Eine Fallstudie zur Prävalenz von Borrelien in Zecken nach

Werbung
Eine Fallstudie zur Prävalenz von Borrelien in Zecken
nach gehäuftem Vorkommen von Lyme-Borreliose bei Mitarbeitern von
Forstämtern in Niedersachsen
Martin Runge*, Sabine Baumann, Ingola von Keyserlingk, Michael von Keyserlingk,
Brigitte Thoms
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Veterinärinstitut Hannover, Eintrachtweg 17, 30173 Hannover
* Korrespondierender Autor: [email protected]
Einleitung
Die Lyme-Borreliose - benannt nach der Ortschaft Lyme im nordamerikanischen
Bundesstaat Connecticut - ist eine Multisystemerkrankung. Klinische Manifestationen sind
Hautveränderungen wie das Erythema migrans und die Acrodermatitis chronica
atrophicans, neurologische Symptome auch mit Beteiligung des zentralen Nervensystems
wie Meningoradikulitis, Meningitis u.a., Gelenkserkrankungen (Lyme Arthritis), Karditis
und Lymphozytome. Der Erreger dieser Erkrankung, 1981 von Willi Burgdorfer entdeckt
und als Borrelia burgdorferi bezeichnet, wird durch Zecken, in Deutschland vor allem
durch Ixodes ricinus, bei einer Blutmahlzeit auf den Wirt übertragen. Aufgrund
molekularer Analysen von B.-burgdorferi-Stämmen wurde später eine phylogenetische
Neueinteilung vorgenommen: Ein nun als B. burgdorferi sensu lato bezeichnetes Cluster
fasst die zwar nahe verwandten, jedoch genetisch und phänotypisch unterschiedlichen
Spezies B. burgdorferi sensu stricto, B. afzelii, B. garinii u.a. zusammen, die mit der
Lyme-Borreliose assoziiert sind (STEERE et al. 1977, BURGDORFER et al. 1982,
WANG et al. 1999).
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa
und auch in Deutschland eine klinisch bedeutsame Infektionskrankheit (O´CONNELL et
al. 1998). Bundesweit sind je nach Region zwischen 8 und 35 % der Zecken mit
Borrelien befallen. In Niedersachsen beträgt der in zwei Studien ermittelte Anteil positiver
Zecken durchschnittlich ca. 9 % (Tab.1).
Das Risiko von Zecken gebissen zu werden und dadurch eine Infektion zu erwerben,
steigt durch einen häufigen Aufenthalt im Freien in unterholz- , farn- oder gräserreichen
Gebieten. Daher sind vor allem Personen betroffen, die sich während der Ausübung
einer Freizeitbetätigung oder aus beruflichen Gründen oft in entsprechenden Gebieten
aufhalten. Die Zecken sind abhängig von den klimatischen Bedingungen vom Frühjahr
bis zum Herbst und auf Tieren auch durch den Winter aktiv. Die Übertragung der
Borrelien von der Zecke auf den Wirt ist abhängig von der Dauer des Saugvorganges.
Nach 2-5 Tagen kann von einer nahezu 100 %igen Übertragungswahrscheinlichkeit
ausgegangen werden.
Die Borrelien können durch den Zeckenbiss jedoch nicht nur auf den Menschen, sondern
auch auf Tiere übertragen werden. Während Wildtiere keine klinischen Symptome
zeigen, führt die Infektion mit Borrelia burgdorferi sensu lato bei Hund, Pferd, Rind und
Schaf z.T. zu schweren Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie beim Menschen.
Bei Pferden sind zusätzlich Erkrankungen des Auges beschrieben worden (LIEBISCH
und LIEBISCH 1998).
Im Verlauf des Jahres 2002 wurde bei Mitarbeitern von drei südniedersächsischen
Forstämtern gehäuft Lyme-Borreliose diagnostiziert. Ziel der Untersuchung ist es, die
Prävalenz von Borrelia burgdorferi sensu lato in Zecken aus diesen Regionen zu ermitteln
und dadurch mögliche Endemiegebiete/ -biotope zu detektieren.
