Urologie Diagnostik und Therapieoptionen bei xanthogranulomatöser Pyelonephritis V. Zugor1 K. Amann2 G. E. Schott1 Die chronische Pyelonephritis ist eine rezidivierende Entzündung, die sowohl das Nierenparenchym als auch die ableitenden Harnwege betrifft. Die kindliche Form wird durch einen Reflux von infiziertem Urin hervorgerufen. Beim Erwachsenen wird die Infektion durch verschiedene, vorwiegend gramnegative Bakterien wie beispielsweise E. coli, Klebsiellen oder Pseudomonas ausgelöst. Ihre Fortdauer ist durch verschiedene Faktoren wie Harnstau infolge von Verkalkungen, Verengungen der ableitenden Harnwege oder angeborene Fehlbildungen bedingt. Pathologisch wird zwischen zwei Formen unterschieden, einer interstitiellen chronischen und einer granulomatösen Pyelonephritis (2). Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist eine seltene Sonderform der chronischen Pyelonephritis mit Bildung von Eiter oder Granulomen, bei der primäre Abwehrmechanismen nicht wirken. Pathogenetisch vermutet man eine Störung des Abbaus phagozytierender Bakterien in Makrophagen-Lysosomen mit lokaler zellulären Reaktion des Nierenparenchyms. Kennzeichen ist eine meist einseitige, eitrige und verfettende Entzündung des Nierenparenchyms, Nierenbeckens und Nierenhilusgewebes. Im Gegensatz zur chronischen interstitiellen Pyelonephritis tritt bei der xanthogranulomatösen Pyelonephritis eine Organvergrößerung infolge chronischer aggressiver Abszedierung mit Schaumzellbildung auf. ga iD e l l eut kA kurzgefasst: Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist eine seltene Sonderform der chronischen Pyelonephri- Pathophysiologie Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist eine morphologische und klinische Sonderform der chronischen Pyelonephritis mit Bildung von Eiter oder Granulomen. Die häufigsten prädisponierenden Faktoren für die Entwicklung einer xanthogranulomatösen Pyelonephritis sind Abflussbehinderungen, sowie Infektionen der ableitenden Harnwege. Die Abflussbehinderung ist in 40–80% durch Verkalkungen bedingt (2). Am häufigsten treten Korallensteine als Sonderform auf. Andere Ursachen für eine Abflussbehinderung können Stenosen durch Tumore, kongenitale Fehlbildungen und funktionelle Störungen sein. Ursächlich für eine Infektion sind in absteigender Häufigkeit Proteus mirabilis (57%), E. coli (47%), Klebsiellen (41%), Pseudomonas (24%) und grampositive Kokken (10%). Der Urin kann auch steril sein (6). Dass die Abflussbehinderung und Infektion zusammen für diese Erkrankung, ursächlich sind, wurde durch experimentelle Untersuchungen gestützt, die zeigen, dass eine künstlich erzeugte Ureterstenose und eine einmalige Injektion von E. coli eine xanthogranulomatöse Entzündung auslösen können (2, 5). Andere klinische Faktoren können mit der Erkrankung assoziiert sein: Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Lymphabflussstörungen und veränderte immunologische Verhältnisse und Störungen der Leukozytenfunktion (2). tis mit Bildung von Eiter oder Granulomen, bei der primäre Abwehrmechanismen nicht wirken. 1 Institut Urologische Universitätsklinik mit Poliklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 2 Pathologisch-Anatomisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Korrespondenz Dr. med. Vahudin Zugor · Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Urologische Klinik mit Poliklinik · Krankenhausstraße 12 · 91054 Erlangen · Tel.: 0049/9131/8533683 · Fax: 0049/9131/8534851 · E-Mail: [email protected] eingereicht: 19.7.2005 · akzeptiert: 5.12.2005 Bibliografie DOI: 10.1055/s-2006-924940 Dtsch Med Wochenschr 2006; 131:161–164 · © Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472 Aktuelle Diagnostik & Therapie Diagnostic procedures and therapeutic options in xanthogranulomatous pyelonephritis – experience gathered in Erlangen 161 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Erlanger Erfahrungen Epidemiologie Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis betrifft häufiger Frauen, vor allem ab der dritten Lebensdekade. Die Erkrankung kann aber auch, wie in unserer Klinik, kleine Kinder betreffen und tritt bei Säuglingen und Kleinkindern wesentlich öfter auf als bei größeren Kindern. Inzidenzangaben schwanken zwischen 6% bei chronischer Pyelonephritis und 25% bei Pyonephrose (6). Diagnostik Laboruntersuchungen Urinsediment: Es liegen Leukozyturie und Mikrohämaturie vor. Urinkultur: Häufig werden E. coli und Proteus mirabilis nachgewiesen. Labor: Bei 70% der Patienten besteht eine Anämie, häufig eine Leukozytose sowie eine CRP-Erhöhung. 162 Sonographie Die sonographische Untersuchung hat eine orientierende und richtungweisende Bedeutung und kann unter Umständen die Erkrankung erfassen. Verwechslungen mit Nierentumoren im Erwachsenenalter und mit Wilmstumoren im Kindesalter sind jedoch häufig. Die Sonographie zeigt die vergrößerten Nieren und multiple echofreie oder echoarme Areale in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Läsion. Bei Steinen werden die typischen Schallphänomene mit dorsaler Schallverschattung beobachtet. Die sonographischen Befunde sind jedoch unspezifisch und eine Computertomographie ist indiziert. Abb.1 Computertomographie der Niere bei xanthogranulomatöser Pyelonephritis: Deutliche vergrößerte linke Niere. Verkalkung im Nierenbecken entsprechend einem Stein“. Die Steine sind meistens gut diagnostizierbar. Ist der Stein nicht sichtbar, wird die Diagnose schwierig. Die Computertomographie ist daher nicht nur für die Diagnose entscheidend, sie ist auch für die präoperative Einschätzung des Befundes und seiner Ausdehnung hilfreich (3, 6, 8). Ist ein Verschluss des Nierenbeckens vorhanden, zeigt die CT eine Atrophie des Nierenparenchyms mit erweiterten Kelchgruppen und einen in seinem Ausmaß variablen Anstieg des perirenalen Fettes. In Einzelfällen kann die Lipomatose und Entzündung den gesamten Flankenraum (Retroperitonealraum) ausfüllen. Der perinephritische Raum kann infiltriert sein, die Gerotafaszie ist häufig verdickt. In sehr ausgedehnten Fällen kann der Prozess die Psoasmuskulatur oder die laterale Bauchwandmuskulatur infiltrieren (2, 3). kurzgefasst: Die Computertomographie ist die Methode der Wahl um die Art der Entzündung und ihre Ausdeh- kurzgefasst: Die sonographische Untersuchung hat eine nung zu erfassen. Durch neueste Verfahren, z.B. Vier- orientierende und richtungsweisende Bedeutung. Die Phasen-Konstrastmittel-CT der Nieren in Dünnschicht- sonographischen Befunde sind jedoch unspezifisch und Technik kann diese Erkrankung besser erkannt werden eine Computertomographie ist indiziert. (8). Dadurch sind auch Verwechslungen mit anderen Erkrankungen wie beispielsweise Nierenzellkarzinome Ausscheidungsurographie Durch eine Ausscheidungsurographie können tumorartige Raumforderungen, erweiterte und vergrößerte Kelche sowie Steine vermutet werden. Weiterhin zeigt sie vergrößerte Nieren und multiple Verkalkungen. Klassifikation Computertomographie Die Computertomographie ist die Methode der Wahl um die Art der Entzündung und ihre Ausdehnung zu erfassen (Abb.1). Die Vier-Phasen-Kontrastmittel-CT der Nieren in DünnschichtTechnik zeigt transparent erscheinende Areale unterschiedlicher Größe, welche dilatierten Kelchgruppen und/oder einer Ansammlung xanthomatösen Gewebes entsprechen können. Die Literatur beschreibt zwei Klassifikationen der xanthogranulomatösen Pyelonephritis, die Erlanger Klassifikation und die Einteilung nach Malek. Wir verwenden unsere Erlanger Klassifikation (Abb.2.). Aufgrund dieser Stadien kann man die Ausdehnung der Erkrankung, Entzündungsprozesse und Adhärenzen außerhalb der Niere gut erfassen. Nach dieser Klassifikation richtet sich auch das weitere Therapieprozedere. Im Stadium I und Tuberkulose bei Erwachsenen, sowie Wilmstumoren bei Kindern zu vermeiden. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 161–164 · V. Zugor et al., Diagnostik und Therapieoptionen... Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Aktuelle Diagnostik & Therapie Klinischer Befund Die klinische Untersuchung zeigt eine verhärtete Flanke und einen meist schlecht abgrenzbaren tastbaren Tumor. Die klinische Symptomatik ist meist unspezifisch mit Fieber, Flankenschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und deutlich vermindertem Allgemeinzustand. Der urologische Befund beinhaltet Algurie, Dysurie, Pollakisurie, Polyurie und Hämaturie. Grad 2 Grad 3 Grad 5 Grad 4 Stein Pus Xanthom Aktuelle Diagnostik & Therapie Abb.3 Makroskopisches Nierenpräparat der xanthogranulomatösen Pyelonephritis. Abb.2 Erlanger Klassifikation der Stadien der Xanthogranulomatösen Pyelonephritis. sind Xanthome auf einen Nierenpol beschränkt, daher ist hier ein Nierenerhalt mit Polresektion möglich. Bei allen anderen Stadien ist eine Nephrektomie indiziert. Diese Einteilung basiert auf Ergebnissen eigener Patienten (zwölf Patienten: acht Kinder und vier Erwachsene, alle wurden nephrektomiert (6, 8) und auf den Erfahrungen aus publizierten Studien über diese Erkrankung. Eine weitere Klassifikation, die in der Literatur häufig beschrieben und akzeptiert wurde, ist die sog. Einteilung nach Malek (4). Das erste Stadium ist ein nephritisches Stadium, das zweite Stadium ist ein perinephritisches Stadium bei Beteiligung des perirenalen Fettgewebes und das dritte ist ein paranephritisches Stadium bei ausgeprägter retroperitonealen Ausbreitung. Diese Klassifikation wurde aufgrund der Erfahrungen mit 26 Patienten erstellt und dient auch dazu die Ausdehnung der Erkrankung zu erfassen. 163 Abb.4 Histologisches Präparat einer befallenen Niere mit typischen Schaumzellen und gefäßreichem Granulationsgewebe. bauprodukte und stellt sich optisch leer dar (Abb.3). Makroskopisch sind befallene Nieren vergrößert, das Nierenparenchym ist entzündlich oder nekrotisch verändert. Das Nierengewebe ist vernarbt und häufig verkalkt (Abb.4). kurzgefasst: Histologisch sieht man neben einem gefäß- Histologie Zunächst wird die Erkrankung pathologisch histologisch in zwei Untergruppen geteilt: in eine diffuse und eine umschriebene, fokale Form, die häufiger bei Kindern vorkommt. Bei der diffusen Form sind die Nieren vergrößert, die Nierenkapsel verdickt, das peripelvine Fett infiltriert und es bilden sich gelbliche Knoten. Bei der fokalen Form sind die Merkmale ähnlich, der Befund jedoch begrenzt. In der Paraffineinbettung der Niere zeigt das Parenchym eine ausgeprägte, teils floride, teils chronische Entzündung mit Nachweis reichlicher Schaumzellen. Histologisch sieht man neben einem gefäßreichen Granulationsgewebe, Eiterzellen und einem lymphoplasmazellulären Infiltrat typische Pseudoxanthomzellen. Das Zytoplasma speichert fetthaltige Ab- reichen Granulationsgewebe, Eiterzellen und einem lymphoplasmazellulären Infiltrat typische Pseudoxanthomzellen. Das Zytoplasma speichert fetthaltige Abbauprodukte und stellt sich optisch leer dar. Therapie Beim Stadium I der Erlanger Klassifikation ist je nach Lokalisation eine Ober- oder Unterpolresektion indiziert. Ab Grad II ist eine Nephrektomie mit ausgedehnter Lymphknotendissektion angezeigt. Bei Verdacht auf eine xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist zur diagnostischen Sicherung und auch zum Aus- Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 161–164 · V. Zugor et al., Diagnostik und Therapieoptionen... Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Grad 1 schluss eines Malignoms eine Nierenfreilegung unbedingt erforderlich (6, 8) Eine konservative Therapie mit Antibiotika (Aminoglykoside und Cephalosporine der III. Generation), reichliche Flüssigkeitszufuhr, Steinbehandlung und Intensivüberwachung führt meistens nicht zum Erfolg. Prognose Konsequenz für die Klinik und Praxis: – Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist eine seltene Sonderform der chronischen Pyelonephritis. – Die Computertomographie erleichtert die Differenzierung. – Nephrolithiasis und Obstruktion sind fast immer beteiligt. – Die Therapie ist operativ-exstirpativ. Die Prognose der Erkrankung ist nach operativer Sanierung mit perioperativer Antibiotikaprophylaxe meistens günstig. Aktuelle Diagnostik & Therapie 164 chend und es wird meist die Nierenfreilegung bzw. die Nephrektomie mit Lymphknotendissektion durchgeführt. Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Beitrag eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt). Literatur 1 Fazit Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist eine morphologisch festgeschriebene, xanthomproduzierende und parenchymzerstörende Sonderform der chronischen Pyelonephritis. Sie hat eine längere urologische Anamnese und hat tumorähnliche Eigenschaften. Die häufigsten prädisponierenden Faktoren für die Entwicklung einer xanthogranulomatösen Pyelonephritis sind eine Abflussbehinderung (z.B. Steine, Tumore, kongenitale Fehlbildungen und funktionelle Störungen) sowie Infektionen der ableitenden Harnwege. Die Computertomographie ist die Methode der Wahl, um die Art der Entzündung und ihre Ausdehnung zu erfassen. Durch neueste Verfahren, z. B. VierPhasen-Konstrastmittel-CT der Nieren in Dünnschicht-Technik, kann diese Erkrankung besser erkannt werden. Die sonographische Untersuchung hat eine orientierende und richtungweisende Bedeutung. Eine konservative Therapie ist oft nicht ausreichend und es wird meist eine Nierenfreilegung bzw. eine Nephrektomie mit Lymphknotendissektion durchgeführt. 2 3 4 5 6 7 8 Brown PS, Dodson M, Weintrub PS. Xanthogranulomatous pyelonephritis: report of non surgial management of a case and review of the literature. Clin Inf Dis 1996; 22: 308–314 Dalla-Palma L, Pozzi-Mucelli F. Bildgebung chronischer renaler Infektionen. Radiologe 2000; 40: 537–546 Grainger RG, Longstaff AJ, Parsons MA. Xanthogranulomatous pyelonephritis: a reappraisal. Lancet 1982; 1: 1398–1401 Malek RS, Greene LF, de Weered JH et al. Xanthogranulomatous pyelonephritis. Br J Urol 1972; 44: 296–308 Povsil C, Konickava L. Experimental xantogranulomatous pyelonephritis. Invest Urol 1963; 9: 313–318 Swoboda PM, Schrott KM. Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis bei Kindern und Erwachsenen. Urologe A 1985; 24: 20–24 Watt J, Roylance J. Pyonephrosis. Clin Radiol 1975; 27: 513–519 Zugor V, Amann K, Schrott , Schott GE. Xanthogranulomatous pyelonephritis: presentation of an unsual case. Aktuelle Urologie 2005; 36: 345–248 Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 161–164 · V. Zugor et al., Diagnostik und Therapieoptionen... Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. kurzgefasst: Eine konservative Therapie ist nicht ausrei-