung der Zusammenarbeit; Steigerung der Reputation in der
Zielgruppe, in der Branche, in der Politik, in der Gesellschaft.
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXIV
XXXIV
Appendix
•
Quantitativ: Steigerung Rezeptzahlen, Steigerung direkter Umsatz, Steigerung
Awarenesszahlen, Zusammenhang mit Verschreibungsrate
•
Was macht, Ihrer Meinung nach, den Erfolg einer IL aus?
•
Wie wurden die Erfolgsaussichten vor Start der IL eingeschätzt?
4.
Zielsetzung Indirekte Leistungen
•
Welche Ziele (kurz/langfristig) verfolgen Sie mit dieser IL?
•
Welche Zielgruppe sprechen Sie mit der IL an?
•
In welche Leistungsgruppe gehört die IL?
Indikation, Praxisleistung, Image
•
Welche Bedürfnisse der Zielgruppe sollen mit Leistung befriedigt werden?
•
Wurde die Zielgruppe segmentiert? Falls ja: In welche Segmente?
•
Wie sah der komplette Kommunikationsmix der Kampagne für das Produkt
aus, in dessen Rahmen die IL Anwendung fand? War IL einzige Maßnahme?
5.
Gestaltungsfaktoren
5.1 Konfiguration
•
Welchen Mehrwert liefert die IL?
falls nicht genannt Customer Value Creation-Framework durchgehen:
I.
Sources of Value: Information, Products, Interactions, Environment, Ownership
II.
Types of Value: Functional Value, Experiental Value, Symbolic Value,
Cost/Sacrifice Value
•
Wo setzt die IL an? In welchem Bereich unterstützt die IL die Zielgruppe?
Wissensmanagement, Zeitmanagement, Praxismanagement, Kostenmanagement, Imageförderung
•
Welchen Ärztetypen sollten durch diese IL besonders angesprochen werden?
Welche Ärztetypen wurden tatsächlich angesprochen? Risikoavers, Guter
Mediziner, Early Adopter
•
Welche Faktoren spielten bei der Konfiguration und für den Erfolg der IL
eine Rolle?
•
Welchen Einfluss hatten folgende Faktoren auf den Erfolg der IL:
I.
Persönliche Relevanz für den Arzt
II.
Übereinstimmung der Botschaft mit eigenen Erfahrungen des Arztes
III.
Stärke der Argumente der übermittelten Botschaft
IV.
Freundschafts-/Sympathiegrad des Unternehmens
V.
Kosten der IL
VI. Reputation des Unternehmens
VII. Vertrauenswürdigkeit
VIII. Glaubwürdigkeit
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXV
XXXV
Appendix
IX. Wahrgenommene Qualität der IL
X.
Kompetenz
XI. Unabhängigkeit
•
Wie stellen Sie sicher, dass die Quelle als
I.
relevant
II.
glaubwürdig
III.
vertrauenswürdig
eingestuft wird?
5.2 Kommerzialisierung
•
Wie hoch ist die Investition/Budget für die IL?
•
Verfügen IL über Multiplikatoreffekte? Wenn ja über welche?
•
Wie wirken sich die Multiplikatoreffekte auf Effizienz und Effektivität der
Maßnahme aus?
•
Welche direkte Umsatzsteigerung der Kernprodukte wurde dadurch erzielt?
•
Weshalb haben IL einen Effekt auf das Verschreibungsverhalten der Ärzte?
•
Welchen Beitrag liefert die IL zum Unternehmenserfolg im Vergleich zu anderen
direkten Maßnahmen des Unternehmens?
•
Wurde IL vermarktet? Wurde ein Preis verlangt? Wie und mit welchen
Argumenten?
•
Konnten Sie die IL zur eigenständigen Leistung entwickeln und vermarkten?
Wäre das möglich?
5.3 Kooperation
•
Wurden Kooperationspartner hinzugezogen? Warum? Welche?
•
Über welche erfolgsrelevanten Eigenschaften verfügten diese
Kooperationspartner?
•
Spielte die Glaubwürdigkeit eine Rolle bei der Auswahl des Partners?
•
Welchen Einfluss haben Kooperationen erfahrungsgemäß auf den Erfolg der IL?
5.4 Kommunikation
•
Welche direkten Informationskanäle an den Arzt werden für die IL verwendet?
•
Welche indirekten Informationskanäle an den Arzt werden für die IL verwendet?
I.
Wie war deren Erfolg?
I.
Wie war deren Erfolg?
II.
Wer sind die Absender der Botschaft?
•
Über welche Eigenschaften verfügen die (Ab-)Sender der Botschaft?
•
Welche Botschaften/Inhalte werden kommuniziert?