Material und Methoden
Insgesamt wurden bislang 619 Zecken aus dem Bereich der südniedersächsischen
Forstämter Saupark, Alfeld und Grünenplan untersucht. 39 Zecken stammten aus
anderen Regionen. Die Zecken wurden zum größten Teil von Rehen und jagdlich
geführten Hunden abgesammelt. Die taxonomische Einordnung der Zecken und der
verschiedenen Stadien erfolgte aufgrund morphologischer Kriterien.
Nach Präparation der Zecken wurde die DNA extrahiert (QIAamp DNA Mini Kit,
Qiagen, Hilden). Zum Nachweis der Borrelien wurde eine real-time PCR (LightCycler,
Roche Diagnostics, Mannheim) verwendet, mit der ein 222 bp Fragment aus dem recAGen von Borrelia burgdorferi sensu lato amplifiziert wurde (MÄKINEN et al. 2002). Das
Amplifikationsprodukt wurde durch Schmelzpunktanalyse und zusätzlich nach
Gelelektrophorese und Ethidiumbromid-Färbung identifiziert.
Ergebnisse und Diskussion
Alle bislang untersuchten Zecken gehörten zur Gattung Ixodes ricinus. Darunter waren
539 adulte Tiere, 109 Nymphen und 10 Larven.
Insgesamt wurden bei 25 % der Zecken Borrelia burgdorferi sensu lato nachgewiesen. In
der Region von zwei Forstämtern (Alfeld und Saupark) wurde eine gleichermaßen hohe
Prävalenz von 31 bzw. 28 %, beim dritten Forstamt (Grünenplan) mit 16 % eine
niedrigere Prävalenz ermittelt. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ist die Prävalenz
insbesondere bei den erstgenannten Forstämtern hoch. In verschiedenen vorangehenden
Studien wurde jedoch auch deutlich, dass der Befall von Zecken mit Borrelien regional
sehr unterschiedlich ist, wobei bislang eine Zunahme der Prävalenz von Norden nach
Süden angenommen wurde (Tab. 1). Besonders bemerkenswert ist der sehr hohe Anteil
infizierter Nymphen mit durchschnittlich 25 % (Tab. 2). Dies wäre eine mögliche
Erklärung für das gehäufte Auftreten von Lyme-Borreliose in den drei Forstämtern, da
die Nymphenstadien wegen ihrer geringeren Größe eher vom Wirt zunächst unbemerkt
bleiben und aufgrund des dadurch längeren Saugvorganges von einer größeren
Übertragungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann. Die Untersuchungen sollen
fortgeführt werden.
Tab. 1: Übersicht über die Prävalenz von Borrelia burgdorferi sensu lato in Deutschland
Land/Region
Bayern
Unterfranken/Lohr
Zecken
11%
(n=408)
Hessen
Weilburg
8%
(n=4404
)
14-24%
Baden-Württemberg
(n=3138
)
Baden-Württemberg
35%
Konstanz
(n=371)
Baden-Württemberg
Franken
Niedersachsen
Niedersachsen
22%
(n=275)
9%
(n=1654
)
9%
(n=777)
B. burgdorferi sensu lato
Adulte
Nymphen
Larven
Referenz
12-19%
5-12%
-
Holbach und
Oehme
2002
17%
7%
0
Stanczak et al.
2002
-
-
-
Oehme et al.
2002
40%
30%
-
Rauter et al.
2002
-
-
-
Baumgarten et al.
1999
-
-
-
Liebisch et al.
1998
-
-
-
Olbrich und Liebisch
1991
Tab. 2: Prävalenz von Borrelia burgdorferi sensu lato in der Region von drei
niedersächsischen Forstämtern
Forstamt
Zecken
insgesamt
Adulti
Nymphen
Larven
Alfeld
40 / 31%
(n=129)
32 / 30%
(n=108)
7 / 35%
(n=20)
1
(n=1)
Grünenplan
30 / 16%
(n=190)
22 / 16%
(n=142)
6 / 15%
(n=40)
2
(n=8)
Saupark
82 / 28%
(n=300)
69 / 27%
(n=255)
12 / 27%
(n=44)
1
(n=1)
Andere
Regionen in
Niedersachsen
10 / 26%
(n=39)
8 / 24%
(n=34)
2
(n=5)
0
Insgesamt
162 / 25%
(n=658)
131 / 24%
(n=539)
27 / 25%
(n=109)
4
(n=10)
Literatur
BAUMGARTEN, B.U., M. RÖLLINGHOFF, and C. BOGDAN.1999. Prevalence of
Borrelia burgdorferi and granulocytic and monocytic ehrlichiae in Ixodes ricinus ticks
from southern Germany. J. Clin. Microbiol. 37 (11), 3448-51.
