Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 1 Hinweise für Schüler Überprüfen Sie die Ihnen vorgelegte Aufgabenstellung auf Vollständigkeit (S. 3 - 8). Aufgabenauswahl: Es müssen alle Aufgaben bearbeitet werden. Bearbeitungszeit: 240 Minuten Hilfsmittel: Duden, nicht programmierbarer Taschenrechner Hinweis: Sie erhalten 15 Minuten Einlesezeit. Sonstiges: - Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 3 Teil 1: Markt und Preis (30 Punkte) Das Land Mecklenburg-Vorpommern baut im Jahr 2004 in seiner strukturellen Entwicklung auf die weitere Förderung des Tourismusbereiches, nachdem es die vergangenen zwei Jahre das meist besuchte Urlaubsland in Deutschland war. Viele Nachfrager nach lukrativen Freizeitangeboten bestimmen den Markt. Dementsprechend entwickeln sich neue Angebote vor allem in diesem Dienstleistungsbereich. Im Auftrag einer Hotelkette untersuchen die Schüler eines Fachgymnasiums für Wirtschaft die Nachfrage- und Angebotssituation in diesem Marktbereich. 1.1 Die Untersuchung in Bezug auf die Nachfrage nach preisgünstigen Freizeitmöglichkeiten hat folgendes Ergebnis gebracht: Preis für die Nachfrage nach Tagen/je Urlaubswoche Benutzung der Nachfrager Nachfrager Nachfrager Nachfrager Gesamtnachfrage A B C D je Urlaubswoche 12 1 0 0 0 10 2 1 0 0 8 3 2 1 0 6 4 3 2 1 4 6 4 3 2 2 7 6 5 3 Tennisbereiche je Tag/EUR Ermitteln Sie die Gesamtnachfrage in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Preisen. 3 P. 1.2 Erläutern Sie die Bestimmungsgrößen der Gesamtnachfrage. 5 P. 1.3 Stellen Sie in einem Koordinatensystem den Verlauf der Gesamtnachfrage aus der Aufgabe 1.1 in Abhängigkeit vom Preis des Gutes grafisch dar und erläutern Sie, in welchem Verhältnis Preis und nachgefragte Menge zueinander stehen, wenn unterstellt wird, dass die nachgefragte Menge nur vom Preis des nachgefragten Gutes abhängt. 4 P. Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK 1.4 Seite 4 Auf der Nachfragekurve finden nicht nur Bewegungen nach oben und unten statt. Die Nachfragekurve kann sich auch nach rechts oder links verschieben. a) Erläutern Sie die Ursachen, die eine Rechtsverschiebung bewirken. 4 P. b) Welche Ursachen führen zu einer Linksverschiebung? 2 P. 1.5 Ein Stralsunder Unternehmen fertigt ausschließlich für diese Hotelketten Freizeitartikel mit einem Verkaufspreis von 20,- € pro Stück aus. Die fixen Kosten betragen 300,- € und die variablen Kosten liegen bei 10,- € je Artikel. Die Kapazitätsgrenze liegt bei 60 Stück je Periode. 1.6 Ermitteln Sie die fehlenden Daten in der Tabelle, zeichnen Sie in ein Koordinatensystem die Kosten- und Erlöskurve und kennzeichnen Sie die Gewinnschwelle. 6 P. Verkaufs- Verkaufsmenge preis (€) 0 20 10 20 20 20 30 20 40 20 50 20 60 20 Fixkosten Variable Gesamt- Erlös (€) Kosten (€) kosten (€) (€) b) Erläutern Sie den Unterschied zwischen fixen und variablen Kosten. 2 P. c) Erläutern Sie, warum der Anbieter an der Gewinnschwelle weder Gewinn noch Verlust erzielt. 2 P. d) Ermitteln Sie, bei welcher Produktionsmenge der Anbieter seinen Gewinn maximiert und die Höhe des maximalen Gewinns. 2 P. Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 5 Teil 2: Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (30 Punkte) 2.1 Folgende gesamtwirtschaftliche Größen sind in einer offenen evolutorischen Wirtschaft mit staatlicher Aktivität gegeben (in Mrd. Geldeinheiten): Mrd. GE Nichtunternehmereinkommen (ENU) 700 Unternehmereinkommen (EU) 300 Konsumausgaben der privaten Haushalte (CH) 700 Staatliche Konsumausgaben (CSt) 400 Exporte (X) 50 Importe (M) 35 Indirekte Steuern und Sozialabgaben der Unternehmen (Tind) 500 Subventionen an die Unternehmen (ZU) 200 Abschreibungen (Ab) 50 Direkte Steuern und Abgaben der privaten HH (Tdir) 200 Staatliche Transferzahlungen an die privaten HH (ZH) 150 Bruttoinvestitionen (Ibr) 235 Außenbeitrag ? Ersparnis der Haushalte (SH) ? Ersparnis des Staates (SSt) ? a) Erstellen Sie aus den oben aufgeführten Werten das vollständige Kreislaufschema (nur die Geldströme) einer offenen evolutorischen Wirtschaft mit staatlicher Aktivität und bestimmen Sie die fehlenden Größen (mit Lösungsweg). 