•
Werden unterschiedliche Botschaften an unterschiedliche Zielgruppen gesandt?
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXVI
XXXVI
Appendix
Unterschied rationaler/emotionaler Ärztetyp
•
Wurde die IL in Verbindung mit dem Erwerb des Kernproduktes gebracht?
•
Hatte die Verknüpfung mit dem Kernprodukt eine Auswirkung auf den Erfolg?
Welche?
•
Hätte man besser darauf verzichten sollen?
•
Wie kann die Bereitschaft der Ärzte erhöht werden, die IL in Anspruch zu nehmen? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit diese Bereitschaft steigt?
5.5 Kompetenz
•
Über welche bestimmten Fähigkeiten müssen die beteiligten Mitarbeiter
verfügen?
•
Wie wurden die beteiligten Mitarbeiter vorbereitet/geschult?
•
Wie ist die Akzeptanz für die IL im Unternehmen? Welche Hindernisse
existieren?
•
Liefern die IL aus Ihrer Sicht einen strategischen Wettbewerbsvorteil?
6. Abschluss
•
Gibt es noch einen Punkt, den Sie persönlich zu dieser IL noch einbringen
möchten? Haben wir einen Themenbereich Ihrer Meinung nach zu kurz oder
gar nicht besprochen?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXVII
Appendix
XXXVII
Leitfaden Fallstudien Interviews „Ärzte“
Interviewleitfaden
(60 – 70 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Ziel des Interviews
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
•
Hinweis auf Meldungspflicht von Nebenwirkungen
1.
Einführung
•
Wie alt sind Sie?
•
Wo arbeiten Sie? Art und Größe der Praxis
•
Beschreiben Sie bitte kurz Ihren Patientenstamm? PKV vs. GKV, städtisch vs.
ländlich, akut vs. chronisch
2.
Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen
Um einen Einblick in Ihre tägliche Arbeit zu bekommen, möchte ich thematisch gern
wie folgt in dieses Interview einsteigen: Wenn wir einmal über Herausforderungen
im Arztalltag reden...
•
Welchen Herausforderungen sehen Sie sich als Arzt gegenüber?
Insbesondere aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen, wie
AMNOG usw.
•
Was machen Sie, um sich diesen Herausforderungen zu stellen? Wie gehen Sie
diese Herausforderungen an? Wo suchen Sie sich persönlich Unterstützung?
Sie haben ja im Alltag auch mit vielen Pharmaunternehmen zu tun.
•
Inwiefern können Pharmaunternehmen Sie dabei unterstützen die Herausforderungen Ihres Praxisalltages zu meistern?
3.
Serviceleistungen von Pharmaunternehmen
•
Was geht Ihnen spontan durch den Kopf, wenn Sie von „Serviceleistungen von
Pharmaunternehmen“ hören? Was für Leistungen fallen Ihnen da spontan ein?
•
Welchen Nutzen haben Sie von diesen Leistungen? Welche dieser Leistungen
haben einen besonders großen Nutzen für Sie persönlich? Warum? Hat Sie die
Leistung entlastet bei Ihrer Arbeit
•
Was ist Ihnen generell wichtig bei Leistungen dieser Art? Welche Kriterien
müssen Sie erfüllen? Warum? Was ist der Vorteil für Sie, wenn diese Kriterien
erfüllt sind?
•
Welche Serviceleistungen von Pharmaunternehmen haben Sie persönlich schon
in Anspruch genommen? An welche können Sie sich da spontan erinnern?
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXVIII
XXXVIII
Appendix
Interviewer: Falls zu besprechende Leistung genannt, dann weiter mit:
Ich möchte mit Ihnen die Leistung ... (Name Serviceleistung einsetzen) …
im Folgenden etwas genauer besprechen.
Interviewer: Falls zu besprechende Leistung spontan nicht genannt,
dann weiter mit:
Wenn ich recht informiert bin, haben Sie ja auch die Leistung ... (Name Serviceleistung einsetzen) … einmal in Anspruch genommen bzw. nehmen diese noch immer
in Anspruch. Im Folgenden möchte ich diese Leistungen etwas genauer mit Ihnen
besprechen.
4.
Fokussierte Besprechung der spezifischen IL-Fallstudie
•
Bitte beschreiben Sie mir doch einmal die genannte Leistung mit eigenen
Worten.
•
Wer hat diese Leistung angeboten? Welches Unternehmen bzw.
welche Unternehmen standen hinter dieser Leistung? Waren noch andere
Unternehmen involviert?
•
Wie sind Sie ursprünglich auf diese Leistung aufmerksam geworden? Welche
Bedeutung hatte der Pharmareferent in diesem Zusammenhang? Welchen
Einfluss hatte der Pharmareferent auf die Teilnahme an dieser Leistung?
