6. Mut zur Freiheit „Es lebe der Wein! Es lebe Pluto, der Höllengott! Und drauf gesch... was die Leute sagen!“ Chor der Götter in der Unterwelt Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach Uraufführung 21.10.1858 als Opéra-bouffon (2 Akte) im Théâtre des Bouffes-Parisiens, Paris Uraufführung 7.2.1874 als Opéra-féerie (4 Akte) im Théâtre de la Gaîté, Paris Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach Libretto von Hector Crémieux unter Mitarbeit von Ludovic Halévy. Deutscher Text von Ludwig Kalisch ergänzt durch Frank Harders-Wuthenow Heidelberger Spielfassung von Daniel Cremer *25.09.10, OPERNZELT ca. 3 Std., eine Pause Aufführungsrechte Boosey & Hawkes. Bote & Bock GmbH Mixed Version 1858 / 1874 – Kritische Ausgabe OEK 4 Besetzung Diana Hye-Sung Na Eurydike Silke Schwarz / Annika Sophie Ritlewski Cupido Alexandra Steiner Orpheus Aaron Judisch Venus Ulrike Machill / Manuela Sonntag Jupiter Lucas Harbour Aristeus / Pluto Winfrid Mikus Merkur Tadahiro Masujima / Eleazar Rodriguez Die Öffentliche Meinung Carolyn Frank Mars Amadeu Tasca 5 Inszenierungsteam John Styx Peter Pichler Musikalische Leitung Joana Mallwitz / Ivo Hentschel Timothy Schwarz / Jan Schweiger Juno Simone Mende Regie Daniel Cremer Bacchus David Otto Bühne Nadia Fistarol Opernchor & Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg Kostüme Franziska Jacobsen Doppelbesetzungen in alphabetischer Reihenfolge Choreographie Kristin Schaw Minges 6 Chorleitung Jan Schweiger Regiemitarbeit Eva Lämmerzahl Dramaturgie Joscha Schaback Bühnenbildassistenz Bettina Ernst Musikalische Studienleitung Timothy Schwarz Kostümassistenz Sabrina Leichle Musikalische Einstudierung Ivo Hentschel / Annemarie Herfurth / Timothy Schwarz Soufflage Delia Tedeschi Inspizienz & Statisterie Uwe Stöckler Regieassistenz & Abendspielleitung Hannah Ehrlichmann 7 Bühnenbildhospitanz Luisa Schwinn Technische Einrichtung Udo Weber Kostümhospitanz Marthe Wiblishauser Lichtgestaltung & Leiter der Abteilung Beleuchtung Steff Flächsenhaar Dramaturgiehospitanz Jelena Rothermel Leiter der Tonabteilung Wolfgang Freymüller Technik & Werkstätten Ton Magali Deschamps Andreas Legnar Thomas Mandl Technischer Direktor Ivica Fulir Technische Leitung Uwe Mingo 8 Leitung Kostümabteilung Viola Schütze Maria Schneider (Stv.) Leiter Malsaal Dietmar Lechner Dekorationswerkstatt Markus Rothmund Gewandmeisterinnen Dagmar Gröver Katja Ulrich Leiter Schlosserei Karl-Heinz Weis Leiterin der Abteilung Maske Kerstin Geiger Anja Dehn (Stv.) Leiter Schreinerei Klaus Volpp Die Kostüme und Kulissen wurden in den theatereigenenen Werkstätten angefertigt. Leiterin der Abteilung Requisite Esther Hilkert 9 Zum Inhalt DIE HANDLUNG Die Ehe des Geigenvirtuosen und Komponisten Orpheus mit seiner Gattin Eurydike ist in der Krise. Orpheus sehnt sich nach seiner Nymphe Chloé und Eurydike trifft den Schäfer Aristeus im Kornfeld. Aristeus aber ist in Wirklichkeit Pluto, der Gott der Unterwelt. Mit ihm zusammen stirbt sie „le petit mort“, den kleinen Tod – so der französische Ausdruck für Orgasmus. Wie es sich für Tote gehört, muss Eurydike Pluto in die Unterwelt folgen. Sie tut es gerne, denn so entkommt sie dem langweiligen Leben an der Seite ihres Mannes. Orpheus ist über diese elegante Lösung seiner Eheprobleme angetan. Die öffentliche Meinung jedoch zwingt ihn dazu, bei Jupiter im Olymp seine Gattin zurückzufordern wie es der Mythos verlangt. 