12 P. b) Beurteilen Sie an diesem Beispiel den Sektor Staat. 2 P. c) Beurteilen Sie an diesem Beispiel den Außenbeitrag und erläutern Sie, welche Auswirkungen dieser Außenbeitrag auf eine Volkswirtschaft hat. 4 P. 2.2 2.3 Schildern Sie die Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts im Modell der offenen evolutorischen Wirtschaft mit staatlicher Aktivität. 6 P. Nehmen Sie kritisch Stellung zu der Aussagekraft des Bruttoinlandsprodukts, das durch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ermittelt werden kann. 6 P. Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 6 Teil 3: Internationale Wirtschaftsbeziehungen (40 Punkte) 3.1 Erläutern Sie an drei selbstgewählten Beispielen die Notwendigkeit der internationalen Arbeitsteilung für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. 6 P. 3.2 Erläutern Sie je zwei Vor- und Nachteile, die sich aus einer zunehmenden Globalisierung der Märkte ergeben. 4 P. 3.3 Erläutern Sie den Begriff Zahlungsbilanz und erläutern Sie die Teilbilanzen der Zahlungsbilanz mit Hilfe von je einem Transaktionsbeispiel. 10 P. 3.4 a) Analysieren Sie den Text der Anlage 1 auf den nächsten Seiten und erläutern Sie die Szenarien zur Behebung des US-Leistungsbilanzdefizits. 10 P. b) Beurteilen Sie kritisch die von Ihnen erläuterten Szenarien. Berücksichtigen Sie dabei die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland und die Wechselkursentwicklung zwischen dem Euro und dem US-Dollar. 10 P. Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 7 Anlage 1: Volkswirte rechnen mit zunehmendem Defizit US-Leistungsbilanzdefizit wird gefährlich Die enormen Ungleichgewichte der Weltwirtschaft sind ein ernsthaftes Risiko für die globale Konjunktur. Vor allem das riesige US-Leistungsbilanzdefizit ist auf Dauer untragbar. Doch bis es zu einer Korrektur kommt, dauert es womöglich länger, als viele Volkswirte glauben. Petra Schwarz, Olaf Storbeck Handelsblatt, 31.10.2003 DÜSSELDORF. Auf die Dauer kann es so einfach nicht weitergehen – darüber sind sich alle Ökonomen einig. Die riesigen Defizite in der amerikanischen Handels- und Leistungsbilanz haben Dimensionen erreicht, die zumindest langfristig schlicht und ergreifend untragbar sind. Doch mit dieser Erkenntnis geht das große Rätselraten eigentlich erst richtig los: Wann und wie entladen sich die globalen Ungleichgewichte? Kommt es zu einem schlagartigen Kollaps des US-Dollars und in seiner Folge zu enormen und weltwirtschaftlichen Verwerfungen? Oder schließt sich die Lücke langsam und schmerzfrei? Durch das Loch in der Leistungsbilanz, das auf knapp 5 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) angeschwollen ist, hängen die USA vom Wohlwollen der ausländischen Investoren ab. Derzeit fehlen der größten Volkswirtschaft der Welt pro Jahr knapp 400 Mrd. US-Dollar. Um dieses Defizit zu finanzieren, muss sich die USA im Ausland verschulden. Bislang ist dies kein Problem bereitwillig tragen Investoren aus dem Ausland ihr Kapital in die USA. Volkswirten bereitet die Situation gleichwohl Kopfzerbrechen: „Wenn die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland steigen, müssen immer mehr Zinsen an die ausländischen Kapitalgeber gezahlt werden“, warnt US-Notenbankchef Alan Greenspan. „Länder, die diesen Weg gegangen sind, sind ausnahmslos in Schieflage geraten - das würde auch uns passieren.