•
Welche Argumente haben Sie letztendlich zur Teilnahme bewegt? Welche
Argumente fanden Sie überzeugend?
•
Wie haben Sie den Mitarbeiter wahrgenommen, der Ihnen diese Leistung
vermittelt hat? Was war das für ein Typ? Wie würden Sie das Verhältnis zu
diesem Mitarbeiter beschreiben?
•
Was haben Sie sich von der Inanspruchnahme dieser Leistung versprochen?
Wurden Ihre Erwartungen in dieser Hinsicht erfüllt? Warum?
•
Wenn Sie noch einmal an die Leistungserbringung zurückdenken: Was ist
Ihnen da sehr positiv bzw. negativ in Erinnerung? Was hätte man ggf. noch
besser machen können, um den Nutzen für Sie zu erhöhen?
•
Worauf lag der Schwerpunkt der Leistung? Bei welchen Alltagsherausforderungen
hat Sie diese Leistung unterstützt bzw. unterstützen sollen? Wissens-, Zeit-,
Kosten- und/oder Praxismanagement
•
In welcher Hinsicht hat Sie diese Leistung im Praxisalltag dann am meisten
unterstützt? Worin bestand für Sie der eigentliche Nutzen? Wer hatte davon
noch alles einen Nutzen?
•
Bei Pharmacon: Was fällt Ihnen spontan zum INKI-Kindergarten ein? Was
gefällt Ihnen daran besonders und was weniger gut?
•
Wurde für die Leistung vom Anbieter ein Preis verlangt? Wären Sie bereit
gewesen einen Preis zu bezahlen? Warum? Wie viel?
•
Was muss erfüllt sein, dass die Zahlungsbereitschaft für so eine Leistung steigt?
•
Ich habe mir im Vorfeld ein wenig Gedanken gemacht, welche Rahmenbedingen
eingehalten werden müssten, damit so eine Leistung einen Arzt wie Sie anspricht.
Lassen Sie uns doch einmal auf die folgenden Begrifflichkeiten schauen.
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XXXIX
Appendix
•
XXXIX
Welche dieser Punkte waren aus Ihrer Sicht für diese Leistung erfüllt?
Und welche Punkte waren wichtig für die Inanspruchnahme der Leistung?
Interviewer: Blatt A vorlegen
•
Haben Sie diese Leistung einmal einer Ihrer Kolleginnen/einem Ihrer
Kollegen weiterempfohlen? Mit welchen Argumenten? Hat die- bzw. derjenige
die Leistung dann auch in Anspruch genommen? Warum?
•
Würden Sie selbst diese Leistung noch einmal in Anspruch nehmen? Warum?
Kommen wir noch einmal auf das Unternehmen zurück, dass diese Leistung
angeboten hat…
•
Was fällt Ihnen spontan zu diesem Unternehmen ein?
•
Wie oft werden Sie in der Regel vom Außendienst dieses Unternehmens
besucht? Wie lange schon? Welche Produkte werden da insgesamt besprochen?
Sind Sie von diesen Produkten insgesamt überzeugt?
•
Welchen Eindruck hatten Sie von den Mitarbeitern, welche die Leistung selbst
erbracht haben? Wie kam dieser Eindruck zustande? Was haben Sie an diesen
Mitarbeitern besonders und was weniger geschätzt?
•
Inwiefern unterstützt Sie dieses Unternehmen über die angesprochene
Leistung hinaus? Welche Ziele verfolgt dieses Unternehmen durch das Anbieten
solcher Leistungen? Was denken Sie: Hat das Unternehmen dieses Ziel bzw.
diese Ziele erreicht?
•
Inwiefern haben sich Ihr Bild von diesem Unternehmen und Ihre Beziehung
zu diesem Unternehmen durch die Inanspruchnahme der Leistung verändert?
Haben Sie die Produkte von diesem Unternehmen häufiger verschrieben?
Welche Produkte? Warum?
•
Hätten Sie die Leistung auch in Anspruch genommen, wenn Sie von einem
anderen Unternehmen angeboten worden wäre? Was wäre dann anders
gewesen?
5.
Zusammenfassung und Abschluss
Wir haben jetzt sehr lange über Serviceleistungen, die von Pharmaunternehmen angeboten oder vermittelt werden gesprochen und uns dabei auch … (Name Serviceleistung einsetzen) … konkret angeschaut.