10 Im Olymp herrscht Tohuwabohu. Diana beklagt das Verschwinden ihres Geliebten Aktäon, den Jupiter in einen Hirsch verwandelt hat; Juno, Jupiters Gattin, erhebt schwere Vorwürfe gegen ihren Mann, der an der Entführung Eurydikes beteiligt gewesen sein soll. Jupiter wird zwar durch den Götterboten Merkur entlastet, der Pluto als den Übeltäter nennt, kann aber eine Palastrevolte gegen sich nicht aufhalten. Da erscheint die öffentliche Meinung mit Orpheus, der die Rückgabe seiner Frau fordert. Gemeinsam begeben sich alle auf die Suche in die Unterwelt. Dort langweilt sich Eurydike. In Plutos Boudoir gefangen gehalten, muss sie sich den Avancen ihres Wächters John Styx erwehren. Jupiter verwandelt sich in eine Fliege, um so durchs Schlüsselloch zu Eurydike zu gelangen. Die beiden verabreden, beim Höllenball heimlich zu verschwinden. Doch ihre Flucht wird entdeckt, und Orpheus fordert die Herausgabe seiner Gattin. Jupiter stimmt zu, stellt jedoch eine Bedingung: Während des Aufstiegs aus der Unterwelt darf Orpheus sich nicht nach Eurydike umsehen … 11 Zum Komponisten Kölner Kind und Pariser Idol Alk Pusch 1819 als siebtes Kind des Synagogenkantors Isaac Offenbach in Köln geboren, wächst Jacob Offenbach in ärmlicher, aber höchst musikalischer Umgebung auf; er selbst erlernt Geige und Cello. Mit 14 Jahren von den Eltern zum Konservatoriumsbesuch nach Paris geschickt, wird er dort unter seinem französischen Namen Jacques Offenbach als Cellovirtuose berühmt. Als Komponist nähert er sich dem Musiktheater zunächst mit kleinen Bühnensketchen, später als Kapellmeister am Théâtre Français mit Schauspielmusiken fürs Sprechtheater. Der entscheidende Umschwung zum Bühnendramatiker vollzieht sich mit seiner Gründung des Theaters 12 13 „Bouffes-Parisiens“ auf den Champs-Elysées. Hier wirkt er als Direktor, Dirigent, Regisseur und als sein eigener Hauskomponist. Mit kleinbesetzten witzigen, manchmal sentimentalen Stücken hat er großen Erfolg. 1858 führt er hier mit ORPHEUS IN DER UNTERWELT die erste seiner großen abendfüllenden Zeitsatiren auf. Überall in der Welt gespielt machen diese Werke Offenbach zu einem berühmten und reichen Mann. Ehrungen von höchster Stelle folgen. Napoléon III. selbst veranlasst Offenbachs Einbürgerung und Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. In Zeiten des deutsch-französischen Krieges 1870/71 muss er sich Anfeindungen aus Deutschland („Amüseur des verlotterten Kaiserreiches“) wie aus Frankreich („deutscher Jude“) anhören. In den nüchterneren Jahren der Dritten Republik komponiert Offenbach zwar eifrig weiter, doch hat sich der Zeitgeschmack zu sehr verändert. Die letzten Jahre seines Lebens widmet er sich der Komposition seiner phantastischen Oper HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN. 1880 schwer gichtkrank sterbend, erlebt das „Kölner Kind und Pariser Idol“ (Biograph Alfons Silbermann) die Uraufführung der Oper sowie ihren durchschlagenden Erfolg jedoch nicht mehr. 14 15 Zur Musik VON DEMÜTIGEN GÖTTERN UND EROTISCHEN FLIEGEN von Alk Pusch „Früher war ich nicht reif dafür, so wenig wie für Mozart“, sagte einst der Dirigent Hans von Bülow, der sich erst spät an die Werke seines Zeitgenossen Jacques Offenbach heranwagte. Seine Äußerung ist ein Indiz dafür, wie heikel die Gratwanderung ist, die heitere Leichtigkeit von Offenbachs Musik zu transportieren, gleichzeitig aber in ihrer Tiefe adäquat zu interpretieren, ohne ins Trivial-Seichte abzugleiten. Mit ORPHEUS IN DER UNTERWELT begründete Offenbach eine bisher nicht dagewesene musiktheatralische Gattung, für die sich – Unikum in der Musikgeschichte – im Volksmund die vom Erfindernamen 16 abgeleitete Bezeichnung „Offenbachiade“ durchgesetzt hat. Karikatur und Persiflage gehören wesensmäßig zur Offenbachiade, und so stülpt das Stück den Orpheus-Mythos um und zeichnet den Göttervater Jupiter keineswegs erhaben, sondern als Weiberheld. Die anderen Götter verlachen ihn, weil er zu amourösen Abenteuern grundsätzlich in Tiergestalt erscheint – denn seine eigene Gestalt ist zu mickrig, um bei den Damen landen zu können. Musikalischen Ausdruck findet dies in einem Couplet, einem Strophengesang, in