Kap. 12 (Teil I): Statistische Hypothesen

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Eine Methode, um anhand von Stichproben Informationen über die Grundgesamtheit zu
gewinnen, ist der Hypothesentest (Signifikanztest). Hier wird erst eine Behauptung
oder Vermutung (Hypothese) über die Parameter der Grundgesamtheit (z.B. der
Mittelwert µ ) aufgestellt, dann wird anhand einer Stichprobe aus der Grundgesamtheit
diese Behauptung geprüft (getestet). Eine Hypothese wird dann als statistisch widerlegt
angesehen und verworfen, wenn das Stichprobenergebnis in deutlichem (d.h. in
signifikantem) Gegensatz zu ihr steht.
Eine Abfüllanlage einer Firma füllt Flaschen mit Getränke ab, wobei die Füllmenge pro
Flasche gewisse Schwankungen unterliegt. Die Füllmenge X kann als eine
normalverteilte Zufallsvariable mit der bekannten Standarbweichung = 0,5 [Deziliter]
angesehen werden. Der Hersteller behauptet, dass der Mittelwert µ für die Füllmenge
gleich dem Sollwert 3 [Deziliter] ist.
Eine Verbraucherorganisation möchte die Behauptung (Hypothese) des Herstellers
überprüfen. Eine vollständige Untersuchung der Gesamtproduktion ist aus Zeit- und
Kostengründen nicht möglich. Daher soll anhand einer Stichprobe vom Umfang N = 25
aus der Produktion die Aussage geprüft werden.
Die Verbraucherorganisation entnahm eine Stichprobe aus 25 Flaschen und erhielt für
die mittlere Füllmenge in der Stichprobe den Stichproben-Mittelwert x = 2,8 [Deziliter].
Genügt dieses Ergebnis, um die Behauptung (die Hypothese) des Herstellers zu
widerlegen, oder soll die Verbraucherorganisation die Hypothese des Herstellers so
annehmen, weil die Füllmenge gewisse Schwankungen unterliegt?
Die Abfüllmenge ist gleich dem Sollwert 3 [Deziliter].
Wird die Behauptung anhand der Stichprobe verworfen, so folgert die
Verbraucherorganisation mit einer vorher festgelegten Wahrscheinlichkeit, dass
der wahre Mittelwert µ für die Abfüllmenge weniger als der Sollwert 3 [Deziliter]
ist.
Nullhypothese:
H0 :
Gegenhypothese: Ha :
µ = 3 (µ
µ < 3
3 ) (Behauptung des Herstellers)
(Gegenbehauptung der
Verbraucherorganisation)
Verwerfen von H0 zugunsten von Ha , falls der Stichproben-Mittelwert x weit
kleiner als 3 ist.
1
σx =
f(x)
σ
= 0,1
N
x
0
[dl]
µ =3
Verwerfen der Nullhypothese H0 , falls diese aber tatsächlich richtig ist.
!
Festlegung einer Grenze für den Ablehnungsbereich.
σx =
f(x)
σ
N
= 0,1
x
0
xG
[dl]
µ =3
Verwerfen der Nullhypothese H0 , falls der Stichprobenmittelwert x unterhalb
eine festgelegte Untergrenze ist.
Angabe einer Wahrscheinlichkeit genannt Signifikanzniveau oder
Irrtumswahrscheinlichkeit: α z.B. : α = 0,025 = 2,5%
σ x = 0,1
f(x)
α = 0,025
x
0
"
xG
µ =3
[dl]
#
Festlegung der Grenze anhand des gewählten Signifikanzniveaus α = 0,025 und
der Standard-Normal-Verteilung: zα = – 1, 96
2
!
(z)
Z =
X – µ
σ
N
α = 0,025
z
zα = – 1,96
$$
%
0
&
Entnahme einer Stichprobe der Größe N und Berechnung des Mittelwerts x .
N = 25 ;
x = 2,8 [dl]
Bestimmung der Testgröße ẑ durch:
zˆ =
x − µ
σ
N
=
2,8 −
3
0 ,5
= −2
25
'
Ablehnung der Nullhypothese H0 , falls die Testgröße ẑ
Grenze zα ist.
kleiner als die
Da ẑ = – 2 kleiner als zα = – 1, 96 , lehnt die Verbraucherorganisation die
Nullhypothese H0 : µ = 3 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit α = 2,5% gegenüber
der Gegenhypothese Ha : µ < 3 ab.
(
)
Eine Abfüllanlage einer Firma füllt Flaschen mit Getränke ab, wobei die Füllmenge pro
Flasche gewisse Schwankungen unterliegt. Die Füllmenge X kann als eine
normalverteilte Zufallsvariable mit der bekannten Standarbweichung = 0,5 [Deziliter]
angesehen werden. Der Hersteller behauptet, dass der Mittelwert µ für die Füllmenge
gleich dem Sollwert 3 [Deziliter] ist. (s. voriges Bsp.)