•
Gibt es noch einen Punkt, den Sie persönlich gern zu diesem Thema noch
einbringen möchten? Haben wir einen Themenbereich Ihrer Meinung nach
zu kurz oder gar nicht besprochen?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XL
XL
Appendix
Blatt A:
Unabhängigkeit der Leistung vom/von den anbietenden Unternehmen
Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter des anbietenden Unternehmens
Kompetenz der Mitarbeiter des anbietenden Unternehmens
Reputation des anbietenden Unternehmens
Sympathie der beteiligten Personen
Übereinstimmung der Unternehmensphilosophie mit den eigenen Ansichten/Werten
Persönliche Relevanz der Thematik
Wahrgenommene Qualität der erbrachten Leistung(en)
Glaubwürdigkeit der durch die Leistung vermittelten Inhalte
Kosten der Leistung(en)
Übereinstimmung der vermittelten Botschaft(en) mit eigenen Erfahrungen
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLI
XLI
Appendix
A. 10 Fallstudie „Pharmacon“: Werte-Arten
"Medizinischer
Beratungsservice"
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Beantwortung
individueller
medizinischer
Fachfragen
- Regelmäßige
Zusendung der
Zeitschrift
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Persönliche Betreuung
durch Ansprechpartner
des Unternehmen
- Anonymität gewährleistet
- Beantwortung der Fragen
durch anerkannte
Experten (KOL)
Zeitnahe Beantwortung
der Anfrage
Anonymität gewährleistet
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
„Praxisrelevante
Fortbildungen“
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
Fachlich und methodisch
versierte Referenten
Integrität durch
Produktneutralität
Beziehungsorientierte
Interaktionen
- Familiäre Ebene durch
Eigentumsverhältnisse
- Plattform zum
wissenschaftlichen
Austausch mit Kollegen
- Direkter Kontakt zu
Geschäftsführer
- Referenten mit hoher
Reputation
Umfeld der
Leistungserbringung
- Veranstaltung in
schönem Ambiente
- Bew irtung inklusive
Prozesse der
Eigentumsübertragung
- Hochw ertige Tages
veranstaltung zu
pädiatrischen Themen
- Aufgearbeitete
und breite Wissensvermittlung
- Festigung des
Erlernten durch
Seminararbeit
- Exaktes
Zeitmanagement
der Fortbildung
- Regelmäßige,
konstante
Durchführung
der Fortbildung
Anonymität gewährleistet
Wahrgenommener Nutzen
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLII
XLII
Appendix
A. 11 Fallstudie „Pharmacon“: Kosten-Arten
"Medizinischer Beratungsservice"
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Kostenlose Schließung von Wissenslücken und damit Risiken
- Kostenlose Zeitschrift
- Reduktion des pers. Investments zur Wissensgenerierung
- Reduktion des pers. Investments zur Erlangung
von CME-Punkten
Beziehungsorientierte Interaktionen
Reduktion der psych. Kosten durch
glaubwürdige Experten
Umfeld der Leistungserbringung
Prozesse der Eigentumsübertragung
- Kostenlose Kontaktaufnahme (0800er Nummer)
- Reduktion der psych.Kosten durch einfache Kontaktaufnahme
- Reduktion des pers.Investment durch zeitnahe Beantwortung
Wahrgenommene Kosten
„Praxisrelevante Fortbildungen“
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Kostenlose Leistung
- Kosten für Anreise und Unterkunft
- Reduktion der psych. Kosten durch Produktneutralität
zur Wahrung der Integrität
- Reduktion des pers. Investment zur Wissensgenerierung
- Risikoreduktion aufgrund hochw ertiger Qualität der IL
- Reduktion des pers.Investments zur Erlangung von CME-Punkten
Beziehungsorientierte Interaktionen
- Reduktion der psych. Kosten durch direkten Kontakt
zu Mitarbeitern
- Reduktion der psych. Kosten durch glaubw ürdige Referenten
- Reduktion der psych. Kosten durch Kontinuität
- Risikoreduktion durch exaktes Zeitmanagement
Umfeld der Leistungserbringung
Reduktion der psych. Kosten durch ansprechendes Ambiente
Prozesse der Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLIII
XLIII
Appendix
A. 12 Fallstudie „Aufklärungskampagne Impfung“: Werte-Arten
„Aufklärungskampagne Impfung:
TV-Kampagne“
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Neupatientengenerierung
- Aktive Nachfrage
durch Sensibilisierung
und gesteigerter
Awareness der
Patienten
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Vereinfachung der
Patientengespräche
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
„Aufklärungskampagne Impfung:
Praxisspezifische
Fortbildungen“
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Vermittlung
von Hintergrundinformationen
und thematische
Einführung in neuen
Impfbereich
- Aufgearbeitete
und breite
Wissensvermittlung
zur Indikation
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Veranstaltung in nettem
Rahmen
Rechtzeitige
Informationim Vorfeld
der Patientenkampagne
