Diagnostik und Therapie beim

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Diagnostik und Therapie
beim
Nebenschilddrüsenkarzinom
Lev Dubovoy
Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie
Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung GmbH
Hannover
Epidemiologie:
- Das Nebenschilddrüsenkarzinom ist ein seltener Tumor
(Nur wenige hundert Fälle sind in der Literatur beschrieben)
- < 1 pro 200 000 Personen (?)
- NSD-CA- 0,5 - 1 % alle NSD- Tumoren
(Europa + USA, Japan hat etwas höhere Inzidenzen)
Entdeckung
Sir Richard Owen (1804-1892) entdeckte
1862 die Nebenschilddrüse bei der
Sektion eines indischen Nashorns
Wiener Arzt Ivar Viktor Sandström (1852-1889)
1880- erste Beschreibung der NSD bei einem
Menschen
... ohne dass beide irgendwelche Kenntnisse über die
Funktion der NSD hatten…
Entdeckung
Wiener Chirurg Felix Mandel (1892-1957)
1925 - 1. Parathyreoidektomie; hat die
Prinzipien der NSD-Chirurgie formuliert
1933- Sainton und Millot- Die erste Dokumentation
eines hormonaktiven Nebenschilddrüsenkarzinom
(Sainton P, Millot J. Malegne dun adenoma parathyroidiene eosinophile;
au cours de Recklinghausen. Annales Anatomie Pathologique 1933;10:813)
De Quervain (1868–1940) – erste Beschreibung eines
hormonINaktiven Nebenschilddrüsenkarzinom
(10- 25% alle NSD-CA)
(De Quervain F. Parastruma maligna aberrata. Deutsche Zeitschr Chir 1904;100:334-52)
Nebenschilddrüsen - Anatomie
-Eine normale Nebenschilddrüse wiegt 30
bis 70 mg und ist 3 x 3 x 1 mm groß
(Gleicht einer kleinen Linse)
-Die meisten Menschen haben 4
Nebenschilddrüsen
- Bei etwa 5 % aller Menschen sind mehr
als vier, meistens 5 oder 6
Nebenschilddrüsen
Nebenschilddrüsenkarzinom - Klinik
Hormonaktiven-NSD-CA:
die Klinik ist durch die exzessive Sekretion von PTH bestimmt:
ein schwerer HPT mit Symptomen einer ausgeprägten Hyperkalzämie:
- Müdigkeit, muskuläre Schwäche
- Knochenschmerzen
- Gewichtsverlust
- Übelkeit
- Anorexie
- Erbrechen
- Polyurie
- Pankreatitis
(bis zur hyperkalzämischen Krise!)
- Skelettaffektionen
- Nephrolithiasis / Nephrokalzinose
„Stein-, Bein- und Magenpein“:
Nephrolithiasis, Osteitis fibrosa cystica, Dyspepsie oder Ulcera ventriculi
Oder:
.
- die Klinik bleibt unspezifisch
- bis zu 10% der Patienten bei Diagnosestellung völlig asymptomatisch
Nebenschilddrüsenkarzinom - Klinik
- Palpierender Tumor :
bei einem palpablen Tumor im Rahmen eines pHPT
ist solange von einem Nebenschilddrüsenkarzinom
auszugehen, bis das Gegenteil bewiesen ist!
- Zeichen einer lokalen Infiltration (zB Rekurrensparese)
.
Epidemiologie
Männer : Frauen 1 : 1
Alter: im Mittel 32 - 55
Ätiologie
Auf dem Boden einer prädisponierenden Erkrankung der NSD:
- bei Dialyse-Patienten auf dem Boden eines tertiären
Hyperparathyreoidismus
- Eine vorangegangene Radiatio im Hals- und Kopfbereich
Ätiologie - Genetische Prädisposition
Molekulare Pathogenese des Nebenschilddrüsenkarzinoms
- nicht eindeutig geklärt
- Überexpression des zellzyklusregulierenden Onkogens
Cyclin D1 ?
- Spielt Retinoblastoma-Gen eine Rolle?