Eine Ingenieurin für die Qualitätskontrolle des Abfüllautomaten möchte wissen, ob die
Anlage die Flaschen im Mittel mit zu wenig oder mit zu viel Getränke abfüllt. (, ob der
wahre Mittelwert µ für die Abfüllmenge weniger oder mehr als der Sollwert ist). Also
möchte sie, dass weder µ < 3 [dl] ist (wegen Einsprüche von Verbrauchern) , noch µ > 3
ist. (wegen Verschwendung und Verluste).
Dafür entnahm sie aus der Produktion eine Stichprobe von 16 Flaschen. Dabei erhielt sie
für die mittlere Füllmenge in der Stichprobe den Stichproben-Mittelwert 3,0125 [dl].
Formulieren Sie einen geeigneten Test und führen Sie ihn auf einem Signifikanzniveau
α = 5% durch.
3
Nullhypothese: H0 :
Gegenhypothese: Ha :
!
Signifikanzniveau oder Irrtumswahrscheinlichkeit:
"
#
Kritische Grenzen: zα/2 =
und
α=
z 1 – α/2 =
!
(z)
Z =
X – µ
N
σ
α/2
α/2
z
zα / 2
AblehnungsBereich
%
0
z1 – α / 2
AblehnungsBereich
&
ẑ =
%
)'
(
)(
Eine Abfüllanlage einer Firma füllt Flaschen mit Getränke ab, wobei die Füllmenge pro
Flasche gewisse Schwankungen unterliegt. Die Füllmenge X kann als eine
normalverteilte Zufallsvariable mit der bekannten Standarbweichung = 0,5 [Deziliter]
angesehen werden. Der Hersteller behauptet, dass der Mittelwert µ für die Füllmenge
gleich dem Sollwert 3 [Deziliter] ist. (s. voriges Bsp.)
Der Besitzer der Firma, möchte wissen, ob die Anlage die Flaschen im Mittel mit zu viel
Getränke abfüllt. (, ob der wahre Mittelwert µ für die Abfüllmenge mehr als der Sollwert
ist). Also er möchte nicht, dass µ > 3 ist. (wegen Verluste).
Dafür entnahm er aus der Produktion eine Stichprobe von 16 Flaschen. Dabei erhielt er
für die mittlere Füllmenge in der Stichprobe den Stichproben-Mittelwert 3,0125 [dl].
Formulieren Sie einen geeigneten Test und führen Sie ihn auf einem Signifikanzniveau
α = 2,5% durch.
4
Nullhypothese: H0 :
Gegenhypothese: Ha :
!
Signifikanzniveau oder Irrtumswahrscheinlichkeit:
α=
"
#
Kritische Grenze: z1 – α =
!
(z)
Z =
X – µ
N
σ
α
z
0
z1 – α
AblehnungsBereich
%
&
ẑ =
%
)'
5
*+
(
!
Annahmen und Vermutungen zur Wahrscheinlichkeitsverteilung in einer Grundgesamtheit
sind die Grundlage von Hypothesentests.
Eine Behauptung oder Vermutung zur Wahrscheinlichkeitsverteilung einer
Grundgesamtheit wird als Nullhypothese: H0 und die Gegenbehauptung wird als
Gegenhypothese: Ha bezeichnet. Der Grundgedanke der Hypothesentests
besteht darin, anhand der Ergebnisse einer Stichprobe zu entscheiden, ob die für
die Grundgesamtheit formulierte Nullhypothese H0 angenommen (genauer: nicht
abgelehnt) oder abgelehnt werden soll.
Die Menge aller möglichen Stichprobenergebnisse , bei deren Eintreten H0
abgelehnt werden soll, wird als ihr Verwerfbereich (Ablehnungsbereich) oder
kritischer Bereich, die Menge der restlichen Stichproben-Ergebnisse als ihr
Annahmebereich bezeichnet.
Die Zufallsvariable, die der Wahrscheinlichkeitsverteilung der
Stichprobenergebnisse gehorcht, wird die Testfunktion genannt.
Die anhand der Verteilung der Stichprobenergebnisse und eines konkreten
Stichprobenergebnisses berechnete Größe wird als die Testgröße bezeichnet.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, H0 abzulehnen, wird als die
Irrtumswahrscheinlichkeit: α oder Signifikanzniveau: α des Tests bezeichnet.
Die Grenze, die den kritischen Bereich festlegt, wird anhand der Verteilung der
Stichprobenergebnisse sowie aufgrund der Irrtumswahrscheinlichkeit α und der
Gegenhypothese Ha festgelegt. Diese Grenze bezeichnet man als die kritische
Grenze.
Das Verwerfen oder Nicht-Verwerfen einer Nullhypothese H0 wird anhand der
Entscheidungsregel getroffen. D.h., liegt die Testgröße im kritischen Bereich, so
wird mit der Irrtumswahrscheinlichkeit α die Nullhypothese H0 zugunsten der
Gegenhypothese verworfen, liegt dagegen die Testgröße nicht im kritischen
Bereich , so wird H0 nicht verworfen.