Wahrgenommener Nutzen
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLIV
XLIV
Appendix
A. 13 Fallstudie „Aufklärungskampagne Impfung“: Kosten-Arten
„Aufklärungskampagne
Impfung: TV-Kampagne“
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
Reduktion der psych. Kosten und des
persönlichen Investments durch Vereinfachung
der Patientenakquise
Beziehungsorientierte Interaktionen
Reduktion des persönlichen Investments durch
Zeiteinsparung bei Patientenberatung
Umfeld der Leistungserbringung
Prozesse der Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
„Aufklärungskampagne Impfung:
Praxisspezifische Fortbildungen“
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Kostenlose Leistung
- Reduktion der psych. Kosten durch Wahrung der Integrität
- Risikoreduktion aufgrund guter Qualität der Fortbildungen
- Reduktion der psych. Kosten durch glaubw ürdige Referenten
- Kosten für Anreise und Unterkunft
- Reduktion des persönlichen Investment durch
Zeitersparnis bei Wissensgenerierung
Beziehungsorientierte Interaktionen
Umfeld der Leistungserbringung
Prozesse der Eigentumsübertragung
Risikoreduktion uninformierter Patientengespräche
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLV
XLV
Appendix
A. 14 Fallstudie „Internetinformationsplattform“: Werte- und
Kosten-Arten
„Internetinformationsplattform“
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Online verfügbare
wissenschaftliche
Hintergrundinformationen zu
schwerer
Atemwegserkrankung
- Beschreibung der
Therapieoptionen
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Umfeld der
Leistungserbringung
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
„Internetinformationsplattform“
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Steigerung des persönlichen Investments (Zeit) durch zusätzliche
Suche zu w eiteren Indikationen
- Kostenlose Leistung
- Steigerung der psych. Kosten durch Eindruck der fehlenden
Unabhängigkeit
Beziehungsorientierte Interaktionen
Umfeld der Leistungserbringung
Prozesse der Eigentumsübertragung
- Steigerung des persönlichen Investments durch zeitintensive
Informationssuche auf Plattform
- Steigerung der psych. Kosten durch verlangten Eigeneinsatz
Wahrgenommene
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLVI
XLVI
Appendix
A. 15 Fallstudie „Reisemed“: Werte- und Kosten-Arten
„Reisemedizinischer
Service“
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Vermittlung von
reisemed. Wissen auf
Fortbildungen
- Praxisw issen zu
Abrechnungsmöglichkeiten der IGeL
(Zusatzumsatz)
- Verfügbarkeit von
aktuellem reisemed.
Know -How zu allen
Reiseländern der Welt
(Handbuch, New
sletter, Online)
- Patientenorientiertes
Informationsmaterial
zur Beratungsunterstützung
- Integrität durch
Produktneutralität und unabhängigkeit
- Positives Image durch
Besitz des Reisemedizinischen Handbuchs
- Positives Image als
reisemed. Experte
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Qualitativ hochwertige
und glaubwürdige
Referenten
Umfeld der
Leistungserbringung
Verfügbare Informationen
zeitnah, online, direkt
während Patientengesprächin der Praxis
möglich
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
„Reisemedizinischer Service“
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Reduktion des persönlichen Investments beim Praxismanagement
- Reduktion des persönlichen Investments beim
Wissensmanagement
- Reduktion der psych. Kosten durch Wahrung der Integrität
- Preis erhöht ökonomische Kosten
- Reduktion der psych. Kosten durch Kontinuität
Beziehungsorientierte Interaktionen
Reduktion der psych. Kosten durch glaubwürdige Referenten
Umfeld der Leistungserbringung
Risikoreduktion durch Sicherheit bei der reisemed. Beratung
Prozesse der Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLVII
XLVII
Appendix
A. 16 Fallstudie „Notfalltraining“: Werte- und Kosten-Arten
Notfalltraining
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
- Leitlinienkonforme
Schulung der
Mitarbeiter in Erste
Hilfe Maßnahmen
in der Praxis
- Sicherheit durch
Professionalität und
Ruhe für den Notfall
- Persönliches
Teilnahmezertifikat
für QM-System
- Integrität durch
Produktneutralität und
Produktunabhängigkeit
Beziehungsorientierte
Interaktionen
- Sympathische, offene,
freundliche Atmosphäre
- Spaß/Enterainment
bei Fortbildung
- Stärkung des TeamZusammenhalts
Umfeld der
Leistungserbringung
Individuelle Schulung vor
Ort in der eigenen Praxis
- Individueller Bilderrahmen
von Teilnehmern des
Trainings
- Training durch echten
Rettungssanitäter
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
Notfalltraining
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Risikoreduktion für den Notfall im Praxisalltag