dem jeweils einer der Götter über eine der tierischen Verkleidungen Jupiters lästert, woraufhin im Refrain jeweils alle zusammen in kollektives Gelächter einstimmen. Besonders komisch ist dabei, dass die Lachsalven melodisch, rhythmisch und klanglich so präzise auskomponiert sind, dass ihre Motorik über die Bühnenrampe hinweg ins Publikum zu springen vermag. So wie die Solisten den einfallenden Chor infizieren, so infizieren beide das Publikum. Dieses Couplet bereitet die Szene vor, in der sich Jupiter verführerisch der Eurydike nähert. Dass er diesmal – um durchs Schlüsselloch schlüpfen zu 17 können – die Gestalt einer Fliege wählt, unterstreicht die Verkehrung seines göttlichen Charakters: Er nähert sich ihr nicht „von oben“, sondern demütig und scheu „von unten“. Während in ihrem gemeinsamen Duett beide Protagonisten glauben, selbst derjenige zu sein, der den jeweils anderen verführt, nimmt die Musik mit dem orgiastischen Gesumse, in das auch Eurydike einstimmt, den Liebesakt schon vorweg, der eigentlich erst noch kommen soll. Überhaupt darf Eurydike durchaus leidenschaftliche Gefühle zeigen, und die Musik straft mehrfach den gesungenen Text Lügen. So lässt sie sich in ihrem Duett mit Orpheus, in dem dieser ihr seine neueste Komposition präsentiert, musikalisch doch von seinem Geigenspiel beeindrucken und steigert dieses sogar leidenschaftlich durch eine virtuose Abschlusskadenz. Im tiefsten Inneren scheint der Konflikt der Ehepartner doch nicht ganz so unlösbar, wie durch das verbale gegenseitige Gekeife vordergründig bekundet. Geradezu zärtlich ist dann Eurydikes Gesang, mit dem sie ihren Tod als Freund besingt. Kein anderer Protagonist darf sich im ganzen Stück so innig äußern. 18 Bei allem bunten und lustgeprägten Treiben sind solch lyrische Ruhepunkte durchaus fester Bestandteil einer Offenbachiade. Das Gegenteil davon ist die öffentliche Meinung, die keine Frau, sondern fleischloses Prinzip ist. In penetrantem Triolenrhythmus, starr und beharrlich in einer Tonart bleibend und jeglicher Erotik abschwörend, redet sie auf Orpheus ein, seine tote Gemahlin auf die Erde zurückzuholen. Einer der komischsten Momente des Stücks ist ihr Auftauchen mit Orpheus auf dem Olymp. Als dann die öffentliche Meinung von Orpheus verlangt, möglichst „zerknirscht und mit kläglichem Ton“ um die Rückgabe der Gattin zu bitten, stimmt er das berühmte Thema „Ach, ich habe sie verloren“ aus Glucks Oper ORPHEUS UND EURYDIKE an. Doch Orpheus kommt gar nicht über die erste Zeile hinaus – die Fortsetzung der Melodie („all sein [Original: mein] Glück ist nun dahin“) übernehmen die leidenschaftlichen Göttinnen Diana, Cupido und Venus, als wollten sie sagen: Ja, das kennen wir doch!“ Nicht nur die Zuschauer, sogar die Figuren erkennen die Phrase als Zitat! 19 Zum Stück und zum Genre der Operette Das spaSSbürgertum – offenbachs gespenster von Daniel Cremer Die Operette oder Opéra-Bouffe, wie Offenbach selbst seine neuartigen Musiktheaterwerke nannte, war das Genre der Stunde. Das Uraufführungspublikum des ORPHEUS von 1858 bestand aus einer wilden Mischung aus Bohémiens, monde und demi-monde, Prostituierten und Ballettratten, neureichem Geldund verarmtem Erbadel und allen sonstigen fleurs du mal, Schattengewächsen, die Paris damals trieb: Das Spaßbürgertum, eine Klientel, die sich statt dem gesellschaftlichen Fortschritt der größtmöglichen Akkumulation von Vergnügen verschrieben hatte. 20 21 Nicht nur waren die Ausschweifungen auf der Bühne recht getreue Abbilder des allnächtlichen Wahnsinns in den Lokalen, die eben jenes Publikum ansonsten bevölkerte, es kam auch sicher nicht selten vor, dass einige der Darsteller die Zeit zwischen ihren Auftritten in den Séparées hinter den Ranglogen verbrachten. Kurz, die ersten Operettenaufführungen kamen dem Paradies recht nahe, sie waren ein Fest, auf dem sich das Publikum – mehr oder weniger schlecht von der Bühnenbevölkerung zu trennen – selbst feierte, und Cremieux/Halévy/Offenbach gaben dazu das Credo aus: „Vive le vin! vive Pluton! / Et nargue du qu‘en dira-t-on!