Ätiologie - Genetische Prädisposition
Hyperparathyreoidismus-Jaw-Tumor (HPT-JT-)- Syndrom
(pHPT + fibroossäre Tumoren des Kiefers + polyzystische Nieren und
Nierentumoren).
Manche Patienten haben auch eine Mutation im HRPT2-Gen,
allerdings haben auch manche gesunde Menschen diese Mutation
Nebenschilddrüsenkarzinome treten bei Patienten mit HPT-JT-Syndrom in
bis zu 15% (-40%) auf.
Leider treten die typischen Osteofibrome (Jaw-Tumor) (Möglichkeit einer
frühzeitigen Diagnose), erst relativ spät und nur bei ca. 30% auf.
In ca. 80% - eine Eindrüsenerkrankung (keine generelle Empfehlung zur
prophylaktischen Parathyreoidektomie, ein engmaschiges Screening notwendig)
Ätiologie - Genetische Prädisposition
• Familiärer isolierter Hyperparathyreoidismus (FIHP)seltene, hereditäre Erkrankung, mit familiärem Auftreten von
hyperfunktionellen Nebenschilddrüsentumoren, ohne dass
Veränderungen an anderen endokrinen Organen nachzuweisen sind.
• Familiäre Nebenschilddrüsenkarzinome –
treten innerhalb einer Familie mit familiärem pHPT auf.
(wurde bereits im Alter von 8 Jahren berichtet)
• in Familien mit multipler endokriner Neoplasie Typ I (MEN-I)
• Familiärer pHPT
•
MEN-IIA-Patienten (aber selten)
•
Familiäre hyperkalzämische Hypokalzurie (FHH)
Diagnostik - Labor
Typisch für pHPT:
- erhöhter Serumcalciumwert (>3,5 mmol/l)
- erhöhter PTH-Spiegel (bei NSD-CA bis
in 5-10 mal höher als Normal)
- erniedrigter Serumphosphatwert
- erhöhte renale Calcium- und Phosphatausscheidung.
80 % pHPT – Diagnosen: Zufallsbefund eines erhöhten Serum-Calcium
Diagnostik
Die Sonographie des Halses:
(Sensitivität 36 - 75 %)
Sonographisch imponiert das
Nebenschilddrüsenkarzinom als ein
echoarmes Areal, das manchmal zystische
Strukturen aufweisen kann.
Die Karzinome haben einen mittleren
Durchmesser von 2–3 cm. Sie sind damit
deutlich größer als die meisten benignen
Adenome
Diagnostik
• Szintigraphische Untersuchungen:
99mTc-Methoxyisobutylisonitrile
(sestaMIBI)-Szintigraphie
Zusammen mit der Sonographie liegt
die Sensitiviät der präoperativen
Lokalisation auf > 90%.
11C-Methionin PET
(Positronenemissionstomographie)
(insbesondere vor der Rezidivoperation)
Diagnostik
• MRT oder CT (ehe selten)
• Bei primärem Verdacht auf ein Nebenschilddrüsenkarzinom
sollte keine Feinnadelpunktion durchgeführt werden !
Differenzialdiagnostik
NSD-Adenom
NSD-Karzinom
3,5 : 1
1:1
Alter
17-85 (56)
12-60 (47)
Serum-Kalzium
<3,5 mmol/l
>3,5 mmol/l
PTH
Mild erhöht
Sehr stark erhöht (bis 5-10
mal bei N Nierenfunktion)
Palpalber Halstumor
Selten
32-80%
Renale Manifestation
4-37%
35-80%
20%
49%
Selten
23-56%
Knochenmanifestation
<5%
34-91%
Ulcus pepticum
8%
11%
Selten
15%
Männer : Frauen
Nephrolithiasis
Nephrokalzinnose
Pankreatitis
(J.R.Siewert,2007)
Sporadisches und familiäres NSD-CA
Alter: Patienten mit familiärem
NSD-Karzinom sind deutlich
jünger als Patienten mit einem
sporadischen NSD-Karzinom
und deutlich jünger als
Patienten mit einem pHPT auf
dem Boden einer benignen
Erkrankung (50–75 Jahre)
PTH und Ca: Patienten mit
nicht-HRPT2-assoziierten
NSD-CA haben meist
niedrigere Kalzium- und
Parathormonspiegel als
Patienten mit HRPT2assoziierten oder
sporadischen NSD-CA
Hormoninaktives
Nebenschilddrüsenkarzinom
-10% - 25% alle NSD-CA
- Erste Beschreibung- De Quervain (1904)
- Extrem selten (ca. 30 Fälle beschrieben)
- Alter: 60 - 70 Jahre
- Klinik: lokale Symptomatik mit tastbarem Tumor (5-11 cm) und Infiltration des
Gewebes (mit Dysphagie, Rekkurensparese)
- Diagnose: Histologie (PTH-Nachweis); Metastase; Rezidiv
- Differenzialdiagnose: Schilddrüsen Tumoren oder Tumoren des Thymus
- Therapie: Radikale Operation
Therapie:
Operation
Heutzutage ist die Schilddrüsen- bzw.