- Kostenlose Leistung
- Reduktion der psych. Kosten durch vermittelte Sicherheit
- Reduktion der psych. Kosten durch (Produkt)neutralität
Beziehungsorientierte Interaktionen
- Reduktion der psych. Kosten durch glaubwürdige Quelle
- Reduktion der psych. Kosten durch Kontinuität
Umfeld der Leistungserbringung
- Reduktion des persönlichen Investment (Zeit)
w g. kurzer Wege und keiner w eiteren Suche nach Anbietern
Prozesse der Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLVIII
XLVIII
Appendix
A. 17 Fallstudie „kinderwelten Award“: Werte- und Kosten-Arten
Kinderwelten Award
Werte-Quellen:
Werte-Arten
Funktionaler Wert
(„functional“)
Erlebniswelten
(„experiental/hedonic“)
Symbolischer Wert
(„symbolic/expressive“)
Information
Produkt-/
Dienstleistungseigenschaften
Jährliche Benefiz-Gala
zur Verleihung des
kinderwelten Awards
Beziehungsorientierte
Interaktionen
Umfeld der
Leistungserbringung
- Soziales Engagement
für Kinder
- Exklusive Einladung
zur Gala
- Veranstaltung unabhängig
von Produkten und
Unternehmen
(Unternehmen tritt nur als
Sponsor auf)
- Persönliche Begrüßung
durch Top-Management
des Hauptsponsors
- Gehobenes Ambiente
- Attraktives Programm
- Kulinarische
Höhepunkte
Prozesse der
Eigentumsübertragung
Wahrgenommener Nutzen
Kinderwelten Award
Quellen für Kostenminimierung:
Kostenminimierung („cost/sacrifice“)
Information
Produkt-/Dienstleistungseigenschaften
- Kostenlose Teilnahme
- Kosten für Anreise und Unterkunft
Beziehungsorientierte Interaktionen
- Kosten in Form von freiwilligen Spenden
- Reduktion ökonomischer Kosten durch steuerliche Anrechnung
der Spenden
- Reduktion der psych. Kosten durch glaubwürdige Quelle
- Reduktion der psych. Kosten durch Kontinuität
Umfeld der Leistungserbringung
Prozesse der Eigentumsübertragung
Wahrgenommene Kosten
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite XLIX
XLIX
Appendix
A. 18 Gesprächspartner Fokusgruppen
Teilnehmer der Ärzte-Fokusgruppe, München, 13.01.2012, 15 – 17.30 Uhr
#
Arzt
Niedergelassen
über 5 Jahre
Alter 35-59
Dokumentation
1
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
2
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
3
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
4
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
5
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
6
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
7
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
8
API
Ja
Ja
Notizen + Transkript
Teilnehmer der Pharmamanager-Fokusgruppe, 30.01.2012, 19 – 21 Uhr
#
Unternehmen
Funktion
nterview
Dokumentation
1
ReiseMED
Marketingleiter
Telefon
Notizen + Transkript
2
Vaximed
Marketingleiter
Telefon
Notizen + Transkript
3
Respipharma
Senior Brand Manager
Telefon
Notizen + Transkript
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite L
L
Appendix
A. 19 Leitfäden Fokusgruppen
Leitfaden Fokusgruppe „Marketingmanager“
Interviewleitfaden
(90 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
1.
Einführung
•
Ziel der Marktforschung:
Wir haben Sie heute zu dieser Expertenrunde eingeladen, um mit Ihnen über
das Marketing von indirekten Leistungen im Pharmabereich zu sprechen. Diese
Veranstaltung heute ist Teil eines größeren Forschungsprojektes in dessen Verlauf
wir schon mit verschiedenen Experten und auch Ärzten gesprochen und uns ein
Bild von der Situation des indirekten Marketings im Pharmabereich gemacht
haben. So haben wir bereits verschiedene Ableitungen aus diesen Gesprächen
gezogen und möchten diese heute gern noch einmal mit Ihnen besprechen und
diskutieren. Dazu werden wir uns verschiedene Fallbeispiele mit Ihnen gemeinsam anschauen. Es geht uns heute also weniger um die Exploration von neuem
Wissen, als vielmehr um die Bestätigung von bereits gesammeltem Wissen.
•
Kurze Selbstvorstellung der Teilnehmer
2.
Definition Indirektes Marketing
•
Was bedeutet für Sie indirektes Marketing?
Damit wir heute auch alle an dieselbe Sachen denken, wenn wir über indirektes
Marketing im Pharmabereich sprechen, würde ich Sie bitten, dass wir uns auf die
folgende Definition einigen:
„Indirect Marketing umfasst alle Maßnahmen zur Förderung des Verkaufs der eigenen
Marktleistung, welche über indirekte Leistungen erfolgen, d.h. über Leistungen,
welche nicht der Hauptleistungserstellung und -verwertung entspringen, mit ihr
jedoch in einem kommunikatorischen, verhältnismäßigen oder imagemässigen
Zusammenhang stehen. Diese Leistungen können sowohl durch das Pharmaunternehmen selbst, als auch über das Netzwerk des Kunden vermittelt werden.“
Lassen Sie uns nun einmal auf konkrete Fälle schauen.“
3.