“ „Es lebe der Wein! Es lebe Pluto, der Höllengott! Und drauf gesch... was die Leute sagen!“ Das hochanständige Selbstverständnis der Diktatur Napoléons III. ebenso wie die Fassaden der neubürgerlichen Antikenseligkeit mit geradezu d i o n y s i s c h e m Ü b e r m u t zu sprengen, ist eine emanzipatorische Großtat Jacques Offenbachs. Und das Publikum lachte sich frei angesichts der eigenen und der allgemeinen Doppelmoral. 1874 erlebte das Erfolgswerk eine Neuauflage im Théâtre de la Gaîté. Um die doppelte Menge an 22 Musiknummern angewachsen, mit mehreren Balletten und 150 Beteiligten mehr versehen, erntete ORPHEUS IN DER UNTERWELT erneut Zustimmung. Auch wenn das Publikum im neuerdings wieder demokratischen Frankreich jetzt größtenteils kam, um Ausschweifungen zu betrachten, die selbst zu erleben einem nicht mehr vergönnt war – das Spaßbürgertum war kulturprägend geworden. Es hatte sein originäres Genre begründet, die Operette, die auch in den folgenden Jahrzehnten ein Leitmedium der Unterhaltungsindustrie Europas wurde. Wir sind ihre Erben, durchaus nicht ungern. Als Vater aller späteren Operetten hat gerade der ORPHEUS über Jahrzehnte immer auch als Vorlage zur bürgerlichen Selbstvergewisserung gedient: „Wir sind so frei“, wir wissen um die Verlogenheit der Ehe, wir lachen unsere Herrschenden aus, wir freuen uns an der Operettenhaftigkeit der Öffentlichen Meinung. Das heißt aber auch: Die Herrschaft der Öffentlichen Meinung und der Bigotterie bleibt unangefochten, die staatlich sanktionierte Zweierbeziehung bleibt weiterhin die Regel. Man geht angeheitert heim und weiß, die Welt wird sich in diesem Leben nicht mehr ändern. 23 24 25 Zur Inszenierung wie lebt es sich im paradies? von Daniel Cremer Um es mit Nietzsche zu sagen: die Opéra-Bouffe ist per se amoralisch, sie könnte ein Mittel sein zur „Umwertung aller Werte“, eine Initialzündung des Umsturzes. Allerdings zielt sie nicht nach vorn, sie berauscht sich vielmehr an den schlechten Verhältnissen und macht sie erträglicher. Ebenso ist der befreite Ruf der damaligen Bohème nach unbedingtem Genuss zum herrschenden Imperativ geworden. Wer sein Leben unter den gegebenen Bedingungen nicht „genießt“, muss irgendwie irre sein. Und so fällt es heute schwer, in diesen Ruf der Bohème unbeschwert einzustimmen, zu sehr klingt er wie ein Ruf aus dem Totenreich. 26 Dabei darf man sich nicht verleugnen. Niemand würde ernsthaft auf den H e d o n i m u s schimpfen, und ihn gegen irgendeine wohlanständige Bigotterie eintauschen. Gleichzeitig beginnt das wissende Grinsen angesichts der Untaten der Götter und das Abfeiern der Hoffnungslosigkeit auf Dauer schal zu schmecken. Gibt es wirklich nicht mehr als Lust, Gier und Rachsucht, und wo bleibt der Entwurf für ein „Danach“? Müssen zwangsläufig alle Konflikte im Alkohol gelöst werden? Gibt es nur diese eine Version der Geschichte, die Version, in der Eurydikes Freiheitswille sie letztendlich immer nur in die Arme begieriger Freier treibt und jede amouröse Annäherung gleich dazu führt, dass sie Objekt genau jener Typen wird, die sie so langweilen? Lustig zum Zuschauen ist es allemal. Aber auch für die Beteiligten? In unserer Inszenierung haben wir versucht, diese Fragen zu stellen und gleichzeitig den Spaß nicht zu verlieren. Ebenso wie sich das Spaßbürgertum seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in immer neuen Inkarnationen als hedonistischer Agent des kapitalistischen Glücksversprechens durch die 27 europäische Geschichte walzt, so feiert auch das Stück