11.12.2016 Moralerziehung (B) – Detlef Horster Marco Greuel, Nikolas Strauch, Anna-Sophie Wiemke 1. Geschichte der Tierethik 2. Peter Singer und der Utilitarismus 3. Verankerung im Gesetz 4. 4 Die Würde der Kreatur 5. Fleischkonsum 6. „Käfigethik“ 7. Diskussion Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 2 12.12.2016 • Geringschätzung und Ausnutzung von Tieren wurde mit philosophischen Argumenten bestätigt • Tiere durch Mangel an Vernunft, Sprache und Selbstbewusstsein moralisch unterlegen • Aristoteles: Tiere werden aus ethischem und politischen Diskurs ausgeschlossen • Tiere hierarchisch untergeordnet Æ „beseelte Werkzeuge“ Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 3 12.12.2016 1 11.12.2016 • Stoiker: Tiere sind untergeordnet, existieren nur für den Menschen • Keine Pflichten ggü. Tieren • Mittelalter: Vorherige Lehren werden mit christlicher Tradition verschmolzen • ÆGöttlicher Wille: Herrschaft der Menschen über Tier und Natur • Thomas v. Aquin: Tiere haben kein Bezug zu Gott Æ Tiere haben nur instrumentellen Wert Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 4 12.12.2016 • René Descartes (17. Jh.), bedeutender Rationalist: Tiere sind bloße Automaten, moralisch vollkommen unbedeutsam • Verhalten (auch Schmerzen) rein mechanisch • I. Kant (18. Jh.) schließt Tiere ebenfalls aus der Sphäre der Moral aus, Vernunft als Bedingung für moralische Berücksichtigung • Tiere = relativer Wert als Mittel, daher Sachen Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 5 12.12.2016 • Gegenströmungen ab 18./19. Jahrhundert durch Utilitaristen: • Erst nur moralische Pflichten (Gnade) ggü. Tieren • Später starke Positionierung gegen die vorherrschende Meinung • Erste Vertreter: Jeremy Bentham / John Stuart Mill Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 6 12.12.2016 2 11.12.2016 • Jeremy Bentham, 1828 (Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 235f): „Es mag der Tag kommen, an dem man begreift, dass die Anzahl der Beine, die Behaarung der Haut oder das Ende des Kreuzbeins gleichermaßen ungenügende Argumente sind, um ein empfindendes Wesen dem gleichen Schicksal zu überlassen. überlassen Warum soll sonst die unüberwindbare Grenze gerade hier liegen? Ist es die Fähigkeit zu denken oder vielleicht die Fähigkeit zu reden? Aber ein ausgewachsenes Pferd oder ein Hund sind unvergleichlich vernünftigere sowie mitteilsamere Tiere als ein einen Tag, eine Woche, oder gar einen Monat alter Säugling. Aber angenommen dies wäre nicht so, was würde das ausmachen? Die Frage ist nicht ‚Können sie denken?‘ oder ‚Können sie reden?‘, sondern ‚Können sie leiden?‘.“ Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 7 12.12.2016 • Leitgedanke: größtmögliches Glück und kleinstmögliches Leiden • jeder hat Bedürfnisse, die er befriedigt haben möchte • kollidiert, sobald verschiedene Individuen mit verschiedenen Bedürfnissen aufeinander treffen • Daher: alle Interessen abwägen und entsprechend handeln, dass alle Beteiligten weitestgehend davon profitieren • nicht nur für aktuelle Situationen zu betrachten, sondern auch in weiterem Umfang Wichtige Vertreter: John Stuart Mill, Jeremy Bentham Welche Kriterien entscheiden über moralische Berücksichtigung? • Bentham: „Die Frage ist nicht: Können sie denken? Oder: Können sie sprechen? Sondern: Können sie leiden?“ Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 8 12.12.2016 Tiere können leiden Ælogisch, sie in moralische Berücksichtigungen mit einzubeziehen Æwenn Tiere mehr leiden als es den Menschen hilft,, dann unmoralisch Unterscheidung bei Bentham in Verständnis von Zukunft Unterscheidung bei Mill durch verschiedene Arten der Freude Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 9 12.12.2016 3 11.12.2016 • Berücksichtigung der Interessen Anderer darf nicht von ihren Fähigkeiten abhängig sein • Rasse und Art dürfen nicht das entscheidende Kriterium sein • Bezieht sich auf Bentham: sieht Leid und Freud nicht als Zusatzfähigkeit sondern als grundlegend, um Interessen haben zu können • Leid eines Wesens muss berücksichtigt werden • Wenn kein Leidempfinden, keine Berücksichtigung notwendig • „Deshalb ist die Grenze der Empfindungsfähigkeit […] die einzig vertretbare Grenze für die Rücksichtnahme auf die Interessen anderer.“ Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 10 12.12.2016 • Die meisten Staaten besitzen Rechtsordnungen, die Tiere in irgendeiner Art und Weise schützen aber: Unterschiede in Inhalt, Form und Anwendung (Grundbedürfnisse längst nicht gedeckt!) • Beispiele: - Tierschutzgesetz (TierSchG) - Europäisches Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutze von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 11 12.12.2016 Beispiel: Schweiz • relativ strenges Tierschutzgesetz (dennoch Verbesserungspotenzial!) • Mangel an Strafnorm: bei Tiertötung ohne vernünftigen Grund bleibt es bei keiner Strafe • Schutz der Tierwürde: Meilenstein und Vorstoßen in biozentrische Dimension gesetzlich geschützter Wert, der den Tieren unabhängig ihrer Empfindungsfähigkeit zugeschrieben wird Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 12 12.12.2016 4 11.12.2016 • Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (vom 18. April 1999 ǀ Stand 01. Januar 2016) Präambel: „Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizer Volk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, […] geben sich folgende Verfassung: […]“ Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 13 12.12.2016 Art. 80 Tierschutz 1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere. 2 Er regelt insbesondere: a.die Tierhaltung und die Tierpflege; b.die b die Tierversuche und die Eingriffe am lebenden Tier; c.die Verwendung von Tieren; d.die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen; e.den Tierhandel und die Tiertransporte; f.das Töten von Tieren. 3 Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 14 12.12.2016 Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich¹ 1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt. 2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keimund Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten. [Hervorh. selbst eingearbeitet] Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 15 12.12.2016 5 11.12.2016 nach Balzer, Rippe und Schaper: • Frage nach dem moralischen Status einer Kreatur Mensch vs. Symmetrisch verteilte Rechte und Pflichten Kreatur Keine Pflichten, aber dennoch moralische Rechte? 16 Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 12.12.2016 • Pflanzen und Tiere nicht allein deshalb Objekte des moralischen Handelns, weil sie uns nützen und erfreuen moralisches Verhalten ihnen gegenüber um ihretwillen Warum werden nur Lebewesen einbezogen und nicht auch Maschinen oder Steine? Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 17 12.12.2016 Drei Schritte der Beantwortung: Tiere und Pflanzen können als Wesen beschrieben werden, da… 1. ihnen ein individuelles, eigenes Gut zukommt, 2. sie individuelle Ziele verfolgen können und 3. sie als organische Einheiten zu bezeichnen sind. Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 18 12.12.2016 6 11.12.2016 eigenes Gut „inhärenter Wert“ • kommt allen Lebewesen zu, aber: Ædarf nicht allein auf einer subjektivistischen K Konzeption ti von W Wohlergehen hl h b beruhen! h ! Æmuss ausgedehnt werden auf Lebewesen, denen nur Lebensqualität zugeschrieben werden kann! Allen Lebewesen müsste Würde, ein inhärenter Wert, zukommen. Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 19 12.12.2016 „Auch wenn allen Lebewesen ein inhärenter Wert, eine Würde, zukommt, kann dieser Wert gegen den Wert anderer Güter abgewogen werden. Dass Lebewesen einen inhärenten Wert besitzen, heißt nicht, dass ihnen ein absoluter Wert zukommt. zukommt.“ - Balzer, Rippe & Schaber S.136 • andernfalls: praktische Konsequenzen (z.B. Verzehr von Pflanzen = unmoralisch) • nicht alle Kreaturen haben denselben inhärenten Wert hierarchische Konzeption Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 20 12.12.2016 Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 21 12.12.2016 7 11.12.2016 Fleischkonsum von Hähnchen Deutschland, in Tonnen (2014) 971.000 t Hähnchenfleisch (2014) entsprechen ca. 630.000.000 Tieren 2014 2001 0 500000 Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 1000000 22 12.12.2016 Mastdauer Hähnchen in Wochen 2014: 5,6 Wochen 1945: 10 Wochen Mastdauer fast halbiert. Lebendgewicht verdoppelt. Folgen: Mehr „Ertrag“, stablier/sinkender Preis. Pro Kilo ca. 7EUR Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 23 12.12.2016 • Karnistisches System: Ambivalenz des eigenen Wertesystems ggü. unserem Handeln. • Ethische Tragweite g ist nicht bewusst,, wird ausgeblendet? g • In Deutschland ca. 7-8 Mio. Vegetarier, 900.000 Veganer. Dennoch: Weltweiter Fleischkonsum steigt rapide an (ca. 41kg pro Person/Jahr) Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 24 12.12.2016 8 11.12.2016 • Blendet bewusst ethische Grundfragen aus („Dürfen wir Tiere überhaupt zu bestimmten Zwecken nutzen, wenn ihnen dabei Leid zugefügt wird?