Diskussion Fallstudien
Moderator: Max. drei Konzepte nacheinander vorlegen. Zeit pro Konzept: ca. 10min.
Für jedes Konzept diskutieren.
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LI
Appendix
LI
•
Was geht Ihnen jetzt spontan durch den Kopf?
•
Was finden Sie daran besonders gut / nicht so gut gemacht? Was könnte man
daran aus Ihrer Sicht noch besser machen?
•
Was glauben Sie: ist die beschriebene Leistung für die Ärzte relevant? Warum?
•
Was glauben Sie: Wäre diese Leistung ein Erfolg? Warum?
Moderator: Bei jedem Konzept besprechen
•
Woran wird der Erfolg einer solchen Leistung festgemacht?
•
Wie sieht der Erfolgsmechanismus generell aus? Nach welchem (theoretischen)
Prinzip kann ein Erfolg gelingen? Brand Salience, Soziale Austauschtheorie,
Multiplikatoreffekt
•
Entspricht dieses Konzept auch dem, was Sie praktisch erlebt haben? Was ist
gleich, was ist anders?
4.
Diskussion Hypothesen
Nachdem wir uns nun gemeinsam verschiedene Konzepte für Serviceleistungen
von Pharmaunternehmen angeschaut haben...
•
Welche Kriterien oder Bedingungen – glauben Sie – müssen solche Leistungen
des indirekten Marketings generell erfüllen, damit Ärzte diese Leistungen in
Anspruch nehmen?
Wie zu Beginn gesagt, haben wir selbst aus den bisherigen Forschungsergebnissen
einige Hypothesen abgeleitet, die wir im Folgenden gern noch mit Ihnen besprechen
würden.“
Moderator: Für jede Hypothese diskutieren:
•
Ist der beschriebene Sachverhalt für Sie verständlich?
•
Stimmen Sie der formulierten Hypothese zu? Warum?
Moderator: Nachdem alle Hypothesen diskutiert wurden:
•
Müssten zu den besprochenen Punkten aus Ihrer Sicht noch weitere Punkte
ergänzt werden? Bitte denken Sie dabei auch an die Leistungen zurück, die wir
vorhin besprochen haben.
5.
Feedback und Abschluss
Moderator: Teilnehmer einladen, untereinander und dem Moderator Feedback
zu geben und das subjektiv Erlebte zusammenzufassen.
Moderator: Teilnehmer einladen, die Diskussion zu interpretieren.
•
Gibt es noch einen Punkt, den Sie persönlich gern zu diesem Thema noch
einbringen möchten? Haben wir einen Themenbereich Ihrer Meinung nach zu
kurz oder gar nicht besprochen?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LII
LII
Appendix
Leitfaden Fokusgruppe „Ärzte“
Interviewleitfaden
(120 Minuten)
Interviewpartner unterrichten über:
•
Schutz persönlicher Daten
•
Sicherung der Anonymität
•
Hinweis auf Freiwilligkeit der Angaben
•
Genehmigung der Tonaufzeichnung
•
Hinweis auf Meldungspflicht von Nebenwirkungen
1.
Einführung
•
Ziel der Marktforschung:
•
Wir haben Sie heute eingeladen, um mit Ihnen über Ihr tägliches Geschäft
und Herausforderungen, die sich daraus ergeben, zu sprechen. Diese Marktforschung ist ein Teil eines Forschungsprojekts, in dem untersucht werden
soll, wie Ärzte in Ihrer täglichen Praxis besser unterstützt werden können.
Sie als Fachmann/-frau können uns zu diesem Thema sicherlich wertvolle
Informationen geben.
•
Kurze Selbstvorstellung der Teilnehmer mit Fokus auf Praxisdaten und
Patientenstruktur
•
Bitte ergänzen Sie spontan: Die größten Herausforderungen in meinem
Praxisalltag sind…
•
Wo und wie suchen Sie sich Unterstützung, um die genannten Herausforderungen zu meistern?
2.
Serviceleistungen von Pharmaunternehmen
•
Wie können Pharmaunternehmen Sie in Ihrem Alltag unterstützen?
•
Was geht Ihnen spontan durch den Kopf, wenn Sie von „Serviceleistungen von
Pharmaunternehmen“ hören? Was für Leistungen fallen Ihnen da spontan ein?