BURGDORFER, W., A.G. BARBOUR, S.F. HAYES, J.L. BENACH, E. GRUNWALDT,
and J.P. DAVIS. 1982. Lyme disease – a tick born spirochetosis? Science, 216, 13171319.
HOLBACH M., and R. OEHME. 2002. FSME und Lyme-Borreliose: Erregerverbreitung
in Zecken und Erkrankungsrisiken in einem FSME-Risikogebiet. Fortschr.Med.Orig. 120
(4), 113-18.
LIEBISCH, G., und A. LIEBISCH. 1998. Einheimische Zeckenborreliose (LymeKrankheit) bei Mensch und Tier. Demeter Verlag.
LIEBISCH, G., B. SOHNS, and W. BAUTSCH. 1998. Detection and typing of Borrelia
burgdorferi sensu lato in Ixodes ricinus ticks attached to human skin by PCR. J. Clin.
Microbiol. 36 (11), 3355-58.
MÄKINEN J., Q. HE, and M.K. VILJANEN. 2002. Genospecies-specific melting
temperature of the recA PCR product for the detection of Borrelia burgdorferi sensu lato
and differentiation of Borrelia garinii from Borrelia afzelii and Borrelia burgdorferi sensu
strictu. In: Rapid cycle real-time PCR - Methods and applications: Microbiology and food
analysis. U. REISCHL et al. (Hrsg.).
O´CONNELL, S., M. GRANSTROM, J.S. GRAY, and G. STANEK. 1998. Epidemiology
of European Lyme borreliosis. Zentr. Bakt. 287, 229-40.
OEHME, R., K. HARTELT, H. BACKE, S. BROCKMANN, and P. KIMMIG. 2002. Foci of
tick-borne diseases in southwest Germany. Int. J. Med. Microbiol. 291, Suppl. 33, 2229.
OLBRICH, S. und A. LIEBISCH 1991. Epidemiologische Untersuchungen zum Befall
von Zecken mit Borreliose-Erregern von Kleinsäugern aus Norddeutschland. Dtsch.
Tierärztl. Wochenschr. 98 (6), 228-30.
RAUTER, C., R. OEHME, I. DITERICH, M. ENGELE, and T. HARTUNG. 2002.
Distribution of clinically relevant Borrelia genospecies in tic assessed by a novel, singlerun, real-time PCR. J. Clin. Microbiol 40 (1), 36-43
STANCZAK, J., G. OKROY-RYSOP, M. RACEWICZ, B. KUBICA-BIERNAT, and W.
KRUMINIS-LOZOWSKA. 2002. Prevalence of Borrelia burgdorferi sensu lato in the
selected Ixodes ricinus (Acari: Ixoddidae) population in Weilburg forests, Hesse,
Germany. Int. J. Med. Microbiol. 291, Suppl. 33, 206-09.
STEERE, A.C., S.E. MALAWISTA, D.R. SNYDMAN, R.E. SHOPE, W.A. ANDIMAN,
M.R. ROSS, and F.M. STEELE. 1977. Lyme arthritis: An epidemic of oligo-articular
arthritis in children and adults in three Connecticut communities. Arthr.Rheum. 20, 7-17.
WANG G., A.P. van DAM, I. SCHWARTZ, and J. DANKERT. 1999. Molecular typing of
Borrelia burgdorferi sensu lato: Taxonomic, epidemiological, and clinical implications.
Clin. Microbiol. Rev. 12 (4), 633-53.
Herunterladen