104 105 Das antike Griechenland 9. Demokratie – die Bürger

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Das antike Griechenland
. . . . Zeitreise: Kallias besucht die Volksversammlung . . . .
Attika im Jahr 532 v. Chr.: Bauer Kallias
kommt im Morgengrauen nach Athen.
In der Nähe der Stadt besitzt er ein
kleines Stück Land, auf dem er Oliven,
Feigen und Wein anbaut. Was er oder
seine Familie nicht selbst verbrauchen,
verkauft er auf dem Markt in der Stadt.
So kann er sich Korn dazukaufen, damit
seine Familie genug Brot hat.
Obwohl er öfters in die Stadt kommt,
geht er immer mit gemischten Gefühlen
nach Athen. Er bewundert die öffentlichen Gebäude und Tempel auf der
Akropolis, die vor kurzem gebaut worden sind. Doch er selbst hat von dem
Reichtum nach den Siegen über die Perser nicht viel abbekommen. Vor allem
ärgert ihn die Einstellung vieler Stadtbewohner, die sich über die Bauern des
Umlandes wegen ihrer rauen Sprache
lustig machen. Sie halten sich auch für
gebildeter und redegewandter. Für sie
ist es daher auch kein Problem, vor Gericht oder in der Volksversammlung aufzutreten und öffentlich zu sprechen!
n
Dann setzt er sich auf einen freien Platz.
Die Sitzung beginnt mit Gebeten und
Opferhandlungen: Es wird still. Alle wollen sich der Hilfe der Götter versichern.
Danach hört er den vorbereiteten Anträgen des Rates der Fünfhundert zu. Die
Mitglieder der Volksversammlung können ihnen entweder zustimmen oder
sie ablehnen. Neue Anträge sind in der
Volksversammlung nicht zugelassen,
sondern müssen erst im Rat vorberaten
werden.
Kallias hat auf der Volksversammlung
schon manche heftige Diskussionen erlebt, z. B., um die Frage, ob man einen
hohen Politiker wiederwählen sollte:
Würde er zu mächtig werden, wenn er
wieder ein Jahr lang den Oberbefehl
über einen Teil des Heeres bekäme?
Im vergangenen Jahr hatten sie
sogar mit Scherben darüber abgestimmt, ob der Stratege Perikles für zehn Jahre verbannt
werden sollte. Angeblich war er
zu einflussreich geworden.
Kallias’ Nachbarn, Bauern wie er, schimpfen halblaut vor sich hin. Alles sei doch
schon vorher entschieden, warum müssten sie überhaupt in die Stadt kommen?
Kallias, der vor einigen Jahren schon
einmal Mitglied des Rates war, kann ihnen erklären: „Mitglied des Rates wird
jeder Bürger, wenn ihn das Los trifft. Im
Rat sind sowohl Städter als auch Bewohner des Landes und der Küste vertreten. So lernt jeder die Probleme der
anderen kennen und jeder kann seine
Meinung äußern. Wenn die Tagesordnungspunkte aber nicht vorher schon
besprochen wären, säßen wir heute
Abend noch hier.“
Heute gibt es aber keine hitzigen Debatten. Die Bürger beraten darüber, wie sie
die Stadt mit Getreide versorgen können. In Athen wohnen so viele Menschen, dass die Stadt auf die Getreidezufuhr von außerhalb angewiesen ist.
Der Rat der Fünfhundert* schlägt vor,
einen Beamten zu beauftragen, mit
Staatsgeldern Getreide hinzuzukaufen,
um Getreideknappheit und einen Preisanstieg zu verhindern. Wie so oft folgt
die Mehrheit der Bürger den Vorschlägen des Rates. So wird das Getreide den
Bürgern zum gewohnten Preis zur Verfügung stehen können. Wie gut, dass
Athen reich ist!
Beraten und entscheiden
Die Sitzung beginnt früh. Die Volksversammlung tagt vierzig Mal im Jahr am
Fuß des Hügels Pnyx in der Nähe der
Akropolis. Sie berät über Krieg und Frieden, über Gesetze für die Bürger, aber
z. B. auch über Theaterveranstaltungen.
Bei wichtigen Fragen müssen 6 000 Bürger anwesend sein, damit die Abstimmung gültig ist. Die Tagesordnung ist
einige Tage vorher überall in der Stadt
ausgehängt worden. Da Kallias nicht lesen kann, musste sie ihm vorgelesen
werden. In der Volksversammlung hat
jeder Bürger das Recht, zu reden. Anders als in Sparta können die Bürger in
Athen mitbestimmen und nicht nur durch
Handzeichen Vorschläge annehmen oder
ablehnen. Kallias ist stolz darauf.
Beim Betreten der Versammlung wird
kontrolliert, ob Kallias Athener Bürger
ist. Er erhält eine Marke, gegen die er
nach der Sitzung sein Tagungsgeld bekommt.
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9. Demokratie – die Bürger regieren
1. Verfasse einen Lexikonartikel
über die attische Demokratie.
Stelle dabei Entstehung und Verfahrensweisen dar.
2. Erkläre, wie die beschriebenen Verfahrensweisen vielen
Bürgern die Mitbestimmung ermöglichten.
104.1 Der Platz, auf dem die Volksversammlung
in Athen stattfand, im Modell.
104.2 Eine antike Athener Münze. Man sieht die
Eule (das Symbol der Weisheit Athenas), einen
Zweig vom Ölbaum, den Athena nach Attika gebracht haben soll, und die drei Anfangsbuchstaben des Wortes Athen.
105.1 Mit einer solchen Wasseruhr (Klepsydra)
wurde in Athen die Redezeit der einzelnen Redner
in der Öffentlichkeit gemessen. Es dauerte ungefähr 6 Minuten, bis das obere Gefäß leer gelaufen
war. Jeder Redner bekam dieselbe Redezeit.
3. Erläutere: Inwiefern war die
Verfassung der Athener damals
vorbildlich?
105.2 Scherbe, die bei
Ausgrabungen in Athen
gefunden wurde.
Die Aufschrift lautet:
„Kimon, Sohn des
Miltiades“.
Kimon, Politiker und
Stratege in Athen, war
im Kampf gegen die Perser erfolgreich. Er wurde
nach 461 v. Chr. verbannt, als er sich gegen
die völlige Entmachtung
des Adels wandte.
Scherbe heißt auf
Griechisch ,ostrakon‘,
das Fachwort für
Scherbengericht ist
daher Ostrakismos.
* Rat der Fünfhundert:
er beriet die Anträge
für die Volksversammlung vor und
organisierte deren Ablauf. Außerdem war er
für die Verwaltung der
Polis verantwortlich.
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