•
Welchen Nutzen haben Sie von diesen Leistungen? Welche dieser Leistungen
haben einen besonders großen Nutzen für Sie persönlich? Warum?
Auf welche(s) Ihrer Bedürfnisse wird hier eingegangen?
•
Aus Sicht eines Pharmaunternehmens: Welche Leistungen würden Sie selbst
den Ärzten verstärkt anbieten? Würden Sie diese Leistungen kostenpflichtig
anbieten? Warum?
3.
Diskussion Fallstudien
Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Konzepte für Serviceleistungen von
Pharmaunternehmen einmal zeigen und gern mit Ihnen diskutieren.
Moderator: Max. fünf Konzepte nacheinander vorlegen. Zeit pro Konzept: ca. 15min.
Für jedes Konzept diskutieren:
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LIII
Appendix
LIII
•
Was geht Ihnen jetzt spontan durch den Kopf?
•
Ist die beschriebene Leistung für Sie verständlich?
•
Wie attraktiv ist die beschriebene Leistung für Sie?
•
Was gefällt Ihnen daran besonders gut, was weniger gut?
•
Ist die beschriebene Leistung für Sie relevant? Warum?
•
Welchen Nutzen hat die beschriebene Leistung für Sie persönlich? Inwiefern
werden Sie durch die beschriebene Leistung im Alltag unterstützt? Wer hat
alles noch einen Nutzen von dieser Leistung? Wie bewerten Sie das?
•
Inwiefern würden Sie durch die Inanspruchnahme der Leistung bei Ihren
Alltagsherausforderungen unterstützt werden?
•
Würden Sie die beschriebene Leistung in Anspruch nehmen? Warum? Was
müsste an dieser Leistung bzw. an der Art der Leistungserbringung geändert
werden, um diese für Sie interessant zu machen?
4.
Diskussion Erfolgskriterien und Ziele Pharmaunternehmen
•
Welche Kriterien oder Bedingungen müssen solche Leistungen erfüllen, damit
Ärzte diese Leistungen in Anspruch nehmen? Sammlung am Flipchart
•
Was glauben Sie, welche Ziele eine Pharmaunternehmen mit dem Anbieten
solcher Serviceleistungen verfolgt? Sammlung am Flipchart
•
Wie stehen Sie zu diesen Zielen; wie bewerten Sie diese Ziele? Hat das Wissen
um diese Ziele Einfluss auf die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen?
5.
Diskussion Hypothesen
Wir haben uns im Vorfeld auch Gedanken gemacht und verschiedene Hypothesen
rund um Serviceleistungen von Pharmaunternehmen aufgestellt. Diese Hypothesen
möchten ich Ihnen im Folgenden einmal vorlegen und gern mit Ihnen diskutieren.
Moderator: Hypothesen nacheinander vorlegen. Zeit pro Hypothese max. 5min.
Für jede Hypothese diskutieren:
•
Ist der beschriebene Sachverhalt für Sie verständlich?
•
Stimmen Sie der formulierten Hypothese zu? Warum?
6.
Feedback und Abschluss
•
Müssten zu den besprochenen Punkten aus Ihrer Sicht noch weitere Punkte
ergänzt werden?
Danken und beenden
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LIV
LIV
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis
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Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LV
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Dezember 2008 (BGB1 I S. 2949).
Appendix+Literatur 13.12.13 16:40 Seite LXX
LXX
Erklärung
Lebenslauf
Angaben zur Person
Name:
Christoph M. Sandmann
Geburtsdatum:
22. April 1979
Geburtsort:
Bruchsal
Nationalität:
Deutsch
Beruflicher Werdegang
Seit 2013
Biologische Heilmittel Heel GmbH
2009 – 2012
Takeda GmbH (früher Nycomed GmbH), Konstanz
2008 – 2009
Marketing Auditorium St.Gallen AG
2003 – 2008
FAVODENT Karl Huber GmbH, Karlsruhe
Marketing Manager Deutschland
Brand Manager D-A-CH
Trainer und Consultant
Marketingleiter (2005 – 2008)
Produkt Manager (2003 – 2005)
2002 – 2003
Medidar GmbH, Düsseldorf
Produkt Manager im Praktikum
Schulischer & wissenschaftlicher Werdegang
2008 – 2013
Doktorand am Institut für Marketing der Universität St.Gallen
2003 – 2005
Universitärer Masterstudiengang an der Steinbeis
Hochschule Berlin (SHB), Abschluss: MBA
1999 – 2002
Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie
Karlsruhe, Abschluss: Dipl.-Betriebswirt
1998 – 1999
Zivildienst
1993 – 1998
Fichte-Gymnasium, Karlsruhe, Abschluss: Abitur
1989 – 1993
Markgrafen-Gymnasium, Karlsruhe
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