unter diesen Vorzeichen eine Auferstehung nach der anderen. Man will immer wieder sehen, wie der eitle Künstler Orpheus verlacht wird, wie Eurydikes Emanzipationswunsch scheitert und wie der widerliche Jupiter immer wieder ordentlich verspottet wird, aber am Ende doch Herrscher bleibt. So ist die Welt, und solange es Spaß macht, wieso auch nicht? Aber wie geht es den Figuren des Stücks dabei? Völlig durchgenudelt von 152 Jahren Operettenseligkeit stehen sie vor uns. Sie sind Wiedergänger und zugleich Junkies, die, noch immer um die Ekstase der Uraufführung wissend, dem Takt der Musik gehorchen wollen und gehorchen müssen, die Freude generieren, die tanzen, was das Zeug hält. Irgendwann wird es wieder so schön wie beim ersten Mal, denken sie. M u s s es doch werden, diese Hoffnung auf Lustbarkeiten wie beim ersten Mal hält sie am Leben, lässt sie wieder und wieder aufstehen. Sie sind süchtig nach Offenbachs Musik. 28 29 Das Bild des Untoten, oft und gerne verwendet als Sinnbild des überkommenen, aber niemals sterbenden Gesellschaftsystems, das wir seit dem 19. Jahrhundert mit uns herumtragen, liegt nahe, wenn man sich das Personal der Operette einmal genauer anschaut: Es gibt hier einerseits olympische Götter, per se unsterblich, es gibt die Schatten der Unterwelt, für immer zu einem Dasein zwischen Leben und Tod verdammt, es gibt Dämonen, wie die Öffentliche Meinung, auch sie ein unsterblicher Archetypus. Doch neben diesen gibt es eben auch Orpheus und Eurydike, die im Stück seltsam an den Rand gedrängten Hauptfiguren, die einzigen S t e r b l i c h e n an Bord. Sie wirken – wen wundert's – bei weitem am Lebendigsten, und vor allem Orpheus gemahnt am Rande immer wieder an die Reste des antiken Mythos. Und wie steht Orpheus bei Offenbach da? Wie ein begossener Pudel. Aber vielleicht ist da ja doch noch nicht alles verschüttet, vielleicht vermag unser „Held“ noch etwas. Vielleicht kann er einen Weg aus der ekstatischen Dauerschleife weisen. Er ist zwar „nur“ eine Operettenfigur, aber wer weiß, wenn 30 er sich darauf besinnt, dass er dereinst Lieder schrieb und sein Gesang die Welt umwarf? Er hasst zwar seine Eurydike, aber was ist, wenn die beiden sich trotzdem zusammenschließen und nicht mehr das streitende Ehepaar geben? Liegt da ein Schlüssel, die Dauerschleife zu durchbrechen, sich etwas Neuem zuzuwenden, statt, wie vom Todestrieb befangen, immer wieder demselben Vergnügen nachzugehen? Ist die Welt dafür bereit? Die Ausgangslage ist nicht gut für so ein Projekt. Mittlerweile verteidigt die öffentliche Meinung den Zynismus mehr als alles andere. Sie will sehen, wie Leute scheitern, sie will sehen, was sie kennt und was zuverlässig Spaß macht. Wir haben versucht, die Ausgeburten der Uraufführung auf die Bühne zu holen, um sie zu befragen: Wie lebt es sich im Paradies? Und ist ein Ausbruch denkbar, ohne die Freude – vielleicht sogar, ohne das Paradies zu verlieren? 31 musikalische leitung Joana Mallwitz Joana Mallwitz studierte Klavier und Dirigieren in Hannover. Am Theater Heidelberg ist sie als 2. Kapellmeisterin und Assistentin des Generalmusikdirektors Cornelius Meister engagiert, den sie im Herbst als Assistentin u. a. ans Königliche Theater Kopenhagen für TRISTAN UND ISOLDE begleiten wird. Für ihre besonderen musikalischen Leistungen wurde sie 2009 mit dem Praetorius-Förderpreis des Landes Niedersachsen ausgezeichnet. Sie dirigierte in Heidelberg u. a. Vorstellungen von SALOME, RIGOLETTO und DIE ZAUBERFLÖTE und wird in dieser Spielzeit u. a. Vorstellungen von FIDELIO und das 3. FAMILIENKONZERT dirigieren. 