“) • Hält die Legitimität der Zwecke und den Status quo für gegeben b • Tierische Interesse werden nur insoweit wahrgenommen, wie sie die wirtschaftliche Funktion der Tiere nicht gefährden 25 Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 12.12.2016 Verhalten sich Vegetarier moralisch, Fleischesser hingegen nicht? 26 Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 12.12.2016 Kulturelle Unterschiede Kühe in Indien Deutschland Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke vs. China 27 12.12.2016 9 11.12.2016 Tierversuche Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 28 12.12.2016 29 12.12.2016 30 12.12.2016 Tierversuche Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke Tierversuche Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 10 11.12.2016 Peta Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 31 12.12.2016 Sind nach der hierarchischen Konzeption des inhärenten Wertes Tierversuche moralisch verwerflich, obwohl sie dem Menschen als Kreatur helfen? Gibt es Abstufungen, welche Tierversuche legitim sind und welche nicht? Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke • • • • • • • • • 32 12.12.2016 Balzer, Philipp; Rippe, Klaus Peter; Schaber, Peter: Tierethik. In: Angewandte Ethik. Hrsg. von Detlef Horster. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co.KG, 2013. Haag, Karl Friedrich: Nachdenklich handeln. Bausteine für eine christliche Ethik. Göttingen 1996. Schmitz, Friederike: Tierethik-eine Einführung. In: Tierethik Grundlagentexte. Hrsg. von Friederike Schmitz. Berlin 2014. Singer, Peter: Rassismus und Speziesismus. In: Texte zur Tierethik. Hrg v. Ursula Wolf. Stuttgart: Reclam 2008. 2008 Singer, Peter: Tierversuche. In: Texte zur Tierethik. Hrg v. Ursula Wolf. 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Tierethik: Greuel, Strauch, Wiemke 33 12.12.2016 11 11.12.2016 • • • • • • • • • • • • • https://studiereninchina.wordpress.com/2015/09/06/ost-trifft-west-unterschiede-zwischenchinesischer-und-deutscher-kultur/ [zuletzt aufgerufen am 09.12.16]. http://www.energie-klimapioniere.ch/fileadmin/projects/z-problem-files/vegetarier-woche.jpg [zuletzt aufgerufen am 09.12.16]. https://religionundgesellschaft.wordpress.com/2015/10/28/indiens-heilige-kuehe/ [zuletzt aufgerufen am 09.12.16]. http://www.maeuseknast.de/wieso.html [zuletzt aufgerufen am 09.12.16]. https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/fotos/56-tierversuche-in-der-toxikologie-undkosmetik [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. http://mediathek.peta.de/imageservlet/2740/2/image.jpg [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. https://feelingsforanimals.wordpress.com/berichte/tierversuche-was-passiert-da-im-labor/ [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/fotos/57-tierversuche-in-der-grundlagenforschung [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. https://www.yahoo.com/celebrity/blogs/celeb-news/noah-cyrus-stars-in-graphic-peta-campaign204203272.html?ref=gs [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. http://www.peta.de/mediadb/PETA-Borgmann_72.jpg [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. http://footage.framepool.com/shotimg/qf/646018705-huehnerzucht-huehnerfabrikmassentierhaltung-schlachthof.jpg [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. http://www.sueddeutsche.de/wissen/massentierhaltung-huehnchen-am-tag-1.1404714 [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/unser-taeglich-tier-huehnchen-massenproduktion-in100.html [zuletzt aufgerufen am 10.12.16]. 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