Nebenschilddrüsenoperation
eine der sichersten Operationen
in der Allgemein und Viszeralchirurgie
(H. Dralle. Endokrine Chirurgie.2014)
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland
ca. 7200 Nebenschilddrüsenoperationen
an 1.293 Kliniken durchgeführt
(Vortrag Musholt auf DGE 2013).
Therapie: Operation
Intraoperative Hinweise auf ein Nebenschilddrüsenkarzinom
- häufig gelappt
- fest bis steinhart
- dichte fibröse, grau-weiß erscheinende Kapsel (ca. 50%)
- Verbackt mit den umgebenden Strukturen (Abtreten ist schwierig)
- Schnellschnittuntersuchung – häufig ist die Diagnose nicht möglich
Also:
Die prä- und intraoperative Abgrenzung eines NSD-CA von einem benignen pHPT ist
oft nicht möglich.
Aber: die Heilungschance ist gering, wenn beim Ersteingriff keine radikale Operation
gelingt: bei dringendem intraoperativem Verdacht (auch ohne histologische Sicherung)
auf NSD-CA (u.a. klare Infiltration in die umgebenden Gewebe, Schilddrüse, Muskel,
)
Nerven, oder Ösophagus) oder bei Lymphknotenmetastasen (ehe AusnahmeDurchführen einer onkologischen Resektion des Tumors en block
Therapie: Operation
Ausmaß der Operation:
• En-bloc-Resektion des Tumorgewebes zusammen
mit dem ipsilateralen Schilddrüsenlappen
und dem Isthmus,
+ ipsilaterale (zentrale) Lymphadenektomie.
• Vermeiden einer Kapselruptur
• Eine ausgiebige ipsilaterale Neckdissection - nur
wenn die zervikalen Lymphknoten mitbetroffen sind.
• Es sollten alle vier Nebenschilddrüsen exploriert werden
(Ausschluss weiteren Adenome)
• Bei Feststellung der Diagnose postoperativ sollte eine Nachresektion
vorgenommen werden
Histologie
- Breite bindegewebige Kapsel, von welcher auch breite fibröse Septen
ausgehen und ins Parenchym ziehen
- Kapsel- oder Gefässeinbrüche
- Solides Wachstum der Tumorzellen mit ballenartiger, teils strangförmiger
Anordnung
- Vergrößerte Tumorzellen mit teils hellem oder eosinophilem Zytoplasma
- Mittelgradige Kernpleomorphie mit einzelnen Mitosefiguren
- Starke PTH- Färbung in der Immunzytologie.
- Höheres Ki-67 (Proliferationsmarker) Index. (> 10%- höheres Rezidivsrate)
- Infiltration von Nachbarorganen
- Metastasen (sicheres Malignitätskriterium)
Eine Klassifikation des NSD-CA ist bisher nicht erfolgt.
Postoperativer Verlauf
„Hungry Bone“- Syndrom.
- Bei ausgeprägter präoperativer klinischer Symptomatik: es kommt zu z.T.
schweren und protrahierten Hypokalzämien durch den vermehrten Einstrom
des Kalziums in den depletierten Knochen.