32 musikalische leitung Ivo Hentschel Seit 07/08 ist Ivo Hentschel als Korrepetitor und Dirigent in Heidelberg engagiert. Er studierte in Mannheim Klavier und Dirigieren. Seit 2005 ist er Stipendiat im Dirigentenforum des Deutschen Musikrats und wurde 2010 in die Künstlerliste „Maestros von Morgen“ aufgenommen. Er dirigierte in Heidelberg zuletzt Vorstellungen u. a. von AI-EN und leitete die Wiederaufnahme von Rombergs STUDENTENPRINZ. In dieser Spielzeit wird er u. a. das 2. FAMILIENKONZERT und Vorstellungen der Uraufführung VOM MEER dirigieren. 33 musikalische leitung Timothy Schwarz Der in Los Angeles geborene Pianist und Dirigent Timothy Schwarz studierte an der University of Washington und an der Eastman School of Music. Er ist Preisträger des Joanna Hodges International Piano Wettbewerbs und Mitglied der California Young Artist Guild. Seit 1998 ist Timothy Schwarz als Pianist und Dirigent in Heidelberg tätig, seit 2007 zusätzlich als Studienleiter. 10/11 dirigiert er u. a. das 4. FAMILIENKONZERT und die ZAUBERFLÖTE FÜR KINDER. 34 MUSIKALISCHE LEITUNG Jan SCHweiger Jan Schweiger stammt aus Österreich und studierte Chor- und Orchesterdirigieren in Salzburg. Er war Musikalischer Leiter mehrerer Chöre in Österreich und Deutschland sowie Sänger im Arnold Schönberg Chor. Seit 2007 ist er Chordirektor und Dirigent in Heidelberg und gewann 2009 den PREIS DES FREUNDESKREISES. In der Spielzeit 10/11 leitet er u. a. das 2. BACHCHORKONZERT und das 1. FAMILIENKONZERT sowie die ZAUBERFLÖTE FÜR KINDER. 35 regie daniel cremer Daniel Cremer war Regieassistent am Schauspiel Köln, wo er u. a. mit Albrecht Hirche, Olaf Altmann und Michael Thalheimer arbeitete. Für René Pollesch und Martin Wuttke war er in Köln und an der Berliner Volksbühne als Dramaturg tätig. Neben seiner regelmäßigen Zusammenarbeit mit dem Opernregisseur Benedikt von Peter arbeitet er auch als Autor. Mit PHAEDRA gab er 08/09 sein Debüt als Opernregisseur in Heidelberg. 09/10 folgte FAUSTRECHT DER FREIHEIT im THEATERKINO. Demnächst inszeniert er im Berliner Theaterdiscounter sein eigenes Stück SECHSTE REDE DER VANESSA STERN AN DIE MENSCHEN. 36 bühne nadia fistarol Nach dem Architekturdiplom an der ETH in Zürich assistierte Nadia Fistarol an den Münchner Kammerspielen, wo auch eigene Arbeiten entstanden sind u. a. mit Felicitas Brucker und Barbara Weber. Sie versah Ausstattungen für die Tanzkooperation pvc - Tanz Freiburg Heidelberg. Eine intensive Zusammenarbeit verbindet sie mit den Regisseuren Joachim Schlömer, Marc Becker und Simone Aughterlony, mit der sie zuletzt DESERVE u. a. für das KunstenFestival des arts in Brüssel und für die Zürcher Festspiele erarbeitete. 37 kostüme franziska jacobsen Franziska Jacobsen, geboren 1983 in Heidelberg, ist seit Beginn der Spielzeit 2006/ 2007 als Bühnen- und Kostümbildnerin bei pvc Tanz Freiburg/Heidelberg. In dieser Zeit entstanden u. a. Ausstattungen für die Produktionen DAS LETZTE KAPITEL DER GESCHICHTE DER WELT, FOR LOVE, TOUT COURT, sowie die Kostüme für SOS, HAPPINESS, SCHIESS DOCH KAUFHAUS und MACHT UND REBEL. In der Spielzeit 10/11 gestaltet sie für pvc Bühne und Kostüme für TRISTAN UND ISOLDE. 38 choreografie kristin Schaw minges Die US-Amerikanische Choreografin Kristin Schaw Minges studierte am California Institute of the Arts Modernen Tanz, Choreografie und Improvisation. Sie nahm an der Harvard University Summer Academy teil und war Mitglied der Mel Wong Dance Company in New York City. Zur Zeit arbeitet sie als freiberufliche Choreografin. Am Theater Heidelberg wirkte sie im Jahre 2006 an der Produktion CHIEF JOSEPH mit. 39 Die öffentliche Meinung carolyn frank Carolyn Frank wurde in Georgia, USA geboren. Nachdem sie am Converse College in South Carolina ihr Diplom „Bachelor of Music“ mit Auszeichnung erworben hatte, setzte sie ihre Studien am Curtis Institute of Music in Philadelphia fort. Seit 1986 ist die Mezzosopranistin Solistin am Heidelberger Theater. In dieser Spielzeit singt sie u. a. die dritte Dame in der ZAUBERFLÖTE und Emilia in OTELLO. 