Beim statistischen Test kann nicht entschieden werden, ob die Nullhypothese H0
tatsächlich wahr oder falsch ist und auch nicht, mit welcher Wahrscheinlichkeit
sie wahr ist. Da solche statistische Schlüsse nicht ganz sicher sind, treten
Fehlentscheidungen auf.
Wird in einem Test H0 verworfen, obwohl H0 tatsächlich aber richtig ist, so
begeht man einen Fehler 1. Art.
Wird dagegen H0 nicht verworfen, obwohl H0 tatsächlich aber falsch ist, so
begeht man einen Fehler 2. Art .
Es ist wünschenswert bei statistischen Tests beide Fehler möglichst gering zu
halten.
H0
abgelehnt
H0
nicht abgelehnt
H0 ist wahr
Entscheidung: falsch
Fehler 1. Art
Entscheidung: richtig
H0 ist falsch
Entscheidung: richtig
Entscheidung: falsch
Fehler 2. Art
6
"#
#
$
%
,
&
!
/
'
(
,
+
*
%
' )
'
*(
% -.
'
0
&
α
$ α
)
+
)
'
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2
$
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+
-
'
#
*
-.
,
3
!
!
+
!
1
.
&
*4
!2
,
3
!
*4
$
Das Nicht-Verwerfen einer Nullhypothese H0 bedeutet aber nicht, dass die Nullhypothese
H0 bestätigt ist, sondern nur, dass das Stichprobenergebnis nicht zur Ablehnung von H0
ausreicht.
*+*
*+*+
(
)%
'
(
1
2
)# &)%
( (
/ )%
%
0
#
$
Hypothesentests, die zur Untersuchung des unbekannten Mittelwerts µ mit aber
bekannter Standardabweichung σ einer Grundgesamtheit für normalverteilte
Verteilungen der Stichproben-Mittelwerte eingesetzt werden, bezeichnet man als den
Gauß-Test oder z-Test.
Falls die Verteilung der Gesamtheit normalverteilt ist, dann ist die Verteilung der
Stichproben-Mittelwerte immer normalverteilt und falls die Verteilung der Gesamtheit
nicht-normalverteilt ist, dann ist Verteilung der Stichproben-Mittelwerte bei
Stichprobenumfänge N > 30 auch normalverteilt. Da die Verteilung der
Stichprobenergebnisse, nämlich die Verteilung der Stichproben-Mittelwerte in diesen
Fällen einer Normalverteilung gehorcht, werden diese Tests Gauß-Test (z-Test)
genannt. (s. Kap. 10. Abschnitt 10.3.1)
Wird zur Aufstellung einer Nullhypothese für den Mittelwert einer Grundgesamtheit ein
bestimmter Wert µ0 vermutet, so können nach Fragestellung folgende unterschiedliche
Gegenhypothesen aufgestellt werden.
H0 :
Ha :
µ = µ0
µ < µ0
H0 : µ = µ0
Ha : µ > µ0
H0 : µ = µ0
Ha : µ ≠ µ0
Im Fall
spricht man dann von einem einseitigen Test mit unterer (kritischer)
dagegen von einem einseitigen Test mit oberer Grenze und im Fall
Grenze, im Fall
von einem zweiseitigen Test mit zwei Grenzen (eine untere und eine obere
Grenze)
7
3)%
&5
%
!
!
σ
H0 :
Ha :
Kritische Grenzen
aufgrund der
Irrtumswahrscheinlichkeit α und
der Gegenhypothese Ha
Testgröße für den
Mittelwert x einer
konkreten
Stichprobe der
Größe N
Graph der Verteilung der
Testfunktion für den Mittelwert X
von Stichproben der Größen N mit
Angabe der kritischen Bereiche
und der Entscheidungsregel
!
µ = µ0
(µ
µ < µ0
µ0)
Einseitiger Test
mit unterer Grenze
zˆ =
(z)
x − µo
σ
N
(Linkseitiger Test)
Z =
zα
X – µ
σ N
α
z
0
zα
AblehnungsBereich
H0 verwerfen, falls
zˆ < z α
!
µ = µ0
µ > µ0
(µ ≤ µ0)
Einseitiger Test
mit oberer Grenze
zˆ =
(z)
x − µo
σ
N
(Rechtseitiger
Test)
Z =
X – µ
σ N
α
z
z1 – α
0
z1 – α
AblehnungsBereich
H0 verwerfen, falls
ẑ > z 1
−α
!
µ = µ0
µ ≠ µ0
Zweiseitiger Test
mit oberer und
unterer Grenze
zα 2
zˆ =
(z)
x − µo
σ
N
Z =
X – µ
σ N
z
zα / 2
und
z1 – α 2
α/2
α/2
AblehnungsBereich
0
z1 – α / 2
AblehnungsBereich
H0 verwerfen, falls
zˆ < z α 2 oder ẑ > z 1 − α 2
8
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