“ Früher oder später müsse Amerika daher das Loch in der Leistungsbilanz in den Griff bekommen. Momentan sieht es danach aber nicht aus: „Das Defizit in der amerikanischen Leistungsbilanz wird sich weiter verschlechtern“, prognostiziert Ed McKelvey, Volkswirt bei Goldman Sachs - bis 2005 möglicherweise auf bis zu 6,5 % des BIP. Grundsätzlich gibt es drei Szenarien, um das Loch zu schließen – Volkswirte halten keines für überaus realistisch. Entweder wächst die Wirtschaft in der Euro-Zone oder in Japan deutlich schneller als in den USA. Dann würde die globale Nachfrage nach US-Gütern steigen. Ein schönes Abitur 2004 Wirtschaftslehre GK Seite 8 Szenario – nur leider überaus unwahrscheinlich. Das gilt auch für die Variante zwei, die zudem um einiges unangenehmer wäre: Auch wenn die US-Wirtschaft lahmt oder gar in eine Rezession fällt, würde sich das Defizit verringern – weil dann in den USA die Import-Nachfrage sinken würde. Bleibt als drittes Szenario eine Abwertung des US-Dollar. Das würde die US-Exporteure auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger machen. Für die Weltwirtschaft birgt dieses Szenario gewaltige Risiken. Falls es nicht zu einer langsamen Korrektur kommt, sondern der US-Dollar abrupt abwertet, würde dies die globale Konjunktur aus dem Takt bringen. Das könnte passieren, wenn die internationalen Investoren Amerika schlagartig den Rücken kehren. Ökonomen halten solch ein Worst-Case-Szenario aber für wenig wahrscheinlich: „Wegen der hohen Produktivitätszuwächse bleiben die USA im Vergleich zur Euro-Zone oder Japan für Investoren der attraktivere Wirtschaftsraum“, sagt Ulrich Kater von der Deka-Bank. Zuversichtlich gibt sich auch Carsten-Patrick Meier, Konjunktur-Experte vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW): „Das Interesse ausländischer Investoren an den USA als guten Investitionsstandort wird nicht erlahmen.“ Ein Leistungsbilanzdefizit signalisiere nicht zwangsläufig den bevorstehenden Niedergang eines Landes. „Meist ist es ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft wächst.“ Denn Volkswirtschaften auf Expansionskurs brauchen Kapital. Volkswirte der Citibank führen ein weiteres, allerdings umstrittenes Argument für die Dauerhaftigkeit des US-Leistungsbilanzdefizits an: Etliche Länder, deren Binnenwirtschaft am Boden liegt, seien auf Gedeih und Verderb auf den Import-Hunger der Amerikaner angewiesen. Diese Länder würden alles tun, um einen stärkeren US-Dollar zu verhindern. Citibank-Ökonom Steven Englander rechnet vor: 80 % der weltweiten LeistungsbilanzÜberschüsse entfalle auf Länder, in denen die Produktion schrumpft oder Deflation vorherrscht. „Die Notenbanken und Finanzminister dieser Länder haben ein enormes Interesse, einen Einbruch der privaten Kapitalzuströme in die USA zu kompensieren“, meint Englander. Die Zentralbanken der Länder mit Leitungsbilanz-Überschüssen würden immer mehr Reserven an US-Dollar horten – und so am Devisenmarkt quasi gegen ihre eigene Währung spekulieren. „Vor allem in Japan und China haben die Notenbanken in den vergangenen Monaten ihre Währungsreserven deutlich erhöht.“ Andere Ökonomen beäugen diese These skeptisch: „Es ist unklar, ob Notenbanken den Wechselkurs auf Dauer über Interventionen am Devisenmarkt beeinflussen können“, meint IfWExperte Meier. Und selbst wenn: „Bis die Europäische Zentralbank gegen den Euro interveniert, ist es noch ein Weilchen hin“, so Deka-Volkswirt Kater. „Erst wenn der Euro bei 1,30 Dollar stehen sollte, würde die EZB anfangen, darüber nachzudenken.“