40 41 Venus ulrike machill Die Sopranistin Ulrike Machill ist seit 1989 Opernchormitglied des Theaters Heidelberg. Im selben Jahr gewann sie den ersten Preis beim Gesangswettbewerb Ludwigshafen. Zahlreiche Konzerte gab sie mit ihrem Bruder, dem bekannten Tenor Volker Bengl. Ihr Repertoire umfasst Arien aus DIE ZAUBERFLÖTE und DIE HOCHZEIT DES Figaro von Mozart sowie aus Opern von Cimarosa und Lortzing. 2009/10 wirkte sie in Heidelberg u. a. in Minoru Mikis AI-EN als Solistin mit. 42 juno simone mende Die Schauspielerin Simone Mende spielte u. a. am Volkstheater Rostock und am Theater Lübeck. Seit 08/09 gehört sie zum Heidelberger Ensemble und stand u. a. in BUNBURY – ERNST IST DAS LEBEN auf der Bühne. 10/11 spielt sie in ENDSTATION SEHNSUCHT, DIE DEMJANJUK-PROZESSE, HERR LEHMANN und Martha in WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? 43 diana hye-sung na Die Sopranistin Hye-Sung Na studierte Gesang an der Yonsei-Universität in Seoul, Südkorea, bei Prof. Kim und in Köln bei Prof. Monica Pick-Hieronimi. 2006 war sie Preisträgerin des Bergheimer Sängerpreises und Mitglied des Opernelitestudios des Theaters Lübeck. 2007 gab sie ihr Heidelberg-Debüt als Butterfly und ist seit 09/10 festes Ensemble-Mitglied. In dieser Spielzeit singt sie die erste Dame in der ZAUBERFLÖTE und Desdemona in OTELLO. 44 eurydike annika sophie ritlewski Die Sopranistin Annika Sophie Ritlewski studierte Gesang an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und war 2008 Preisträgerin beim Bundeswettbewerb für Gesang. Sie debütierte bei den HEIDELBERGER SCHLOSSFESTSPIELEN 2009 als Gianetta in DER LIEBESTRANK. In der letzten Spielzeit war sie als Pamina in der ZAUBERFLÖTE und als Vetturia in der Barockoper SPARTAKUS zu hören. 45 eurydike silke schwarz Silke Schwarz studierte Gesang an der Hochschule für Musik in Freiburg. Die Sopranistin ist u. a. Preisträgerin des 53. ARD-Wettbewerbs und wurde mehrfach von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ als „Nachwuchssängerin des Jahres“ nominiert. Seit 2005 ist sie im Heidelberger Ensemble. In dieser Spielzeit verkörpert sie auch Pamina in DIE ZAUBERFLÖTE, Desdemona in OTELLO und Ellida in der Uraufführung VOM MEER. 46 venus manuela sonntag Die Sopranistin Manuela Sonntag studierte Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik Westfalen Lippe und am Royal Welsh College of Music and Drama in Cardiff. Seit 1991 ist sie Mitglied des Heidelberger Opernchores und wirkte u. a. in Minoru Mikis AI-EN und DER STUDENTENPRINZ als Solistin mit. 47 cupido alexandra steiner Die Sopranistin Alexandra Steiner absolvierte ihr Gesangsstudium an den Musikhochschulen in Würzburg und Stuttgart. Sie war 2008–2010 Mitglied des Thüringischen Opernstudios in Weimar und sang dort 08/09 Papagena in der ZAUBERFLÖTE, Norina in DON PASQUALE und Jano in JENUFA. In Heidelberg wird sie Marzelline in FIDELIO, Papagena in DIE ZAUBERFLÖTE und Hilde in der Uraufführung VOM MEER verkörpern. 48 jupiter lucas harbour Der Bassbariton Lucas Harbour war u. a. Mitglied der Opernstudios der Santa Fe Opera und Stipendiat der Deutschen Oper Berlin. 2010 führten ihn Gastspiele an das Teatro Regio Torino. Zu seinen Partien gehören der zweite Geharnischte in DIE ZAUBERFLÖTE, der Mandarin in TURANDOT und der Schließer in TOSCA. Bei uns wird er in dieser Spielzeit u. a. den Sprecher in DIE ZAUBERFLÖTE und Dr. Wangel in VOM MEER singen. 49 orpheus Aaron Judisch Aaron Judisch wurde in Iowa, USA geboren und absolvierte seine Gesangsausbildung am Luther College und an der Northwestern University, Chicago. 