- Therapie – wie nach benignem pHPT
-
(u.a. Gaben von Kalzium und Calcitriol).
Prognose
- Die Prognose wird wesentlich durch die adäquate onkologische
Operation (komplette Tumorresektion einschließlich ipsilateraler
Hemithyreoidektomie und Lymphadenektomie) beim Ersteingriff bestimmt
- Remissionsrate 10 Jahre nach der Erstoperation schwanken zwischen
<10% und 50%.
Rezidiv
• Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen der Erstoperation und einem Rezidiv
beträgt ca. 3 Jahre.
• Der Tumor hat ein geringes malignes Potential
• 5-Jahres-Überlebensraten (nach Auftreten eines Rezidivs) 40 - 70%.
• Fernmetastasen kommen erst spät vor und breiten sich lymphogen und hämatogen
aus. Die Lunge ist der häufigste Sitz von Fernmetastasen. Metastasen sind aber auch
in Leber, Hirn, Knochen, Pankreas und den Nebennieren beschrieben worden.
• Die Metastasen sind vor allem in Hinblick auf ihre sekretorische Leistung von
Bedeutung.
• Lokalsymptome treten in den Hintergrund.
• Die Patienten sterben in der Regel an den Folgen der nicht beherrschbaren
Hyperkalzämie
Rezidiv
• Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Tumormassenreduktion
• Ziel: Senkung des Serumkalziumspiegels und eine prompte Besserung der
klinischen Symptomatik. Sowohl Lokalrezidive, als auch Fernmetastasen in Lunge,
Leber, Hirn oder anderen Lokalisationen sollten daher, wenn immer dies möglich ist,
operativ angegangen werden
Die hormoninaktiven Tumore scheinen einen sehr aggressiven Verlauf zu
haben.
Todesursache sind die Folgen des direkten Tumorwachstums entlang der
lokalen Strukturen im Hals und in das Mediastinum.
Nichtchirurgische Therapie
Strahlentherapie: Als individuelle Entscheidung (wenig strahlensensitiv):
bei Zweifel an der lokalen Radikalität
Chemotherapie: Effektivität unklar
Medikamentöse Therapie der Hyperkalzämie (Kalzimimetika- Cinacalcet):
Hyperkalzämie bestimmt den Verlauf der Erkrankung, Senkung des
Serumkalziums- das wichtigste Therapieziel.
-Bisphosphonate. In der Regel sind hohe Dosierungen (auch i.v) bzw. häufige
Gaben erforderlich (Hemmung der osteoklastären Knochenresorption)
-Unspezifische Maßnahmen: Steigerung der Trinkmenge und einer forcierten
Diurese
Nichtchirurgische Therapie
Radiofrequenztherapie (RFA) - bei multiplen nicht
resektablen Metastasen (Lunge)
RFA + Transarterielle Embolisation – bei Lebermetastasen
Sonographisch-gesteuerte Alkohol- Injektionen bei
cervicalen Rezidiven
Fazit
• Nebenschilddrüsenkarzinom – eine seltene und schwer zu
diagnostizierende Verlaufsform eines pHPT
• Diagnose kann vermutet werden bei einem tastbaren Halstumor oder
Organinfiltration im Rahmen eines pHPT oder bei
• ungewöhnlich schwer verlaufender Hyperparathyreoidismus.
• Intraoperativ suspekt ist ein gelappter, fester Tumor mit einer
grau-weißen Kapsel, der mit den umgebenden Strukturen verbacken ist
• Die histologische Diagnose ist schwierig
Fazit
• Eine vollständige En-Bloc-Resektion des Tumorgewebes beim
Ersteingriff bietet die beste Heilungschance.
• Patienten mit einem Lokalrezidiv oder Fernmetastasen haben z.T. lange
Überlebenszeiten
• Die Bekämpfung der Hyperkalzämie durch wiederholte chirurgische
Eingriffe mit dem Ziel der Tumormassenreduktion und begleitende
medikamentöse kalziumsenkende Maßnahmen ist die Therapie der
Wahl
Hoffnung bleibt!
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