2001-2003 arbeitete er am Houston Opera Studio. Er war bereits von 2004-2007 Mitglied des Opernensembles in Heidelberg und sang in der vergangenen Spielzeit – nach seinem Stimmfachwechsel zum Tenor – u. a. Choukei aus AI-EN. In dieser Spielzeit verkörpert er Andronico in BAJAZET, Cassio in OTELLO und Hans Lyngstrand aus der Uraufführung VOM MEER. 50 merkur tadahiro masujima Der japanische Tenor Tadahiro Masujima absolvierte sein Gesangsstudium an den Musikhochschulen von Hiroshima, Detmold und Lübeck. Er war Mitglied des Opernstudios am Theater Bremen und gehörte 2002–2004 dem Chor der Städtischen Bühne Münster an. Zu seinen Partien gehören u. a. Peppe in I PAGLIACCI und Basilio/Don Curzio in LE NOZZE DI FIGARO. 2010 sang er in Münster Harlekin in DER KAISER VON ATLANTIS. 51 aristeus/pluto winfrid mikus Der Tenor Winfrid Mikus erhielt seine erste musikalische Ausbildung im Knabenchor Hannover bei Prof. Heinz Hennig und Peter Sefcik. Er studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Hamburg bei Prof. Naan Pöld. Seit 1991 ist er in Heidelberg als Buffotenor, ab 2002 als Charaktertenor und jugendlicher Heldentenor engagiert. In dieser Spielzeit ist er u. a. als Florestan in FIDELIO und als OTELLO in Verdis gleichnamiger Oper zu hören. 52 merkur eleazar rodriguez Der Tenor Eleazar Rodriguez studierte am San Francisco Conservatorium bei César Ulloa. Er erhielt das Placido Domingo Stipendium und war unter den Gewinnern des „Carlo Morelli National-Wettbewerbs“, Mexico. Er sang u. a. Almaviva in BARBIER VON SIVIGLIA an der Fremont Oper in Kalifornien und die Titelpartie in YOUNG CAESAR in San Francisco. In Heidelberg wird er als Jaquino in FIDELIO, Tamino in der ZAUBERFLÖTE und Rodrigo in OTELLO zu hören sein. 53 Bacchus david otto David Otto wurde in New York/USA geboren. Vom Curtis Institute of Music über die University of Delaware kam er mit einem Stipendium des DeutschAmerikanischen Frauenklubs 1975 an die Hochschule für Musik in Würzburg, wo er 1980 sein Gesangsstudium abschloss. Seit 1980 ist er Mitglied des Heidelberger Opernchores. In Heidelberg sang der Bass als Solist Fiorillo in der BARBIER VON SEVILLA sowie den Bankier aus Lulu. In dieser Spielzeit wird David Otto wieder den Wirt in der HeidelbergOperette DER STUDENTENPRINZ verkörpern. 54 john styx peter pichler Der Schauspieler Peter Pichler absolvierte seine Ausbildung in Graz. Engagements führten ihn an das Leipziger Schauspielhaus, an die Städtischen Bühnen Nürnberg, an das Theater Dortmund, an das Saarländische Staatstheater Saarbrücken, nach Würzburg, Memmingen, an das Meininger Theater sowie nach Graz. Dreimal erhielt er den Bayerischen Theaterpreis. In dieser Spielzeit ist er wieder bei den SCHLOSSFESTSPIELEN in der Heidelberg-Operette DER STUDENTENPRINZ zu sehen. 55 mars amadeu tasca Der brasilianische Bariton Amadeu Tasca studierte Gesang an der Universität von São Paulo in der Klasse von Prof. Marcia Guimarães. Danach studierte er an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bei Prof. Hedwig Fassbender. In Heidelberg war er bereits in Minoru Mikis AI-EN zu hören und übernimmt in dieser Spielzeit als festes Ensemblemitglied Montano in OTELLO, Johnston in der Uraufführung VOM MEER sowie die Titelpartie in der Barockoper BAJAZET. 56 Impressum Herausgeber Theater & Orchester Heidelberg Intendant Peter Spuhler Verwaltungsleiterin Andrea Bopp Redaktion Joscha Schaback / Jelena Rothermel Gestaltung Danica Schlosser Herstellung abcdruck GmbH Anzeigen Greilich / Neutard Szenenfotos Markus Kaesler Alle Beiräge sind Originalbeiträge zu diesem Heft. Ein herzlicher Dank an den für die Blumen zur Premiere. www.theater.heidelberg.de Theater & Orchester Heidelberg 10/11 Programmheft Nr. 1 für dich weil du so gut aussiehst ww w.swhd.de Dass Heidelberg bei Nacht besonders gut aussieht, weiß eigentlich jeder. Wir hören es aber immer wieder gerne. Lobster & Friends 15. & 16. 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